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BOUGHT WITH THE INCOME
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Henru W. Sage
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INN
1924 065 033
13
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
IX. Jahrgang.
Berlin,
Verlag des allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
1894.
Digitized by Google
Inhaltsverzeihnis
des Jahrgangs IX. der Beitichrift (1894).
Die Zahlen verweilen auf die Spalten.
1. Selbftändige Aufläge.
a) Nah Stichworten geordnet.
Abfertigung. Bon Rietſch. 39/40.
Am 8, Juni 1894. Gottfried Auguſt Bürgers Todestag.
An bie werten Bereinägenofjen und jolche, bie es werden wollen. *8
An und Per. Bon H. H. P. 32—34.
An und Per, nochmais. Bon Dr. H. H. Pflüger und anderen.
566—6l.
Angriff auf den — deutſchen Sprachverein, ein neuer.
on 9. Dunger. — 48,
Anſprache von Ar Wappenhans. 3/4.
ar = geblatt oder Anzeigenblatt! Speifetarte oder ESpeifentarte!
on H. Dunger, 119/20.
Bahnbrecher, vor mehr als zwei Jahrhunderten. Bon Günther
A. Saalfeld. 31/2.
Berliner. Bon
en. und ber Spradjverein, die
— die deutſche. Bon Dr. Biltor Steinecke.
Fan. über = Spradfünden. Bon Friedrich van Hoffe.
"Series Auguſt Bürger, zum. Bon Dr. Julius
gar —— und ſein Nuhen. Bon Karl Erd»
a Geradewohl! Bon H. Dunger. 150/1.
Germanifches Eigentum in der Sprache Staliens. Bon Dr. Söhne.
73—78, 89— 9.
Geſehes⸗ und Berordnungäfpradhe, aus umferer. 36.
Größe der Biweigvereine im Verhältniſſe zur gi
bie. Bon Dr. Bernhard Maydorn. 24—
Mahnruf vom Jahre 1816, ein. Bon 55 — 98.
Rennform mit um zu, bie. Bon Dr. Theodor Matthias. 1 7— 42.
Peters, Karl, über die deutiche Sprade. Bon J. G. Sprengel.
Buchen ara ober?, vonder. Bon Gunther A. Saal-
142 —
— re = Bon Paul Pietſch. 144/5.
Schreibung von Straßennamen. Bon Dr. J. E. Wülfing. 114— 19.
— Nachtragliches dazu. 227/8.
Spradgefühl oder Sprachgemohnheit? Bon D. Streicher. 94 — 96.
Spradreinheit und —— geſchichtlich betrachtet. Von
Friedrich Kluge.
Stellung des Zeſtwortes nach und, noch ein letztes Wort zur. Bon
Johannes Poeſchel. 90 — 98.
Stellung, zu der, des Zeitwortes nad) und. 34—36, 42.
farte, eine deutfche. Von R. 78/9.
Zitelfucht, bie deutſche. Bon St. >
Unmittelbarer Mitgliederbeitrag — Umzugsloſten von Dresden
nad) Berlin. Bon Dr. Theodor Matthias. 148— 50.
u > un jchen Gelehrten über bie Fremdworifrage
on
— und 2 Bersferung der ——— Bericht über
die. Bon Profeflor Stier. 217
Bereindgenoffen, an bie geehrten. Bon M 152 122.
Benn das am grünen Holze geſchieht! Bon ® artenberg. 200
b) Nach Berfajjern geordnet.
Dunger, H., Anzeigeblatt oder Angeigenblatt! Speijelarte ober
Speifenlarte! 119/20. “oo
Dunger, 9., Ein neuer Angrifj auf den allgemeinen beutjchen
Spracverein. 146 —48.
Dunger, 9., Geralewohi Geradewohl! 150/1.
Erbmann, Bart, — Wortgebrauch und ſein
* —— WRaige über gewiſſe Spradfünden.
Ahns, M., Dr., An die geehrten Bereindgenofien. 1/2.
luge, „selerid, Sorucringe und Spradjreinigung geichicht-
lich betrachtet. — 11.
Pa een ——— Dr., Die Nennform mit um zu. 137—42.
— Theodor, Dr., Unmittelbarer Mitglieberbeitrag —
göfoften von Dreäben nad Berlin. 148—52.
u Bernhard, Dr., Die Größe ber — im
Bechältnife zur Bevöltenu Sziffer. 224 —
He a vn in Ra vom Sahız 1816. 98.
344— 7 On 5 — An und Per. 56—61.
Poeſchel, obannes, Noch ein lepted Wort zur Stellung bes
Zeitwwortes nah und. 96—98.
Be Bar Kr zu »Bon ber puriftiichen Modekrank⸗
eit oder
Pietſch, et Am 8. Juni 1894. 106/6.
R., Eine deu te. 78/9.
Riet ch, Abfertigum 39/40.
Saalfeld, Sinner fl Ein Bahnbrecher vor mehr als zwei
Jahrhunderten. 31
— —* Bon der puriſtiſchen Modekranlheit
Mn Julius, Dr., Zum Gedächtnis Gottfried Auguſt Bürgers.
a Dr, — Eigentum in der Sprache Italiens.
Spenge, ey Fr Karl Peters über die deutſche Sprade.
er , Die deutſche Titelfucht. =>
— Biltor, Dr., e deutſche Bergmannsſprache.
Stier, M., Bericht über die Verdeutſchung und Verbeſſerung der
Geicäftsfchilder. 217 —24.
Streider, D., Spradgefühl ober Sprachgewohnheit? 94 — 96.
we enbans, Friedrich, Unfprade. 3/4.
‚8. 1 — frangöfifchen Gelehrten über die Fremdwort⸗
®., “Die iner Baus Deputation und ber Sprachverein. 227.
Wartenberg, W., Benn dad am grünen Holze geichieht!
Bülfing, I. €., Dr., Se rein en Straßennamen. 114— 19.
Billfing, Ya Nachtrãgliches zur Schreibung von Straßen:
namen. R
I. Seine Mitteilungen.
Alfabund in Elſaß⸗ Lothringen. 42.
Aufruf des Zweigvereind Dresden. 229.
. | Bümgemei Fröres. er ”
rmeifter von Greifenhagen, Belanntmachung des. 154.
Claes & Flentje, Mühlhaufen i. Thüringen. 64.
Gantter, Dr., Vortrag im Franffurter Zournaliftens Verein. 22,
Gewerbeverein zu Stargard. 63.
Bin ger Senat, Autrag an ben.
— Rudolf, Antwort auf den —E des Vereins.
Hildebrande, Rudolf, Todesnachricht. 228.
—* övell, Sen —— —
orn, — ident
Die Emft in 88)
ellöretli. 23.
Kölntiche en und Handelöblatt, Verzeichnis entbehrlicher
Fremdwörter. 4.
König & Eo., Henri. 153.
Kolberger Bifienihaftlicer Berein. 42.
— für Herman Riegel. 22, 42, 63, 80, 99, 121,
Landeshauptmann. 22.
Nordböhmiicher Verband für Verbreitung von Boltsbildung. 220.
Benner, Ohligs. 63/4.
»Bajjage« in Efien. 153.
Sachs, Hans, vierhundertiter —— 229.
Treu & ualifch, Berlin. 64, 80/1.
Webers » Dreizehnlinden«. 42/3.
Winter & Lindner. 154.
III. Sprachliche WMujterleiftungen.
23/4, 41/2, 63, 79/80, 98,9, 121.
IV. Bücherſchau.
a) Beſprochene Drudicdriften.
rn. Emft, Berfiehen wir deutſch? Bon Karl Scheffler.
Erbe, Ba Leichtfaßlice Regeln für die —— des Deut⸗
im. Bon Günther A. Saalfeld. 122.
‚ Dr., Deutihe Bürgerfunde. Eon Dr. F. &räf. 198.
bert, But —— Lon Karl Scheffler. 64/5, 99/100.
iel ‚ Beitichrift für deutihe Sprade.
Sem Eosnodty, Theodor, Sr Spradwart. Bon F. Scheffler.
— Franz, Namenbuch. Von nd Khull. 44 - 45.
_ ®ille, Ein, Deutihe Wortkunde Bon a Scheffler. 156,7.
b) Eingejandte neue Drudjcriften.
24, 45, 66, 81, 122/3, 167,8, 198,9, 212/38.
V. Zeitungsſchau.
Neue Aufſätze, Beſprechungen ufw. in Zeitungen
und Beitfchriften.
45/6, 66, 81—83, 123, 199, 213.
VI. Sprechſaal.
Gierbrüde, Giergaſſe. — Bertitow. Bon Dr. Wülfing.
Paſſage in Efien. 62.
tleitung. Bon Paul Steller und 8. Bruns. 40/1.
Unjer Wahlſpruch. Bon Frl. Anna Bauer. 152.
1201,
IV
Bertitow. Bon Dr. Wül
Vorſchlaäge. Bon re 24 Ve 61/2.
VII. Aus den Zweigbereinen.
Wachen. 19, 83, 229.
—— 67.
urich
Berlin = — 19, 67,
— 158. 4 dere
lanfenburg a.
Bonn. 46, 83,
197, 230.
Braunſchweig.
Breslau. 46, 83, 124
Chemnip. 83.
Gzernowig. 101.
Danzig. %, 124, 197.
Dreöden. 20, 46, 67, 83, 101,
124, 213/4.
Düfjeldorf. 21, 101/2.
—— 83, 197.
m. "8,
19/20, 67, 230.
Köln. 46, 158.
Lübed. 21, 214.
Bagbeburg. 21/2, 68,
214/5.
Mailand. 22.
Marburg a.D. 84, 125.
— Ma
Marienwer 69, 84, 125/6,
197, 230/1.
Münden. 46, 126.
Münden. “on. 84.
Neuruppin.
Norden in Offriehiand,
125,
126.
Eger. . Nürnberg. 126.
Elberfeld. 67. Didenburg. 69.
Efjen. 21. Blauen. 69.
Hurt a. M. 46. ofen. 22.
iberg i. S. 102. rag. 84, 103
burg i. m 88. Quedlinburg. 22
Gablonz. Ratibor. 69, 231.
Börlip. 21.6 83/4. Sit 6, 84, 126, 215/6.
—— 84, 62, 124,5, 158, Stettin.
Strakburg.
Iberjtadt. 68. —— 2. 84/5, 126/7.
mburg. 21, 125. Eulingen.
Hannover. 68. Trier. 69, —* 86, 231/2.
— 21, 102/83. Tübingen i
afiel. 20, 46, 214. Bandäbed. 196.
Kempen. 68, 230. Wermelekirchen. 85, 232.
Kiel. 68, 125, 158, 214. ee 70, 232,
Koblenz. 20, 214, 230. widau. 127,8.
VIII. Brieflaſten.
24, 47/8, 70/2, 85/6, 103/4, 159/60 195/6.
IX. Geſchäftliches.
Sipungen des Gejamtvorftandes
am 2. Dezember 1893. 19.20.
am 18. März 1894. 87,8.
am 18. Muguft 1994. 194 — 96.
— RI
am 2. und 3. Dezember 1893 in Berlin. 3—19.
am 19, 20. Auguſt 1894 in Koblenz. 161—94
Rechnungs-⸗Abſchluß für dad Jahr 1893.
a a Jah
ge zu Nr. 7/8.
PBreisausfchreiben.
127/8, 180/1, 215/6.
ee le Juſtizminiſters betrefis » Schrift:
leiter«.
Briefe und Drudfaden für bie Bereinsicktung
find an ben Borfigenben,
Oberjtleutnant a. D. Dr. Mar Zähns im Berlin @. 10,
Merparetenitraße 16,
Geldjendungen und Beitrittöerflärungen
an en Schaßzmeiſter,
Berlagsbuchhändter Eberhard Ernit in Berlin W.al.
Bildel
ftrafe W,
Briefe und Drudiaden für die geitſchrift find am den Herauägeber, Oberlebrer Friedrich Mappenbans In BrinN.W.3, Mitonaer Strahe %,
za richten,
Die Jahrgänge 1886— 1898 der Zeltſchtift werden gegen Einjendung von
16 Mt. an den Schahmeiſter koftenfrei übermittelt; 1886/87 allein — 4 Mt.,
1888 bis 1893 allein = je 2 Mt.
Hufrufe, Sagungen und einzelne Rummern ber Seltichrift, zum Arte
ber Ausbreitung und Jorderung bes Wereines, ſehen bei dem Borfipenden
unentgeltlich zur Berfügung.
Die Berdeutihungsbliher:
Briefe und Zufendungen jür die Wifſenſchaftlicen Beibelte an Profefior Dr. Paul Pretſch, Berlin W.30, Mopftrahe 12,
L Die Epeifelarte (2. derb. Kufl, 30 Bi),
U. Der Handel (2. fehr verm. Aufl. 60 Bf.), II, Das häusliche und
geleltihaftlihe Leben (SO Bf.), IV. Das deutihe Namenbild:
fein (60 Bf.) und V. Die Amtsipracde (60 Pf.) find den Herren Ferd.
Hirt & Sohn in Leipsig in Berlag gegeben worden und ausichlieh-
Lich von biefen buch den Buchhandel zu erhalten.
IX. Jahrgang Rr. 1. 1. Januar 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deutfchen Sprachvereins.
Herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Zeitſchrift erſcheint jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats, | Die Beitichrift lann auch durch den Burhhandel ober die Poft
und wird den Ritgllebdern des allgemeinen beutihen Eprachvereins unentgeltlich | zu BE, jährlich besogen werben, — Anzeigenannahme durch den Ecdapmeifter,
geliefert (Sayung U). ! Seren Eberhard Ernft, Berlin W.al, Wilhelmftr. 0. — Auflage 15000.
TG ———— — — — — — — — —
Inhalt: An die geehrten Vereinsgenoſſen. Von Mar Jähns. — Anſprache des Herausgebers Friedrich Wappenhans. —
Bericht über die VI. Hauptverſammlung, erſtattet vom Ausſchuſſe des Geſamtvorſtandes. — Bericht über die Sitzung des Gefamt-
vorjtandes. — Aus den Zweiqvereinen: Nahen; — Berlins Charlottenburg; — Braunſchweig; — Eafiel; — Coblenz; — Danzig; —
Dresden; — Düſſeldorf; — Eſſen; — Görlitz; — Hamburg; — Heilbronn; — Leipzig; — Leoben; — Lübed; — Magdeburg; —
Mailand; — Pojen; — Quedlinburg; — Stuttgart; — Sulingen. — Kleine Mitteilungen. — Spradlige Mufterleiftungen. —
Bücherſchau. — Brieflaften. — Verſchiedenes.
An die geehrten Vereinsgenoſſen.
Nachdem die von freudigem Einmut getragenen zielbewußten Verhandlungen der Hauptverſammlung unſeres
Vereins am 3. Dezember 1893 einen alle Beteiligten befriedigenden Abſchluß gefunden und neue Satzungen feſt—
geitellt haben, ijt diejenige Vorausſetzung gegeben, unter der ich in der Vorjtandsfigung vom 8. Oftober die auf
mid) gefallene Wahl zum Vorſitzenden des allgemeinen deutſchen Eprachvereind angenommen hatte. Ich übernehme
daher für das heut beginnende Gejhäftsjahr die Leitung des Vereins. — Tief durchdrungen davon,
wie bedenklich es ſei, fich einer Aufgabe zu unterziehen, deren Löſung fogar einem durch Vegeifterung, Willenskraft
und Wiffensfülle jo hervorragenden Manne, wie unjer hochverdienter Stifter ift, in den legten Jahren große Schwierig:
feiten bereitete, würde ich es nicht gewagt haben, dem freundlichen Andringen meiner verehrten Amtsgenoſſen im
Sejamtvorftande nachzugeben und den Vorſitz einzunehmen, wenn nicht die veränderte Verfaffung mir einen jtändigen
Ausſchuß bewährter Männer zur Seite geftellt hätte, deren Ratſchläge und deren Beichlüffe mich unterftügen und
entlajten werden. Aber auch unter diefen Umjtänden vermag ich nur dann auf eine glüdliche Förderung der Arbeiten
unjere3 großen Vereins zu rechnen, wenn ich deö Vertrauens und der Mitwirkung aller Mitglieder, aller Zweig-
vereine, aller Gauverbände ficher bin. Um dies Vertrauen, um diefe Mitwirkung bitte ich daher. Ich bitte Sie,
unfere gemeinfame gute Sache hochzuhalten und in freudigem Schaffen werkthätig für fie einzutreten!
Der ftändige Ausſchuß des Geſamtvorſtandes, in deſſen Händen von heut an die Verwaltung der
laufenden Vereinsgeſchäfte liegt, bejteht aus folgenden fieben Herren:
1) dem unterzeichneten Vorſitzenden;
2) dem Stellvertreter des Vorfipenden: Herm Geheimen Rat Hugo Häpe, Minifterialrat im fol. ſächſ.
Minijterium des Innern, zu Dresden (Chemnigerftraße 3);
3) dem Schriftführer: Heren Dr. Baul Pietſch, Profeffor an der Univerfität Greifswald, 5. 3. zu Berlin
(W. Mopitraße 12);
4) dem Stellvertreter des Schriftführers: Herm Dtto Sarrazin, Geheimen Baurat im gl. preuf.
Minijterium der öffentlichen Arbeiten, zu Friedenau (Kaifer- Allee 82);
5) dem Schabmeifter: Herrn Eberhard Ernſt, Verlagsbuchhändler zu Berlin (WV. Wilhelmftraße 90);
6) dem Beifiper: Herrn Geheimen Regierungsrat Wilhelm Launhardt, Profeffor der Techniſchen Hod)-
Idule zu Hannover (Welfengarten 1);
7) dem Beijiger: Herrn Dr. Alexander Saalfeld, Gymnafial-Oberlehrer zu Blankenburg am Harz.
Berlin W., Margarethenitraße 16. Max Yäbns,
1. Januar 1894. Oberjt- Leutnant a. D.
Ehrendoktor der Univerjität Heidelberg.
3 Zeitihrift des allgemeinen beutihen Spradpvereind 189%. Nr. 1. 4
Der ehrenvollen Aufforderung des Geſamtvorſtandes des a. d. Spracvereind Folge leiftend, hat der Unter:
zeichnete die Leitung der Zeitichrift mit der vorliegenden Nummer übernommen. Es ift dies im Vertrauen darauf
geichehen, daß die bisherigen Mitarbeiter dem Blatte treu bleiben, und daß aud andere Freunde unferer Sache aus
allen Berufszweigen bereit fein werden, ihm ihre Sräfte zu widmen.
Die Zeitichrift eines Vereins lann nur gedeihen, wenn feine Mitglieder ſich in thatkräftiger Weiſe daran
beteiligen, jei es durch eigene Beiträge, jei es durch Natichläge und Anregungen, unter Umftänden auch durch Ein:
jendung geeigneter aus Zeitungen oder Zeitichriften entlchnter Aufſätze. Dieſe Mitarbeit möglichjt zu fürdern wird
das jtete Beſtreben der Leitung fein und fie wird daher gern auch abweichende Anfichten zu Worte fommen laſſen,
falls fie nur in ſich ſelbſt wohlbegründet ericheinen.
Wenn die Peitichrift ſatuungsgemäß dem Berfehre zwijchen dem Gejamtvorjtande und den Zweigvereinen
dient, jo joll jie doch nicht minder auch ein anjchauliches Bild der Thätigleit des Vereins in jeiner Gejamtheit, wie
in feinen Gliedern geben und dadurd zugleich, ein Bindemittel zwifchen den einzelnen Bweigvereinen bilden. Es er:
geht daher die dringende Bitte, namentlih an die Vorjtände der Zweigvereine, regelmäßig möglichit knapp ge
haltene Berichte über die Arbeiten in ihrem Bezirke einzufenden, fowie Auszüge aus den dort gehaltenen Vorträgen,
joweit diefe die fagungsgemäßen Ziele des Vereins betreffen.
Bejonders willkommen it ein reger, freier Meinungsaustaufch über Fragen, die ſich unmittelbar auf das tägliche
Leben ded Vereins beziehen, Anregungen und Vorichläge zu Verdeutſchungen, jowie jolche zur Verbreitung unſerer
Bejtrebungen in allen reifen der Bevölkerung.
der Überjchrift „Sprechſaal“ eingeräumt werden.
Der Erörterung derartiger Fragen joll eine bejondere Stelle mit
Alle die Zeitſchrift, fowie die wiljenjhaftlihen Beihefte betreffenden Zujendungen bittet
der Unterzeichnete an ihn zu richten.
Berlin NW. 23.
Altonaer Strafe 34.
Friedrich Wappenbans,
Oberlehrer am Luiſenſtädtiſchen Nealgymnafium.
Geihäftliher Teil.
Bericht über die VI. Dauptverfammlung
am 2, und 3. Dezember 1893.
Der einzige Gegenſtand diejer auberordentlichen Hauptver—
ſammlung bejtand in der Beratung und Beſchlußfaſſung über den
vom Sefamtvoritande vorgelegten Entwurf neuer Sagungen
und einer Sejhäftsordnung ſowie über die von den Zweig—
vereinen dazu gejtellten Anträge.
Der Gejamtvorftand hatte im jeiner Tagfahrt am 8. Oktober
1893 den ihm von feinem Satzungsausſchuſſe vorgelegten Ent:
wurf im großen und ganzen gut geheifen, die endgültige Faſſung
des Wortlautes indes dem Ausſchuſſe vorbehalten, und da diejer
nicht mehr zu einer Zikung zu vereinigen war, jo ergab fich
zwiichen feinen Mitgliedern ein Brieſwechſel, welcher in Berbin-
dung mit der Drudberichtigung jo viel Zeit in Anſpruch nahm,
dat der Entwurf den Zmeigvereinen erſt am 5. November zu—
gefandt werden konnte. Der Wechſel in der Leitung des Vereins
und die Bedingung des fir das Jahr 1804 gewählten Borfiken-
den, dab die wejentlichen Beitimmungen der neuen Sapungen
bereit3 bei Antritt feines Amtes am 1. Januar in Kraſft träten,
machten e8 dann notwendig, für Anfang Dezember eine Haupt:
verjammlung nach Berlin zu berufen, im welcher die Sapungen
von den Vertretern der Zweigvereine vereinbart werden konnten.
Die Unträge der Zweigvereine zur Tagesordnung wurden bis
zum 25. November nadı Braunfchveig erbeten. Troß diejer harzen
Friſt gingen Anträge oder Huperungen zu den Satzungen recht
zeitig von folgenden 30 Zweigvereinen ein: Berlin: Charlotten-
burg, Bonn, Braunſchweig, Bulomwina, Chemnitz, Dresden,
Frankfurt a. M., Graz, Heidelberg, Heilbronn, Kaſſel, Kempen in
Voſen, Köln, Königshütte O.«“S., Koſchmin, Krotoſchin, Yeipzig,
Linz, Lübeck, Marburg a. D., München, Neuruppin, Norden,
Plauen i. V., Potsdam, Saarlouis, Schopiheim, Schwerin i. M.,
Tilſit amd Trier.
Der Berichhterjtatter des Satzungsausſchuſſes, Dr. Jähns,
jtellte die Anträge zufammen, und da ein Teil davon recht aus—
führlich gehalten war, jo ergab fich eine Tagesordnung, die im
Drud fait 28 Hochblattfeiten füllte, den Mitgliedern des Ge—
jamtvorjtandes jedoch trogdem ſchon am 30. November zugeben
und den Vertretern der Zweigvereine in der Hauptverfammlung
eingehändigt werden fonnte,
Am 2. Dezember 1893 nachmittags 5'/, Uhr eröffnete Der
Stellvertreter des leider verhinderten Borfigenden, Herr Geheimer
Regierungsrat Brofefjor Launhardt, die nicht öffentliche Haupt
‚ verjammlung in einem Saale des Hofes ‚Ju den vier Jahres
zeiten* und begrühte die Erſchienenen mit warmen Worten. Die
' Prüfung der Vollmachten durh einen aus den Herren
Dijiel, Bantter, Lungftras und Saalfeld gewählten Aus-
ſchuß ergab, daß 122 Zweigvereine mit 244 Stimmen vertreten
waren, und zwar in folgender Weije:
Sweigvereine Stimmen Rertreter
Aachen 2 Herr Archivrat Dr. Keller (Müniter).
Annaberg 1 „ Geh. Baurat Sarrazin (Friedenau).
Aurich 2 ei . J
Ballenſtedt 1 Gymnafial- Oberlchrer Dr. Saalfeld
(Blantenburg a. 9.).
Barmen 2 „ MNehivrat Dr. Keller (Miüniter).
Berlin Charlotten- 2 Direktor Gardemin (Übarlotten-
burg burg).
Biweigvereine Stimmen
Berned
Blanfenburg a. 9.
Bonn
Boppard
Braunschweig
Bremen
Breslau
Bruck
Burtehube
Celle
Ehemmiß
Gzernowig (Bulo⸗
tina)
Demmin
Döbeln
Dortmund
Dresden
Duisburg
Düjjeldorf
Eger
Eiberjeld
Emden
Eſſen
Frantfurt a. M.
Freiberg i. S.
Freiburg i. B.
Gablonz
Geislingen
Gleiwitz
Göorlitz
Graz
Grimma
Halberjtadt
Halle
Hamburg
Hannover
Heidelberg
Heilbronn
Holzminden
Hom
Innsbruck
Kaſſel
Keilhau
Kempen
Kiel
Koblenz
Kolmar
Köln
Königsberg
Königshütte
Konſtanz
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Wr. 1.
Bertreier
1 Here Geh. Baurat Sarrazin (Friedenau).
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az 23 2 232 2 3 70 08
DOberlehrer Dr. Saalfeld (Blanten-
burg a. 9.).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Praſident von M ahlenfe [8 (Olden⸗
burg).
Gerichtsaffeffor Lungitras (Bonn).
Schriftleiter Sedlaf (Wien).
Bräfident von Mühlenfels (Diden-
burg).
Gymnafial- Oberlehrer Dr. Saals
feld (Blanfenburg a. 9.).
Präfident von Mühlenfels (Olden-
burg).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Profeſſor Dr. Dunger (Dresden).
Archivrat Dr. Keller (Münfter).
Geheimrat Häpe (Dresden).
Profefjor Dr. Pietſch (Berlin).
Schulrat Dr. Boobftein (Eiberfeb).
Berichtsafjeffor Yungitras (Bonn).
Dr. Santter (Frankfurt a. M.).
Profefior Dr. Dunger (Dresden).
Schulrat Dr. Rohmeder (Münden).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Profeſſor Dr. Dunger (Dresden).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bomn).
Oberlehrer Uhle (Görlik).
Schrijtleiter Sedlak (Wien).
Stadtrat Schmidt (Grimma).
Dberlehrer Dr. Saaljeld (Blanfen:
burg a. 9.)
Proſeſſor Dr. Lothholz (Halle).
Dr. Dijfel (Hamburg).
Oberlehrer Eremer (Hannover).
Gerichtsaſſeſſor Yungftras (Bonn).
Verlagsbuchhändler Ernjt (Berlin).
Oberlehrer Dr. Saalfeld (Blanten-
burg a. 9.).
Verlagsbuchhündler Ernjt (Berlin).
Oberitlt. Dr. Zähne (Berlin).
Geh. Negierungsrat Fritſch (Kajiel).
Gerichtsaſſeſſor Lungitras (Bonn).
Berlagsbuchhändler Ernft (Berlin). |
Profefjor Dr. Dunger (Dresden).
Oberitlt. Dr, Jähns (Berlin).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Ober: u. Geheimer Baurat Rüppell
(Köln).
Oberlehrer Dr. Saalfeld (Blanken—
burg a. 9.).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Poſtrat Dr. Dehms (Potsdam).
twe lgherelne Stimmen
Koſchmin
Ktreſeld
Krems
Krotoichin
Leipzig
Leoben
Yinz
Lohr
Lübeck
Magdeburg
Marburg a. D.
Dep
Minden
München
Münden (Hannov.)
Müniter
Neuntirchen
Neuruppin
Norden
Nümberg
Oldenburg
Dsnabrüd
Pforzheim
Plauen
Ploen
Potsdam
Prag
Quedlinburg
Ratibor
Reichenberg
Roſtock
Saarbrüden
Saarlouis
Schleswig
Schopfheim
Slawentzitz
Sobernheim
Stettin
Stolberg
Stralfund
Strafburg
Stuttgart
Toeplit
Tilſit
Trier
Troppau
Tübingen
Verden
Versmold
6
Bertreter
1 Here Gerichtsaffeffor Lungſtras (Bonn).
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. 8 3 3%
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Berlagsbuchbändler Ernjt (Berlin).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Verlagsbuchhändler Ernſt (Berlin).
Oberlehrer Dr. Beer (Leipzig).
Gcheimrat Häpe (Dresden).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Schulrat Dr. Rohmeder (Münden).
Poſtrat Dr. Dehms (Potsdam).
Oberlehrer Dr. Philippion
(Magdeburg).
Schriftleiter Sedlaf (Wien).
Pojtrat Dr. Dehms (Potsdam).
Gerichtsafjeffor Yungitras (Bonn).
Schulrat Dr. Rohmeder (München).
Geh. Negierungsrat Fritich (Kajel).
Archivrat Dr. Keller (Müniter).
Gerichtsaſſeſſor Lungitras (Bonn).
Proſeſſor Stier und Überlchrer
Rothe (Neuruppin).
Oberlehrer Dr. Saalfeld (Blanten:
burg a. H.).
Sculrat Dr. Robmeder (München).
Präfident von Müblenfels (Olden-
burg).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Geheimrat Häpe (Dresden).
Oberlehrer Dr. Saalfeld (Blanten
burg a. 9.)
Gerichtsaſſeſſor Yungitras (Bonn).
Voſtrat Dr. Dehms (Potsdam).
Gerichtöaffeffor g ungſtras (Bonn).
Oberlehrer Dr. Boppelreuter
(Saarbrüden).
Gcheimrat Häpe (Dredden).
Gerichtäafiefior Lungſtras (Bonn).
Geheimrat Häpe (Dreöden).
Scriftleiter Schlaf (Wien).
Geh. Negierungsrat Profeſſor Yauns
bardt (Hannover).
Profefior Dr. Blaſendorff.
Gerichtsaſſeſſor Yungitras (Bonn).
Geh. Regierungsrat Proſeſſor Laun—
bardt (Hannover). *
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Geh, Regierungsrat Profejjor Laun—
bardt (Kammover).
Poſtrat Dr. Dehms (Potsdam).
Serichtäafjefior Lungſtras (Bonn).
Sch. Regierungsrat Profejjor Zaun -
bardt (Hannover).
Geh. Regierungsrat Profefjor Laun—
bardt (Hannover).
Oberlehrer Cremer (Hannover).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
7 Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. 189. Nr. 1. 8
Sweigbereine Stimmen Vertreter
Wermelslirchen 1 Herr Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Weſel 2 „ Dberlehrer Cremer (Hannover).
Beplar 2 „ Dberitlt. Dr. Jähns (Berlin).
Wiesbaden 1 ,„ Dberlehrer Cremer (Hannover).
Wolfenbüttel 1 „ Marcus (Berlin).
Wolmirsleben 1 „ Oberlehrer Dr. Saalfeld (Blanfen-
burg a. 9.).
Worbis 1 „ Dberfilt. Dr. Jähns (Berlin).
Beiß 1 „ Nittergutöbefiper Landmann (Zeig).
Zerbit 2 „ Gerichtäaffefior Lungſt ras (Bonn).
Bittau 2 „ Bojtrat Dr. Debms (Potsdam).
Zihopau 1 „ Dberftlt. Dr. Zähne (Berlin).
Aridau 1 „ Überlehrer Dr. Beer (Leipzig).
Von den bier aufgeführten Vertretern gehören die Herren
Dunger, Ernft, Häpe, Jähns, Keller, Launharbdt,
v. Müblenfels, Pietſch, Saalfeld, Sarrazin und Schlaf
zum Gejamtvorjtand, von weichem außerdem noch die Herren
Dr. Lohmeyer, Bibliothelfar in Kaſſel, Dr. Köpte, Geheimer
Regierungsrat im Minijterium der geiſtlichen u.j.w. Angelegen—
heiten und Dr, dv. Leixner, Schriftleiter zu Berlin, der Ber-
fammlung anmohnten.
Nicht vertreten waren leider nachſtehende 58 Zweigvereine:
Amsterdam Gneſen Nagh-⸗ Boeslo
Apenrade Hadersleben Neutitſchein
Arnsberg Heiligenſtadt Nordhauſen
Arnſiadt Helmftedt Ortelsburg
Arnswalde Hildesheim Pirna
Augsburg Homberg Schildberg
Bernburg Kolberg Schwerin
Bitterfeld Köthen Sonneberg
Bodum Laibach Stolp
Bremerhaven Leer Sulingen
Bruchſal Leipa Thorn
Brünn Leitmeritz Torgau
Bruſſel Liegnitz Ulm
Budweis Mailand Wandsbeck
Danzig Mainz Wattenſcheid
Darmſtadi Marienburg Wien
Elbing Marienwerder Wilhelmshaven
Elbingerode Memel Zanow
Eſchwege Mühlhauſen Zweibrücken.
Flensburg
Nach Erledigung der Einleitungsgeſchäfte erteilte der Bor:
fitende dem Berichteritatter des Satzungsausſchuſſes, Oberfilt.
Dr. Mar Jähns, das Wort. Dieſer wies darauf hin, wie die
Tagesordnung gewiß jeden überzeugt haben werde, daf von einem
großen Teile der Vereine ehrliche Arbeit geleijtet worden jei, was
um So freudiger zu begrühen sei, als gar mancher gefürchtet
babe, der Verein jei durch die letzten Ereigniſſe in feiner Stim-
mung und Haltung beeinträchtigt worden, Bon den vorliegenden
Anträgen jeien bejonder& die von Bonn wegen der Ausführlich:
feit und Sorgfalt ihrer Ausarbeitung danfensiwert, was jich auch
icon darin ausgeſprochen babe, daß fich ihnen mehrere Vereine
angeſchloſſen hätten. — Außer den rechtzeitig eingegangenen, ge—
druckt vorliegenden Anträgen jeien deren aud) noch verfpätet von
Burtehude, Freiburg i. Br., Koblenz und Prag eingelaufen, deren
an ihrem Orte gedacht werben jolle. — Die Gelamtgeftalt der Bor:
lage betreffend, habe Potsdam vorgeichlagen, einen großen Teil
der Eapungen in die Geſchäftsordnung zu verweilen, worin in
ber That eine Berbefjerung liege. Chemnig habe zu erwägen ge
geben, ob nicht anftatt der Bezeichnung ‚Paragraph‘ (8) ein
pafiender Erja zu mählen ſei. Als ſolchen empföhlen Frei—
burg i. Br. und Potsdam den Ausdrud ‚Sap‘. Dr. Jähns ſchlug
vor, für bie einzelnen Punkte der Sapungen einfad ‚Sapung‘
' zu fagen; die Safungen ald Ganzes ſetzten ſich eben aus einzel-
nen ‚Sabungen‘ zufammen; fir die verſchiedene Punkte der Ge:
ihäftsorbnung empfahl er den Ausdrud ‚Beitimmungen‘ Nach
einer Furzen Erörterung, an der ich die Herren Stier, Loh—
meyer, Rothe und Dehms beteiligten, wurden die Vorſchläge
des Berichterjtatters nahezu einftimmig angenommen.
Dr. Jähns wies mun auf die Unmöglichfeit hin, bei der eng-
bemeffenen Zeit jeden einzelnen der etwa 200 gedrudten und un-
gedrudten Anträge auseinanderzufegen und im einzelnen zu bes
gründen. Um die Beſchlußfaſſung vorbereitend zu erleichtern,
habe er daher aus den zu jeder Satzung eingefandten Anträgen
dasjenige gewählt, was jedermann ganz offenbar al® gut ein-
leuchten müſſe, ebenio das, was von vielen Seiten unterjtüßt ſei
und nicht den Anſchauungen widerjprede, die vom Gefamtvor-
ſtande gehegt würden, und jo habe er verjucht, jedesmal eine
möglichit gute Faſſung zu finden, bie allen billigen Anforderuns
gen gerecht werde. Selbjtverftändlich fei es, daß dies nicht überall
gelungen fein fünne; wahrſcheinlich aber werde man fich doch auf
Grund ciner ſolchen ‚Konlordienformel‘ fchneller einigen als jonft
möglich jei. — Bevor es zur Erörterung diejes Vorſchlages fam,
entipann jich noch ein Meinungsaustaufch über den Wert ber
Sapungen an und für fih. Dr. Dehms warte davor, ihn zu
überichägen; die Hauptiache fei gute Rechnungsprüfung, für welche
die Botsdamer Anträge jorgten; im übrigen folle man dem Bor:
fitenden nicht unnüg Feſſeln anlegen. Herr Lungſtras betonte
demgegenüber die Notwendigfeit, jedem Vereinsorgane feine Rechte
und Pflichten Far zuzumweilen, während Herr Rüppell Nad)-
drud darauf legte, daß den leitenden Perjünlichkeiten offenes
Vertrauen entgegengebracht werde; ohme dies werde fich bald kein
Mann finden, der das Amt des Vorfigenden übernehmen möge.
Wenn der Beift nicht wirke, fo fchafften Sapımgen aud nichts.
— Nach diefen mit Beifall aufgenommenen Worten des Vertre—
ters von Köln umd einigen überleitenden Darlegungen der Herren
Sarrazin und Rohmeder und nachdem endlich der Vorſitzende
die Erklärung abgegeben hatte, daß die Vermittelungsvorſchläge
des PVerichterftatters nicht das Ergebnis von Verhandlungen im
Sefamtvoritande feien, erklärte die Verfammlung fih damit ein-
verftanden, auf Grund biefer Worichläge des Dr. Jähns zu be
raten, ohne jedoch auf die Begründung folcher Anträge zu verzic)-
ten, deren Wichtigkeit und Wert ein näheres Eingehn auf dieſelben
erheiiche.
Der Vorfigende, Herr Launhardt, eröffnete munmehr bie
Beſprechung der einzelnen Safungen mit der über den Zwed
des Vereins.*)
Nachdem der Berichterjtatter den Entwurf des Sapungsans-
ichuffes und die dazu gejtellten Anträge verlefen, erllärte er, daß
jein eigener Vorſchlag ih auf den Antrag von Neuruppin ftüße,
aber auch Äuferungen von Dresden und einen Vorjchlag des
Fr Die Nummern des den Verhandlungen zugrundegelegten
Entwurjes ftimmen wegen der Verweiſung mander Punkte in die
Geſchäftsordnung und wegen Streihung oder Verichmelzung
anderer nicht mit denen der neuangenommenen Satungen. lm
tropdem das Verſtändnis des Berichtes zu ermöglichen, find jtatt
der Ziffern die Furzen Inhaltdangaben der Sapungen Een.
worden, welche mit Keimen Buchſtaben rechts und links des Tertes
der Sapungen ausgeworfen ftehen.
9 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 189. Nr. 1.
Dr. Pietſch berüdfichtige. Die Erörterung, an welcher fich die
Herren Dehms, Sedlak, Stier, Lungſtras, Blajenborff,
Häpe, Cremer, Saalfeld, Fritih, Nohmeder, Zähne,
Nothe, Boppelreuter und v. Miühlenfels beteiligten, bes
wegte ſich namentlich um die Beibehaltung, bez. Weglaſſung einer
Bezugnahme auf die Vorbilder unferer Litteratur und auf die
Stellung des Abjapes, der von ber Neinigung der Sprache von
unnügen Fremdwörtern handelt, einen Abjak, den der Vor—
ſchlag Pietſch-Jähns an die dritte Stelle verwies, Obgleich
Dr. Boppelreuter, dem Dr. Rohmeder beipflichtete, hervor-
bob, daß die beiden erjten Abſätze eigentlih eine Begriffs—
wiederholung (Zautologie) enthielten, wurde die Satzung unter
Fortlaffung der Beziehung auf die Vorbider der Litteratur nad)
dem Vorfchlage Yähns qutgeheiken.
Die Sapung über die Barteilofigkeit wurde ohne weitere®
nach dem Antrage des VBerichterjtatters angenommen.
Die Sahung über die Begrenzung der Ziele des Vereins,
für welche Dr. Jähns wieder den Wortlaut von Neuruppin
empfahl, wurde befonders in dem Punkte, der ſich auf das ‚will-
fürlihe Wörtermacden* bezog, Gegenstand einer Erörterung, zu
welcher die Herren Fiſcher, Rothe, Sarrazin, Cremer,
Sedlak, Dunger, Rohmeder, Lohmeyer, Stier, Beer,
Poppelreuter, Marcus und Sarrazin dad Wort nahmen.
Jene Beziehung wurde geftrihen. Ein Antrag Poppelreuter,
diefe Sapımg derjenigen über ben ‚Ziel! des Vereins einzuver-
feiben, fand feine Mehrheit.
Die Sapungen über Zuſammenſetzung und Sit bes
Vereins jowie über das Gejhäftsjahr wurden angenommen
und bie letztere nad) dem Vorſchlage des Berichterftatters in die
Geichäftsordnung (Beſtimmung 1) verwiefen. Die Anfrage eines
Bertreterd von Neuruppin, ob das Gefchäftsjahr des Gejamtver-
eind auch das der Aweigvereine fein müfje, ward dahin beant-
wortet, daß dies dem Ermeſſen der letzteren überlaffen bleibe.
Zu der Saßung über die Zweigvereine nahmen fünf Herren
das Wort. Herr Lungftras ſprach fi im Namen Heibelbergs
dagegen aus, daß an ein und demjelben Orte mehrere Zweig:
vereine jein dürften, während die Herren Lohmener, Sarrazin
und Rohmeder nadwiejen, da dies unter Umſtänden jehr
wünjcdenswert jein fünne Dr. Boppelreuter belämpfte den
Antrag Schwerin, auch mit nocd weniger als zchn Mitgliedern
Zweigvereine als ſolche zuzulaſſen. Schließlich wurde die Sapung
nach dem Vorſchlage Jahns angenommen und ihr zweiter Abjat
der Geſchäftsordnung (Beſt. 2) zugeteilt,
Die Sapung über die Stellung der Zweigvereine zum
Gejamtvereine wird in ber vom Berichteritatter empfohlenen
Faſſung nad furzer Erörterung qutgeheihen.
Eine lebhaftere Beiprehung Mmüpfte fi an die Satzung
über die Aufgaben der Zweigvereine Anlaß dazu bot
namentlich die Wendung ‚innerhalb ihrer örtlichen Kreiſe‘, deren
von Linz vorgejclagene Streihung Dr. Dehms empfahl, und
der Ausdrud ‚andere öffentliche Kundgebungen‘, für deſſen Bei—
behaltung Herr Stier unter Hinweis auf die Verwelſchung ber
Ladenſchilder lebhaft eintrat. Ar dem Meinungsaustauiche bes
teifigten ſich auch die Herren Blafendorff, Ernit, Fritich,
Rohmeder, Uhle und Rothe Unter Berüdfichtigung des
Stierjhen Borbehalts wurde dann der erite Abſatz als Satzung
angenommen, der zweite Abſatz, den Dr, Jähns auf Grund der
Anträge Bonn und Dresden neugeitaltet hatte, feinem Vorſchlage
gemäß in die Gejchäftsordnung (Beſt. 3) vertiefen. Ein Antrag
Hannovers, dem Gefamtvereine die Kojten der Berteilung der
10
Beitichrift auch innerhalb der Jweigvereine aufzubürden, tonnte die
Mehrheit nicht gewinnen.
Bei der Sapung über Regelmäßige Mitteilungen und
Zahlungen an den Sefamtverein behielt Dr. Jähns nur
für den erjten Abſatz den Wortlaut des Sabungsentwurfes bei
und beantragte, ihn der Geſchäftsordnung (Beſt. 4) einzuverleiben.
Für den zweiten Abjag, der ald Gatung bejtehen bleiben follte,
ſchloß er ich im weientlihen dem Antrage Dresden an. Nach
einer Erörterung, in der die Herren Fritih, Lungſtras,
Lohmeyer, Dehms, Cremer, Sarrazin, Saalfeld,
Launhardt, Poppelreuter, Ernſt und Jähns das Wort
nahmen und der Antrag Norden, den Beitrag an den Geſamt—
verein zu ermähigen, abgelehnt wurde, lam der Vorſchlag des
Berichterjtatters zur Annahme,
Gleiches geihah nad einigen kurzen Bemerkungen mit der
Satung betrefis der Gauverbände, deren Streihung Kiel be-
antragt hatte,
Hinfichtlich des folgenden Punktes ‚Sapungen der Zweig:
vereine und Gauverbände; handelte es ſich befonders darum,
ob diefe dem Gefamtvorjtande nur ‚vorzulegen‘ oder ‚zur Be-
jtätigung‘ einzureichen ſeien. In erfterem Sinne fprachen bie
Herren Keller, Dehms und Nüppell, indem fie der Meinung
Ausdrud gaben, daß in dem „Vorlegen‘ ſchon das Recht der
Bemängelung enthalten ſei; gegen dieſe Auffafiung erflärten ſich
die Herren Rohmeder und Fritſch, und ihre Anficht drang
durd).
Der Rorfigende verlas jodann einen vom Zweigverein Bulo-
wina eingelaufenen Gruß, der in der Verſammlung freudige
Erwiderung fand. Die Verhandlung wurde darauf bis zum fol:
genden Bormittage vertagt.
Am Sonntag vormittags 10'/, Uhr eröffnete Herr Launbarbt
die zweite Sitzung.
Zur Geſchäftsordnung bemerkte Dr. Nohmeder, daß
ihm die Anjicht begegnet fei: fein Vertreter wäre beredjtigt, neben
den vor der Tagung eingegangenen Anträgen aud) noch neue
Eigenanträge zu stellen. Diejer Auffaſſung müſſe er durchaus
widersprechen. Der Borfigende pflichtete ihm unbedingt bei und
jtellte jejt, dak es niemals die Abficht geweſen ſei, die Madıt-
befugni® der Hauptverfammlung nach irgend einer Richtung ein-
zuſchränlen.
Der Berichterſtatter Dr. Jaähns empfahl num die Annahme
der Satzung betr. die Geldbeihilfen in der Faſſung des Mus-
ſchuſſes, welche denn auch nad) kurzem Meinungsaustauic zwiſchen
ben Herren Dehms und Lohmeyer über die Zuläffigfeit, unter
Umjtänden auch Gauverbänden Geld zuzumeien, zu flande fan.
Bei der Beratung über die Sakung, die ſich mit den un-
mittelbaren Mitgliedern beichäftigt, wurde auf Antrag des
Dr. Saalfeld als Friſt für die Veitragszahlung jtatt der beiden
eriten Monate das erjte Viertel des Geichäftsjahres ſeſtgeſtellt.
Auf Antrag des Dr. Gantter wurde die Faſſung etwas ge-
ichärft, im übrigen aber der Vorichlag Jähns angenommen.
Unverändert ging die Satzung über die förperfchaftlichen
Mitglieder durch.
Zu der Sapung über die Beitritttablehnungen machte
Herr Lungitras den Borichlag, durch Werweifung auf die vor
hergehende Sapung die Möglichleit offenzuhalten, auch Körper:
haften abzulehnen. Died ward angenommen.
Dr. Boppelreuter ftellt nunmehr den grundſäßlichen An-
trag, daf dem Ausſchuſſe das Recht zuftchen folle, die Faf—
11 i Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 1. 12
jung der durchgegangenen Anträge endgültig feſtzuſtellen, und
die Berfammlung beſchließt in diefem Sinne.
Die Sapung 16 handelte von den Ehrenförderern. Diele |
Bezeichnung wedte lebhaften Widerfpruch, dem die Herren Jähns,
Saunbardt, Santter und v. Mühlenfels Ausdrud gaben
und der mach furzer Beſprechung, an welcer ſich die Herren
Fritſch, Dehms, Ernjt und Blajendorff beteiligten, dahin
führte, daß die ganze Satzung geitrichen ward und künftig feine
‚Ehrenfürderer* oder ‚Förderer‘ ernannt, jondern nur die fchen
unter dieſer Bezeichnung jtehenden Namen fortgeführt werden
follen.
Zu der Sakung Über die Leitung des Vereins durd
den Sejamtvorjtand lagen allein 15 Anträge, zum Zeil jchr
einſchneidender Art, vor. Angefichts deſſen, jo hob der Bericht:
erftatter hervor, jei es doppelt notwendig geweſen, zu einer For—
mel zu gelangen, die möglichit allen genchm fein fünne. Im
wejentlicdyen habe er fich deshalb an den Bonner Antrag ge-
halten, defien genaue PDarlegung der Einzelheiten offenbar von
vielen gewünſcht werde und feines Erachtens gar nichts VBedenf
liches habe. Allerdings ericheine eine Reihe der Bonner Purntte
eigentlich überjlüijig, weil fie, wie 3. B. die Mahnungsbefugnis,
an andern Stellen ſchon ausdrüdlid dem Gejamtvoritande zuge—
wiejen werde. Er ſchlage daher eine gekürzte Faſſung vor, von
welcher der Teil, weldyer fih auf Tagegelder und Fahr:
kosten beziehe, der Geſchäftsordnung einverleibt werden möge,
Unerläßlich ſei es, nicht mur dem Ausſchuſſe, jondern auch den
Gefamtvorjtandsmitgliedern ſolche Verkehrserleichterungen zuzu—
weiſen, da ſelbſt bisher, wo deren beſtanden, ſelten mehr als ein
Drittel des Vorſtandes an den Sißungen teilgenommen hätte;
falle die Möglichkeit der Koftenerjtattung weg, fo würde der Ge—
famtvorjtand faft ganz auf den jchriftlichen Verkehr angewiefen
fein. Der mündliche Meinungsaustauich habe jedoch zur Ber
ftändigung, Klärung und gemütlichen Berührung der Teilnehmer
einen jo hohen Wert, daß er mit den Meifeloften nicht zu hoch
bezahlt wäre. Awedmähig dagegen ſei es, den bisher üblichen
Weg freier Vereinbarung der Vorjtandsmitglieder mit dem Bor:
fitenden, ob und welche Entſchädigung zu zahlen fei, zu ver-
laſſen; e& fei notwendig, daß jeder den ihm zufonmtenden Be-
trag erhalte, dann aber auch nichts weiter zu fordern habe, Wer
jo gejtellt ſei, daß er defjen durchaus nicht bedürfe, fünne den
Betrag ja immer noch als freie Gabe an den Verein oder an
die Armen zahlen. — Die Punkte 7—10 des Bonner Antrags
winjchte Dr. Jähns zu jtreichen; jie würden, wie jchon erwähnt,
zum Teil durch weitere Sapungen erledigt, und der Heine
Ausſchuß‘? bedürfe in feiner Weiſe einer bejonderen Geſchäfts
ordnung. — Die Herren Lungitras und Rohmeder Ipraden
zunächſt ihre Befriedigung über die entgegentommende Haltung
des Berichterjtatter® aus. Dr. Rohmeder legte dar, wie die
Bonner Anträge, an welche jich Dr. Jähns jetzt der Hauptſache
nach halte, auf den Borjchlägen beruhten, die ſchon im Februar
von München ausgegangen jeien. Betreffs der Reiſekoſten
beantragte Dr. Saalfeld, indem er einen beſtimmten Fall ins
Auge jahte, daf nicht nur die Eifenbahnfahrt, ſondern auch etwa
nötig werdende Poft- und Wagenfahrten vergütet werden mühten,
und wurde dabei von den Herren Häpe, Sarrazin und
v. Müplenfels unterftügt. — Dann entſpann ſich eine Er-
örterung darüber, ob die Haupwerſammlung nicht nur die Zeit,
jondern aud) den Ort ihrer nächſten Tagfahrt beftimmen oder
ob dies dem Gefamtvorjtande überlaſſen bleiben ſolle. Für
leteres ſprach ſich der Borjipende, Herr Launhardt, aus,
indem er darauf hinwies, da von der Hauptverfammlung im
Drange der Begeijterung gar leicht ein Ort gewählt werben
könne, der aus Zwedmäßigkeitsgründen, ja vielleicht ſogat aus
politiichen Rückſſichten, nicht geeignet ſei. Er erinnere nur daran,
daß in Kaſſel zu jehr wenig pafiender Zeit beinahe Neichenberg
in Böhmen zur Abhaltung der nächſten Haupwwerſammlung be:
ftimmt worden wäre. Empfehlenswert eridjeine es, über den
Drt der nächſten Zujammenkunft die Hauptverfammlung nur zu
hören, die Enticheidung aber dem Vorſtande vorzubehalten. —
Herr Gantter zog den von Frankfurt a. M. gejtellten Antrag,
die Beamten des Sefamtvorjtandes von der Hauptverfammlung
wählen zu lafien, zurüch und erflärte, es ſei in hohem Grade
erfreulich, daß die Beratung gerade diefer Sakung, vor der alle
ein „gelindes Gruſeln‘ gehabt hätten, durch die Bermittelung
des Berichterftatter® in jo erfreulicher Weile abgekürzt ſei. Er
Ichlage vor, über den Antrag des Dr. Jähns im ganzen abzu-
ſtimmen; nur Scheine es ihm beſſer, zur Bildung des Ausſchuſſes
den Beamten des Vorſtandes jtatt eines Beifiter& deren zwei
zuzuweiſen, um jo die ungerade Zahl 7 zu erlangen. Dies fand
allgemeine Zuſtimmung. — Der Antrag Leipzig wegen des Zeit-
punftes, zu dem eine Überficht der Rechnungslegung zu erfolgen
habe, dem ein ähnlicher von Potsdam zur Seite ging, wurde
bis zur Beratung der Tagesordnung für die Hauptverfammlung
zurüdgeitellt. — Herr Lungſtras befürwortete den Antrag Bonn,
wenigstens den Gejamtvorfigenden durch die Hauptverfanmlung
wählen zu laſſen; die Berjammlung entſchied fich jedoch mit
großer Mehrheit im Sinne einer Faſſung, welde im weſentlichen
der von dem Berichteritatter vorgejchlagenen entſprach, indem fie
fich vorbehielt, bei Beratung der Sabung über Anberaumung
und Tagesordnung einer Hauptverfammlung noch einmal darauf
zurückzulommen, ob der Ort einer Kinftigen Hauptverfammlung
vom Borftande oder von der Hauptverfammlung feftzuitellen fei.
Zu der Sapung über Wahl und Erneuerung des Ge
jamtvoritandes lagen, wie zu ber vorhergehenden, 15 Anträge
vor. Dr. Jähns wies darauf bin, daß der Geſichtspunkt, von
dem diefe Anträge ausgegangen jeien, auf die Bejorgnis zurild-
führe: die Zuwahl des Gejamtvorftandes zum Erjage
ausgeichiedener Mitglieder dürfte in dem Sinne verwertet
werben, daß der Vorſihende gewiſſermaßen jtumme Jaſager aus:
juche, um ſich jo in dem Gefamtvorjtande ein bequemes Wert-
zeug zu ſchaffen. Der Vorſchlag Graz, die Zuwahlen überhaupt
zu unterlaffen, babe jcheinbar viel für ſich; denn wenn von
36 Mitgliedern auch einmal einige wegfielen, fo werde das bie
Geſchaftsbehandlung vermutlich wenig beeinträchtigen. Allein dem—
gegenüber babe man nicht nur zu bedenten, daß die Sapungen
nun einmal einen Vorſtand von 36 Mitgliedern verlangten, ſon—
dern auch der keineswegs unmögliche Fall jei ins Auge zu
faſſen, daß der gute Teil des Vorſtands ſich etwa durch
irgend einen Beichluß der Hauptverfammlung zum Rücktritt be
wogen fühle; dann jei es geradezu notwendig, daß die vielleicht
wenigen Zurücdgebliebenen ſich durch Zuwahl wieder ergängten.
Eine Reihe von Anträgen laufe jener darauf hinaus, daß Zu—
wahlen nur bis zur nächſten Hauptverſammlung gelten jollten.
Damit aber made man den Sefamtvorjtand zu einem Tauben:
ichlage. Wer werde denn Luft haben, in ihn einzutreten, wenn
fein Amt vielleicht ſchon nad) 6 Wochen erlöſchen und der Be-
rufene ſich einer Neuwahl unterziehen jolle! Gerade im Bor:
ftande fomme es auf Stetigleit und Überlieferung an. An diefe
Darlegung knüpfte jich eine Auseinanderjegung, an welcher die
Herren Launhardt, Nohmeder, Lungſtras teilnahmen und
welche zur Annahme der vermittelnden Faſſung führte, die jegt
in der Satzung ſteht.
13 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. 189. Nr. 1. 14
Die Verſammlung beſchloß nun, an das Ehrenmitglied des
Bereind, feinen verehrten Begründer, Herm Muſeumsdireltor
Profefior Dr. Herman Riegel, einen Gruß zu jenden, deſſen
Abfaffung Herr Dr. PBoppelreuter übernommen hatte, und
unterbrach dann auf hırze Zeit die Verhandlung.
Nach deren Wiederaufnahme fam die Satzung wegen Er:
nennung von Ehrenmitgliedern zur Sprache. Den Antrag
Marburgs, daß diefe Ernennung nicht vom Vorftande, jondern
von der Hauptverfammlung ausgehen ſolle, unterjtüßten die
Herren Keller, Santter, Sedlak und Lungſtras; die Herren
Sarrazin, vd. Mühlenjels, Rothe, Eremer und Jähns
traten ihm entgegen und wieſen die Gründe nad), weshalb bei
einer jo zarten Angelegenheit lieber darauf Berzicht zu Teiften jei,
der Ernennung durch die Abjtimmung der Hauptverfammlung
ein größeres Gewicht und eine erhöhte FFeierlichleit zu geben, als
fid) jelbit und einen etwa zu jener Ehre Vorgeſchlagenen der Mög—
lichfeit einer ins einzelne gehenden, jedenfall® höchit peinlichen Er-
örterung des Für und Wider auszuſetzen. Dieſe Gründe ſchlugen
durch, und die Verſammlung entjchied fich für den Antrag des
Berichterſtatters, die Befugnis beim Geſamworſtande zu belafien.
Bei Beratung über die Hauptverjammlung beantragte
Dr. Jähns, die Beitimmung, daß fie in der Pfingſtwoche ftatt-
zufinden babe, in die Geichäftsordnung zu übertragen. Auch dort
wünſchte Dr. Rohmeder feine derart bindende Beitimmung,
weil die Süddeutichen dann meiſt von der Teilnahme an ben
Hauptverfammlungen ausgeſchloſſen fein würden. Man verichob
die Entſcheidung bi® zur Beratung der Geichäftsordnung. — Die
Berufung einer außerordentlihen Hauptverfammlung ſollte nad)
dem Entwurfe des Sapungsausichufes zu gejchehen haben, wenn
20 Amweigvereine es verlangten und die Zweigvpereine ſich mit
der Hälfte der Gejamtzahl ihrer Stimmen dafür ausjpräcden.
Dr. Jähns jchlug, den Anträgen Marburg und Bulomina fol-
gend, vor, jtatt „20 Zweigvereine‘ zu jagen ‚ein Zehntel ſämt—
licher Zweigvereine‘; Herr Lungſtras beantragte, den Zuſatz, daß
die Hälfte der Zweigvereine zuzuftimmen babe, ganz zu ftreichen.
Nach einer Erörterung, an der fich die Herren Dehms, Uhle
und Launhardt beteiligten, faın es zu der Faſſung der jeßigen
Satzung 18.
Zu ber Sapung über AUnberaumung und Tagesord-
nung ber Hauptverfammlung lagen nicht weniger als 20
Anträge vor. Der Berichterjtatter erflärte, daß er bei feinem
Vorſchlage den Bonner Antrag zu Grunde lege, aber unter die
der Hauptverfammlung vegelmähig zuzuweiſenden Gegenstände auch
ben „sFeitvortrag' aufgenommen habe. Der Ghejamtvoritand
wünfche, wenn irgend möglich, den Sauptverfammlungen ein
feftliches Weſen zu wahren und durch geeignete Vorträge auf
die Bereinsgenofjen wie auf die Landichaft zu wirken, in ber die
Verſammlung ftattfinde. Es verjtehe fich von ſelbſt, daß, wenn
Anträge des Gejamtvorjtandes vorlägen, oder die Verſammlung
fi) dafür entjcheide, etwa eingegangene Anträge von Zweigver—
einen zur Beratung zu ftellen, jolde vor dem Feſtvortrage zu
erledigen jeien; diefer aber müfje das fejte Nücdgrat der Jahres:
zufammenkfunft bleiben; das ſei um ihrer Volfstümlichkeit willen
und der geijtigen Wirkung derartiger Vorträge wegen dringend
zu wünjcen. Man dürfe nicht vergefien, daß der Verein gerade
durch die Hauptverjammlung jeine bejte Werbethätigfeit auszuüben
imjtande fjei und daß, wenn man jich bei jenen großen Zu—
fammenfünften allzufehr in Kleinigkeiten vertiefe, die vielleicht
dem einen oder dem andern am Herzen lägen, oft Zeit und
Stimmung verdorben würden und ber große Befichtspunft verlo-
ren ginge, unter dem die Hanptveriammlungen gedacht jeien. —
Eine wörtliche Wiedergabe der Verhandlungen, wie fie der Bonner
Antrag zu wünſchen jcheine, fei nicht möglid; ganz abgeſehen
von den Koften, würde daraus ein Buch werden, das langweile
oder ungelefen biiebe. Ein vom Ausſchuſſe hergeſtellter zufam-
menfaliender, wenn auch ausführlicher Bericht genüge vollitändig.
Daß ein folder Bericht ſinngemäß, unter Beibringung alles
Wichtigen und unparteiiſch abgefaht werde, das jei dem Aus—
ſchuſſe doch unzweifelhaft zuzutrauen. — Es entſpann ſich nun
zunüchſt eine Erörterung über den Zeitpunkt, bis zu welchem
die Tagesordnung befannt zu geben jei. Dr. Dehms
ſchlug 5, Herr Lungftras 6 Wochen, Dr. Jähns 4 Wochen
vor dem Aufammentritt der Hauptverfammlung vor. Leßterer
begründete die Fürzere Friſt mit ber Schwierigfeit, ben Gefamtvor-
ſtand rechtzeitig zufammenzubringen, und feine Anficht drang durch.
Demnäcjt handelte es ſich um die Nehnungsprüfer. Pots—
dam hatte beantragt, deren drei zu wählen, von denen höchſtens
einer dem efantvorjtande angehören dürfe; Kaſſel wollte zwei
Prüfer und zwei Stellvertreter haben, die fämtlich nicht Mit-
glieder des Gejamtvorjtandes fein jollten, und in diefem Sinne
entſchied die Abjtimmung. Augleich ward fejtgeftellt, daß den
Redinungsprüfern die Jahresrechnung 8 Wochen vor der Haupt-
verſammlung zuzugehen habe. Auf Antrag Dr. Nohmeders wurde
dann darüber verhandelt, ob die Hauptverfammlung oder ber
Sefamtvoritand den Ort ber nächſten Berjammlung beſtim—
men jolle (vgl. oben Sp. 11/12). Dr. Rohmeder befünvortete
erſteres, erflärte ſich jedoch auch damit zufrieden, daß die Haupt:
verfammlung die Wahl des Ortes nur bejpredie, der Geſamt⸗
vorjtand ihn fejtitelle. Am diefem Sinne einigte man fich denn aud).
"Zu der Sakung über das Abitimmungsverfahren hatten
8 Vereine beantragt, daß die Aweigvereine mit einer Stimme
für je 25 (itatt wie bisher 50) Mitglieder ftimmberechtigt fein
follten. Potsdam aber hatte nachträglich beantragt, da, wenn
die Mitgliederzahl eines Vereins über 200 fteige, von da ab
die Stimmmenzahl nur mit eins für jedes angefangene Hundert
wachſe. Dr. Dehms vertrat leßteren Vorſchlag, indem er auf die
Gefahr eines allzuftarten Übergewichts der großen Vereine auf:
mertſam machte. Dr. Saalfeld befämpfte ihn durch den Hin-
weis, daß mit feiner Annahme ein höchſt wirfiamer Antrieb fiir
die Zweigvereine fortfalle, ihre Mitgliederzahl zu erhöhen. Kerr
Lungitras begründete den Antrag, die Einheit der Stimmbe-
rechtigung von 50 auf 25 Mitglieder herabzufeßen, damit, daf
auf diefe Weife dem bedenflichen Übergewicht der Heinen Ber:
eine über die großen geitenert werden Tünne, Angeſichts fo
gründlicher Meinungsverichiedenheiten beſchloß die Verfammlung,
e8 bei der hergebradjten Gewohnheit zu belafjen. — Bon Köln
war beantragt worden, die Stimmenzabl in der Weile feitzuftellen,
daß für die Hauptverfammlung diejenige Anzahl von Mitgliedern
der Vereine mahgebend bleibe, welche ihnen am Schluſſe des
Vorjahres angehört hätten, da es erfahrungsmähig außerordentlich
jchwierig fei, im erſten Vierteljahre auch wirklich die Beiträge eins
zuziehen. Der Berichterjtatter fonnte jich diefem Wunſche nicht
unbedingt anfchliefien, weil die thatjächlihe Zugehörigkeit der
Aweigvereine doc) wejentlich auf ihren Beiträgen berube; da
er aber anderjeits nicht verfannte, dab die in Köln und wohl
aucd an anderen Orten gemachten Erfahrungen Berüdjichtigung
verdienten, fo ſchlug er vor, noch den jededmaligen erften Bier-
teljahrswechſel abzuwarten und die Stimmberechtigung nach ber
Zabl der in den erſten 4 Monaten des Gejchäftsjahres gezahlten
Beiträge zu bemefien. Falle die Hauptverfammlung jelbft in
diefen Zeitraum, jo bieibe der Beitand zu Ende des Borjahrs
maßgebend. Diejem Borichlage trat die Verſammlung bei.
15
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 1.
16
Die Sapung über die Vertretung der Zweigvereine
empfahl der Berichterftatter weientlih in dem Sinne des Ent:
wurfes des Sabungsausfhuijes anzunehmen. Herr Uhle trat
für den Antrag Königshütte ein, daß kein Vertreter mehr als 10
Stimmen führen dürfe, weil jonjt immer weniger Vereine eigene
Vertreter zur Hauptverfammlung jenden würden, deren fejtlicher
Gharalter darunter leiden müfje. Ihm entgegneten die Herren
Dehms und Nohmeder, daß die von ihm befürtwortete Be-
ſchränkung nicht ſowohl eine Steigerung der Zahl jelbjtändiger
Vertreter zur Folge haben werde, als vielmehr ein Serab-
gehen der Zahl der überhaupt vertretenen Zweigvereine, weil den
meijten kleineren die Mittel mangelten, um ein eigenes Mit-
glied zur Haupwerſammlung zu entienden. Herr Uhle fuchte |
dieſen Einwurf zu entfräften, aber die Mehrheit entſchied fich für
die Beibehaltung des Antrags des Verichterjtatterd. — Dann |
ging Dr. Rohmeder auf einen Punkt ein, den er als eine
wunde Stelle der früheren Hauptverfammkungen bezeichnete, und
der den Bweigverein München und mit ihm 6 andere ver-
anlaßt hätte, den Antrag zu ftellen: ‚Mitglieder des Gefamt-
vorjtandes fünnen die Vertretung von andern Zweigbereinen als
ihren eigenen nicht übernehmen.“ Es jei vorgelommen, daß bie
Mitglieder des Borjtandes für fich allein ſchon die Abjtimmung
in der Hand gehabt hätten; in der Hauptverfammlung zu Mün—
hen habe der Vorfigende nebſt nod einem Mitgliede des Vor—
jtandes jo viele Stimmen vertreten, daß die beiden Herren allein
bereitö die Mehrheit bejejjen hätten. Inter ſolchen Umſtänden
lomme die Überzeugung der Aweigvereine nicht zum Ausdrud;
die Abſtimmung werde zum Hohn. Dem werde nun allerdings
durch die Beitimmmmg des neuen Sapungsentwuris, dak niemand
mebr als 20 Stimmen führen dürfe, ein Miegel vorgeichoben;
aber das genüge noch nicht. Der Verein habe jegt ungefähr 300
bis 330 Stimmen, wenn alle Zweige vertreten jeien. Nehme man
nun an, jedes Mitglied des Gejamtvorjtandes führe auch nur 10
Stimmen, fo beherriche der Vorſtand bereits die gejamte Ber-
tretung. Das werde mun freilih niemals vorfommen, weil
andere Mitglieder immer auch Vertretungen haben würden; aber
die Mehrheit könne trogdem jehr wohl lediglid beim Borjtande
liegen, und dem müſſe vorgebeugt werden. Redner wolle übrigens
dabei nicht eigenfinnig auf dem von ihm und feinen Mitantrag-
jtellern angemeldeten Vorſchlage beſtehen; in zweiter Neihe fei er
auch zufrieden, wenn feitgeftellt werde, daß die Mitglieder des
Vorſtandes zwar ebenſo wie alle andern Vereinsmitglieder andere
Vereine zu vertreten berechtigt blieben, daß aber die Vereine
ſich ihre Vertreter jelbit zu fuchen hätten und nicht die Vermits
telung des Vorſtandes nachſuchen, nicht diejen beauftragen dürften,
ihnen Vertreter auszuwählen und ihre Stimmen beliebig zu verteilen.
Der Vorfigende, Herr Launhardt, erflärte den uriprüng-
lichen Antrag Minden von vornherein für unannehmbar, weil
er die Mitglieder des Gefamtvorjtandes, alfo gerade bie
Männer, weldhe als Wertrauensträger des Vereins an ihrer
Stelle ftünden, eines allgemeinen Ehrenrechtes jedes Mitglieds
berauben und die Vorjtand&mitglieder zu Mitgliedern zweiter
Klaſſe herabjegen würde. In ähnlicher Weije ſprachen jich* die
Herren Lohmeyer und v. Mühlenfels aus; fie deuteten an,
daß die Annahme des eriten Münchener Antrages zum Mücktritt
des Geſamtvorſtandes führen müſſe; fie verfannten feineäweges,
daß in dem hergebradjten Brauch einer Stimmenverteilung durd)
den Vorjtand die Gefahr des Mißbrauchs liege, und freuten
ih, dab in dem zweiten Vorſchlage des Herm Rohmeder, der
übrigens mit einem von Kaſſel gebrachten Antrage übereinjtimme,
die Brücke zur Einigung gejchlagen jei. Auch die Herren Phi:
|
lippjfon und Gantter äußerten fi in diefem Sinne, wobei
lepterer nochmals das Bedenkliche des biäherigen Zuſtandes be-
leuchtete und namentlich rügte, da der Vorftand durch Rund—
fchreiben mit beigelegten Poftlarten die Zweigvereine geradezu
dazu ermuntere, den Vorſtand mit ihrer Wertretung zu bes
trauen. — Dr. Keller jtellte jejt, daß mit dem Fortfall diejes
Verfahrens wohl fämtlihe Vorjtandsmitglieder einverjtanden
feien, weil immer ein unangenehmer Schein damit verbunden
gewejen wäre. Übrigens fei es doch unverlennbar, daß nicht nur
der Vorſtand, ſondern auc ein großer Verein bedeutenden Drud
ausüben und jchwerlic immer der Verfuhung einer Maſſenwer—
tretung wideritehen könne, Der Augenſchein lehre dies; denn
ein einziger Vertreter führe heut 54 Stimmen. Dem werde ein
Ende gemacht durch die Beſchrünkung auf 20 und durch die An—
nahme des zweiten Antrags München, bezw. des Antrags Kaſſel.
In diefem Sinne fiel denn aud die Enticheibung.
Die Sapung über Vorſitz und Geſchäftsordnung wurde
in der Faſſung des Entwurfe® angenommen und in die Geſchäfts—
ordnung verwieſen.
Die Beratung über die Sahzung betr. bie Mahnung an
Bweigvereine und unmittelbare Mitglieder und bie
Ausſchließung lepterer leitete Dr. Jähns damit ein, daf er
es als richtig anerfannte, wenn vom 3.8. Bonn bemerkt werde,
das ‚Zumwiderhandeln gegen die Zwede und Ordnungen bes
Vereins‘ ſei ein unklarer Ausdruch; dagegen vermöge er feis
nerſeits nicht zujugeben, daß lediglich ein, Zuwiderhandeln gegen
die Saßungen‘ zur Mahnung und zum Ausſchluſſe führen
dürfe. In allen menſchlichen Gemeinweſen herrſche aufer den
Geſetzen, deren Bruch jchlechthin ftrafbar jei, auch die gute
Sitte, deren Innehaltung die Geſellſchaft fordere und deren
Verlegung die Folge habe, daß man zwiichen dem, der fie be-
gangen, und den Beleidigten das Tiſchtuch zerichmeide. Es jet
leider z.B. nicht undenkbar, daß feitens maßgebender Mitglieder
eines Zweigvereind rüdjichtelofe fräntende Angriffe gegen ben
Vorfigenden und den Vorſtand in die öffentliche Tagesprefje ge-
ſchleudert würden und daf der Zweigverein ein ſolches Verhalten
ausdrüdlich oder durd; Wiederwahl jo handelnder Perjonen zu
leitenden Stellungen billige und ſich dadurch mitjchuldig mache.
In einem jolhen Falle jei feine Sapung verlegt, wohl aber
die qute Sitte, und das Wohl des Gejamtvereins ſei ſchwer ge
ſchädigt. Er jchlage deshalb vor, zu jagen: „der Gefamtvoritand
ift befugt, an unmittelbare Mitglieder und Zweigvereine, die den
Satzungen zuwiderhandeln oder dur ihre Haltung das Wohl
des Vereins gefährden, eine Mahnung zu erlaſſen u..w.‘ Diefem
Vorſchlage pflichtete die Berfammlung bei; Herr Lungſtras zog
den Antrag Bonn zurüd und ebenſo Dr, Gantter den Antrag
Frankfurts auf Einjegung eines Schied&gericht®, das die Haltung
des Borjtandes und der Gang der heutigen Verhandlung ihm
nicht mehr notwendig erscheinen laſſe. Herr Fritſch wünſchte
die Vereinigung der in Rede jtehenden Satzung mit der nädhit-
folgenden; der Borfigende erllärte, darauf ſpäter zurückkommen
zu wollen, Dr. Jähns beantragte, denjenigen Teil der Sapung,
welcher fi) auf das äußerliche Verfahren bei der Mahnung be-
zog, in die Gefchäftdordnung zu verweilen; die Verſammlung
itimmte dem zu und nahm die ganze Satzung in der vom Be-
richterfiatter empfoblenen Gejtalt an.
Zu der Sapung über ‚Ausihliefung von Zweigver—
einen und Gauverbänden* liegen 12 Anträge vor. Der
Berichterjtatter bleibt jedoch auf dem Standpunkte des Sapungs-
entwurfes jtchen, welcher die etwa notwendig werdende Aus—
ſchließung womöglich auf ſchriftlichem Wege herbeiführen und ein
17
mũndliches Verfahren erjt dann zulafjen will, wenn ſich der
Berufung des betroffenen Ziveigvereins an die Hauptverjamms
fung mindejtens die Hälfte oder doch ein Drittel aller Zweig—
vereine anſchließe. Dr. Jähns hebt hervor, wie aufregend, wie
verjtimmend die Verhandlungen auf einer foldhen auferordent:
lichen Hauptverfammlung wirkten, wie jehr Nebe und Gegenrede,
Ärger und Mifverftändnis den Ausdruck jhärften, die Gegenſätze
jteigerten, und wie wünſchenswert es daher jei, jo peinliche An-
gelegenheiten womöglich jchriftlih auszutragen. Demgegenüber
ſprach Herr Stier ſich dahin aus: er finde das Schriftliche Ver—
fahren fchlimmer und aufregender als das mündliche. Ju der
Angelegenheit des 3. V. Berlin jei eine ſolche Maſſe Schrift:
ftüde ergangen, daß die Vereine damit fast zwei Jahre lang
ũberſchwemmt, an ihren Mrbeiten gehindert und gründlich) vers
ftimmt worden wären. Dr. Rohmeder ſchloß ſich diefer Aus—
führung an; es jei felbitverftändlich, dab eine Über die Aus—
ichliegung eines 3. V. beratende außerordentlihe Hauptverfamms
fung nicht öffentlich, tage; alles aber fomme darauf an, daß eine
ſolche unerquickliche Sache ſchnell und endgültig erledigt werde,
und dazu jei mur die Hauptverfanmlung geeignet. Überdies jei
das Verfahren des Satzungsentwurſes ungeredt; denn es balje
dem Beihuldigten auf, wenigſtens 70 Bmweigvereine davon zu
überzeugen, feine Sache fei derart, daf er noch einmal zu Worte
fommen müſſe. Das fei unbillig, Herr Lungſtras trat diejer
Anſchauung durchaus bei und berührte überdies die großen Koften,
welche aus dem fchriftlihen Berfahren erwüchſen, indem es auf
die Herjtellung umfangreicher Dentichriften binauslaufe. — Da
die Meinung ber Herren Stier, Rohmeder und Lungjtras
in der Berjammlung ofjenbar die Oberhand Hatte, jo zog
Dr. Jähns nad) kurzer Rüdiprache mit dem Vorſitzenden den
Antrag des Satzungsausſchuſſes zurüd und fegte an deſſen Stelle
eine Faſſung, die ſich dem Antrage Heidelberg Bonn anſchloß,
dem er nocd auf die Anregung von Potsdam die Bemerkung hin—
zufügte ‚Gauverbände können durch die Hauptverfammlung auf-
gelöft werden‘. Gegen dieſen Zuſatz jprady Herr Gantter.
Wenn man die Beſtimmung habe, daß Zweigvereine aufgelöft
werben fünnten, jo brauche man fich mit den Gauverbänden
nicht mäher zu bejchäftigen, da dieje doch nur aus Zweigvereinen
bejtünden. Man jolle ſich nicht den Kopf zerbrechen über Dinge,
die hoffentlic niemals einträten. Dr. Gantter gab dann der
zulept vom Berichterftatter empfohlenen Faſſung der Sapung
eine etwas jchärfere Form, und im dieſer wurde jie von ber
Verfammlung angenommen. Auf Vorſchlag des Herrn Fritſch
wurde dem Ausſchuſſe anheimgeftellt, diefe Satzung mit der
vorhergehenden in eine einzige zu verfchmelzen. Der Vertreter
des 3. B. Dreaden, der beantragt hatte, dab ein ausgeichloffes
ner Berein nad) Verlauf eines Jahres feine Wiederzulafiung
nachſuchen fünne und daß der Gefamtvorjtand hierüber zu ent-
iheiben habe, z0g diefen Antrag zurüd.
Die Sapung über Schriftliche Abftimmungen wurde in
der von Dr. Jähns empfohlenen Gejtalt angenommen und der
Geihäftsordnung zugewieſen. Leßteres follte nad) dem Wuniche
des Berichterftatters auch mit der Sapung wegen des Ausfalls
ber Hauptverfammiung gejchehen; fie wurde indes nach be:
gründeten Einſpruch des Dr. Rohmeder in den „Sapungen‘
belafien.
Zu der Safung über die Beitjchrift und die Drud:
ſachen des Bereins Hatte Bonn den Antrag gejtellt, den Ver—
trag mit dem Schriftleiter der Genehmigung einer Hauptverfamms
fung zu unterwerjen. Dagegen jprachen, wie Dr. Jähns aus-
einanderfeßte, naheliegende Gründe der Zweckmäßigleit, welche die
Zeitfhrift des allgemeinen dentfhen Sprachvereins. 1894. Nr. 1.
18
Verfammlung anerkannte; worauf Herr Lungſtras jenen Antrag
zurüdzog. Ein Teil diefer Satzung wurde der Geſchäftsordnung
überwieſen.
Bei der Sapung über die Druckſachen ber Zweigvereine
und Gauverbände, die ebenfalls in die Bejchäfttordnung aufs
genommen wurde, waren nur unerhebliche Einzelheiten zu erörtern.
Sleiches gilt von den Satzungen über die Breisaufgaben, über
die Entfjhädigungen (Veit. 23 der Geſchäftsordnung), über
die etwaige Auflöjung des Sprachvereins und über Ände—
rungen der Sabungen und der Bejhäftsordnung.
Nachdem auf dieſe Weile die Beratung der Sapungen
zu Ende geführt war, ergriff Herr Gcheimrat Häpe, ber
Altersvorfipende des Geſamtvorſtandes, das Wort zu einer An—
jprache an die Hauptverjammlung. „Wir haben heut“, jo unge—
führ fagte er, „ein fchweres Wert abgeichlofien. Die Drudvor:
lage, die unferer Beratung zu Grunde gelegen bat, ijt ein
beredtes Zeugnis ſtaunenswerter Arbeitötraft und Gewifienhaftig-
feit, die unjerm Verein und feiner Leitung nur zur Ehre ge-
reichen fan. Insbeſondere möchte ich hervorheben das wohls
wollende und freundliche Entgegentommen, welches von dem mit
der Abfaffung beauftragten Ausſchuſſe gegenüber den oft weit-
gehenden und wiberjprechenden Anträgen an den Tag gelegt wor—
den iſt. Wir fchägen dieſes liebensiwirdige Entgegenfommen als
ein Zeichen dafür, daß die heutige Berfammlung uns die Wieder:
fchr des Friedens bezeichnet (Beifall), Sie werden mir alle zus
ftimmen, wenn ich Sie bitte, daß wir dem VBerichterjtatter des
Ausſchuſſes, unserem verehrten Tünftigen Borfipenden, unfern
innigiten Dank und unſere größte Anerkennung ausſprechen.“
Lebhafter Beifall.) — Dr. Jähns dankte von Herzen für dieſe
jo wohlwollende Beurteilung feiner Vorarbeiten wie für die ihn
hoch ehrenden Zurufe der Herren Vertreter und ſprach aus, daß
er bie vom Herrn Borredner gehegten Hoffnungen freudig teile.
Es handelte fih nun noch um die Beratung ber Ges
ſchäftsordnung. Here Cremer ſchlug vor, den Worten des
Herrn Häpe praftiiche Folge zu geben, indem man die Aus—
arbeitung der Geihäftsordnung ganz in die Hand des Berichts
erjtatters des Satzungsausſchuſſes lege. Obgleich dieſer Vorſchlag
mit Beifall begrüßt wurde, jo fanden die Gegenvorjtellungen der
Herren Jähns und Nohmeder doc) Gehör, und da Dr. Jähns
erlärte, da er bereits imftande fei, den Entwurf ber Ge—
ihäftsordnung, wie er teils aus den geftrigen und heutigen Be:
ratungen hervorgegangen jei, teils feine Ergänzung in den vom
Satzungsausſchuſſe ausgearbeiteten Beſtimmungen finde, im Zu:
fammenhange vorzutragen, jo wurde auf Antrag des Vorſitzenden
beichlofien, die Gejchäftsordnung zu verlefen, fie im ganzen ent-
weder zu veriverfen oder anzunehmen und lepterenjalld den Bes
richterftatter zu ermächtigen, fie im einzelnen näher auszuarbeiten.
Nur zur Beitimmung 17 erhob Dr. Rohmeder den Einwand,
dab beffer jede Andeutung über den Zeitpunkt der ordentlichen
Hauptverfammilung fortgelaffen werde; der Borfigende trat dem
jedoch mit der Begründung entgegen, daß durch die Alaufel „in
ber Regel‘ ja bereits zugegeben fei, daß unter Umſtänden auch
eine andere Jahreszeit ald Pfingiten gewählt werden könne.
Darauf wurde über die Gefchäftsordnung im ganzen abge
jtimmt; fie wurde angenommen, und der VBorjikende erflärte um
4'/, Uhr nachmittags, daß die neuen Satungen mebjt der Ge—
ihäftsordnung am 1. Januar 1894 in Kraſt treten würden, und
dab er nunmehr die Verſammlung fchliehe.
*
19
Endlich ergriff noch Herr Dr. Gantter dad Wort und bemerfte:
‚Vorher ift dem VBerichterftatter der Dank dafür ausgefprochen
worden, dab er die ſchweren Verhandlungen in jo gute Wege
geleitet habe. Ein anderer Danf gebührt aber auch dem Herrn
BVBorfigenden, der wejentlich dazu beigetragen hat, daß unfere Bes
ratungen fo gedeihlich verliefen. Wir waren zufammengelommen
zum Kampf der Meinungen und Anfichten; am Schluß desfelben
darf ich feititellen, daß ed heut hier weder Sieger noch Befiegte
giebt und daß wir ſcheiden mit der fröhlichen Hoffnung auf eine
glückliche Zukunft unſeres Vereins, von dem wir wünſchen, daß
er bald wirklich der allgemeine deutſche Sprachverein werde
und bleibe. Mit diefer Hoffnung verbinde ich den Dank für die
verdienftvolle Leitung durch Herm Geheimrat Launhardt!‘
Der laute Beifall, welder diefer Anſprache folgte, bezeugte
ebenjo wie dieje jelbjt die gehobene freudige Stimmung der Ver—
fammlung, die ihren wiederholten beredten Ausdruck an der Tafel
fand, welche num etwa die Hälfte der Vertreter zum Mahl vereinte.
Am 2. Dezember 1893 fand zu Berlin eine
Sigung des Gejamtvorftandes
ftatt, in der Herr Geh. Negierungsrat Launhardt aus Hannover
an Stelle des verhinderten Herın Mufeumsdireftor® Dr. Riegel den
Vorfip führte. Erichienen waren die Herren Oberftit. Dr. Jähns,
Geh. Baurat Sarrazin, Brofefior Dr. Pietſch und Verlags:
buchhändler Ernst, ſämtlich aus Berlin, Eijenbahn = Direktiond-
präfident v. Mühlenfels aus Oldenburg, Geheimrat Häpe und
Profeffor Dr. Dunger aus Dresden, Bibliothefar Dr. Loh—
meyer aus Kafjel, Archivrat Dr. Keller aus Münfter, Gyms
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Spradivereind. 189. Nr. 1.
nafial-Oberiehrer Dr. Saaljeld aus Blantenburg a. 9. und
20
Scriftleiter Sedlak aus Wien. — Brieflid hatten ihre Ab:
wejenheit begründet Seine Durcdlaucht der Erbprinz zu Hohen:
lohe⸗ Ohringen, Seine Erzellenz der Freiherr dv. Cramm- Burg—
dorf und der Geheime Regierungsrat Dr. Köpfe,
Zunüchſt wurde die Tagesordnung für die unmittelbar nach
diefer Sigung beginnende Hauptverfammlung befprodhen und
das von dem Berichterftatter des Sapungsausfhufies, Dr. Zähne,
vorgefchlagene und vorbereitete Verfahren beſchleunigter Beratung
der Saßungen (vgl. S. 7) gutgeheißen, ohne jedod die von
Dr. Jähns verfahten vermittelnden Faſſungen ſelbſt zur Kennt-
nis zu nehmen. — Unter der Vorausſetzung, dab die Haupts
verfammlung die Bildung eines ftändigen Ausſchuſſes bes
fchliefen werde, wurden ald Mitglieder desjelben bie bereits
(S. 1) genannten Herren bezeichnet. (Mac der Annahme der
| Sapungen am 3. Dezbr. fand in einer kurzen Nactragsfigung
dieſe Wahl ihre Beftätigung und zugleich eine Ergänzung durd
diejenige eines zweiten Beifigers.) — Demnäcjt wurde beichlofjen,
den Herrn Oberlehrer Friedrich Wappenhans in Berlin mit
der Leitung der Zeitichrift zu betranen und dem künftigen Schap-
| meifter, Herm Eberhard Ernit, die Stellung einer geeigneten
Perſönlichteit für bie Führung der Bücher und der Kanzleigejchäfte
deö Vereines zu überlafjen.
Die laufenden Geſchäfte, welde demnächſt zur Erledigung
famen, betrafen zumeiſt fchriftitelleriiche Arbeiten des Vereins fo-
wie einzelner Vorjtandsmitglieder. Die dem Herm Oberlehrer
Dr. Scheffler übertragene ſchwierige Bearbeitung eines Heftes über
| die „‚Schuliprade‘, welche den Verfaſſer drei Jahre lang beichäftigt
hat, liegt erfreulicherweife nunmehr vollendet vor und lann den
Mitgliedern des Begutachtungsausſchuſſes übergeben werben.
Um 5°/, Uhr wurde die Sipung gefchlofien.
Aus den Sweigvereinen.
Be Wir bitten die geehrien Vorſtände der Zweigver-
eine, ung für den Abdrud an diejer Stelle alle diejenigen Nadıs
richten aus dem Kreiſe ihrer Vereine in möglichſt kurzer
Fafiung zuzuichiden, die von allgemeinerer Bedeutung find
oder deren Kennamis für die übrigen Zweigvereine nüplich und
fördernd jein kann.
Nahen. In der zweiten Monatsverfammlung machte Herr
Dberlehrer Dr. Kelleter Mitteilungen über das 1644 erſchienene
Büchlein „Der Teutihen Sprach-Ehren-Krantz“. Sodann bielt
err Schulrat Dr. Keller einen Vortrag über Schenfendorfs
dicht „Mutterjprache*, in dem er fid unter Bezugnahme auf
einzelne Gedanken des Liedes über den Urſprung, die Entwicdes
lung und die Schönheit der deutſchen Sprache verbreitete.
Berlin-Charlottenburg. In der Dezemberfigung machte
Herr Oberlehrer Bappenhans in einem Vortrage über „Arbeiten
für die Ziele des Vereins” Vorſchläge zur Aufnahme einer Thätigs
feit nach außen Hin: Bildung von Ausjchüffen zur Überwachung
der Sprade auf Schildern und Preisliiten, in der Prefie, in
amtlichen und anderen öffentlichen Ktundgebungen, in Vereins—
fagungen und =jchriften, ferner Preisausichreiben und Ber:
breitung eines Aufrufes gegen das Fremdwörterunweſen. Die
Ausführungen des Vortragenden riefen eine lebbafte Erörterung
I
hervor, in deren Verlauf nachdrüdlic, zur Vorſicht bei öffentlichem |
Vorgehen gemahnt wurde, aber die Vereitwilligleit der Verſam—
melten zu ertennen war, namentlich der Trage eines Aufrufes |
näher zu treten.
Braunicmweig. Zufolge der bekannten Vorgänge in der
Leitung des Gefamtvereins hat Herr Mujeumspdireftor Brof.
Dr. Riegel leider auch den Vorſitz des Zweigvereins nieder—
gelegt, ſich jedoch bereit finden lafjen, im Vorſtande zu verbleiben.
In der erjten Winterverjammlung (16. Nov.) ſprach der neue
Borfipende, Herr Oberpojtdirefior Öraefe, mit warmen Worten
dem allverehrten Gründer des a. d. Sprachvereins innigen Dant
für feine ass Leitung des Vereins aus und hob feine großen
Verdienſte um denjelben hervor. Die Verſammlung ehrte den
fcheidenden Borfipenden durch Erheben von den Sipen. Darauf
hielt Herr Oberlebrer Dr. Söhns aus Gandersheim einen Bors
trag über „Germaniſches Eigentum in der Sprache Italiens“.
Caſſel. Der Unterhaltungsabend (27. Nov.) wurde durch
ein von Frl. Krummacher vorgetragenes Gedicht, das Zweck
und Ziel des Spradwereins darlegte, eröffnet, woran fich außer
Gejängen (Frau Nupfer) und Gingelvorträgen (Bert Pfarrer
Haas) eine Aufführung des preisgetrönten Luitipiels von Franz
Trauendahl „Der neue Diener“, unter Leitung des Herm
Teller ſchloß.
Goblenz. In der Hauptverfammlung am 7. Dezember hielt
Herr Oberlehrer Dr. Steinede einen —— — die deutſche
Bergmannsſprache, in dem er an zahlreihen Beiſpielen die Arts
ichaulichteit und urwüchſige Schöpferfraft diefer Sprache erläuterte.
Die Berjammlung beichloß einitimmig, dem Stifter des Sprad)-
vereind anläßlich feines Rücktritis von der Leitung des Vereins
telegraphüich den lebhafteſten Dank auszufprechen für feine raitlofe,
aufopfernde und jelbitlofe Arbeit im Dienſte der Mutteriprace.
Aus dem von dem Borfigenden, Herrn Yandgerichterat Scheer:
barth eritatteten Gejchäftsberichte geht hervor, daß der 1896 mit
67 Mitgliedern begründete Verein jet deren 321 zählt.
Danzig. Am der BVierteljahrsverjammlung (7. Nov.) hielt
Herr Oberlehrer Nühle einen Vortrag über „Die Aufgaben des
a. d. Sprachvereins“, in dem er ſich über die Berhältnifie, die
e Gründung des a. d. Spracdwereins führten, jomwie über feine
hätigfeit und feine Vorläufer verbreitete. Dem Vereine haben
ſich bisher 31 Herren als Mitglieder angejchlofjen.
Dresden. In der Novemberjigung wurde unter Borjit des
Grafen ©. Vipthum über die neuen Satzzungen des Geſamt—
vereins beraten und dann vom Profeſſor Dr. Thiergen (vom
K. Kadettencorpe) ein Vortrag über die Entwidelung der deutichen
Litteratur in Nordamerita gehalten.
21
Düfjeldorf.
Herr Profefior Dr. Imme aus Eſſen in öffentlicher Berfamms
lung am 4. Dezember über „Die Bedeutung der Pflege unjerer
Mutterſprache für unſer gejamtes geiftiges und nationales Leben“.
Ejfen. Nach Erledigung des geichäftlichen Teiles in der
Novenber- Berjammlung hielt Herr Profeflor Dr. Jmme einen
Vortrag über Eigennamen, der zu einer längeren, lebhaften Ers
örterung Anlaß gab.
Görlitz. Angefichts der ſchwachen Beteiligung der Mitglieder
an den Sigungen bat der Vorſiand ſich genötigt gejehen, die
Zeitſchrift bes allgemeinen deutſchen Sprahvereins. 1894. Nr. 1.
Auf PVeranlafiung des Amweigvereind ſprach
22
bei dem Sceiden aus feiner bisherigen Stellung von feiten des
Aweigvereins die höchſte Anerlennung und den wärmjten Danf
e jeine Berdienjte um ben a. d. Sprachverein auszuſprechen.
Mailand. Aus dem Bericht über die fünf erjten Vereins
jahre (1888— 93) geht hervor, daß die Mitgliederzahl jept 181
(121 ordentliche, 60 auferordentliche) beträgt, worunter einige
italienische Damen und Herren. Die Hauptthätigteit war auf bie
' Beranjtaltung von Vorträgen gerichtet, deren in den fünf Jahren
Auflöſung des Vereins ernjtlih in Erwägung zu ziehen, eine |
frage, welche bafdigit eine auferordentlihe Hauptverfammlung
beichäftigen ſoll.
Hamburg Nachdem Herr Dr. Dijjel im der Dezjember-
jigung über die Berliner Hauptverfammlung berichtet hatte, bes
ſprach Herr Dr. Jäniſch die Abjtimmung über die Kunſtaus—
drüde in der Sprachlehre und dann hielt Herr Dr. Hauſchild
einen Vortrag über „Meier Helmbrecht, ein Sittenbild aus dem
13. Jahrhundert“.
Heilbronn. Herr Reltor Dr. Prefſel hielt am 20. November
einen Vortrag über den Bildungsgang eines Heilbronner Arztes
vor 300 Jahren, in welchem er fich auch über Bildungsivejen
und Sittengeſchichte jener Zeit verbreitete.
Leipzig. Der Vorfigende, Herr Landgerichtsdireftor Beniel,
trat in der Sitzung am 21. November zuerit nachdrüdlich gegen
Zeitungsnachrichten auf, die in gehäffiger Weile über Eingehen
der Zeitichrift und Sprengung des Vereins geſprochen hatten.
Auf die Beratung des Entwurfs zu den neuen Saßungen des
Gefamtvereins folgte ſodann ein von Herrn Dr. Beer erjtatteter
Bericht über die Abſtimmung betr. die beiten Berdeutichungen der
Kunftausdrüde aus der Spracdilehre, dem ein lebhafter Meinungs-
austaufch folgte. Zum Schluß gab Herr Bauer dem Wunſche
Ausdrud, dag auch diefen Winter Borlefungen aus Schriftitellern
veranftaltet werden möchten, die entweder als nachahmenswerte
Muſier oder als abichredende Beiſpiele anzujehen feien.
Leoben. Auch 1892 leitete Herr VBürgermeifter Dr. J. Buch—
müller den Verein; ald Obmannftellvertreter ftand ihm nad)
dem Abgange des Herm Staattanwalts E, Steiner nad) Graz
Herr Gerichteadjunftt B. Ritter von Schmeidel zur Seite. Nach
der Hauptverlammlung fand nod) am 28. Mai eine Wander:
verjammlung in Trofatach ftatt, bei der Herr Gymnaſial-Profeſſor
Dr. 9. Gutſcher einen Vortrag über die frauen in der deutjchen
Pihtung des Mittelalters hielt, ferner am 16. November ein
Abend unter Mitwirkung der jtädtiichen Mufiffapelle. Die zweite
auptverjammlung wurde am 21. Ranuar 1893 abgehalten, der
ericht wies 140 Mitglieder aus. An die Stelle des nad) Graz
übergefiedelten Herrn von Schmeidel trat Herr Gymmajials Brofejjor
U. Cafaſſo. Die legte Verjammlung fand unter Mitwirkung
des deutſchen bergafademitichen Geſangvereins am 24. November
jtatt. Herr Bergalademiler R. Biſchoff ſprach über die Sprad)-
reinigung als Zeil des nationalen Strebens des deutſchen Volles.
Lübeck. Deuticher Abend am 13, Dezember. Der Bor:
ſihende, Herr Oberlehrer Schumann, eröffnete die Verfamm-
lung mit empfehlenden Bemerkungen über die Verdeutſchung der
Kunjtausdrüde in der Spradjlehre, für deren Einführung in die
biefigen Schulen der Verein zu wirlen ſuchen wird. ugleich
redete der Vorſitzende deutichen Nechenausdrüden das Wort, wie
fie 5. B. in der Zeitjchrift beiprochen. Hierauf jchilderte Herr
Dr. Zillich den Anhalt des Luftipieles „Der neue Diener“ und
empfahl deſſen Aufführung in Heineren reifen. Nachdem dann
der Vorſihende nod) feiner Freude über das befriedigende, vers
jöhnliche Ergebnis der Hauptverfammlung Ausdrud verliehen
hatte, das bejonders den Bemühungen bes Herrn Oberſilt.
Dr. Jähns zu verdanfen fei, hielt er einen Bortrag: Erklärung
merfwürdiger Wörter und Redensarten.
Magdeburg. In der zweiten Verſammlung diefes Winters
fprad) der Vorſihende, Herr Dr. Knoche, über „Einige auffallende
Worte und Redewendungen int Deutichen“ und zeigte, wie jchwierig
und dunkel die Ableitung vieler häufig gebrauchter Ausdrüde in
unſerer Mutteriprache iſt. Im derfelben Verſammlun
über die eben abgehaltene Haupwerſammlung in Berlin Herr
Dr. Ehilippion, der ihr als Vertreter beigewohnt hatte. Auf
Vorſchlag des Vorftandes wurde jodann einjtimmig beichlofien,
bem Herrn Mujeumsdirektor Brof. Dr. Riegel in Braunſchweig
berichtete |
47 zumeijt von eigens aus Deutichland, Diterreich und der Schweiz
berufenen Rednern gehalten wurden. Dem weiteren Zwecke des
Vereins, der Pilege der bdeutichen Sprache, diente, neben vier
dem ſprachlichen Gebiet entnommenen Borträgen, die Berteilung
geeigneter Schriften (Zeitihrift, Hauptitüd, Deutſchnationales Jahr:
buch, Verdeutſchungsbücher). Die Bücherei hat ſich dant reichen
Schenkungen gut entwidelt und zählt bereits Über 1000 Bände.
Wenn auch noch eigener Räume entbehrend und bie Pflege der
eigentlichen Geſelligkeit anderen Vereinen überlafiend, bildet doch
der Spradwerein in feiner Weile einen Mittelpunkt für das
Geiſtes- und Gemütsleben der biefigen Deutſchen.
Poſen. In feiner Hauptverfammlung am 17. November bes
ſchloß der Verein feine Auflöfung. Die Zahl der Mitglieder, die
noch vor mehreren Jahren fait 100 —* iſt auf 48 herab»
gefunfen. Bon dielen beabfichtigen viele dem Hauptverein als
unmittelbare Mitglieder beizutreten. Die Bücherei des Vereins
geht an die hiſtoriſche Gefellichaft über, während der baare Ber:
mögensbeitand dem Hauptverein ũberwieſen wird.
Quedlinburg Am 14. Dez. hielt Herr Mittelichullehrer
Jacobaſch einen Vortrag über „Walther von der Vogelweide“,
an den jid eine Anfprade des Borjikenden, Herm Oberlehrer
* Kleemann, über Zwed und Biel des a. d. Sprachvereins
ob.
Stuttgart. Nach Anhörung eines Berichtes des Herrn Pro—
fefior Erbe hat der Verein in feiner erjten diesjährigen Winter-
verjammlung am 29. November einftimmig beichloffen, den hoch—
verdienten Gründer und erfolgreichen Leiter des Gejamtvereins,
Herrn Mujeumsdiretor Dr. Riegel in Braunſchweig anläüßlich
ſeines bevorjtehenden Rücktritis von diefer Leitung zum Ehren—
mitglied des Zweigvereins zu ernennen. Nad Erledigung ge-
ichäftliher Dinge wurde das Ergebnis der zweiten Abjtimmung
über die Berdeutichung der Hunftausdrüde in der deuts
ſchen Sprachlehre an der Hand des vom Borfipenden, Herm
Prof. Erbe, bearbeiteten Schrütchens beſprochen.
Sulingen. In der zweiten diesjährigen Verſammlung bielt
Herr Pfarwilar Dr. Boree einen Vortrag über die Charaktere
des Nibelungenlieded. In den Borjtand wurden Herr Landrat
DO berländer als Borfigender und Herr Gerichtsjehetär Stünkel
als Schriftführer gewählt.
Rleine Mitteilungen.
Der Zweigverein Stuttgart des allgemeinen deut—
ſchen Spradjvereins hat Herrn Muſeumsdirektor Pro—
fejjor Dr. Riegel in dantbarer Anerfennung ber hoben
Berdienfte, die er ſich ald Gründer und bisheriger
Leiter des allgemeinen deutſchen Spradvereins und
feiner Zeitfchrift erworben hat, zu feinem Ehrenmit:
gliede ernannt. (Siche auch unter Vereinsnachrichten.)
— Nach allerhöchiter Beitimmung haben die oberjten Ver:
waltungsbeamten in den deutichen Schußgebieten von Togo, Süd:
weſt-Afrila und den Marſchall-Inſeln an Stelle des Titels
„Kaiferliher Kommiſſar“ fortan die Amtsbezeichnung
„Kaiferliher Landeshauptmann“ zu führen.
— Im Frankfurter Journaliſten- und Schriftftellerverein bes
ſprach Herr Dr. Gantter den Zwed und die Ziele des a. d.
Sprachvereins.
— In Nr.? der Zeitichrift v. J. waren der Preisliſte der „Con:
ſiſerie H. v. Hövell“ in Berlin, Unter den Linden 12, einige
tadelnde Worte gewidmet. Mit Bezugnahme hierauf hat der
Beſitzer diejes Gejchäftes feine neue, diesjährige Preislifte einge-
23 Zeitfhrift des allgemeinen dentihen Sprahvereins. 189. Nr. 24
fandt, deren Ausdrudsweije in wohlthuendem Gegenjaße zu der | „Hier giebt's im der That das monnigjie Entzüden, ein
früheren, bier gerügten fteht. — An die Stelle von Gonfijerie ift | Paradies für Gefchmads- und Geruchänerven, wenn man die
Zuderbäderei getreten, für Chocolaterie heißt es Schofoladerei, | ragig-noblen Weine bis zu den Eliten der Kabinetsſtücke mit
für Bonbonnieren — Bonbontäften, für Spezialitäten — Sonder: | rührender Andacht und verftändniginnigem Behagen zu foften, zu
erzeugniffe, für glaciert — überzogen, für Defjert — Nachtiſch, ſchlürſen und im Gaumenpridel fozufagen zu verewigen verjicht,
für en capsules — in Kabſeln, für Pains de eafö — Saffee- | um die ultivierteften Geichmadsnerven in ihrem ibealiten Sport
bröddhen, für drops — Tropfen, für Saiſon — Teitzeit, für | fattfam zu befriedigen und als künſtleriſch originellites Leiftungs-
nouveautöes — Meubheiten, für erjter Dualität — erjter Nuss | ziel die heiße Sehnſucht der zartbejaitetften Geruchsnerven im tollen
wahl u. ſ. w. wf.m. Schließlich ift aud) das häßliche per fort: | Wirbel der aromatischen Düfte des grandiofen Rieslings- Bouquets
gefallen. — Man fieht, Herr v. Hövell hat jein Warenverzeichnis | zwiſchen fruchtgierigen Wandungen der ſonſt fo unheimlichen Rachen »
einer gründlichen Umarbeitung unterzogen, und wenn auch hier und | und Rajen- Höhlen mit zahllos eingebetteten fiplichen Geruchs—
dort ein überflüſſiges Fremdwort ftchen geblieben (mie diverſe, nervenenden durch den höchſten Zauber der ſchaffenden Natur zu
Prinzip), jo ift doc) fein Vorgehen im ganzen als ein hocherfreus | beglüden.“ So zu Iejen in dem Büchlein: Der Auſſchwung
liches und nachahmenswertes zu bezeichnen. — Das ift ein Heiner | Neuenahrs zum internationalen Weltbad. Heimats- und Kur—
Erfolg, der wohl auf Rechnung der Zeitichrift zu jehen iſt. ftudien von Hermann Bresgen, Amtägerichtsrat in Berntaftel
Hoffentlich kann über ſolche mod) oft berichtet werden. (1893) ©. 24
Vielleicht ift einer der Leſer in der Lage, einen guten Erfak ——
für die Wörter „Konſett“ umd „Bonbon“ vorzuſchlagen, deren Bücherſchau.
Verdeutſchung Herr von Hövell nicht unternommen! Eingeſandte neue Bücher.
— Während die Sprachvereine den deutſchen Wortſchaßz von Heintze, Albert, Profeſſor, Gut Deutſch. Eine Anleitung zur
fremden Beſtandteilen zu ſäubern ſuchen, ſtiehlt ſich ab und zu Vermeidung der häufigſten Verſtöße gegen den guten Sprach—
— wie durch eine Hinterpforte — ein neuer Fremdling hinein. gebrauch und ein Ratgeber in fällen ſchwanlender ann
drucsweile. Berlin, 1804, €. Regenhardt. 202 ©. 8.
A 1,50 geb.
Bilfe, Edwin, Rektor, Deutihe Wortlunde Ein Hilfe
Ein gar drollig ausſehender Kauz wird jetzt in Glarus beobachtet.
Er ſchreibt fih: „’s Kellöretli“. Wer kann jogleich jagen, was
das zu bedeuten hat? — Nun, ganz einfad, „die Uhr” oder buch für Lehrer und Freunde der Mutterſprache. Leipzig,
richtiger „das Ührchen!“ — Herleitung: Quelle heure est-il?, 1893, R. Richter. 275 ©. 8.
das fich Glarner in ihrer Art mundredjt gemadht haben. Dunger, Hermann, Profeſſor Dr., Kinderlieder und Kin—
—— — derſpiele aus dem Vogtlande mit einem einleitenden
Vortrage über das Weſen der voltstünmlichen ———
rachliche Muſterleiſtungen. Plauen V. 1804, F. E Neupert. 194 ©.
a Sp & * r f Erbrid, Emil, Lieder aus dem Metzer Franzö⸗
„Die Liſte zum Einzeichnen der Mitglieder und von ſolchen ſiſche Voüelieder verbentjch. Dep, Eben 1893. 03 ©. 8.
einzuführenden Herren liegt beim Hausmeijter der Geſellſchaft auf“
Anzeige der Bonner Leje= und Erholungsgeſellſchaft. Brieftaſten.
Generalanzeiger 8./11. 93 &. 4.
—— — Herrn O. M... in Düffeldorf. Beſten Dank für Mit-
2 ! — teilung Ihrer Veröffentlichung gegen die Bezeichnung „Entree
„Unzuläffigfeit des Beitrittes eines Einzellaufmannes zu einer | 4 Person“, die gar nicht oft genug geriigt werben fann. Dem
eingetragenen ®enofjenichaft unter feiner Firma“ (Juftizminifterial- | meift nicht böswilligen, nur gedanlenloſen Gebrauch ſolcher Wörter
blatt vom 24. Nov., Inhalt eines Beſchluſſes des Kammergerichts). | fünnte durch zahlreiche, in die Augen fallende Aufforderungen
Sprachlich gehört „unter feiner Firma“ zu „einer eingetragenen in den Zeitungen gewiß geſteuert werden.
. . Herrn Dr. €. ... in Meg. „Semwerbeiteuerein-
Genofienigaft”, während es heißen ſoll. daß ein Laufmaun nur | Ihäpungsfommijlion” GBezirlstag des Unterelſaß, Bericht in
mit feinem wirklichen Namen, nicht mit feinem Handelsnamen, | der „Straburger Bolt“ Nr. 318) ift eine leider mur zu häufige
der Firma, einer Genoſſenſchaft beitreten kann. Woribildung. Könnten Sie nicht einen Hürzungsvoridlag machen ?
Anmeldungen“ ö Briefe und Drudiahen für be Vereindleitung
unmittelbarer Mitglieder find an den — n.
— ‚Beitügung von mindeftend 3 Mart nimmt der Schatmelfter des Gefamt- Seren eilentnent EN in Berlin W. 10,
" Kerr a Eberhard Ernit in Berlin W.4l, | Gelbſendungen und Beitrittserllärungen
Hilhelmftrahe WO, ' an den Schatimeliter,
entgegen. Diefer ift auch gerit bereit, | Seren Berfagssuchhändter Eberhard Ernit in Berlin ®@, 11,
außerordentliche Geldiuwenduugen, | Wlttelmfrabe 90,
deren ber MWerein zur kräftigen förderung der ganzen Bewegung noch immer | In nd Drudjanen fir die geitſchrift
bedarf, anzunehmen. dem Zberlehrer en in Berlin %.W.29
Der Gelamtvoritand des er Arne deutichen Spruchrereins. Altonaerjttafe 34
Dr. M. Jähns, zu richten.
Mt. an den Schapmetiter Foftenfrei ilbermittelt; 1886/87 allein — U. Der Handel (2. ſehr verm. Aufl, 80 Bf), II, Das bäusticdhe and
1888 bis 1899 allein — je 2ME, | ejeitjaaftithe, Leben (508.1, IV. Das deutige Namenbids
Aufrufe, Sagungen und njelne Aummern der Seitichrikt, zum Zwecte
ber Husbreitung und Aörderung des Bereined, ſiehen auf "Anfordern bel
bein Borfipenden unentgeltlich zur Verfügung.
Die Iabrsänge 1886 — 1898 der Zeitichrift werden gegen Einiendun m | Die Berdeutihungndbücher: I. Die Speiielarte (2. verb. Aufl, DO Bf.),
l 7
ein 0 Bf.) und V. Die Amtsiprache (60 Bf.) find den Herren erd.
Hirt & Sobn in Leipzig in Verlag gegeben worden und ausschliceh:
lich von dieſen durd den BERN! zu erhalten.
Beigaben: Die neuen Sapungen und die Seichäftsordnung v vom 3. Dezember 1893. — Der Titel zum Iv. Bande d dieſer ſer Zeitfchrift..
— Anzeige betr. Kings, Enmologiiges Wörterbud) der deutichen Sprade, Berfog von Hari I. Trübner, Strahburg i. E.
— — — — == — — — = — — — —
Illr die Leitung verantwortlich Sriedrig BWappenhbans, Berlin. — Verlag det — deutſchen Sprachvereins
Drud der Buchdruckerei des Walſenhauſes in Halle a. ©.
IX. Zahrgang Qr. 2. | 1. Februar 1894.
Beitfgri
allgemeinen deuffchen Sprachvereins.
Herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Die Beltfchrift fan auch durch den Buchhandel oder bie Bot
zu BME, jährlich bezogen werben, — Anzeigenannahme durd den Schapmeifter,
Herrn Eberhard Ernit, Berlin @.41, Wilhelmftr. 90. — Auflage 15000.
Tr — ñ — — — To — — — — — — ——
Inhalt: „Gedankenloſer“ Wortgebrauch und ſein Augen I. Bon Karl Erdmann. — Ein Bahnbrecher vor mehr als zwei
Sahrhumderten. Von Dr. Günther A. Saalfeld. — An und Per. — Zu der Stellung des Zeitwortes nadı und. — Aus unferer
Geſetzes⸗ und Verordnungsſprache. — Karl Peters über die deutſche Sprache. — Gajtwirtichaft. — Die deutiche Titelſucht. —
Abfertigung. — Sprediaal. — Sprachliche Mufterleiftungen. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsihau. — Aus den
Zmeigvereinen. — Brieftaften. — Gejchäftlicher Teil.
Diefe Heitichrift ericheint jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern bes allgemeinen beutichen Epradiverelms unentgeltlich
geliefert (Sapung 24),
will recht logiſch verfahren und verfährt dabei zu wenig pfycho—
logiid.
Alſo „gedanlenloſer Wortgebrauh“. Das jcheint eine jchlechte
Sache zu jein, die ich verteidige. Im allgemeinen gilt es viels
„Gedanlkenloſer“ Wortgebraub und fein Autzen.
Aus einem Bortrage,
gehalten im Dresdner Spradpverein
von mehr als ſelbſtverſtändlich, dah es gut und nüßtzlich jei, beim
Karl Erdmann. Reden und Hören auf die Grundbedeutung der gebrauchten Worte
I zu achten, die einzelnen Zeile zuſammengeſetzter Worte deutlich
Die Bildung neuer Worte fteht heute auf der Tagesordnung. auseinanderzuhalten und die in der Sprache liegenden Bilder als
Aber es iſt merkwürdig: jo triebfräftig, fo bildfam und geichmei- foldje zu verſtehen.
dig fich auch unſere Sprache in ihrer natürlichen Entwickelung „Kein Preußen, fein Ofterreih! Dies war der Spruch, den
erwies, jo ſpröde ericheint fie bei allen bewußt und planmäßig der Mund Ew. Kgl. Hoheit ftets im Auge hatte!" Wer hätte
angejtellten Berjuchen, neue Worte zu fchaffen. Die fremden | ſich nicht Über dergleichen Stilblüten ſchon erheitert? Über jene
Sprachen zeigen ſich ergiebiger und bequemer für Neubildungen | Gedantenlofigkeit in der Sprachbehandlung, die mehrere Bilder
als die deutiche. Die wiſſenſchaftliche Sprache, zumal die der | finnlos durcheinandermengt, oder die Vorftellungen in ein Wort zus
Chemie, erfindet fait täglich Ausdrüde für neu auftauchende Er- fammenjchweißt, die ſich gegenfeitig ausſchließen! Welch ein Unſinn,
zeugniſſe oder Begriffe, Wortungetüme und Miſchmaſchgebilde von „Wadhsjtreihhölzern“ zu reden! Wie fann ein Holz aus
aus ſchlechtem Latein umd unmöglihem Griehiih — aber fie | Wachs jein? Zeugt es nicht von Mangel an Denten und
findet fie doch mähelos umd im reichlicher Fülle. Sobald aber | Schwäche der Borftellungstraft, die Worte nur als verblafte
ein neues deutſches Wort geprägt werben joll, jei es durch Zu— Zeichen zu gebrauchen und nicht deutlich den Sinn der einzelnen
fammenjepung oder Ableitung, da ift des Bedenkens und Kopf- | Teile zu erfafien? Und mie jelbftwerjtändlich flingt es, wenn
zerbredhens fein Ende. So jehr man im der Theorie betont, dag | Unter den vielen Gründen im Fremdwörterkampf aud die „an
unfere Sprache Neubildungen günftig jei, fo wenig finden die | ſchauliche Kraft“ der heimiſchen Sprache ins Feld geführt
praftijchen Vorſchläge allgemeinen Beifall. | wird. Das deutſche Wort jei anſchaulicher als das fremde, es
Da hat ſich z. B. der deutſche Spradverein der undankbaren | ſei beſſer al$ dieſes geeignet, die Phantaſie anzuregen, weil der
Aufgabe unterzogen, die Fachausdrüde der Grammatik zu ver- | Deutiche Abjtammung und Ableitung feiner Worte kenne.
deutichen. Mber e8 iſt nicht zu beftreiten: die neuen Bezeichuun. „Wie viel anſchaulicher“ — jo heißt es in einem trefiliden
gen für Dativ und Accuſativ, für Paffiv oder Subjekt fordern | Aufjap Über das Fremdwort — „it Fernsipred als Telephon,
BWiderjpruch heraus und wollen niemanden vecht befriedigen. ; weil jprechen und Ferne uns mit den altgeläufigen Worten jofort
Der Grund hierfür liegt natürlich nicht im unjerer Spradıe. Anſchauungen vorjtellen. Oder Stellsdidsein als Rendezvous,
Er liegt aber auch nicht allein — wie vielfach angenommen | Oberhaupt als Chef, Mit-fämpfer als Gombattant, Bahn
wird — im umferem Unvermögen, in mangelnder iprachichöpfe- | eig als Perron, gefühls-jung als naiv, gefühls-greis
rifcher Kraft. Vielmehr meine ich, daß die Mehrzahl bei der als blafiert; die Beiipiele liegen zu Dußenden auf der flachen
Beurteilung jener Neubildungen von unberechtigten Anfprüchen | Hand.“
und einer faljchen Vorausſetzung ausgeht. Man vertennt die Dan lünnte bier freifih die heifle Gegenfrage Stellen: Wenn
natürliche und bis zu einem gewiſſen Grade notwendige „Bedan: | dad Wort Heiltünftler anfchaulicher ift als Mediziner, ift es dann
tenlojigleit" beim Wortgebrauch. Man überichäßt den Wert und auch anſchaulicher als Arzt? Iſt Kauwertzeug anfchaulicher als
die Wichtigleit des uriprünglichen Wortfinns für die lebendige | Zahn, oder Kleidermacher anſchaulicher ald Schneider? Iſt der
Spradye. Man verwechfelt das, was wir bei der bewußten Er- | Anihauungswert eines Wortes nur davon abhängig, daß eine
zeugung eines Wortes denen, mit dem Bewuhtjeinsinhalt, den | Gefamtvorftellung in Einzelvorjtellungen geipalten wird, die dann
das Hinterher im Gebrauche befindliche Wort in und anregt. Man | einzeln ihre Namen erhalten?
27
Zeitihrift bes allgemeinen deutſchen Sprachvereiuns. 1894. Nr. 2. 28
Dieſe Frage führt unmittelbar zu einer Kritik des vieldeutigen
Wortes Anjchaulichkeit, von der ich jogleic zu reden haben werde.
Vorläufig möchte ich nur jeititellen, dab allen diefen fpradjlichen
Erwägungen immer ſtillſchweigend die ganz ſelbſtverſtändlich
icheinende Worausjegung zu Grunde liegt, daß jeder, der ein
zufammengejeptes Wort gebraucht, ſich auch den Sinn der einzel-
nen Bejtandteile zum Bewuhtfein bringt. Zum mindeſten jolle
dies jeder Gebildete thun, der mit Vernunft und Gejchmad feine
Sprache zu handhaben verjteht.
Nun fällt es mir ja nicht ein zu beitreiten, dak man nicht
jelten den Sinn der einzelnen Wortbeftandteile ganz unwillfürlic)
ſich vergegenmwärtigt. Man kann dies immer, jobald man nur
feine Aufmerkſamleit darauf einjtellt; und dies wird häufig nüß-
lid), manchmal zur Förderung des Verftändnifjes notwendig fein.
Nicht minder ericheint es zweddienfih, beim Gebrauche übertra-
gener Ausdrüde oder Wortbilder auch den uriprünglihen Wort:
finn mit mehr oder minder großer Deutlichleit durchs Vewußtſein
gleiten zu lafien. Die Frage ift nur, ob man dies auch immer
thut, ob man es immer thun fol? Ob man es audı nur in
der Regel thun joll?
Gar viele werben geneigt jein, diefe Frage ſchlechthin zu bes
jahen. Ich möchte fie verneinen. Und wenn es einmal geftattet
ift, unter „gedankenloſem“ Wortgebraud; lediglich die Nichtbeach-
tung der Grundbedeutung der Worte zu veritchen, jo möchte ich
für dieſen gedanfenlofen Wortgebrauch grade in Nüdficht auf jene,
vielgerühmte Anjchaulichkeit eine Lanze bredien. Ich möchte be
tonen, daß der „aedantenlofe” Wortgebraud in dem angeführten
Sinne durchaus fein gedanfenlojer Wortgebraucd im üblen
Sinne zu fein braucht.
Ich Tefe in der Zeitung den Saß: „Beute verfing ſich eine
Taube in den zahlreichen Fernſprechdrähten über dem Haupt:
pojtamt. Sie verlegte fi am Flügel und mußte getötet werden.”
Ich bitte den Lejer den fraglichen Vorgang recht anjchaulich fich
vorzuftellen, ihn in allen Einzelheiten lebhaft und farbig auszu—
malen und dann fich zu fragen, welches Bild denn im befonde-
ren das Wort Fernſprechdraht in ihm angeregt habe. Wer hat
wohl dabei die Bedeuhung der Wortteile „ gerne” und „ſprechen“
ins Bewußtſein gehoben? Grade derjenige, der die Drähte mit
der verlegten Taube in greiibarer Körperlichleit und finnlicher
Lebhaftigteit vor fein geiftiges Auge zauberte, wird am wenigjten
daran gedacht haben, dab man mit ihrer Hilfe in die Ferne
iprechen fann! Hier, wo die Einbildungsfraft lediglich darauf
ausgeht, die äufere Sejtalt der Drähte zu erzeugen, ift ein
Nachdenlen über ihre Bedeutung für den menjchlichen Verkehr nicht
nur völlig überflüfig, es lähmt notwendig die Thätigleit der
Phantaſie und jtört die Anſchaulichkeit des inneren Bildes,
Man wende mir bier nicht ein, daß, wenn es zweclos jei,
an das Sprechen in die ferne zu erinnern, es dann aud) jwed-
108 fei, das Wort Fernſprechdraht zu verwenden. ſtatt von „Draht“
ichlechthin zu reden. Auch für die Anjchaulichteit im angeführten
Sinne ift Ferniprehdraht mehr ald Draht allein. Eine ganze
Reihe von Merkmalen, die audy die Ääufere Geſtalt fenn-
zeichnen, Hat fich durch zahlloſe unbewuhte Erfahrungen und
Beobachtungen mit dem fraglihen Begriffe und feinem Worte
vernüpft, Wir wiflen, daß Fernſprechdrähte in einer gewiſſen
Höhe angebracht find, daß fie eine gewiſſe Die haben, daß fie
wie rußgeſchwärztes Kupfer ausſehen, daß fie im größerer Zahl
austreten, daß fie parallel laufen, daß fie untereinander einen
beftimmten Abjtand haben ufw. Das alles find Merkmale,
die fich unmittelbar mit dem Geſamtwort verfettet haben und deren
Bewuhtwerden die Anichaulichkeit des in Mede jtehenden Phan—
tn
tafiebildes fördert und erhöht. Nur grade die Merkmale, die
durch die Wortteile „Ferne” und „ſprechen“ zum Ausdruck ge-
langen, find nicht nur überflüffig, jondern — immer freilich nur
in Rüdficht auf den bejonderen Juſammenhang — der Anſchau—
lichleit des Phantafiebildes ſchädlich.
Es iſt ein befanntes pfychologiſches Grundgeſetz, daß man nur
eine beſchränkte Zahl von Vorſtellungen in den „Blickpunkt des
Bewußtſeins“ rüden fan, und dak die Menge der gleichzeitig
im Bewußtjein vorhandenen Borftellungen im umgelehrien Ber-
hältmis zu ihrer Klarheit jteht. Betrachte ich eine Baumfrone
in ihrer Geſamtheit, jo fehe ich nicht das einzelne Blatt. Richte
ich fcharf meine Blide auf das einzelne Blatt, jo fehe ich micht
die ganze Krone. Will ich mir aus der Erinnerung hervorbofen,
von welcher Form und Farbe die Mugen meines verjtorbenen
Jugendfreundes waren, fo werden mir bei geipannter Einbildung
gar bald die Mugen, vielleicht auch die Gegend um die Augen, in
grefler Deutlichleit entgegenjpringen, aber die übrigen Teile des
Geſichtes werden wie im Nebel verjhwimmen, während Rumpf
und Glieder völlig unfichtbar bleiben. Immerhin wird es möglich)
fein, eine gröhere Zahl von Vorftellungen, wenn auch auf Koſten
der Deutlichfeit, im Bewußtſein zu vereinigen, jobald nur dieje
Borftellungen ſich nicht gegenfeitig ftören, wenn fie nur ein geifti-
ges Wiederholen deſſen find, was man auch in Wirflichleit mit
den äußeren Sinnen von irgend einem Standpunfte auf gleich-
zeitig wahrnehmen fann. Eine unmögliche Forderung iſt es aber
z. ®., anſchaulich die Äußere Geſtalt einer befannten Perſon fich
zu bergegenmwärtigen, gleichzeitig aber und mit gleicdyer Anſchau—
lichteit fich vorzuitellen, daß fie in ihrem Anmeren Lungen und
Rippen, eim Herz und einen Magen habe. Nicht viel anders fteht
ed aber mit der Forderung, man folle beim lebhaften Vorſtellen
eines Vorgangs, bei dem nur die Äußere Form der Telephon—
drähte in Frage kommt, fich audı noch darauf befinnen, dak matt
vermittelft diefer Drähte in die Ferne jprechen fan. Das ift, jobald
man nur einige Anſprüche auf Anfchaulichteit macht, jchlechter-
dings unmöglih. Die anſchauliche Borfiellung des Ge—
famtwertes fällt nicht mit der anſchaulichen Boritel-
lung der einzelnen Wortteile zuſammen. Das gilt aber
ganz allgemein. Dente id) an mein Tintenfah, jo jehe ich deut-
lich vor meinem geiftigen Auge ein dreifantiges Gefäß aus
Altmeifing mit Löwenlopf und Greifenklauen; aber id) jehe weder
die Tinte, noch denfe ich an die Bedeutung von „Faß“. Und
will ich mir gar den Vorgang eines „Gabelfrühſtücks“ vergegen-
wärtigen, jo ſchaue ich eine veich gededte Tafel, Speifen und Ge—
tränfe, Säfte und Dienerjchait, Worte tönen an mein Ohr, und
Geſchmacks⸗ und Geruchsempfindungen tauchen Seife auf md
twogen durcheinander — aber die Borjtellungen „Gnbel*,
„Frühe“ und „Stüch“ treten faum ins Bewußtſein. Das Ge-
jamtwort hat einen Anſchauungswert, die Wortteile haben ihn
nicht.
Damit foll natürlich nicht geleugnet werden, dah beim Ler
nen, beim eritmaligen Hören die einzelnen Wortteile deutlich
ins Bewußtſein treten. Beim Gebrauche aber verblajien dieſe
ſehr bald, und andere Bilder verfetten fich unmittelbar mit dem
Klange des Gejamtwortes. Wenn nicht jelten auf die umbejtreit-
bare Schlagkräftigfeit und vielfagende Deutlichteit mancher zuſam—
mengelepten Wörter hingewieſen wird, jo berubt das meijt weni
ger darauf, daß diefe Wörter deutjch, als daß fie nen find,
MS ich in der Schweiz zum eriten Male das Wort „Firipredh“
hörte, das in der Züricher Gegend allgemein für Advokat ges
braucht wird, mutete mich die Berftändlichteit dieſes Wortes bes
ſonders an, und ich jang ein Loblied auf die Anſchaulichleit der
29
deutihen Sprade. Ich dachte nicht daran, daß wir längft ein
viel befjered deutſches Wort für Advolat befigen: nämlich Rechts-
anmwalt. Warum wirkt aber Rechtsanwalt nicht jo „anſchaulich“
wie Fürſprech? Doc; mur, weil es gebräuchlicher und abgenußter
ift. Ganz Ähnlich) erging es mir mit dem hbolländiichen: „Ges
neesmeejter*. Heiltünjtler und Arzt Hingen nicht fo finnreidh.
Leider wirkt nur das Wort Füripreh auf die Schweizer, das
Wort Geneesmeejter auf die Holländer nicht jo ſinnreich wie auf
und, die wir diefe Worte nicht verwenden. Aber auch bei uns
würde die Friſche diefer Worte verblaſſen. Die Wortteile fallen
gar bald nicht mehr auf, fie verichwinden im Geſamibegriff und
treten nicht mehr einzeln ins Bewuhtjein.
Bei vielen Worten foftet es geradezu eine gewiffe Überwin-
dung, bem einen ober anderen Teile den gebräudjlidyen Sinn
unterzulegen. Wer dentt bei Handihuh an Schuh, bei Yugapfel
an Apfel, bei Dienftbote an Bote? an; zu geichtweigen von
Bortbildungen wie Windsbraut, Frauenzimmer, Berlmutter,
Hageftolz, Strohwitwe, Wehltau, Bönhafe, Backiſch,
Meerkatze, Mitgift, Hexenſchuß, Spiegetfechterei, Olgöge u. a.
Heljerspelfer ift nicht der Helfer eines Helfers, wie das Wort be—
jagt, jondern ein Heljer zu böfen Werfen. Was hat aber jtein-
alt und ſtein reich, blutjung und blutarm mit Stein und Blut
zu Schaffen? Warum jagt man mutterfeelenallein? Iſt es ein
bejonderes Merkmal der Mutterſeele allein zu fein?
Nun weih ich jehr wohl, daß man diefe Worte alle trefflic
erflären fan. Nur kennt die ungeheure Mehrzahl derer, die
diefe Worte gebrauchen, jene Erklärungen nicht. Sie wifjen nicht,
da Gift urjprünglic Gabe bedeutet und jo auch Mitgift ohne
weiteres verjtändlich wird, daß Meerrettig vielleicht nicht den über-
jeeifchen Rettich, ſondern Pferderettich (Mähre) bedeutet, daß DI
in Olgötze vielleicht nicht® mit Ol zu thun hat, fondern mög-
licherweiſe urſprünglich EI lautete, aljo jenes Wort enthält,
das mit dem lateinijchen alius und dem griechiichen &AAos ftamms
verwandt ijt und im Worte „Elend“ (eig. fremdes Land, Ber:
bannung) ſich wiederfindet.*) Uber gerade das ift bezeichnend,
daß der Volksgeiſt die nicht mehr verftandenen Klänge wohl zu
befannten Lauten umgemodelt bat, daß er aber feine Rüdſicht
auf Sinn und Anſchauungswert diefer Worte genommen bat.
Und fo löſen wohl die Worte im ganzen anſchauliche Vorſiel—
lungen aus, nicht aber die einzelnen Zeile.
Andere Zufammenjepungen find zwar in ihren Zeilen uns
mittelbar verftändlich, bringen aber ganz befonders unzutreffende
Merkmale zum Ausdrud. In diefem Sinne ift 5. B. „Opern:
glas“ oder „Dpernguder* eim recht ungeſchickt gebildetes Wort.
Zu diefer Klaſſe rechne ich aud das Wort Streichholz. Das
eigentlich; Wejentlihe an diefem Gebrauchsdinge ift, daß es durch
Reiben feuer giebt und aus einem feinen Stäbchen befteht.
Ganz ummejentlich ift es, daß es aus Holz gefertigt iſt, weil
dieſes durch jeden anderen brennbaren Stoff erjegt werden kann.
Gerade darum ift auch die Bildung „Wachsſtreichholz“ erklürlich.
Ber beim Gebraud an die wejentlihen Merkmale denkt, der
denft eben nicht an „Holz“. Und wer fid) in ſchulmeiſterlicher
Weife über diefes Wort ereifert, der mühte folgerecht aud)
nicht wenige andere beanjtanden, bei denen fein Menjch mehr
einen Wideripruch empfinde. Man dente an Wortbildungen wie
Papierwäſche“. Gewiß waren Wäſche urjprünglich nur Klei—
dungäftüicde, die gewaſchen werden fonnten. Später aber verband
*) Mac) einer anderen Erklärung ſoll freilich „Olgöpe* ur:
fprünglich eine menſchliche Geſtalt fein, die als Lichtträger diente.
„Wie ein Dlgöge daſtehen“ — jteif, regungslos dajtehen, dumm, |
unbeholfen jein.
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. 1894. Nr. 2,
30
fih mit diefem Worte die Vorftellung jener Belleidungägegen:
ftände, die unmittelbar ben Leib berührten, während das Merl:
mal des Gewaſchenwerdens verblaßte. Und fo kann Papierwäſche
als Widerjprud wohl nicht gelten.
Etymologie hat mit Definition nichts zu ſchaffen. Sadı-
erflärung iſt nicht Worterflärung. Wer den Begriff orthobor
dadurch beftimmt, daß er erklärt do9o; heihe richtig und dozxeiw
denfen, wer Sarfophag als Fleiſcheſſer überfept und Buchftabe
ala ein Stäbchen aus Buchenholz erläutert, der hat von dem
gegenwärtigen Begriffsinhalt nicht das Geringſte ertannt. Noch
viel deutlicher wird dies, wenn man nicht zuſammengeſetzte, ſon—
dern unmittelbar aus Wurzeln abgeleitete Worte in Betracht
zieht. Jeden, der zum ersten Male von der Abſtammung ein—
faher Worte hört, berührt e& überaus feltfam, wie nichtsſagend
und nebenjäclic eigentlich die Ausſagen find, die in den Namen
der Dinge liegen, So lehrt die Sprachforihung, dab „Gans“ von
einer Wurzel ghä oder ghan jtammt, die jo viel bedeutet wie
den Mund öffnen, den Schnabel aufiperren (momit das deutjche
„gähnen“ im Zufammenhang ſteht). „Schwein“ ſoll abjtammen
von der Wurzel sü, gebären, hervorbringen, offenbar weil das
Schwein als befonders fruchtbares Tier galt, Wolf wird ab-
geleit von vark — zerreiken, zerfleiichen. Tochter foll gar jo viel
heißen wie Milchmagd uff. Überall werden hier die Begriffe
durch jehr allgemeine, wenig Fennzeichnende Präditate benannt,
die, zumal für die anſchauliche Boritellung der äußeren Gejtalt
der fraglichen Welen, ohne allen Belang find. Das Wort jcheint
mehr einen zufälligen Anlaf zur Benennung des Dinges zu
enthalten, al& wirklich wejentlihe Mertmale. Dies ift vor allem
bei vermwidelten und reichen Begriffen verjtändlih. Solche Be-
griffe find längjt benannt, che fie erfannt find. Der Name
bleibt, aber der Begriffäinhalt wächſt, er mobelt fi um, ein
Merkmal trijtallifiert fih an das andere. Der Berntein gab
der Elektrizität den Namen. Aber welch geringfügige Rolle fpielt
er heute in der Lehre der eleftrifchen Erjcheinungen!
Dazu fommt noch der durch allerhand YZufälligteiten bewirkte
Bedeutungswechjel vieler Worte. Magiſter (magis) hieß urjprüngs
lich der größere Herr, Minifter (minus) der Kleinere Herr. Heute
ift meiſt der Minijter ein großer, der Magifter ein recht Heiner
Herr. Kandidat heißt Weihgelleideter, weil die Bewerber um
ein Ehrenamt in Rom weiße Gemwänder trugen. Heute tragen
Kandidaten oft ſchwarze Fräde. Und ein jchwarggefleideter Kan—
didat hat feinen guten Sinn, obgleich dies wörtlich „ſchwarz—
gefleideter Weißgekleideter“ heißt. Das find Fremdwörter, gewiß,
aber es ift unzutreffend, zu meinen, nur bei Fremdwörtern könne
fi, ein fo großer Unterfchied zwiichen Wort- und Sachbedeutung
berausbilden. Marſchall ift eim gut deutſches Wort, Aber wer
benft bei deſſen Verwendung daran, da es eigentlih Pferdes
tnecht befagt? Wer dentt beim Gebraud des Titels „Herzog“
daran, daß Herzog dasjelbe ausdrüdt wie Heerführer? Gewiß ift
es von höchſtem Interejje Etymologie zu treiben. Es ijt anziehend
und anregend, fich einmal darauf zu bejinnen, dab pecunia von
pecus jtammt, und da; materies urſprünglich Bauholz; bedeutete.
Gar nicht auszubdenten wäre aber der Bedankte, man könne bie
eigentlichen Wırzelbedeutungen überall dort, wo fie auftreten,
im lebhaften Fluß der Nede oder beim angejtrengten Denten im
Bewuhtjein anklingen lafien. Hier enthüllt ſich der angeblich
„gedantenvolle* Sprachgebrauch, der stets auf den urjprünglichen
Einn der Worte achtet, als eine zweckloſe und widerjinnige Be:
laftung des Vorftellend und Dentens.
ESchluß folgt.)
31 Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Spradvereind 18%. Nr. 2. 32
Ein Babnbreder vor mehr als zwei Jahrhunderten.
Bon Dr. Günther M. Saalfeld.
Vor mir liegt der 32. Band der Kürſchnerſchen deutjchen
Rational: Litteratur, enthaltend die „Geſichte Philanders von
Sittewald“ in der trefflichen Bearbeitung von Felix Bober-
tag. Im „Eriten Geſichte. A la Mode Kehrauf“ redet „König
Atiroueſt“ den „Philander“ aljo an (S. 140 fj.):
»Warumb dann, jo du ein Gebohrner Teutjcher bift, haſtu
nicht auch einen Teutfchen Namen? Was ſoll dir ein Griechiicher
vnnd Hebreiiher Name im Teutſchland? was tft Philander
für em Gefräß? biſtu von Sittewaldt, warumb haſtu dann
einen Wälichen Namen? waß? Hm? was meynjtu? Hä?
Gmädigjter Herr König, ſprach ich, es find folhe Namen
gemein bei uns.
Semenn? ja, wie die Wälſche Lafter aud. Was habt ihr
vermeynte Teuticen dann für Trew in ewren Herpen gegen
ewrem Batterland? wann ihr bedächtet, wie durch die Römische
Tyrannen, injonderheit den Cnesar, und die Wälſche Vntrew
alles in Zerrüttung kommen, das ihr gleihmwohl ihre Namen
zu gebrauchen euch gelujten lafjet? Haben dann die Teutſchen
Namen nicht luſts vnd Zierde genug, euch zu nennen? Ewre
Tugenden und Thaten an Tag zu geben? Iſt eud) dan das
liebe Teutiche jo gar erlendet? daß Ahr, Erman, Erhardt,
Manholdt, Adelhardt, Baldfried, Karl, Künrath, Degenbredit,
Eitellieb, Friederich, Gothfried, Adelhoff, Hartwert, Neichhart,
Ludwig, Landshuld, Otibrecht, Nuhprecht, Redewißz, Sigfried,
Theuerdand, Boldhard, Witreih, Wolrath uſw. und andere
Liebe Schön Hingende Teutſche Namen nur vber Achſel an-
jehet und verlachet? — — — — —
Schäme dich für den Teuffel, wann du ein ehrlich Teutſche
Ader in deinem Leib haſt, das du einen andern Namen, einen
Außländiſchen Namen, vnnd den du vielleicht ſelbſt weder
verſteheſt noch weiſſeſt, ſolſt einem verſtändlichen belanten
Teutſchen Namen vorziehen, oder mit Wälſchen Farben an—
ſtreichen, mit De vnd Di füttern wollen!«
Des weiteren wird „Philander* ob feiner Nachäffungsſucht
veripottet; Hut und Rod ſeien ausländiſch:
» Dur trugjt ein Wälfchen Hut,
Die Wälſche deiner lachen
Vnd zwacken dir dein Gut
Und dic zum Narren machen.
Drumb, wer hat Teutſchen Muth,
Hab jorg zu feinen Sadıen.«
Haartracht, Bart, „Wambs, Hoſen und Strimpfi” find um:
deutſch an ihm:
:D folte Kepler Karl der Groſſe, Keyſer Ludwig und Otto,
die joldhe frembde Trachten einzubringen mit Ernſt und Enffer
hochſträfflichen verbotten, deine a la mode Hojen und Wammejt
jehen, jie würden dich als einen Wälſchen Lajterbalg auf dem
Lande jagen.«
Aber auch Gang, Sitten und Geberden geben zu ermiter
Rüge Beranlaſſung:;
Ihr Teutichlinge! Ihr vngerathene Nachlömlinge! Was
hülfft euch joldhe newe Vnarth? Altes Wejen her! Alte Ge—
berden ber! An Hip vnd Froſt über euch, nicht in Schminden
vnd Schmuden. Alte Hergen ber! Alt Belt herie — —
Und noch einmal von der Mutterfpradhe (S. 170):
Fürſten vnd Herren, Stätt- und Schul-Räthe folten da
ihre Macht vnd Liebe gegen das werthe Watterland fehen
lafjen vnd demjelben zu Ehren wegen ber Sprach henljame
Drdnungen ſetzen, verfländige Teutiche Gelehrte Männer darauf
halten und wohl bejolden.«
Gheradezu Goldes wert it aber das auf S. 174 ff. gefällte
„Vrthel in fahen der Vralten Edlen Teutichen Helden, ala hoch—
gendttigfter Klägern an einem, vnd dei genandten Philanders
von Sittewald, Bellagten, andern theils*:
»Dz. Er..... die wäliche Trachten abſchaffen, den Baart
auf Teutih wachſen laſſen, die wälſche Alamode- Klendung
einstellen, ſich Erbar vnd vntadelich tragen, — — — Die
Mutterſprach rein vnd vnverfälſcht veden, mit feinen fremden
Wörtern beſchmutzen noch vermehren jolle ufw.«
So dachte, Ichrieb und handelte Johaun Michael Moſche—
roſch, ber Berfaffer obiger Schrift, dem die Greuel des dreißig
jährigen Krieges einerjeits, die unbeirrte Wahrheitäliche aber
anderjeitö viel Leid und Verfolgung gebracht und zugezogen
haben. Noch mitten in den friegeriihen Wirren gab er zum
eriten Male jeine „Strafichriften“ heraus, mit feinem Gefühle
betonend, nur eine nationale Wiedergeburt fünne Deutichland
erretten.
Wir aber jehen in ihm einen wadern Borlämpen, dejien
Nuhm gerecht zu werden u. a. auch dieje Zeilen bezweden. Wohl
führt ihm der gute Eifer bin und wieder zu weit; er ſchüttet wohl
auch einmal das Kind mit dem Bade aus, allein der Wille ift
redlich und die Abficht lauter. Dazumal freilich verhallte jeine
Stimme jo qut wie ungehört in der Wüſte, aber wenn fie jebt,
aus langem Schlafe wieder gewedt, an unjer Ohr Hingt, jo
wiſſen wir genau zu umterjcheiden, was jenen kriegbewegten
Zeiten einfeitig entiprang, von dem, was dauernd uns ein Mahn
ruf iſt umd bleiben muß: Fort mit dem überflüjjigen Frem—
ben! Hinaus mit dem unberedhtigten Saufen welfcher Ein-
dringlinge in Sprache und Sitte! —
Mn und Per.
Zu diejer Frage liegt folgende Zuſchrift vor:
Trog des Beifalls Ihres faufmännifhen Mitarbeiters will es
mir fcheinen, al$ hätte der verehrliche Einjender in Nr. 11 0.%. diefe
Frage nur zur Heineren Hälfte erichöpft. Denn daß bei der fog.
einfachen Buchführung ſolche Eintragungen wie „An Barjen-
dung ...*, „Per ®Wedjiel....* ujw., ebenjo daß Rechnungen
mit „An lieferten Ihnen... .*, „An fenden Ahnen..." und
dergleichen, eine Verfündigung an der Sprache find, wird jeder,
der etwas auf feine Mutterjprache hält, wohl längjt empfunden
haben. In der doppelten Buchführung dagegen, aus der dieje
Ausdrüde, wie hr Einfender ſelber bemerkt, in die einfache
Buchführung mißbräuchlich eingedrungen find, wird, troß Ihrem
Einfender und faufmännijchen Mitarbeiter, nicht nur das An,
fondern auch das Per fo lange unentbehrlid; bleiben, als nicht
für das Per ein deuticher Ausdrud gefunden it. Solange der
aber noch nicht gefunden ift, wird der Großhandel, der denn doch
wohl mit feinem Beijptel den Ausjchlag geben mühte, allen Be:
lehrungen von außen den berechtigten Einwand der mangelnden
Sadıfenntnis und des eigenen befieren Wiſſens entgegen halten.
Dies glaube ich, obwohl ich kein Kaufmann bin, dennoc aus
eigener Erfahrung behaupten zu fönnen, weil ich mich feit Jab-
ren in meinen Angelegenheiten der doppelten Buchführung bediene.
Man nehme folgendes Veifpiel:
Angenommen, ein Kaufmann hätte am 15. November an die
Firma Müller & Schulze in Berlin jo und fo viel von der und
33
Zeitfhrift ded allgemeinen deutihen Sprahpvereind. 189. Nr. 2.
34
der Ware für 1000 Mark verfauft, jo wird er — vorausgeicht,
daß jeine Art der Buchführung nicht allzujehr von der einfachen,
wie ich glaube, engliſchen Art, wie ich) fie fenne, abweicht —
jo wird er, jage ich, unter dem 15. November in fein Journal
folgendes eintragen:
Per Müller & Schulze — An Waren- Konto
Berfauft das und das . .
AM 1000
A 1000
Zwar wird Jhr Einjender mir einwenden, daß bier das Per
doch auch ganz überflüſſig eriheine. Ach will das, um nicht auf
Nebendinge einzugehen, für diesmal zugeben. Nun kommt aber
das Ende des Monats, und unjer Kaufmann muß jegt unter
anderem aud) unferen Posten ins Hauptbud übertragen. Er
ichlägt alfo das Conto von Müller & Schulze auf, und wenn
er dann feine Eintragung gemacht hat, wird das Conto jo ausfehen:
Debent Müler & Schulze Gredumt
Nov. 15. An Waren -Gonto
„A 1000
Ber ficht nicht, daß das An bier ganz unentbehrlich ift?
Unſere Eintragung iſt nur der Teil eines Saßes, der erft zu-
jammern mit dem Kopf des Contos ein Ganzes macht, nämlich):
Müler & Schulze debent d. h. fchulden an Waren - Eonto „A 1000.
Daß aber das Per ebenjo unentbehrlich ijt, jehen wir, jobald
unjer Kaufmann mich das Waren-Conto aufgejhlagen und dort
feinen Eintrag gemacht hat. Diejes Conto fieht dann jo aus:
Debet Waren - Eonto Erebit
Por Müller & Schulze „A 1000
Auch hier it der Eintrag nur der Teil eines Satzes, deſſen
fehlender Teil durd) den Kopf des Contos gebildet wird, der aljo
volljtändig fo lautet: „Waren -Eonto credit per Müller & Schulze
A 1000.-.“ Oder beuticher: „Waren: Conto hat gut“, kurz:
„WarensConto hat per Müller & Schulze „A 1000.—.“ Ganz
deutjch ift das zwar immer noch nicht — wir müfjen uns une
bedingt noch auf ein deutiches Wort für Per befinnen —; aber es
ift doch wenigjtens eim richtig verbundener Sag. Oder fann
man vielleicht jagen: „Waren-Gonto hat Müller & Schulze
A 1000. ?”
Alfo ein deutſches Wort für Per! Ich glaube, es liegt uns
allen jchon auf der Zunge. Aber es genügt doc) nicht es aus:
zuſprechen, ſondern man muß ihm auc mit Liften Eingang zu
verichaffen wiljen. Und da mühte man doch unjere lieben
deutihen Landsleute nicht fennen, wenn man nicht wüßte, wie
jo mandje gute deutihe Ware erſt dann bei uns auf Abſatz
rechnen fann, wenn fie unter fremder lange aus dem Auslande
zu uns zurüdfehrt. Daher möchte ich denn vorjchlagen, statt
eines beutichen zunüchſt wieder ein fremdes, und zwar ein engliſches
Bort auf den Markt zu werfen, nämlich das engliihe Wörtchen
By, deſſen der engliihe Kaufmann fich ftatt des italienischen Per
in feiner Buchführung bedient. Darauf werden unjere Kaufleute
ficher anbeifien! Haben fie aber erit einmal angebiffen, dann
werden fie bald genug auf ber ſcheinbar fremden Ware den
heimatlihen Urjprungsjtempel „Made in Germany* entdeden.
Sie werden dann hoffentlich im ſich gehen, und fiatt Per und
By werben jie fortan jchreiben — ein qutes deutiches Bei.
Natürlich wird dann aber auch ftatt Waren» Conto: Waren
Rechnung, ftatt Debet und Credit: Soll und Haben geichrieben
werden müjjen. Ich habe diefe beiden letzten deutichen Aus—
drũcke abſichtlich zunächjt vermieden, weil die Bedeutung des An
und Bei ſich mit Hilfe der lateinifhen Ausdrücke Debet und
Gredit am leichteften beweiſen lieh. Soll und Haben find näm—
lich offenbar nicht je das Prübdifat eines aus dem Kopf des Kontos
mit dem einzelnen Eintrage gebildeten Sapes, jondern das Wort
Soll über der linfen Seite der Rechnung bedeutet offenbar, daß
bier das Soll, die Schuld, von Müller & Schulze; und das
Wort Haben über der rechten Seite, daß hier das Haben, das
heit das Guthaben der Waren-Rechnung verzeichnet ift. Da
man aber eine Schuld an jemand, und ein Guthaben bei jemand
bat, jo find An und Bei aud) hier die richtigen und unenibehr:
lichen Ausdrüde.
Bonn. H. H. P.
5u der Stellung des Zeitwortes nach und.
„Der Reichstag wird berufen, am d. Juli d. I. in Berlin
„jufammenzutreten, und beauftragen Wir den Reidystangler mit
„den zu diefem Zweck nötigen Vorbereitungen.”
Unter Boranjtellung diefes Sapes veröffentlicht Prof. Dr.
J. Poeſchel in dem legten wiſſenſchaftlichen Beiheft unferer Zeit:
fchrift (Nr. V) eine fprachgeichichtliche Unterfuchung über die .
Stellung des eitwortes nad) und, in der er zu dem Ergebnis
kommt,
„dah die Voranftellung des Zeitwortes nad und nicht länger
„mehr als eine Thorheit ſchlechthin gejcholten werden dürfe,
„als eine Wortjtellung, die dem Geiſte der deutichen Sprache
„zuwider jei,
„dah nur ihe Mißbrauch, d. h. die übermäßige und ge
„dantenlofe Anwendung belämpft werden follte; dak aber gegen
„einen jparfamen und twohlbedachten Gebrauch nichts einzu-
„wenden jei.”
Für wohlbedaht und einwandfrei jcheint nun der Berfafier
auch die Umstellung in dem vorangeitellten Sage zu halten; denn
er deutet mit feinem Worte an, daß er fie mihbillige. Wir
glauben aber nicht, da man ihm darin beipflichten fann. Der
Sap wird dody wohl nur zu denjenigen zu zählen fein, die
Dr. Aug. Schmits in jeinem „Hampf gegen die Spradjver-
wilderung“ (Köln 1892 ©. 38 ff.) im Auge hat, wenn er meint,
dab die Umstellung nicht überall eine bloße Nachläſſigkeit dar-
jtelle, fondern meiſt einen gewiſſen logiihen Grund habe, darum
aber doch nicht ala gutes Deutjch gelten könne.
Schmits gehört nämlich keineswegs zu den Anhängern ber
Umftellung, unter denen ihn Boeichel aufführt (S. 196 a. a. D.).
Er erflärt im Gegenteil in demfelben Artikel, auf den Poeſchel
ſich beruft: „Berteidigen wollen wir die unliebfame Wortftellung
nicht, jondern nur erklären.“ Und feine Erflärung lautet: „Wer
die Unzahl von Beilpielen, die Lehmann in feinen ‚Sprachlichen
Sünden der Gegenwart‘ anführt, einzeln auf das Verhältnis der
durch und verbundenen lieder prüft, wird in den meiſten Fällen
nicht eine blohe Anreihung zweier Gedanlen,“ jondern einen ganz
bejtimmten logiihen Zuſammenhang ertennen, den der Schreiber
unklar empfunden und durd die Umftellung auszudrüden ver
fucht hat. In diefen Füllen hat „der gute Menſch in feinem
dunklen Drange“ den rechten Weg leider nicht gefunden. Die
Umjtellung vertritt gewifiermahen die Stelle eines daher, dabei,
zwar, auc eines Melativ- oder Folgeſatzes ujw.” — So ift es
auch wohl in unferm alle. Man dürfte den Sag nicht durch
einfache Wiederherftellung der regelmäßigen Wortfolge verbeſſern
wollen, indem man fchriebe: „Der Reichstag wird berufen,.....
äufammenzutreten, und Wir beauftragen den Reichslanzler“ u. ſ. w.,
35
36
noch auch durd; Trennung in zwei Süße: „Der Reichstag wird
berufen zujammenzutreten. Wir beauftragen den Reichskanzler
mit den dazu nötigen Vorbereitungen.” Die enge Beziehung der
beiden Süße zueinander würde jo nicht genügend zum Ausdrud
gelangen. Um das richtige Verhältnis hervortreten zu laſſen,
müßte man ſchreiben: „Der Neidystag wird berufen ujw.; dems
gemäß beauftragen Wir den Reichöfanzler* ufw. Daß aber aud) |
diefe Faſſung nicht die einſachſte und natürlichſte ift, wird man
bei näherer Prüfung bald herausfinden. Das bejte und zugleich
einfachjte Mittel, zwei Sapglieder aud) ihrem Inhalte nach als
zufammengehörig hinzuftellen, ift doch, dak man das zweite von |
demjelben Sapteil abhängig macht, der auch das erfte beherricht.
Und diejes Mittel bietet fich in unferm Falle von jelbjt dar, da
es ja diefelbe Perſon ift, die zufammenberuft und beauftragt.
Dean brauchte alfo nur zu fchreiben: „Der Reidjstag wird auf
den 14. Juli d. 3. nad) Berlin zufammenberufen, und der Reichs—
fanzler mit der Musführung beauftragt;* oder: „Wir berufen den |
Reichstag . . . . zufammen und beauftragen den Reichskanzler“
und aller Anſtoß wäre befeitigt.
Diefelbe Bereinfahung und Berbejjerung der Ausdrucksweiſe
tät ſich mit demjelben Mittel auch in dem Beifpiel erzielen, das
-Dr. Shmitsa.a.D. anführt: „Nuffiihe Werte waren feſt und
bevorzugten Käufer Nubelnoten“, und deſſen genauen Sinn er
mit den Worten mwiedergiebt: „Ruffifche Werte waren jeft, und
unter ihnen waren es Nubelnoten, die von den Käufern bes
vorzugt wurden.“ Much hier ift die Schwierigkeit nur dadurdı
hervorgerufen, daß der Schreiber in dem zweiten Saßglied ohne
Not die Sapform gewechjelt hat. Er hätte, ohme einer Um—
ftellung zu bedürfen und auch, olme auf die kaufmänniſche Kürze
verzichten zu müflen, jchreiben fünnen: Nuffiiche Werte waren
feft; bevorzugt von Käufern: Rubelnoten, oder; am meiften bes
gehrt: Rubelnoten.
Und fo wird ſich wohl in allen Fällen, wo die Umftellung
nach und nicht ohne weiteres mit der regelmäßigen Wortjtellung
vertaufcht werden fann, wo fie aljo nicht lediglich Geichmadjache
iſt, fondern einen beftimmten logiichen Juſammenhang der beiden
Sapglieder ausdrüden ſoll, ergeben, daß fie ein bloßer Notbehelf
ift, veranlakt durch eine, wenn auch richt faljche, jo doch unge-
ihidte Sapbildung.
Oder follte das, was wir hier einen Notbehelf nennen, wirt:
lid) — wie Otto Schroeder bloß ironiſch meint (ſ. Poeſchel
©. 01 a.a.D.) — eine beiondere Feinheit des Stiles jein, nur
denen allerdings verftändlich, weichen — wie es am Sclufje
der Poeſchelſchen Abhandlung heißt — „der Reichtum an Be:
beutungen, der dem Wörtchen und eigen ift, noch zum Bewußt⸗
fein fommt?“ Und jollten die Gegner der Umftellung jie nur
deshalb meiden, weil ihnen „das Gefühl für die Vieldeutigteit des
Wortes und abgeht“ umd nicht vielmehr deshalb, weil fie größere
Sorgfalt auf ihren Stil verwenden?
Daß auch unjere beiten Schriftiteller fich hier umd da gehen
lafien und das fo „vieldeutige“ und darum jo bequeme und mit |
der Umftellung gebrauchen, iſt ja nicht jo fehr auffallend. Bes
zeichnend aber ift, daß gerade bei demjenigen unſerer Klaſſiler,
der wie fein anderer auf Reinheit und Nichtigkeit jeines Stils
gehalten hat — bei Leſſing — fein Beifpiel der angefochtenen
Ausdrudsweife von Poeſchel entdedt worden ijt.
Wenn man fich demgegenüber vergegemwärtigt, wie wenig
muftergültig im allgemeinen unjer Kanzleiſtil ift und wie jehr
ihm auch unjere oberiten, mit der Faſſung der allerhöchſten
wird man nicht geneigt jein, jo leichthin anzunehmen, daß die
Fafiung des hier beſprochenen Erlaſſes der Ausfluf eines befon-
ders feinen Sprachgefühls oder das Ergebnis einer bejonders
forgfältigen Erwägung des Ausdruds ift.
Aus unferer Gejches: und Derordnungsiprade.
Fat in jedem Stüd unferer Geſetzſammlung finden fi, als
Schlußformel Allerhöchjter Erlaffe, die vier mit u beginnenden
Worte: Urkundlich unter Unjerer Unterichrift.
Daß diefer gehäufte GHeichllang das Ohr angenehm berührt,
' wird niemand behaupten wollen. Aber ein noch ernſtlicheres
anderes Bedenken dürfte fich gegen diefe Worte erheben.
Dan jagt zwar nach unanfechtbarem Sprachgebrauch: unter
Bezugnahme, unter Hinweis uſw. und denft dabei nicht mehr
an die urfprüngliche Bedeutung des Wortes; ein örtliches Ver—
hältnis zweier Gegenſtände zu einander zu bezeichnen. Folgt
aber, wie z. B. in der auch jehr gebräudjlichen Ausdrudsweiie:
ein Bertrag unter Privatunterichrift, auf ein unter gleidy ein
zweites, fo wird man zu gewaltfam am feine eigentliche Be—
deutung erinnert und geradezu darauf geitohen, daß ein Vertrag
nicht unter, jondern über der Unterſchrift fteht und alſo höchſtens
Vertrag mit Privatunterichrift genannt werden fünnte. Go
macht es fid) auch im der Formel: „Urtundlich unter Unſerer
Unterjchrift* unangenehm bemertlih, dab die Ausdrudsweife mit
dem thatjählichen Berhältnis in jo augenfälligem Widerjprud;
ſteht. Man mag allenfalls jagen: „Urkundlich unter Unſerm
Siegel;” denn das Siegel wird auf die Urkunde gedrüdt. Wird die
Urkunde aber durch Unterfhreibung vollzogen, fo jollte e8 heißen:
„Urtundlich kraft Unferer Unterichrift.*
Wir meinen, je höher die Stelle ift, von der eine Kund—
gebung ausgeht, dejto natürlicher ift auch der Wunſch und dejto
berechtigter die Erwartung, daß Form wie Anhalt derfelben mög:
lichjt volltommen ſei.
Rarl Peters über die deutihe Sprace.
Am 16. November wurde dem Reichskommiſſar Dr. Karl
Peters, der auf feiner Rüdreije von Chicago nad) Deutichland
Antwerpen berührte, von der biefigen deutichen Kolonie ein glän:
zendes Feſt bereitet, das etwa 300 unferer Landsleute im prächtig
geihmüdten EI Bardo vereinigte. Bei diefer Gelegenheit hielt
Peters eine längere, von warmer Baterlandeliebe und feurigem
Stolz auf das deutiche Vollstum burchſtrömte Anſprache, die in
bemertenswerter Weile auch von der deutſchen Sprache handelte.
Peters feierte die deutiche Art ald hervorragende Aulturträgerin
auf dem ganzen Erdball und jprac hieran antnüpfend etwa
folgendes: Das Bolt Schillers und Goethes ſoll vor allem nicht
feiner Sprache vergefien. Wohl fennen wir ganz; genau die Vor—
züge fremder Sprachen, die Einfachheit und ungemein zweddien-
liche Wermwendbarteit des Engliſchen, die geichmadvolle und ges
wählte Glätte des Franzöfiihen, aber es muß uns jtets im
Bewußtſein bleiben, dab unjere Mutterfprade an Wortreichtum,
Biegjamteit, Ausdrudsfähigkeit und Kraft alle lebenden Sprachen
überragt, daß es die einzige moderne Sprade ift, welche denen
ber Haffiichen VBölter des Mltertums gleichwertig zur Seite ftcht.
Der Hulturwert unjerer Sprache iſt fo bedeutend, dab, wenn alle
Deutichen ftürben und das bdeutiche Boll vom Erdboden vers
\ Schmwände, alle anderen Bölter deutſch lernen mühten, damit die
BWillensäukerungen betrauten Behörden noch verfallen find, jo |
Gedanfentiefe und die Macht des Ausdruds, weldje in bieler
Sprache liegen, der Kulturwelt erhalten blieben. Halten wir
37 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. 1894. Nr. 2. 38
unjere Sprache hoch! Denn die Sprache ift von ihrem Inhalt
nicht zu trennen. Es ift leineswegs gleichgüftig, ob man einen
beutichen ®edanfen auf deutich, franzöſiſch oder chineſiſch aus—
drüdt, nur in der deutichen Sprache kommt bie deutjche Gedanken—
welt zu ihrem vollen Eindrud.
Peters kam von Norbamerifa und hatte im Vertehr mit
unjeren dortigen Landsleuten jchöne Stunden voll echt dbeuticher
Gefinnung verlebt, aber er hatte auch den ſchauderhaften Miſch—
maſch von Deutſch und Engliſch mitanhören müflen, den unſere
lieben Stanmesbrüder in den Vereinigten Staaten für Deutid)
halten und ausgeben. Diejer bebauerliche Berfall der Mutter—
fprache bei den Deutich- Ameritanern jchien ihn zu den oben fur;
umrifjenen Ausführungen veranlaft zu haben, die übrigens aud)
bier in Antwerpen wohl angebrad)t waren. Denn abgejehen von den—
jenigen, welche der deutſchen Sprache ganz oder zum größten Teil
verloren gehen, lafjen viele hiefige Deitiche den Einfluß des Fran:
zöſiſchen, das in der rein germanifchen ehemaligen Hanfaftadt
Antwerpen, wie überall in Belgien, die ausſchließliche Verlehrs—
iprache bildet, in ihrer Ausdrudsweife recht unangenehm vers
ipüren. Die Gefahr Hierfür ift ja gerade unter den eigenartigen
Verhältniſſen eines miſchſprachigen Landes befonders jtart. Es
fommt ſehr häufig vor, daß in einer aus Deutjchen und Belgien
beſtehenden Bejellichaft die drei verfchiedenen Sprachen völlig will-
türlich nach dem Zufall des Augenblids durcheinander geiprocden
werden. Die Folge davon ijt, daß die Deutichen ſich eine ge:
radezu unheimliche Zahl von franzöfiihen Ausdrüden angewöhnt
haben, deren Gebrauch auf feine Weife zu entſchuldigen it. Ohne
mic) auf eine weitläufige Aufzählung einzulafjen, gebe id nur ein
paar Beilpiele, die mir gerade einfallen: Stören heißt emb&-
tieren, ernſthaſt heißt sörieux (jprid seriös), eine Verloſung
iſt eine tombola, für Nachricht fagt man renseignement,
für Vorſchlag proposition, für Auzfichten, Glück chances,
für Erfolg suceös, für Makler eourtier, für Wirtſchaft esta-
minet, für SHausmeijter coneierge, für „feine Vorſtellung“
reläche; und jo fünnte ich Hunderte anführen, die man tag:
täglich zu hören befommt. Die Proben bejagen genug, und einen
Landsmann, der fein Deutſch rein ſpricht, habe ich noch nicht
gefunden. Es war geradezu eine Erquidung Dr. Karl Peters
biergegen zu hören. Seine verichiedentlihen Reden zeichneten
fih, was Fremdwörter anlangt, durch peinliche Sauberkeit aus.
Leider wird feine Mahnung nichts helfen, ja fie ift von dem meijten
ſchwerlich recht verjtanden worden. Der deutjche Sprachverein fände
bier ein weites Arbeitsfeld; ich fürchte allerdings, daß es fich zur
Zeit nicht dankbar erweiſen würde.
Antwerpen. Koh. Georg Sprengel.
Gaftwirticaft.
Die ‚National: Ztg.‘ vom 3. Jan. d. J. brachte folgende für
unſere Beſtrebungen nicht unwichtige Mitteilung:
„Eine beachtenswerte Begriffsfeſtſtellung über die
Bezeihnung ‚Gaſtwirtſchaft‘ ift vor kurzem jeitens des
Dber-Berwaltungägerichtö erfolgt. Einige Reſtaurateure in Steg:
liß hatten die Bezeichnung ‚Rejtauration® in ‚Baftwirtichaft‘
umgewandelt. Da aber die Schanfgenehmigung auf ‚, Reſtaura—
tion* lautete, jo wurden fie wegen Übertretung in Bolizeiftrafe |
genommen, Der Nejtanrateur Meinert trug auf richterlid)e Ent-
iheidung an. Es wurde daher eine Begrifjsfeititellung der maß—
gebenden Wusdrüde beim Ober: Berwaltungsgericht eingeholt.
Nach deſſen Entſcheidung nun iſt Gaſthof eine Wirtſchaft mit
Fremdenbeherbergung und Ausſpannung, Gaſtwirtſchaft eine
ſolche nur mit Fremdenbeherbergung, alſo dasſelbe, was man
unter einem Hotel verſteht, Schankwirtſchaft eine ſolche nur
mit Beköſtigung. Will alſo ein Reſtaurateur ſich eine deutſche
Bezeichnung beilegen, jo hat er das Wort Schanlwirt zu wählen.
Meinert erhielt vom Schöffengericht die geringite Strafe — 1.4 —
zugemejjen. Lobend wurde das Beitreben der ‚Reftanrateure‘,
deutjche Bezeichnungen für ihre Wirtjchaften anzunehmen, an—
erfannt; doch dürfe der Charakter der gewerblichen Berechtigung
(Konzeffion) nicht dadurch verändert werden. Wenn in Berlin
‚Reitauration* in ‚&aftwirtichaft* bisher widerſpruchslos umge:
wandelt worden jei, jo liege das nur daran, daß das Polizei-
präfidium der Sache noch feine Beachtung geichentt habe.”
Es geht hieraus hervor, mit welcher Sorgfalt jede Ber:
deutſchung zu behandeln ift, bei welcher rechtlich begrenzte Be-
griffe in frage fommen. Gegen die Bemerkung jedoch, daß die
einzige deutfche Bezeichnung für ‚Reftauration* das Wort ‚Schant-
twirtichaft* fer, dürfte Einjpruch zu erheben fein. Offenbar ge:
nügt der Ausdrud ‚Wirtshaus‘, Unbeanftandet befteht z. B.
feit langen Jahren an ber Potsdamer Brüde in Berlin das
rühmlicd belannte ‚Wirtshaus zum Groken Kınfürften‘. Much
die Bezeichnung ‚Wirtichaft‘ ſchlechthin ift vielleicht empfehlens-
wert, zumal die Erllärung des Oberverwaltungägerichtes die
fonft jo natürliche Bezeichnung ‚Baftwirtfchaft* leider ausichlieht.
Daß dieje Erklärung zutreffend fei, ift freilich; keineswegs zus
zugeben. Große ‚Hotels‘ wie den Kaiſerhof u. dgl. ala „Gajt-
wirtichaften‘ zu bezeichnen, iſt ganz unzweifelhaft gegen unſer
Sprachgefühl; es find „Gajtböfe‘, auch wenn fie feine ‚Aus—
fpannung‘ haben.
Die deutibe Titeljuct,
welche ſchon jo oft lächerlich gemacht worden ift, früher jedoch
eigentlich nur im Beamtenitande berrichte, hat mit der Ausbrei⸗
tung des NAftienmwejens aud im Kaufmannsftande bedenklich
um ſich gegriffen. Während das Aktiengejep nur die Bezeichnung
„Borftand“ für den verantwortlichen und befugten Vertreter ber
Altien-Geſellſchaft fennt, nennen ſich die Vorjtände oder Bor-
iteher folcher Wejellichaften dur die Bank „Direktoren“. In
dem Handelöregiiter- Eintrag einer neuen Altien-Geſellſchaft in
Nümberg mit Zweigniederlafjung in Köln heißt es vom Bor:
itande, daß derjelbe aus einer Berjon — dem Generaldireftor —
oder aus mehreren Mitgliedern bejtehen tünne, und es wird
dann mitgeteilt, da als Generaldireltor Herr N. N. beftellt fei,
jowie daf zu Vorftandsmitgliedern emannt feien, die Herren
Baurat a. D. N. N. mit dem Titel „technischer Direktor”, und
Kaufmann N, N. mit dem Titel „Taufmännifcher Direktor“.
Hier werden alſo Titel, deren Berleihung jonjt nur ein dem
Gemeinweſen zuftehendes Recht ift, von einer Erwerbs - Gejell-
ichaft förmlich verliehen und vom Handelsregifter- Richter auch
eingetragen, während doch ſonſt in allen öffentlichen Handbüchern
nur die Standes- oder Berufsbezeichnung gilt. Es ijt traurig,
zu jehen, wie jehr unter der Titelfucht auch das berechtigte Selbjt-
gefühl des Erwerbsjtandes leidet, der fich nicht mit dem Namen
begnügt, obgleich diejer doch im Geſchäftsleben ſonſt die Haupt-
fache iſt, fondern nad) hochtrabenden frembdländiichen Bezeich—
nungen haſcht, wo der deutiche Sprachſchatz recht wohl die nötigen
Bezeichnungen dur: Borftand, Hauptvoritand, techniſcher und
faufmänniicher Borjtand liefen lann. Es giebt allerdings auch
rühmliche Ausnahmen, wie 3. B. die dem Verſaſſer diefer Zeilen
vorliegende Beſuchskarte des Leiters einer wejtfäliichen Altien
zo
Geſellſchaft zeigt, auf welcher der Namensträger richtig und wohl⸗
tlingend mit „Vorftand“ bezeichnet ift. Aber diefe Ausnahmen
betätigen leider nur die Regel.
Köln. St.
Abfertigung.
Die „Franlkfurter Zeitung“ ſchrieb vor einiger Zeit:
„Einen nahezu komiſchen Eifer entfaltet das Deutſche Batent-
amt im feinem Beftreben, techniſche Fachausdrücke mit Gewalt
zu verbeutjchen. Die alten Deutjchen haben nun einmal leider
noch nichts von den Erfindungen des 19. Jahrhunderts gewußt
und uns deshalb auch für viele neue Dinge keine geeigneten Nus-
drüde hinterlafien fünnen. Warum follen wir es aljo nicht
machen, wie die Engländer umd Franzoſen und aus den Wort-
formen der toten Spradyen und neue Wörter prägen? Stein
Gebiet iſt jo jehr auf internationale Berjtändigung angewieſen,
wie das tedjnifche; man jollte ihm alfo nicht Schwierigkeiten be-
reiten durch Aufdrängen erfünftelter deuticher Bezeichnumgen, die
auch die Deutichen fich erjt in die intemationale Spradye der
Technit überjepen müfjen, um fie zu verftehen. Am übeliten an
gebracht ift diefer Purismus in eleftriichen Dingen. Nicht ein-
mal das Wort ‚Fernſprecher‘ für das Telephon hat fich einzu
bürgern vermocht; noch weniger wird es der ‚elektriſchen Treib
majchine‘ gelingen, den Eleftromotor, oder dem ‚Sammler‘ den
Accumulator zu verdrängen, von fo ſchlechten Überjeßungen wie
‚Strommenbder‘ fir ‚Commutator*, ‚Stromjammler* fir ‚Collet-
tor‘ uff. ganz abgefehen. Übrigens möchten wir daran er
innern, daß das Wort ‚eleftrifch‘ jelbit keineswegs deutſch ijt,
ſondern von dem griechijchen Eleltron, zu deutſch Bernftein, her
fommt; wir ſchlagen daher den refoluten Verdeutſchern vor, für
eleftriich ſtets ‚berniteinhaft‘ und fin Elektrizität ‚Berniteinhaftig-
teit* zu jeben.”
Wie viel Unverſtand in wenig Zeilen! Alſo die alten Deutjchen
haben von den Erfindungen der Gegenwart noch nichts gewußt
und fonnten ums hierfür feine geeigneten Ausdrüde binterlaffen.
Wir müſſen deshalb die neuen Wörter aus dem Wortſchatze der
alten Griechen und Römer bilden. — Ja, haben denn dieſe etwa
von unjern Erfindungen ſchon etwas gemuht? — it es wirklich
möglid), daß fich denkende Leſer jo etwas bieten laſſen? — Ober
glaubt diefer Schriftiteller etwa, daß es leichter ift, aus einer
toten Sprache neue Wörter zu bilden, als aus einer lebenden?
Freilich ift e8 wahr, einen Leichnam lann man nicht mehr zum
Leben erweden und die aus der toten Sprache ‚geprägten‘
Wörter bleiben eben tot, das heißtt, wir haben fein Gefühl und
teine Empfindung für die Nichtigleit und Angemefienheit ihrer
Bildung, während wir bei Neubildungen unferer Sprache die
bösartigen fofort erfennen und fühlen. Nur auf einen lebenden
Baum fann man mit Erfolg ein Neid pflanzen. Aber jtatt
daraus die folgerichtige Lehre zu ziehen und zu verlangen, daf
man zu neuen Wörtern möglichjt viele der zahlreichen deutfchen
Stämme verwende (oder, wenn Dies nicht angeht, das Wort
wenigftens in Form und Bildung, nadı Laut und Betonung
unferen Worten angleihe), jtatt defien will man unſer qutes
altes deutiches Sprachgut von dem Rechte der Weiterbildung der
Sprache ausſchlieſſen, lediglich deshalb, um einige Wörter aus-
gejtorbener Spradyen, die nur wenige zu deuten willen, in bar-
bariicher Form neu aufjupugen. Wenn Engländer und ran
zojen ihre Worte aus römischen Wurzeln neu bilden, jo haben
fie eine andere Berechtigung dazu als wir, weil ihre Spradyen
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereine. 1894. Nr 2,
nn 000000001 NR mn ——— — —
40
ganz oder zum Teil Tochterfprachen des Lateinifchen find. Wenn
zwei basfelbe thun, ift es nicht dasjelbe.
Mas foll auferdem die ‚internationale Sprache der Technit‘?
Eine ſolche giebt es doc nicht. Und mas die „internatio-
nale Berftändigung* anlangt, jo wird dieje durch die Sprach—
mengerei nicht gefördert. Wer nicht deutich lann, veriteht einen
deutichen Aufſatz nicht, mögen darin die Wörter: ‚Accumulator‘,
Collector‘ u. dgl. noch jo oft vorlommen. Wozu alfo der Lärm?
Wäre es nicht beffer, unrichtige oder unjchöne Neubildungen mit
Gründen zu betämbfen, ala einen löblichen Eifer ‚Tomi‘ zu
finden? —
Neuern. Rietid.
Sprebiaal.
* Über „Scähriftleitung*. (al. Ziſchr. VII Sp. 22.)
Als ein langjährige Mitglied der Zunft der Tagesichrift:
fteller möchte ich mir aud) eim Wort über die viel bejtrittene Be-
ruſsbezeichnung „Schriftleitung* erlauben. Obgleich überzengter
Anhänger der Spracjreinigung, kann ich mich für die erwähnte
Bezeichnung auch nicht begeiftern. Sie trifft das Wefen ber
Sache zu wenig und wird namentlich in den reifen, die mit
der Buchdruckerei irgend welchen Zuſammenhang haben, als
doppeldeutig betrachtet werden. Schrift ift heute entweder bie
Handſchrift nach ihrer bejonderen Eigenart, oder die Drudichrift
ala Heft, Buch m. f. f., oder endlich die gegoffene Schrift des
Buchdruders, die Bleibuchſtaben, Lettern oder Typen. „Schrift”
für „Beitung*“ jagt kein Menich, höchſtens „Wochenichrift” oder
Zeitſchrift“ für Fachblätter und dergleichen. Der Schriftleiter
würde nach Buchdrucereibegriffen etwa der Vorjtand der Druderei,
der heute jogenannte Faktor, fein. Für den fchriftlichen Inhalt der
Zeitung, die ein geiftiges Erzeugnis vieler Mitarbeiter oder Ber:
fafler darftellt, würde die feitende Stelle mit „Herausgeber“ oder
„Berfajjer“ finngemäß zu bezeichnen fein. Die Bezeichnung „Heraus:
geber* haben wir bei Büchern; bier ift er mit „Verſaſſer“ ganz
gleichbedeutend, es jei denn, daß er ein von mehreren Berfafiern
geichriebenes Buch herausgebe. „Hauptherausgeber* für „Chef—
redalteur“ ijt jedenfalls ſachlich richtiger und ſprachlich nicht ſchlechter
als „Schriftleiter”. Man muß nur mit dem Begriff des Heraus
gebers nicht denjenigen des Eigentümers verbinden. Der Eigen:
tümer ift bei der Zeitung, wie beim Buch, der Verleger, d. i.
derjenige, der die geidriftliche Seite des Betriebe oder Vertriebs
hat. Das geiftige Eigentum bleibt aud) bei der Zeitung, mie
beim Buche, dem Herausgeber oder dem Berfafier. Man könnte
für „Beitungsberausgeber* aud „Zeitungsverfafjer* oder endlid)
auf gut deutſch auch „Zeitungsichreiber" fagen, fo gut wie wir
Serichtsichreiber und Natäjchreiber haben. Namentlich, für den Mit-
redalteur, der feine leitende Stellung einnimmt, wäre „Beitungs-
ſchreiber“ richtiger als „Schriftleiter*. Der mißachtende Sinn, in
welchen man von Zeitungsichreibern heute noch zu reden pjlegt,
würde jehr bald in Wegfall fommen, wenn ſich der Stand jelber
jo bezeidnete. Es jei nur an den Urſprung des Parteinamens
der Genen (Gueur — Bettler) erinnert. Das einzige, was gegen
die Bezeichnung „Herausgeber“ oder „Verſaſſer“ im Jufammenhange
mit Zeitung jpricht, wäre die Lünge des zufammengejegten Wor—
tes. Indes würde diefes Übel wohl zu ertragen fein, zumal die
Zeitungsicreiber ſich „Redakteur der N. N. Zig.“ auf ihren Kar
ten zu nennen pilegen und nicht „Jeitungsredalteur“ jchlechthin.
Auch „Mitherausgeber" oder „Mitverfajjer der N. Zig.“ Hänge
nicht Schlechter als Mitredalteur. An England heißt der Redakteur
auch „Herausgeber”. Jeder Brief an die Redaktion eines Blattes
—
Zeitſqhrift des allgemeinen beutfhen Sprachvereins. 189. Nr. 2.
42
trägt dort die Aufſchrift: „To the Editor of“ uff. Die Bezeich-
nung des Gejamtbegriffs „Redaktion“ ließe ſich duch „Heraus-
geberichaft”, „Wlatts oder Zeitungsleitung“, „Urheberichaft“, „Leis
tung“ oder dergleihen twiebergeben. Unter Zeitung fann bei einer
Zeitung immer nur ber geiftige Teil des Unternehmens verjtanden
werden, da, wie jchon erwähnt, der geichäftliche Teil durch „Ber-
leger“, „Verlag“, „Gejchäftsftelle“, „Abfertigung“ uff. hinreichend
deutlid) kenntlich gemadjt wird.
Köln. Paul Steller.
Mit Boritehendem bin ich nicht einverftanden. Schrift (Hand-
ſchrift) iſt auch der geichriebene Aufſatz (Manufkript), Zeit:
ichrift wird zumeilen aud) für Zeitung gebraudit.
Nach dein deutfchen Preigejepe gehören zu den „Drudicriften“
auch die Beitungen Wie es mm Beitungfhriftiteller
giebt, jo fann man die, weldhe nicht blof fr die Zeitung ſchrei—
ben, jondern auch das von andern Gejchriebene fihten und prüs
fen, Zeitungſchriftleiter, kürzer Schriftleiter nennen, weil
fie eine feitende, nicht nur arbeitende Stellung einnchmen. Das
Wort Schriftjteller ift ja auch erft in neuerer Zeit erfunden
und zumächit arg befehdet worden. Ich glaube, das Wort „Schrifts
leiter“ dürfe ſich jchon jetzt des Sieges freuen, und es empfehle
fi) nicht, diefem halb eingebürgerten Ausdrude das Lebenslicht
audzublafen. Schwierigkeiten könnte höchſtens das Preßgeſetz
darbieten, das die Bezeichnung des verantwortlichen „NRedak—
teurs“ verlangt (vergl. Zeitichrift VII, Sp. 55/143). Beſtehen
doch auch manche Poſtbehörden, vielleicht aus übertriebener Sorge
vor einer Erinnerung der Oberrehnungs= Behörde, darauf, daß Roft-
anmeilungen, die an die „Erbedition” gerichtet find, nur unter
Gebrauch diefes Wortes, nicht von der „Geſchäftsſtelle“ quits
tiert werben, ſelbſt wenn dieſes die von der Zeitung eingeführte,
am Sopfe des Blattes ftehende Bezeichnung ift. Ferner ift es
ein Übeljtand, da man für „redigieren" noch fein deutfches
Wort desjelben Stammes wie Schriftleiter hat. „Schriftitellern“
hat man ja fchon gebildet.
„Heitungfchreiber” find auch die bloßen Mitarbeiter, Be—
richterjtatter uw. Selbſt diefe aber werben ſich nicht fo nennen
oder nennen laſſen. Aus ähnlichem Grunde, dem des Stolzes,
haben ja auch die Gerichtsfchreiber in Preußen neben diejer ihrer
Amtsbezeichnung noch den Titel „Selretär“ wiebererhalten.
Die Bezeichnung „Herausgeber* für „Redakteur“ („bers
ausgeben” für „redigieren“, d. h. ein Blatt vedigieren, nicht
bloß ein Schriftftüc) ift logiich gewiß richtig. Das deutſche Preh-
geſetz unterjcheidet aber den Herausgeber noch von dem Re—
dbafteur, namentlich von dem verantwortlihen. Diefer fann
ſehr wohl von dem Herausgeber verjchieben fein, wie es z. B.
bei unferer Vereinszeitichrift früher der all war. Meiſtens ift
nur bei den nicht zur gewöhnlichen Tagesprefje gehörenden Blät-
tern vom „Herausgeber“ die Rede. So auch im Preßgeſetze
$ 21. Eine nähere rechtliche Erörterung muß hier unterbleiben.
Torgau. 8. Bruns.
Sprablibe Mufterleiftungen.
Die Anzeige der Bonner 2. u. E. G., welche in der vorigen
Nummer an biejer Stelle angeführt wurde, enthält, wie uns
mitgeteilt wird, einen Druckſehler. Statt einzuführenden muh es
einzuführender heißen. Wir bedauern unter diefen Umftänden
jene Kleinigleit überhaupt aufgenommen zu haben. DR
„Bei dem mit Rieſenſchritten durch die von Rußland er- |
öffneten neuen Seer= und Handels- bejonders Schienenwege,
I nah Snners und Dftafien anwachſenden Landverlehhr Europas
nad Alien ift ein ausreichender Schuß gegen zulünftige Cholera =
Anvafionen auf bemfelben Wege wie die vorjährigen nicht mehr
in Überwachung des Verfchrs und der ſchließlich unmöglichen
Sorge für unter allen Umſtänden gutes Trintwaffer, jondern
in einem methobijdhen Abbau des der Seuche geeigneten Bodens
in afiatijhen Wohngebieten durch europäiihe Aflanirung zu
fuchen.“ (SU. Zeitung Nr. 2617 21./9. 1893 ©. 262.)
Kübel. Der Vorſtand unjeres Zweigvereins hat in der lep-
ten Situng des vergangenen Jahres beſchloſſen, dem verdienten
Gründer und bisherigen Vorſitzenden des a. d. Spradjvereins,
Herm Mufeumsdireltor Profefjor Dr. Herman Riegel in
Braunſchweig beim Ausſcheiden aus feinem mühevollen Amte
ben aufrichtigen Dank der Lübecker Ortsgruppe für feine ſelbſtloſe,
der deutſchen Sadje gewidmete Thätigfeit fchriftlih auszudrüden.
Dies ift gefchehen, und Dr. Riegel hat in einem perjönlichen
Schreiben an den Vorfipenden, Oberlehrer Schumann, herzlich
gedantt.
Kımdgebungen gleicher Art find von den Zweigvereinen in
Blanlenburg a/d., Eger, Koblenz, Krefeld und Münfter
i/W. Herrn Prof. Dr. Riegel teils brieflih, teils telegraphiich
zugegangen, Immer ift der Grundgedanke biefer warmen Dankes—
äuferungen der, daß der Name Herman Riegel für alle Zeit
verbunden bleiben werde mit jener mächtigen und erfolgreidyen
Bewegung des legten Jahrzehntes, in der die deutiche Sprache
fich wieder auf fich felbit befann.
— Straßburg, im Januar 1894. Unter dem Namen „Alja-
bund*, Bereinigung reichsländiſcher Dichter und Literaturfreunde,
hat ſich unlängſt in Eljai- Lothringen ein Verein gebildet, der
ſich die Pflege deutſcher Dichtlunſt zur Aufgabe macht und zu
dieſem Zwed unter dem Titel „Erwinia* ein Blatt herausgiebt.
Der Aljabund befteht zur Zeit aus 60, meiſt alteljäjfiichen Mit:
gliedern und fein Borjtand aus den Herren Pfarrer Aug. Diep
in Mundolsheim, Schulrat Renaud in Colmar, Lehrer Chris
jtian Schmitt in Straßburg (dem Schrütleiter der Erwiniah,
Lehrer Wilh. Schmidt in Neudorf und Dr. H. Ehrismann
in Straßburg. Die erjte Nummer der Erwinia ift um Weib:
nachten erſchienen. Das Blatt fann aud) von Nichtmitgliedern
um den Sahrespreis von 3,50 4% bojtfrei bezogen werden. Be—
jtellungen find an Herm Chriſtian Schmitt in Strafiburg i. E,,
Schildgaſſe 7 zu richten. Vielleicht finden fih unter den Mit:
gliedern des deutſchen Sprachvereins etliche, die dem jungen Ber:
ein durch Beitellung des Blattes förderlich jein wollen; aud)
Ameigvereine können es beziehen und dadurch ohne Belajtung
einzelner gemeinfam etwas zur Pflege der deutſchen Spradye im
Eljaß beitragen.
— Infolge eines im Kolberger Wiſſenſchaftlichen Vereine von
Herrn Oberſtleutnant Schöning gehaltenen Vortrages über
die Gejchichte des Fremdwörterkampfes in Deutſchland beichloh
der genannte Verein jich dem a. d. Spracdverein als Zweig:
verein anzufchlichen.
— Webers „Dreizehnlinden“ wird von der VBerlagshandiung
Ferdinand Schöningh in Baderbom in einer „Enveloppe“
ausgegeben, die folgende Aufichrift trägt: „Exemplare ohne die
önveloppe, ſowie ramponirte, beſchmutzte und gejtempelte resp.
mit Firma beflebte werden unter feinen Umſtänden zurücdgenom-
! men.“ Der geehrte Einjender diejes gejhmadvollen Bermertes —
*
Rleine Mitteilungen.
43
Zeitſchrift bes allgemeinen dentihen Spradvereind 189. Nr. 2.
44
ein Öfterreiher — fagt, man müffe ja ſchon aftfranzöfifche Kennt⸗ \ fol „das Elfchen‘, Agilo und Ago ‚das Schwertchen‘, Mito „der
niſſe befigen, um dad Wort ramponirt zu verftehen, da es im
heutigen Franzöfiich nicht mehr vorhanden iſt. In Norbbeitiche
land iſt das Wort wohl allgemein befannt, jedenfalld wird es
in Berlin viel benupt. Nach Diez bedeutet italien. rampognare
höhnen, läftern, altfr. ramposner, ramponer höhnen, zerren;
venez. ramponare häfeln und catalaniſch rampoina fepen. Im
Deutihen Hat aljo die catalanifche Bedeutung (ramponirt =
zerfegt) die Oberhand gewonnen.
Bücherſchau.
Tepner, Franz, Dr., Namenbuch, herausgegeben und mit
einer Einleitung verjehen. Leipzig, 1593, Reclam (lniv.s
Bibl. 3107, 3108). 404,
Häufig fommt es vor, daß mit Hilfe von zwanzig Büchern
ein einundzwanzigſtes gefchrieben wird, aber jelten ereignet es
ſich glüdlicherweife, a; aus drei bis vier Echriften ein ſolches
Machwerk zufammengejtoppelt wird wie das vorliegende „Namen-
buch“; betmübend freilich iſt es, daß gerade ihm durch die Auf
nahme in die Reelamſche „Univerjalbibliothet” eine große Ver—
breitung gefichert üt. Konnte denn die Reclamſche Berlagsbud):
handlung für ein Namenbuch wirklich feinen zuftändigeren Ge:
lehrten oder wenigitens jemanden finden, der in etwas geſchickterer
Form Anderer Arbeiten zu verwerten befähtgt war? Denn Herr
Dr. T. bat in gar zu auffallender Gemütlichkeit das „deutiche
Namenbüchlein“ des Sprachvereins zur Grundlage feiner An—
ftrengungen gemadjt umd es, durch eine Anzahl mihlungener
nderungen und Zuſätze erweitert, als fein „Namenbuch“ er-
icheinen laſſen. Es ift dabei jelbftverftändlih, daß er feine Quelle
nirgends nannte, Die im Titel genannte „Einleitung“ ift micht
ganz vier Seiten lang, liefert aber trogdem — fein unbeftrittenes
geiftiged Eigentum — einige feine Forſchungen“ recht bezeich—
nende Ausſprüche. Mus den deutfchen Namen hat er heraus:
gefunden, daß das deutiche Volk die hellen Farben liebe und die
dunteln haſſe, daß die Silben auf t aud) auf de ausgehen
fönnen, unbetümmert (!) um die hiſtoriſch- grammatische Form,
und daß auch zuweilen Namen mit ihren Umkehrungen ericheinen!
(Leider fagt er und nicht, wie eine derartige Eriheinung ſich
ausnimmt). Heiter wirft ed, wenn er jedem Menichen gejitatter,
eine Menge Kofeformen zu jedem Namen zu bilden, denn — „es
ift nur Spielerei“, und es erlaubt, „Namen wie Baul und Emil“
auszurotten, während man Guflav und Johann jchonen muß,
um nicht ſchrullenhaft zu ericheinen; bingegen gebt heitere |
Klarheit folgendem Ausipruche vollfommen ab: „können auch alle
Beitandteile in männlichen und weiblichen Namen zu gleicher Zeit
auftreten, natürlid mit Veränderung des Geſchlechtes, jo trifft
dies leineswegs bei den Endimgen zu.” — Verblüfft durch die
weiteren Behauptungen, dab Wilma Koſeſorm zu Wilhelm und
der Stamm ing niederdeutſch jei, wenden wir uns zur Namen-
ſammlung felbjt, welcher der Herr Verf. folgenden Sap feiner
zoom hätte ala Leitſpruch vorjeßen fünnen: „es fann bie
Überjepung der Namen feineswegs immer einen Maren Bes
ariff zu Tage fördern.“ Diefe Sammlung von Rerjonennamen,
denen leider allen eine deutjche Iberjegung beigegeben iſt, beſteht
aus drei ganz verjdiedenen Beitandteilen. Herr Dr. T. ſchob
nämlich in die Neihe der altdeutichen Namen, die ausnahmslos
aus dem „Namenbüchlein" unferes Bereines berübergenommen
find, eine jchwere Menge altjüdifcher und cine erheblidye Anzahl
altlateinischer Perfonennamen ein, bie und da begegnet auch ein |
griechiſcher, franzöfiicher, engliſcher. Wie er in der Einleitung
bemerkt, wollte er dadurch „Bedeutungsvergleichung bieten“. Dieler
Griff in fremde Namen war aber jehr unglüdlid. Erſtens bat
jein „Namenbuch“ ein jammervoll buntes Ausjchen dadurd) er
halten, zweitens ift die altrömijche, bejonders aber die altjüdiſche
Namengebung jo grundverjchieden von der unjrigen, daß fie fait
ar feine Vergleichspunkte ergiebt; den angegebenen Zweck hätte
Ser Dr. T. nur durd die Gegemüberjtellung — ———
Namen erreicht. Wenn wir, von dieſem großen Mißgriff ab:
ſehend, und den Ertlärungen, die Herr Dr. T. den deutſchen
Namen angedeihen läht, zumenden, fo fällt zunächſt fein Verſuch
unangenehm auf, auc die Kojeformen überjepen zu wollen: Abbo
|
‚ Göttinnen unferer heidniſchen Ahnen anzugeben weil.
Heine Alte‘, Anno ‚das Ndlerhen‘, Benno ‚das Bärlein‘, Edi
‚das Befiperchen‘, Gunzo ‚der Heine Kampf uſw. bedeuten!
Sodann die Wiedergabe des Stammes rich immer durd Fürſt,
die gewiß überall falfch ift, endlich, und darin liegt wohl ber
Hauptiehler der Sammlung, die Sucht, alle Namen durch neu—
hochdeutſche Entipredungen möglichſt kurz zu erflären; dadurch
gelangt Herr Dr. T. zu den unglaublichſten und die Lachmusleln
jedes Lejers anregenden „Namengebungen“ Wem mohl fam
es je in den Sinn, feinen neugebormen Sohn einen „alten
Naben‘ oder ‚Heimat bes Volfes’, „Wolfsheiligtum‘, ‚Ruhmess
heiligtum‘, ‚Meerheiligtum‘, „Aientönig‘ oder gar „Botichaft‘
oder ‚Brünne‘, ‚Krafttbat‘ oder ‚Hengit‘, ‚Pracdıthüne‘, ‚Rüftung-
Schüßer‘, ‚Heimatland‘, ‚Hauptfrig‘, den ‚geichtwind GHlängenden‘,
ben „Bär=! oder ‚Freuden- oder „Holg-* oder ‚Geſchwind—
Geer‘ zu nennen oder zum Geſpötte der Nachbarn fein Tüdjters
dien etwa mit „Bären-Obhut‘, ‚Brunnenfeite‘, ‚„Ewig-Fürſtin‘,
‚Oftergöttin‘ oder gar mit ‚Slanze Rabe und ‚Gebieterin des
Gutsbefigers‘ anzurufen? Durch ſolche (zum größten Teile auch
noch ganz faljche) Überjegungen werden die altdentidhen Namen
in den Mugen der Laien nur lächerlich gemacht. Aber aud) an
allerlei andern Miſwerſtändniſſen und Fehlern, die hier ob ihrer
großen Zahl nidt alle angeführt werden können, ift fein Mangel
in diefem „Namenbuche*. So joll nad Herm Dr, T.s Mei-
nung Berald heißen: der wie ein Bär mwaltet, Bemfrid: der wie
ein Bär Friede ſchafft, Danlwart: der Dankbare, Egilmund: der
Scwertichüpe (!), Gerwig: der dem Geer Geweihte, Horjt: der
Horſtende, Erdmann: Mann der Erde, Nantiwig: der kühne
Heilbringer, Nembrant: der mit dem Schwerte rät, Romarid:
der Römer Herr, Wolfrat: der im Mate ein Woli it, Wolf:
geng: ber nach dem Wolfe gebt; Ewald gilt Herrn Dr. €. als
ebenform zu Aginmwald, Albin zu Alluin, Ariowiit foll fo viel
wie Armin, Egon verderbt aus Egino jein, Gotiib und Gottlieb
find zwei verjchiedene Namen, Guſtav beitcht ihm aus Guſt und
Tav (nicht aus Bunt und Stab), Iwo joll Koſeform zum ſchwe—
diſchen Iwar fein, Is ift zufammengezogenes Idis, die Stämme
maht und mäd möd fliegen zujammen, Manno beikt ‚Männe‘,
Henry ift englüch, Napoleon franzöftidh; von fremden Namen
bedeutet: Gälar ‚Schwedenlopf‘, Hans „der Geſchicktet, Neftor
den „Qugendlicyen mit der Bedeutung des Alten* (!). Einigen
Namen find weiter ausholende Erklärungen beigegeben, aber
auch dieſe jind äußerſt mangelhaft; jo befonders die bei Raban,
Til, Ulfila, Engeburg und Engelberga; der Name der Germanen
wird jept ganz anders gqedeutet, als Herr Dr. T. uns glauben
machen will (S. Rud. Much ‚deutihe Stammſitze‘ S. 172 ff.).
Erweifen jo die Erklärungen diejes „Namenbuches“ große Un
fenntniffe ibres Urhebers, jo zeigt der ibnen folgende nad) dem
zweiten Seiligennamenverzeichnijie unferes „deutichen Namenbüch—
leina“ (B.: Anordnung nach Salendertagen) gearbeitete ‚Namens
falender* feine auferordentlihe Ungenauigteit und Flüchtigkeit.
Aus zwei verjcyiedenen Namensformen macht er hier regels
mäßig zwei bejondere Namen, 3. B. Egilfrid und Eilfrid, Arduin
und Sartwin, Roger und Müdeger, Wido und Guido uſw.
(jogar Johannes und Chmioltomus!!); ferner jept er cine Reihe
von Namen an Tagen an, die jich im dem SHeiligenverzeichrifien
nicht am dieſen, und auch ſolche, die ſich gar nicht finden laſſen.
Solche nach Tagen geordnete Namenverzeichnifie haben num über-
haupt mehr oder weniger nur für Katholiten Wert (falls fie ge
nau find), weil diefe von alters her gewohnt jind, Namen von
‚„Heiligen* oder ‚Seligen! für ihre Kinder zu wählen und den
Namenstag zu feiern. Die alte Kirche feierte nämlich das Er:
innerungsfeſt der von ihr auägezeichneten Perionen immer an
deren Todestage, und an dielem ericheint nad) den Actis sanc-
torum und anderen Quellen deren Namen im Kalender, Es fit
daher durchaus unverjtändig, irgend einen Namen an einem be:
liebigen Tage anzujegen, wie Herr Dr. T. thut, der ſogar den
Tag der Verehrung einer Thusnelda, Brunbild und Welleda,
einer Freia, Iduna und Nanna und anderer Heldinnen und
Für das
Namenbüchlein unſeres Vereines war eine nad) Tagen geordnete
Anführung deuticher Heiligennamen notwendig, weil der Verein
die Aufnahme diefer Namen in die verfchiedenen Aalender wünscht,
diefe aber nur dann erfolgt, wern die Anſätße wahr find. Wes
halb nun Herr Dr. T. ein falſches Verzeichnis in die Welt jet,
iſt eben jo ſchwer anzugeben wie der Grund, aus welchem er fo
' viele Tage von weiblichen Namen unbejept aelnjien bat, da er
45
Zeitihrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind 1894. Nr. 2. =
46
ſich ja doch nicht (wie der Verf. des „deutichen Namenbüchleins") | Uble, Th, Grundzüge der Entitehung unferer Schrift:
auf deutfche Namen zu beichränten brauchte. (Die Lüden, die
er lieh, Himmen, nebenbei bemerkt, mit den Püden im „deutſchen
Namenbüchlein“ überein!) Vielleicht war die Eile des Arbeitens
daran Schuld, auf deren Rechnung es auch zweifelsohne zu jepen
it, daß ihm folgende Namen als männlich erichienen: Adelgund,
Ebba, Friederike, Gerhild, Gijeln, Gudrun, Hildrun, Kornelia,
Kunigund, Manegund, Meinhild, Othild, Reina, Neingart,
Richa, Richtrud, Rothild, Muth, Wendelgart, —— Wolf⸗
rada; umgefehrt ſtellt er zu ben weiblichen Namen Faltrad, Heim⸗
rad, Witrad, Wallia und Wulfila. Leider fand er auch dazu
feine Zeit mehr, feinen ‚Namentalender‘ mit ber alphabetijchen
Anordnung der Namen, die er „Heiligenfalender‘ betitelte, im
Übereinjtimmung zu bringen. Vielleicht war ihm dieje Arbeit
auc zu mühſam und zu langweilig, und jo fommt es benn, daß
ſein „Heiligenfafender‘, einige Flüchtigteitsfehler abgerechnet, zwar
nicht mit feinem „Namenfalender‘, wohl aber auf& Haar mit dem
alphabetiihen Heiligennamenverzeichnis unjeres „deutichen Namens
büchleins” übereinftimmt: alle in der Namenfammlung und im
‚Namentalender* ericheinenden Zuthaten, alle Römer: und Juden—
namen find hier verſchwunden, und jo gewinnt es bei ihm ben
Anſchein, als ob es nur deutſche Heilige gäbe. Der Wert diejes
neuen „Namenbuches“ wird endlich nicht erhöht durch zahlreiche
Drudfebler; jo begegnen die Namen: Chrnojtomus, Craſous,
Froneund, Hertwund, Intwio, Knoni, Nifanos, Neinmann, Dogo,
Willibroot, Appolonia, Zeigberga, Dtila, Trudenz, Allawig,
Solewa, Amarenth, Egidias u. a. — Zum Schluſſe jet noch be—
merft, daß weder ber Sprachverein als Herausgeber noch ber
Unterzeichnete ala Berfafier des „deutichen Namenbüchleins“ etwas
dagegen eimmwenden, wenn in Salendern oder Zeitungen von den
Sammlungen desſelben (auch ohne Quellenangabe) Gebraud) ges
macht wird: wir wünjchen ja die Verbreitung unjerer heimiſchen
Namen möglichit zu fürdern. Mber daß jenes in befonders
eriheinenden „Namenbüchern“ verballhornt wird, farm nicht er—
freulich genannt werden, da ja (von allem andern abgejehen) die
Laien dadurch cher abgeicredt als ermuntert werden, für ihre
Kinder deutſche Namen u wählen. Recht bedauerlich aber ijt
es, daß Verlagsbuchhand ungen von der Bedeutung der Reclam—
ſchen fir jo wichtige Veröffentlihungen, wie es die eines Namen
buches doch ift, es nicht für gut befinden, ſich an verläklichere
Gewäprsmänner zu wenden.
Graz im Dezember 1593, Dr. Ferdinand Khull.
Eingejandte neue Drudicdriften.
Lange, Friedrih, Neines Deutichtum Grundzüge einer
nationalen Weltanjhauung. Berlin, 1893, Lüftenöder.
Das zwanziafte Jahrhundert. Deutichtationale Monats:
befte, IV. Jahrgang, Heft 1—4. Berlin, 1803, Lüftenöder.
Bericht der Handels- und Gewerbekammer zu Dresden.
Dresden, 1593, E. Heinrich. 788. 8
Ponfid, Rechtsanwalt Dr. jur., Der Frankfurter Gefäng-
nisverein, m den eriten 25 Jahren feines Bejtchens
1568 — 1893, Frankfurt a. M,, 1803, 155. 8
Süddeutſche Blätter für höhere Unterridtsanftalten
mit Einſchluß der Kunſtſchulen und der höheren Mädchen:
ichulen, herausgegeben von Karl Erbe. Stuttgart, Paul
Neff. 1. Jahrgang, Heft 1— 12.
Bericht über die Thätigkeit des Kaufmänniſchen Ver:
eins zu Leipzig 1802/08.
Mitteilungen des nordböhmijchen
Exkurſionsklubs.
Leipa. Jahrgang 16, Heft 4.
— —— — — — ee
ſprache. — Wiſſenſchaftliche Beilage der Leipziger Zeitung.
Wr. 113 21./9. 1893,
N. B., Hermann Grimm und der Plan einer deutiden
— — Erſte Beilage zur Leipziger Zeitung. 18./11.
1803.
Saalfeld, ©. A. Dr., Karl Frommann. — Fränkiſcher Kurier
3./1. 189.
v. Schorlemer, Hubert, Frhr., Spradliches vor Hunderts
undfünfzig Jahren. — Leipziger Zeitung 2./12. 1893.
©., Die dbeutihe Sprade im Elſaß. — Tägliche Rundſchau
10./12. 1893.
Füge, Dir., Fehlerhafte Ridtungen im Betriebe des
eutſchſprachlichen Unterrichts. Vortrag in der Päda—
Rogiichen Ä zu Leipzig, — Leipziger Tageblatt
23./11. 1893,
Aus den Sweigpereinen.
Bonn. An der Hauptverfammlung am 18. Dezember v. 3.
eritattete der Schriftführer Dr. Wülfing den ſehr ausführlichen
Jahresbericht, der ſich hauptlächlich mit dem Vorgehen des Vor-
itandes wegen der neuen Satzungen befchäftigte. Namens der
Verlammlung dankte Diretor U. Diederihs, Ehrenmitglied des
Bweigvereins Bonn, dem Borjtande für feine thatträftigen umd
erfolgreichen Bemühungen. Die biäherigen Borftandsmitglieder
wurden wiedergewählt und durch Zuwahl auf 12 ergänzt; zum
Vorfipenden wurde Herr 9. Söhren, Direktor des ftädtilcden
Gaswerkes, an Stelle des ausgefchiedenen Prof. Dr. Traut-
mann gewählt. — Nadı Erledigung der geſchäftlichen Ange:
legenbeiten hielt Herr I. Neuter, Lehrer an der Oberrealichule,
einen Vortrag über „Bonner Sprachgebrechen“, von dem
ein * in der „Neuen Bonner Zeitung” erſchienen iſt. —
Bon den Erbeſchen Heftchen über die Verdeutſchung der Kunft-
ausdrücke in ber deutichen Sprachlehre hat der Zweigverein über
100 Abzüge an die hiefigen Lehrer verteilt.
Breslau. Überlehrer Dr. Tröger jprad in der Sitzung
vom 8. Januar über Friedrich d. dr. und fein Berhalten
zur deutſchen Sprade.
Dresden. Nahdem in der Dezember: Sipung Geheimrat
Häpe über die Hauptverlammlung berichtet, hielt Oberlchrer
Höfer einen Vortrag über Logau, in dem er des Dichters
Leben und Werfe, namentlich jeine Sinngedichte behandelte,
Frankfurt aM. An der Dezember-Situng gedachte der
Borfigende, Stadtichulrat Bornemann, des ſchweren Berluftes,
welchen der Verein durd das Hinſcheiden des MNegierungsrats
Dr. Bantbel erlitten. Hierauf erjtattete Dr. Bantter Bericht
über die Haubtverfammlung in Berlin.
Kajjel. Der Unterhaltungsabend det a. d. Sprach—
vereind im großen Stabdtparfiaale es ein Neinerträgnis von
120,4, wovon dem biefigen Woltsfindergarten, dem Stinderhort
und der jtädtiichen irantenpflege- Abteilung des Vaterländiſchen
Frauenvereins je ein Drittel mit 40 .% überwiejen worden ift.
Köln. An der Hauptverfammlung vom 11. Januar eritattete
Herr — —2 an Stelle des erfranften Vorſißenden Ges
beimrats Rüppel den Nahreäbericht, in weldiem er aud das
Beitreben der ftadtkölnischen Verwaltung, ihre Amtsiprache von
fremden Jutbaten zu jäubern, lobend hervorhob. Diejem Bes
‚ Streben hat Herr Oberbürgermeiiter Beder in einem Schreiben
Katholiſche Zeitfchriit für Erziehung und Unterricht. |
Düfjeldorf, L. Schwann.
Jahrgang 43, Heft 1.
Ermwinia. Vereinäblatt des „Aljabımdes“, herausgegeben von
Chr. Schmitt, Straßburg i. €.
Jahrgang 42, Heft 11 und 12.
Zeitungsſchau.
Neue Aufſähe in Zeitungen und Zeitſchriften.
Sahr, Julius, Dr., Wie fann unjere alte deutfche Dich-
tung aufs neue lebendig werden? — Tägliche Rund
ſchau Wr. 274— 76, November 1803.
an den Berein Ausdrud gegeben. Die Mitgliederzahl it in
erfreulicher Zunahme begriffen. Nach Wiederwahl des Vorjtandes
durch Zuruf hielt Dr. Blumjchein einen Vortrag über „Be:
deutung und Wefen der Mundarten“, in welchem er deren Pflege
den fogenannten befferen Sreifen warm empfahl. Daran ſchloſſen
ſich Vorträge von mundartlichen Gedichten jeitens der Herren
Dornheim und Hönig.
Minden. Nach einem Berichte des Vorſihenden Dr. Bruber
über die Berliner Hanptverfammlung hielt Prof. R. Deye einen
Vortrag über die Sprade in Richard Wagners Mufildrama „der
Ning des Nibelungen“.
Münden. Bor über 400 Zuſchauern fand hier am 15. Novem—
ber v. 3. die erite vom Zweigvereine zu einem wohlthätigen
47 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 189. Nr. 2.
*
Zwede veranſtaltete ——— des preisgelrönten Luftipieles |
as Stück und ſeine
„Der neue Diener“ von Traundahl ftatt.
Richtung gefielen jehr gut, zumal die Noflen in trefflichen Händen
waren, und jo hat „Der neue Diener“ nicht nur den Zufchanern |
einen vergnügten Abend bereitet, ſondern auch zu Guniten des
Spracdjverein® gewirkt, indem er die alten Freunde feitigte und
nee gewann. Die Aufführung des Quftipieles lann daher den
Aweigvereinen nur empfohlen werben.
Brieftaften.
Sem 2.0.W...., Wien. Ihre ndlichft eingefandte Lifte von
aufammengeiegten Mörtern ſoll bei einer umfaflenderen Beſprechung der Frage
Veriltfiytlgung finden.
Deren Dberichter W. W-. .., Eupen. Die Berbeutihungen im
Eiſenbahnweſen find durch die im Jahre 1892 an bie Etelle des Dahn
polizei» Replements und des Bahnbetricht » Regiements arfepten neueren Erlafie
(Betriebs » Ordirung und Verkehrs » Ordnung) zunädhft zu einem gewifien Abſchluſſe
* Die bier no beibehaltenen Fremdwörter (eine rohe affe anderer
inne!” Bet — lairalänen A! ja u manches verzichtet werden, Vergl.
Sie 8... ., Sulz. Sie tellen uns unter @iniendung einer 334
anzoſſſch verfahten Todesangeige mit, dab alles Echriftlide Im Sulz franzoiſch
ei, fobald es von Leuten ansgche, die den Anfpruch erheben, als auch nur
ein wenig gebildet gu gelten, und dak auf den Stirchhöfen mur Die vor 1871
gie entitelme bie md da bemtiche Infchrijten tragen. Eeitdem bie Elſaſſer
tiche ſeien, vermödhten fie ihrer Berftorbenen nur in franzöfiichen Worten
zu gedenken. — Das ıit eine arge Enttäufhung für alle, die ſich der Hoffnung
auf baldige Eindeutſchung der Gräfe bingaben. Um fo thatkräftiger milfien
die eingemanderten Reiheangehörigen ihr Beuitem betonen,
Kern ©t...., Sulingen. Der freumnblichft eingefandte Borlrag des
Pfarrullars Dr. Borse ift ſchon In der Januarnummet unter ben Bereind«
nachrichten erwähnt worden.
SermM...., Berlin. Beiten Dank für Ihre Mitteilung, dahein belann ⸗
ter Berliner Herr mit der Abſicht, das Fremdiwort zu verſpotten, germe fragt: „Ad |
fügen Sie mol, was iſt die quello heure est- il?” Im Vermutung, dab ein
Glarner dieſe Ausdrudsweije in Berlin gehört und in feiner Mundart verbreitet
babe, jcheint uns —* recht —— Denten Eie an die vielen rein fran—
zöffchen Wörter, die der beutiche Schwelzer gebraucht (bomyour, merei ufe.). Bus
dem ſchelnt das „Mellörctit” in Glarus feineawegs Im Spott oder Scherz, fondern
ernftHaft gebraucht zu werben. Es kann daher and kaum davon die Rebe ſeln,
dab, wie Sie jagen, „unfer liches Berlin den Borzug babe, and in dieſem
Falle nicht hinter ber jonit ja fo hohitrebenden Ednveis zuriktsuftchen.”
| E.M...., Bablonz Sie ſchlagen fir Konfett — ABuderzeug,
und im Anſchluß an das in Süd» Thüringen vom Volle gebrauchte Feruerſternla“
| oder „Buderfteenia” für Bonbon — Burerfteinchen vor. Dak lepteres Anklan
| finden wird, ift zu bezweiſeln umd zwar weil e* zu lang ift und den Begeii
von Bonbon nicht erihöpft, Bol. die folgende Antwort. Belten Dant.
| Sern®...., Bernburg. Sie erwähnen unter Berlehung pin ©, 23 ber
Ziſcht. als er re | fir Bonbon den in Ihrer Gegend gebrändhtihen
Ausdrud Soltchen. iejed Wort, das im Girtmmichen Wörterbuch nicht
vorkommt, Scheint Überhaupt im nördlichen Deutſchland einheimiic zu fein. Im
Holfteiniichen heißt es Boltje; dort verficht man darunter namentlich dicke Bon⸗
bone, Matthias Claudius foriht von Auderboltjen. Bolt ift die plattdeutſche
Form für er 2 Bolzen. An der Ecemanmtiprace veriicht man unter Bott auch
vieredige Etüde von Segeltuch, bie auf die Segei aufgenäht werden (Sanders
Wörterd.). Wenn bie Wort auf Bonbons Übertragen wurde, fo war jeden«
falle die * = oder walzenaͤhuliche Geftalt dieſer Slbigtelten dle Beranla ung.
Auch im Riederländiihen, wo Bolz im der Form bout vorhanden iſt, fagt man
min boutje = meln jühes Mind, de file Bonbon finden wir in verichledenen
Gegenden Deutihlants Lambichaftliche Auedrücke Am Frränkiichen heißt c&
Lederle, im Schwäbiſchen Zuckerle, der Mheinländer fagt, dem franzöſiſchen
Worte entiprehend, butjel, der Buderfeinden. Ziemlich allgemein
verbreitet ift die Berdeutihung Auderpläpmen; auch Zeltchen börı man
nicht feiten, Fre das ebendort erwähnte Ronfckt fagt man deutſch Zuderwert,
Buderwaare, Audergebäd, Auderzeug, Naſchwert.
end, — . . Med. Betr. „Bonbon“ uſw. finden Ele oben eint
austihrtidere ntwortung. — „Krafibrübe* fan wohl ur für Bouillon,
nicht für Sauce eintreten. „Zunte* für lefteres if h T. emgebärgett. aber
warum nicht dafllt „Beiguh” jagen? eat. Seltiihe. I 62, 106, 120;
V 159; VI 42. — Beften Dank für die eingejandte Ankündigung det Lch-
mannichen Berlages in Minden; vergieii Sie damit den Bermert von
Echöningh (unter den M. Mitteilungen dieſer Nummer), der doch noch viel
ſchlimmer in feiner Anusdrudsweile ift.
Herrn Direltor 9, ..., Wiesloch. „Süßbad“ entſprechend dem „Ein«
u. Quwichad” gebilder iſt beachtenswert. Mit Dank filr Ihre Zuſchrift weiien
wir auf die obige Antwort Din,
Seren Brof, G. Ech. .. Erfurt und Herrn Oberſtleutnant a. D.R.....
Bonn. Die Berbeutkhung „Zait” für 100 kr Schiffolaſt in Oldenburg = 145 kg)
täre wohl annehmbar, denn obgleich dad Wort in Preufen früher 4000 Bund
bezeichnete, war es im diefem Einme doch nicht im gemeinen Gebrauch. „Kilo
entner" und „Meterzentner” find als doppeldeutig, Duintal und andsc
örter alt mdausbräcde verwerflih. Gegen „Reuzentner” fpridt ber
Umftand, dab im Bolke der alte „Zentner“ von 100 Blund, chenfo wie das
„Blund“, weiterwurgelm wird. 8 tft faum zu hoffen, bak man jenen doppelt
kiweren Reuzentner schließlich Kentner ſchlechthin nennen werde, darum möge
mar den Auedruck „Hentner” (für 50 kg) getroft wieder geſehlich einführen.
Man hätte dann für 100 kg die ganz Mare Bezeichnung „ Doppeljentuer”,
obwohl mar beim bdezimalen Rechnen dafür natürlich 100 kr einftellt. Am
Münzmweien rechnet man auch nad Mark und Biennig; das hindert aber nicht,
die Golditlide (10, 20, 5 M.) Kronen, Doppelleonen und halbe onen und bie
8 Marl» Stüde Thaler zu nennen. Bergl. im übrigen Ziſcht. V. Sp. 1.
Geſchäftlicher Teil.
Um die Kahreswende haben ſich folgende ſieben Zweigvers
eine aufgelöft: Flensburg, Greiz, Homberg a. Rh,
Neilhau, Bojen, Schleswig und Zanow.
Endgültig begründet wurde der Jweigverein Mariens
werber In deſſen Borftand find gewählt die Herren Gym—
najialdiretor Dr. Brods (ala Vorjigender), Negierungspräfident
v. Horn, Berwaltungsgerichtödireftor a. D. und Generalland-
ſchafts⸗Syndilus v. Kehler, Negierungsafiefior Dr. Leidig, Ber:
| Mäddyenfhule Dr. Maydorn, Regierungs- und Schulrat Dr.
Protzen, Redakteur Kuhn, Oberlandesgerichtsrat Erler.
Der im November v. J. ins Leben gerufene Zweigverein
| Danzig hat am 1. Januar d. %. feine Wirtfamkeit begonnen.
Den Boritand bilden die Herren: Kgl. Baurat Breidiprecder,
| Direftor der Marienburg: Mlawaer Bahn (als Rorjikender),
Oberlehrer Rühle (ald Schriftführer), Dr. Fehrmann, Sefretär
der Kaufmannſchaft (als Schapmeijter).
waltungsgerichtsdireftor Genzmer, ordentl. Lehrer a. d. Höhern |
Die „Beiträge zur Fremdwortfrage“ von Otto Sar-
razin haben fich als jehr wirtiames Förderungsmittel unferer
Vereinäzwede bewährt, auch eignen fie fi zu Beſprechungen
oder Vorträgen in den AZweigvereinen. Der Berfaffer und der
unmittelbarer Mitglieder
unter Belfligung von minbeitens 3 Marl nimmt der Ehapmeifter des Geſamt⸗
vereind,
Herr Berlogsbuchhändler Eberhard Ernft In Berlin W.al,
Bilhelmftrabe W,
entgegen. Diefer iſt aud gern bereit,
außerordentliche Geldsuwendungen,
deren der Verein zur Bräftigen Förderung der ganzen Vewegung noch Immer
bedarf, anzunehmen.
Der Gelamtvorlland des — deutſchen Sprachverelns.
Dr. M. Jähns,.
Zilr die Leitung verantwortlich Friedrih Wappenhans, Berlin. — Verlag des allgemeinen deutichen Spradivereins,
diefe 122 Seiten umfafjende Schrift ftatt fir 1,60 .M, zum er
mähigten reife von 1.4 zur Verfügung zu jtellen. Die „Bei—
träge“ können durch unjern Scapmeiter Herm Eb. Ernit,
| Berlin W., Wilhelmſtraße 90, gegen Einfendung des Betrages
| bezogen werben.
, _ Briefe und Drudfaden für die Bereindleitung
find an den ag m
Herrn Oderſtleutnant a, D. Dr. Jähns In Berlin W. 10,
Margaretbenftraße 16,
Gelbfendbungen und Beltrittderflärungen
an ben Echapmeliter,
Herrn Verlagebuchhändler Eberhard Ernſt in Berlin W.dı,
Wilhelmftrafe 9,
Briefe und Drudfahen für die Zeitfchrift
an den Serausgeber,
Herm Oberlehrer Bappenhans in Derlin 2.W.23,
Altongerjirabe 34,
' gu richten.
Drud der Buchbruderei des Waiſenhauſes in Halle a.d. ©.
Bu. oe = I
VI. Jahrgang Ar. 10. 1. Oktober 1892.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Herausgegeben von Herman Riegel.
—V jedes Monats; ſie iſt für die Mitglieder des allgemeinen deutſchen Sprachdereins beftimmt, denen fie
umentgeltlih geliefert wird ($ 31 der Sapungen). Beitrittserlärungen nehmen die Bmeigvereine und der Gefammtvorftand (Näheres am Schluſſe d. BL.) eutgegen.
ee — — — — —— — — —— — —— eu — — — —
Inhalt: Deutſcher Sprachunterricht im 17. Jahrhundert. Bon W. Lippert. — Aus, der Schweiz, neue Mittheilungen. —
Kleine Mittheilungen: die Herren Reinede, Thießen und Reuleaux; — Deutſche Sprache in den Reichslanden; — Arbeiterbejchluf ;
— Bereine in Rottach und Fäſtorf: — Dining-car; — Gajthof in Wilhelmshöhe. — Spradjliche Mufterleiftungen. — Bücherſchau:
Schimpfwörterbuch; — Neue Bücher. — Zeitungsihau: Ortjohann; — Neue Aufſätze. — Aus den Zweigbereinen: Halle; —
Norden; — Bersmold, — Anfragen: Adieu; — Etiquette ujm. — Briefbeantwortungen. — Gejchäftlicher Theil. — Buchanzeige.
Deutfcher Spradyunterricht eines fädhlifchen Prinzen | auch die franzöfiihen Bebienten mit zuzuziehen jeien. Daf Kinder
am Ende des 17. Iahrhunderts. dadurch rajch lernen, ift zwar befannt, aber ebenio auch, daß fie
Das 17. Jahrhundert, bejonders jeine zweite Hälfte, das |
»Jahrhundert Ludwigs XIV.«, gift mit Recht als die Beit, in
ber in Deutichland mit deutſchem Sinn und deutjchen Sitten auch
die deutſche Sprache am meiften verfiel; die Höheren Schichten
der Geſellſchaft, beſonders die Hoffreife, wurden naturgemäß am
eriten und ärgſten von ber Verderbniß ergriffen, bie an beutichen
Fürſten jelbft vielfach die wirfjamften Förderer fand. Doc das
Sprüchwort, daß feine Regel ohne Ausnahme jei, behält auch hier
fein Recht. Zu den Fürften, die ihrer Pflichten gegen die Mutter-
ſprache noch eingeben? waren, gehört der Herzog Johann Adolf 1.
von Sachſen-Weißenfels, aus einer Nebenlinie des jächjiichen
Kurhauſes, der, 1649 geboren, die Regierung 1680 übernahın und
1697 ftarb, Als Beleg wollen wir hier einen Theil der Anwei—
fung vorführen, bie ber Herzog am 28. Dezember 1694 dem
Lehrer jeines Sohnes, des Erbprinzen Johann Georg (geboren Die Anweifungen, die der Herzog als Richtſhnur für das
1677, Herzog 1697, geftorben 1712), ertheilte. Deutiche giebt, verrathen deutfich den Einfluß; der Beftrebungen
Diefe Lehrvorichrift verihafft uns eine Borftellung von der | der Sprachgeiellichaften des 17. Jahrhunderts: er joll fein, deutſch,
verihiedenen Werthſchätzung, die Johann Adolf dem Lateiniihen, | rein, zierlich, wohlflingend, zulammenhängend reden und ſchreiben
dem Deutichen und dem Franzöſiſchen angebeihen lieh. An erfter | fernen, und das, was nüchtern, wüſt durcheinander, unjchmad-
Stelle fam für ihn die Nüglichkeit und Verwendbarkeit für baftig ufto. ift, fernhalten. Wer dächte da nicht an die Biele,
Staategeichäfte in Betracht ; doch erfreulich iſt es zu hören, da | die der berühmteften unter jenen deutſchen Sprachgejellichaften,
ber Herzog auch für das Gefühl vaterländiicher Ehre empfänglih | dem Balmenorden oder der Fruchtbringenden Gefellihaft, als
ift und bei der Verüdfichtigung der Mutterſprache diefen Ge- | erftrebenswerth vorſchwebten? Woher dieje Gejchhmadsrichtung
ſichtspunkt beſonders mit hervorhebt; ebenjo erfreulich auch die | des Waters ftammt, leuchtet auch alsbald ein, wenn wir bedenten,
Nare Erfenntniß der Schädigungen, die dem deutichen Volls- daß Johann Adolf I. der Sohn des Herzogs Auguſt von Sad)-
bewußtfein von einem Überwucern des mit der franzöfiichen | jen-Weißenfels und Adminiftrators von Magdeburg (1614—1680)
Sprache eingeichleppten welſchen Geiftes drohen. Ziemlich um- | war, deffelben Auguft, der in der deutichen Literaturgeſchichte als
verhüllt jpricht aus den Worten über den Unterricht im Fran- feptes Haupt der Fruchtbringenden- Geſellſchaft (1667 — 1680)
zoͤſiſchen der Gedanke, daß er diefen Unterrichtögegenftand eigent- betannt iſt (j. Barthold, Geſchichte der Fruchtbringenden Gejell-
lich nur als ein unvermeidlich geworbenes Übel anfieht. Be ſchaft, Berlin 1848, S. 292; Mitgfied unter dem Namen »des
achtenswerth ift hierbei die Bemerkung, der Prinz ſolle fi) auch | Wohlgerathenen- war er feit 1643, j. Barthold S. 241). Auguſt's
»mit andern bei Hofe, welche dieſer Sprache mächtig, (außer | Sohn war aljo wohl — ohne daß von ihm felbjt die Mitglied-
feinem Hofmeifter und Lehrer) im Heden üben; wir iehen, daß ſchaft der Geſellſchaft befannt ift — von Jugend auf mit ben
es aljo damals das Franzöſiſche an einzelnen Höfen noch Anſchauungen vertraut, denen man in biefen Kreiſe huldigte,
nicht zur unumjchränften Herrichaft gebracht hatte, da noch fange | und juchte fie ſpäter, nachdem die Fructbringende Geſellſchaft
nicht Die geſammte Hofgeiellihaft ſich deſſen als Umgangsſprache ſelbſt inzwiichen eingeichlafen war, in dem deutichen Sprachunter—
bediente. richte jeines Sohnes zur Geltung zu bringen.
Bedenklich möchte freilich dabei einem heutigen Pädagogen Sonderbar, aber bezeichnend ift die Nusdrudsmeile der Lehr
die Anweiſung ericheinen, da zur Einübung des Franzöſiſchen | vorjchriiten, denn bei aller gutdentichen Geſinnung des Herzogs
| oft wenig gutes lernen. Bei den Kindern Johann Adolfs I. be-
| fätigt ſich diefer Erfahrungsjag, denn beiſpielsweiſe fein jüngfter
| Sohn Johann Adolf II. jchreibt ein jo klägliches Franzöſiſch,
daß es jelbjt unter dem meiſt ſchlechten Franzöſiſch damaliger
Fitrjtenbriefe unrühmlich hervortritt. Diefer letzte Herzog von
Weißenfels jcheint nämlich ſchon gelegentlich auch im Franzöftichen
den Grundjag neuerer Schriftverbefjerer »Schreibe, wie Du
fprichit = befolgt zu haben, denn in dem Fehlergewimmel wirken
befonbers erheiternd gewiſſe ſächſiſche Eigenthümlichkeiten, jo das
mangelhaft entwidelte Gefühl des Sachſen für bie Unterjchiede
zwifchen b und p (z. B. blus ftatt plus) u. a. Nach jeinen
ipäteren Schreiben zu ſchließen, jcheint übrigens der Erbprin;
Johann Georg, fir den unſere Borjchriften gelten, auch im
Deutjchen, troß der väterlichen Anweiſungen, nicht zu viel gelernt
zu haben, da jeine deutſche Schreibweile ſehr mangelhaft ift.
155
find jie doch aufs ärgfte durchjegt von Fremdworten aller Art |
und erweijen ſich darin als rechtes Erzeugnif ihrer Zeit; fie
find alfo zugleich ein Tehrreiches Beilpiel dafür, daß felbit löb-⸗
lihe Gefinnung dem allgemeinen Zuge der Beit gegenüber ſich
nur zu oft als ſchwach erwies.
Bon Einzelheiten jei bier nur noch das Wort »übelichlüßig-
hervorgehoben, eine annehmbare Berdeutichung unſeres vielge-
brauchten »unlogiich.«
Es mag nun der Wortlaut der betreffenden Stellen hier
folgen:
»Unjere von Gottes Gnaden Johann Adolphs
Instruction, Wie Unſers vielgeliebten Erbpringens, Herzog Jo—
hann Georgens Liebden künfftig informiret und nad) welcher dero
verordnete Informatores, gegenwärttig aber, der Hochgelahrte,
Unjer Rath bey der Rent-Cammer und Yehen-Secretarius, Herr
ur.“
Bernhard Göſchell, ſich mit allem Fleiß gehorfamft achten follen. |
... Abſchnitt III. Hiernechit follen Seine Yiebden in der Latini- |
- taet dergeftalt continuiren, daß Sie einen authorem verftehen ler⸗
nen, die Krafft und energiam terıninorum und phrasium recht faßen
mögen, folglich die Schrifften, welche mit fremden Potentien in
dieſem idiomate zu wechßeln, jelbft lejen fünnen. Und weil der
bieshero gebiauchte Cornelius Nepos, wegen jeines perspicui,
aequabilis, und tersi styli mit gutem Nuß hierunter zu ad-
hibiren, zumahl die von anfang der Studien eligirte Scriptores,
wann jie jonderfich mod) nicht zu ende gebracht, beßer zu behal-
ten, ald neue an deren Stelle in die Hand zu nehmen jind, jo |
laken Wir Uns, daß vorangerenter Nepos zu ber Cultura La-
tinitatis weiter tractiret werden möge, gefallen; wollen iedoch
andere Bücher, welche nach Unjers Geheimen Rath von Bünan,
alß Hofmeiſters, direction ımd election nittzlich jeyn fünnen,
keineswegs ausichließen, dabey aber Uns verjehen, es werden
Seine Liebden ſich zugleich und zwar vornehmlich in der Meutter-
Sprache exereiren, damit Sie alf ein Deuticher Fürſt einer
feinen, beutichen, reinen, zierlichen, wohltlingenden und connec-
tirenden Arth, im Neben und jchreiben, fich annehmen, ein rech-
te8 judicium aurium barinnen erlangen, und dasjenige, was
wohl gefahet und vernänfftig exprimiret ift, vor dem, was ohne
Ordnung, obseur, jejune, desultorisch, übelſchlüßig und unichmade
hafftig, zuſammen und unter einander geworffen, ju acstimiren
wißen; Hiernechſt da auch die Franzöiſche Sprache (obwohl tie
Erlernung derjelben, jeitdem man jich ihrer zu befleißigen ange-
fangen, und zugleich dahero die allzu große gemeinmachung mit
der Nation jelbften, die böfen Sitten aus Francreich mit fich ge
bracht, und endlich dieſes alles Unjerm geliebten Vaterlande viel
Unheil zugezogen) dennod fo universaliter im ſchwange gehet,
daß fat an allen Höffen ſolche Sprache gewöhnlich, auch nun—
mehro, wegen der vielen tractaten und negotiationen mit der
Cron Franckreich, faſt unentbehrlich, jo finden Wir nötig, daß
Seine Liebden nun ohne weitern anftand Sich recht darzu appli- |
eiren, die fundamenta aus den biesher gebrauchten oder andern |
Büchern Ihnen mehr befaunt machen, und im lejen, auch joviel
müglich, etwa mit dem Hofmeiiter, dem Informatore, dann nach
gelegenheit andern bey Hoffe, welche diejer Sprache mächtig, fo
wohl mit denen Bedienten, die Wir Ihnen bereits gegeben, oder
noch zuordnen werden, im reben, fich weiter wohl üben, damit
fie einen guten accent, copiam verborum, und eine Fertigkeit
das Franzöſiſche zu verjtehen, und fich darinnen zu expliciren,
mögen erlangen.-
Dreöden. Woldemar Lippert.
156
Aus der Schweiz,
neue Mittbeilungen.
Endlich fommen auc aus der Schweiz einige Stimmen, die
für die deutſche Sprache eintreten und der am Schluſſe unjeres
erften Aufjages (Nr. 6 Sp. 91) ausgefprochenen Hoffnung einige
Nahrung geben. Die Neue Zürcher Zeitung brachte nämlich
Anfangs Auguft eine Einjendung, die in ſehr viele deutſche
Zeitungen übergegangen ift und die unter der Überjchrift «Die
ſchwere Bedrängniß der deutſchen Sprade im Ober-
Wallis“ beachtenswerthe Mittheilungen macht. Den Deutich-
Wallifern, führt der Aufſatz aus, drohe die Gefahr, ihr beutiches
Sprachgut, das ſich gerade dort jo uriprünglich und eigenartig
erhalten habe, ganz zu verlieren und langſam vermwelfcht zu werben.
Das Franzöfiiche beginne einzuziehen, wobei es ſich jedoch nicht um
einen berechneten Feldzug, jondern um einen durch äufjere Um—
ftände herbeigeführten natürlichen Vorgang handle, Ober-Wallis
ftehe nach Weiten dem franzöſiſchen Sprachgebiete weit offen:
»Die romanischen Sprachwellen wajchen den Boden langiam, aber
gründlich aus, Sion, Sierre, Viege, ehemals Sitten, Siders,
Viſp, bezeichnen die Fluthränder diefer Bewegung. Schon ledt
die Welle bis nach Brig hinauf, das bereit3 amtlich, d. h. pofta-
lich, in Brigue umgetauft worden ift und bereit3 neben der
beutichen Vollsſprache von franzöfifchen Lauten ertönt. Diejer
Borgang werde durch eine Beiftesverfafjung begünftigt, die man
am beften mit Sprachfeigheit bezeichne. »Mancher jchämt ſich
gegenüber der ftärfer anſchwellenden fremden Sprachfluth feiner
angejtammten Mutterfprache, wie eines weniger quten Modes,
und er glaubt fich feiner auszunchmen, wern er in nicht immer
ganz zierlihem Franzöſiſch einherftolzirt. Es giebt z. B. gute
alte deutjche Familien in Sitten, welche anfangen, franzöſiſch zu
welſchen, obſchon fie eben fo gut oder beſſer ihren deutſchen
Dialekt reden können, und fich dabei einbilden, vornehmer oder
gebildeter zu erjheinen.« Die Eiſenbahn thue viel dazu,
dieje Wandlung zu fördern und zu beichleunigen, und der Ber-
waltung der Jura-Simplonbahn fönne der Vorwurf nicht ganz
erjpart bleiben, daf fie die Franzöfifirung des Wallis begünftige:
»Faft das ganze zahlreiche Beamtenperſonal der Eifenbahn im
Wallis jegt ih — auch in dem deutichredenden Landestheile —
aus ausſchließlich franzöſiſch jprechenden Schweizern zufammen.
Der ganze Verkehr mit den Bahnbeamten muß daher franzöfiich
geführt werden, denn die Meiften verjtehen kaum Deutich, jeden-
falls ift von ihmen ſchwerlich eine deutſche Antwort zu erlangen,
Es ift bezeichnend, daß der Wallifer das Wort -Bahnhof« nicht
fennt, er geht ſtets zur gare, wenn er verreifen will, Einen
Bahnhofvorſtand giebt es im ganzen Wallis nicht, jondern mur
Chefs de gare, lauter franzöſiſch iprechende Beamte in deutjch
tedenden Yandestheilen. Wer mit der Eiſenbahn zu verfehren
hat, wer eine Fahrkarte löfen, eine Auslunft erlangen, ein Ge—
pädjtüd aufgeben oder in Empfang nehmen till, muß ſich wenig-
ſtens nothbürftig der franzöfiichen Sprache bedienen können, wenn
er bequem umd ficher zum ‚Ziele gelangen will, mit andern
Worten, das Volf wird gezwungen, franzöſiſch zu verftehen und
zu reden. Das geſchieht in vollftändig deutſchem Sprachgebiet
bis Brig und bis hinauf im das urdeutſche Zermatterthal. Selbit
die Eifenbahnfchaffner auf der Hermatterbahn vermögen kaum
radebrechend dem Beſucher diejes jchönen Alpenthates auf deutich
Auskunft zu geben.“ Bei der Boftverwaltung jei es zum
Theil ebenfo. Auf der Furkapoſt fahren mandımal Boftichaffner,
die faum ein Wort Deutſch fönnen, Das Alles jei jehr beffagens-
werth. » jur Ober-Wallis verurſachen joldye Rüdjichtstofigfeiten
ber Verwaltungen Unziiriedenheiten und Umwillen. Das deutiche
157
158
Sprachgefühl und die Empfindung für das gute Sprachrecht ift | eher eine Beilerung eingetreten ift. Zur Zeit der Reisläuferei
dort lebhaft, und es heit, daß die Ober-Wallifer entichloffen |
jeien, ſich gegen amtlihe Spradwergewaltigungen tapfer zu
wehren. Sie find im ihrem Rechte. Ein Spracenftreit wäre
ein Unglüd für die Schweiz. Ihm rechtzeitig vorzubeugen,
wurden dieje Zeilen gefchrieben; denn es liegt gewiß den Eifen-
bahn⸗ und Poftverwaltungen ferne, neben der Bedienung des
öffentlichen Verfehr3 eine gewaltthätige Sprachen» Propaganda
zu betreiben. So wird wohl ein einfacher und wohlgemeinter
Hinweis genügen, um fie zu veranlaflen, den Ober» Wallifern
und ihren Empfindungen etwas mehr Müdficht entgegen zu
tragen. Die Wallifer werden es ihnen zu Dan wiſſen, denn
fie rechnen wie wir alle die liebe Mutteriprache zu den heiligiten,
theueriten Gütern.«
Aus Anlaß diefer Einjendung erhielt diejelbe N. 3. 3. (Nr. 222
v. 9. Aug.) eine Zuſchrift, der wir folgende Stelle entnehmen:
»Übrigens könnte man verfucht jein, zu glauben, daß das eidge-
nöjjiiche Boftdepartement abfichtlih das Vorbringen des
Franzöfiichen als Amtsiprache begünftige. Wenn wir 5. B. Briefe
befommen von Murten mit dem Roftftempel »Morat«, aus Biel
mit dem Stempel »Bienne«, aus Bern jogar mit dem Stempel
»Berne-, jo darf man doch von einer Zurüdjegung des Deut-
ichen gegenüber dem Franzöſiſchen ſprechen. Murten ift noch
ein deutiches Städtchen, Biel noch mindeſtens zu zwei Dritiheilen
deutich, Bern ift eine deutjch redende Stadt, welche nicht mehr
welſch redende Einwohner zählt, ald Neuenburg oder Genf
Deutiche. Was gäbe es für eine Empörmg, wenn die Poft den
deutschen Namen diefer Städte als Poftftempel benützen wollte!
Hat es doc jchon einen Aufruhr gegeben, als die Buchhandlung
Attinger in Neuenburg das dortige »Feuille d’Avis« wegen ber
großen Anzahl deutich jprechender Bewohner dajelbft zweiſprachig
herausgeben wollte. In der Neinften Ortjchaft bei uns, in bie
Jahre lang fein Franzoſe oder Welſchſchweizer kommt, der nicht
auch ein bischen Deutſch verftände, trägt jeder Brieflaften auch
noch die Aufſchrift bofte aux lettres. In der welichen Schweiz
haben wir eine joldhe Zuvorfommenheit gegen die Deutſch-
fprechenden noch nie bemerft. Auch finden wir es ungehörig,
da in rein deutſchen Gegenden die Telegramme z. ®. bie
Aufichrift tragen de Bäle ä Fern jei es und,
den Spradhenftreit aufzurühren, wir verlangen nur gleiches Hecht
wie die Welichen. Die Behörden jollen fich nicht in den Sprachen»
tampf, der ja auf ganz friedliche Weife ausgefochten wird, miſchen
und die eine Sprache gegenüber der andern begünftigen. Und
in dieſem Punkte jilndigt offenbar das eidgenöffische Poftdepar-
tement, bewußt oder unbewuhßt.«
Ferner veröffentlichten die »Bajeler Nahrichten« (f. unten
Ep. 165) eine Mittheilung zur gleichen Frage. An jenen Aufſatz
in der N. 3. 3. anknüpfend, ſprechen fie von dem unfrigen in
der Nr. 6 d, Bl, und fahren dann fort: »Wir müſſen dieſen
Klageruf injofern warm unterftügen, als die Ver—
wendung frangöfischer Broden in vielen Fällen nichts weiter ift
als eine eitle Ziererei; es ift ein tadelnswerther Unſinn, fran-
zoſiſche Worte an die Stelle gut deutjcher Ausprüde zu ſetzen.
Was dagegen die Spracdjreinigungswuth gewiſſer übereifriger
DeutichtHümler anbelangt, jo find die Gebildeten unſeres Voltes
wohl einig, daß franzöfiiche Worte, die nun einmal in unferer
Sprache das volle Bürgerrecht erlangt haben, nicht wieder aus-
gemerzt werden follen; dahin gehören die Benennungen Stanton,
Diretion, Nedaftion und viele andere. Übrigens wird jeder,
war es jo weit gefommen, daß franzöfiiche Worte in den unterften
Volkaſchichten als baare Münze Furfirten; dafür liefert uns
Hebel ein Beifpiel mit jeinem »Bafjeltang« (passer le temps,
Beitvertreib) und der Schreiber diejer Zeilen erinnert ſich, dab
noch da und dort unter bern Landvolk des Kantons Thurgau
Ausdrüde gebraudyt wurden wie »Nbigante« (& votre sante),
»Buntendri« (ed goht em ad Puntenöri, point d’honneur),
»Gadıen assez« (c’en est assez) ujw. Eine Verfchlimmerung
ift alfo jedenfalls nicht eingetreten. Bebenflicher dagegen find
einige wirklich gehäffige Auslaffungen neueften Datums in der
franzöfiich-fchweizerifchen Preſſe. So konnte man geftern in einem
der angeſehenſten Blätter der Stadt Genf lejen, daß die dortige
Dampfichifffahrtögefellichaft nach und nach alle franzöſiſch jpre-
chenden Angeftellten entlafje, d. b. fie fündige ihnen nicht gerade,
chikanire (dieſes franzöfiiche Wort läßt fich doch nicht wohl ent«
behren) ſie aber jo lange, bis fie jelbft gehen. Dieje Meldung
ift offenbar unrichtig; denn es liegt gar nicht im Charakter der
Deutichichweizer, dem Umftande, dab Jemand das Franzöſiſche
borzieht, auch nur Beachtung zu jchenten. Sie beweift aber, wie
ängftlich und eiferjüchtig fich die weliche Prefie gegen vermeint-
fiche Übergriffe zur Wehre ſetzt. Es darf wohl auch daran er-
innert werden, daß bei jeder Hauptverjammlung eines eidge-
nöjftfchen Bereins, an der auch nur ein franzöſiſcher Schweizer
Theil nimmt, alle deutichen Reden ins Franzöſiſche überiept
werden müſſen, während das Umgefehrte in der Negel nicht der
Fall ift. Ferner meldet man aus Genf, daß das Wahlbureau
in Plainpalais deutſch beichriebene Zettel als ungültig erflärte;
das ift wirflich recht »freundeidgenöſſiſch⸗ gehandelt. In meld
erfreulichem Gegenſatz zu dieſer Feinlichen Daltung ſteht doch
der Beſchluß des Großen Nathes der Stadt Bafel, der, obſchon
er nur ein einziges Mitglied aufweift, das mit Vorliebe fran—
zöſiſch Fpricht, doch ohne Anftand im diefer Sprache zu reden
geftattete! Wenn ein Theil ſich über Unverträglichfeit zu be—
ſchweren hat, dann ift es ficherlich der deutichredende Theil unferes
Volles; es fällt ihm zwar nicht ein, ſich zu beflagen. Aber bie
Zeitungen der franzöfifchen Schweiz dürften doch dafür beforgt
ſein, daß jolche Gehäfjigkeiten gegen die dort wohnenden deutich-
redenden Mitbürger unterbleiben.«
Wir wollen auf diefe Mittheilungen, auch auf das Irrige
und Faliche, das namentlich die legtere enthält, nicht eingehen
und nur hervorheben, dab fie als erjte ernfte Anzeichen einer
Betheiligung der Schweiz an der gegenwärtigen deutſchen Sprach-
bewegung Beachtung und Anerkennung verdienen. Wir fügen
hinzu, daß der Staatärath des Kantons Wallis fid bes
reits der Klagen feiner deutjchen Bevölkerung angenommen und
»beim eidgenöffischen Poft- und Eijenbahndepartement, jowie bei
der Direktion der Jura-Simplon-Bahn die erforderlichen Schritte
gethan hat, damit die an den Boft- und Eifenbahn-Berkehröwegen
gelegenen Ortichaften des Oberwallis wieder mit ihrem deut-
ihen Namen benannt werden, und die Bundesbehörde für eine
gebührende Berüdfichtigung der deutſchen Sprache im dieſem
Kantonstheile feitens der Poft- und Eifenbahnangeftellten jorge.=
Ob dieſe Schritte indeß leichten Erfolg haben werden, möchten
|
|
!
der die Geſchichte der jchweizerbeutichen Sprache kennt, beftätigen |
fönnen, daß in dieſer Beziehung während der legten Kahrzehnte
wir einigermahen bezweifeln. Denn nad uniern eignen Erjah-
rungen und Beobachtungen find gerade die Verwaltungen der
Poſt und der Jura-Simplon-Bahn die Hauptftätten, von wo aus
‚ die Verwelſchung betrieben wird, —
und zwar offenbar abfichtlich,
vielleicht um jo zu einer einheitlichen Berwaltungäfprache zu
gelangen. Die Poſt macht es, wie man zugeben muß, immerhin
etwas mafvoller, obwohl dieſe boftes aux lettres, dieſe levées
159
prochaines, dieje postes suisses mitten im rein deutjchen Sprady |
gebiete herausfordernd genug find. Aber die Jura-Simplon-Bahn
betreibt das Ding mit aller Nüdjichtslofigleit. Allerdings liegen
ihre Streden meiſt in der franzöfiichen Schweiz, aber jie hat
auch auf deutichem Gebiete, bit nach Luzern bin, Linien; ihr Sig
it in Bern. Und doch giebt fie auch auf ihren deutſchen Streden
franzöſiſche Drudjachen, z. B. Gepächſcheine, mit dem Bordrude
Chemin de fer du Jura-Simplon«, ohne das Deutiche daneben,
aus, Ihre Schaffner erdreiften fich, den Neifenden zuzurufen:
»Vos billets, s’il vous plait« und, zur Nede geftellt, zu erklären,
daß es im ihrem Belieben ftünde, fich des Franzöfiichen oder
ſchem Beifall belohnt.
| Sondern nur eine jchweizerijche Staatsangehörigfeit.
Deutjchen zu bedienen — mitten in rein deutichen Gebieten. Das
iſt zwar ftark, man könnte jagen frech, aber die deutſchen Schweizer
ſelbſt find doch die eigentlich Schuldigen. Affen fie doch fort
und fort das Franzöſiſche nach und laffen fich das Franzöſiſche
jtatt des Deutjchen bieten, — wie leider die Deutſchen über-
all, nur in fehr gefteigertem Umfange. Wir hörten einen
Schaffner der Centralbahn jagen: »Billets vorwieje, s'il vous
plait,« und wir jahen im Schloffe zu Thun, wo über der rein
deutjchen Stadt Thun die fantonalen Staatsbehörden haufen,
Mauerinichriften ausſchließlich in franzöſiſcher Spradjie: »Prome-
nade publique — Passage public. Was joll jo Etwas heißen
und bedeuten? Es bedeutet joviel, daß die Staatsbehörden Des
Kantons Bern die franzöfiiche Sprache begünftigen. Bon diejer
Thatſache kann man ſich in dem ganzen Kantone überzeugen.
Bern bejigt allerdings im fogenannten bernifchen Jura einen
Bruchtheil franzöfiicher Einwohner; ift das aber ein Grund, auf
160
ichweizerifche Nationalität auszuflügeln. Wir haben’s noch vor
wenigen Wochen mit aller feierlichleit vernommen, ald Herr
Bundesrat) Ruchonnet im Namen der PBundesregierung den
»internationalen Friedenstongreß« in längerer Rede begrüfite
und dabei unter Anderm jagte: »Wir haben eine ausgeprägte
und ftarfe Nationalität, und jeder Bürger tft fich derjelben be
wußt. Die Nationalität beruht auf dem freien Willen des Bolfes,
auf dem Hecht und ber FFreiheit.- Und dieſer baare, blühende
Unfinn, der die Begriffe auf den Kopf ftellt, wurde mit ftürmie
Es giebt feine jchweizeriiche Nationalität,
Es giebt
feine ſchweizeriſche Nation, jondern nur ein Schweizervolt, und
diejes gehört drei verjchiedenen Nationen an, — von den Ro-
manen in Graubünden abgejehen.*) Was joll es num heißen,
wenn der Deutiche in der Schweiz fich in die Bruft wirft und
prablt> »Ich bin fein Deutjcher, ich bin ein Schwzer,“ wenn
er ung gegenüber Schillern »einen Ihrer Dichtere nennt, wenn
er in wunderlicher Überhebung auf die »Dütfchen- herabficht? Er
jollte jidy bejinnen, daß er die Ehre hat, ein Glied der deutichen
' Nation zu fein, und bedenten, daß ein Bolf am feichteften entfittlicht
deutichem Gebiete franzöſiſch zu reden? Die Stadt Bern ift Sitz
der Bundesbehörden, die allerdings in den drei Landesiprachen
arbeiten müflen; aber iſt dies ein Grund, das Deutſche, die
Sprache von faſt drei Viertheilen des gefammten Schweizervolfes,
zu mihachten und zu vergewaltigen? Die Bevorzugung des
Franzöfischen, ganz bejonders im Stanton Bern, ift jo umſaſſend,
daß die Franzoſen, die dort hinkommen, den Eindrud gewinnen
müſſen, nicht allein daß fie die eigentlichen Herren jeien, ſondern
daß ihre Kultur und Sprache hoch über allem Andern, nament-
lich dem Deutſcheu erhaben ſei. Die deutſchen Schweizer und
insbejondere verjchiedene Behörden und Verwaltungen tragen aljo
und verdorben wird, wenn es ſich zwiichen zwei Nationalitäten
ſtellt. »Ans Vaterland, ans theure ſchließ' dich am ujw.;« zum
Baterlande aber gehört vor allem und an erfter Stelle die vater-
ländiſche Sprade, die Mutterfpradye. Hier find die ftarfen
Wurzeln deiner fraft.« Das hatte der Schweizer Konrad Ferdinand
Mever, einer unjerer Dichter, lebendig erfannt, ala er jagte:
Ich liebe mein Baterland über Alles, aber ich fühle mich auch
ald Deutjcher.«**) Mögen jeine Landsleute fih an ihm ein
Beiſpiel nehmen !
ſehr erheblich dazu bei, den franzöfiichen Dünkel zu füttern, |
dejjen Gefährlichkeit die Weltgejchichte in erjchredtender Weije
bezeugt.
Möchten ſich doch endlich die deutjchen Schweizer ein Bei-
jpiel an ihren franzöſiſchen und auch itafienijchen Bollsgenofjen
nehmen und ſich auf ihre deutjche Nationalität mannhaft bes
finnen. Die franzöfiihen Schweizer find in Bezug auf Sprace,
Bildung und Gefittung durch und duch Franzoſen, Die Teffiner
jind zum Theil jogar von einer nationalen Triebfrait erfüllt,
die die manches Jtalieners im Königreiche weit überflügelt. Und
die deutjchen Schweizer? Sie gefallen ſich leider allzu häufig
darin, nicht Deutjche jein zu wollen. Traurige Berirrung! Haben
wir es doch erlebt, daß ein deutjcher Schweizer auf einer willen-
ichaftlichen VBerfammlung in einer jüddeutichen Stadt zu den
Zuhörern jprach, indem er Schiller meinte: »Einer Ihrer
Dichter uftv.« Alſo die deutichen Schweizer, die einen jo rühm—
lichen Antheil an der deutichen Litteratur haben, verleugnen dieſe
und löjen ſich von deuticher Dichtung und deutjchem Schriftthume
ſtolz ab. Das ift, grade heransgejagt, eine Schande. ber
auch ſolche Vorgänge lajjen fich zum Theil erflären.
Statt der Wahrheit gemäß anzuerkennen, daß in der Schweiz
Theile dreier großer Nationen wohnen, Die zujammen das
ſchweizeriſche Voll bilden, bat man jic darin gefallen, eine
Kleine Mittheilnngen,
— Der VBerfafier der mehrerwähnten (j. Nr. 6 uff.) abenteuer»
lichen Shhmähjchrift »Der gefnebelte Spradverein« im
Berliner Fremdenblatte v. 14 Mai hat fich endlich gezwungen
gejehen, fich zu nennen. Er nennt fih Adolf Neinede! Da
die Schmähjchrift aber ganze Stellen aus Ausarbeitungen und
Vorträgen des Herrn Gcheimen Regierungsrathes Prof. Reu—
leaur, zum Theil ſogar wörtlich, außerdem faft nur Gedanken,
die von diefem Herrn ausgingen, und, wenn auch entitellte, jo
doch immerhin Nachrichten, deren Quelle nur eben dieſer Herr fein
kann, enthält, jo wirt das erzwungene, jpäte Geftändnif bes Herrn
Adolf Reinede ein höchft eigenthümliches Licht auf ben jogenannten
Verſaſſer jener Schmähſchrift. — Dann hat Herr Dr. 9. Thießen
ein Buch herausgegeben: »Der Berliner Zweigverein bes
Allgemeinen Deutſchen Sprachvereins und feine Beziehungen zum
Gejammtvorftande und zu deſſen Borfiger. Denkſchrift des Ber»
liner Zweigvereins in feinem Auftrage herausgegeben von jeinem
Geſchaͤftsleiter Dr. Heinrich Thiefen. Berlin, Juli 1892.- 128©.8.
Es enthält alle die längjt befannten und bis zum Überdruffe wider-
legten Briefe und Aufſätze des Herrn Reuleaur n. a. ä. nochmals.
Es hat gar feinen ſachlichen Werth und ift ledialich das Ergebniß
einer Streitjucht und einer Nechthaberei um jeden Preis, die den
Sprachverein nothwendig herabjegen und jchädigen müfien, ja die,
fortgejegt, ihm zu Grunde richten müßten. Nur injofern hat es eine
—
ir verweilen auf den Aufſaz Nation—national ; in diefer Heitichr.
v. ©. "eat 1886 (1. Ep. 1921) und bemerken hier mur, daß der Weariff
Nation (mario vom nasct — geztugt ober geboren mwrrden, dann aucd ent
ftammen) nriprängiih auf Stammeseinheis beruht, daß aber heute bei
den Kulturwöltern, Deren Srammeseinheit längit durchbrochen ift, dir Syradı>
einhbest das oberite und einfachite Kennzeichen der Nationalität iſt. Zur
polniihen Nation, troß ibrer Serrifienheit, gebört Reder, deſſen Murteriprache
yolniich it. nnd ur Deutidien Narion, trok ihrer Verbreitung über Die ganze
Erbe, nebört Feder, deſſen ie 3 demtich iſt. =. 2.
“+, Gegenwart. 1802, Nr,38 ©. 188.
161
Bedeutung, als es Die andauernde Auflehnung des Bere
liner Bweigvereins, oder treffender ber dieſen Verein bes
einfluffenden Herren, gegen den Sejammtvorftand und damit
gegen den geſammten Spracverein, troß der an den Berliner
Amweigverein gerichteten Mahnung (f. Wr. 6 Sp. 109), ber
fundet, Der Geammtvorjtand wird willen, was er dieſem
Treiben gegenüber zu thun hat. — Endlich ift zu erwähnen,
daß die in BVorftehendem genannten Herren noch weitere Aus—
laſſungen haben druden und verbreiten laſſen, die in der alten
Weife gegen Gejammtvorftand und Vorſitzenden gerichtet find,
jedoch in einem gefteigert feindjeligen Tone, ſodaß man unwill-
fürlich au gewiſſe Leiftungen der Pariſer Hespreije erinnert wird,
Wir können ung natürlich mit Machwerlen dieſer Art nicht be>
faffen, auch ift der Raum der Zeitjchrift für eingehendere Be-
bandlung jolcher Sachen zu foftbar und der Geſchmack unferer
Vereinägenojien zu gut. Alſo mag es mit dem Gefagten fein
Beenden haben.
— Der bebraud der deutihen Sprade in den
Reihelanden Am Elſaß ift, abgejehen von einigen wenigen
im franzöfiichen Sprachgebiete unweit der Grenze gelegenen Ge—
meinden, aufdem platten Sande ſaſt jede Erinnerung an bie
franzöfiiche Sprache erlojchen. In den Städten ſprechen auch
nur noch die vornehmeren einheimifchen Kreije franzöſiſch unter
fich ; im öffentlichen Verkehre, z. B. in den Kaufmannsläben,
herricht unbedingt die deutſche Spradye. Genau jo liegen die
Berhältniffe in dem zum deutjchen Sprachgebiete gehörigen Theile
?othringens, d. b. in etwas mehr als der Hälfte dieſes
Zandestheiles. Was das franzöfiihe Spradgebiet am-
langt, jo befindet ſich jept im jeder, auch in der Heinjten Land⸗
gemeinde ein der deutichen Sprache volltommen mächtiger Lehrer.
Die deutjche Sprache wird in allen Schulen des franzbſiſchen
Spradgebietes jo gelehrt, daß die Schüler beim Austritte aus
der Schule ſchöne Kenntniſſe darin befigen. Allein dieſe gehen
leider im Laufe der Jahre zum großen Theile wieder verloren,
weil die Übung fehlt. Nur Die jungen Leute, die im Heere
dienen, eignen fich die deutiche Sprache volltommen an. Immer
hin wird dieſe auch in anderer Weile, wenngleich langjam, im
franzöfiihen Sprachgebiete verbreitet. Dies gejcieht z. B.
duch den Eintritt lothringiſcher Dienftboten bei altdeutichen
Familien, den Verkehr mit eingewanderten Altdeutſchen und die
Übertragung von Ämtern.
— Anfangs September bejchäftigte fih eine Urbeiter«
verjammlung in Berlin mit der Fremdbmwörterfrage.
Im Anſchluſſe an einen einleitenden Vortrag, der von dem
Arbeiter und dem Fremdworte handelte, tadelten einige Redner,
daß im der Volksſchule und namentlicd im grammatijchen und
Rechenunterrichte lateinijche und nicht deutjche Bezeichnungen üblich
jeien. Auch wurde behauptet, daß die in den Berliner Volks—
ſchulen gebrauchten Lehrbücher von entbehrlichen Fremdmwörtern
wimmelten. Die Betonung des entichieden nationalen Stand»
dunktes in der Fremdwörterfrage begründeten die Nebner damit,
daß die Nation von der Sprache abhänge, und daß daher gerade
in der Sprache das Nationale jeine volle Berechtigung habe.
Folgende Erflärung wurde einjtimmig angenommen: »Im grame
matiſchen und Necyenunterrichte der Vollsſchule jollen die lateini-
ichen Bezeichnungen durch deutjche erjeht werden; die Schul
behörden werden gebeten, diejen Gegenstand in Erwägung zu
ziehen.« Es iſt jedenfalls jehr anerfennenswerth, den Kampf
für die Reinheit der Sprache auch von Arbeitern aufgenommen
zu ſehen. Die Berfammlung nahm jodann noch eine weitere
Erklärung an, die anregt, daß die Preſſe die unvermeidlichen
nn — — — — nn — — —
162
Fremdwörter erklären wolle, was etwa am Schluſſe des redak—
tionelfen Theiles geichehen fönne. Gegen dieſe verftändigen und
erfreulichen Beichlüffe hat das leitende Blatt der Sozialdemo-
fratie, der »Vorwärts«, entjchieden Stellung genommen, die
Fremdwörter vertheidigt und zur Erleichterung ihres Verftänd«
niſſes lateinijchen Unterricht für die Bolksichule verlangt.
O caeca mens mortalium! oder zu Deutſch ungefähr: Welcher
höhere Blödſinn!
— Die und überfandten Sabpungen des Vereins zur
Erhaltung der Bolkstradht Egerm-Rottady (am Tegerniee
in Oberbayern) zeichnen sich durch ein lobenswerthes Streben
nach Spradjreinheit aus. Einige überflüjiige Fremdwörter, wie
gratis, pro, eventuell u. a. werden hoffentlich bei einem Neu»
drude ausgemerzt werden. Übrigens ſcheint und Abſatz- für
»Baragraphe feine glüdliche Verdeutjchung, zumal wenn der
betreffende Theil mehrere wirkliche »AUbjäße«- aufweift; und
das iſt hier wiederholt der Fall. — Auch der Yandwehr-Verein zu
Käftorf (Herzogthum Braunſchweig) mit feinen neuen Sapungen
ift hier zu nennen. Diejen Erfolg verdanten wir einem eifrigen
Mitgliede, Herrn Buchdrudereibefiger Albert Grimpe in
Hannover, der mit der Drudlegung der Satungen betraut
war. — Die Drudjahen der Weftinghouie-Gejellihaft
zeichnen ſich ebenfalld durch beachtenswerthe Spracreinheit aus,
wie wir zu umerer freude aus den und vorliegenden »Vor—
ichriften für die Bedienung der Luftdrudbremje von Wefting-
houje= erjehen.
— In dem Tagesjhnellzuge Berlin -Münden
über Hof haben wir einen Speilewagen bemerkt, der al$ Dining-
car und Restaurant mit großen Inſchriften bezeichnet
war; eine deutſche Amfchrift fehlte. Vermuthlich haben nur Die
Engländer und Franzoſen beim Reifen in Deutfchland auf den
preußischen, jächlifchen und bayerijchen Staatsbahnen Hunger.
— Bei einem Bejuche der jchönen Wilhelmshöhe raftete ich
türzlich im Grand Hötel & Pension Schombardt. Satte mic)
icon die franzöfiiche Bezeichnung des Gajthofes verdroſſen, jo
hatte ich bei Tiſch (natürlich table d’höte) das Vergnügen,
Menukarten zu begegnen, Es lagen nämlich farbige Tiſch-
farten auf, welche die bekannte Liebig'ſche Fabrit als Empfeh—
lung in großen Mengen unentgeltlih an die Gaftwirthe abgiebt,
und auf denen das jchöne Wort Menu groß vorgedrudt ift.
Wäre es nicht möglich, die Liebig'ſche Geſellſchaft zu veranlafien,
ein deutiches Wort zu wählen? — Kaſſel. S.
An die Liebig'ſche Geſellſchaft iſt früher bereits durch
Vermittelung eines mit ihr in Gejchäftsverbindung ſtehenden
Vereinsgenofien das Erjuchen gerichtet worden, die betreffenden
Karten, insbejondere die Überjchrift Menu zu verdeutichen.
Das Erjuchen ift ohne Erfolg geblieben. D. 2.
Sprachliche Auſterleiſtungen.
In dem »Fahrpreistarife für die Pferdebahnlinien der Wiener
Tramwahgeſellſchaft«, der in allen Wagen angeſchlagen
ift, lieſt man folgende Anmerkung: »rabrfarten zu 10 fr. (lit. C
und F) und zu 20 fr. (lit. D), dann die aus der Combination
der Fahrkarten nad) lit. A, B und C ſich ergebenden Fahrkarten
zu höherem Gejammtpreis, jowie Kinderfarten (lit. G) berech-
tigen zu einer auf dem kürzeſten Wege ohne Unter»
bredung jortzufependen Fahrt mit Benüßung der
mit Rückſicht auf die Wageninjtradirung nor
mirten Correjpondenz in fjämmtliden fahrplan-«
mähig eurjirenden Wagen« Wer's verfteht, kann ſich
melden.
163
»Reftauration Cafe Sammet. Hiftorifche Wagner- |
Kneipe von Angermann nunmehr ins Cafe Sammet trand-
ferirt. Das Centrum der Elite des deutichen Olymp
und Central» AZufammentunft der vornehmften Ariftofratie
der internationalen ®elt. Le plus grand miracle
de Musenstadt, Great attraction of Bayreuth. Beer:
Hofbräu, Pilfener x. All brands of choicest wines
der rheinijchen Metropole Broprietor Ehr. Sammet.«
— Der Mann verdiente den Orden »weltbürgerlicher Aneignungs-
fähigkeit“ 2. Klaſſe mit dem Schandbänddhen !
Sũcherſchau.
Deutſches Schimpfwörterbuch oder die Schimpf—
wörter der Deutſchen. Zum allgemeinen Nutzen geſammelt
und alphabetijch geordnet mebft einer Worvor-, VBor- und Nach-
rede bon Mir. Selbft. — Arnftadt, F. Meinhardt, 1839,
Borrede ©. VI: »... Wer aus dem Titel: »Deutjches
Schimpfwörterbuch«, ſchließen wollte, daß die angegebenen Wörter |
alle rein deutich wären, der wird beim Nachichlagen jogleich
fehen, daß dem nicht jo ift und gar viele vorfommen, die aus
neuen oder alten Sprachen abftammen und nur germanifirt find,
oder die man geradezu aus ben fremden Sprachen ane und auf
genommen hat. Diele fremden Wörter haben fich in uniere
Sprache eingejchlichen dadurch: 1. daß unjere Große, Urgrofe,
Ururgroßväter der Gewohnheit Fröhnten, nicht rein deutjch zu |
fprechen und zu jchreiben, und es für ſchön hielten, wenn fie |
recht viele fremde, bejonders franzöfifche Wörter gebrauchten, |
|
I
mit den deutſchen untereinander mijchten und ein bem Derings-
ſalat ähnliches Sprachgemengſel zurichteten; die meiften dieſer
Fremdlinge find von unjeren Spradreinigern ſchon verdrängt,
viele find aber doch noch zurüdgeblieben. 2. Daß die Deutichen
allenthalben zerftreut find und von fremden Nationen, mit |
welchen fie in genauerm Verkehr ftehen, mur zu leicht etwas
an- und aufnehmen. So gebrauchen z. B. die Deutjchen in den
ruffiichedentichen Oftfeeprovingen eine Menge ruffiicher Ausdrüde, |
die bei ihmen ganz das Bürgerrecht erlangt haben. Daſſelbe
findet man bei den Deutichen, welche unter Franzoſen oder in der
Nähe derjelben leben, jo wie auch bei den deutichen Auswanderern
in Amerifa uf. Gelegentlich werde hier bemerkt, daß überhaupt
diejenigen, welche eine fremde Sprache bloß durch den Umgang,
ex usu, erlernen, gewöhnlich zuerft die Schimpfwörter und Flüche
aus dem fremden Idiom auffafien, fich aneignen und joldye beim
Sprechen in ihre Mutteriprache einmengen. 3. Daf viele der
Herren Gelehrten von einer wahren Sucht beſeſſen find, alles
gräcifiren zu wollen. Diejes gejchieht von ihnen vielleicht, um
ihre tiefe Gelehrſamkeit an den Tag zu legen, vielleicht auch in
der Meinung, daß es weit jchöner und befler klinge, wenn fie
einen Begriff, den fie doch rein deutſch ausdrüden könnten, mit
einem griehifchen oder aus dem Griechiichen zujammengejegten
Worte bezeichnen. — Alle dieſe Wörter, jo weit fie mir befannt |
wurden, ob fie gleich ohne Erklärung nicht jeder veriteht, jo wie
auch die bloß in einer Provinz gebräuchlichen, mußte ich, da
fie doch einmal von den Deutichen mündlich und fchriftlich ge
braucht werden, demnach hier mit aufnehmen, und daher kann
ich wohl auf dem Titel mit Necht Jagen: Schimpfmwörter der
Deutſchen. . .« Berfaffer des Buches war 9. Lor. von Panßner
aus Arnftadt, kaiſerlich ruffiicher Staatsrath, Studiendireftor und
Direftor der Commerzſchule in Petersburg, der 1797 das Arne
ſtädtiſche Gymnaſium verfaflen hat und 1851 zu Arnftadt im |
Ruheftande geftorben ift. — Wal. Kroſchel, Beiträge zur Ges
ſchichte des Arnftädter Schulweſens und Verzeichniß der Pri- |
164
maner bon 1765 bis 1890 (Jahresbericht des Arnſtädter Gume
nafiums, 1891). — Urnjtadt. N.
Neue Bücher.
Schleſſing, U, Deutiher Wortihap oder der paljende
Ausdruck. Praft. Hilfs- u. Nachſchiagebuch njw. 2. Aufl.
Stuttgart, Neff. NXIV u. 456 ©. gr. 8. geb. 6 Mt.
Matthias, Theod,, Spradleben und Sprahidäden.
Ein Führer durdy die Schwankungen und Schwierigkeiten
des beutichen Sprachgebraudes. Leipzig, Richard Richter
VIII u. 465 ©. 8. 54: Mt. (Beiprehung folgt.)
denne, Mor., Deutihes Wörterbub. 4. Halbband (Licht bie
Duittung). Leipzig, Dirzel. 5 Me.
Ehrlich, Guſt, Dodhwohlderjelbe — Eine Mahnung an
den deutſchen Beamtenftand. Dannover, Karl Mever. 2 ©.
Derjelbe, Leitfaden für den deutſchen Sprad-
unterricht. II. Theil. 48. Aufl. Ebenda. 10 S. 1 ME.
Zeitungsſchau.
— Im Sonntagsblatte der Berliner »Hermania« finden
wir einen Aufſatz von Ferd. Ortjohann über »Unſere
Bornamen« (ſ. unten). Wir glauben auf dieſe treffliche Ar—
beit bejonders um befmillen hinweiſen zu jollen, weil jie in
einem erfreulichen Gegenjage zu den feindjeligen Auferungen
fteht, die fich einige Nerifale Zeitungen, beſonders das Kölnische
Baftoralblatt, unjerm Heinen Kalender gegenüber nicht derjagen
tonnten (vergl. Ep. 36/7 u. 4951). Der Verfaſſer jpricht jelber
am Schluſſe den Wunſch aus, daß ſein Aufſatz »die deutſchen
Perſonennamen wieder zu größerer Ehre und Geltung bringen
und in der deutſchen Familie die Liebe zu unſeren heimiſchen
ſchönen und inhaltreichen Taufnamen erneuern und befeftigen«
möge, Dies ift befanntlich auch unfer Wunſch. Und fo hoffen
wir, daß auch in dem jet widerſtrebenden Ktreiſen allmählich
die Überzeugung durchdringen wird, daß fich mit einem gut
chriſtlichen Bewußtſein der Gebrauch unferer alten, herrlichen
Bornamen wohl verträgt. 8.8,
Neue Aufſätze in Zeitungen und Zeitjchriiten.
ug ir bitten bie geehrten a a ae alle
— — ehörigen Aufſätze, von denen fie Fenntniß er—
angen, geräigft dem Vorfigenden zu überfenden.
Hanke, ®, Zur Belämpfung der Spradgebreden.
Nadı einem am 5. Juli im »Üngl. Garten« zu Görlitz ge
haltenen öffentlichen Vortrage bearbeitet. — N, Görl. Anz.
Nr. 158, 159 und 162 vom 9., 10. und 14. Juli. 484 Sp.
(Über ge des Stotterns und Stammelns; vergl.
D. Berfhan, Über Störungen der Sprache uf. Berlin 1889.)
B. Wer madt den Spradgebraud? Leipz. Btg.
Nr. 158 v. 11. Juli. 1% Sp. — (Über Wuſtmann und die
Gegenſchriften von Erbe, X*,*, ärger und Minor; vergl.
Rr.5 u. 89). .
Schütte, Dito, Die Komit des Voltsmundes. —
Braunſchw. Landes-Ztg. Nr. 309 v. 5. Juli. (Einige ſpaß⸗
gen Stückchen aus dem Bauernlatein und Berwandtem.)
A. G, Spraddummheiten und Spradgrobheiten
— Staatsbürger-Ztg. (Berlin) Nr. 330 v. 18. Juli,
Wuſtmann u. Minor ; vergl. Nr. 8/9 Sp. 143.)
Edart, Wiener Plaudercien: der Biener Schnabel
und Leipziger Sprahdummbeiten. — Breslauer
Zig. Nr. 4 v. 19. Juli. Desgl.)
R. B., Geift und Weſen der deutiden Sprade —
Leipz. Ztg. Nr. 169 v. 23. Juli, 2 Sp. (Treffliche Ausfüh-
rungen unter Anlehnung an Seh: bergl. Ar. 8/9 Sp. 147j8,
H. T., Juriftendeutih. — Ebenda 3 Sp. Sachkundige
Darlegungen mit zahlreichen Beiſpielen und geſchichtiichen
Rüdbliden.)
(Über
165
Deutidh in Frankreich. — Die Pot (Berlin) und danach
Leipz. Big. Nr. 169 v. 23. Juli, 27% Sp. (Über Urt, Um
fang und Zweck des Unterrichtes im Deutichen bei den Fran»
zofen.)
Schwan,®, Allerband Spradverftand. — Beilage 30
4. Germania (Berlin) 24. Juli. (Gegen Wuftmann im
Sinne von %*,*; vergl. Nr. 8/9 Sp. 141.)
Deutihen. — Sonntags» Plauderer, Beilage des weitfäl.
Wochenbl. (Baderborn) Nr. 20/22 u. 24 v. 15., 22. u. 29.
Mai u. 12, Juni. 4 Sp. (Mnregende und inhaltreiche
Blauberei über Derleitung und urfprüngliche Bedeutung einer
toben Anzahl von Scheltwörtern, die ja das Zei in
onderer Fülle und Mannigialtigteit geichaffen hat.
Derielbe, Unfere Bornamen, ihr Urjprung und
ihre Bedeutung. — Sonntagsblatt der Germania (Ber-
tin) Nr. 25/9 v.19. Juni bis 17. Juli. 13 Sp. (©. o.)
Kirchhoff, Mir, Zur Namenberidhtigung der far»
ten des deutſchen Reichs. — Aus allen Welttheilen
(Leipzig) Juliheſt. 4 Sp.
oldt, U, Bom deutjhen Dftieeftrande. — Memeler
Dampiboot Nr. 176 v. 30, Juli. (Der Ber. leiſtet u. a.
folgenden Unfinn: »Der a. d. Spr.» Ber. will die deutjche
Sprache von allen Fremdwörtern reinigen.“ Wo ftcht das
geichrieben, Herr Boldt? U. A. mw. g. ‚Eine treffliche Zurück⸗
weijung erhielt diefer Auflap in dem folgenden.)
Gehrmann, Bruno, Deraligemeine deutjhe Spradı-
verein; eine Abwehr. — Ebenda Wr. 180 v. 4. Auguft.
(Siehe den vorhergehenden Aufſatz)
Hartmann, Felix, Über Spradridtigfeit. — Deutſch.
Wochenbl. (Berlin) Nr. 31 v. 4. Aug. 8 Sp.
Schweizerijhber Spradenjtreit. — Bajeler Nachrichten
Nr. 215 v. 12. Hug. 1&p. (©. oben Sp. 157.)
Wagenabtheil; eine Entgegnung. — Deutſche Warte
Kr, 183 dv. 7. Aug. (Rechtfertigung des Wortes.)
Linhoff, Mattias, Der Abtheil. — Münſter. Anz. Nr. 177
v. 5. Juli. (Desgt.)
Abtheil. — Voſſiſche Ztg. Nr. 353 v. 31. Juli. (Desgl.)
Wafjerzieher, Exrnit, Wiekerbenifert im Hochdeut—
ee — Tägt. Rundſchau (Berlin) Wr. 186 v. 11. Aug. 3Sp.
Die Fremdwörter in der Armee — Hannöveriche Bolt
Nr. 194 dv. 19. Auguft.
Neder, L, Verdeutjhung von Fremdwörtern —
St. Petersb. Ztg. Ne. 286 dv. 11. (23.) Auguſt. 4 Sp. unt.
d. Str, Micht ohne höhnischen Beigeihmad und in unjan«
berer Sprache geichrieben.)
Die «Reinigungs von Sprade und Edrift. — Berl.
Börjen » Courier Nr. 420 v. 25. Aug. 2 Sp. (»Die gegen-
wärtig in Deutjchland auftretenden purtjtiichen Tendenzen
fennzeichnen ſich durch ihren abjoluten Mangel an Verſtändniß
für die natürliche Spracdausbildung und vor allem jür die
Forderungen der Zeit.“ Und mit ſolchem albernen Blech
macht ſich der B. B.⸗C. breit! Trauriger Muth der Un—
wiſſenheit und Wenntnißlofigfeit.)
Branmanı, Die Juden als Dauptfeinde deutſcher
Sprade und Schrift. — Staatsbürgerzeitung (Berlin)
Nr. 395 v. 25. Aug. 1 Sp. (Streng antijemitifc.)
Waſſerzieher, Ernſt, Spradlieben und Sprad-
ihäden. — Tögl. Rundſchau Wr. 207 v. 4. Sept. 5 Sp.
(Unter Zugrumdelegung des gleichnamigen Matthias’ichen
Buches; J. o. Sp. 164.)
Reuter, R, Allerband Spradverjtand — Rhein.
Surier (Wiesbaden) Nr. 249 v. 7. Sept. 5 Ep. unt. d. Str.
(Unter Yugrundelegung des gleichnamigen Büchlein; ſ.
Nr. 8/9 Sp. 1-41.)
Aus den Pweigvereinen.
ws Wir bitten Die geehrien Vorftände der Zweig—
vereine, ums für den Abdrud an diejer Stelle alte diejenigen
Nachrichten aus dem streije ihrer Vereine in möglichlt |
furzer Faffung — die von allgemeinerer Bedeun—
tung find oder deren Kenntniß für die übrigen Zweigvereine
nützlich und jördernd fein kann.
Halle a. d, Saale.
unjeres Zweigvereins ftatt, in der der Vorfigende, Herr Gymna—
|
Ant 8. Juli fand eine VBerjammlung |
166
fialdireftor a. D. Prof. Dr. Lothholz, einen Vortrag über
anne des Großen Verhältniß zur deutfhen
itteratur bielt. Im Anſchluſſe an den berühmten Brie
des genialen Königs »über bie deutiche Litteratur« wurde au
bie von Auftus Möfer, und Goethe gerade über Dieles
Schreiben vorgebrachten Äußerungen Rückjicht genommen und
' die Mbneigung des unter franzöfifchen maßgebenden Ein-
(Drtjobann, Ferd.), Schimpi- und Scheltnamen im
flüflen erzogenen Fürften gegen die deutjche Lirteratur dadurch
erflärt, da erit in den Tagen, wo der König jchon älter ge
worden war, das deutjche Geiſtesleben mit Leſſing, Windelmann,
Klopftod, Wieland, Bürger, Goethe und anderen einen Aufſchwung
zu nehmen begann.
Norden. Am 7. Juli hielt in unjerem Zweigvereine Herr
Oberlehrer Dr. Saalfeld aus Blankenburg a. 9. einen Vor—
trag über die Frage: Was will und was fann der allgemeine
deutiche Sprachverein? Die Ausführungen des Nedners wurden
mit lebhafteitem Beifalle belohnt.
Bersmold. Unſer Zweigverein, der im Februar d. 3.
ejtiftet it und jegt 21 Mitglieder zählt, hielt am 21. Juli eine
erfammlung ab, in der Herr Lehrer Rehmer einen Vortrag
ielt über deutſche Ausſprache, insbejondere über einige
erjchlußlaute und jp, ft, Hl im Anlaute.
Anfragen.
Gefällige Mittheilungen auf dieje Anfragen
find an den Derausgeber der Zeitjchrift (Näheres
j. unten) zu richten.
Adieu. ‘
Wir bitten unjere Zweigvereine und einzelnen Bereinsgenojjen,
uns Mittheilungen über die Ausſprache von Adieu (adjeh, adjes,
atchö, tchö ujw.) in ihrer Gegend, wie auch über die bei
ihnen gebräuchlichen beutjchen Grußworte (Gutenmorgen, Guten—
tag, Behüt' di Gott, empfehle mich, hob’ d'Ehr' ufw.) zu machen,
damit auf deren Grundlage etwas Ausführliches über dies un-
liebjame Fremdwort und jeine beiten Erjagtwörter ausgearbeitet
werden kann. ———————
Etiquette, Gaufrage, Guilloche,
Das »Flluftrirte Briefmarken » Journal bejleifigt jich (mit
Ausnahme jeines eigenen Titels) einer möglichit reinen Sprache
und jucht auch Fachausdrücke feines Gebietes zu verdeutichen,
wobei es freilich auf manche Schwierigfeiten ſtößt. Es bemüht
fich jept Erjagwörter für »Etiquette, Gaufrage und Guilloche-
zu finden und bittet um geeignete Vorſchläge, indem es hinzu—
fügt, daß es »nicht etwa bloße Überiegungen, jondern vielmehr
deutiche Ausdrüde wünſche, welche die Bedeutung und den Sinn
des Fremdwortes völlig wiedergeben.“ Wir theilen diefen Wunſch
unjern geehrten Leſern mit und bitten auch unjrerfeits um Vor—
ichläge.
Kriefbeantwortungen.
BB AYuichriften ungenannter Abjender bleiben un be—
rüdjichtigt, — Auf einen Schriftwechſel über einzelne
Theile des Inhaltes der Yeitichrift kann fich die Leitung nicht
einlajien.
Herrn dB... in Hamburg. Wenn die Nuhrorter Fig.
am 7. Juli von »unferm nationalen Prestige« jprad,
jo muß man bedauern, bab fe für unfer nationales Anfehn nur
ein — jranzöfijches Wort hatte. Traurige Angewöhnung
und jträfliche EC.
Herren R ‚in Deſſau. Budapeft ijt der nad) dem
Ausgleiche von 1867 amtlich eingeführte Name der Dauptitadt
des Hönigreiches Ungarn; daran ijt nichts zu Ändern, Uns bleibt
es unbenowmen, ftatt des maghariſchen Namens Buda Den zu
jagen, aljo Ofenpejt oder nur Peſt. Für den Ungarn hat der
Name Budapest eine hohe politiidye Bedeutung.
Frau von dd... in Kreuth. Mit beitem Tante ber
nugt. Wir haben ſchon wiederholt die ſchlechte Sprade von
Uberjegungen gerügt und behalten dieſe wichtige Sadıe ſtets
im Auge.
167
Ham eEeW... in Elberfeld. Ahr Borichlag, fremde
ſprachige Ladeninſchriften u. dal. m. zu befteuern, ift nicht
neu (j. Jeukhrift V 142). Wir zweifeln aber jehr, daß bei
uns die Sejeggebung ‚auf diejen Gedanken eingehen würde.
Herrn ®... in Bersmold. Über die Ausſprache
des Deutichen belehrt gut ein Büchlein von Vietor: Die Aus-
—* des Schriftdeutichen (Leipzig, Reisland. 1890). Aus-
ührlichere und ftreng wiſſenſchaftliche Unterweiiung gewährt das
Werft von Trautmann: Die Sprachlaute im Allgemeinen und
die Laute des Engliſchen, Franzöſiſchen und Deutichen im Be—
ſonderen (Leipzig, od. 1886).
Seren FR. ... in Saarbrüden Das Wort »Atten« |
täter« ift allerdings eine Mifbildung, umjomehr als dabei
168
leicht ‚an »Thäter« gedacht wird und das Boll aud viel»
fach »Atten-Thäter- ſpricht. Sie irren aber, wenn Sie die
Urbeberichait des Wortes dem Hladderadatich zueignen. Schon
mehrere Nahre vor dem Entftehen dieſes Blattes (1848) hieß es
in dem Nührgedichte auf den gegen König Friedrich Wilhelm IV.
im Schloßhofe zu Berlin gemadten Mordverfuh u. a.:
»Dies war Tichech, der Hochverräther,
Königsmörder, Attentäter.«
»Attentat«e fommt übrigens vom lat. »attentare — antajten,
derjuchen« und wird bei uns ausjcließlih im Sinne von «Morde
verjuch® gebraucdt. Wir halten einen Kampf gegen »MAttentat«
und »WAttentäter« zur Zeit für ausfichtslos.
Geſchäftlicher Theil.
In der Hauptverfammlung vom vorigen Jahre war auf |
Grund einer Heinen Arbeit des Heren Profefjors Erbe in Stutt-
gart über »die Fachausdrücke der deutichen Sprachlehre in der |
Bolksjchulex eingehend verhandelt und darauf beichloflen worden,
nah Mafigabe von 4 einftimmig angenommenen Sägen die |
Angelegenheit weiter zu bearbeiten (Zeitjchrift 1891 Sp. 1106). |
Über dieje Weiterbearbeitung hat Herr Profeſſor Erbe dann in |
der Zeiticheift 1891 Ep. 161/6 und 1892 Sp. 64/7 unter der |
Überfchrift »Die deutiche Sprachlehre im deutſchem Gewande-
berichtet und namentlich in dem leßteren Aufſatze von einer |
neuen ben Zweigvereinen zu macenden Vorlage geiprocden. |
Dieje Vorlage ift Ende Juli gemacht worden; fie bejtand:
1) aus dem Hejtchen »Die deutjche Spradliehre |
in deutſchem Gewande ujiw.« bearbeitet von Deren |
Profeſſor Erbe und
2) aus em Stimmzettel, |
Die gecehrten Borftände find gebeten worben, |
den Anhalt des Heftchens einer jorgjamen Prüfung zu |
unterziehen und einen ber Stimmzettel, in der darauf
angegebenen Weiſe ausgefüllt und vollzogen, bis Ende
Februar f. I. an den Borfigenden einzujenden.
Einzelnen Bereinsgenojfen, die ſich perjönlih an
der weiteren Bearbeitung dieſer wichtigen Sache betheiligen
wollen, jtehen Abzüge, fomweit der Vorrath noch reicht, auf |
gefällige Anforderung beim Borfigenden unentgeltlich zur Ber-
fügung.
"angegeben werben.
Mit der nächſten Nummer dieſer Zeitichrift (Ne. 11 v. 1. Nov.)
wird das
Wiffenihaftlihe Beiheft III,
ſowie das
Heft V der Berbeutfhungäbüder
Wir weiſen bierauf ſchon jetzt hin umd
bitten die geehrten Vorſtände der Zweigvereine, rechtzeitig Vor«-
bereitungen zu treffen, damit dieje Drudiacdhen mit der
Nr. 11 pünktlich in die Hände unjerer Vereinsgenoſſen ger
langen.
Auch verfehlen wir nicht, hierdurd dringend um unger
‚ Säumte Zahlung der noch rüdjtändigen
VMitgliederbeiträge für 1892
zu erjuchen, insbejondere diejenigen Zweigvereine, die für das
laufende Rahr überhaupt nodı feine Zahlung geleiftet haben.
Anmeldungen
numittelbarer Mitglieder
\ unter Beifügung von mindeftens 3 Mark, nimmt der Schagmeifter
des Gejammtvereins, Herr Karl Magnus in Braunſchweig
(Breitejtraße 2), entgegen. Dieſer ift auch gern bereit,
außerordbentlihe Geldzuwendungen,
beren der Verein zur fräftigen Förberung der ganzen Bewegung
immer noch bedarf, anzunehmen.
Der Vorstand des Geſammtvereins.
9. Riegel, Vorfigender.
In unterzeichnetem Berlage erjchien:
Unter dem Stride.
Bunte Bilder ans beiden Welten von Serman Riegel.
Inhalt: L Bou ber Themſe zu ben Pyrenäen. — Un der Themſe. — Am Stranbe ber Nordſee. — Paris, Erinnerungen und Betrachtungen. —
Duer durch Frantreich. — Eine unfreimillige Wallfahrt nad Lourbes.
IL Bon den Alpen bis zum Velun. — Aus ber Stabt bes heiligen
Markus. — Italieniſche Arabesten. — Bettel und Barmherzigkeit in Italien. — Garibaldi'ſche Erinnerungen aus dem Herbſte 1867. — Erinnerungen
aus dem päpftlichen Rom. — Der Bapft im neuen Rom. — Kleine Abenteuer und große Eindeüde in MeapelL III. Aus Natur und Leben —
Bas iſt Bildung? — Etwas von Kunft und ſtunſtſreunden. — Das Aufternfrähftüd. — Arbeit und Glück. — Karlsbaber Allerlei. — Beifnahtsiumphonir.
429 Seiten 80.
Preis geheftet ME. 6.—.
u... »Mit bedeutender frebergemanbtbeit, in glängendem Stile geichrieben, feſſelu bie »Bunten Blilder« den Leſer, ſobald er einige Zellen Überflogen hat,
mit liebenswürdigiter Raſchheit und toten ihn, fich dem Steige ihrer wechlelnben
b er von England, Paris, den Al
ergeht, bie
lie Satire wie im Karlsbader Allerlei oder in der Wallfahrt mach Lourdes bat dor mie den
Farben hinzugeben. Nicht umlonft
1 der Berfafler fie »Bunte Bülber« genannt.
" pen oder vom Bapfte plaubert, ob er feine Gedanken aus Ratur und Leben ihöpft, über Bildung, Kunſt and Kunftfreunde ſich
Thorbeiten der Reniben geißelt, oder eine bumoriftiiche Geſchichte gemüthlich erzählt, immer ſchildert und leuchtet feine Beredfamteit, umb ferne gelegent-
eigeihmad der Schärfe oder Menſchenfeind ichte it. (Hamb. Korreiponb.)
Berlan von Hand Püftenöder in Berlin W., 35.
Briefe und Drugfachen jind an den Borfigenden, ‚Heren Mufeumsbdireftor Prof. Dr. Nie nel in Bran nihweig, —
Geldſendungen an den Schatzmeiſter des Vereins, Herrn Karl Magnus in Brannfhweig GBreiteſtr. 2), zu richten, —
Beitrittserflärungen unmittelbarer Mitglieder gleichfalls an den Schatzmeiſter unter Beifügung von mindeftens 3 Mark.
— — — — — — — — — — — e— — — — — —— — — — ç — — — — — — — ——
Die Jahrgänge 1886 — 1800 der Zeitſchrift werden gegen Einſendung von 10 ME. an den Schaätzmeiſter koſtenfrei
übermittelt; 1886 87 allen = 4 ME, 18881890 allein
= je 2 Mt.
Die Berdeutfhungsbüder: I. Die Speifelarte (2. verb. Aufl. 30 Pi), II. Der Handel (2, jehr verm. Aufl. 60 Pi.),
III. Das häusliche und gejellichaftliche Leben (60 Bf.) und IV, Das deutſche Namenbüclein (60 Pf.)
find den Herren Ferd. Hirt und Sohn in Leipzig in Verlag gegeben worden und ausjchlichlic von diejen
durch den Buchhandel zu erhalten.
Aufrufe, Satungen und einzelne RAummern der Zeitſchrift, zum Zwecke der Ausbreitung und Förderung des
Vereines, ftehen auf Anfordern bei dem Vorjigenden unentgeltlich zur Verfügung.
Fur bie Leitung veranmmworslich: F. Euler, Braunidiweig. — Betlag des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. — Drud von Rob. Heine. Meder, Braunſchweig.
> wa — J
VD. Jahrgang Ar. II. 1. November 1892.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Herausgegeben von Herman Riegel.
Dieie Heitichritt erſcheint jährlich zmwölfmal, zu Anfang icbed Monats; fie iſt für die Mitglieder des allgemeinen deutiben Sprachvertins beftimmt, denen fie
unentgeltlich gelichert wird (& 31 der Sayungen). eg oe nchmen die Bweigvereine und der Geſammtvorſtand (Häheres am Schluſſe d. Bf.) eutaegen.
Die Zeitichrift fan and durch den Buchhandel ober die Bolt zu 3 Mt. jährlich bezogen werden. Wegen geichäftl. Anzeigen wende man ſich au die Buchdruckerei —
Voſtanwenungen⸗Frantfurter Gefüngnißverein; — Lehrerverein in Magdeburg; — Roömmler und Jonas; — Amerikaniſches
Deutſch. t deutſchen Sprachlehre in deutſchem Gewande. — Sprachliche Muſterleiſtungen. — Bücherſchau: Goethe = Campe;
— Keipe) — Ehrlich; — Neue Bücher. — Zeitungsſchau: Kölniſche Zeitung; — Schwäbiſcher Merkur; — Neue Aufſfätze. —
Aus Zweigvereinen: Berlin; — Heilbronn; — Trier. — Briefbeantwortungen. — Geſchäftlicher Theil.
Verdeutfchung von Fachansdrücken. ' drüden laffen muß, und daß es nicht zu loben ijt, mer man
Am 28. September verjchied im 75. Lebensjahre Arthur Dafür ein Wort aus der fremde holt. Der deutſche Seemann,
Breufing, Pireftor der Seefahrtichule in Bremen, ein hoch⸗ der immer nur von Breitenumnterichied, Laängenunter—
begabter Mann, der wegen feiner mathematiichen und geogra- ſchied, Zeitunterſchied, Zwiſchenzeit ſpricht, verfteht
phiichen Schriften bei jeinen Fachgenoffen in großem Aniehen ftand. | nicht, weshalb die gelehrten Herren bafür die Baſtardworte
Die Meiften fannten ihn nur als Mathematiker und Geographen, , Vreitendifferenz, Längendifferenz, Zeitdifferenz, Zeitintervall ge-
die Wenigiten hatten eine Ahnung davon, wie jehr ihm das brauchen; er begreift nicht, warum das gute deutiche Wort Ber-
griechiſche und römische Aiterthum am Herzen lag und wie ver, | unftaltung durch Deformation erjept werden ſoll. Wenn
traut er mit diefem war. Es ift für Breuſing fo recht bezeichnend, | unſere gelehrten Herren mehr Fühlung mit dem gemeinen Mann
daf er, als er zur See ging, an Büchern außer einigen ad), | hätten, jo würden fie willen, daß es für Diejen geradezu ein Be—
werfen und der Bibel nur noch den Homer mitnahm. Er hatte durfniß ift, für eine einfache Borftellung auch ein einfaches deut-
fich eine ſolche Vertrautheit mit den Schriften der Alten ver- iches Wort zu haben. Darüber, daß ſolche Begriffe, die nicht im
ſchafft, daf er oft die Verwunderung feiner Freunde erregte. Und | Bewußtjein des ſchlichten Mannes vorhanden, jondern erft durch
gerade dieſe Belejenheit ſowie die nautiihen Kenntniffe, die er | die Wiſſenſchaft geſchaffen und deshalb international geworden
fich auf mehreren Seereiſen und durch eingehende Studien er- | Mind, wie Logarithme, Sinus uf. nicht verbeuticht werden follen,
worben hatte, befähigten ihn, eine »Nautif der Alten« zu jehreiben | Darüber braucht man fein Wort zu verlieren. Aber es iſt doch
und eine »Qöfung des Trierenräthjeld« zu verjuchen. | ein wahrer Segen, daß wir die altfränkiſchen Ausdrüde Triangel,
Breufing, der ftets rührig und auf jo verſchiedenen Gebieten | Chorde, Berpenbifel durch Dreied, Sehne, Loth erſetzt haben;
thätig war, nahm auch an dem »allgemeinen deutichen Spradh- | und ich habe geglaubt, auf diefem Wege zu Nutz und Frommen
vereine«, dem er feit jeiner Gründung ats Mitglied angehörte, | Meiner Schüler weiter gehen zu Können. Ich habe beim Unter-
um jo mehr den regften Antheil, als er ſelbſt jeit vielen Jahren | Fichte, ohme ben geringiten Anſtoß zu geben, eine ganze Anzahl
eifrig bemüht war, in feinem Face die deutiche Sprache von | deutjcher Ausdrücke eingeführt. Für concentrifh und ercentrijch
unnöthigen fremden Beſtandtheilen zu befreien und wiffenichaft- ; Tagten wir einmittig und ausmittig. Für parallel jagten
liche Fremdwörter durch deutſche Ausdrüde zu erjegen. Solche | wir nleifig, für Parallelen Gleiſen, für Parallelogramm
neugeichaffenen Wörter, von denen fich ſchon manche wie 3. ®. | Gleised und nannten den von ſechs Gleiseden gebildeten Hör-
winkeltreu und flähentren für conform und äquivafent | Per im Anſchluß an die Worte tugel, Kegel, Würfel ein Gleiſel.
bei den Gelehrten eingebürgert haben, find leider nicht gefammelt, | Die jungen Leute nahmen das Wort als ein jic von jelbft ver»
fondern finden fich in feinen Werten hier und da zerftreut. Noch | ſtehendes unbefangen hin, und wenn ic) ihnen dann jpäter jagte,
in jeinem fepten Buche »Das Verebnen der Kugeloberfläche für | DaB die gelehrten Herren dafür das Wort Parallelepipedon ge-
Gradnegentiwürfes fpricht ſich Breuſing über Fremdwörter im | brauchten, jo wurde das mit ftürmijcher Heiterfeit begrüßt. Für
allgemeinen und über einige Neubildungen im befondern ſo Parallage, was dem Anfänger einen tiefliegenden Sinn, ein
treffend aus, daß es uns angebracht zu ſein ſcheint, den hierauf | wichtiges Geheimniß zu bergen icheint, während es doch nichts
bezüglichen Abſchnitt wörtlich wiederzugeben. Auf S. 67 heifit | anderes als Berjchiebung der Gejichtslinie bedeutet, jagten wir
ed: »Ich glaube nicht jchliehen zu dürfen, ohme mic) wegen der | Verſchub. Und wenn die Griechen die Figur, bie wie das
von mir gebrauchten deutichen Ausdrüde zu rechtfertigen. Ich Sitzbrett eines Stuhles geftaltet ift, eben deshalb Trapez*) nannten,
ſtehe als Lehrer erwachjenen jungen Leuten gegenüber, die ihrer | ſo Hlaubten wir fie mit demſelben Rechte als Stuhled be—
Mehrzahl nach aus der Volksſchule hervorgegangen, alfo nicht | deichnen zu dürfen. War das Wort nur erft einigemal gebraucht,
gelehrt verbildet find, und es ift nun einmal nicht anders: für —
den ſchlichten Mann hat ein Fremdwort immer etwas Geheimniß ⸗ *) Trapez (tp&reix) bedeutet freilich im Griechiſchen Tiſch,
volles. Er hat die ganz richtige Anficht, daß ſich ein einfacher, | doch aud Tafel und Platte; daher ſcheint die Beziehung zur
jedem zugänglicher Begriff doch auch im beuticher Sprache aus. | Stuhlplatte im vorliegenden Falle nicht unzuläffig. D. L.
171
fo dadıte Niemand mehr an die urfprüngliche Bedeutung; der
Laut allein gab unmittelbar die Vorjtellung. Wer denkt denn
bei den technijchen Ausdrüden Bod, Krahı, Dahn u. a.
noc daran, daß das eigentlich Thiere find? Hätten wir nicht
ſchon längft bei der Luftpumpe das Wort Stiefel, welches
Hohngeichrei würden die Pedanten erheben, wenn es erft jetzt
zur Einführung vorgejchlagen würde. Durch unjere gelchrte
Vorbildung ift und das jpradyliche Erfindungsvermögen, das
unjere Vorfahren in ihrer naiven Anſchauungsweiſe noch befaßen,
ganz verloren gegangen. Ich weiß mich von Puriämus in der
häfjlihen Nebenbedentung des Wortes ganz frei; aber als Lehrer
habe ich die Erfahrung gemacht, daß man dem Schiller den
Eingang in die Wiffenichaft wejentlich erleichtert, wenn man ftatt
eines erſt zu erflärenden Fremdwortes ein fich felbft erflärendes
deutiches Wort gebraudt. Und das hat mic) veranlaft, auch
bei dem Unterrichte in ber Lehre von den Gradnetzentwürfen
nach beutichen Benennungen zu juchen.«
Bremen. E. Wagener.
Juriſtendeutſch.
Der in Nr. 8/9 Ep. 143 mitgetheilte Brief des Herrn Juſtiz-
mintiters Dr, von Schelling an den Herausgeber der Deutichen
Revue, Herrn Dr. Nic. Fleischer, hat biejen veranlaft, »die
Urtheile unjerer hervorragenden juriftiichen Mutoritäten über
die Bejeitigung des mittelalterlihen Juriften-
deutſchs einzuholen und zu veröffentlichen.« Er beginnt mit
einem Briefe Rud. von Gneiſt's im Auguftheite jeiner Zeit
jchrift (j. unt. Ep. 182).
Nachdem Gmeift den Werth einer
leſerlichen Handſchrift hervorgehoben hat, fährt er folgendermaßen |
fort: »Die andere Ermahnung geht darauf, in Beicheiden und |
Urtheilen ein qutes Deutsch zu Schreiben, Unſere heutigen großen
Geſetzwerke find jo ſtiliſirt, daß Die preußiichen Juriſten fich im |
Goethe'ichem Deutſch ausdrüden könnten. Statt bejien hat ge
rade die preußiſche Praxis gar manches barbariiche Wort cite
gelegt, beiſpielsweiſe Verflagter ftatt Bellagter, Referat ftatt
Relation u. dgl. In den Urtheilägründen hajpeln fich lange
Sätze mit jo vielen Zwiſchenſchiebungen ab, daf der Vorlejende
den Athem verliert. Diejer bandtourmartige Stil hängt auch
zuſammen mit den jogenannten Schachtelgründen, welche ber
Entjcheidung mit dem Eingang: In Erwägung, daf ulm. bie
Motive in einem Athem vorangehen laſſen.
Reichsgericht fönnte durch die Stilifirung der abgedrudten Ent-
ſcheidungen wohlthätig in dieſer Nichtung wirken, wie denn auch
die früheren Herausgeber der Entjcheidungen des preußiſchen
Obertribunals eine Neihe von Jahren hindurch, bejonders bei
einigen Senaten, jich redlich um eine klare Schreibweije in furzen
Sätzen bemüht haben. . . Mit Erfolg könnte die Tagespreije auf
üble Gewohnheiten der Gerichte einwirken, beijpielöweile durch
den Abdruck von abjchredenden Sägen, wie fie in den Urtheils-
gründen unserer Gerichtähöfe alltäglich vorfommen; während
unfere alten Richter ſich empfindlich verlegt fühlen, wenn der
tontrolivende Präjident das abgefafite Urtheil mandmal jo
forrigiren muß wie das Ererzitium eines Tertianers, lafjen ſich
diejelben Herren immer noch leichter eine Kritif der Preſſe ger
fallen, und Sie werden ich ein dankenswerthes Berdienft er-
iverben, wenn Sie einmal eine Heine Schredensfammer aus
Stilproben deuticher Gerichtshöfe zufammenftellen.«
Diefer Brief hat »einen alten Richter« veranlaft, au
die National-Ztg. (Nr. 455 v. 4. Hug.) eine Zuichrift zu richten,
in ber es heißt: »Es iſt ja ſehr erfreulich, wenn auch hervor
Unjer deutiches |
172
ren manche Praftiter gegen das jchmähliche Juriſten-Deutſch
gefämpit haben, Wie ſehr aber diejes Deutſch uns Juriften
allen ins Blut gedrungen ift, dafür liefert die Zuſchrift von
Gneift jelbft ein Zeugniß. Er fagt: „Gerade die preußiſche
Praris hat gar mandyes barbariſche Wort feſtgelegt, beiſpiels
weile Verflagter ftatt Bellagter, Referat ftatt Relation und
dergleichen.” Nun erheben wir die Frage: ift denn wirklich
»Berfagter« das barbarifche Wort, oder ift es nicht vielmehr
»Bellagter«? Beide Wörter find Bartizipien von Zeitwörtern,
deren Sinn in unjerer heutigen Sprache nicht zweifelhaft ift.
Hat man Jemanden zur Berantwortung vor Gericht geladen,
jo jagt man: man habe ihn verflagt. Beklagen aber thut
man den, dem ein Unglüd begegnet ift. So fingt ſchon Tamino
den feiner Sprade beraubten Rapageno mit den Worten an:
Ich kann nichts thun, als dich beflagen,
Weil ich zu ſchwach zu helfen bin.
Leider ift aber bei einem Theil des deutichen Juriftenftandes
für den vor Gericht Geladenen das Wort Bellagter üblich
geworden, und leider ift diejes Wort auch in die deutſche Eivil-
procehordnung übergegangen. Wir fönnen nichts thun, als
dies beflagen. Aber wir müflen doch dabei bleiben, daß nicht
das Wort Berllagter, jondern das jeinem natürlidyen Sinne
entfremdete Wort Bellagter ein Ausdrud des Juriſtendeutſches
und, wenn man jo will, ein barbariiches Wort ijt.-
Endlih madıt die National» Ztg. in ihrem Wbendblatte v.
20. Sept. (Nr. 536) auf eine an den Anichlagjäulen Berlins
angeheitete Belfanntmadhung der Staatsanwaltidhait
über die Hinrichtung eines Mörder auimerfiam und bemerkt:
»in endlofen Süßen, geipidt mit Paragraphen- Zeichen und tech—
niichen Ausdrüden, als ob eine juriftifche Behörde an eine andere
eine amtlihe Meittheilung erlieje, wird die Thatſache der er
folgten Hinrichtung zur Warnung der großen Menge angezeigt.
Sogar daf der Mord in ideeller Konkurrenz mit ſchwerem
Naube ausgeführt worden jei, wird dem um die Anſchlagſäulen
fich jammelnden Publikum nicht erlaften. Was mag ſich wohl
ein Arbeiter oder Droichkenfuticher unter der Konfurrenz —
von der ideellen ganz zu ſchweigen — des Mordes mit jchmwerem
Haube denfen? Er versteht unter Stonfurrenz die Mitbewerbung
eines Andern um Lohn, Fahrgäfte oder Kunden. Soll eine
derartige Befanntmahung Eindrud auf die Leſer machen, jo ift
doch wohl die erite Borausjepung, daß fie ihnen verjtändlid)
jei.« Wir empichlen der Staatsanmwaltichaft wiedervorfommenden
Falles die Benutzung unieres V. Verdeutſchungsbüchleins: Die
Amtsipracde von Karl Bruns (j. Sp. 186).
Publikum.
Am 23. Juli 1890 Lradite die Nationalzeitung die Mit
theilung, dab ein Amerikaner jich über die in der Reichshaupt⸗
ſtadt bereit yeitellten Rettungstähne jehr anerfennend geäußert
und namentlich darüber ſeine Freude ausgeiprochen habe, daß
der Magiitrat auf die Daneben angebrachte Tafel geichrieben
habe: »Dem Schutze der Bürger empfohlen.« Der Gemeinfinn
ſei jegt jo entwidelt, da man, ftatt Polizeiftrafen anzubroben,
Wohlfahrtseinricytungen dem Schuge der Bürger empfehlen fünne.
Ih habe die erwähnte Inſchrift auch aus einem anderen Grunde
freudig begrüßt, nämlich weil der Berliner Magiftrat bier das
überflüſſige Wort Publikum über Borb geworfen hat.
Denn unentbehrlich ift es gewiß nicht. Nach Grimms Wör-
terbuche ift es erft im vorigen Jahrhunderte von Berlin her in
die Sprache eingeführt, vermuthlich nach dem franzöfiichen le
zagende Thworetiter den Kampf aufnehmen, ben jchon feit Jahe | public. Früher ift man meift ohne dies Ungethüäm ausgefommen
173
und hat, wie Grimm ausführt, ftatt befien gelagt: die Leute,
Menge, bunte Menge, Belt, Öffentlichkeit, im engeren
Sinne: die Zuhörer, Zuſchauer, Leſewelt. Mit dieſen Be⸗
zeichnungen fommt man im weſentlichen auch heute aus. Wenn z. B.
Jäger im 1. Bande feiner Weltgefchichte ©. 86 jchreibt: Homers
Dichtungen waren ſchon für ein gemähltes, ein ritterliches
Publikum beitimmt, jo wiürbe niemand etivad bermiffen, wenn
er jtatt bes Fremdwortes Zuhbrer gejagt hätte In
anderen fällen bieten ſich andere naheliegende beutiche Aus-
drüde. Wenn vor wenigen Monaten der Leiter des Ditend-
theater in Berlin vor Beginn der BVorftellung die Buichauer
anredete: Verehrtes Publitum, jo glaube ih, verehrte Ans
wejende wäre beffer geweſen. Soll aber die Gejammtheit der
Leute eined Drtes bezeichnet werden, jo empfiehlt jih Bürger,
Bürgerſchaft, wie auf jener Tafel des Berliner Magiftrates.
Den hocdhverehrten Bewohnern der Reichshauptſtadt zeigte
neulich ein Kunſtreiter fein Ericheinen an; andere Unternehmer
und Geichäftsinhaber empfehlen fich dem hochgeehrten Publikum,
bisweilen auch dem hohen Adel und geehrten Publikunt.
Vielfach ift Publilum jo eine Art Ballaft, der mitgeichleppt
wird, weil man mit bem abgegriffenen Worte feinen bejonberen
Sinn mehr verbindet.
Bäder bejuchenden Publitums; warum heißt es nicht einfach:
Beſucher eines Bades? Anzeigen für das VBadepublifum ſteht
in Polzin an einer Tafel, jtatt: für die Badenden oder Bade—
gäfte. Dem Frembenpublitum empfehlen ſich Gaſtwirthe ftatt
ben fremden ober NReijenden, dem Leiepublifum Birche
händler. Ähnlich jteht es mit dem faufenden oder dem gebilbeten
Publikum. Noch mwunderlicher it e3, wenn man das große
Publilum oder gar das größere Publikum zu Tejen be
fommt. Ganz abjonderfih wird dem Leſer der National-
zeitung der Uusdrud erichienen fein, ben ein Berichterftatter in
Nr. 635 v. 3. bei der Beiprechung der beutjchen Arbeitertolonien
gebrauchte, nämfich: »es hat fich im Laufe der Jahre das
Koloniepubfitum als ein anderes herauägeftellt ald erwartet
mwurde.« — In einzelnen Fällen iſt e8 am richtigften, die ganze
Wendung, in der ba? jchöne Wort Bublifum gebraudht wird,
zu ftreichen. In den Poftanftalten mie auf den Bahnhöfen Tieft
man häufig, dab gewiſſe Anordnungen »im Intereſſe des
Publikums« erlaffen find. Das ift doch jo jelbftverftänbfich,
daß ein Zweifel daran feinem Berjtändigen in ben Sinn fommt.
Der Wunſch ift alſo ficher berechtigt, daß dieſe Wendung, wie
mandye andere bes Kanzleiftils, künftig weggelaffen werde. Auch
in den neueſten preußiichen Lehrplänen würde in der Erflärung,
daß die Unterrichtöverwaltung entichloffen jei, den Mikftänden
bezüglich der zu großen Bahl der Schulbücher entgegenzutreten,
die ausdrückliche Verficherung, daß dies im Intereſſe des Publi—
lums geſchehe, niemand vermiffen.
Poriß. Blafenborff.
Aus Luremburg.
Im Anfchlufe an den Hufjat »Luremburg« im Jahr-
gange 1889 d. Ztſchr. (IV 121) geben wir hier folgende Mit-
theilung der Köln. Ztg. (Nr. 724 v. 11. Sept.) wieder: »Die
Stadtverwaltung von Luremburg hat ſich dazu entichloffen, bie
Einwohner aufzuforbern, Vorſichtsmaßregeln gegen die Cholera
zu treffen. Der Polizeifommiffar ließ zu dieſem Zwecke den
Einwohnern einen Zettel zuftellen, der die Mufforderung nur in
franzöjiiher Spracde enthielt. Gegen dies lächerliche
BVerjahren in ſolch wichtigen Umitänden wird im der Qurems
burger Zeitung Klage geführt, mit der ganz richtigen Bemerkung,
Dan findet: zur Bequemlichkeit des die
mm —e — e DD — — — —— — —
174
daß neun Zehntel der Einwohner dieſe Sprache nicht verftehen.
Die Stadtväter von Luxemburg bedienen ſich fortwährend der
»vornehmerne Spradye; man made ſich einmal den Spaß, ihren
Sitzungen beizuwohnen, und man wird fich überzeugen, wie jehr
fie dieſe Sprache, die nicht dafür fann, mißhandeln. In der
Kammer, wo gegenwärtig zufällig fein Mitglied fich der deutichen
Sprache bedient, fteht es nicht beſſer. Die Bauern, die nur in ber
Kammer fiten, um ſich Geldbewilligungen für Gemeindewege und
(jog.) Meliorationen zu erftimmen, müſſen einfach ſchweigen. Einft
hatte ein gebildeter Abgeordneter einen gelehrten Aufſatz über
Schafzucht geichrieben, den er einem biedern Landmann zur
Verlefung übergab, Der Borlefer, der die Rede als jein eigenes
Werf durchgehen laſſen wollte, blieb gleich zw Anfang fteden....
Deutjch könnten die Luxemburger redyt wohl jchreiben und reden,
wenn fie die franzöfiiche Sprache al& eine fremde anſähen, Die
zu kennen unter allen Umftänden nützlich ift, von der fie aber
jetzt nur ein bischen Altenwelſch zu erhafchen imftande find.
Die jümmtlichen franzöfiichen Regierungsaften ftrogen von Sprad)-
fehlern. Schon in Serta, wenn die Schüler faum franzöfiic)
leſen fönnen, trägt man ihnen ſchwere Fächer wie Rechen,
Mathematit und Gejchichte in franzöfiicher Spradye vor, man
frage aber nur nicht wie. Die Folge davon iſt, daß insbejon-
‚ dere die Kenntniß der Geichichte bei den Luxemburgern boll«
fommen erlofchen ift, denn der Unſinn währt jchon 25 Jahre.
Daß überhaupt die Bildung im Luremburg im Rüdgang it,
dazu hat nicht zum mindeften die durch den ehemaligen Staat&-
minifter Blochaujen, theilweife aucd feine Vorgänger, eingeführte
Politik beigetragen, Die dem öffentlichen Leben die Erhaſchung
gewöhnlicher materieller Vortheile zum Ziel gejegt hat, Die
gegenwärtige Negierung hat zwar den Willen, aber noch nicht
die kraft, mit diefer Politif ganz und gar aufzuräumen, und
für das geijtige Leben der Bürger gejchieht leider nichts.“ —
| Dieje Mittheilung wird durch ein Schreiben aus Luremburg vd.
9. Dftober ergänzt, das in viele Zeitungen übergegangen ift und
bem wir Folgendes entnehmen: »Das Luremburger Amts«
blatt erjcheint im deutjcher und franzöfiiher Sprache. Ein die
Antereffen Frankreich verfechtendes hieſiges Wochenblättchen
fann nicht umhin, den Vorwurf gegen bie Regierung zu er—
heben, daß der franzöfiiche Theil ihres Organs in ſprachlicher
Beziehung viel zu wünjcen übrig laſſe. Der Vorwurf, der
übrigens von jachlundigen Leuten ausgeht, ift durchaus bee
gründet, Das Küchenfranzöfiih, das hier erzeugt wird, muß
franzöſiſchen Ohren geradezu ſchauerlich Hingen. Wenn nicht
einmal die Regierung es fertig bringt, fich in tadellofer Weiſe
in der fremden Sprache audzudrüden, jo kann man leicht denten,
wie es in dieſer Beziehung in ben unteren Graben der Beam-
tenhierarchie ausfieht. An den aus dieſen Kreiſen ſtammenden
literarijchen Leiftungen wimmelt es nur jo von orthographiichen
Fehlern, aber trogbem will es der hergebradhte Schlendrian, daß
die unglüdlichen Menſchen fich einer Sprache bedienen, die fie
gar nicht beherrichen. Auch die Abgeorbnetenfammer feufzt
unter biefem unjeligen Bann. Da giebt es etwa ein halbes
Dugend Mitglieder, die ihre deutſchgedachten Gedanken halbwegs
anftändig in franzöfiiche Wörter zu Heiden verjtehen. Der Reſt
ift zum Schweigen verurtheilt. Kommt einmal einem dieſer
Schweiger der verhängnißvolle Gedanke, auch jeinerjeits etwas
auf franzöfifch loszulaſſen, jo wird ein linguiftiiches Ungethüm
zu Tage gefördert, das mit dem beften Willen bei feiner ber
lebenden Sprachen unterzubringen ift. Die Tagesprejje, jo weit
fie in franzöfiicher Sprache erſcheint, fteht ganz auf derielben
atademiichen Höhe.«
175
Arge Dinge.
Die Voßiſche Zeitung enthält im ihrer Nr. 427 (v. 18.
Sept.) folgende Mittheilung: »In einem Berichte über ein Fuh-
ballwettipiel zwiichen den Klubs des Friedrich" Werderjhen Gym⸗
nafiums und des Dorotheenftädtischen Gymnaſiums (zu Berlin)
am 29. August lejen wir in der Beitichrift Spiel und Sport:
„Nach dem Abſtoß um 5° ſchien es, als jollten die Dorotheen-
ftädter einen Teichten Sieg haben, jedoch P. Manning, der geg-
neriihe Capitain, machte alle Anftrengungen zu Schanden. Ein
Goal wurde für ungültig erklärt, da der Ball bereits von dem
Goalkeeper Dr. F. W. binausgeftofen war. Nadı Half Time
um 6° jpielten die Friedrich⸗Werderſchen etwas ficherer und famen,
da fie auch bergab jpielten, mehrmals bis an das feindliche Goal
hinunter, jedoch der Capitain der Dorotheenitädter hielt feine |
Leute ordentlich zujammen, jo dab das Wettipiel unentichieden |
blieb. .. . Wenn fie auch jehr oft fich gegenfeitig den Ball wegnahmen,
zeigten fie doch eine Jdee vom Paſſing und die regelrechte Stidin |
ujm.‘
deutjcher höherer Lehranitalten. Die thörichte Nachahmejucht des
Fremdländiſchen! Was nützen da alle Beſtrebungen des deutjchen
Spracvereins, alle Betonung des deutichen Unterrichts in den
Scuien!« Sehr richtig! Die Oberbehörde follte drein wettern
und diefe Sprachſchünder auf das Kaijerwort v. 4. Dezember
1890 verweilen: »Wir müffen als Grundlage für das Gymna-—
fium das Deutjche nehmen; wir follen nationale junge Deutiche
erziehen und nicht junge Griechen und Nömer,« — aber aud
nicht Engländer oder Affen der Engländer. — Dafjelbe Wort
aber jollten fich auch die Sportleute zu Herzen nehmen, an deren
ichlechtes Engliſch jetzt alle Welt durch den großen Wechjeltvett-
ritt (Distanzritt) von Berlin nad Wien und umgefchrt erinnert
worden if. Warum starten die Herren und reiten nicht ab?
Barum fommen die Pierde in brillanter Condition und
nicht in beftem Stande an? Warum erhält der Heiter einen
Und jolches Skauderweliches bedienen fih Schüler zweier |
Record und nicht vielmehr einen Vermert? Das ichidt ſich
ichlecht für deutſche Meitersmänner.
Schon neulich (Nr. 7 Sp. 119) mußten wir auf die Undentich |
heit eines neuen Gafthofes in Berlin hinweiſen, der fich ftolz
»Der Reihähof« nemnt.
gender Anzeige in den Zeitungen angepriejen:
4 das schünste und eleganteste Ho-
Der Reichshof, telersten Ranges, Wilhelm-
strasse, dir. a. d. Linden. Vornehmste und ruhigste Lage in
Berlin, verbunden mit »Grand Restaurant frangais ä
la Vision«, avec 10 Salons pour Restaurant à la carte. Jardin
et salle de fötes pour 200 personnes. Vins de la maison
Rosmanith et Schaurte, Capital: 1000000 Fres, De-
jeuners. Diners de 2 à 8 heures à 5 Mk. le couv. Soupers
a 3,50 Mk. le couv. Concert des Hussards de Roumanie en
Gala de 4 & 9 heures, J. KRIFKA, ancien directeur des hötels: |
Continental, Kaiserhof et Central,
Der Abg. Herr Dr. Dtto Arendt bemerkt dazu in dem von
ihm herausgegebenen Deutichen Wochenblatte v. 18. Aug. ©. 399:
»Der Reichshof jcheint nur auf den Beſuch von Ausländern
zu rechnen, da er andernfalls wohl nicht die Geſchmackloſigleit
hätte, eine ſolche franzöfiiche Anzeige zu erlaffen. Das deutjche
Publikum empfindet hoffentlich ein derartiges Gebahren als Be-
leidigung. Wir möchten einmal jehen, was man in Paris jagen
würde, wenn ein Hotel de France in Barifer Zeitungen in dent“ |
ſcher Sprache fich empfehlen würde, Solche Taktloſigkeiten wer»
den auch bei uns erjt aufhören, wenn fie empfunden und gerügt
werden und wenn das Bublitum, jomweit ed nationales Bewuht-
jein hat, es ſich zur Pflicht macht, den Bejuch jo empfohlener
Jetzt wird dieſer Gafthof mit fol- |
176
Häuſer zu vermeiden. Glüclicherweiſe haben die wirklich vor»
nehmen Gaſthäuſer Berlins längit das Bedürfniß anerkannt, ihren
deutichen Gäften Anzeigen und Speifezettel zu bieten, die ohne
franzöfiiches Dandtwörterbuch verftändlich find. Wir ftimmen
Dem völlig bei, heben aber nodı nachdrücklichſt hervor, daß Dies
nicht icharf genug zu rügende Verfahren boppelt und dreifach
verwerflich ift, wenn man mit dem Namen »Reichshof- prablt.
Die geihäftlihe Gewinnluſt jcheint in diefem Falle alles An-
ftandsgefühles baar und ledig zu fein. Deutiche, die auf An—
ftand halten, werden jolde Häuſer meiden, wie denn neulich
aus ganz ähnlichem Anlaſſe unſer Zweigverein in Frankfurt a.
M. das dortige Hötel d’Angleterre als ein jolches deutjchieind-
liches Haus gekennzeichnet hat. Einige höchſt geſinnungstüchtige
Beitungen, deren Namen wir einftweilen verſchweigen, fonnten es
fich nicht verfagen, ein halbes Dugend Zeilen mit ihrer fittlichen
Entrüftung über dieſen »neueiten Boncott« zu füllen.
Kleine Mittheilnugen,
— Tie für das Inland beftimmten öfterreihiichen Poit-
anmweijungen zu Öeldjendungen haben auf der Rüdjeite die
Worte: Quittung des Adreijaten; die für das Ausland ber
ftinmten dagegen: Quittung des Empfängers. Auf den erfte
ren findet fidh das Wort: Coupon, auf den legteren: Abſchnitt.
Man darf annehmen, daß die lepteren die neueren find und daß
im Falle eines Neudrudes auch auf den erfteren der Adreſſat
und der Coupon vericdwinden werden. Hoffentlich wird auch
im gleichen Falle die GCorreipondenzfarte der Poſtkarte
weichen. Ebenfo wäre es wohl Zeit, Ausdrüde wie recomman«
Dirt, poftereftante ujw. durch die entiprechenden dentichen
Wörter zu erjegen.
— Der uns überjandte 23. Jahresbericht über die Wirfiam-
feit des fgranffurter Gefängnifipereins, erftattet in der
Hauptverfammlung am 16. Februar 1892 durch den Borfigenden,
Herrn Rechtsanwalt Dr. Ponfich, zeichnet fich, gleichwie die
mit abgedrudten Sagungen, durch eine befondere Reinheit der
Sprache aus.
— Im Lehrervereine zu Magdeburg ſprach neulich
Herr Frank über Karl Erbe's Schrift »Deutihe Sprade
lehre in deutihem Gemwanbde« (j. Nr. 10, Sp. 167). Man
erlannte das Ziel, deutihe Ausdrüde im mutterjprachlichen Une
terrichte allgemein einzuführen, als berechtigt und erftrebenswerth
an, trat den auf unferer Hauptverjammlung zu Dannover auf
geitellten 4 Säßen (ij. VI Sp. 115) bei und beauftragte einen
Ausichuß, die Angelegenheit zu weiterer Berathung vorzubereiten.
Wir freien uns dieſes Verhaltens des Magdeburger Lehrerver-
eins und wünjchen jeher, daß recht viele Lehrervereine dieſem
Beiipiele folgen möchten,
— Schon oft ijt die Unſitte gerügt worden, die ſich an Ge—
ichäftsichildern und in Geichäftsangeigen breit macht, deutiche
Waaren unter ausländifcher, befonders jranzöfticher Bezeichnung
anzupreiien, nouveautds, rideaux, tapis ujw. (vergl. Wr. 7
Sp. 109). Noch tadelnswerther ift diefelbe Unart in Verzeichniſſen
von Büchern und Stunftjachen, So bietet 5. B. das »Berlags-
verzeihniß der Städter und Landſchaftsanſichten—
von Römmler und Jonas in Dresden, dad doc für deut-
ſche Käufer beredjnet ift, unter Anvers (mancher ehrliche Deutiche
wird in diejer Form vielleicht Antwerpen nicht ahnen‘), Fribourg,
Geneve, Le Lac Leman (als ob Genfer» See nicht taujendmal
befannter wäre?), Le Mont Blanc et Environs, Simplon-Route,
Route Gemmi, Bruxelles, lauter franzöfiihe Angaben, zum
Theil für rein deutſche Gegenden. Für ihre Bilder von Amster-
ne — |
177
dam, Haag und Scheveningen verlangt die Handlung Kenntniß
des Holländiichen.} Nur zur Forderung des Verftändnifies des
Ungarijchen für die Peter Aufnahmen hat fie fich noch nicht
veritiegen. Die italienischen Photographen Alinari und Brogi
verfaufen zablioie Bilder ins Ausland; aber ihre Verzeichniſſe,
die fie den Deutjchen, Frangojen, Engländern jenden, find nur
italienisch abgefaßt. Und der Deutjche preift jeine eigenen guten
Erzeugniſſe den Deutichen immer noch mit fremder Zunge an!
Deijau. N,
— Amerilanifhes Deutſch. Als Ergänzung der in
Nr. 4 Sp. 57/8 gebrachten Brobe von amerifaniichem Deutjch
mögen folgende Stüde aus ben einer pennſylvaniſchen Zeitung
entnommenen Lebensregeln dienen: ». . . Es jollte Niemand
zu leichte Butter uf den Markt bringe, un net die bejte frumm«-
beeren um Neppel als obe uf der Bästet!) oder Sad lege,
betahs) von jo Leut kauft mer juft emol. ... Es follt fich fch
junger Mann einbilde, daß er eppes Appartiges is, wenn er en
Schnurrbart rehfe”) kann. . . . Mäd mit Löcher in den Strüms
pfen und mit ſchmutzige Unnerklehder jollten keh Waterfalld *)
tragen un das ‚Nusftoppe‘ unterwegs loſſe. . . Schulmeiter
jollten partifuler ®) dene große Mäd nie mehr lehren, wie in
den Büchern jteht. — Handwerter jollten feh Mäd heiern, die das
Fiano jpielen und goldene Watjchen®) tragen. ... Bube jollten
teh Tubak kauen, wann fie die Mäd jehne gehn, un uf Pic Nics
beim Tanzen keh Eigar jchmohle.”) — Temperenzmuder jollte
an kehm Werthshaus ſtoppe,) wann noch Plap in der Scheuer
is. — Es jollt abſolut net jein, daß Weibsleut fajchionabel ’) in
der Stroß herumlaufen und dahehm Alles im Dred leien ben,
befahs ?) die erfte ſchönſte Fäjchen '%) bei Weibsleut iS un
Fr. Hübler,
1. Nicht unwichtig für die Beurtheilung der von dem Unter—
zeichneten gemachten Verdeutſchungsvorſchläge dürfte die Mit-
theilung fein, daß ſich mehrere von ihnen in der beutichen
Grammatif für Bürgerjhulen von Eggeling und Röleke
gebraucht finden, die in Helmftebt 1834 zum erften, 1856 zum
dritten Male aufgelegt worden ift. Die Vokale und Konjonanten
werden hier Selblaute und Mitlante, ihre Schriftzeichen aber
Selbfauter und Mitlauter genannt; dem entiprechend heihen bie
Buchſtaben auch Lauter. Unter der Benennung Beimwörter
werben die Geſchlechts⸗, Eigenichaft3- und Mittelwörter, ſowie
ein Theil der Zahl» und Fürwörter zufammengefaßt. Die
Kafusformen heißen Fallformen, die einzelnen Kajus Wer:
fall, Wehfall, Wemfall, Wenfall, Anredefall. Für Indikativ,
Konjunktiv und Imperativ wird gewiſſe (beftimmte), un.
gewiſſe (unbejtimmte) und befehlende Redeform gejagt.
Stuttgart. Erbe.
2. Den Zweigvereinen find für eine zweite Abftimmung über
die Kunftausdrüde der deutſchen Sprachlehre Vorſchläge zur
gegangen, die durchweg annehmbar erjcheinen werden. An
einer der wichtigften Stellen jedoch nicht. Für Subject be
friebigt weder das vorgeichlagene Hauptding (dangabe);
noch Sapgegenftand, wie manche Sprachlehren jagen; noch Ding,
Satzhaupt, Satzhauptwort, Sapwort, Hauptwort, Grundbegrifi,
i) storb (basket). — ) weil (because). — *) aufziehen,
eier raise). — *) Waflerfälle (waterfalls). — °) namentlich
articularly). — °) Uhren (watches). — ) rauchen, ſchmauchen
smoke). — °) jtehen bleiben (stop). — N nadı der Mode ger
feidet (fashionably). — ) Mode (fashion),
‚1. Dezbr. 1891.
178
Srundwort, Leitwort, Sapträger, Selbftand, Verſonenwort, Aus»
jagequelle, bie bei der vorigen Abſtimmung vorfamen. ft nicht
Sauptglied vorzuziehen, da doch Subject, Prädicat uſw.
Sapglieder heigen jollen? — Außerdem möchte ich zu erwägen
geben, ob nicht einige Binde⸗s in den Vorſchlägen fallen könn—
ten; 3. B. in Mittheilungsjag, Vergleichungsſtufe, wo fie ohne»
hin nicht geiprochen werben. — Sobernheim. B.
—
Sprachliche Auſterleiſtungeun.
»Denn um feinen Preis möchten wir Er. Durchlaucht gegen-
über irreverenziös erideinen.«e Meues Wiener Tageblatt
Nr. 235 v. 25. Aug. — Bösartige Neubildung!
»Im Palais wurde eine Enquäte mit der Interfuhung
der Angelegenheit betraut.« National-Btg. Nr. 549 v. 28. Sept.
u. and, Bl. nad der Wiener »Bolit. Korreſp.“ Welcher Unſinn!
Enquete heißt und bedeutet nichts anderes ald Unterjuchung.
»Eine Unterjuchung mit der Unterſuchung betraut!« Warum
reden dieſe Leute micht deutich, ſondern Tallen in fremden
Zungen Unfinn? Schon am 4. Dez. 1890 hat ſich der Kaiſer
nachdrüdlich gegen diejes franzöfiiche Wort ausgejprodyen. (Zeit
fchrift 1891 Ep. 1.) — ————
»Am Sonntag hielt Fräulein E, Fode zum zweiten Dale ſeit
Beginn ihrer Bühnencarridre eine veritable joyeuse
rentree auf den Brettern unierer Bühne. Barmer Big. v.
Dieſe Zeitung thut fich ſchon feit Langem
in übelſter Weiſe durch eine geſucht unſaubere Sprache her-
vor. Iſt's denn ſo ſchwer, ein leidlich anſtändiges Deutſch zu
ſchreiben?
Ein nicht weniger arger Mißbrauch der Sprache als die in
ber Zeitſchrift gerügte Umſtellung nach »und« ſcheint mir folgende
häufig angewandte Verkürzung: „Groß und von ſchlankem und
edlem Wuchs, hatte ſie ein rundes Geſicht, ſchöne braune,
bis zur Stirnlinie vorſtehende Augen und gefällige Züge.“ (Bom
Fels zum Meer 1891/2 Heft 7: Am Hofe Napoleon's III. von
Franz Walter S. 579.) Dieje Verkürzung fann meiner Anficht
nad nur gebufdet werden, wenn ber vorhergehende Satz ein
begründender Nebeniag ift (etwa: da fie — —), was hier gar
feinen Sinn Hätte, da meines Wifjens ein Zuſammenhang
zwiſchen einem jchlanfen Wuchſe und einem runden Gefichte
nicht unbedingt anzunehmen if. Geduldet kann die Zuſammen-
ziehung allerdings noch nach einem Saßtheile werden, der eigent-
lich mit während eingeleitet werden mühte, 3. B.: Sonft
ein troßiger, rauher Gejelle, war er dem Mädchen gegen-
über weich wie ein Kind, Schön ift die Verkürzung aber
überhaupt nicht.
Laibach. Wilhelm Hallada.
— Auf heitere Überſetzerleiſtungen machen die Bl. f.
litt. Unterh. (Nr. 40 S. 639) bei Beſprechung der Gejammtaus-
gabe von Bictor Hugo’s Romanen aufmerlfam, die Paul
Heichen »in neuer jorgfältigiter und vollftändiger Uberjegung«
(Berlin, Gergonne) herausgiebt. Er überjegt z. B. oies blanches
durch weiße Eier jtatt weiße Gänſe, equilibre durch Gleichniß
Statt Gleichgewicht, la dame s’est mise A pleurer durch: die
Dame hat ſich gelegt und geweint, ftatt: fie fing zu weinen an
u. a. dergl. m. Herr Heichen fennt die franzöfiiche Sprache nicht,
benugt nicht einmal das Wörterbuch und jebt fich über ben
Begriff eines Wortes, der ſich jhon aus dem Zuſammenhange
ergiebt oder andeutet, kedlich hinweg. Und dennoch wird dieje
ı jämmerliche Überſetzung als »forgfältigft« angepriefen!
179
»Die fünftige breite Ujerfirafe an Stelle der Fiſcherbrücke
wird bereits durc eine rege Bauthätigfeit esfomptirt.« —
NationabBeitung (Berlin) v. 23. September. Welch' ganz und
gar verfehrte Übertragung eines geichmadlofen Börſenausdrucs
auf die Bauthätigkeit, die eine Strafe unter Mbzug von
Binfen weiter begiebt! Dem Verfaſſer icheint etwas tie
»ausbeuten« vorgeſchwebt zu haben. Dann hätte er aber, wenn
er mit aller Gewalt wälicheln wollte, exploitiren jagen müſſen.
Bücerfchan.
— Goethe und die Fremdwörter. Unter diejer Über-
fchrift veröffentlichte O. Dehnide einen Auffap, der in der Juli—
nummer d. Bl., Sp. 115, beiprocen if. Im Anichluffe daran
erlaube ich mir, aus einer Streitfchrift, die der alte Campe *)
gegen die Verfaffer der Zenien richtete, einiges mitzutheilen :
»Die Berfafler der berühmten Zenien,« jo beginnt Campe,
nennen Diejenigen, welche ſich die umverdanfte Mühe geben,
unjere Sprache reinigen und ausbilden zu Helfen, Puriſten,
Kleiderbürſter, Waſchfrauen und Pedanten.« Campe erflärt nun
in jpöttiicher Weife dieſe Ausdrüde als jpahhait, nicht als ber
leidigend und fährt fort: »Was bejonders unſeren Glauben,
dab die Benennungen Puriſt uſw. feine jchimpfende, fondern
vielmehr eine jchmeichelhafte Bedeutung haben müffen, bis zur
Zuverficht erhöht, ift die Bemerfung, da der Herr Geheimrath
dv. Goethe . . . . oft jelbjt fühn und glückich genug dem Gejchäfte
der Berbeutichung obliegt, daß er ftatt der unferer Sprache auf⸗
gebürdeten Fremdwörter neue deutjche bildet ... daß er ferner*
auch von andern vorgejchlagenen Berdeutjchungen einen Platz
in feinen Schriften gönnt.« Bon den Belegen hierzu jeien im
nachjtehenden nur einige von denen hervorgehoben, die Campe
aus Wilhelm Meifter als Goethe's eigene Verdeutſchungen auf-
führt: ichwanffühig für chancelant, überjpringend für alter-
nirend, untergelegte Pferde für Relaispferde, ausweiten für
extendiren, Beimejen für Accessoria, Strengling für Rigorist,
Folger für Successor uw, Es ift feine große Ausbeute, die
Campe giebt; allein das Streben nad größerer Reinheit ber
Sprache ift bei Goethe auch aus diefen wenigen Proben erjicht-
lih. Die Xenien richten fidy eben gegen das Zuviel, das ja
auch heute nicht gebilligt wird, und nennen die Übertreiber in der
Spradreinigung mit Recht ⸗Puriſten-⸗ — Stoderau, R.
— feiper, Philipp, Franzöfifhe Familiennamen
in der Pfalz und Franzöſiſches im Pfälzer Bolts-
mund. Zweite Auflage. Saiferdlautern 1891,
Die vorliegende Heine Arbeit zeigt in überaus anfprechender
Veife, wie die pfälziiche Mundart ſich den mächtig andringenden
franzöfiichen Beſtandtheilen gegenüber verhalten hat, und zwar
nad zwei Seiten hin. Einmal kamen durch Einwanderung
zahlreicher Hugenotten und Wallonen viele franzöſiſche Familien-
namen ins Land; und zweitens drangen auch hier, wie überall
in Peutihland, feit dem 16. Jahrhundert franzöfiiche Fremd⸗
wörter majjenhaft ein, ja hier noch mehr als anderwärts, wegen
ber Nähe Frankreichs und der dadurch hervorgerufenen mannig-
fachen Beziehungen zwiſchen beiden Ländern. Im erſten Theile
feiner Schrift giebt der Verf. ein nad der Buchftabenfolge ge-
orbnetes Verzeichniß der jept noch im der Pfalz vorhandenen
franzöfiichen Familiennamen — es find ihrer nicht weniger als
450 — mit genauer Angabe der Orte, wo ſie vorkommen. Hier
ift es für den Freund ber Sprache höchft erfreulich zu jehen,
wie vortrefflich viele dieſer Fremdnamen »eingedeutichte jind,
* Iihe a und Goethe im Urtheile ihrer Zeitgenofien.
— — — — — —— —— ——— —
180
Wer dächte bei Namen wie Schönung, Boſſung, Gol—
fung, Schording, Weiſang an franzöfiiche Abſtammung?
Und doch find fie entſtanden aus Chenon, Baudeson, Colson,
Jourdain, Vincent. So ging Chandin über in Shanding,
Jaquemart in Shadmar, Chevalier in Shwaljer, Veron
in Wehrum, Carbon in Karbung. Toppelwörter werben
fef zufammengezogen. Aus Saint Marc wird Semar, aus
Sainte Marie Samarie, aus Jean Benois Schembeno.
Allenthalben macht ſich das deutiche Betonungsgeieg geltend, wie
bei Kollinger aus Caulaincourt; auch bei Zufammenjeguns-
gen mit dem franzöſiſchen Gejchlechtsworte, wie Lamour (mit
langem betonten a), Lebon, Lemaire, Laforet (gejprochen wie
Latiree). Daß hierbei auch die Bolfsetumologie vielfach ihr
Spiel treibt, ift jelbftverftändlich. Ein gutes Berjpiel dafür ift
»Yappentajidher Hofe So heiht im Vollsmund der Lap-
perte’jche Hof bei Homburg. Aber auch diefe Bezeichnung ift
entjtellt aus dem Namen des franzöfiichen Generals La Bretöche,
der zu Anfang des 18. Jahrhunderts jenes Grundſtück beſaß.
Während der erſte Theil der Schrift zeigt, in welcher Weiſe
die pfälziſche Sprache ſich bemüht, den fremdartigen Sprachſtoff
ſich anzupaffen, jehen wir im zweiten Theile, wie jie die frangd-
fiichen Fremdwörter mit offenen Armen aufnimmt. Der Bf.
hat nicht die Abficht, alle im Pfälzer Volfsmund vorfom-
menden franzöfifhen Wörter zujanımenzuftellen, er giebt nur
eine Auswahl. Hierin findet fich viel Eigenartiges. Ein Be
amter heißt e Amblochierder (employe), das Mundloch
eines Blasinftruments Ambuſchur (embouchure), eine beione
dere Art von Wurft Anduudi (andouille). Während man
bei unjeren Wagen den Henmſchuh anzieht, dreht der Pfälzer
Bauer die Mid auf. Eine etwas deutlichere Nebenform dieſes
fonderbaren Wortes iſt Mid'nid, weldes uns zeigt, daß das
franzöfiiche mecanique = Triebwerk bier zu Grunde liegt. An
die Zeit ber Fremdherrſchaft erinnert das Wort Konifri=
conserit jür einen, der ſich zum Kriegsdienſt ftellen muß. Für
Zapfenſtreich jagt man in Landau -die Yadrett-. Dieles
rätbielhafte Wort ift aus dem franz. la retraite entitanden.
Das unverftandene Geſchlechtswort wurde beibehalten und bie
Vorſilbe re verſchluckt. Manche franzöſiſche Fremdwörter ver-
danken ihre Einführung dem Code eivil, wie Broſſewerbel
für Berhandlungsihrift — prochsverbal, Forßmaſchör
force majeure u. a, Eigenthümlich iſt die Vezeichnung eines
Menjchen, der fih in alle möglichen Geſchäfte miſcht, als
Mullafär = mille affaires, d. h. un homme de mille aflaires.
Ob das auf E.65 erwähnte Muffler für einen Menjchen, der
fich auf das Muffeln, d. i. tüchtig Eſſen verfteht, wirflich aus
dem franz. moufleur bezw. mouflard Bausback abzuleiten ift,
möchte ich bezweifeln. Der Ausdruck muffeln kommt aud in
anderen Mundarten vor, im Bayriſchen, Wefterwäldijchen, Ober-
ſächſiſchen, Schlefiihen, Holſteiniſchen u. a., im der Bedeutung
mit vollen Baden fauen, entftanden aus Muffel d. h. Mundvoll,
wie Hamſel, Haffel aus Handvoll, Arfel (ſchwäbiſch, vogtländiich)
aus Armboll. — Dresden. d. Dunger.
— Hohmohlderjelbe Eine Mahnung ar den deutſchen
Beamtenſtand von &. Ehrlich, Beamter. (j. v. Nr. Sp. 164.)
Das trefffihe Büchlein von Rothe, der Kanzleiſtil (vgl.
Jahrg. 1890, ©. 60 u. 175) wird durch die vorliegende Schrift
in danfenswerther Weile fortgejegt. Dieje ftellt im ſechs Ab—
ſchnitten (Eurialien, Fremdwörter, neue Bräpolitionen, Zeit»
wörter, Adverbia ala Mbjeftiva, Allerlei Sonderbares) einen
ergöglichen Strauß fonderbarer Nedeweilen ber preufiichen Kanz-
leifprache zufammen, z. B. Anfuge für »Anfügung«, Stener-
181
verwaltungsfeitig für »von ber Steuerverwaltung“, vorgebacht
und beregt für »erwähnt«, ebenmäßig für »auch, ferner, ebenfo« uſw.
Hofien wir, daß das hübſche Werlchen jeinen Zwed erreichen
wird. — Nicht immer ift übrigens der Verfajjer auf der rich-
tigen Fähıte, Die Eigenihaftätwörter Hiefig, dortig, dajig
3. B. find nicht Neuichöpfungen der Hanzleibeamten; jchon in
der mittelhochdeutichen Zeit findet fi) gerade das Wort, von
dem man ed am tmwenigften erwartet, daſig. Nicht anzufechten
ift ferner dad Mittelwort unterftellt für untergeben; es
giebt in ber That zwei Heitwörter unterftellen, ein vorn ber
tontes mit dem Mittelwort umtergeftellt und ein anderes mit
dem Hauptton auf dem Grundwort; das Mittelmort bes zweiten
fautet unterftellt. Diesjeits fann unbedenflid; ald Umftands-
wort gebraucht werden, vgl. 4. Mof. 21, 13: fie lagerten ſich
diesjeits am Arnon. Damit follen freilich Wendungen wie »man
hat diesjeit3 die Bemerkung gemacht« für »von mir, von uns,
von der unterzeichneten Behörde ift die Bemerkung gemacht wor«
den- feineswegs in Schuß genommen werben. Es fommt ja
vor, daß Behörden ſich fo zu einander verhalten, wie wenn eine
tiefe, faſt unüberjchreitbare Kluft fie von einander trennte;
braucht man dies aber durch die Verwendung von diesjeits und
jenjeits aller Welt amtlich mitzutheilen? Ebenjo follte ſich bei
den SKanzleiwörtern verbleiben und überfommen ber
Tadel nicht gegen diefe Wörter jelbit, jondern gegen deren une
pajienden Gebrauch richten. Werbleiben und überfommen jind
gut deutich, nur muß beachtet werden, daß »verbleiben« Die
Borftellung des Beharrens enthält, und daß »überfommen« ber
Nede gegenwärtig einen feierlichen oder alterthümlichen Anftrich
giebt. Nicht zu billigen ift es endlich, wenn in einem Buche, das
für Sprachreinheit und Sprachrichtigfeit eintritt, die abgegriffene
Nedensart last not least vorfommt und auf dem Titelblatte fteht:
von ©. Ehrlich, Beamter. — Stuttgart. Erbe.
Neue Bücher.
Vom Grimm'ſchen Wörterbuce iſt die 10. Lieferung bes
VIE. Bandes ( Same — Saumfeligfeit) erichtenen.
Blümner, 9, Yum Hweizeriſchen Schriftdeuticd,
Gloſſen eines Laien zu Buſtmann's Schrift: —— Sprach⸗
dummheiten. Zürich, Ad. Müller. 56 S. 8. 80 Bf.
Grenerz, D.d, Die neuere Spradentwidelung in
der deutſchen Schweiz. Übenda. 16 © +40 Pi.
Beitnugsfchan.
— Die Kölnische Zeitung (Nr. 690 v. 1. Sept.) bradıte
eine vortreffliche Mittheilung über das Beftreben unferes
Bereins, den deutſchen Waaren zu deutichen Namen zu
verhelfen, und führte an einer Anzahl von Beiipielen das Trau-
rige der gegenwärtigen Gewohnheiten aus, wobei mit Hahlen auf
den dem deutſchen Bolfe dadurch erwachienden ſchweren Schaden
hingewieſen wurde. Dieje Mittheilung it jehr erfreulicher Weile
in mindeftens 2 Dugend anderer Zeitungen übergegangen. In
der Sache ſelbſt verweilen wir auf die Aufjäge »Ladenjchilder«
in der Wr. 819,
der Nr. 10 v. v. J. (VI 152), fowie auf anderes mehr in d. Bl.
— Der Shwäbiihe Merkur jept in jeinen Weinpreis-
zetteln neueftens für Ouantitätund Qualität die deutichen
Benennungen Menge und Güte. Könnte dies nicht auch ane
derwärts in gleichen oder ähnlichen Fällen geichehen ?
Neue Aufſätze in Zeitungen und Zeitſchriften.
m Wir bitten die geehrten Bereinsgenosjen, alle
hierher gehörigen Aufjäge, von denen fie Kenntniß er«
langen, gejälligit dem VBorfigenden zu überjenden.
Sombert, Anſpruchslos. — Örenzboten Wr. M, ©. 37719,
(Beitrag zur S⸗Frage; vergl. unfere Will,
nn — — — — —— — — — —
und »Deutſche Waare — fremder Names im |
\ Scheint.
Beiheite II), |
182
Juriſtendeutſch. — Deutiche Revue, Auguftheit S. 155/6.
(Enthält einen Brief von R. d. Gneift. Vergl. ob. Sp. 171).
Banderungen im Reiche der Sprachwiſſenſchaften.
— Die Zeitung »das Volf« Nr. 215/6 v. 14/5. Sept. 4 Sp.
(Der ſachtundige Auffap behandelt — bibliſche Wor⸗
ter wie Gehenna, Luciſer, Cherub uſw.).
Jänſch, Theod, (Über deutide Ortönamen). — Fägl.
Rundichau Nr. 187 v. 12, Aug. 1: Sp. (Der Verf behan-
delt die Unfitte, an Stelle deutjcher Ortsnamen fremde zu
gebrauchen).
Deri., (Deutihe Ortsnamen in Briefaufidhriften
von und nach dem Auslande). — Ebenda Wr. 197 0.
24. Aug. 1 ©p.
Bulthbaupt, Heint, Briefgegeneine »bdeutjche Sprad-
und Wusiprah-Nladbemie«. Zeitſchrift »Deutiche
Bühnengenofienihaft« und danach im Berliner Courier Nr.
249 v. 11. Sept. (Einfeitige, doch —— Betrachtung,
von vorgeiafter ag "pi geleitet).
Panthel, Deutiher Spradverein und angeblidhe
Deutichthümelei. — Gegenwart Nr. 35 v. 27. Aug.
(Gute eig Se unferes Bereins).
Waſſerzieher, J —— 4 Deutſch. — Zeitjcht.
f. d. deutſchen Unterr. VI. S. 5637
Hildebrand, Rud, — — Accent a deut-
ihen Namen. — Ebenda VI ©. 5858. (3. ®. Meitle,
Suppe ujw.).
vie, —— Göthiſch und Gallicismus. — Ebenda
v1. ©. 629-637 (unter Antnüpfung an Wuſtmanns Sprach
eh re
Wilke, €, a gt Spradgemiijen, Sprad.
freiheit. — Tägl. Rundichau Nr. 219 v. 18, Sept. 4©p.
Die Fremdwörter in der deutidhen Sprade.
Neichöherold (Marburg) Wr. 511 v. 16, en 3€p. unt. b. Str,
Schrader, derm., Grün. Für die 2. Aufl. d. »Bilderſchmuckes
b, Deuticen Co Sprache beftimmt. — Beitichr. f. deutjche Sprache
dar: vers — Ebenda ©. 211/214.
Müller, Rich, die Spradfreiheit und die Mujit. —
Deutſches Wochenbl. (Berlin! Nr. 38 v. 22. Sept. 3% Sp,
Ofs, Allerlei Sprachliches. — Barmer Ztg. Nr. 230 v.
1, Ott. ir u. d, Str,
Hummel, J. 9. Comenius und die Mutteriprade.
Vortrag geh. im Bweigverein zu Heilbronn. — Bejondere
Beilage des Staatsanzeigers f. Württemberg. Nr. 11/2 v.
10, Sept. ©. 174—182. (©. d. folg. Ep.)
Friedrid, Richard, Deutſch oder Undeutſch? — Blätter
f. litter. Unterhaltung (Leipzig) Nr. 38 v. 22, Sept. 8 Sp.
(Der Verf. legt jeiner enden und gediegenen Betrache
tung Die Schriften von Vlinor 23 KaärgerHeß, Erbe
und Blümner zu Grunde; ſ. Wr. 5 Sp 71, Nr. 8/9 Sp.
141 und 147, ſowie oben ey. 181.)
Eijenbahndeutih. — Grenzboten Nr. 39 v. 22, Sept.
10 ©. (Der Aufſatz tadelt verjchiedene Ausdrücke des Eijen-
bahnverfehrs, z. Th. mit Recht, z. Th. mit übertreibender Schärfe
und mit Einfeitigkeit.),
R. B., Fremdwörter in der Bibel. — =. er Zeitung
Nr. 186 0.12. Aug. 2 Sp. (Der Auf. handelt bei. von Weiz.
jäcker's Überjegung des N. Zejtaments; vgl. geitfchr. IV 1.
Aus den Iweigvereinen.
ws Wir bitten die geehrten Borftände der weig-
vereine, uns für den Abdrud an diejer Stelle alle diejenigen
Nachrichten aus dem Kreiſe ihrer Vereine in möglichft
furzer Faſſung zuzuſchicken, die von allgemeinerer Beben
tung find oder deren Kenntniß für die übrigen Sweigvereine
nützlich und jörbernd fein Tann.
Berlin An eine Anzahl angefchener Gefinnungsgenoffen
war von jech® hierjeibjt wohnenden Mitgliedern des Ge»
fammtvoritandes die nachitehende inladung gerichtet
worden: » Wie Ihnen, hochgeehrter Herr, befaunt jein dürfte,
haben fid) die Beziehungen bes Berliner Zweiges des Allg.
deutschen Spracvereins zum Geſammtvorſtande, bem anzugehören
' wir die Ehre haben, jeıt Mai diejes Jahres derartig geitaltet,
daß ein gebeihliches Zulammenwirfen nicht weiter ‚möglich er⸗
ir halten deshalb die Bildung eines mit dem Ge—
fammtvorftande in volliter Übereinftimmung wirkenden neuen
183
Zweigvereins in der Reichshauptſtadt und ihrer Umgebung
für jehr erwünſcht und erlauben uns deshalb, Sie, h. H., zu
einer Belprechung diefer Angelegenheit auf Sonnabend, ben
15. Dftober 1892 abends 8". Uhr nach dem Burggrajenhofe,
Kurfürftendamm> und Aurfüritenjtraßen-Ede, ganz ergeben ein—
zuladen. Bei ber Wichtigfeit der Sache geben wir uns ber
uverfichtlichen Hoffnung auf geneigte Erfüllung unferer Bitte
Bin Berlin im Oktober 1892. Dr. M. Jähns, Überjt-
feutnant a. D. — Dr. Otto v. Leirner, Scrijtiteller, —
vd. Mühlenfels, Geh. Finanzrath und vortrag. Rath im
Finanz-Dinifterium. — Dr. Baul Pietſch, Univerſitäts-Pro—
feffor. — Sarrazin, Geh. Baurath im Minifterium der
öffentlihen Arbeiten. — Freiherr v. Ungern-Stern-
berg.« — Die Berfammlung erfannte in einer etwa andert⸗
halbjtündigen Verhandlung, in der wie begreiflich die Lage ber
Dinge am hiefigen Orte angemefjen zur Erörterung gelangte,
die Nothiwendigfeit an, »zur Gründung eines mit dem 1. Januar
1893 ins Leben tretenden neuen Zweigvereins für Berlin
und Umgegend zu jchreiten, deſſen Beltreben darauf gerichtet
fein wird, ein gedeihliches Zuſammenwirken mit ber Gefammi-
leitung des allgemeinen beutjchen Spradjvereins zu pflegen;« fie
jeßte auch einen bejonderen Ausſchuß zur fchleunigen Borbereitun
des Weiteren nieder. Eine zweite —— foll demnädft
ftattfinden.
Heilbronn. Der in unferm ABweigvereine am 28. März
von — Stadtpfarrer Pic. Hummel gehaltene Vortrag
über Johann Amos Eomenius und die Mutteripradie (Nr. >
Sp. 75) ift in der »Beſonderen Beilage des Staats+ Anzeigers
für Württemberg« vom 10. tember auf S. 174 182
abgedrudt und jomit weiteren iſen zugänglich geworden.
Das Ergebniß, zu dem ber BVerfajjer in jeinen anregenden
Ausführungen gelangt, geben wir mit feinen eigenen rien
wieder: »Comenius Hat das Wort mit der Sadıe, die Mutter-
fprache mit dem ganzen geiftigen Sein der Einzelperjon wie
des Volles grundlegend verbunden; er hat der Mutterſprache
nicht nur im Nahmen der — mutterfprachlichen — Vollsſchule,
fondern im Lernen und Leben eines ganzen Volles den richtigen
Drt gegeben, indem er fie als Grundlage der gejammten jpracı-
lichen und fachlichen Ausbildung erfannte und vermwerthete.-
Trier. Wir hatten am 13. Dftober uniern eriten Vereins
abend in dieſem Winterhalbjahre. Der Borfigende, Herr Ober-
lehrer Dr. van Hoffs, theilte mit, daf gedbrudte Ein:
— — — — — — — —
184
fadbungen zum ®Beitritte verfandt und daß darauf bereits
24 Zuſagen erfolgt jeien, jo da ber Verein jetzt 78 Mitglieder
zähle, deren Zahl fich vorausfichtlich in den nächſten Tagen noch
vermehren werde. Dann wurde über die Schriften von Härger,
x*,*, Erbe und Minor (vgl. Zrichr. Nr. 5 u. 8/9) berichter und
verhandelt, und es wurde eine Ergänzung dieſer Erörterung für
die nächte Verfammlung in Ausficht genommen.
Sriefbeantwortungen.
ws Auichriften ungenannter Abjender bleiben unbe»
rüchſichtigt. — Huf einen Schriftwecdjel über einzelne
Theile des Inhaltes der Zeitjchrift fann ſich die Leitung nicht
einlafien.
Seren #...in Stoderau. Das widerwärtige con-
doler ijt bereits in der Nr. 7 Sp. 120 erledigt. — Wenn das
Wort chatouille (in Willomitzer's Grammatik u. a. Büchern
wirklich Schatulle bedeuten jol, jo wäre die Schreibweiſe wirt-
lich unfinnig; chatonille bedeutet aber fonft eine Art Fiſchlö—
der. — Beidlebig, Statt amphibiich, wie es Goethe im Egmont
braucht, ift wohl allgemein befannt. — Das Übrige wird danf-
bar benußt.
Dderrn GM... in Nürnberg Das Berl. Tage»
blatt ift wegen feiner unjaubern Sprade befannt (vergl. Nr. 2
Sp. 24); es wundert uns deshalb nicht, daß es in der An—
preifung von Spielhagen's »Sonntagsfind«, die jegt in allen
Yeitungen zu lejen war, diefen Roman »al& eine Dichtung von
echter deuticher Art bezeichnet« und dabei Ausdrüde wie »bren-
sende Metualität, detaillirtes Milieu« u.a. m. braudıt
Solche Blätter jollten doc die »echte deutſche Art« aus bem
Spiele lafjen, folange fie eine jo undentiche Sudelſprache führen.
Herrn ©... in Graz. hin-dan iſt allerdings die
ältere und namentlich mittelhodhdeutiche Form, doch ift fie jpäter
in hbint-an umgeftaltet und umgedeutet worden, jo daß gegen-
wärtig hintanfegen u. &. m. als allein richtig bezeichnet werden
muß; hindaniegen verjteht nur noch der Spracdhgelehrte.
errn d... in Wejel. Gegen Wendungen wie: zur
Meldung, zur Ausbietung ufw. bringen hat die Zeitichrift
ſich ichon wiederholt ausgeſprochen. — Dem dortigen Tabatshändler,
der ſich ſtolz »Hoflivrancier« nennt, ſcheint das nieder
fändiiche hofleverancier vorgeichweht zu haben. Sollte der
Mann nicht einer verftändigen Borftellung zugänglich jein?
Gefhäftliher Theil.
Wie ſchon vorläufig in v. Nr. angezeigt worden, geht unjern | genofjen, diefe Mafregel, die zur Feftitellung des Mit-
geehrten Bereinsgenofjen zugleich mit der gegenwärtigen Nr. (11)
d. B. je ein Abzug der
Nr. III der Wiffenfhaftlihen Beihefte und des
Heftes V ber Verdentſchungebücher
zu. Die Zmweigvereinsvorjtände empfingen von dieſen beiden
Heiten, außer einem Abzuge für ihre Bücherei, jo viele Abzüge,
als fie Mitgliederbeiträge für 1892 beim Schagmeifter eingezahlt
haben. Wir erjuchen alfo auch hier nochmals,
rüädftändigne Jahreébeiträge
ungefäumt an Herm Karl Magnus in Braunſchweig Breite
ftraße 2 abführen zu wollen, worauf jofort die entjprechende
Nachlieferung der genannten Hefte erfolgen wird. Wir bitten
die geehrten AZweigvereinsvorjtände wie die einzelnen Vereins-
gliederbeitandes unerläßlich it, mit Nachlicht und Ente
gegentommen aufzunehmen,
Anmeldungen
unmittelbarer Mitglieder
unter Beifügung von mindejtens 3 Mark, nimmt der Schagmeifter
des Gejammetvereind, Derr Karl Magnus in Braunſchweig
Breiteſtraße 2), entgegen. Dieſer ift auch gern bereit,
auferordentlihe Geldzumendungen,
deren der Verein zur fräftigen Förderung der ganzen Bewegung
immer noch bedarf, anzunehmen.
Der Borftand des Gejammtvereins,
9. Riegel, Vorſitzender.
‚Briefe und Drudfachen find an den Borfigenden, Herrn Mujeumsdireftor Prof. Dr. Riegel in Brannfhwein,—
Geldfendungen an den Schatmeifter des Vereins, Deren Karl Magnus in
raunfhweig (Breiteftr. 2), zu richten, —
Beitrittserflärungen unmittelbarer Mitglieder gleichfalls an den Schagmeijter unter Beifügung von mindeitens 3 Marf.
Die Jahrgänge 1886 — 1891 der Zeitſchrift werden gegen Einjendung von 12 ME. an den Schapmeifter Foftenfrei
übermittelt; 1886/87 allein = 4 Mt, 1888—1891 alleın RE
Die Berdeutfhungsbüder: I. Die Speijetarte (2. verb. Aufl. 30 Pi), IL Der Handel (2. fehr verm. Aufl. 60 Pf.),
II. Das Häusliche und gejellihaftlihe Xeben (60 Br), IV. Das deutſche Namenbüdlein (60 Bi.) und
V. Die Amtsiprade (60 Pig.) find den Herren Ferd. Hirt und Sohn in Leipzig in Berlag gegeben morben
und ausſchließlich von diejen durch den Buchhandel zu erhalten.
Aufrufe, Sakungen und einzelne Nummern der Beltichrift, zum Zwede der Ausbreitung und Förderung bes
Vereines, ftehen auf Anfordern bei dem Borfipenden unentgeltlich zur Verfügung.
nz — ——
Für die Leitung verantwortlich: J. Euler, Braunſchweig. — Verlag bes allgemeinen deutſchen Epracdvereins. — Druck von Job. Heine. Meyer, Braunſchweig.
ie 2 —
Jahrgang Ar. 3
1. März; 1894.
Beitfgri
allgemeinen deutfchen Spradjvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Nuftrage des Vorjtandes herausgegeben von Friedrih Wappenhane.
Dieje Zeitſchrift ericheint jährlich zuölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen beutichen Epradivereins unentgeltlich
gellefert (Sapung 24).
Die Zeliſchriſft farın auch durch den Buchhandel oder bie Boft
zu SM. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch ben Scapmeiiter
Eberhard Ernft, Berlin W.al, Wilbelmfer. 90. — Auflage 13600,
nbalt:
„Sedantenloier” Wortgebraud) und fein Nutzen II. u. III. Von Karl Erdmann. (Schluß.) — Nochmals » Un und Per«. —
faal. — Sprachliche Mufterleijtungen. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsſchau. — Aus den Zweigvereinen. —
hen — Geihäftlicher Teil.
„Gedankenloſer“ Wortgebraub und fein Außen.
Aus einem Bortrage,
gehalten im Dresdner Spradpverein
bon
Karl Erdmann.
Echluß.))
II.
Ich habe biäher nur von den abgeleiteten und zuſammen—
gelegten Wörtern geredet. Ganz ähnlich verhält es fich aber auch
mit den »Metaphern«, ben übertragenen Ausdrüden, den Worts
bildern und Gleichniffen. Bor allem muß bemerkt werden, daß
man ſich über ihre Anſchaulichkeit meiſt übertriebene Vor—
ftellungen macht. Auch wenn ein Bild ausdrücklich fich als ſolches
giebt, verfolgt es nod nicht ohne weiteres den Zwed, unſere
Einbildungstraft derart anzuregen, daß wir uns ein Ding oder
einen Vorgang mit greifbarer Deutlichteit und bis in die Eins
zelheiten ausmalen.
Vergleichende und das Berglicene gleichzeitig im Bewußtſein
vorhanden fein muß. Welch ein Unfinn, ſich in den Worten
Fauſts:
Ach des Geiſtes Flügeln wird ſo leicht
Kein körperlicher Flügel I geiellen!«
ben geiftigen Flügel anfhaulich, nach Farbe, Stoff und Form
vorſtellen zu wollen!**) — Sage id; »die Zeit ift fpurlos an ihm
borübergegangen«, jtatt in abjtralter Weife: »er hat ſich nicht
verändert«, jo habe ich mic, zwar durch ſinnlich anſchauliche Vor⸗
ftellungen ausgedrüdt, aber niemand wird jagen fönnen, er habe
In dem in Nr. 2 der Zeitichrift enthaltenen Abjchnitte
Aufiapes wurde aus fachlichen Bedenken Sp. 29, Mitte,
nderung vorgenommen, die aber leider nur in einem Zeile
erüdiichtigt werben konnte. Wir fegen daher die
nderung noch einmal hierher: »Sie wifjen nicht, daß Gift
uriprüng lich Gabe bedeutet und fo auch Mitgift ohne weiteres
verftändlich wird, dab Meerrettich vielleicht nicht den — ——
Rettich, ſondern Pie rettich (Mähre) bedeutet, dak DI in götze
vielleicht nichts mit DI zu thun Hat, fondern möglicherweife
ge El lautete, alſo jened Wort enthält, das mit dem
lat. alius Die Schriftleitung.
* 34 habe über diefen Gegenstand an anderer Stelle (Kunſt⸗
wart VI, 19, 20 und VII, 1) eine Weihe von Aufſähen vers
öffentlicht: » Über anfchauliche Spradje« und »Der Gefühlswert der
Worte. D. B.
9
dieſes
Das iſt ſchon deshalb unmöglich, weil das
— — — — —
wirklich bei den Worten: »die Zeit iſt ſpurlos an ihm vorüber-
gegangen« etwas auf bie Worte Bezügliches innerlih geihant.
Anderen Falles bitte ich mir anzugeben, was für ein Gewand
die fagenhafte Dame Zeit getragen habe, von welder Farbe
Augen und Haare waren und durch melde Thätigfeit fie die frag—
lihen Spuren hinterlaſſen. Allenfall® wird man bei »Spuren«
an Runzeln und Falten denken. Das Wort »gegangen« wird
aber wohl kaum in des Wortes eigentlicher Bedeutung aufge:
faßt werden.
Der Anſchauungsgehalt fprachlicher Bilder iſt jehr verſchieden.
Alle denkbaren Stufen des beutlichjten Sehens und eines gang
blafjen und verſchwommenen Auftauchens können durchlaufen
werben. Aber jo lange ein Bild, zumal ein weiter ausgeführtes,
noch als Bild ſich giebt und als ſolches angeſchaut werden foll,
ift ein gewiſſer Anſchauungsgehalt natürlich immer vorhanden.
Dies tritt jofort zu Tage, wenn das Bild nicht folgerecht durch⸗
geführt wird umd in Widerfireit mit anderen Bildern gerät.
Sätze wie: » Der Zahn ber Zeit, der ſchon jo manche Thräne ges
trodnet bat, wird aud über diefe Wunde Gras wachſen lafien«,
— oder: »Das beicheidene Veilchen des Glaubens blüht am
glänzendften, wenn bie Hammerſchläge des Schickſals es auf bem
Amboß des Herzens zu leuchtenden Strahlen erwedene, machen
als widerſpruchevoll und unfinnig immer einen fomiihen Ein—
dbrud. Wenn Berth. Auerbach (mie berichtet wird) — wirklich
einmal gelagt haben ſoll: »Ich danfe meinem freunde, ber in
meiner Abweſenheit hinter meinem Rüden mir zur Geite ges
ſtanden bat«, jo hat er ſich gröblid gegen den Geiſt der Sprache
vergangen, obgleich »zur Seite ftehen« faum mehr als Bild
empfunden wird, fondern als völlig gleichbedeutend mit »helfen«
gebraucht wird. Aber man vergleiche mit ſolchen Blüten eines
fehlerhaften Spradigebrauchs etwa den folgenden Sap aus dem
» Abfall der Niederlande«: » Die jtille Ruhe eines immer gleichen
Geſichts verbarg eine geſchäftige feurige Seele, die aud) die Hülle,
hinter welcher fie ſchuf, nicht bewegte und der Lift und der Liebe
gleich unbetretbar war.« Iſt es Bildermengerei, die Seele »feurig«
und »jchaffend« zu nennen und dann zu fagen, fie ſei nicht » bes
tretbar«? Ic) glaube nicht, daß, wenn jemand diefen Sat unvor:
eingenommen lieft, nicht beeinflußt und ftugig gemacht durch Ers
mwägungen, wie ich fie eben anftelle, er auch nur im geringiten
in feinem Spracdhgefühl ſich verlegt finden wird, Andrerſeite
wäre der größte Teil unferer beten Proja zu beanstanden. Es
giebt eben unzählige Ipradjlihe Wendungen, bei denen man gar
51 Zeitichrift des allgemeinen deutſchen Epradvereins. 1894. Nr. 3. 52
nicht bemerkt, e8 mit einem Bilde zu thun zu haben; bei denen
die Worte nur als feere Zeichen für einen abſtralten Begriff aufs
gefaßt werden und aufgefaht werden jollen. Und mehr nod:
ein und derjelbe Ausdrud kann je nah dem Zuſammenhange
hier als Bild, dort als übereinfümmliches Zeichen empfunden
werden. Und ich meine, daß dies ein Vorzug unſerer ſprach—
fihen Ausdrudsmittel ift. Thöricht ift es nur, zu meinen, es fei
unter allen Umſtänden ein »gebantenlofer« Sprachgebrauch im
übfen Sinne, die uriprüngliche Wortbedeutung aus dem Bewußt⸗
fein auszuhalten.
Es giebt eine große Zahl Redewendungen, die durd häufigen
Gebraud; jo abgegriffen und verblaht find, daß es ganz um-
natürlich jcheint und einen gewiſſen Zwang erfordert, fie wört—
lic aufzufafien. Man dente an Wendungen wie: »in Betracht
ziebens, »im Stande feine, »ſtichhaltig feine, »Rüdjicht
nehmene, »Adt gebene«, »Einfluß haben«, »der Fall feine,
»ind Auge fajjene uff., die eben nur im übertragenen Sinne
verwendet werden und gleichſam zu einheitlichen, abftraften Bes
griffen geworden find.
Bejonders in Spanien, dem Lande der Sprichwörter, ſoll es
gäng und gäbe fein, anſchauliche Einzeljälle jchnell zu allgemeinen
Redensarten zu verallgemeinern, Kleine Knaben jagen ernjthaft
zu einander: » Welchen Sohn baft du mir aus der Taufe ge:
hoben?«, ohne nur im geringiten das Komiſche der Lage zu
embfinden. Denn dieje Nedewendung bejagt nur: » Welden Ges
fallen haft du mir getban?« Statt »wofür?« joll man jagen
lönnen: »für welche Fuhre Wafjer?« und ftatt »mache das einem
anderen weihje: »Wirf diejen Knochen einem anderen Hunde vor!«
Deutice Redewendungen diefer Gattung find: »in Harnijd)
geratene, »nicht das Waller reichen«, »fic, die Sporen verdienen«,
gut beichlagen feine uff. Selbjt junge Mädchen des 19. Jahr—
Hunderts geraten sin Harniſche, wenn man fie net, und ein |
Profefjor kann »in allen Sätteln gerecht« fein, auch wenn er nie
ein Pferd beitiegen hat. "
Mundarten find meijt reich an jolchen eigenartigen Ausdrudss
weiſen. Mar Müller erzäblt, daß man in Shropihire für: »e8
ift etwas palfiert« ganz allgemein jagt: »die Hape hat Junge
geworfen.« Ein Pächter jagt: »Ich dachte mir gleich), daß bie
Kate Junge geworfen hätte; richtig war auch die Scheune ab»
gebrannt.«e Ebenda jagt man von Liebenden, die ſich zantten,
dann aber wieder vertragen: »jie wärmen falte Fleiihbrühe auf.«
Eine echte Alt: Berliner Nedensart iſt: »der ſpuckt auch den
Schwänen auf die Köpfe«, was jo viel heißt als: er ijt brotios
und lungert herum. rüber ſchwammen auf der Spree im der
Nähe der Friedrichsbrüde zahlreiche Schwäne, jo daß die Arbeite:
lojen und zwecklos Herumſtehenden ihre Zeit pajiend dadurch
auszufüllen vermocten, diefe braven Tiere mit ihren unfauberen
Geſchoſſen zu behelligen. — In Sadjen jagt man: »da bin ic)
ſchön bei ihm ins Feitnäpfchen getreten«, was fo viel bedeutet
als: ich habe ihn verlegt. Und »Leine ziehen« heißt feige zurüd-
weichen.
Bei all den angeführten bildlichen Ausdrudsweilen wird es
aber doch immerhin für jedermann möglich fein, einen Zuſam—
menhang zwiſchen den Worten und ihrer jegigen Bedeutung zu
erfennen. Aber es giebt auch nicht wenige Nedensarten, bei
denen dies nicht der Fall it. So jagt man seinen Streit vom
Zaune bredene jtatt einen Streit plöplich und ohne zureichen—
den Grund beginnen. Wer dentt hierbei wohl an einen Gartenzaun
und ein Bredien? Ja es fommt den wenigiten zur Erkenntnis, daß
dieje ſprachliche Wendung auffällig und dem Wortlaute nadı uns
verjtändlich ift. Und felbit die Aufmerkſamen, die auf die Worte
acht zu geben ſich gewöhnt haben, werden, falls fie nicht Sprad-
bejlifiene find, faum eine richtige Deutung zu geben im jtande fein.
Entiprechendes gilt von den Wendungen: »zu Paaren treiben«,
sin die Panne hauene, »einen Korb geben«, »den Hof machen «,
seinen Bären aufbindene, »über den Löffel barbieren«, »nicht
viel Aufhebens macen«, »gäng und gäbe feine, >auf den Hund
tommen«, »da liegt der Haſe im Pfefler«, »flöten gehen⸗, »ſich
ins Beug legene, »Maulafien feil halten«, »eine Tafel auf-
heben«, »eine Tracht Prügel gebene, »ein Ausbund fein«, »jemane
den zum Velten haben«, »der Erfte Beitee, »von echtem Schrot
und Korn« uff.
Es iſt nun gewiß im höchſten Grade anziehend, dem Uriprunge
folcher Redensarten nachzugehen. Einige beruhen ja nur auf
Mißverſtändniſſen und voltstümlicder Wortableitung, wie flöten
geben — valeten gehen. Manche enthalten aber ein qut Stüd
Kulturgeichichte, umd es laſſen fich gar artige Bemerkungen an
ihre Entjtehung Mmüpfen, wie dies 3. B. Blumſchein in feinem
Auflage: ·Kulturgeſchichtliches in unferer Sprache« (im wifjenichaft-
lichen Beiheft Nr. IV der Yeitichrift des allg. deutichen Spradı-
verein®) gethan hat, Auf alte Gebräuche deuten z. B die fchon
erwähnten Redensarten bin: einen Korb geben, das Waſſer
reichen, aufs Sterbholz jchreiben uff. Andere find in piychologiicher
Hinficht beinertenswert und reizvoll zu verfolgen. So bezeidynete die
Wendung »in Entrüftung geraten«, die heute einen inneren Bor:
gang, eine Gemütsverſaſſung bedeutet, uriprünglich einen äuheren,
objektiven Vorgang. Entsrüjtung war dasjelbe wie Ent: waffnung.
Wer beim Stechen verloren hatte, »im Stiche gelafien worden wars,
wurde »entrüjtete: Roh und Nüftung waren dem Cieger ver:
fallen. Aber es iſt bezeichnend, daß »in Entrüftung geraten«
heute durchaus nicht etwa Beihämung, jondern fittlihe Em
pörung zum Ausdruck bringt.
Ich kann nur wiederholen, daß es mir nicht im geringjten
einfällt, das fulturgeichichtliche und piychologiiche Interefie ſolcher
ſprachlichen Betrachtungen zu beitreiten. Ein anderes ift es aber,
einmal den uriprünglicdien Sinn unverjtändlich gewordener Rebenss
arten zum Gegenitande der Unterfuchung zu maden, ein anderes,
zu fordern, man jolle num jenen gefundenen ursprünglichen Wort-
finn auch immer ins Bewußtſein heben, jobald man im Fluß
der Nede jene Redewendungen gebraucht. Erſieres ift anziehend
und nüßlich, lepteres eine überflüffige und finnlofe Belaſtung
unſeres Dentens.
IN.
Wenden wir uns von den bildlihen Redensarten zu den
Metaphern im engeren Sinne, den einfachen, gewöhnlichen Wort:
bildern, jo ijt zunächit zwiichen abiichtlichen Bildern und unwilltür—
lichen, notgedrungenen Übertragungen zu untericheiden. Metaphern
erſter Art find e8 z. B., wenn man Thränen Tau nennt, oder
Blumen Hinder des Frühlings, die Jugend des Lebens Mai
oder, um ein weniger alltägliche Beilpiel zu gebrauchen, wenn
Schiller von der Glode alö der »metallenen Krone« ſpricht.
Metaphern zweiter Art find es, wenn idy von einem Gedanken
ſage, er jei ſchwer zu »begreifen« oder zu »faflene, gleichſam als
fünne ich ihn mit den Händen berühren, oder wenn ich von
sniedergedrücdtere Stimmung rede, oder wenn id) von der » Bor:
jtellunge rot jpreche, gleichſam als könne ich die Empfindung vot
»vor=jtellens, d. h. vor mich hinitellen wie ein Bierglas.
Man fönnte die Metaphern erjter Art »künftliche«, die der
zweiten Art »natürliche« nennen — wobei ich mir natürlidy wohl
bewußt bin, nur eine begrifilihe Scheidung vorgenommen zu
I haben, die nicht allenthalben aufrecht erhalten werden fann. Man
53
muß fich gegenwärtig halten, daß dieſe fünjtlichen Metaphern
nicht etwa verſtandesgemäß erfonnene Kunftgrifie einzelner Dichter
oder Redetünitler find, daß fie vielmehr einem tief in der wienic-
lichen Natur begründeten Triebe entitammen und in leßzter Linie
auf demielben Boden erwachſen find wie die als natürlich bes
zeichneten Metaphern.
Bei der Bildung dieſer fünftlichen Wortbilder wird zu be
wußten dichterijchen oder redneriichen Ziweden ein Ding nicht mit
dem ihm eigentümlichen, gewöhnlichen Namen bezeichnet, fondern
mit dem eines andern, der einen Vergleichungspunft bietet. Ein
Wort tritt alfo an Stelle eines anderen, längjt vorhandenen und
gebräuchlichen. Mber bei den unfreimilligen oder natürlichen Mes
taphern wird ein Wort auf einen Begriff ausgedehnt, für den
ein bejonderes eigenes Wort noch gar nicht vorhanden ift. Wäh—
rend jene in einem Reichtum der Phantafie, — haben dieje in
der Armut der Sprache ihre Urſache. Ihre Bildung ſtammt
zum größten Teile aus niederen Entwidlungsitufen des Geijtes,
wo die Schöpfung oder nähere Vejtimmung neuer Begriffe häufiger
ald heute und notwendiger fi aufdrängte. Und in der That,
wie iit ed anders denkbar, neu auftaudende Ideen, für die es
an Worten gebrad), zu benennen? Steiner huldigt wohl heut:
zutage der findlichen Auffafjung, daß man ganz neue Laute frei.
erfinden und durch Berabredung zur Bezeihnung gewiſſer Be—
griffe einführen könne. Im irgend einer Weiſe einen Vergleich)
anzujtellen und ein altes Wort einem neuen Begriffe dienjtbar
zu machen, war die einzige Möglichteit der Beritändigung,
Mar Müller jchildert dieſen Vorgang in feinem Werte: » Das
Denten im Lichte der Sprache- (The Science of Thought) fol
gendermahen:
»Gab es fein Wort, um eine neugeborene Idee zu benennen,
was fonnte man thun, als die nächſte bejte zu nehmen? Der
Menſch, er mochte wollen oder nicht, war genötigt, metaphorijc
zu reden, nicht etwa deshalb, weıl er feine poetiiche Phantafie
nicht zũgeln konnte, fondern vielmehr, weil er fie aufs äußerſte
anjtrengen mußte, um fir die immer mehr wachſenden Bedürf-
niſſe feines Geiſtes den Musdrud zu finden. Nehmen wir an,
daß der Menſch bis zum Flechten und Weben vorgefchritten war.
Hatte er nun Maſchen geitellt, um Vögel zu fangen, fo war e&
ganz natürlich, dak, wenn er von feinem Tagewerk berichten
wollte, er fi an die Worte für Flechten und Weben erinnerte,
Weben würde jo den Sinn von Schlingen ftellen erhalten, und
brauchte man eim neues Wort für Sclingen legen im Einne
von »jemand durch faliche Worte Überlijten, betrügen, ködern,
verführene, jo war nichts natürlicher, al® dak man ein Wort
von ähnlicher Bedeutung nahm und 3. B. öyerwer, weben, in
der Bedeutung anzetteln, anfpinnen, anjtiften, fomplottieren ge—
brauchte. So jagt Homer zuzewör dohor Iyeiver, wäre
Öpeirew u. a., d. h. eine Huge Liſt weben, anzetteln, anjpinnen.
Dieje Metapher ift jehr weit verbreitet. Wir fünnen fie auch im
Sanskrit, im Lateiniſchen, Franzöfiihen, Engliichen entdeden.«
»lInter Metapher follte man aljo nicht länger einfach nur bie
überlegte Thätigfeit eines Dichters, die bewußte Übertragung
eines Wortes von einem Objekte auf ein anderes verftehen. Dies
ijt die moderne, individuelle Metapher, welche von der Rhantafie
erzeugt wird, während bie erfte Metapher weit häufiger eine
Sadje der Notiwendigfeit und in den meiiten Fällen weniger die
Übertragung eines Wortes von einem Begriff auf einen andern,
als die Schöpfung oder nähere Beftimmung eines neuen Bes
griffes mittel$ eines alten Namens war. Ein Dichter, welcher
auf den Tau den Ausdrud Thräne überträgt, hat bereits für
Thräne und Tau Hare Namen und Begriffe Aber die alten
Beitfhrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. 1894. Nr. 3,
54
Spradhbildner, welche zum erjten male »weben« im Sinne von
anftiften gebrauchten, hatten dafür vorher weder einen Begriff,
noch einen Namen. Gie ichufen oder beftimmten den neuen Be—
griff und gaben zu gleicher Zeit dem alten Namen eine erweiterte
Bedeutung. «
Solcher natürlichen Metaphern enthält nun, wie allbefannt,
jede Sprache eine jehr große Anzahl. Wird doch z.B. alles Uns
körperliche und Geiftige durd Bilder aus der ftofjlihen Welt
zum Ausdrud gebracht, z. B. Stimmungen: ich fühle mich verlegt,
niedergedrüdt, erhoben, zerjchmettert, verjtimmt, befangen, er
baut uſw. Sie alle bilden zuiammen mit einer großen Zahl vers
blakter, viel gebrauchter künſtlicher Metaphern jene Slafje von
Borten, die Brinfmann »incarnierte Metapbern« genannt hat,
zu deutsch: Wortbilder, die im Fleiſch und Blut der Sprade
übergegangen find und deren Weien gerade dariı bejteht, daß fie
eben in der Negel nicht mehr ala Bilder empfunden werden. » Die
Sprache ijt ein Herbarium verweltter Metaphern«, jagte eins
mal treffend ein Sprachforſcher. Was fol aber angefichts dieſer
Thatſache die Forderung heißen, man müſſe ſtets die Grund—
bedeutung der Worte erfaſſen? Soll all den toten Gebuden
wieder neues Leben eingehaucht werden? Hier wird der joges
nannte »gedanfenloje«e Wortgebraudy jelbjtverjtändlih. Welch ent:
jegliche Idee, alle unſere Gedanten mit einem ungeheuren Ballaft
höchſt Überflüffiger Vorſtellungen zu beidiweren! Was nüpt es
beim alltäglichen Gebrauch des Wortes » Buchſtabe⸗ daran zu denten,
daß Buchſtaben uriprüngtih Stäbchen aus Buchenholz waren?
Bas nützt es beim Hören des Sapes: »Ich ſchäte jehr die Werte
jeiner Feder« fi daran zu erinnern, daf Federn eigentlich Teile
aus der Hörperbededung der Gans find? Ober man nehme ein
Bild wie »Schne«. Die hölzernen Bogen zum Scyiefen wur—
den urjprünglich durch Sehnen, gewiſſe Webilde des tieriichen
Körpers, geipannt. Danach nennt man in der Geometrie die
gerade Linie unter einem Kreisbogen eine » Schme«. Verlangt
aber ein Lehrer, feine Schüler follten den befannten Lehrſatz
von den Sehnen im Kreiſe recht anſchaulich ſich voritellen,
fo meint er doch gewiß nur, fie follten den Kreis und die frag:
lichen Linien in lebendiger Klarheit fich vor's geiftige Auge
führen, nicht aber, dah fie die »Scehnen« als Gebilde tierischer
Leiber oder als die jpannenden Fäden an Armbrüjten oder Flitz—
bogen ſich »veranichaulichene follten. — Wie viele Worte, die wir
unzählige Male gedantenios gebrauchten, lernen wir erſt durch
zufällige Belehrung als übertragene Ausdrüde erfennen! Wir
balten für nur gleihflingende Worte, was thatſächlich die—
felben Worte find. So tit z.B. »Zwech⸗ in zmedmähig und
in Schuhzweden dasſelbe Wort. Zwed bedeutete uriprünglic)
einen Holzpflod und konnte daher ſowohl eine Art Nagel als auch
den Pilod, nadı dem man — als Ziel — ichoh, bezeichnen. Wer
mit dem Bolzen den Zweck traf, war Sieger und wurde im ⸗Zweck—
ejien« gefeiert.*) Daher iſt Zwed ungefähr dasjelbe wie » Jiel« ober
»Abfichte. Aber während Ziel noch heute in doppelter Bedeutung
gebraucht wird — man ſpricht von der Scheibe als einem Jiel
und von dem Ziele der Aulturentwidelung —, fit »Zweck⸗ im
allgemeinen nur in der übertragenen Bedeutung gebräuchlich.
Wer denft ferner daran, daß »Gefallen« und »Mihjallen«, jene
inneren Vorgänge unjeres Bewußtſeins, mit -Fallen«, jenem
*, E83 mwüre zu wünſchen, daß für diefe auch jonft (vgl. z. B.
Wifienich. Beihefte IV, ©. 150) aufgejitellte Herleitung des Wortes
Zweckeſſen⸗ urkundliche Belege beigebracht würden. Eo lange
dies nicht geichehen, wird man es für ein Wort modernen Ur—
iprungs anjchen dürfen, in dem » wed« den uns heute geläufigen
Begriff bezeichnet. Anm. der Scriftleitung.
55 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind, 1894. Nr. 3,
äußeren Borgange der Körperwelt, in Zufammenbang ftehen?
Und doch haben die fraglihen Worte ihre Namen vom Fallen
der Würfel. Aber für fo müplich ic) es auch halte, von diejen
ſprachlichen Beziehungen zu wiſſen, für fo unnüh halte ich es,
ſich ihrer beim Gebrauche der fraglichen Worte bewuht zu
werben.
Die Zahl der Metaphern, bie fich in ihrer Bebeutung völlig vers
felbftändigt und von der Grundbedeutung losgelöjt haben, fit jehr
beträchtlih. Und wie man beim Gebrauch des Wortes Schloß
genau aus dem Zufammenhange erjieht, ob das Schloß an ber
Thüre oder dad Wohngebäude des Königs gemeint ift, wie ber
Engländer das Wort spring in den Bedeutungen Frühling, Feder
und Duelle ald drei ganz verſchiedene Worte empfindet, jo wirb
man auch eine Metapher wie » Borjtellung«, ich meine den pfychos
logiſchen Begriff, als ein jelbftändiges Wort, nicht aber ald das
Bild eines Vorganges auffafien, den ber Wortlaut vorsjtellen
urſprünglich verfinnlicht. Und beim Gebrauch dieſes Wortes wird
man wohl nie im Zweifel fein, ob es fich etwa um eine Bor-
ftellung fremder Perſonen bei Hofe, oder um eine Borftellung
wie rot, kalt oder ſchwer handelt.
Hat aber nun eine Metapher ſich jolhergeftalt zu einem neuen
orte entwidelt, fo it es unzuläfjig, dann von einem Widers
fpruch oder von Bildermengerei zu reden, wenn ein beigefügtes
Wort nicht mehr zur Grumdbedeutung pafien will. Es iſt eine
Schulfuchſerei, den Ausdruck: strodener Humor« zu bemängeln,
weil »humor« urfprünglich Flüffigleit bebeute. Das Wort hat wie
die Betonung, fo auch die Bedeutung völlig gewechſelt. Noch thö—
tichter ift es aber, die Möglichkeit einer ſolchen angeblich widers
finnigen Bufammenftellung darauf zu jchieben, da Humor Fremd»
wort iſt. Hit trodener Humor ein Widerſpruch, dann ijt es
auch »oberiter Grundfaße; dann ift es auch ein Unfinn, wenn
die Herbartianer von »jhmingenden Borftellungen« reden, weil ein
Ding, das geftelft wird, nicht gleichzeitig ſchwingen kann.
Nein! Wir haben vergejien, daß Humor einft nur Flüffig-
feit bedeutete, wir haben vergefjen, daß Brundjag und Bor-
ftellung bildliche Ausdrucksweiſen find. Daß wir aber die Kunſt
des Bergefiens auf ſprachlichem Gebiete jo gewandt üben, daß
es uns fo leicht fällt, vom urſprünglichen Wortfinn abzufehen
und einen ſ. g. »gedantenlofene Sprachgebrauch zu üben, das
tann nicht als ein Mangel des menſchlichen Geiſtes betrachtet
werben. Diefe Kunſt des Vergeſſens ijt vielmehr eine wertvolle
Eigenfchaft, weil auf ihr die Möglichkeit der Sprachentwidelung
beruht. Und hier ſpreche ich nicht mehr von den Übertragungen
allein, fondern von der Wortbildung ganz im allgemeinen.
Es ift eine befannte Thatſache, daß die Zahl der Sprach—
wurzeln ſehr Hein iſt. Ob fie für die einzelnen Sprachfamilien
etwa 1000 beträgt, wie Pott annimmt, oder ob fie fidh bei den
Ariern auf 500, 120 oder nocd weniger zurüdführen läßt, fit
für unfere Betrachtungen ziemlich gleichgültig. Wichtig ijt nur,
daß aus einer verhältnismäßig geringen Menge von Wurzeln
ein gewaltiger Wortreichtum ſich entwideln fonnte; dab aus den
fehr einfachen Begriffen, die die Wurzeln darjtellen, bie feinften
iprachlichen Gebilde entitehen konnten, bie den mannigfaltigen
Bedürfniffen höchiter Kultur genügen und für Philoſophie und
Dichtkunft in gleicher Weiſe brauchbare Werkzeuge abgeben.
Das ift aber dod nur und nur dadurch dbentbar, daß
der urjpünglih am Worte haftende Sinn in bemjelben
Mafe verloren ging, als diejes fih mit einem neuen Bes
griffsinhalt erfüllte. Gerade damit eine Vorſtellung ſich recht
anſchaulich ausgejtalten tonnte, mußte der Anlaß ihrer Benennung
vergefien fein.
56
Als es noch keinen Namen für Wolf gab und man nur wenige
Begriffe zur Verfügung hatte, verwandte man zur Benennung diefes
Tieres unter vielen anderen eine Wurzel, die »zerreiken« bedeutete.
Das war zuvörberit jehr unklar und unbejtimmt, denn es fonnten
noch jehr viele andere Tiere in dieſer jelben Weiſe benannt
werden. Dieje Unbeftimmiheit war unvermeiblih. Wie aber
war ed möglich, daß ſich ein jo vieldeutiger Ausbrud gerade auf
die Bezeichnung einer einzelnen Tiergattung beichräntte? Wie
war ed möglich, daß unter den vielen denkbaren und einjt auch
vorhandenen unbejtimmten Benennungen für Wolf gerade eine
zur herrichenden wurde? Doch nur dadurch, dak die Wurzel-
bedeutung verblahte und vergefien mwurde.. Die Wurzel, mit
»dbemonftrativen Elementen« verjehen, verfettete fid) mit einer
ganz bejtimmten ZXiergejtalt von bejtimmter Farbe und Be—
wegungsart, fo da, wenn jener Laut erflang, eben die Geftalt
jenes Tieres anſchaulich vorgeitellt wurde, aber nit mehr
die Grundbedeutung der Wurzel ins Bewußtſein trat.
Die Kunſt des Vergeſſens war für das Wachstum der Sprache
unentbehrlih. Ohne fie fonnten ſelbſt jo neue Worte wie » Feder«
oder »Buche nicht gebüdet werden. Und die Worte in
gewiffem Sinne auch »gebantenloß« verwenden zu
fönnen, das ijt geradezu die Vorausjegung für das
BVeiteripinnen der Sprade aus wenigen Grundbe—
ftanbdteilen.
In diefem Lichte aber ijt die Forderung zu betrachten, man
folle immer »gedanfenvoll« auf bie urfprüngliche Wortbedeutung
achten, man jolle ſtets dem eigentlichen Wortfinn zu erhalten fich
bejtreben.
obmals »An und Per«,
Bu dem Auffage über »An und Pere in der Februamummer
ichreibt Herr E. Garni in Düfjeldorf:
Zunachſt bemerfe ich, daß ich ſchon feit vielen Jahren (bereits
vor Gründung des a. d. Spradjvereine) das ital. Per in meinem
Geſchäfte verdeuticht habe, da es mir widerfinnig erichien, auf der
einen Seite das deutihe Wort »An« und auf der andern das
fremdländijhe Per zu gebrauchen. Indeſſen wählte ich nicht das
von Herrn H. H. P. jet vorgeichlagene »bei«, fondern die ge:
nauefte Überjepung des ital. per, nämlich »für« Der Gebraud
des lepteren Wörtchens ſcheint mir befonders für die einfache Buch-
führung richtiger. Trägt man nämlich auf der Soll-Geite eines
Tages oder Hauptbuches eine an einen Kunden gemadte Sen-
dung uſw. ein, fo ſchuldet diefer mir san Waren« fo und fo viel;
hat man dagegen auf der Haben-Eeite dem Kunden etwas qut-
zufhreiben, etwa eine Zahlung, fo hat er gut für feine Zahlung
jo und fo viel. Doch dürfte m. E. der Anwendung bed Wört
hend »für« auch in der doppelten Buchführung nichts im Wege
jtehen. Der von dem Bonner Herm angeführte Buchungspoſten
lautete:
Debet Baren- Eonto Credit
Per Müller & Schulze A 1000
Sept man num anftatt des »per« das »für« ein, jo läßt fi
im Geifte die Buchung wie folgt vervollftändigen: Das Waren:
Eonto hat gut für an Müller & Schulze gemadte Sens
dung „# 1000 —, alfo kurz: für Müller & Schulze „AK 1000. —
Hierauf erwidert der Verfaſſer jenes Aufſatzes:
Ih lann dem verehrlicden Einjender nicht Recht geben,
wenigſtens nicht für die doppelte Buchführung, von der in
57
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. 189. Nr. 3.
58
meiner Zufchrift allein die Rede war. Bei der einfahen ijt
dagegen allerdings zuzugeben, daß das Per vielfad) richtiger durch
Für zu überjepen ift.
Indem ich diefes auszuführen fuche, werde ich zugleich meine
früheren Gründe mehrfach berichtigen fünnen.
Zunächſt wird niemand bejtreiten, daß man ein Guthaben
nur bei jemand, aber z. B. nur für bdiefem jemand gelieferte
Waren haben kann. Die — sit venia verbo! — Bräpofition
Bei bezeichnet alſo allemal den Schuldner, die PBräpofition
Für bezeichnet ebenfo allemal den Grund der Forderung oder
des Guthabens, ausgedrückt durd; die Gegenleiftung, für die der
Gläubiger die Forderung gewifiermaßen eintaujcht. Den Gläu—
biger aber zeigt did und breit der Kopf der Rechnung.
Nun genügt e8 bei der einfachen Buchführung in vielen Fällen
bloß deu Grund der Forderung zu bucden, nicht auch den
Schuldner; bei ber doppelten Buchführung dagegen —, deren
Weſen ja gerade darin befteht, daß für jeden Pojten ein Gläus
biger und ein Schuldner erfichtlich fein muß, auch wenn es einen
leibhaftigen Gläubiger oder Schuldner gar nicht giebt — bei der
doppelten Buchführung muß allemal nicht nur der Grund
der Forderung, jondern auch der Schuldner angegeben
werben.
Demnach ann bei einfaher Buchführung, wenn z. B.
Müller & Schulze und zur Ausgleihung ihrer Nedinung 1000.
unjerer freunde einſach fo lauten:
Für ihre Zahlung A100. —
Und ebenjo wenn jie uns fiir 1000. Waren geliefert haben:
Für ihre Warenfendung . . A 1000.—
Das heift vollftändig: Müller & Schulze haben für ihre Zah:
fung, für ibre Warenfendung 1000. gut.
Anders bei doppelter Buchführung. Da muß, wie gefagt,
außer dem Schuldgrund aud der Schuldner angegeben werden;
und da in unjeren füllen feine leibhaftigen genannt werben
fönnen, jo macht man welche: im erjten falle die Caſſen-Rech—
nung, im zweiten die Waren: Rechnung. Indem man ferner den
Schuldner voranjtellt, lauten die Buchungen auf der Haben-
jeite vollftändig, im erſten Halle:
Bei Kaſſenrechnung
für ihre Zahlung
im zweiten Falle:
Bei Waren-Rechnung
A 1000.—
für ihre Warenfendung . .» . „4 1000.—
Das heift: Müller & Schulze haben bei der Kaſſenrechnung
für ihre Zahlung 1000 .#, und bei der Waren-Redynung für
gelieferte Waren auch 1000. gut. Und nicht anders muß, mern
es ſich umgefehrt um Waren handelt, die wir an Müller &
Schulze geliefert Haben, die Buchung auf der Habenjeite ber
BarensRedinung lauten:
Bei Müller & Schulze
für unjere Warenſendung . A 1000,—
Das heit: die Waren-Rechnung hat bei Müller & Schulze für
unfere Warenjendung 1000 .4 gut.
Der Kürze halber läßt man nun aber im Hauptbuch bie
Angabe des Schuldgrundes, die ſich vollftändig doch im Tagebuch
findet, weg, So kommt cs, daß die Buchungen einfach lauten:
Bei Kaflenredinung A 1000.-
Bei Waren: Redinung
geichidt haben, die Buchung auf der Habenfeite der Rechnung
|
Bei Müler & Shule . . . „
Der Verſuch des Herrn Einfenders, das Für dadurd zu retten,
daß er jagt, die von ihm angeführte Buchung bedeute jo viel |
wie: Waren: Conto Hat qut für an Müller & Schulze gemachte
Sendung A 1000.— , bedarf feiner Widerlegung.
Nicht anders als bei doppelter Buchführung verhält es ſich
nun aber aber aud) bei einfacher Buchführung in den Fällen,
two aus befonderen Gründen neben der Angabe des Schuldgrumdes
auch die des Schuldners nötig ift. So 5 B. wenn 1000 .4, bie
wir unferen Freunden zur Musgleihung unjerer Rechnung ge-
zahlt Haben, in das Kaſſenbuch eingetragen werden ſollen. Die
Buchung kann dann auf der Habenjeite auch nur lauten:
Bei Müller & Schulze
für unfere Zahlung » A 1000.—
Vorausgefept allerdings, daf man, wie gewöhnlich, den Namen
bes Schuldners voranftellen will! Wil man das nit, dann
allerdings fann man ſich auch mit Für ausdrücken:
Für unſere Zahlung an Müller & Schulze „A 1000.—
Dieje zweite Ausdrudsweile bietet den Vorteil, daß man bei
mehreren Buchungen mit der Präpofition nicht zu wechleln,
jondern fie im gewohnter Weife nur einmal oben auf ber
Seite auszufchreiben braudht, und es ſich dann weiter mit
Gänfeflischen bequem machen kann. Bevorzugt man bagegen bie
erste Ausdrudsmweile, die wegen der Wichtigleit des Schuldner
namens vielleicht doch zwedmähiger ift, jo muß man entweder
mit den Bräpofitionen Für und Bei abwedjieln, oder man mu
aus Bequemlichfeit der Sprade Gewalt anthun umd entweber
nur Für — mit Nüdfiht auf die doppelte Buchführung —
oder nur Bei jchreiben. Ebenſo jchreibt man ja, was ber
Herr Einfender gleichfalls überfieht, auch auf der Golljeite
immer nur Mn, obgleid das ſprachlich auch nicht immer richtig
it. Denn nad) den Geſetzen der Sprade kann man auch auf
ber Sotljeite den Grund der Forderung immer nur durch
Für bezeidinen, und An iſt da auch nur richtig, wenn es vor dem
Namen des Gläubigers fteht. Denn unfer Schuldner ſchuldet
den Kaufpreis doch nicht an die Ware, fonden an und —
für die Ware! Wenn der Herr Einjender es anders meint, jo
ift fein Sprachgefühl durd die ſchlechte allgemeine Gewohnheit
getrübt.
Fit dies richtig, jo erflärt fi) aud, warum bie Staliener
ihr Per, das dod wörtlich Für bedeutet, dennoch auch vor dem
Namen des Schuldners gebrauchen.
Diejer Sprachgebrauch jtammt nämlich doch wohl ſchon aus
der einfachen Buchführung. Die richtige Präpofition nad credit
und vor dem Mamen des Schuldners ift im Stalieniichen offen-
bar A, diejelbe alſo wie nad debet. Per dagegen gehört
eigentlich, wie unfer »für«, nur vor die Angabe des Schuldgrun-
des, und danach müßten eigentlihd beide Präpofitionen auf
beiden Seiten der Rechnung mit einander abwechſeln, je nad}:
dem es ji um eine perjönliche oder um eine jachlihe Buchung
handelt. Da es aber zwedmähig erſcheinen mußte, auf beiden
Seiten verjchiedene Präpofitionen zu gebrauchen — zmwedmähig
namentlich deshalb, weil man bei Übertragungen aus dem Tage:
buch ins Hauptbuch fi dann nicht fo leicht irrt — jo blieb
nichts anderes übrig, als ebenfall$ der Sprache Gewalt anzuthun,
und auf der einen Seite nur A, auf ber andern nur Per zu
jhreiben, Und das hat man dann auf die doppelte Buchfünrung
übertragen.
In Wahrheit find alfo, während wir nad) einem deutichen
Wort für Per ſuchen, die Italiener um ein italienisches Wort
für Bei verlegen!
So ficht man es wieder einmal, daß wir oft viel reicher find,
als die, bei denen wir borgen.
Bonn.
Dr. 9. 9. Pflüger.
59 Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind 189. Nr. 3. 60
Nachträglich gehen dem Herausgeber zu derjelben frage noch
folgende Beiträge zu, die jedoch des beichränften Raumes halber
nur auszugsweiſe mit einigen Bemerkungen Herm Dr. Bilügers
mitgeteilt werden fönnen:
1. Herr Baul Schneider in Arnftadt beichränkt ſich im
wefentlichen barauf, feine bereit in ber vorjährigen Nr. 11 der
Beitichrift aufgeftellte Behauptung: die Hilfswörthen An und Per
feien überhaupt »ganz überflüffig und unnötige, mit neuen Grün⸗
den zu verteibigen. Da er jedoch jelber zugiebt, »da es ſchwer
halten wird, den eingefleifchten Buchhalter zur Mufgabe der ver-
trauten beiden Flidwörter zu bewegen«, und da der meinck
Wiſſens in allen bekannten Sprachen wiederlehrende, alſo über
die ganze Erde verbreitete Gebrauch jolher »Flidwörter« nicht
gerade für ihre Entbehrlichleit zu jprechen fcheint, fo lafjen wir
die von dem geehrten Einſender angeregte Frage befler dahin
geftellt und begnügen uns damit, das Per zu verbeutjchen.
Wenn er aber hinzufügt, der »eingefleiichte Buchhalter⸗ werde
·noch weniger . . . bereit jein, fein altgewohntes »per« mit
ber engliihen (?) Nachbildung von »by«, dem vorgeichlage:
nen »bei«, zu vertaufhen«; und wenn er weiter bemerft:
» Mit der gegenteiligen Annahme wird fich der verehrte Herr Ein-
fender in Nr. 2 hoffentlich irren. ch jehe aber auch wahrhaftig
nicht ein, dak wir die geringste Veranlafiung hätten, die deut:
jchen Kaufleute anzuregen, nad) ausländiihem, diesmal engliſchem
Mufter zu arbeiten« ... .: jo bat Herr Schneider den Bor-
ſchlag des Einfenders in Nr. 2 offenbar mißverſtanden. Wenn
ich das deutſche Wort für Per aus England zu verjchreiben vor-
ihlug, jo war das doch nur ein auf die deutjche Ausländerei
gemüngter Scherz, und der wahre Grumd für den Vorſchlag:
»Bei«, war doch, daß man ein Guthaben nur bei jemandem
haben fann!
2. Herr Julius Hahn in Lübed ſchreibt, »ald Kaufmann,
ber täglich mit Buchführung zu thun hate, könne er dem in Nr. 2
unjerer Beitjchrift gemachten Berfuche, ben Gebrauch von An und
Per in der doppelten Buchführung zu verteidigen, nur beipfliche
ten. ⸗Mag ein Uneingeweihter jagen, es fei finnlos, zu ſchreiben:
»An Baren«, oder »Per Cassa«, jo wird ihm jeder, ber mit
der Sache zu thun bat, erwidern, daß jehr viel Sinn in die
Wörichen hineingelegt werden kann und thatfächlicd hineingelegt
toird. «
Weiter heißt es dann: »Much darin ftimme ich mit dem Ver—
fajfer überein, daß fich dad Wort »per« im Deutjchen jehr qut
wiedergeben Tiefe, wenn man nur wollte; aber daf er es durch
Vermittelung des Englifchen zu Wege bringen will und per mit
»beie überſetzt, finde ich nicht richtig. Allerdings ſchreibt der
Engländer ſtatt »an« und »per« in feiner Sprache »To« und »bye;
das engliſche by hat aber die Bedeutung »durd« und entipricht
durchaus nicht umjerm »bei«. — Warum will man aber nicht
zum Nächſtliegenden greifen und ftatt per »für« ſchreiben?
Barum foll man nicht jemandem anjtatt »per Cassa« etwas
für geleiftete Zahlung« qutichreiben? Dit es mir doc ſchon
vorgefommen, dak in Rechnungen gefchrieben ſtand:
»Per für geleiftete Zahlung«.
Da jtreihe man doch lieber das per!
Dan mache alfo immerhin feinen Pojten im Merlbuch (Me-
morial) oder dem fogenannten Journal (auf deutſch Monatsbuch)
folgendermaßen:
Für Waren: Gonto
An Müller & Schulze
für von dieſen gelieferte Waren . A 1000.
und übertvage denfelben ins Hauptbuc oder Niscontro auf bie
linfe Seite (Debet) beim Waren - Gonto:
An Müller & Schulze . A 1000.—.
ferner auf die rechte Seite (Eredit) bei dem Conto von Müller
& Schulze:
Für,gelieferte Waren . . . . A 1000.—.
Iſt das dem Sprachgefühl nicht vollftändig entiprechend? Das
Wort »für« giebt in allen Fällen einen deutlicheren Sinn als
das »per«, darum fort mit biejem!«
Zum Schluß geihelt der Einjender dann mit Recht roch die
sfonftigen vielfachen Antmwendungen« von Per wie in: per Voſt,
per Bahn, per Meter, per Stüd u. dergl. Wenn es aber in
Briefaufichriiten z. B. heißt: Ripebüttel pr. Cuxhaven, fo ift dies
pr. wohl feine Abkürzung von per, ſondern von dem gleichfalls
italienifhen presso, glei) »bei«.
3. Herr Hermann Stedner in Halle jchreibt: »Mit Be-
zug auf den Aufſatz An und Per in Nr. 2 der Zeitfchrift bemerte
ich, dab ich gegen die Bemweisführung, dab das Per im der Budı:
haltung finngemäß durch Bei zu erjegen fei, nichts zu erinnern
habe, ZTropdem erlaube ich mir darauf hinzuweiſen, daß mir im
geichäftlichen Leben, allerdings nur in einigen ganz vereinzelten
Fällen, eine Erjegung des Wortes Per durch Für vorgelommen
it. Im Verkehr eines Geſchäftshauſes mit dem andern und im
Verlehr eines Geſchäftshauſes mit einem Privatmann wird in
der Hinficht immer nur der Auszug einer laufenden Rechnung
in Betracht kommen, Wenn da num jteht, daf ein Haben, d. i.
ein Guthaben, vorhanden fei; für geleiftete Zahlung, für gefanbte
Wechſel, für gelieferte Waren, und wie die einzelnen Roften alle
lauten mögen, entipriht da nicht das Für — umd nicht das
Bei — der Empfindung des Empfängers, dem die Buchführung
des Abjenders doch ganz gleichgültig ift?«
4. Here Prof. Dr. Odermann in Dresden, vorm. Direftor
der Öffentl. Handelslehranſtalt in Leipzig, ſchlägt vor, das Per
mit »durch« zu überjepen. Denn durch« jei im erfter Reihe
die Bedeutung des italienijchen Wortes, um das es ſich Handelt;
> burd) « fei ferner die Bedeutung des bei den Franzoſen feine Stelle
vertretenden >par«; »durch⸗ jei endlich aud, neben der Be:
beutung gleich >»beie, die Bedeutung des engliihen »by«
»Soll aber, jo bemerkt der Herr Einjender, der engliſche Sap:
»A person paying in speeie is to be credited by Cash Account«
ind Deutiche übertragen werden, jo muß er lauten: »Wer in
barem Geld zahlt, muß durch Kajjefonto kreditiert werden«, und
niemand wird jagen: bei Kafjefonto.« — Aber jagt man nicht
3. B. aud) von einem Botichafter, daß er bei umjerer Regierung
acereditiert it? Und jelbjt wenn dennoch >creditieren durch
Kaſſelonto⸗ der richtige Ausdrud wäre — mas zu bezweifeln —
fo iſt doch das Fremdwort »creditieren« uns ebenſo unlieb
wie das Fremdwort »Per«. Auf Deutſch heit das »gut—
ſchreiben⸗! Und gut geſchrieben werden kann einem feine
Zahlung nur auf Kaſſenrechuung — durch den »Bud-
halter«, ja! aber niemals durch die Kaſſenrechnung jelbit!
Da nun aber aud nicht »gutichreiben«, fondern »gut-
haben« das Wort ift, worauf es bei der Buchführung an-
fommt (Sol und Haben!), und da man etwas nur bei dem
Schuldner guthaben fan, nicht — wenigjtens in diefem Sinne
nicht — durd den Schuldner ober für den Schuldner, jo
glaube ich, daß Bei für Per das richtige Wort ift. Überdies ift
es aud bequemer zu jchreiben als Durch, ja fogar fait bequemer
als Per; und das dürfte auch mit ins Gewicht fallen!
61 Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. 189. Nr. 3. 62
Nach der oben abgedrudten Zujchriit über die Frage: Bei oder
Für? steht einer Verftändigung der unter 2 und 3 angeführten
Einfender mit dem Berfaffer jener Zuichrift wohl nichts mehr
im Wege. Dr. P.
Nach diefer ausführlihen Darlegung dürfte diefe Frage —
wenigſtens für unfere Zeitſchrift — als erledigt zu betrachten fein.
Die Schriftleitung.
Sprediaal.
Was hat der einzelne Zweigverein von feiner Zugehörigkeit
zum Glejamtverein für einen Gewinn? Durch welche Einrich—
tungen desfelben wird er in jeinen Beftrebungen gefördert?
Die Zeitichrift belehrt über wichtige jprachliche Fragen; die
Beihefte vertiefen deren Erörterung durch wiſſenſchaftliche und
geſchichtliche Darlegungen; die Preisausihreiben regen zum Wett:
bewerbe bei Löjung ſprachlicher Mufgaben an; die Verdeutſchungs⸗
bücher nennen die Erfagwörter, welche für die Fremdwörter ge—
braucht werden fünnen. Wenn aber nadı Saßung 1 unfere
Mutterſprache nur von sunnötigen« fremden Bejtandteilen ges
reinigt werben joll, jo entjteht zumächit die Frage: Welche find
unnötig? Sollen alle in den Berbeutihungsbüchern, die über-
haupt faum ein gebräuchliches Fremdwort vermiſſen lajjen, ges
botenen Erjapwörter wirklich jofort eingeführt werben?
Dem jteht Sapung 3 entgegen, die ausdrüdlich erflärt, dab der
Verein »mit aller Strenge den Grundjap bejonnenen Maß—
haltens aufrecht erhält und alle Übertreibungen verwirft«.
Bei der Enticheibung der frage aber, welde Fremdwörter
entbehrlich und welche vorläufig beizubehalten find, ift jeder
Zmweigverein auf ſich ſelbſt angemwiejen. Sollte es nicht ans
gemejjen jein, auc darüber eine Berftändigung anzuftreben,
welche Erjapwörter Ausſicht auf allgemeine Annahme haben und
welche nicht?
Nah Satzung 7 liegt den Bweigvereinen ob, die Zwecke des
Spracvereins innerhalb ihrer ürtlihen Kreiſe inöbefondere auch
dadurd zu fürdern, daß fie der Sprache der Behörde und der
Preſſe ſowie anderer öffentlicher Kundgebungen ihre Aufmerkjam-
feit zumwenden«. Soll nun dieje jchwere Aufgabe jeder von den
180 Vereinen für jich löfen, ohne zu erfahren, was auf diejem
Gebiete den andern Zweigvereinen gelungen ijt und welche Mittel
ſich dabei bewährt haben? Was nüpen da kurze Mitteilungen,
wie bie aus Hafjel: »E3 wurde über die Erfolge berichtet, die der
Verein in Bezug auf Anderung von Straßennamen erzielt hat.«
Bir müffen wiſſen, weldhe Erfolge und durch melde Mittel dies
jelben erzielt worden find.
Mein Vorſchlag geht deshalb dahin, daß eine Einrich—
tung getroffen werde, die fih in andern Vereinen bewährt
bat, Ein Mitglied jendet Nundfchreiben an alle Zweigvereine
und bittet etwa — um einige Beijpiele herauszugreifen — die
Fragen zu beantworten: Welche Strajennamen und Strahen-
ichilder find durch Ihren Einfluß bereits verdeutjcht worden?
Welche Mittel haben ſich dabei bewährt und melde haben fid)
nicht bewährt? — Ein anderer fragt: In wie viel Gaſthäuſern
ift die Speijelarte des Vereins aufgehängt worden? Wo it die
Verdeutfhung der auf der Wirtötafel liegenden Speijelarte be-
wirft worden? it die Verdeutfchung von Dauer gewejen oder
ift fie durch die franzöſiſche Faſſung bald wieder verdrängt wor-
ben? Welche Erſatzwörter haben Beifall und welde haben fo
vielfachen Widerfpruch gefunden, daß auf ihre Einführung nod)
verzichtet werden mu? — Oder: Inwieweit ift es den Zweig⸗
vereinen gelungen, fie in den eignen Familien einzufühs
ten?*) — Wieder ein anderer bittet um Beantwortung der Fragen:
Welche Berdeutihungen find in den Rechnungsbüchern und in
den Rechnungen eingeführt und welche jelbit von Bereins-
mitgliedern abgelehnt worden? Ich könnte eifrige Mitglieder
unferes Berein® nennen, bie viele von unfern Berbeutichungs-
büchern empfohlene Erjagwörter beharrlid; ablehnen, entweder
faltlächelnd, oder aus Gründen, weiche der Prüfung wert find,
die aber gern ſich jligen würden, wenn ihre Gründe widerlegt
würden oder fie erführen, dak anderwärts jene Erſahwörter fich
bereit eingebürgert haben.
Wenn dann über die Ergebnijje folher Umfragen ein aus—
führlicher Bericht in der Zeitichrift veröffentlicht würde, jo würden
bie Zweigvereine einen reichen Stoff für ihre Thätigfeit erhalten
und in der Löfung ihrer Aufgabe weientlic gefördert werden.
Ich bitte die geehrten Bereinsgenojien recht herzlich, entweder
abweifend und widerlegend, oder zujtimmend und ergänzend, über
meinen Vorſchlag, der ſich auf eigene längere Erfahrung in einem
anderen Bereine ſtüht, fih äußern zu wollen. Sollte berjelbe
Anklang finden, jo jteht meines Erachtens nichts im Wege, daß
einzelne Freiwillige, fobald fie die Genehmigung des Geſamtvor—
ftandes dazu erbeten und erhalten haben, die erjten Verſuche
machen. Diefelben wirden dann die Grundlage für weitere Er—
mwägung der Sade auf der nächſten Hauptverfammlung bilden
fünnen.
Zum Schluſſe ſei bier ein anderes Verfahren, das noch befier
wirken, aber ſchwieriger durchzuführen jein wirde, nur noch ans
gedeutet. Wie wäre es, wenn je ein Gajtwirt, Kaufmann, Bank—
herr, Weinhändfer, Bapierhändler, Geſchmeidehändler, Gärtner,
Buchhändler, Buchdrudereibefiger, Maler, Apothefer, Arzt, Tier:
arzt, Schuldireftor, Landwirt ujw. über die Art und Weife, wie
er feine Vereinszugehörigleit in feiner Fachſprache bethätigt, fich
ausjprechen, dann diefe Erflärung bei allen Berufsgenoffen (deren
Namen und Wohnorte aus dem Verzeichniſſe aller Vereinsmit-
glieder leicht feitzuftellen find) mit der Bitte um Begutachtung
und Weiterfendung umlaufen lafjen und endlich über das Ergeb»
nis einer ſolchen Umfrage berichten wollte? Was für einen Ein:
drud würde er auf die Gegner, die ftet$ unter Berufung anf
den doch nun einmal herrfchenden Sprachgebrauch jede Neuerung
als ſolche belächeln, durch die Mitteilung machen, daß er mit fo
und jo viel Berufsgenoffen in den verfchiedensten Gegenden Deutjch-
lands und Ofterreich® über diefe oder jene Neuerung einig ge—
worden ſei! Den Anfang kann ein jeder machen, ber meine
Anficht teilt. Wenn wir unfere beiden Feinde, Borurteil und
Gewohnheit, überwinden wollen, jo müſſen wir auf alle Fälle
geichlojjen vorgehen!
Im Namen des Neuruppiner Zweigvereins
M. Stier.
In Eſſen ſoll demnächſt nach dem Vorbilde von Berlin und
Köln eine ſogenannte Paſſage gebaut werden. Wie der Vorſihende
des Efiener Jweiqvereins, Proſeſſor Dr. Imme, mitteilt, hat er
bereits verjucht, dem in weiten Kreiſen allerdings jchon ganz ge
bräuchlihen Worte » Bafjage « den Eintritt in Efien zu venwehren.
Er hat vorgejchlagen, dafür Glashalle, Verlehrshalle, Durch—
gangshallee oder eine mehr einem Eigennamen gleichlommende
Bezeichnung zu wählen wie »Kaiferhalle oder Bismardballe«.
*) Qgl. meine Erörterung der bier zu überwindenden Schwie-
—— 3 re » Mitteilungen aus dem Berliner Zweigvereine«;
.197 5.
63 e
Vielleicht ift ein Lefer der Zeitichrift in der Lage, durch Vorſchlag
eines pafjenden Ausdruds das Bejtreben des genannten Herm
zu unterjtüßen.
Sprablibe Mufterleiftungen.
In der Nr. 255 der »Neuen Dörptichen ZBeitung« vom
8./20. November 1893 heißt es in einem Nadjrufe, der dem
Fürften Alerander von Battenberg gewidmet ift: ....»er dankt
ab und verjhmwindet im Dunkel eines Gatten ber Sän-
gerin Johanna Loifinger und öfterreichiichen Generalmajors Grafen
Hartenau.
»Und ich habe fo fange gewartet und beſcheiden geworben
zwei Jahre lang — iſt es nicht ſo? flüſterte er, ſie mit ſeinen
auf ihrem Hals und ihren Schultern ruhenden heißen Blicken in
eine fie ganz verwirrt machende Wolfe hüllend« ufw. (Aus
M. v. Gersdorff »Berlorene Liebes, Neuer Görliper Anzeiger
12./2. 1893.)
Rleine Mitteilungen.
— Den Zweigvereinen, welche unjerm Ehrenmitgliede, Herrn
Profeſſor Dr. Riegel, Kundgebungen der Verehrung und Anhäng—
lichkeit dargebradht haben, haben ſich neuerdings auch Czerno—
wig, Kempen i.®., Leoben, Prag, Straßburg i. E.,
Trier, Tübingen und Wermelskirchen, ſowie zahlreiche ein:
zelne Vereinägenofjen für ihre Perfon angeſchloſſen. Niemals,
fo erflärt die Trierer Zufchriit, werde die Geſchichte unferes Bol-
les und unferes Schrifttums bes Mannes vergefien,
Der unfrer Sprade hielt den Spiegel vor
Und der Verwelſchung ſchob den Riegel vor.
Um der gleichen Gefinnung Ausdrud zu geben, hat der ftändige
Nusihun in feiner Sitzung vom 10. Februar d. J. beichlofien,
dab im Kopfe dieler Heitichrift die Bemerkung » Begründet durch
Herman Riegel« geführt werde.
— In der erjten diesjährigen Situng des Gewerbe- und
Bildungsvereind zu Pr. Stargard wurde nad) einem Bor:
trage des Rektors TH. Loehrke über Nationalgefühl und
Sprade der Vorichlag, der Verein möge ſich dem a. d. Sprad-
verein als fürperichaftliches Mitglied anschließen, geme angenom=
men. Wie der Borfigende, Dr. Nagel, in der Sihung am
12. Februar mitteilte, ift der Anſchluß bereits erfolgt.
— Die Beftrebungen unſeres Vereins werden einer Mit:
teilung aus Marienwerder zufolge von dem dortigen Regie—
rungs= Präfidenten von Horn aufs Mräftigfte unterftügt. Er bat
eine größere Anzahl von Abzligen des Brunsichen Verdeutihungs
buches an feine Unterbeamten verteilen lafjen und auch den höheren
Beamten empfohjen, in ihren amtlichen Schriftjtüden ſich mög-
lichſt der Fremdwörter zu enthalten.
— Fr. Eg. Benner, Vorſteherin der Höheren Mädchenſchule in
Ohligs (Rheinpr.) macht folgende erfreuliche Mitteilung: »Als
unmittelbare Mitglied des Vereins machte id} meine Schülerin-
nen darauf aufmerffjam, da deutiche Mädchen den Gebrauch von
Fremdwörtern meiden follten. Nach einiger Zeit erfuhr ich, dab
die Mädchen infolgedefien aus eigenem Antriebe eine Kaſſe ge
bildet haben, in welche jedes Kind, das ein überflüffiges Fremd—
wort gebraucht, 2 bis 5A zahlt. Für das gefammelte Geld
follen jpäter Blumentöpfe zur Verfhönerung der Klaſſe gekauft
werden. Das unſchöne Wort »adjö« wird ftandhaft durch »quten
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 189. Nr. 3.
— — — — — nn nn —
EIER : 64
Morgen« oder »guten Tage erſetzt.« — Hoffentlich wirft dies Bei:
fpiel anregend auf andere Kinder — und auch Lehrer. Die
Schule ift und bleibt doch der Boden, auf welchem unfere Be
ftrebungen am beften Frucht tragen fönnen.
— la Flöche, Usine Mulhousienne, Claes & Flentje Velo-
eipödes, Mulhouse, Th. 700 ouvriers. So kündigt eine deutjche
Tahrradfabrit ihre Erzeugnifie auf einem großen, mit Bildern
verſehenen Anichlage an, den ein Mitglied deö Vereins nich
etwa in Frankreich, jondern in einem Gaſthofe im Fichtelgebirge
gefunden und der Zeitfchrift gltigit übermittelt hat. Im biefer
würdeloſen Art wird die franzöſiſche Sprache leider auch von dem
befannten Haufe Treu & Nugliih im Berlin zu den Auf:
fchriften ſeines Mäucherpapiers gebraucht, wo es Heißt: Papier
à parfumer, Treu & Nuglisch à Berlin, Fournisseurs de Sa
Majests le Roi de Prusse, Einpereur d’Allemagne. Hoffentlich
wird biejer Hinweis die Königlihen Hoflieferanten zur Er:
fenntnis des Miſwerhälmiſſes bringen, das zwilchen dem ihnen
von einem beutjchen Gerricher verliehenen Titel und der Sprache
beftcht, in welcher fie ihm zum Ausdrud bringen. '
Bücherſchau.
Auf der vorzährigen Hauptverſammlung des a. d. Sprachvereinẽ
wurde der Spruch über die infolge des Preisausichreibens vom
Jahre 1890 (» Gut Deutich«) eingelaufenen Arbeiten verfündet. Er
ging dahin,r daß feine ber Arbeiten den vollen Preis verdiene,
weil feine die beiden Hauptforderungen, wiſſenſchaftliche Tüchtig
feit und gefällige Darftellung vereine. Der Geſamtwworſtand habe
aber beſchloſſen, dem Berfafjer der Arbeit, die verhältnismähig
die meifte Anerkennung gefunden, eine Ehrengabe von 500 A
zuzubilligen mit dem Hinzufügen, daß diejer bei etwaiger Veröffent⸗
lichung nicht berechtigt fei, der Ehrengabe auf dem Titel zu
gedenken, jondern nur in der Vorrede. (Bgl. unjre Ziſcht.
1893, Sp. 107.) Dieſe Arbeit ift jüngst erichienen u. d. Titel:
Gut Deutſch. Eine Anleitung zur Vermeidung der häu-
figiten Verſtöße gegen den guten Sprachgebrauch und ein Rat:
geber in Fällen ſchwankender Ausdrudsweiſe. Bon Albert
Heine. Berlin, C. Regenhardt, 1894.
Hier iſt nun allerdings die Beziehung der Echrift zu bem
Preisausichreiben unferes Vereins nicht erwähnt, dagegen lautel
die buchhändferische Anfündigung:
Rreisihrift! An jedem Haufe verfäuflih. Laßt tief
uns, innig uns verſenken uſw. Mit diefem Leitwort erfchien
foeben als die bejte der infolge eines Preisausjchreibens
des allgemeinen deutichen Sprachvereins eingefandten Arbeiten
über den richtigen Gebrauch unferer Mutteriprache, die Preis-
Schrift: Gut Deutich uſw.
Der Herr BVerfafler hat auf Beiragen jede Verantwortung
für diefe irreführende Art der Ankündigung von fich abgelehnt;
nachdem diefe aber einmal ergangen und offenbar zu dem ſehnellen
Erfolge des Buches das ihrige beigetragen bat, hält ſich der
unterzeichnete Ausſchuß für verpflichtet, die Mitglieder des a. d.
Sprachvereins auf den oben dargelegten Sadverhalt aufmerkſam
zu machen. Aus dieſem ergiebt ſich,
1) daß, wenn dem Berf. die Beziehung auf das Preisaus—
ichreiben des allg. d. Sprachvereins nur in der Vorrede
gejtattet war, fie wie auf dem Titel fo auch in der bud)-
händleriichen Ankündigung volftändig wegbleiben mußte;
2) dab alle Berechtigung mangelt, das Buch ald Preis:
Schrift zu bezeichnen;
65 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. 189%. Nr. 3. 66
3) daß die Beröffentlihung nit vom a. d. Sprad)-
verein veranlaßt ift. Dies aber fann ſehr leicht aus
ben Worten der Ankündigung »erfchien als bie beſte⸗ in
Verbindung mit dem Umſtande gefchlojjen werden, daf der
Titel des Buches bis auf eine geringe Auslaffung genau
mit dem Wortlaut unfres Preisausſchreibens übereinjtimmt.
Ein ſolche Herübernahme ift fonft nur bei wirklich preis-
gefrönten Arbeiten üblid).
Died den Mitgliedern unſeres Vereins zur Kenntnis. Das
Heingefche Buch hat natürlicd, feine Verdienſte, wie ſchon aus ber
dem Berfafjer zu Teil gewordenen Ehrengabe unferes Vereins hers
vorgeht. Eine nähere Würdigung wird die nächte Nummer unfrer
Beitichrift bringen.
Berlin, Februar 1894.
Der Ausſchuß des allg. beutihen Spradvereins.
— don Sosnosky, Theodor, Der Spradwart. Sprach—
regeln und Sprachfünden als Beiträge zur deutſchen Grammatif
und Stiliftil. Breslau, 1894. Trewendt. XII und 231 ©. Il. 8.
Den zahlreichen in neuejter Zeit erſchienenen Schriften über
——— reiht ſich ein Werk an, das unter dem etwas
anfpruchövollen Titel »Spradhwarte vor uns tritt. Der Vers
aſſer ift ſchon vor einigen Jahren mit einem Büchlein »Sprad):
imbden« hervorgetreten (vgl. Ztichr. V 75). Das vorliegende Wert
fanrı man als eine beträchtlich erweiterte neue Muflage des erften
anfehen. Es bringt nicht nur ⸗Sunden«, fondern aud) » Regeln«,
und es beſchränkt jich nicht auf Sa» und Stillehre, ſondern be—
handelt auch die Formenlehre. Die Beifpiele find, wie in ben
»Spracdjündene, vorwiegend aus der neueren Erzäblungslitteras
tur genommen, weniger aud Aeitungen, und das ijt recht jo.
Denn Roman- und Novellendichter jollten allen anderen mit
einem guten Beijpiele vorangehen. Wie wenig fie ſich aber diefer
Pflicht bewuht find, mie gemwifjenlos fie mit der Sprache ums
gehn, fei es aus Nachläffigfeit, fei ed in dem Streben, neu und
eigenartig zu erjheinen, davon legt die in dem Buche enthaltene
che Beiſpielſammlung ein erſchreckendes Zeugnis ab. Man ift
entjegt, wenn man ficht, welche Mafien von Unſchönheiten und
Unfinnigfeiten aus unferen neueren Scriftjtellem zujfammenges
tragen werden konnten. Indes will es uns jcheinen, da der
Berfafier auf feiner Jagd nah dem Falſchen und Häßlichen nicht
felten zu meit gegangen ift, daß er insbefondere manches, was
der frei ſchaffenden Phantaſie des Dichter® wohl nachgeſehen
werben fann, zu engberzig von dem nüchternen Standpunkte der
Logik aus verurteilt. Er hat redyt, wen er den haarjträubenden
wulſt der »jlngiten Deutichen« an den Pranger jtellt; er
bat recht, wenn er wieder und wieder auf die Ungezogenheiten
Jenſens hinweift, der fich nahezu alles erlaubt. Mit vollitem Un—
recht aber wendet er ſich gegen formelhafte Wortverbindungen,
die er »tautologische nennt, wie »Ort und Stelle, Schuß und
Schirm, los und ledig« uſw. (5.183); er follte wifjen, daß
folhe ABufammenjtellungen, zumal wenn fie durch Stab= oder
Endreim gekräftigt werden, zu den edelſten Kunftmitteln der
rache gehören und einen außerordentlihen vhytämijchen und
rednerifhen Wert haben. Mit Unrecht bemängelt er auch viel
fach Rofeggers kräftig volfstümliche Ausdrudsweiie; jo bezeichnet
er als »jüdiihe die Wortitellung im folgenden Sape: » Wenn
ich jo ein Weſen thät fein, das ſich an ben Sonnenfüben fönnt
emporfpinnen in das Neid; Gotted« (S. 142) Mit Unrecht
tadelt er die Anwendung des Wortes »nervig« im Sinne von
»jehnig« (S. 17) oder den tranfitiven Gebrauch von »flüchten«
(S. 18); die Geichichte der Wörter und der Sprachgebrauch
rechtfertigen beided. Dak dem »MNheine« fein Genetiv⸗s zu neh⸗
men fei, weil es auch fonit bei Fluß— und —— fehle
F 32), iſt wohl eine übereilte Schlußfolgerung; jollen wir nicht
ie jo vielfach bedrohte Wortbiegung nad) Kräften jhügen? Den
öfterreichiichen Gebraud des Wortes >nacdem« im Sinne von
»weil« ſucht er zu verteidigen (S. 16), wie uns jcheint, ohne
Glück. Auch feine eigene Ausdrucksweiſe ift hin und wieder
öfterreichiich gefärbt; jo jagt er »auf etwas vergefien« (S. 93).
Doch das ift weniger jchlimm, als die im ganzen nicht gewandte,
zum Teil überaus breite und umjtändliche Art jeiner Darlegung.
Man vergleiche z. B. den Abſchnitt über die Vergleichs-Adjeltiva
(5. 70— 73); auch in ber yeyı Zergliederung von Saß:
ungetümen (S. 159— 174) ift des Guten gewiß zu viel gethan.
Unnüße Mühe verwendet er auch auf die Scheidung von Pleo—
nasmus und Tautologie (S. 181); eine feite Grenze wird ſich
bier jchmwerlich ziehen lafien. Hin und wieder vermifjen wir die zu
einer folhen Arbeit nötige Gelbjtändigteit des Urteils; der Ver—
faffer ſteht nicht felten gang auf den Schultern einiger hervor»
ragenden Örammatifer, beionders Beder⸗Lyons, Kellers und Ans
drejend. Dazu will das an anderen Stellen bervortretende jtarfe
Selbftgefühl des Berfafjers ſchlecht paſſen. attherzig iſt fein
Standpunkt in der Fremdwörterfrage, über die er fi im Vor—
worte (5. VI—VIII) äußert. Bent er diefer Seite der Sprache
mehr Aufmerkjamfeit jchenfte, würde es ihm vermutlich auch er-
fpart bleiben, Fremdwörter in ungewöhnlicher Bedeutung oder
eradezu faljh anzuwenden (»Augment« für die Vorſilbe ge —
. 51th, » Synefid« S. 79 ff, »Beugma« S. 108). Dann würde
er fih aud nicht damit abquälen, wie der Genitiv und Dativ
der Mehrzahl von »Tempus« zu bilden ſei (S. 35). Übrigens
hat er auch eim Buch umter dem lächerlichen Titel »Midicula«
herausgegeben. — So iſt denn an dem »Spradjiwart« vielerlei
auszufegen; indeſſen lann er bei vorfihtigem Gebrauche mandjen
Nupen ftiften.
raunjchmeig. Karl Scheffler.
Eingejandte neue Drudihriften.
May, Martin, Beiträge zur Stammkunde der deutihen
Sprade, nebit einer Einfeitung über die Keltgermanijchen
Spraden und ihr Verhältnis zu allen andern Sprachen.
Leipzig, 1893, v. Biedermann. CXXX u. 29 S. gr. 8.
Deutiher Liederhort. Auswahl der vorzüglichiten deutſchen
Volkslieder, nad Wort und Weiſe aus der Vorzeit und
Gegenwart geſammelt unb erläutert von ons Ert.
Neubearbeitet und fortgejept von Franz W. Böhm. I. Halb-
u Leipzig, 1894, Breitfopf & Härte. LX u. ©.
gr.
Bund der Deutihen Nordmährene Deutfcher Volls—
Süalender für das var Sahr 1894. Olmüß, 1894, Joſef
Klär, Brünn. 1426, 4.
Das zwanzigfte Jahrhundert. 4. Jahrgang, Heft d. Berlin,
Liüftenöbder.
Geihichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg.
28. Jahrgang, Heft 2. Magdeburg, 1893, Walther Nie
mann.
Seitungsihan.
Neue Aufſähe in Zeitungen und Zeitichriften.
F., M., Nod zu viel Fremdwörter! — Tägliche Rundſchau
20./1. 94. (Gegen ben fremdmwörterunfug in faufmännis
ihen Anpreifungen und Benennungen.)
Gascorbi, ®., Dr, Die Bornamen unferer Mädchen.
— Mündenjhe Nachrichten 26. u. 31.71. 94.
2., Dr., »Meterzentnere, Vorſchlag zu einer verftändigen
Gewichtsordnung. — Das zwanzigite Jahrhundert. Februar⸗
heft 1894. ©. 487—489. (Gegen die Bezeichnung » Meter
entner«; der Berfafjer fchlägt u. a. für I kg 1 Stein = St,
fü 100 kg 1 Hundertſtein — H., für 1 kg 1 Tauſend⸗
tein — T. vor.)
Helmann, U, Mllerhband Sprachverſtand. — Rhein.
Weſtfäl. Zeitung 19/11. 93. (Beſprechung der in Bonn bei
Hauftein erjhienenen Schrift gleichen Namens.)
Deye, Nihard, Die Sprade in Kid. Wagners Mujils
drama »Der Ring des Nibelungene — Münchener
Meuejte Nachrichten 20,/1. 94. (Nad) einem Bortrage im
Bweigverein München.)
B., Dr., Über Fremdwörter im Vollsmunde — Tägliche
Rundſchau 17,/12. 93.
Neuter, Bonner Spradgebrehen. — Neue Bonner Zei—
tung 20./12. 93. (Vortrag im Zweigverein Bonn.)
Juftus, Anleihen der Sprade. — Wiener Tagblatt 13./2. 94.
N. W., Zur Sprahmeijterei. — Berliner Tageblatt 7./2. 94.
67 Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Spradvereins. 1894. Rr. 3. 68
Aus den Smweigvereinen.
Graz; In der Berfammlung am 14. Februar machte der
‚ Obmann des Bereins Prof. Dr. Kbuli zunädit geſchäſtliche Mit:
BE Bir bitten die geehrten Vorſtände der Zmweigver: | feilungen und gedachte des verftorbenen Mitgliedes Herm Hugo
eine, ums für ben Abdrud an dieſer Stelle alle diejenigen Nach-
rihten aus bem Kreiſe ihrer Bereine in möglichit kurzer
Faffung zuzuiciden, bie von allgemeinerer Bedeutung jind
weigvereine
oder beren Kenntnis für bie en 3 nüplic) und
fördernd fein fann.
Arnitabt. Am 18. Januar hielt die Ortsgruppe des allge:
meinen beutichen Schulvereins und des allgemeinen beutichen
Sprachvereins zur Erinn an die Haiierproflamation in Ber:
failled einen von etwa 100 onen beiudten Feſtlommers ab,
ber ſich zu einer würbigen vaterländiichen Feier geitaltete und im
bem ber Borfigende bes Spradwerein®, Broiefior Lederer, die
erfte Anſprache hielt.
Berlin-Charlottenburg Nadı — — durch
ben Echjapmeijter, Berlagebuchhändlet E. Ernſt, in der Haupt:
verfammiumg am 5. Februar wurde der —— Vorſtand wieder⸗
emwählt, doch übernahm die Leitung desſelben an Stelle des
berftleutmants Dr. Mar Jähns, der durch ferne Thätigfeit
ald BVorfipender des Gejamtvereins fiarf in Anſpruch genommen
ift, der Geheime Oberregierungsrat Bormann. ach Erle⸗
digung ber Geſchäſte hielt Dr. Mar Jähns einen Vortrag über
das etymologiiche Wörterbuch der deutſchen Spradıe
von Friedrich Kluge und lente in Anfnüpfung an die Ein:
leitung dieſes ausgezeichneten Wertes den Gntwidelungsgang
unferer Sprache in groben Bügen bar.
Blantenburg a. 9. In der Hauptverfammlung im Januar
entwarf der Vorfipende, |berlehrer Dr. Saalfeld, nach Rech—
nungelegung ein Bild von der Entwidelung des allgemeinen
beutfchen Spradwereins und hielt jodann einen Bortrag über
sein Bollwert am Strande des deutihen Meeres« In diefem
fchılderte er das deutſche Empfinden der Flamländer in Holland
und Belgien, bezeichnete die flämiihe Sprache als das Vollwert
des Deutichtums am deutſchen Weere und erbradte aud) durch
ben Bortrag von Gedichten Emanuels Hiells, Jean van Baers
und anderer den Beweis, dafı die Flamländer deurfch find, deutſch
denten und fühlen. Auf Antrag des Benerals von Gramer
erhoben ſich die Anweſenden zu Ehren des Vorfigenden und zum
Beiden der Dankbarkeit für feine Verdienſte um den Verein von
ihren Sitzen.
Eau BaWeIE Nach Nedinungslegung durd den Scab-
meifter, Bantier Magnus, in der Januar» Berfammlung fand
die Neuwahl des Boritandes ftatt. Es wurden durch Zuruf
wiedergewählt Oberpoftdireftor Graefe ald Vorlipender, Ober:
renlicuidireftor Krumme als deſſen Stellvertreter, Banlier
Magnus ald Scagmeiiter, Gymnaſiallehrer Bogel als Schrift:
ührer, ferner Sculmipeltor Bertram, Muſeumedireltor Pro—
eſſor Dr. Niegel, Oberlehrer Dr. Schefiler, Proiefior Dr. Hugo
Schulte, Notar Dr. ————— Kommerzienrat Wolff. So—
dann hielt Lehrer Theodor Reiche einen Vortrag über » Die
deutsche Sprache auf unjeren Univerfitäten im 16. und 17. Jahr—
hundert «.
Dresden. In der Januar-Sißung wurde zunächſt der
Vorftand auf das neue Jahr gewählt, dem Graf Vißthum (als
BVorjipender), Prof. Dr. Dunger, Dr. ©. yon, Dr. J. Sahr,
Dr. Müller, Dr. Paul Schumann und Hr. Philippion an—
aehören. Nach dem Berichte des Vorfipenden Über die Bereins-
thätigfeit und nadı Nedmungslegung des Schapmeijter& hielt Prof.
eg einen Vortrag Über das vom a. d. Sprachverein durch
eine Ehrengabe ausgezeichnete Buch von Prof. Heinpe »But
Deutjche, welches er als auf ſehr tüchtigen Keuntniſſen berubend
bezeichnete und durchaus lobend beipradı, während er fich über
das Buch von Theodor von Sosnosfy »Der Spradmart«
tadelnd Anferte, weil es grobe Untenntnis und namentlic)
Mangel an Verftändnis für poetiſchen Sprachgebrauch befunde.
Elberfeld. Nachdem der Vorſißende, Schulrat Dr, Boob-
ftein, der großen Berdienfte des heimgegangenen Beigeordneten
gem Ernit um den hiefigen Spradjverein gedadht hatte und die
Inmwejenden defien Andenten durch Erheben von den Sipen ges
ehrt, wurde der Jahresbericht eritattet, die Kaſſenrechnung, ges
prüft und ſodann die Wahl des Vorjtandes vorgenommen. Uber
die frage, wie die Bereinszwede zu fürdern feien, entipann fich |
‚ den Worten des dahingejdiedenen Nechnungärates Fuchs, ber
eine lebhafte Erörterung.
Grein, der jeiner Geſinnung für alles wahrhaft Deutiche
u. a. auch dur ein dem Spradiverein ausgeiehtes Bermächtnis
von 500 Gulden bethätigt batte. Sodann hielt Prof. Bolzer
einen Bortrag über den Tichter Grafen von Weſtarp und Herr
Heinrih Waſtian über den Tichter Martin Greif.
Görlig. Am 19. Januar fand im biefigen Zweigverein eine
Verſammlung ftatt, in mwelher dad Schleuinerihe Schriftchen
über die faufmänniiche Schriftiprache und dad Arnold Genthes
über Deutihes Stang (Strakburg 1892) beiprochen wurden.
Beide regten einen lebhaften Memungsaustaufh an. Da Genthes
Sammlung deutiher Slangausdrüde zu weiteren Sammlungen
anregen möchte, jo verpflichteten fich die anmeienden Mitglieder,
in der nächſten Sigung alles von fchlefiihem Stang ihnen bis
dahin Erreihibare zur Beſprechung bezw. Sammlung darzubieten.
Vielleicht fordert dieſes Beiipiel andere Zweigvereine zur Nach—
ahmung auf, wenngleich es feine Schwierigfeiten haben mag, von
einem nicht ſchrifigemahen Worte immer zu entideiden, ob es
zum Slang (Gaſſen- oder Schlafroddeutih) oder zu den volls⸗
tümlichen (mundartlichen) Ausprüden zu rechnen jet
Halberftadt. In der Hauptveriammlung am 29. Januar
erftattete Prof, Dr. Riemann den Hedenichaftäbericht für das
Jahr 1893. Dann wurden bie bisherigen Vorſtandemitglieder,
Prof. Dr. Niemann, Stadtrat Rarıner, Vaſtor Horn,
Nettor Hey und Lehrer Ragenführ wiedergewählt, und ſchließ—
lich hielt Cherlehrer Dr. Saalfeld: Blanfenburg einen Vortrag
über »Spradmwanderungen und Sprachwandlungen«
Hannover. Die Hauptveriammlung wählte am 24. Januar
den früberen Boritand wieder und nahm darauf einen Bericht des
Borfigenden, Gehrimrats® Launhardt, über die Hauptveriamme
lung in Berlin entgegen. Im weiteren wurde die Bereinsthätig-
feit für die nächte Zeit beiprochen, die fi) etwas reger als bi8-
ber gejtalten wird. — In der Sigung am 7. Februar (mit nach⸗
folgender Abendunterhaltung) hielt Oberlehrer Dr. Georg Müller
einen Vortrag über gewiſſe Eigentümlichleiten der hiefigen Aus-
ſprache.
Kempen in Poſen. Am 3. Februar feierte ber hieſige
Zweigverein ein Faſtnachtsvergnügen, das über 200 Perfonen ans
aelodt hatte. Die beiden Einalter »Der Yantapfele und »Er
macht Beſuch“ erregten, da die einzelnen Rollen recht qut beiept
waren und qut geipielt wurden, viel Heiterkeit und Beifall. Noch
mebr fait aefielen die lebenden Bilder: Fleiß, Frohſinn, Friede
und die deutichen Sagen und Märchen. Em Tanzkränzchen be-
ſchloß das Ganze. Der Verein bat durch dieſes Feſt einen Zus
wachs von Mitgliedern erhalten.
Kiel, Am der ziemlich zablreich beſuchten Monatsveriamm-
fung am 13, Februar bielt der Norfigende, Gmmnafialdireltor
Dr. ed, einen Vortrag über ftarfe und ſchwache Beugung der
Eigenichajtswörter und ſchilderte darin, wie ſich allmählich, bes
fonders im Laufe des 17. und 18. Jahrhundert®, eine reinliche
Scheidung zwiichen den jtarfen und ſchwachen Formen nad der
Richtung der Spariamteit und des Wohlklanges volljogen babe,
mancde Fälle jedoch, wie 3. B. nadı »mirs und »Dire, » wire
und »ihr« (wir Deutiche oder wir Deutichen) noch unentichteden
geblieben feien. Aber auch gegen das bereits Feſtſtehende werde
täglich in Zeitungen und Feitichriiten gefiindigt; jo habe er neus
lid; an einem Tage 6—S ſchlimme Berftöhe gegen das Geſetz
feftgeftellt. — An den Vortrag fmüpfte ſich eine jehr lebhafte
Unterhaltung.
— In der letzten Oftoberverjammlung bielt derjelbe Vor—
fipende einen Vortrag über Ar. V der willenichaftlichen Beibefte
der Zeitichrift, worin Joh. Poeſchel die Stellung des Zeits
worte® nad) »unde ſprachgeſchichtlich unterſucht. Er fam dabei
zu demfelben Ergebnis, wie der Berfafier des Aufjapes in der
Beitichriit S. 34, daß durch die Umitellung des Zeitwortes nach
— meiſtens nur eine unlogiſche Satzverbindung überkleiſtert
werde.
Magdeburg. Am der Sikung am 29. Januar verlas der
Vorfipende, Oberlehrer Dr. Anode, zunächſt das Dankichreiben,
das er im Namen des Zweigvereins an Prof. Dr. Riegel ges
ſandt, ſowie deſſen Antwort. Sodann gedachte er mit ehren-
69
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind 1894. Nr. 3.
70
fängere Zeit mit großer Hingabe dem Vorſtande des hieſigen die Verdeutſchung ſolcher wiſſenſchaftlicher Fremdwörter, die ſich
Aweigvereins angebört hatıc. Den Vortrag des Abends hielt
Oberlehrer Dr. Philippfon über »die ftaatlichen und geiells
ſchaftlichen Verhältniſſe der Deutihen vor der Völlerwanderung«.
Seiner Darftellung legte der Bortragende die Germania des Tas
citus zu Grunde und ſchloß, anfnüpiend an das Geſolgſchaſts—
weſen der Germanen, unter Hinweis auf das hocherfreuliche
Zagesereignis mit der Verherrlicuung des Fürſten Biemarck, der
das erhabenjte Beiſpiel noch jept fortiebender Mannentreue jei.
Sum Schluß wurde der frühere Borjtand wiedergemählt.
Marienwerder. In ber in der vorigen Nummer der Beits
ichrift abgedrudten Liite der Vorjtandsmitglieder des neu gegrüns
beten Berems ijt Superintendent Braun ats Verfehen nicht
mit angeführt worden.
Neuruppin. 2 der Hauptverfammlung (19. Januar) ent
warf der biäherige Borfigende, Oberlehrer Rotbe, ein Bild von
der Entwidelung des a. d. Sprachvereins, worin er die Ber-
hältniſſe fchilderte, die Prof. Dr. Riegel zum Nüctritte vom
Vorſiß im Gefamtvereine bewogen haben. Sodann erjtattete er
Bericht über die ————— in Berlin und über die
Thätigleit des Zweigvereins. Es wurden nach dem Vorſchlage
des bisherigen Vorſißenden gewählt: zum Vorſißenden Profeſſor
Stier, zu ſeinem Stellverireter Seminarlehrer Baade, zum
Schriftführer Oberjtabsarzt Dr. Kunow, zum Schaßzmeſter
Dr. Hellwig und zum Srelvertreter der beiden legteren Pro⸗
feffor Ernit.
Oldenburg. Der bisherige VBorfipende, Oberlammerherr
von Alten, ertlärte mit Nüdjiht auf feine andermeitigen zahl-
reichen ®ejchäfte den Vorſitz niederlegen zu wollen und ſchlug
vor, an jeiner Stelle den Erfenbahns Direktionds Bräfidenten von
Mühlenfels, weldier dem Gejamtvoritande des Vereins feit
mehreren Jahren angehört, zum VBorfigenden zu wählen. Diefem
Vorſchlage wurde zugejtimmt und zugleich Hofapotheter Geerdes
zum Scapmeiiter und Schriftführer des Vereins gewählt. Herr
von Müplenfels nahm die Wahl danfend an, beriditete über
die Hauptverjammlung in Berlin und verſprach, in der nächiten
Sipung Vorſchläge über etwaige weitere Schritte zur Belebung
der Teilnahme an der Vereinsjadhe in Stadt und Land Olden—
burg zu machen.
Plauen i. V. Der bisherige Vorfigende, Major z. D.
Franke, hat wegen Überlaftung mit andern Geichäften jein Amt
niedergelegt. An jeine Stelle ift Oberlehrer Dr. Franke ges
treten, während die Herren Bürgerſchullehrer Büttner und
Wolf ihre Ämter ald Schriftführer und Schapmeilter fortführen.
Natibor. In dem öffentlichen Bortragsabend am 13. Februar
ſprach Taubjtummenlehrer Ulbrid) über » Die Heimatliebe in der
Dichtung.
Stettin. Der Stettiner Zweigverein hat fih im Jahre 1893
unter der Yeitung feines Vorfigenden, Prof. Dr. Blafendorff,
langiam, aber jtetig entwicelt und zählt jept BO Mitglieder. In der
Hauptverfammlung im Februar wurde der Jahres: und Kaſſen—
bericht erjtatiet und der bisherige Vorjtand durch Zuruf wieder
gewählt. Sodann beriet man einige geringe Sagungsänderungen
umd wäblte aus den erichenenen Murgliedern Auseſchüſſe zur
Förderung der Vereinszwede auf einzelnen Gebieten des üffent-
liyen Lebens,
Straßburg. In der Kanvar-Sipung erftattete der Vor—
jipende, Oberlebrer U. Grün, Bericht über die Berliner Haupt:
verſammlung und gedachte dann des verjtorbenen Schapmeiſters,
Buchhändlers Bull, dem zu Ehren fid) die Mitglieder von den
Eigen erhoben. Zum Schriftführer wurde ſodann an Stelle
des Oberlebrer® Dr. Shwahn, der von feiner Wiederwahl ab:
zufehen gebeten hatte, Oberlehrer Dr. Horjt berufen. Die übris
gen Mutglieder des Worjtandes wurden durch Zuruf wieder
gewählt.
Trier. In der Januarjipung wurde zumädit das Dan:
fchreiben an Prof. Dr. Riegel tjiche Heine Mitteilungen) und
deſſen Antwort verleien, Der Borfigende, Brof. van Hoffs,
teilte mit, daß er Abzüge der Erbejden Schrift über die Ber:
deutſchung der Kunftausdrüde in der deutihen Sprachlehre den
Deutidlehrern der höheren Lebranitalten Triers zugejtellt habe.
Einige an hieſige Geichäſte gerichtete Bitten um Entwelſchung
ihrer Anzeigen find freundlich aufgenommen und zum Teil bes |
reits erfüllt worden. Schließlich wandte fich der Borjipende gegen
auch in den übrigen gebildeten Spradyen, namentlich im Frans
zöſiſchen und Engliichen finden (z. B. Atlas, Pyramide) oder die
eine furze dedende —— nicht gejtatten (4. B. Traveſtie
und Barodie). Geradezu lächerlich ſeien die Verſuche, die Aus—
drüde der lateinischen und griechiſchen Grammatif für Dinge, die
nur im Latemiſchen und Griechiſchen vorlommen, wie Supinum,
Aoriſt, ablativus oder genetivus absolutus, zu verbeutihen. Dem
ren, der neulich in der Vereinäzeitichrift behauptet habe (1893
r. 11 ©. 188), die Mömer hätten die grammatilalifhen Fach—
wörter der Griechen ausnahmslos durch lateinifche erſetzt, brauche
man nur das Titelblatt jeder beliebigen fateiniih geichriebenen
Sprachlehre vorzuhalten. Gleich das erite Wort matioa
it griechiſch; und weiter diphtbongus, wofür erit Reulateiner
bivocalis jagen, syllaba ufw. ufw. Reißen wir doc nidyt, meinte
der VBortragende, in der Wıfjenichaft alle fremdwüchſigen Pflanzen
aus! Säubern wir aber das große Feld ringsum, ſäubern
wir die Sprache des Lebens, jo gut es geht! — Aus den Be-
richten über die Gipungen vor Weihnachten iſt nachzutragen:
14. Oftober 1893: Vortrag des Vorſihenden über den Roman
F. Th. Viſchers »Auch Einere. 11 November: Vorleſen des
»Tiichgeiprähes in der Sommerfrifdyee mit verteilten Rollen;
jodann Mitteilung des Inhalts der Pöſchel ſchen Abhandtung
im V. wijfenichaftlichen Beiheft. 30. Dezember: Geichäftlihe Ver—
handlungen.
Zittau. Freitag den 2. Februar hielt der Zweigverein
feine dritte Verſammlung in dieſem Winter ab. Während
die beiden erjten lediglich) den Angelegenheiten des Geſamtvereins
—* Kaſſeler Haupwerſammlung, Sapungsänderungen, Erbes
erdeutſchungen in der Sprachlehre), fonnte der Zweigverein dies—
mal wieder für fi) arbeiten. Wac dem Nahresberichte, der
Nedinungslegung und den Wahlen, die den alten Vorjtand wies
der bejtellten, wurde ein Unterhaltungs und Familienabend für
den 9. April beichloffen und dann vom Schriftführer, Oberlehrer
Dr. Matthias, ein Vortrag Über Herder gehalten, der dem—
nächjt erweitert und ausgeführter in der Täglichen Rundſchau er
ſcheinen wird.
Brieflaſten.
Herrn Z3... Straßburg i. E. Wie Sie freundlichſt mitteis
fen, kündigt die Weingroßhandlung Karl Gillißer in Münden
(das Bayerische Vaterland 23./12. 92.) Menu's für Weihnachts
feiertag (!) an, die ganz franzöfiic abgefaßt find und die u. a.
anführen: Charlotte à la russi (!). Poulet ſarcée (!), Saumon
du rhın, Indian farcie (?). Herr Billiger hätte qut daran ge-
than, fich vor Abfafjung feiner Menu’s (!) an einen ftrebjamen
Quartaner behufs Durchiicht und Verbefjerung feiner frangöfiichen
Nechtichreibung zu wenden. Bei diejem abjcheulicen Franzöjiich
dürfte wohl den Ausländern, auf die er offenbar bejonders
als Gäſte rechnet, die Luft vergehen, jein Restaurant zu fre-
quentieren,
Herrn 3, ..., Bleialf. Das Hötel Ernst in Köln reiht
fi würdig dem oben erwähnten Münchener Wirtshauje an, wenn
es für die Faltmacıtötage in der Kölniihen Zeitung Dejeuners,
Fourchettes (alſo &abeln!), Diners, Soupers ufw. anfündigt.
Sie haben ganz recht mit Ihrer Frage: »Sollte dies nicht für
jeden Freund der deutſchen Sprache genügen, diejen Gaſthof zu
meiden ?«
Herm 9. F. .. Krantfurt aM. Wenn die Frankfurter
Zeitung vom 23./1. 44 im zweiten Morgenblatte fagt: »der
Verein »Jugendfreumde, deſſen Thätigfeit auf die Beſchaffung von
Schuhen und Kleidern jeder Konfeifion gerichtet iſt« uſw.,
fo hat ihr der Drudjechlerteufel arg mitgejpielt!
Ham NR ..., Mainz, ®,..., Stuttgart, W. $....,
Wien. Die von Ihnen gütigit gemachten Vorſchläge zur Ber:
deutfchung der Wörter Konſelt und Bonbon find in der aus:
führlicheren Brieftaftenbemertung der vorigen Nummer 3. T. ſchon
erwähnt morden. Die mundartlidien Formen auf erl, wie
Auderl, haben in Norddeutichland wenig Ausſicht auf Einbürges
rung, troß des allgemein in Aufnahme gelommenen » Gigerl«. —
» Kleine Bäderei« für Konſett ift ficher zu lang, ebenſo » Tafdıen=
naichwert«, empfehlenäwerter erjcheint das in der vorigen Nums
mer angeführte » Sühbade; am leichtejten würde ſich aber wohl
Naſchwerk⸗, weil jchon jonft ım Gebrauch, einbürgern. — » Gut:
71 ” Zeitihrift bes allgemeinen deutfhen Spradvereind 189. Nr. 3, z 72
chen⸗ für Bonbon (von den Heidelberger Kindern ſtets anger
wandt) ijt jehr hübſch.
Herm J.M...., Eichfeld. Der weitere Widerjprud) gegen
dad Wort »Schriftleitere fan u. E. nur dann von Nupen Hr
die Bejtrebungen unſeres Vereins fein, wenn er von bejtimmten
Gegenvorjdlägen begleitet ift. Sobald Sie ein gutes Erfapwort
gefunden, bitten wir Sie um gütige Mitteilung, Bloß ver—
neinende Beiträge zu der Frage aufzunehmen, ericheint nicht
zweckmäßig. Daß en bei dem Worte »Scrift«e weit mehr
an die Thätigkeit, ald an das Ergebnis des Schreibens ge—
dacht wird, wie Sie bemerfen, iſt zu bejtreiten; vergl. Schrift
tum, Schriftgelehrter, Handichrift, Überſchrift, Aufschrift uf.
Herrn S. . . . Berlin, und zwei Frageftellern in Hannover
und Bremen. Sie bemängeln, daß die Sapungen in fogenanns
ter lateiniſcher Schrift gedrudt worden find. Wir weiſen darauf
hin, daß die Saßungen und vollftändige Parteilofigkeit in der
Frage der Echriftgattung auferlegen. Diefe Parteilofigfeit kann
nur zum Ausdruck fommen, wenn wir in den verjchiedenen Ver—
öffentlihungen des Vereins, dem ja die bedeutendjten Vertreter
der Lateinſchrift wie der Deutichichrift angehören, auc die ver
ichiedenen Schriftgattungen benußen, Sie jehen, daß die Beit-
ſchrift in gebrodenen Buchſtaben gedrudt wird; Sie fünnen
fih aljo nicht wundern, daß die Sapungen in runden erjcheinen.
Herm 6.(?) ..., Frankfurt aM. Könnten Sie wohl bie
Nummer der »Signale für die mufilaliiche Welt« (56) einienden,
aus welder Sie eine Blumenlefe von Berftöhen gegen bie Spradhs
reinheit gemadt? Es wäre wünfchenswert, die Seitenzablen uſw.
bei etwaiger Beiprechung anzugeben. Ihre Unterichrift war nicht
zu entziffern, daher die Anfrage auf diefem Wege.
Entröe:Billets (mit Controll-Coupons!) verfaufen, und
dann aud) an die Druderei, welche dieje geihmadiofen Scheine
berftellt? Viele Zweigbereine, ebenjo wie Einzelperfonen haben
durch möglichſt höflich gehaltene Anſchreiben in diefer Hinficht
ihon Erfolg gehabt, während die Beröffentlihung ihrer Namen
manche Kaufleute und Gewerbtreibende erit recht eigenfinnig macht,
Geſchäftlicher Teil.
Seine Exzell. der Wirkliche Gcheime Nat Herr Dr. von Wars
dbenburg, Mitglied bes Gefamtvorjtandes und Ehrenförberer des
a. d. Spradjvereins, der Begründer des Zweigvereins Freiburgi. B.,
ijt in diejer Stadt am 2. Febr. 1894 verjtorben. Sein Andenten
wird im Vereine allezeit in Ehren bleiben.
Die Zweigvereine Apenrade, Stolp i.®. und Watten-
ſcheid haben fi) aufgelöft.
Unter Borfig des Oberlchrerd Robert Honfig hat fih in
Iglau ein Bweigverein gebildet, der 3. 3. 23 Mitglieder zählt.
Die Errichtung eines Ameigvereines auf diefer vom Tichechentume
umbranbeten Sprachinſel an der Grenze Böhmens und Mährens
begrüßt der a. d. Sprachverein mit befonderer Genugthuung und
einem berzlihen ⸗Glück aufl«
Der am 23, November v. %. in Hannover verftorbene Rentner
Herr Herrmann Daniel Tellfampf
hat dem a. d. Spradjereine laut Ieptwilliger Verfügung den
Betrag von
200 Marl
vermacht, die am 9. Februar d. J. an Herm Karl Magnus
in Braunſchweig ausgezahlt worden find.
In der Überzeugung, daß alle Mitglieder des Vereines feine
Empfindungen teilen werden, ruft der Vorftand dem Entichlafenen
innigjten Dank nad).
Wir empfingen an
erhöhten Jabresbeiträgen für 1894
je 20 Mart
von Sr. Durchlaucht dem Erbprinzen zu Fürftenberg in
Donauefhingen und von Frau R. Schwetichke in Hallea. d. S.; —
je 10 Mart
von Herrn C. Recht in Berlin und dem Berein für Erb-
funde in Sonderähaufen; —
je 5 Marf
von Herm Rektor Goedecke in Stadthagen, Herm Selretär
Fofef Wiedermann in Graz, Herm Negierungs= und Baus
rath Rieken in Görlig, Fräulein Margarethe Helle in
Briefe und Drudiacen fir die Bereinsleitung
find an den Borfipenden
äbhns in Berlin W. 10.
Dberftleutiont a. D. Dr.
Margareienjirahe 16,
zu richten.
— — — — EX —
ſterſtin, Herrn Folkard Scherling in Rotterdam, Herrn
H. Warneke in Heiligenfelde, dem Verein für deutſche
Schnellſchrift in Burgau, Herrn Verſicherungsdirektor Ferd.
Kuch in Stettin, Herrn E. Drieſe in Guben, Herrn Karl
Hammer in Guben, Herrn Franz Knauth in St. Petersburg,
Freiin H. v. Dw auf Wachendorf, 3. Zt. in Münden, Herrn
Ingenieur Friedr. Sperl in Taris, Herm Konrad v. Wifer
in Bien; —
je 4 Marl
von Herrn Oberftleutnant F. v. Lengerke in Marburg (Bez.
Kafjel), Herm Stadtpfarrer Kübel in Ansbah, Herrn Ober:
lehrer W. Wartenberg in Eupen und Herrn Saufmann
Th. Heyie in St. Petersburg.
Wir fagen den hochgeihäpten Gebern unfern beiten Dant.
Wir bitten unfere geehrten Mitglieder, ſoweit dies noch nicht
geichehen ift, den
Jahresbeitrag für 1894
baldigjt an die Schafmetfter ihrer Zweigvereine, beziehentlich
den Schatzmeiſter des Gejamtvereind abzuführen. &
Unter Berweilung auf Beitimmung 2 der Geichäftsorbnung
des a. d. Sprachvereins erinnern wir daran, daß die Zweigver—
eine in den eriten drei Monaten jedes Jahres
die Zahl ihrer Mitglieder nnd die Namen ihrer geſchäfts—⸗
führenden Borftandsbeamten
dem Unterzeichneten mitzuteilen haben,
Ferner bitten wir die geehrten Vorſtände der Zweigvereine,
bei etwaigen
Ortöwedhiel von Mitgliedern
dies fowie den neuen Wohnort dem unterzeichneten Borfipen-
den gefälligft anzuzeigen, damit das weiter Erforderliche geſchehen
fünne. Dr. Mar Jähns.
In dem der erften Nummer beigelegten Abdruck der »Sapun=
gen und Geſchäftsordnung des a. d. Spr.« ift ein Drudfebler
ftehen geblieben. Auf S. 17 muß es in der 18. Bejtimmung
ber Gejchäftsordnung nicht »Shg. 20«, jondern »Spg. 19« heifen.
A —————— und Beitrittserflärungen
Verlagsbuchbändler Eberhard Ernft in Berlin W.4l,
Wilpelmftrafe @,
Briefe und Drudjaden für die Zeitſchrift am den Herausgeber, Dberlehrer Wappenhans in Berlin N.W. 23, Altonser Strafe 34,
Bür die Leltung verantwortlich Ariedrih Wappenhans, Berlin. — Verlag des allgemeinen deutichen Spracdjvereins,
= — u
Druck der Buchdruckerel des Waifenhaufes in Halle a.d. S.
IX. Jahrgang Ar. 4. 2. April 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Dieſe Zeltſchrift erihelnt ſahrlich gmoötfmat , su fang iedes Monats, Die Keitichrift kann auch durch den Buchhandel oder die Bolt
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutihen Sprachverelns unentgeltlich | zu BMMM. jährlich besonen werben. — Anzelgenannahme durch ben Schapmeifter
F geliefert (Sagung 24). j Eberhard Ernit, Berlin W.al, Wilhelmfer.W, — Auflage 13230,
Inbatt: Germaniiches Eigentum in der Sprache Zialiene. Bon Oberlehrer Dr. Söhns (Bandersheim). — Eine deuticde Tanz-
farte. — Sprachliche Mufterleiitungen. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsichau. — Aus den Bweigvereinen. —
Brieflaften. — Geſchäftlicher Teil.
Germaniſches Eigentum in der Sprache Italiens, hätte fie fich nie zur Bieljeitigfeit entwickeln fönnen; das zumeift
Bon Ober! Dr. Sohns (Ganderehei mit dem aufblühenden Handel geöffnete geiſtige Auge des der
—* * on ( anberögeim). Kultur entgegenftrebenden Volles erlannte aud in dem geiftigen
2 en natie Befige anderer Nationen eine Anzahl von Begriffen, die dem
u A j eigenen Ideeengebiete fehlten. Man zog fie in feinen Bereich und
ſchreibt das in Brüfiel ericheinende und in feiner ——— — aber mit ie Be Eilbungeftfe a an Me nenn Morke,
In hohem Grabe nachahmendwerie dagblad voor Belgio „het land die ihren Begriff umkleideten. Und je näher ein fi entwideln-
an die SEHR * —— ww aid formalihrenben Mohn ber ſulturſtaat mit einer anderen Ration in Berührung gelommen
eg — —— igiſchen Lejer, ihre befanntlih | ig, um fo mehr diefer fremden Begriffe hat er natürlich gerade
% in dem tiefiten Grund mit ſranzöſiſchen Worten verquidte von ihr entnommen. Folgerecht hat denn auch Stalien*) bie
Sprade nationaler zu — Und het land darf füglich dabei meiften ſeiner Fremdworte der deutſchen Nation entlehnt, die
«in Wußer gelten. “ud uns! Wem oil beutjcien Zeitungen, | dreimal im Laufe der Geſchichte die Herricaft des reizvollen
sp Die meien dem Borgange ihrer beigifäen Ruhwe Landes in ihrer Hand gehalten. Bon diefen drei Abſchnitten
folgten, e& würde baib beſſer Regen kam unfere Spradk, om | fommen indes nur zwei wefentlic in Betracht, die Zeit der Herr—
uniere Betion, deren Geele die Gpraie ii. ZBie bie Nation, jo ſchaft der Dftgothen und die der Langobarden, und von dieſen
* —— Am —— ſah unſere en im wieder befonders die langobardiſche. Die Anzahl der in dem
- 17. Jahraum aus, am bumifedigiten war gerade In bieler dritten Zeitabſchnitt, im der Zeit unierer mittelalterlihen Kaiſer
Zeit die Sprache des Landes. Einfacher und klarer hat feit- und ihrer Römerzüge entichnten Worte ift nur gering.
dem das Ddeutiche Schwert bie deutſche Karte geftaltet, — iſt Die Langobarden find den Italienern näher getreten als die
bamit and, bie Sprache —— geworben? Gewiß iſt fie es, Oſtgothen. Die Oſtgothen ſtanden ihnen infolge ihrer politischen
wer wird es leugnen wollen! Es hat viel Anſtrengung von- Verfaffung und ihres feperiichen arianishen Glaubens immer
felten des Handanfegenden, viel Selbſtüberwindung vonfeiten fern, fie ſuchten ſich durchaus nicht mit den Unterworfenen zu
ded Sranfen gefoftet, che ein Erfolg zu verzeichnen war, aber verichmelzen, fie waren in dem eroberten Lande in der That nur
fo viel fteßt feit, er iſt in gewiſſem Grade zu verzeichnen. Aber „einem fiegreichen Heere vergleichbar, das ſich auf unbeitimmte
un nur in gewiflem Grade. Viel bleibt noch zu thun, viel zu | Beit darin einquartiert hat”. Und die Unterworfenen waren,
erreichen, lang und anftrengend iſt ber eg, fern das Biel u abgefehen von dem natürlichen Grolle gegen die fremden Ein:
mandier wird unterwegs ſchlaff unb malt, * ber Erreichung dringlinge, ihrer überlegenen Bildung fich viel zu jehr bewußt,
behfelben verzweifeind, ſtehen bieiben, — aufgören, — ——— als daß fie ben germaniſchen Barbaren ſich hätten nähern follen.
Da thut es denn gut, ihm ab und zu ein „großed Mufter“ vor Eo kann die italienische Sprache von den Djtgotben nur weniges
Augen zu Halten, das ihm helſen joll, bie Mübigteit au über: Sprachgut entlehnt haben. Ganz anders geftaltete ſich die Sadıe,
—— — — gr gie verleihen foll zum Weitermondern — I als in der zweiten Hälfte des VI. Jahrhunderts der nordgerma—
s zum Biele. * ſolches Muſier von Sprachreinheit darf niihe Stamm der Langobarden, der bis bahin im heutigen
für ung bie Sprache fein, die einer ihrer beiten eifter la Hannover, in der Mark und zulept in Mähren gefefien, ſieg—
— — bella, cosi pura ed armoniosa nennt, die Sprache reihen Einzug in das Land hielt. Die Langobarden, deren
a 2 . : Namen nocd heute die italiſche Tiefebene trägt, find allmählich
Eine fremdwörterfofe Sprade freilich ift auch fie nicht, wie ' mit den Stalienern verfchmolzen, fie haben has atbanafianiiche
—— see — eg —* aeg Sen rnages Glaubensbefenntnis Roms angenommen und damit die bedeutendjte
eier allein —— e * ge — eg Scheidewand zwiſchen fih und den Unterworfenen befeitigt, fie
. *) Es handelt fich bei diejer Unterfuchung natürlich immer
*) taal = Sprade, ziel = Seele, natie = Nation, zelve = | nur um die Sprache der Bildung und Litteratur, wie fie Dante
jelber. und Boccaccio geſchaffen.
75
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradpvereind, 1894. Nr. 4.
76
haben ihre Sitten, Bräuche und endlich ihre Eprade verloren
und find völlig in der unterworfenen Nation aufgegangen. So
fehr fie ſich auch anfangs gegen diefe Verſchmelzung jträuben
mochten, — fie find über zwei Jahrhunderte Herren des gröheren
Teiles Italiens gemwejen, und im Laufe diefer Zeit hatten die
„Reize und Genüſſe des füblichen Landes, von jeher der mäch—
tigfte Bundesgenoffe der reigenden Halbinfel”, genügend Zeit, ihre
erichlaffende Wirkung auf die Naturföhne Germaniens auszuüben,
Es trat allmählich eine gegenfeitige Annäherung in boliticher
Beziehung ein, aber aud) ein Austauſch in den geijtigen Gütern und
Errungenfcaften, und dabei waren mie e8 ähnlich, außer in Eng—
land, überall geſchehen, die Germanen die Verlierenden: Sprache,
Sitte und Vollsdichtungen der Ahnen verjchwanden, die Lango—
barden wurden Staliener. Und fie find es auch, die den Adern des
moraliſch erichlafften welſchen Volles veinigende, neue Lebenskraft
zuführten und ihm jene zweite Blüte erzeugten, die ihren Höhe—
punft in dem fpäteren Glanze der langobardiſchen Gemeinweſen
erreichte, gegen deren Selbitändigfeit unfere mittelalterlidyen Kaifer
vergeblid) ihre beſten Kräfte zeriplitterten. So unterwarf ſich der
Ausläufer griechiich- römischer Nultur die barbariicen Stämme
unferer Vorfahren. Allein mit dem immer mehr um fich greifens
den Siege italiiher Kultur hörte in demſelben Grade aud) der
Widerjtand auf, den die weljche Bevölferung des Landes bisher
der Spradye der Barbaren entgegengebradht hatte. Much fie nahm
bei dem gegenjeitigen geiftigen Austauſche Wörter und Begriffe
auf, die fie dann in der Folgezeit gemeinjam mit den meuen
Stammesbrüdern germaniſcher Abhınjt weiter entwidelt hat. Wenn
wir und nun aber im Folgenden anjdiden, eine Zuſammen—
jtellung von Wörtern zu geben, welche der Staliener von unferen
germaniſchen Vorfahren entlehnte, jo fan es natürlich nidyt in
unferer Abſicht liegen, die ganze Summe berjelben zu erſchöpfen:
was wir an unjerem Auge vorüberziehen laſſen wollen, ſoll nur
die anziehendite Auswahl diefer in die italienijche Sprache über-
gegangenen germanijchen Wörter fein.
Was zunähft das germaniſche Haus betrifft, jo iſt gar
mancherlei von jeiner Beichaffenheit und feinen Eigentümlichleiten
in das Atalieniiche aufgenommen. Da haben wir vor allem die
Benennung für Wohnung loggia und alloggiamento (frz. logement)
und das Thätigkeitswort alloggiare (frz. loger) = wohnen, die
ihr Dafein dem altd. loubä (unfer Laube) danfen, welches als
laubia in das Latein des Mittelalters überging und von da aus
die romaniſche Sippe erzeugte. Germaniicher Abjtammung am
Haufe it il balcone, der Balfon, der unfern Ballen feine Ab-
funft ſchuldet, wie fie von den Langobarden bei Erferbauten be:
fonders gern benupt wurden. Die feinere Bedeutung unjerer
Tage hat das Wort erjt viel ſpäter erhalten. Derartige balconi
zeigten beſonders die roeche des italiſchen Mittelalters, die
reich mit Zinnen geichmücdten Felſenburgen, und auch in Jtalien
fam es vor, dab fidh, wie in Germanien, um ein ſolches
Sellenichloß herum allmähli ein borgo (unfer Burg), ein
Ort bildete, — und borgo nennt der Staliener noch heute
einen Marktfleden. Auf der Burg ſelbſt aber ſaß aud in
Stalien der burgravio, ber Burggraf unjerer Gauen. Die
Hausthür wurde nad) altgermaniicher wise (— Weije, in das
ital. als la guisa übergegangen), wie ih das in einzelnen
weitfäliihen Bauernhäufern bis heute erhalten, durch die dem
germanischen Sparren entlehnte sbarra, den hölzernen, von
einer Seite der Mauer zur anderen reichenden, fchiebbaren Quer:
balfen, verriegelt, der fonft auch nad) unferer Stange la stanga
genannt wird. An dem Haufe fallen uns ferner i lavori di
stucco auf, die Stuecaturarbeiten deren Benennung ohne unjer
deutſches Stüd nicht vorhanden fein würde. Wir betreten das
Innere und erinnern uns dabei, daß diefer Ausdruck für die
Thätigleit unjerer Füße auch als trottare in die Sprache
Italiens und in feiner Weiterbildung als Trottoir (unjere Volls—
ſprache fagt dafür mit unbewuhter Anlehnung an das Grund—
wort: ZTretoir) in die Frankreichs gedrungen ift, wir betreten
den Salon, den heutzutage num freilidy nicht nur die „Herren—
wohnung“, jondern aud die einfachite Barbier- und Friſierſtube
befigt. In dem ital. Worte salone begegnet uns neben dem deutſchen
Saal wieder die Endung one, die, wie oben in balcone, ſtets das
Große, räumlich Ausgedehnte bedeuten fol. In diejen saloni übte
man im Mittelalter mit Vorliebe das Ballipiel, und daß dasjelbe
nicht bloß in Weljchland, jondern recht eigentlich auch in Sermanien
zu Haus war, fehen wir aus den vielfachen Anführungen unferer
altd. Dichter ſowohl, als aus dem Worte bal felbjt, das der
Italiener erjt unferer Spracde entnommen und dann zu ballare
{= tanzen) und la ballata (Zanzlied, Ballade) jortentwidelt
bat. Ballwerjen, Geſang und Tanz waren dem deutihen Mittel-
alter untrennbar. Später freilid) hörte das Balljpiel in den
Sälen auf, ebenſo der Geſang, und es blieb nur der Tanz, ber
indes nod) bis heute den Namen des alten Geſamtſpieles bei-
behalten bat, den Namen Ball. Aber nicht nur il ballo und
ballare find deutſch ebenjo wie la palla der Ball (zum Werfen),
auch die gleichbedeutenden la danza und danzare, und bie
italiſche bauda (Mufitbande) ſpielt Heute fogar den deutſchen
valzer auf, freilich ohne recht zu willen, wie fie ihn jchreiben
fol, ob germaniſch mit dem im Italieniſchen nicht vorhandenen w,
oder mit dem nationalen v.
Da ertönte denn im Mittelalter außer den eigenartig roma—
nischen Anftrumenten auch die germaniiche Harphe, die ber
Italiener arpa nannte und die ebenjo germaniiche Friedel oder
Geige, die zur italieniichen viola und giga fid) ummwandelten.
Und nicht nur mestoso (ernſt und flagend) fangen ihre Töne,
fondern die germanifche Yebenstraft und Lebensfreude brach ſich
auch Bahn im heitern scherzando (von Scherz), und fröhlich
traten die righbe, die in Wort und Handlung dem germanijchen
Neibentange entlehnt waren, zum munteren Rigoletto, ober zu
einem vermutlich ebenjo germaniichen walh-hlaup, dem ital, galoppo,
der unjerem laufen entſtammt, zujammen. Daß dabei bereits in
alter Zeit lo scalco, der Küchenmeifter, nicht feiern durfte, verſteht
ſich ebenjo von jelbit, wie die Mbleitung feines Namens von dem
germanijdyen Worte skalk (eigentlih der Iinfreie, Knecht), wie
es in verwandelter Bedeutung in unjerem Schalt und in höherer
Begriffgentwidlung in den jpäter zu betrachtenden Marſchall und
Senejhall erhalten iſt. Da galt e& den Bratipieß zu dreben, an
welchem das Fleiſch über dem Feuer geröftet wurde — arrostire
nennt der Schalt jeine Thätigkeit mit Entlehnung des deutjchen
Wortitammes, — und lüjternen Auges verfolgte il bracco,
der germanijche Brade, die Zubereitung des edlen Wildes, bei
dejien Einbringung er redlich mitgeholfen, danfbar leccava la
mano al padrone, ledte er dem Herm die Hand, die ihm ab
und zu einen lederen Biſſen zuwarf. Zur Beförderung des
Durites bereitete der Nachtömmling des römiſchen coquus den
Tajelgenofien des Herm die barbariihe Sülze, die der Jtaliener
gar bald als il soleio ſchähen und lieben lernte, und wen
follte es nicht im tiefiten Innern anmuten, wenn er ihn vollends
die altgermanische Suppe anrichten ficht, die vom german.
süpan — würzen (niederd. süpen, hochd, jaufen) abgeleitet als
la zuppa in bie italienische Küche übergegangen und endlich
gar die Mutter des feinen frangöfiichen, natürlich) auch von
und berübergeholten Soupers geworden iſt. Man trant biefe
17
mit Brotfrumen untermifchte Suppe (Kaltichale) aus hölzernen
Schöpfern von der Art unſerer Punjclöffel, und man nannte
das, wie der Germane trinken: trincare. Nun, das gers
manijche Trinken jollte wohl in die Sprache des mit großem
Erſtaunen auf die Leiftungsfähigfeit unſerer Altvorderen bliden-
den Stalieners übergehen! Im Mittelalter thaten jich darin bes
fonder& die deutſchen Landäfnechte hervor, die der Staliener
lanzichenecchi oder furz lanzi nannte. Sie find es, von deren
Sitte und KHauderwelid ein Karnevalslied des 16. Jahrhunderts
fingt:
Per cazzar maninconie
Sempre Lanze ha flasche in
mane
E per viver liete ce sane
Um jedweden Mißmut ſchneller
zu wenden,
Hat der Landsknecht ſtets die
Trlaiche in Händen,
Und um zu bleiben fidel und
gejund,
Trioche e bomber tuttevie. Zecht und fäuft er jeberitumd.
Aber aud) ein Ausdruck des feineren, oder, wie der Student
fagt, „ommentmäßigen” Trinkens it in die Sprache Italiens
übergegangen. Un brindisi alla sua salute! ruft der bekanntlich
durch jeine gentilezza, feine perfönliche Liebenswürdigleit, ſich
auszeichnende Staliener dir zu, un brindisi, d. h. einen Trunt
auf dein Wohl, und du wirſt wohl oder übel dies brindisi auf
die deutſchen Worte ich bring dir fie, d. 5. die Gefundheit,
oder die Blume, wie der Student jagt, zurüdleiten müſſen,
Worte, die im früherer Beit beim Zutrunk häufiger waren,
als heute,
Aufgejtellt wurde nun alſo il desco der Tifch, umd nieder
liegen ſich die Tiſchgenoſſen sul banco oder sulla banca, die,
wie das urjprüngliche germaniiche Wort Bank aud) im JItalieni—
Ichen zweifaches Gejchlecht befigt, und daß das römiſche Salz
ebenjowenig bei dieſem banchetto gefehlt, wie das germanijce
beißende Witzwort, dafür find uns bei den Chroniſten Beugnifie
genug aufbewahrt. Was du thuft, ich thu es dir wieder: und
diejes wiederthun findet fich deutlich genug im ital. guiderdone
d. h. die Vergeltung.
Freilich war der Germane zunächſt nicht gewohnt alla maniera
minuta, mit dem feinen Anjtande des Romanen, ſich bei Tiiche
zu gebehrben umd griff nicht. jelten plumper zu, als die Augen
des verfeinerten Nachkommen Noms es vertrugen. Aber das Tuch,
welches der Efjende aus Gründen der Neinlichkeit vornimmt, die
ital. tovaglia, ijt dennod nichts Anderes als die altgerm.
dwahila, die freifih uriprünglih nur ein Tuch zum Abtrodnen
bedeutete, Tovaglia (frz. touaille) iſt noch heute ebenſo häufig,
wie das romanifcher Abkunft entitammende salvietta, die Serviette,
Kein uomo garbato ohne folche! Garbato? Das jo beliebte
Wort des Italieners, das den taftvollen, formgerechten und
formgewandten Mann des feinen Tones bedeutet, auch dieſes
dem plumpen Germanen entlehnt? Zweifelsohne: es bezeidnet
ſchon in feiner Ableitung vom garawjan d. h. fertig machen,
rüften, den völlig gerüfteten, fertigen Mann, und ift vom Kriegs-
handwerk auf das gefellichaftlihe Leben Übertragen.
Dak das Getränk beim Gaſtmahle nicht fehlte, it ſowohl
bei den Stalienem als bei den als ganz beionders trinkluftig
und trinfträftig ſchon bei Tacitus verrufenen Germanen mit
völliger Sicherheit anzunehmen. Natürlich feierte dabei der roma—
nijche Wein feine Triumphe, aber der Germane bürgerte daneben
bald fein nationales Bier als la birra in die Sprache des
Romanen ein, und heute ijt un biechier di birra (ein Becher
Bier) — bisweilen auch nach der befannten Sonderart einfach
un boe genannt, — in taliens größeren Städten ebenio be-
fannt (wenn auch meijt nicht ebenjo qut) wie der italtiche, fran—
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradpvereind. 1894. Nr. 4.
zöſiſche und rheiniſche Rebenſaft. Wie ein gerechter deutſcher
Trinter ſchloß gar bald nun Roms Sprößling aus dem Schaum,
den er la schiuma nannte, auf die Güte des Stoffes, ebenſo
wie er e8 bald den Germanen abſah, etwaigen böjen Folgen
allzu reichlicher Trinfung, als da ijt beiſpielsweiſe ein gewiſſes
sdrucciolare (vom beutichen Straucdeln), durch den bes
ſchwichtigenden Genuß einer aringa, eines ect germanijchen
Härings, vorzubeugen. Man jhöpfte das Bier zunächſt aus
der germanifchen Butte, dem Faß, das unferen waderen Bött-
dern wie den ſüddeutſchen Büttner den Namen gegeben und
das der Italiener als la botta übernommen und weiter gebildet
hat zu bottajo, dem Böttcher, zu feiner bottiglia (fri. bouteille,
wie fie früher auch bei uns als vornehmes Fremdwort geblüht
hat,) und endlich zu feiner bottiglieria, zu feiner ganzen Keller—
einrichtung, in die mit den Germanen num auch die deutjche
Ratte als il ratto ihren folgenſchweren Einzug hielt. Übrigens
ijt neben der bottiglia auch il fiasco (Flache) dem Bewohner
der apenniniſchen Halbinjel jchr befannt. Ja, jelbit die welt-
betannte Etiquette der Flaſche iſt uriprünglich germaniſch: zu
Grunde liegt ihr das deutſche Wort jteden, etwas anfteden,
das in das Stalienifche als lo stecco, der Heine Holzdorn, mit
dem man etwas befejtigte, und von da in das Franzöſiſche ale
Etiquette (ital. etichetta) überging. Das Wort bedeutete aljo
den Dom, mit dem man ein Bettelchen irgendwo anftedie und
in erweiterter Begrifisentwidlung denn aud) das Zettelchen felbft,
die Flaſchenetiquette. Bon den beiden wichtigen Beitandteilen
des Fafjes, dem Zapfen und dem Spunde, ift der erjtere ger-
manifcher Abhmft und auch der taliener hat ihm als zaffo
übernommen, während der Spund auf ein lat. Grundwort zu=
rüdgebt. Was aber endlih Malz und Hopfen anlangt, jo find
fie bei dem entarteten Nachwuchs Noms zunächſt verloren ges
wejen, erjt neuerdings it il malto in ihre Spradye gedrungen,
den römijchen lupulus hat der germanifche Hopfen bis heute
nicht zu verdrängen vermodht. Echluß folgt.)
Eine deutibe Tanzkarte.
Zur Fafchingszeit*) dürfte es am Plage jein, eine Wiener Tanz-
ordnung des vorigen Jahres zu veröffentlichen, worin alle heut-
zutage üblichen Tänze mit deutichen Namen wern auch in alter:
tüumelnder Form benannt werden. Als Zeichen der Zeit, Die
troß allem den Beitrebungen unjeres Vereines immer mehr Ver-
ftändnis entgegenbringt, verdient dieſe Tanzkarte der Bergefien-
heit entrifien zu werden. Sie lautet:
Kurge und warhafitige Beſchreybung der liepelichen Täntz
und Reigen, jo aufgefübret werden von allen wohlerfamben Jung-
frawen und tugendbafften Jüngelingen, weliche der Hiftoria wohl:
geſunnen feindt.
Ze Wiene, beim qulden Kreußen, do man zahlte von Ehriftes
geburte 1890 Jar und darnach in dem dritten, am zweinzigiten
Tage des Vaßnachtmonds.
Bor der Rube
d. i. vor der Stund, da alles an Speis und Trund und ver:
jtändiglicher Ambſprach ſich erletzet.
Rundumgang uf Vollniſch (Bolonaif e).
1. Wiener Schleyfftang (Walzer).
*) Veripätet abgedrudt.
79
1. Fräntiih Hüpferlin (Polla frangaife).
Ein welliih Tanp, jo man verſchwahzet und verpaket.
(1. Quabrille).
2. Wiener Schleyfitang (Walzer).
1. Pollniſch Umbſprung (Bolfa Mazur).
Aniego ſtracks ein zweit welliſch Tang (2. Quadrille).
3. Biener Schleyfitang (Walzer).
1. Unfinnig ſchneller Umſchub (Polka jchnelt).
Ein wellifh Tan mit Schlängelgängel d. i. Umzug uff Sclan-
genweis (3. Duadrille und Eotillon).
Nad) der Ruhe
d. i. nachdem alles genueg habet.
4. Wiener Schleyfftang, bey welihem die Jungfrawen bie
Jüngelinge ausfuchen (Walzer, Damenwahl).
2. Pollniſch Umbiprung (Polka Mazur).
Wiederumb ein welliic Tank, vohr dinmal ohne Sclängel-
gängel (4. Quadrille).
Strampfichritt der Clanhäuptlinge (Schottiid)).
2. Fräntiih Hüpferlin (Polka frangaife).
Des abgeichiedenen Herm Rugerius Sprungweis (Sir Roger).
5. Wiener Schleyfftantz (Walzer).
Unwiderruflich lehter welliicher Tang (5. Duadrilfe).
2. Unfinnig ſchneller Umſchub (Polka ſchnell).
6. Wiener Schleyfftang (Walzer).
Sprablibe Mufterleiftungen.
Mit welher Wonne mande Scriftiteller noch heutzutage in
Fremdwörtern jchwelgen, beweiſt eine in der Weimariichen Zei—
tung vom 2, März d. J. erichienene Beſprechung, die dem Gaſtſpiele
des Fräulein Anna Haverland am Weimariichen Theater ges
widmet if. Da wimmelt es von Productionen und Reproduc-
tionen, von Dissonanzen, Repertoirs, Individualisierungen, von
Fundamenten, Momenten, Details und Kolorit. Das Genre,
die dramaturgischen Meditationen, unretouchierte Naturwirts
lichleits⸗ Photographie, Konnex, Kompromifs, Pointen des Dia-
logs, prägnant, Prägnanz, fundamentieren, Partner, illustrie-
rende Gebärde, lebhaft animiert, Motoren, Privileg, kombiniert,
Domaine, markant werden uns zum Teil mehrfach vorgeführt
und ſchließlich Teiftet fi) der Verſaſſer die weniger Maren als
geichmadlojen Ausdrüde subjektive Protuberanz und subjektive
Folie. Aber aud) abgefehen von den Fremdwörtern wirft der Stil des
Verfajjers recht eigentünmlich, wenn es 3. B. heit: »die Iphigenia
des Frl. H. bewies durch das prägnante Ausdrudsvermögen ber
inneren Welt diejes Charakters . , . die ganze Tiefe diefer eigen-
artigen Künftlernatur«e. Bielleiht fommt der Nunftrichter der
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Spradvereind. 1894. Nr. 4.
|
|
J
80
Weimariſchen Zeitung bei einiger »Meditation« zu der Überzeu-
gung, daß feine Lefer mehr von feinen Beſprechungen profitieren
würden, wenn er ſich einer reineren und dadurch auch Mareren
Sprache befleihigte!
»Moch ift zur Information der Lefer des Buches des Herm
Kunz hinzuzufügen, daß diefer jelbe Herr im Dezember 1890
mit Subvention der Negierung dejelben Balmaceda, an dem
er — wie Hr. v. 2. ganz richtig ſchreibt — in feinem neueiter
Opus (von dem die fiegreihe Negierung, nach Einſicht in den
sgefinnungtüchtigen Inhalte des Manuſtriptes, gleich 2000
Erempfare vorweg bejtellt hat, behufs unentgeltlicher Verteilung
in Deutichland) »faum ein gutes Haar« läht, ein anderes Bud)
herausgab.« (Die Zukunſt 24./2. 94 Ne. 74 ©. 374.)
Der Wohltätigleits-» Mlub« Klingel fäht einer Zeitungsnad:-
richt zufolge zwiichen den drei Hafenorten Seeftemünde, Bremer:
haven und Lche einen ftchenden Circus erbauen, der den Namen
Circus varietö erhalten fol. Spricdt man denn in Niederſachſen
franzöfiich?
»Die Erhumierung der Gebeine des Turnvaters Jahn und
ihre Überführung in die in dem Weftgiebel der auf dem alten
Friedhofe von der deutichen Turnerſchaft errichteten Turnhalle
eingebaute Gruft wurde der »Geraer 3.« zufolge heute bewerf:
ſtelligt · Meichsanzeiger 10./3. 94 Nr. 60 zweite Beilage.)
Rleine Mitteilungen.
Herrn Profeffor Dr. Riegel find neuerdings aus Böhmen hul⸗
digende Zuſchriften zu teil geworben. Der Zweigverein NReichens
berg bat ihm »für die unvergänglichen Verdienſte, die er fi
durch Begründung, Erhaltung und Ausgejtaltung des allgemeinen
deutſchen Spradjvereins erworben hate feinen tiefempfundenen
Dank ausgefprodhen; Leipa ſchloß ſich dem unter bejonderer
Hervorhebung der langjährigen jelbitlofen Hingabe Riegels an
die gute Sache mit warmen Worten an, und in Würdigung
eben diejer Haltung und jener Leiftungen hat der Zweigverein
Prag Herm Riegel zu jeinem Ehrenmitgliede ernannt,
— Ron den Herren Treu & Nugliich erhielten wir folgende
Zufchrift, die wir gern veröffentlichen, da fie einen erfreulichen
Beweis für die allmähliche Erwedung des ſprachlichen Gewiſſens
aud) im Handelsjtande liefert:
»Die Abfajjung der Mitteilung Ihrer Zeitichrift Nr. 3, 1894,
Spalte 64 muß den irmtümlichen Eindrud hervorrufen, als ob
wir bei Bezeichnung unjerer Waren fremde Sprachen bevorzugten
oder gar auöfchliehlich verwendeten. Dies widerſpricht aber den
Thatſachen; die große Mehrzahl unferer Erzeugnifie, injonderbeit
fämtliche jeit einer Neihe von Jahren erichienenen, für den alls
gemeinen Berfauf beitimmten Neubeiten, find mit Aufichriften
in deuticher Sprache verjehen, nur für eine verhältnismäßig Heine
Unzapl von älteren Warengattungen wird einjtweilen nod) bie
urfprüngliche Bezeichnung in fremden Sprachen beibehalten, weil
ber fofortige Wechſel der handelsũblich gewordenen Auffchriften
unthunlich ijt und deren Ünderung nur nad und nad) erfolgen
fanı. Es kommen hierbei verichiedene Gejchäftdumftände mit in
Betracht, deren Auseinanderjepung zu weit führen würde und
deren Beurteilung wir umjomehr glauben uns vorbehalten zu
dürfen, als unferer Firma das Verdienit zulommt, diejen Ge—
werbezweig zuerit in Deutichland eingeführt und uns darin vom
Ausland unabhängig gemacht zu haben.«
81
Wünſchenswert wäre es freilicd), wenn das jo bedeutende Bes
ichäft mit der Verdeutihung feiner Warenbezeihnungen jo raſch
wie möglich vorgehen und dadurch die Heineren Handlungen günſtig
beeinflufjen wollte.
— In einer Brieffaftenbemertung der vorigen Nummer wurde
das Hötel Ernſt in Köln wegen jeiner franzöfiihen Ankündi—
gung von Mahlzeiten angegriffen. Daraufhin hat der Leiter diejes
Gafthofes, Herr A. P. Edelmann, unter Einjendung einer Ans
zahl von Speijetarten, Speijefolgen, Speileordnungen uſw. in
einem Briefe an den Herausgeber den Nachweis zu führen ge-
fucht, da er eim eifriger Freund unferer Bejtrebungen ſei.
Wenn Herr Edelmann jedoch bemerft, dak er lediglich durch
Nüdfihtnahme auf das internationale Publitum zu jener Anzeige
veranlaht worden, jo können wir ihm nicht beipflichten. Im
Vergleich, zu der großen Anzahl Deuticher, die zur Karnevalszeit
nah Köln kommen, ift wohl die der Fremden fait verichwindend.
Immerhin find wir gem bereit, das unjerige dazu beizutragen,
um den guten Ruf des Hötel Ernjt in den Kreijen des Sprad):
vereins wieder berzujtellen, da wir uns überzeugt haben, dal;
jein Leiter jonft ganz auf deſſen Boden jteht. Wir bedauern
daher die Schärfe der Sprache in jener Briefkaſtenbemerkung.
Büberihau.
Die in Nr. 3 in Ausſicht gejtellte Beſprechung des Heintzeſchen
Buches »Gut Deutjche ift bis nach Erfcheinen der dritten Auf-
lage zurücgelegt worden.
Eingejandte neue Drudicriften.
Edftein, Emft, Berftehen wir Deutſch? Leipzig, 1894,
Karl Reißner. 1636. 8°. ſch *—
Das Zwanzigſte Jahrhundert. 4. Jahrgang, 6. Berlin, |
Fre, rung, den Fähigleit, das beite Deutſch zu fchreiben, aber — jie lönnen
Ullrich, Rudolf, Die Neue Schrift.
Selbjtverlag. 146. 8°. 0,80.
Katholifche Zeitfchrift für Erziehung und Unterricht,
herausgegeben von Ad. Joſ. Eüppers. 43. Jahrgang,
Heft 2 und 3 nebit Beilagen.
2. Aufl. Wien, 1893,
Blätter des Schwäbiicen Albvereins, herausgegeben von |
Prof. Nägele in Tübingen. VI. Jahrgang, 1894, Wr. 3.
(Der jebt 10000 Mitglieder zählende Verein befleihigt ſich in
jeinen Beröffentlihungen einer von Fremdwörtern möglichit freien
Sprade. Wir begrühen ihn freudig und von Herzen als einen
Genofjen umjerer Beitrebungen!)
Nenatus, Johannes, Spaziergang durh die Sprade.
Baugen, 1893, Emil Hübner. 96 ©. 8%, 1,20.
Seitungsihan.
— Wuſtmann hat in feinen » Sprachbummbeiten«, wie mir
icheint, mit Recht gegen den übermähigen Gebrauch des bezüg—
lichen Fürwortes »welcdere gewettert und das gleihbedeutende
»dere ald allein empjehlenswert bezeichnet.
Minor den Gebrauch beider Fürwörter in der heutigen Spradje
behandelt und inäbejondere den bei den Neuern zunehmenden
Gebrauch von »weichers fetgeftellt hatte (Weiträge zur Ge—
ihidhte der deutſchen Sprache 16, 477 ff.), liefert jegt Paul
Pietſch in derſelben Zeitichrift (18, 270— 273) einen beadjtenss
werten Beitrag zu der Frage. Er bringt einige Stellen bei aus |
Schopenhauers einfeitiger, aber lefendwerter Abhandlung » über
die feit einigen Jahren methodiſch betriebene Verhunzung der
Nachdem dann |
Zeitfhrift deö allgemeinen deutihen Spradvereins. 1894. Nr. 4.
deutichen Sprache + (Neclams Univerjalbibliotget 2010/20 S. 118ff.).
Schopenhauer behauptet hier gerade umgefehrt das Überwiegen |
von »der« und ſpricht ſich in feiner göttlichen Derbheit aufs ent=
82
ſchiedenſte dagegen aus, indem er auch diefen angeblichen Mih-
brauch, wie alle Spradwerhungung, aus einem bis zur Buch—
ftabenzählerei gefteigerten Streben nad Kürze herleitet. Da dieje
Bemerkungen in den Jahren 1856 — 1860 niedergejchrieben find,
fo fann im allgemeinen in diefer Zeit »welcher« vor »der« nicht
gerade bevorzugt fein. »Wenn dies nun heute der Fall iſt, jo
werden die Anfänge der jtärferen Bevorzugung jedenfall® nicht
vor die 50er Jahre fallen.e Beobadhtungen an geeigneten Büchern
jener Zeit dürften es ermöglichen, die Örenze nod) etwas genauer
fejtzufiellen. — Pietſch weiit dann noch hin auf die Damit zuſam—
menbängende Anfiht Schopenhauers über geichriebene und ges
iprodjene Spradje überhaupt, die er z. B. in folgenden Worten
fundgiebt: » Dan joll jtets, joweit der Gegenſtand es zuläßt, in
einem edlen Tone ſchreiben; wiſſend, daß man zum Publito redet
und nicht zu feinen Gevatterne. Dem ftimmt Pietſch bei: »die
geichriebene Sprache fann und wird fich nie mit der geſprochenen
völlig deden« ujw. Mber er fügt hinzu: »Anderjeits freilich joll
aud) feine Mauer zwijchen geichriebener und geiprochener Sprache
aufgerichtet werben, es ijt vielmehr zu wünjchen, daß die friſchere
und lebendigere Luft der geiprodjenen Sprache nicht ganz jelten
auch hinüberwehe in die geichriebene. Und jo wird ſich denn
gegen eine Begünstigung des »der« in der Bücherfprache, wie
fie jet empfohlen wird, nichts einwenden lafien.« 8. ©.
— In der »franffurter Zeitung« vom 18. Dezember 1893
findet jich ein Auffap Zeitungsdeutſch« von Dr. A. Bader,
der die vielgeichmähten Zeitungsichreiber in Schutz nimmt und
die Schuld an dem ſchlechten Zeitungsdeutſch von ihnen abzu-
wöälzen jucht auf den Kanzleiitil, das Jurijtendeutich, ben Par—
lamentsjargon, das Soldatendeutich mancher ſchriftſtellernder Offi—
äiere, den Reporterjtil und noch verjciedene andere Dinge. Die
armen Nedaftöre! Sie haben den beiten Willen und die bejte
gegen die bermacht der beftchenden Verhältnifie nicht antämpfen.
Sollte es aber nicht wenigſtens zu vermeiden fein, daß die Un—
arten des Kanzlei- und Barlamentsitiles in die Leitartikel eins
dringen? Gewih muß den Zeitungsſchreibern manches nad)
gefehen werden, gewiß tragen nicht fie allein die Schuld. Ander—
ſeits aber ijt und bleibt es ihre Pflicht, auch unter ungünftigen
Verhältniſſen eim gutes und lesbares Deutſch zu fchreiben, und
das um jo mehr, je mehr fie beanipruchen gehört zu werden.
So fange fie diejer Pflicht nicht mehr als bisher genügen, fo lange
wird die Beitichrift des allgemeinen deutjchen Sprachvereins nicht
umbin können, auch eine Beſſerung der Zeitungsipradje für wün—
ſchenswert zu halten, Darin wird fie ſich auch nicht beirren laſſen
durch den Verdruß des Herm Zacher über die »Öymnafiallehrer,
die in den Spalten der Zeitichrift des a. d. Sprachvereins von Zeit
zu Zeit ein großes Jammern anitellen ob der Verderbnis der
BZeitungsipradie». N. S
Neue Aufjäge in Zeitungen und Beitichriften.
Matthias, Th., Johann Gottfried Herder, Ein Beitrag
* ſeiner Würdigung im Lichte neuer —— —
gliche Rundſchau, Februar 1894. Unterhaltungsbeilagen
Nr. 28, 29, 30, 33 u. 34.
Amme, Einige Andeutungen über das Weſen der
Sprade auf Grund der neueren Pſychologie. —
Rheinifch- Weitfälifche Zeitung 28. 1. M.
Imme, Die Sprade in ihrem Verhältnis zur Willen:
ſchaft. — Rheiniſch-Weſtfäliſche Zeitung 29. 10. 93.
mme, Spradlidhe Gebrechen der Begenwart. VI. Noch
allerlei vom Zeitiwort. — Rheiniſch-Weſtfäliſche Zeitung 30. 7.,
13. 8., 20.8. 9.
83
S..e, Zur Methodit bes Sprahunterrichtd. Im Ans
ſchluß an A. Oblert, Allgemeine Methodit des Sprad-
unterrihts. Hannover, 1893, Karl Meyer. — Neuphilo—
logiſches Gentralblatt 1894, Nr. 1—3.
Aus den Smweigvereinen.
Wegen Raummangels muhten die eingegangenen Nachrichten
diesmal ſehr abgefürzt werden, was der Herausgeber zu ent
ſchuldigen bittet.
Nacen, 20, Februar. Hauptverfammlung; Vortrag des Ober:
lehrers Koehn über Leibnizens Vorſchläge zur Verbeſſe—
rung der deutſchen Sprache.
Bonn. In einem Vortragsabend in der Leſegeſellſchaft
(19. Februar) ſprach Dr. Ernſt Müllenbach über Muſäus,
den Dichter der Volksmärchen der Deutſchen, ſchilderte
des Dichters Leben, beſchäftigte ſich dann eingehend mit ſeinen
3 Hauptwerfen und gab ſchließlich durch zahlreiche Belege ein
Bild der fernigen und echt deutichen Sprade des Mufäus, der
Fremdwörter meiſt nur anwendet, um fie zu verfpotten, anderer:
jeitd eine Fülle von prächtigen deutichen Ausdrücken gebraudıt,
die jett leider faſt durchweg als veraltet gelten. — Der Herren=
abend vom 15. März wurde durch einen kurzen Bortrag von
Dr. Wülfing über Friedrich Mohr als Vorlämpfer unſerer
Bejtrebungene (vgl. Jabrgang V der Beitihrift, Sp. IM) ein-
eleitet. Daran ſchloß fich eine lange Erörterung, insbejondere
über die verfchiedenen für » Redafteur« vorgeſchlagenen Berdeutich-
ungen; man fam bei aller Verſchiedenheit der Anfichten doc
darin überein, daß es ſehr jchwer halten werde, den Ausdruck
»Medalteur« als Titel fortzuichaften. Dies führte zu einer leb-
haften Beiprehung des Titelweiens, bei welcher fih Dr. Müllen-
bad namentlich über die Anrede »gnädige Frau- und »gnädiges
Fraulein · verbreitete. Im weiteren Berlauf des Abends jprachen
noch die Herren Oberrealfchullehrer Reuter über » Mama und
Papa«, und Oberlehrer Waldeyer über »Jenenfer«, »Münſte—
raner« und ähnliche Mikbildungen.
Breslau. Nah Mitteilung über die Berliner Hauptvers
fammlung regte der Vorjipende eine Beiprechung der entbehrlich:
ften und unverftändlichiten Fremdwörter in der Börjeniprache an.
Chemnitz. Nach Wiederwahl des bisherigen Vorſtandes bielt
in der Hauptverfammlung Oberlebrer von Dosty einen Vortrag
über das tragiihe Gejihid des unglüdlihen Dichters
Hölderlin. In der Eikung vom 16. Februar befahte fid) der
Verein hauptfählih mit Anzeigen- und Firmendeutich, gegen
welches Stellung zu nehmen bejchlojien wurde.
Dresden, 15. Februar. Vortrag des Oberlehrers Karl
Erdmann über den Gefühlswert der Wörter. (Der Bor:
tragende bat eine Bearbeitung dieſes Gegenftandes für die Feit-
schrift im Ausſicht geftellt.)
Duisburg, 7. März Vortrag des Oberlehrers Dr. Blum-
ihein aus Köln über Übertragung und Entwidlung von
Wortbedeutungen.
Eger. In der Hauptverfammfun
bisherige Vorſtand wiedergewählt. ie Mitgliederzahl beläuft
ſich gegenwärtig auf 52. Brofeffor Unterforcher hielt einen
Vortrag über Injichriften auf Grabfreuzen und Marterin,
fowie über Trints und Hausjprüde.
Freiburg i. Br. In der gut befuchten Hauptverfammlung
am 27. ffebruar berichtete nach Rechnungslegung des Schatz—
meiſters der Borfigende über die Bereinsthätigteit im Jahre 1893
und widmete dem vor kurzem verjtorbenen Begründer unieres
Zweiqvereins und Ehrenförderer des a. d. Sprachvereins, Wirkl.
Geheimen Rat Dr. von Wardenburg, Erzellenz, einen war:
men Nahruf. Sodann hielt Direftor Keller einen Wortrag
über Joh. Gottlieb Fichte und die deutjche Sprade. In
den Borjtand wurden Realihuldireltor Rebmann und Univ.
Profefior Dr. Friedrich Kluge berufen, die übrigen Mitglieder
durch Zuruf wiedergewählt.
Görlitz. In der Februawerſammlung verlas Oberlehrer
Dr. Uhl einen von ihm in der Wiener Zeitung »Der Kyffhäuſer«
veröffentlichten Auffap: Was verjtehen wir unter Erziehung
im deutjchen Geifte? Sodann wurde auf Anregung des
Scriftitellers Dr. Eulenburg die Zuſammenſtellung jchlefiicher
(17. Februar) wurde der
Zeitihrift des allgemeinen dbeutfhen Sprahvereins. 1894. Nr. 4
84
Vollsausdrücke beſprochen, über die bereits in der vorigen Num—
mer berichtet worden it.
Graz Am 6. März hielt Dr. riedrih Hausegger einen
Xortrag über die Entwidlung der Ballade, zu welchem ber
Balladenfänger Joſef Waldner durd eine Neihe von ihm ges
fungener Balladen die mufifaliiche Erläuterung lieferte.
Leipzig. In der Hauptverfammlung am 20. Februar be—
richtete der Vorſihende, Landgerichtädireftor Genſel, über die
Thätigfeit des Vereins im legten Jabre und verlas den Entwurf
zu einem Aufrufe, durch welchen neue Mitglieder geworben und
die Bejtrebungen des Vereins verallgemeinert werden follen. Nach
Neuwahl des Vorftandes hielt Direltor Dr. Wychgram einen
Vortrag über Theodor Storm; fodann beiprah Oberlehrer
Dr. Beer Gebdidte von Hedwig von Olfers.
Marburg. In der Haupwerſammlung erftattete der Sprech⸗
wart den Tbätigfeitäbericht über das abgelaufene Bereinzjahr.
Demzufolge zählt der Verein 155 Mitglieder und befigt ein Ge—
famtvermögen von etwa 8600 Gulden. Nachdem Dr. Malln
über die Ziele des Vereins geiprochen und die Wahl dei Bor:
ftandes jtattgefunden hatte, hielt Direftor Friſch einen Bortrag
über das Vollstümliche bei Schiller.
Marienburg Am 7. Mär, ſprach Reltor Pudor über
den Gebrauch 5: Fremdwörter, namentlich in kauf—
männifchen reifen, worauf beiclofien wurde, an ben biefigen
Kaufmänniſchen Berein das Erfuchen zu richten, er möge
bei feinen Mitgliedern dahin wirken, daf bei Anpröiungen in
den Beitungen die für den Lejer unverftändlichen Fremdwörter
vermieden würden.
Marienwerdber. Am 15. Februar wiederholte Gymnaſial⸗
direftor Dr. Brods den Vortrag über Geiſt und Weſen der
deutichen Sprade, welden er bei &elcgenheit der begründen:
den Berfammlung im Dezember gehalten hatte. Am 3. März
wurde zunächit der vom Vorſtandsmitglied Oberlandesgerihtsrat
Erler ausgearbeite Entwurf der Satzungen zur Beratung geftellt
und angenommen. Zum Scritfübrer des Vereins wurde
Dr. Maydorn erwählt. In die zu benründende Bücherei ftiftete
der Vorfigende Aluges etymologiiches Wörterbuch. Zum Schluf
hielt Dr. Maydorn einen Bortrag über Sinn und Geital-
tung der deutihen Berjonennamen.
Hann» Münden. Nach Eritattung des Thätigteitäberichtes
burch den Schatzmeiſter am 25. Februar bielt Dr, Cascorbi einen
Vortrag über Mündener Kamiliennamen Zum Schluk
wurde der bisherige Vorftand wiedergemäbhlt.
Brag. An der Jahresverſammlung am 16. fyebruar wurde
der Gründer des Spracwereins, Hermann Riegel, in An-
ertennung feiner Berdienite um die deutiche Sprache einitimmi
zum Ebrenmitgliede ernannt. Durch perjönlihe Einwirtung ift
es gelungen zu erreihen, daß ein von dem hiefigen Verein
» Deutiche Kochſchule⸗ berausgegebenes Kochbuch, das in deutichen
Kreifen Böhmens ſehr beliebt ift, in feiner neuen Auflage von
überfläffigen Fremdwörtern gründlich geläubert fein wird. Bon
den Berdeutichungsbeften für die Kunſtausdrücke in der deutichen
Sprachlehre jind 230 Stüd an deutiche Schulen Prags und der
Bororte, ſowie an die Lehrervereine verteilt worden.
Reihenberg. An der Hauptverfammilung am 25. Januar
bielt Profefior Anton Stangel einen Bortrag über Ibſen
und die neue Nichtung. Der Verein zäblt 167 Mitglieder.
Wie in früheren Jahren bat die Stadtvertretung für das Jahr
1894 dem Spradyerein den Betrag von 50 Gulden gewidmet. —
Nachdem der neue Obmann BProfefior Menzl feine Anfichten
darüber, wie der Zweck des Sprachvereins in unferem Wirfungs-
freife zu erreichen jet, entmidelt hatte, ſprach Brofefior Müller
über Vikltor von Scheffel, worauf einige Gedichte von Felit
Dahn und zwei Geſchichten von Widmer vorgelefen wurden. Der
Verein bat in der biefigen deutichen Volkszeitung einen Frage—
faiten (Spracede) eröffnet; außerdem veröffentlicht ein Vorſtands—
mitglied in derfelben Zeitung cine Reibe von Auffägen: » Betrad-
tungen über den allgemeinen deutſchen Spradwereine (von N. $t.).
Stuttgart. In der Februarſitzung bielt der Vorfigende
Prof. Erbe einen Rortrag über Schwäbiſch und Schrift
deutſch, worin er ausführte, daß forgfältig zwiſchen ſchwäbiſcher
Mundart und ſchwäbiſcher Gaſſenſprache zu unterjceiden fel; die
fettere fei weder in der Schule noch in der gebildeten Geſellſchaft
zu dulden. Mit Freuden begrühte er die größere Beachtung,
85
welce in den legten Jahrzehnten die Mundarten wieder gefunden
haben, und forderte entidieden das Feilhalten an den berechtigten
Eigentümlichteiten des Schwäbiſchen.
Trier. Die Februarverſammlung geitaltete ſich zu einer
Feier für den am folgenden Tage im fein achtzigſtes Lebens:
eintretenden früheren Borjigenden, Geheimen Sanitättrat |
jahr
Dr. Birnbaum, deſſen Verdienfte Proſeſſor Dr. van Hoffe in
einer Anſprache jchilderte.
von mehreren Mitgliedern zum beften gegeben wurden.
wurden zwei jüngit erſchienene Aufiäge beiprochen + Nichard Deye,
Die Sprache Richard Wagnerd« und einer aus dem Berliner
Tageblatt über Spradmeilterei. — In der Märzſikung fand
zunächſt eine Erörterung über das Heintejche Buch »Sut Deutiche
Ntatt. Nur unerhebfiches wurde darin geiadelt, und da man nicht
einzujehen vermag, weshalb dem Bude nicht der volle Preis
—— worden, jo iſt man ſehr geſpannt auf die Beſprechung
esjelben in der Zeitichrift. Es wurde jodann auf einzelne ſprach⸗
liche Unfitten aufmerfiam gemacht und fchliehlich teilte der Bor:
fipende verſchiedene Entlehnungen aus dem Stalienifchen mit.
Tübingen. Die feit Beginn des Jahres 1890 bejtehende
Ortsgruppe hat infolge perfönlicher und allgemeiner Verhältniſſe
bisher nur ein bejcheidenes Dajein führen Binnen. Cinmal trat
Stadtpfarrer Demmler in einer Schullchrerfonferen;, ein ander:
mal Brofefjor Nänele mit einem Bortrage über Geſchäfts—
leben und Geſchäftsſprache im Gewerbeverein für die Sache
des Sprachvereins ein. Am 17. Februar hielt Profefior Erbe aus
Stuttgart feinen Vortrag über Schwäbiih und Scrift-
deutjc (fiehe Stuttgart) in erweiterter Gejtalt vor einer ganz
ungewöhnlich großen Zuhörerſchaft.
Wermelskirchen. Nach Wiederwahl des bisherigen Vor—
ſtandes in der Hauptverſammlung (27. Februar) wurde der
Thätigkeitsbericht erftattet, aus welchem hervorgeht, daß das wich—
tigſte Ereignis des 15* Vereinsſahres die Einrichtung der
Bermelstirhener VBollsbücderei war, die bereits 344 Wände
zähle. Zum Schluß hielt der Vorjigende Nektor Jdel einen Bor-
trag über Dar von Scentendorf, den Dichter des für unfere
Beitrebungen fo bedeutungsvollen Liedes » Mutterfprache«.
Bricftalten.
oe Aujchriiten ungenannter Abjender bleiben un—
berüdjidtigt.
Frhr. 9, M...., Colmar. Ihre geil. Mitteilung, daß in
Wien der Ausdrud » Durhhaus« allgemein für Bafjage gebräuch:
Nachdem Geheimrat Birnbaum |
hierauf geantwortet, empiahl der Vorfißende Hermann Welters |
vortreffliches Buch »Dialeftgedichte, Sammlung von Dichtungen |
in allen deutihen Mundarten«, woraus dann verfciedene Proben |
Ferner
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 4.
lich ſei, haben wir Prof. Imme übermittelt. Nach Grimm
bedeutet jedoch ·Durchhaus · ein Haus, durch welches der Durch⸗
gang erlaubt iſt, und nach Angabe von Oriskundigen wird ber
Ausdrud noch jeht in dieſem Sinne und nicht für Paſſage, ans
gewendet.
Herrn Prof. N... ., —— Sie teilen freundlichſt mit,
da der 10000 Mitglieder zählende Schwäbiſche Albverein bei
feiner Zeitjchrift chen ſeit 6 Jahren die Nusdrüde »Schrift-
leitungs und »Scaftleiter« gebraucht und daß dieſe fich trefflich
eingebürgert haben. So lange fein bejjeres Erfatwort für das
font üblidye »Nedaktion« gefunden iſt, wird auch unjere Seite
Schrift an obigen Ausdrüden feſthalten. Eine weitere Beipredjung
Ha falls fie nichts Neues bringt, erſcheint nicht zwed
mäfjig.
Herm Prof. Dr. €, ..., Tübingen. Aus Xhrer Bemerkung,
daß man im füdweſtlichen Deutichland für Konfett und Bonbon
Zuckerbrot jagt, ergiebt fid) eine Verſchiedenheit des Sprad)-
ebrauch® zwiichen Nords und Süddeutjchland. Der Norddeutiche
ee wie der Mitteldeutiche verjteht unter Zuckerbrot ein mit
Zucker verſüßtes oder beftreites Gebäck, das der Zuderbäder
berjtellt. Allerdings ift das Wort in der eigentlichen Volls—
ſprache wohl nicht gebräuchlich, -e3 gehört mehr der Spradje der
Gebildeten an, Wenn Sie bemerfen, dab Bonbon bei Ihnen in
der Sprache des Volles nicht heimijch fei, jondern erjt neuerdings
aus dem Norden eingeführt werde, ähnlich wie Gardine, ſich
amüfieren u. a., jo gilt das erftere auch für Mittels und Nord—
deutichland. Auch bier it Bonbon ein dem Bolte nicht geläufiger
Ausdrud, der aus der Sprache der höheren Bildung leider nad)
und nad in den allgemeinen Spradygebraud übergeht. Um jo
mehr aber ift es unfere Pflicht, die alteinheimiſchen Ausdrüde
gegenüber dem fremden zu ſchühen.
Herren G. M...., Bablonz, u. Herm A, M...., Gieß—
hübl. Ihre Erklärungen zu guniten von »füre bzw. »durd)«
famen erjt nad) Abſchſuß der Beſprechung dieſer Frage in die
Hände des Herausgebers. Beiten Dant!
Drudfehler.
In dem Auflage: Nochmals »An und Per« ift auf Spalte 58
rn 25— 26 Statt »nur Für — mit Nüdjicht auf die doppelte
uchführung — oder nur Bei jchreibene zu lefen: nur Für
oder — mit Müdficht auf die doppelte Budführung — mur Bei
ſchreiben.
Geſchäftlicher Teil.
Am 13. März beging Dr. Rudolf Hildebrand, Profeſſor
der deutſchen Sprache und Litteratur an ber Univerjität Leipzig |
feinen fiebzigften Geburtstag. Rud. Hildebrand hat den all:
gemeinen deutſchen Epradjverein, als er nod in feinen Anfängen
war, freubig begrüßt, er hat ihm das ſchöne Wort von dem freien
guten Willen und der zähen jtillen Begeifterung, auf die es für feine
Erfolge weſentlich anlomme, mit auf den Weg gegeben (vgl. unfere
Zeitſcht. I, Sp. 33fg.) und er hat dem Gejamtvorftande unferes
Bereind bisher ohne Unterbredjung angehört. So durfte denn
der allg. deutsche Sprachverein nicht unter denen jehlen, die Rud.
Hildebrand am 13. März ihre Glückwünſche darbrachten. Das
Slüdwunichichreiben ift im Stile einer mittelalterlichen Handichrift
ausgeführt, es zeigt in dem eriten großen Buchitaben das befannte
Bild der Brüder Grimm und am Rande das Walthers von der
Vogelweide (nad) der früheren Parijer, jept Heidelberger Minne-
fängerhdfhr.). Das Ecjreiben wurde am Morgen des 13, März
durch den Vorfikenden und den Schriftführer des Aweigvereind
Leipzig, Landgerichtödiretor Genſel und Oberlehrer Dr. Beer,
überreicht. Es lautet:
» Dem tiefgrabenden Erſorſcher bes Reichtums unferer Sprache,
der die Lebensarbeit der Brüder Grimm würdig der Meijter fort:
führt; dem finnigen Manne, der den Äußerungen der deutfchen
Vollsſeele in Lied und Kinderreim mit feinem Ohre laujcht und
ihre verhallenden Töne feitzuhalten und zu deuten bemüht iſt; dem
deutjchen Hochichuflehrer, der fi) vor vielen innig bewußt ift, in
wie engem Zufammenbange jeine ®ifjenfchaft mit den der deutichen
Gegenwart geftellten Aufgaben fteht, der die daraus dem Gelehrten
erwachjenden Pflichten Har erkennt und als kundiger Wegweiſer
zu »dem neuen Leben, das wir jept als Deutjche zu beginnen
haben«, der Jugend und ihren Lehrern vorangeht; dem Gönner
und Förderer der Bejtrebungen des allgemeinen deutichen Sprad)-
verein®, dem er jeit jeiner Begründung als hochgeichäßtes Mitglied
bes Geſamtvorſtandes angehört, Herm Dr. Heinrih Rudolf
Hildebrand fpricht zu jeinem ſiebzigſten Geburtstage die innig—
ften Glückwünſche im berzlicer Verehrung aus im Namen des
Sejamtvorjtandes des allgemeinen deutſchen Sprachvereins deſſen
jtändiger Ausihup.e (Folgen die Unterſchriſten.)
87 Zeitfhrift ded allgemeinen deutihen Spradvereind 189. Nr. 4. 83
Am 18. März 1894 fand zu Berlin eine die ſchwierige Frage der Wahl der Rehnungsprüfer zur
i des Gefamtvorftandes Erwägung. Die Sapung 19 bezeichnet als dritten regelmähigen
Sigung 6 * Gegenſtand einer »ordentlichen Hauptverſammlung·: »Wahl von
Hatt. Den Vorſitz führte Dr. May Jähns; amwejend waren | „ei Mitgliedern des Vereins, die aber nicht zugleich Mitglieder
die Herren: Projefjor Karl Erbe (Stuttgart), Eberhard Ernft des Gelamtvorftandes fein dürfen, und von zwei Gtellvertreiem
(Berlin), Geheimer Rat Hugo Häpe (Dresden), Archivrat Dr. derjelben zu Rechnungsprüfern für die Rechnumg de laufend
Ludwig Keller (Münfter), Direltor Franz Stern (Berlin), he EEE Seh : —
Profeſſor Dr. Ferdinand Khull (Graz), Geheimer Regierungs— ihäftsjahres.« — Nun war aber die Dezember: Hauptwerſamm
. 2 Br lung, welche die neuen Satzungen beſchloſſen hat, eine »aufer:
rat PBrofefior Wilhelm Launhardt (Hannover), Bibliothefar ’ 8 it, fodai bie
Dr. Edward Lohmeyer (Kaſſel), Karl Magnus (Braun: — An "DE. IEEDE. ZRERRIONGHEREIET DEREN: KISOR
m Auguſt bi
ſchweich Präfident v. Mühlenfels (Ofdenburg), Univerjitäts- — eiieegseineeth.ge eriperipen- —— Bei
profefior Dr. Paul Pietſch (Berlin), Profefor Dr. Herman fönnte, falls nicht Nat geihafft würde. Ein Hinausichieben der
Riegel (Braunſchweigh, Oberlehrer Dr. Günther Saalfeld Rechnungslegung bis zur Hauptverfammiung d. I. 1995 würde
(Blantenburg) und Geheimer Bauratd Otto Sarrazin (Fries für die frühere Saffenerwaltung unangenehm fein und dem Gelfte
denau). — Entſchuldigt waren bie Herren Landgerichtsrat Bruns, der Sapungen widerfpredhen; die Rechnungsprüfer durch den &-
Wirt. Geheimer Rat Frhr. v. Cramm-Burgdorf, Exeellenz, famtvorjtand bezeichnen zu laſſen, dürfte fich angefichts der
Profefior Dr. Dunger, Erbprinz zu Hohenlohe-Öpringen, | Supung 19 auch nicht eimmal als Notbehelf empfehlen; alt
Durchlaucht, Dr. v. Leixner, Regier.- u. Schulrat Schieffer, Bweigvereine zur Namhaftmachung geeigneter Perjönlichkeiten auf
Säriftleiter Sedlat und Trapet. z zufordern, mühte zu einer unlösbaren Verwirrung führen, und
Erfter Beratungägegenftand waren Ort und Beit der Haupt: fo wurde der Borfchlag det Borfitenden angenommen, ber datin
verfammlung. Dafür lag eine Einladung des AZweigvereins ging: die Bweigvereine durch ein Rundfchreiben mit diefem Sad
Koblenz auf Mitte Auguft vor. In dem Wunfche, dieje jchöne verhalt belannt zu maden, zugleich die beiden größten Qmeig-
Nheinftadt zum Ziel der Tagfahrt zu wählen, waren alle Mit- P
e vereine um Bezeichnung je eines Mechnungsprüfers und bie
glieder des Gefamtvorftandes einig; der vorgejchlagene Zeitpunkt d f z 3
warb Dagegen vielfach — beiden nächſtgrößten um Benennung je eines Stellvertretert a
A Wk ihrer Mitte zu bitten und endlich die Haupwerſammlung um
lid nur wenige Vorftandsmitglieder, weil dies Feſt im laufenden träafi a ieieg & .
Safre ungewößnlid fehß fift und weil erft im Dezember eine nachträgliche Genehmigung diejes auferordentlichen aber unver
A _ 8 1
Hauptverfammlung ftattgefunden hat; mehr Beifall fand der VBors meihlichen Verfahren zu erjucen. Ein friftlicer Antrag
Külag einer Berihiebung auf bie | 77°, Drund Dorn ber Had-
’ j = d 4 ö *
von Koblenz in feiner Einladung geltend gemachten örtlichen — DEE BRIIERE RAN OELBEBERARSREHAGR IR U
E > eins wurde jeinem weſentlichen Inhalte nad angenommen. —
Gründe durd und führten zu dem Beichlufle, dort um die Mitte de enifchs u:
des Mugufts zu tagen. — Näheres wird feiner Zeit befannt De: Pia Di: FESEINUIRERERTEM I Men Merbundes m
be h dauernde FFortgewährung eines Yahresbeitrags für Amede der
a —— Vereinsſörderung wurde inſoweit genehmigt, als der Vorſiaud
— te, bisheri it »bis it jahr
Geſamtvorſtandes. Die Verſammlung ehrte durch Erheben — —— — Dun ie
fi l i «,
von den Eipen das Andenken des vor kurzem zu freiburg i. Br. * on “0 einzuſe ben *
dahingeſchiedenen Wirll. Geheimen Rates Dr. v. Wardenburg, Hinfichtlich der Veröffentlichungen des Vereins wur
Ercellenz, und berief an feiner Stelle den eben dort wohnbaften beichlofien:
Univerfitätsprofefior Dr. Friedrich Kluge, den Verfafler des | 1. eine von Dr. Jähns entworfene Ueberjichtsfarte
eiymologijchen Wörterbuches der deutſchen Sprache, durch Zu: der Zweigvereine vervielfältigen zu laſſen und einem ent:
wahl in den Gefamtvorftand. — Aur Herftellung der Vier: Ipredienden Aufjae der Zeitſchrift beizulegen,
undzswanzigersLifte für die Hauptverfammlung (Beit. 6 ber 2. der Zeitichrijt ein Anzeigenblatt beizugeben, mit
Geſchäftsordnung) ſoll der Ausſchuß den Mitgliedern des Geſamt⸗ defien Einrichtung Herr Eberhard Ernjt betraut wurde,
vorjtandes eine vorläufige Lifte zur Kenntnisnahme, bezw. zur 3. eim Preisausichreiben zur Heritellung eines künſtle—
Ergänzung überfenden. riſch ausgeftatteten Wandanichlages mit dem Bereind-
Die das Rechnungsweſen betreffende Verhandlung leitete wablipruche zu erlafien,
Dr. Jähns damit ein, daß er die Berfammlung bat, dem Herrn
Karl Magnus, als dem langjährigen jorgfältigen Verwalter
unjerer Hauptlaſſe, aufrichtigen Dank auszusprechen. Nachdem
bied freudig geichehen und Herr Magnus erwidert hatte, kam
4. den Bibliothefar Dr, Lohmeyer in Kaſſel mit ber
Neubearbeitung des Namentalenders für 1805 zu bes
auftragen.
Briefe und Drudfahen fir die Vereinsleitung Beidiendungen und Beitrittderflärungen
find an den Borfipenden, an den Schnptneifte
Oberftlentiant a.D. Dr. ** * Berlin W. 10. Berlagsbudibändfer aseshert jr in Berlin @.41,
Margaretenitraße 1 Withelmſtraße 9
Briefe und Drudfadhen Me J deitſchrift find während ber Monate April umd Mal am ben —— Oberießrer WBappenband, nah
Weimar, aufder alten Burg zu richte
Die Dahe braäuge 1836 — 1893 der Beitfchrift werden gegen Ginjendung von | Die Verbeutihungsbäder: L. Die Speifetarte (2. verb. Aufl. 30 Pi),
165 It. an den Schagmeliter Loftentrei übermittelt; 1886,87 allein = d Mt. Der Dandel (. —— verm. Aufl. 60 , DIE Das bäustiche und
1A88 bie 1R9G allein „= 2m. seteitjaafitiee, Seven (0 B.), —* Das deuticdhe Namenbäh+
Aufrufe, Zagungen und einzelne Aummern der Zeitichrift, zum Iwecke Leim (60 Bf.) und V. Die Amtsiprade (0 Pf.) find den Derren Fred
der Husbreitung und Aörderung des Bereinet, ftehen bei dem Borfipenden | Hirt & Sohn in Leipsig fr Bering gegeben worden und amsihlieh:
unentgeltlich zur Berfügung. l lid) von dieſen durch dem ——— zu erhalten.
— —
Fr bie — verantwortlich Friedai⸗ — — Berlin. — erlag des allgemeinen deutſchen Spradvereins,
Drud der Buchdructerel des Waijenhaufes in Halle a.d, ©.
IX. Jahrgang Ar. 5.
1. Mai 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diele Heitfchrift erſchelnt jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutſchen Sprachdereins unentgeltlich
geliefert (Sapuma a).
Inhalt: Germanifches Eigentum in der © Spradıe Naliens. Bon Oberlehrer Dr. Söhns en:
efühl oder Sprachgewohnheit? — Noch ein leptes Wort zur Stellun
Die Zeliſchrift kann auch durch den Buchhandel oder die Poſt
zu 8 Mt. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch ven Schagmeijter
Eberhard Ernit, Berlin 8. a, Silhelſer. W. ⸗ Auflage 1370,
Schluß.) — Sprad)-
bes Zeitworted nad und. — Ein Mahnwort vom Jahre 1816. —
Spradjlihe Mufterleiftungen. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Aus den Zweiqvereinen. — Brieflaften. — Geſchäft⸗
licher Zeil.
Germaniides Eigentum in der Sprade Italiens.
Bon Oberlehrer Dr. Söhns (Gandersheim).
Echluß.)
An dieſen Gelagen unſerer Alworderen nahmen zumeiſt nur
Männer Anteil, die Frauen wenigſtens nur ſo lange, bis die
Heiterleit des ſogenannten ſtärleren, jedenfalls rüchſichtsloſeren
Geſchlechts den Punkt zu erreichen begann, der ihr feiner ent⸗
wiceltes Schidlicjleitögefühl abſtieß. Dann zogen fie ſich in ihre
griechiſch- römischer Nbjtammung angehörige kemenate zurüd, die
ebenfo ein heizbared Gemach (vgl. Kamin) bezeichnete, wie bie
germaniſche stuba, ital, stufa, deren Begriff im italienischen
Worte (wie im frz. etuve) jpäter geradezu in den eines Bades
zimmers übergegangen iſt, und handhabten den echt germa—
niſchen Roden, der leider und Neueren immer mehr und mehr
abhanden gefommen ijt und den ihre italifchen Schweſtern als
la rocca von ihnen übernahmen, genau jo wie jie ber gleich—
bedeutenden Kunfel in ihrem conocchia volled Bürgerrecht
gewährten und ſich nicht fträubten, auch der Webſpule ald la
spuola (frz. epolet) in ihrer Sprache eim neues Heim zu er
ſchlieſen. Übrigens haben die Signorine italiane auch ihre cu fie,
ihre zierlihen Hauben, z. B. die cuffia di notte, das Nachthäub⸗
chen, den germanijchen rauen zu danfen, deren Wort chupfa
(= Kopfbedelung) ebenjo das ital. cuffia erzeugt hat, wie bie
franzöſiſchen coiffe und coiffure, von welcher letzteren nun aud)
unfere Damen jo gern reben.
Überrafchend erſcheint es, daß die Ztaliener eine ziemlich
große Anzahl von Farbenbezeichnungen aus der Sprache unſerer
Rorfahren übernommen. Cie haben unjer braun in bruno,
portar bruno heißt bei ihnen Trauerkleider tragen, unfer blau
in biavo (neuerdings auch blu, jo Barba-blu, ber ital, Blau—
bart), unfer grau in griso (greis), unjer gelb, das altdeutjc
gel lautete und als ſolches noch heute in dem befannten „Safran
macht den Suchen gel“ erhalten ift, in giallo, und endlich
unjer blanf (= weiß) in ihrem bianco, und haben aus der
weiblichen Form dieſes Wortes zugleich einen ihrer ſchönſten
Mädchennamen gebildet, der jomit echt deutſcher Abſtammung
tft, die italieniſche Bianca (fiz. Blanche), die Weihe, Thatſäch—
lic, verfährt alio Felix Dahn nicht ganz ſprachrichtig, wenn er
unſeren erjten Saijer aus dem Zollernhaufe im Gegenfage zu
bem ftaufiihen Barbaroffa den zollernſchen Barbablanca nennt,
richtig Tann nur Barbabianca jein.
Wenn wir nun oben des Kuchens erwähnten, jo bürfen
wir nicht vergeſſen, daß noch ein anderer, unumgänglich note
wendiger Zubereitungsftoff desjelben aus dem Germanijchen in
das Italieniſche gedrungen, — unjer Schmalz, das freilich bei
uns heute nur das Fett bedeuten will, im Altd. aber auch die
Butter bezeichnen fonnte, in deren Bedeutung die italienijche
Sprache es ald smalzo ihren Wortichage zuführte. Much den
jtammgleichen jchmelzen und Schmelz widerftand der Ataliener
nicht, er ſchuf aus ihnen noch früher als er smalzo übernahm,
fein smalto, das Schmeljglas, welches der Franzoſe Gmail
nannte, und welches natürlich bei uns wieder eins ber unente
behrlichiten Fremdwörter geworden iſt.
Daß ferner unfere Seife im ital. sapone enthalten ift, wird
den nicht Wunder nehmen, der mit neuerer Forſchung annimmt,
daß dieſelbe überhaupt eine germanijche Erfindung jei.*) Und
wenn einmal die fiocchi di neve, die Scneefloden, bie
italiiche Erde reichlicher und dauernder mit Weiß überlleiden, als
man su questo cielo cosi ridente, questo clima cosi temperato
gewohnt it, und die dumfelgelodte Jugend ſich verſucht fühlt,
zur slitta zu greifen, jo brauchen wir wohl feinen bejonderen
Gewährsmann dazu, dieſes Kind des Nordens als echt germa—
nisch nachzuweiſen. Seinen Garanten würden wir gejagt haben,
wenn wir uns nicht noch zur rechten Zeit erinnert hätten, daß
wir damit ein fehr entbehrlichts und daher unnötiges Fremdwort
anwenden würden, — freilich ein Fremdwort, das doc im
Grunde and) wieder feind iſt. Denn wie dem Fauteuil,
Email und vielen anderen liegt ihm ein germaniſches Wort zu
Grunde, das altd. warand, werand, der Gewährsmann, das
mit dem romaniſchen Übergange des w zu g (wie er in Guelfo
— Relf, Ghibellino — Waibling, guerra — werra, guisa —
Weiſe bezeugt ift) zum italienifhen guarento und zum frans
zöſiſchen garant geworden und von da num wieder in feinem ge-
fälligeren Kleidchen von ums herübergeholt it. Das Fauteuil
aber iſt befanntlid) der altd. faltstuol, aus dem der Ktaliener
faldistorio gemadjt hat, der provenzaliſch faudesteuil umd fran-
zöſiſch fautenil geworden it, welches letztere uns denn mit feinem
— — Wohltklange unwiderſtehlich angezogen hat.
) Val. Kluge.
9 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprahvereind. 1894. Nr. 5. 92
Bon unferen Geldftüden haben die Italiener, denen ed an
derlei Hingendem Befige durchaus nicht mangelte, in älterer Zeit
den Schilling als scellino und im 16. Jahrhundert il talero
in feiner befannten Mblürzung aus Joachimsthaler entlehnt. End»
lich; Hat die Sprache Dantes und Betrarfas auch einer unjerer
auägebreitetjten Sprachwurzeln ſich bemächtigt, der Wurzel bar
— tragen (engl. bear), die bei uns in jedem Eimer — ein-bar
(= einhenteliges Gefäß, altjädi. embar, daraus mundartlid)
Emmer) und Zuber = zwi-bar (zweihenteliges Gefäß, niederd.
töber) jtedt, und bie ber Xtaliener in feiner la bara, der Trag-
bahre, deutlich; zur Anwendung bringt.
Sehr natürlich iſt es, daß die umterworfenen Romanen be—
fonders viele Wörter aus dem Kampf- und Kriegsleben des jtreit-
baren germanifchen Eroberungsvoltes ihrer Sprache einverleibten.
Bar ihnen doch ein Teil der germanijchen Bewaffnung und bes
ſonders des germanifchen Sriegägebraudes überhaupt bis dahin
unbefannt gewejen, und um das biäher Unbefannte zu benennen,
griffen fie zu den germanifhen Wörtern; nie freilich, ohne das
neue Pfropfreis den Geleßen ihrer Zunge zu unterwerfen, ohne
es wenigitens äußerlich durd) Verwelſchung den heimiſchen Spröß-
lingen ähnlich zu machen. Belanntlich finden wir dieſen Bor:
gang, außer bei und, bei allen anderen Ktulturvöllern. Sie
haben wenigitens foviel ſprachliches Feingefühl, daß fie nicht
ihon durch das fremdländiiche Äußere des entlehnten Wortes
an bie Schwäche ihrer eigenen Sprache erinnert fein wollen, die
fie gezwungen, fich mit den ſprachlichen Errungenfchaften eines
anderen Landes, wie mit dem befannten fremden Federn, zu
ſchmücken.
Da iſt zuvörderſt das Wort fir Krieg ſelbſt: guerra (frz. guerre),
das auf das altd. werra, gewerre (vom wirren) zurlidgeht, tie
es in mittelalterlichen Urkunden für Verwirrung, Unruhe, Streit
und endlich für Krieg jelbit gebraucht wird. Der Spanier hat
von guerra die Berfleinerungsform guerilla gebildet, den Heinen
Krieg, den er felbjt fo oft gegen feine Feinde geübt und den
wir in unferem jeltiamen, in ben beiben Zeilen jeiner Zu—
fammeniegung das Gleiche ausdrüdenden Guerillatrieg fehr
überflüffigerweife bei uns eingebürgert haben. — Ringöherum
im Sreife, dem Ringe, geordnet nad) der altd. slahte (dem
Geſchlecht), bad der Staliener als la schiatta übernommen,
ftanden die germaniichen Adalinge, deren ordale (vom deutichen
Urteil) Über Krieg und Frieden entſchied. Ringreden wurden
gehalten von bem Einen und dem Anderen, umd noch heute
heißt aringo im Stalienifchen die Mebnerbühne, iſt harangue im
Frangöfiichen die öffentlich geiprochene Rede. Dann trat fie zu—
fammen, die Ktriegs ſchar, die schiera des Stalieners, das
an ber Lanze befejtigte Band wurde entfaltet zum Zeichen des
Beginnes der Schlacht, es ift das Fähnlein, quod bandum
appellant, wie Paulus Dialonus, der Geſchichtsſchreiber der Lango-
barden, berichtet, die ital. bandiera, die franzöfiiche banniere, unfer
daraus wieder gebildete® Banner.
Dod zuvor: wie waren dieſe germanijchen Krieger bewafinet?
Der Italiener unterfchted zumächit einen usbergo, ben germa—
nilchen halsbero, der den oberjten Teil des Körpers und be
fonders ben Hals zu bergen bejtimmt war, den Schuß ber
unteren Teife benannte er dagegen mit dem eigenen orte
paneiera, das er von la pancia (Unterleib) ableitete umd das
als Banzer zu und gefommen ijt. Das Haupt dedte l’elmo,
ber Helm, deſſen Viſier (videre jehen) aber wieder romanifcher
Abſtammung ift. In der Hand trugen die germaniichen Ers
oberer la targa, die Zarge, einen breitrandigen Schild, und die
befannte Hellebarde, die der Italiener alabarda nannte und
deren zweiter Bejtandteil den Langobarden und fomit der ganzen
Lombardei den Namen gegeben bat. Selbjt die Roſſe der Ger:
manen waren gewappnet, fie trugen schieniere, Schienen
der Beine, wie fie das germanifhe Stammmwort nennt, und
wenn endlich der Staliener die edlen Tiere noch heute durch
gli sproni anſtacheln läßt, jo haben wir in diefem Worte nichts
anderes als unſere Sporen zu verzeichnen. So war Rof und
Mann wohl gefhirmt, schermito, wie der Jtaliener das ger-
manifche schirman nachgebildet und zu scaramuccia, une
rem daraus entjtandenen Scharmüßel, weitergebildet, um einer
etwaigen Schlappe vorzubeugen, freilich nicht dem, was ber
Römer unferer Tage mit dem von Schlappe abzuleitenden schiaffo
meint, denn das bedeutet kurzweg eine Ohrfeige, jondern einer
Niederlage. Nun wurden baluordi (da& jollen unfere Boll-
werte fein, frz. boulevards) errichtet, le spie, die Spione, die
bem germaniſchen jpähen entitammen, ausgejandt, während
andere wieder in guardia, auf der Wart, ſich befanden und
Ausſchau hielten, db. h. bie Thätigfeit übten, die das Wort
guardare, das franzöj. garder dem germaniſchen warten entlehut
hat, und die wir nun auch im dem erjten Bejtandteile umferer
unvermeidlichen Garderobe auäbrüden wollen. Die Schladt ent;
wickelt ſich. Hei, wie die Langen geſchwungen wurden, come
furono brandite le lancie, geſchwungen, wie urſprünglich des
germanifhe Schlachtſchwert prant (vgl. Hildebrand und Hade-
brand), dem das Wort brandire, wenigften® nach Diez, fein
Entſtehung ſchuldet. Wie fie jahen, die Stöße diefer Lanzen,
der Staliener le botte nannte,*) mit einem ®orte, das auf da
germanifche böt, verſchoben böz, zurüdgeht, wie wir es ned
heute in jedem Amboß (ane-böz — worauf man fchlägt), in dem
thüringiſch⸗ fächfiichen Bohelel,**) in dem Boßhammer des Leir-
zigerd und endlich in jedem Buzemann (dem Hopfenden Scred:
gefpenft unjerer finder) befigen. Und aud die snellen degene
fehlen nicht, auch das in unſeren mittelhochdeutihen Heldenge
dichten (bejonders den Nibelungen) joviel gebrauchte Wort snello
ift in der Bedeutung Flint in das Stalienifche gedrungen. Da
gab es einen Seneſchall, ben ſchon der Gote als siniskalks
fennt, der gewiß als einer der Ülteften (sinista) des Heeres audı
einen hohen Rang in demfelben einnahm, im Laufe der Seit
aber feinen militäriihen Charakter verloren und ſich im ital,
siniscaleo in den frieblicheren Oberhofmeifter umgewandelt hat:
da war ein marahscalk nötig, dem nicht nur die Abwartung der
Pierde (marah — Mähre), fondern auferdem auch die Sorge für
die Unterbringung, die echt germaniiche herberge (ital. albergo,
heute = Gaſthaus), der gefamten Sriegerichaft oblag, und dem,
wie man aus dem ital. maresciallo (frz. maröchal) und unfe
rem heutigen Marſchall erfieht, in fpäteren Jahrhunderten ein
ganz anderer Wirkungsfreis überwieſen wurde. Da erfchien
auc der Hüter des Grenzlandes (germ. marka), der ital. mar-
chese (fr4. marquis), und führte die ihm anvertrauten Scharen.
Den Führern folgte nun der feudatorio in die Schlacht, er Üt
durch die altgermanifche Verpflichtung der Treue an den Herm
gebunden, der ihm als signore del feudo dieſes Ieptere, das
Leben, übergeben. Was aber feudum betrifft, jo hängt es ab-
leitlich mit dem goth. faihu (Vieh) zufammen, ift alfo auch —
wenigjtens für Italien — germaniſches Eigentum, für deſſen
Begriff allerdings in mittelhochdeutjcher Zeit zumeift das Wort
*) Noch heute la botta, der Stoß. So in der drofligen, aber
jehr bezeichnenden Nedensart: non andar di notte, se non vu@
beecar sü delle botte; d. h. wer nicht feinen Budel voll Stübt
will tragen, der ſoll jich des Nachts von Haufe nicht wagen.
**, Ekel aus altd. ecchol, mbd. eckel — Stahl.
93 | Zeitfhrift bed allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 5. 94
löhen gebraucht wurde, deſſen Träger der lehenman ober löman
hieß, wie er auch heute noch im beutichen Bauen nicht zu den
Seltenheiten gehört. Auch der Gegenjaß des Lehnsmannes, die
Bezeihnung defien, der ein Eigengut, ein germaniſches alöd
(ital. allodio), beſaß, fand als allodiale Eingang in die
Sprache Italiens. Da Noms Nachtommen ben durch und durch
feudalen Aufbau der germaniſchen Staatspyramide nicht kannten,
mußten fie wohl oder übel mit ber neuen Sache auch alle ihre
einzelnen Benennmungen übernehmen.
Indeſſen, lo stormo — wie jollte bem Staliener bie dem
Germanen fo gebräuchliche Bezeihnung Sturm für Kampf
fehlen! — tit zu Ende. Ambasciatori, die wie die franzö—
fiihen ambassadeurs auf unjer altgermanijches Wort ambaht —
Dienft, Amt, zurüdzuführen find, gehen bin und Her und
fuchen den Frieden zu vermitteln. Was im Kriege erfämpft
werben fonnte, bat man an ſich gerafft, arrappato, wie der
Italiener das deutjche Wort feiner Sprache eingefügt hat, mandjer
Raub ift dabei ausgeführt, und Roms Nachtomme hat auch für
dieje nicht jonderlich ehrbare Thätigfeit das Wort rubare jeinem
gewalttätigen Sieger entnommen. Da endlich fommt ber Friebe
zu ſtande, die tregua des Italieners, die Waffenruhe, wie fie
aus der mittelalterlihen treuga dei befannt und auf das ger:
manijche triuwa (ZTreue,) zurüdzuführen it, ber araldo, der
altd. heralt (verfürzt aus hari-walt — SHeereöwalter), ber
Herold, verfündet fie, und die Unterworfenen zahlen von nun an
lo scotto,*) ben beutichen Schoß, die Steuer, und geben ſich
wohl aud bier und da als schiavi, ald Sklaven, dem Sieger
preis. Der Germane hat ſich das Wort Stlave aus dem Namen
der unterworfenen Slaven gebildet, die romaniſchen Sprachen
aber haben es durch jeine Vermittlung, d. 5. aus feiner Sprache
und in der von ihm vollzogenen Sinneswanblung aufge
nommen.**)
Und nun noch zwei Dinge zum Schluß:
Wie ficht es um die Namen unferer germaniſchen Altvors
deren, gingen auch fie teilweife auf die Bewohner der bella Italia
über? Sie gingen und gehen noch heute über. Oder iſt ber
Königsname Umberto etwas anderes als unfer germanijcher
Huniprecht, der zu Humbrecht ober Humbert wurbe und ben
durch hohe Geſtalt Ausgezeichneten bedeutet, ijt Staliens Nationale
beld Garibaldi nicht unjer Garibald, der Speerfühne, defjen Name
ſich jo prächtig bedt mit feiner Ericheinung, iſt der berühmte
Rinaldo Rinaldini, der „edle Räuber“, ben Goethe Schwager
bei und unſterblich gemacht hat, etwas anderes als unjer Rein:
hold, der altgerm. Raginwalt, der durd Mugen Rat Waltende?
So ijt Ruggiero unſer Nübdiger, der Speerberühmte, Lodovico
unjer Ludwig, der altgermanijhe fampfesfrohe Hlodowech,
Federigo unfer Friedrich, Arrigo und Enrico und bie Verklei—
nerung Enzio unfer Heinrich und Heinz und Hinze, Gilberto
unſer altd. Gilabert, der Stampfesfreudige, Gismondo unfer Sigis-
mumd, ber Siegesmächtige, Orlando unjer Roland, der alte
Ruhmesiand (Hruotlant), Rodrigo unjer Roderich, der Ruh:
mesreiche, Goffredo unjer Gottfried, Siffredo unfer Helden⸗
Siegfried, Ulrico unfer Uodalrich, der Bejigreiche (Ulrich),
Guglielmo der altdeutſche Willehalm, defjen Sinn auf kriege:
riſche Helmzier gerichtet ijt, unfer Wilhelm. — — — Ind
endlich, müſſen die Staliener — und das Haben fie natürs
*) Heute meiit in der Beb. Zeche: pagar lo scotto — bie
Zeche bezahlen. ;
**) Der Holländer und Engländer hat fein slavo für Slave
heute noch.
lich mit faft allen anderen Nationen gemein, und ich führe es
aud; nur der Bolljtändigfeit halber an — müſſen die Jtaliener
nicht abjtrafte Benennungen für Einrichtungen wörtlich über:
nehmen, bie fie micht Haben? In jeder gazetta lejen wir: il
Berliner Tageblatt, il Tägliche Rundschau, il Reichsanzeiger,
la Norddeutsche Allgemeine, la Kreuzzeitung, le Hamburger
Nachrichten, lo Staatsrat (jeltener Consiglio di Stato), il Bun-
desrat (jeltener Consiglio federale), il Landtag (feltener la Dieta),
il Reichstag (jeltener Parlamento germanioo). Alsazia- Lorena
Elſaß⸗ Lothringen) heißt in Stalien il Reichsland und unfer
Bismard endlich — und es jei mir geftattet, mit ihm zu
ſchließen — il grande Reichskanzler.
So hätten wir unfere kurze Wanderung durch den Garten
der germanifchen Gewüchſe della lingua italiana beendet: die
meiften derjelben find unferem germaniſchen Hauje, feinen Eins
richtungen und ganz bejonders dem Kriegshandwerke unferer
Borfahren entlehnt, aber auch fie nur in verhältnismäkig fo ges
ringer Anzahl, daß man jehr wohl daran dem nationalen Stolz
bed Stalienerd ertennen mag, der ihm verbot, mehr als das
durchaus Notwendige der Sprache jeines Siegers zu entnehmen,
und der es bewirkte, da troß aller Beimiſchung von fremden Be-
itanbteilen*) das Jtalienijche die reinjte der romanifchen Sprachen,
bie ähnlichite Tochter Latiums ift. Und das mationale Gefühl,
welches diefer nahahmungswirdigen Sprödigfeit zu Grunde liegt,
es darf uns eines der Mufter jein, bie wir uns immer und
immer wieder vorhalten follen, wenn Mattheit und Schlaffheit
uns auf umjerem Wege zum Ziele befallen will, bie wir ben
anderen vor Yugen halten follen, wern Mangel an Nationalfinn
ben ſchönen, ureigenen Spradibaum unſeres jtolzen, eigenen
Vaterlanded mit unnötigen Scmaropern behängen, das heißt
ſchadigen will.
Spracgefühl oder Sprahgewohnbeit!
In einem dem Herausgeber der Zeitihrift aus Düſſeldorf zit-
gegangenen Schreiben wird mit Hinweis auf die widerſprechenden
Urteile des Sprachgefühls 3. B. in den Erörterungen des 5. wiffen-
Ichaftlichen Beiheftes über die Umkehr nad) »und« die Berechtigumg
und Zweckmäßigleit des Ausdrudes » Sprachgefühl« ſelbſt angezwei⸗
felt und dafür »Sprachgermohnheit« zur Erwägung gejtellt. Und das
mit folgender Begründung: 1. dies fogenannte Sprachgefühl fei
offenbar etwas Weränderliches, ebenſo wie die Sprache felbit
einer teten Umünderung oder Weiterbildung unterworfen fei; und
2. »ob jemand richtig ſpreche oder jchreibe, d. h. jo wie es unſere
guten Schriftiteller, Nebner ufw. thun, das hänge, abgefchen von
der natürlichen Begabung, doc ausichliehfich von der Erziehung,
Schule und dem gejellichaftlidyen Umgange ab, fei aljo mehr eine
angelernte quite Gewohnheit und habe mit dem Gefühle im Grunde
nichts zu thun.e Wenn diefem Begriffe nun das Wort Sprad)-
gewohnbeit beffer entiprechen fol, jo muß unbedenklich zugegeben
werden, baf; Gewohnheiten allerdings auf den genannten inneren
und äußeren Bedingungen, nämlich Anlage und Ausbildung,
beruhen und daß fie notwendig, wie biefe, manmnigfaltig und
wandelbar find. Aber aus ganz denfelben Bedingungen erwächſt
doc; offenbar das Sprachgefühl gleichfalls, wie alles innere Ge—
fühl, und in der Bildungsfähigkeit ift auch feine Wandelbarkeit
und Mannigfaltigkeit fchon mit ausgefproden.
Bon hier aus aljo läßt fi) nichts wider das »Sprachgefühl«
vorbringen, um jo mehr aber von anderer Seite gegen » Sprad)-
gewohnheit·· Denn was ift »Spradhgewohnheit«? Kaum etwas
) Etwa ’/,, dei Wortbeftandes iſt nicht ital. Urſprungs.
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anderes als Sprachgebrauch im engeren (prägnanten) Sinne bes
gewöhnlichen oder häufigen Gebrauchs, d. h. fubjektiv der ganze
Umfang meines eigenen Sprachgutes und meiner Spradeigenart
in Wort- und Formenſchatz, Sapbildung, Lebhaftigfeit, Anſchau—
lichfeit, Klarheit oder objeftiv das im diefen Beziehungen bei den
guten Schriftitellern Übliche. Aber auch beides, dem felbit mlünd-
lich und fchriftlich geübten und den lefend und hörend beobachteten
fremden Gebraud) Darunter zufammen verflanden, wirbe » Sprad)-
gewohnheit«e bei weitem nicht die Gejamtheit der Erfcheinungen
umfchließen, denen gegenüber das, was wir fonft unter Sprad;=
gefühl verftehen, angewendet zu werben pflegt. Sondern alles
Einmalige, Außergewöhnliche, das im ftrengften Sinne Eigens
tümlic;e, das doch unſer Spradigefühl hoch befriedigen oder
fchreiend verlegen Tann, bleibt einer Beurteilung durch Sprad)-
gewohnheit ganz unzugänglich.
Dagegen tit »Sprachgefühle, wie jebes Geflifl, durchaus ſub—
jektiv und bezeichnet nad) dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, über
den wohl Einigkeit berrfcht, im Gegenfaß zu einer von grams
matiſchen, logiſchen, ftiliftiichen Erwägungen geftügten, kurz mittel
baren Erkenntnis des Richtigen oder Falſchen das natlir-
liche, einer allgemeinen Regel fich nicht bewußte oder davon
abjehende, furz unmittelbare Verhalten der Zuflimmung oder
Ablehnung gegenüber allen ſprachlichen Erſcheinungen ofme
Ausnahme.
Nun noch einige Beiipiele zu Erläuterung. Die eigenartigen
reihen Wortzufammenfegungen und Beimörter der Goetheſchen
Lyrik (wie der Sonne Muttergegenwart, Weltwirrweſen, Scheide-
fonne, ber Bübchen Flatterſchar, Zweiſelſorge, beicheidenweife,
neugiergefellig, reichhinſtreuend, fernabdonnernd u. a. m.), dieſe
fann der ſprachliche Verjtand erläutern, vergleichen und von vielen
Seiten aus beiradıten, das Sprachgefühl, das gebildete natürlich,
empfindet fie an ihrer Stelle ohne weiteres in ihrer ſchönen An—
ſchaulichleit, aber die Sprachgewohnheit fünnte fie nur als ganz uns
gebräuchlich abweiſen. In diefem Falle aljo wäre der Umfang des
Begriffes » Spradhgewohnheit« zu eng, während in andern ihr Urteil
dem Sprachgefühl widerfprechen müßte. »Ihr wollt mich wohl gar
ſchon ins alte Eifen werfen« wird in einer Unterhaltung ausge⸗
fprochen, und ungeſäumt ſtürzt fich die » Spracdhgewohnheite mit der
zuverfichtlichen Erklärung darauf los, das fei falih. Won ihrem
Standpunkte gewiß mit vollem Necht. Denn richtig, d. b. allgewöhn⸗
lich fautet das Wort: »zum alten Eifen werfen«, und nur in diejer
Faſſung ift es daher der »Sprachgewohnheit« angemefien und
gerecht. Indeſſen das Sprachgefühl — einerlei ob befannt oder
zufällig unbefannt mit der Nedendart — kann die Anſchauung
eines Bereiches, Naumes, Behältnifjes oder auch geradezu eines
Gerümpelfafjes, worein aud dies Stüd altes Eijen geworfen
werden joll, ohne alles Wideritreben hinnehmen, vielleicht davon
jogar beſonders befriedigt jein.
Noch ein letztes Beiſpiel für das umgefehrte Verhältnis. In
dem von Gebhardt herausgegebenen ſehr brauchbaren Handbuche
der beutichen Geſchichte, das aber leider in beflagenswert fchlechtem
Deutſch verfaßt und bejonders auch durd) wahrhaft ungeheuerliche
Fremdwörter entitellt iſt, findet ji) über Kaifer Ludwig den
Baiern die Übrigens anderswoher angeführte Bemerkung, er habe
zahlreiche Feblihläge erlitten. Nehmen wir einmal an, bieje
Verirruug — denn man fann Schläge thun oder führen jo gut
wie erleiden, aber einen Fehlichlag, wie einen Fchlariff oder Fehl:
tritt, doch wohl nur thun — bürgerte ſich völlig ein, wie es
manchem Mißbrauch ergangen it, fo daß von feiten der Sprach—
gewohnheit nicht das mindefte mehr dagegen einzuwenden wäre,
dann bliebe dennoch unter allen Umständen dem Sprachgefühle
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradpereint. 1894. Ne. 5. =
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fein Recht, die Verfehriheit zu empfinden und abzuwehren, wie
wir Fremdwörtern gegenüber verfahren, die noch Goethe dulden
oder für unentbehrlich anfehen mochte (z.B. Moment).
Genug, jo ftart auch Sprachgewohnheit und Spracdgefühl
gegenfeitig auf fi einmwirfen, untericeiden fie fich doch durch den
Bereich und den Maßſtab ihres Urteils weientlich von einander.
Mag man darum in ihrem Gebiete immerhin von Spradigemohn:
heit reben, den Begriff des Spradgefühls lann fie keineswegs
erfegen, und es wird ſich gegen diefes durchaus zutreffende Wort
mohl überhaupt jchwerlic etwas Stichhaltiges fagen laffen. reis
lih in fragen nach · der Spradyrichtigleit hat das Sprachgefühl
ebenfowenig wie die Sprachgewohnheit die legte Entſcheidung.
Berlin. D. Streider.
Noch ein lehtes Wort zur Stellung des Seitwortes
nab und.
Ein Aufiag in Nr. 2 diefer Zeitichrift, Sp. 34 f. läht es mir
wünſchenswert ericheinen, meiner Abhandlung im V. wiffenichaft:
lichen Beigefte an diefer Stelle noch einige Bemerkungen folgen
zu Iafien, Bemerkungen, die freilich für den aufmerkfamen
Lefer meiner Arbeit entbehrlich find.
Die Abfiht, die mid) bei jener Unterfuhung geleitet hat, wer
die, alles, was fich fr umd wider die jo viel erörterte Sprat-
erſcheinung vorbringen läht, vorurteilsfrei zufammen zu jtelle
und fomit jedem, der ſich ein eigenes Urteil darüber zu bilde
wünſcht, feite wifjenichaftliche Unterlagen zu geben. Dies ift an
in allen mir befannt gewordenen Beiprechungen anerkannt morben;
nur der Verfafjer des genannten Auffapes kämpft gegen mid mie
gegen einen einfeitigen Verteidiger der jogenannten Umſtellung
nach und. Wie wenig angebracht dies ift, dafür fpricht neben
anderem zur Genüge bie Thatſache, daß ich felbit erft auf das
Fehlen der Umftellung bei Leſſing hingewieſen habe, was num
gegen mich ausgefpielt wird!
Um möglichjt raſch und überfichtlich im die ganze Streitfrage
einzuführen, hatte ich eine Anzahl Auferungen über die Um:
ftellung, in zwei Meihen gruppiert, vorausgeſchickt, und zwar
hatte ich auf der linken Geite folhe zu Worte fommen lafjen,
die, wie Aug. Lehmann, die Umstellung am liebiten mit Stumpf
und Stiel ausrotten möchten, auf der rechten ſolche, die ihr
wohlwollender gegenüber ftehen, in ihren Anfichten aber noch
mannigfach von einander abweichen: unbedingte Werehrer ber
Stellung, die einen ftiliftiichen Vorzug in ibr erbliden, Ber
teidiger ihrer geicichtlichen und logischen Berechtigung, die aber
offen eingeftehn, daß ihnen perfönlich der Gebrauch unangenehm
jei, und wieder andere, wie Aug. Schmits, die ihr die Gerech⸗
tigeit widerfahren laffen, eine forgfältigere Unterfuhung ber
Frage anzuregen. Deshalb hatte ich es unterlaffen, einem Bor:
ichlage, der mir während des Drudes gemacht wurde, zu folgen,
nämlich den beiden Reihen die Überjcriften zu geben: Gegner
und Anhänger der Umftellung, weil das leßtere nicht völlig
zutreffend gemwejen wäre Wenn ich im Laufe der Abhand—
lung von Berteidigem oder Anhängen der Ericheinung gr
iprochen habe, jo war ich dazu durchaus berechtigt.
Beionders erwähnen möchte ich, daß der Chefredakteur ber
Kölniſchen Zeitung, Dr. Ang. Schmits, dem ich vor der Vers
öffentlfihung Mitteilung gemacht hatte, mich bat, die Kölniſche
Zeitung nicht mehr als Gegnerin der Umftellung anzuführen,
eine Bitte, der ih auf S. 235 entſprochen habe.
Das Schlußergebris (S. 218), zu dem die Unterſuchung ge
führt bat, ift noch von niemand angefochten worden umd wird es
97 Zeitfhrift ded allgemeinen deutſchen Spradvereind 189%. Nr. 5. i 98
wohl auch laum werben. Ob meine perfünlihe Metgung dem
Sprachgebrauche zugewandt ift, darauf fam es in der wiſſen—
ihaftlichen Unterfuchung ganz und gar nicht an. Wer es erfahren
wollte, der fonnte es deutlich genug zwiichen den Zeilen und auch
ſchon aus der Thatfache erkennen, daß ich felbit nirgends von
der Umftellung Gebrauch gemacht habe. An dieſer Stelle
will ich es gern noch ausdrüdlich befennen, dab id; völlig auf
dem Standpunfte von Rudolf Hildebrand und Dunger
ftehe. Der Mißbrauch, der mit diefer an ſich mohlberechtigten
Stellung getrieben wird, hat fie mir verleidet, ebenfo wie einem
durch den Modeunfug noch manches andere verleidet wird, 3. B.
fo anfhaulice Wendungen wie »Schulter an Schultere oder fo
bezeichnende Neubiſdungen wie ⸗zielbewußt ·.
Den Mißbrauch der Umſtellung zu belämpfen, habe ich ſchon
in dem Beiheft ala Aufgabe des Spradjfundigen bezeichnet. Dahin
gehören auch alle die Fülle, wo durch diefe Stellung des Zeits
worted nad) und eine unlogiſche Sapverbindung »überlleiftert«
twird, wie Gymnafialdireftor Dr. Ked in Kiel ſich geäußert haben
fol (Zeitichr. Nr. 3, Ep. 68). Aber man jei nicht zu ſchnell mit
feinem Urteil, eine ımbefangene Prüfung wird fehr oft zeigen,
da durd) die Umftellung — wenn auch dem Schreibenden ſelbſt
vielleicht unbewuht — ein engerer Gedanfenzufammenhang aus-
gedrückt wird,
Ganz in bem alten Gleiſe bewegt ſich Teider wieder der neufte
Belämpfer von Sprachdummheiten: Albert Heinpe, Gut Deutich,
S. 155— 159, verurteilt die Umftellung nad) und, weil fie —
bei ungeihidter Anwendung nämlih — zu Unklarheiten
und Mifverjtändnifien Anlaß geben fünne. 3.8. »Der Vor:
figende ſchloß die Verfammlung mit einem Hoch auf den Kaiſer
und forderte ſodann bei dem immer größer werdenden Tumult
Birgermeifter Lindemann zum Berlafien des Saales auf«, wo
übrigens jchon das Fehlen des Kommas hinter Kaifer auf bie
Nachläffigkeit des Berichterſtalters oder auch auf einen Mi des
Sepers jchliehen läht. Wohin würde es führen, wenn die Mög—
lichteit eines Mißbrauches von Wörtern und Wendungen als
Grund zu deren Befeitigung genügen follte! Welde Sinn:
fofigfeiten entſtehn allein durch den unrichtigen Gebraud von
Bartizipien, vgl. Heinge S. 123— 128. 3. B. » Seine dummen
Streidhe reuig befennend, beantragte der Staatsanwalt für ihn
nur drei Tage Gefängnis. Und doch, wem würde es einfallen,
deswegen Partizipialfügungen überhaupt zu mißbilligen!
Den Sat aus der Kaiſerlichen Berufung des Reichstages Hatte
ic weder zur Nacheiferung nocd zur Warnung an die Spike
meiner Abhandlung gejtellt, ſondern lediglich um ein allgemein
befanntes Beiſpiel als Mennzeichen für den Anhalt des Aufſatzes
voranzuſchicken. Bu zeigen, wie die hier durd die Umſtellung
bewirkte Gedanfenverbindung auch noch anders ausgedrüdt werben
fünne — denn das fit in jedem Falle möglich — Hatte id; feine
Veranlaſſung. An derartigen Beifpielen etwa Schüler Denk—
übungen vornehmen zu laffen, it nur zu empfehlen, weil fie
dadurch genötigt werben, ſich in jedem einzelnen Falle über die
befondere Art des Aufammenhanges Nechenichaft zu geben, und
ich verdenfe es feinem Lehrer, wenn er aus dieſem Grunde es
lieber fieht, daß feine Schüler die Umftellung nad) und ver-
vermeiden.
Möchte nunmehr wirklich die Beruhigung über die alte
Streitfrage eintreten, die auch Nudolf Hildebrand als Erfolg
biefer mit fo warmer Teilnahme von ihm geförderten Unterfuchung
erhoffte (Beitichr. f. d. deutichen Unterricht, 5. Jahrgang, &.793 ff.).
Es fteht ja jedermann frei, »flr fich die Umkehr nad und zu
verwerfen und, wenn ihm dies Genugthuung giebt, darüber zu
ichelten, aber er hat fein Recht es im Namen der Sprade
ober des Sprachgeiſtes zu thun«
Sohannes Poeſchel,
Mitglied des Zweigvereind Grimma.
Ein Mabnruf vom Jabre 1816
im Geifte unſeres Sprachvereins ſcheint mir in mehrfacher Hin—
fiht beachtend= und mitteilenswert. Er findet fi, als An—
hang zu einer Beſprechung der »Schuld« von Adolf Müllner,
im » Dramaturgijhen Wochenblatt in nächjter Beziehung auf die
föniglichen Schaufpiele zu Berlin« (Nr. 14, am 16, April 1816).
»Ich wende mich noch einmal zum Dichter«, jchreibt der mit
Mt. gezeichnete Verfaſſer, »denn ich habe ihm noch zweierlei zu
fagen —. Das erſte betrifft unſere fiebe Mutterſprache. Daß
der Dichter diefe im Hohen Grade in feiner Gewalt habe,
verfieht ſich, — doch ſtören mid) jelten allerdings fich vor—
findende fremde Wörter, wie Bureau, Domeftifen. Habe
ich denn aber deren jelbjt nicht genug gebraucht in dieſem Auf:
fate? Ich war willens anfangs fein einziges zu gebrauchen — —,
aber ic; fand es unfolgeredht. Uns Arbeiten an biefem Blatt,
und Müllner ſelbſt ift ja einer ber thätigften derfelben, muß nas
türlich die Sache mehr am Herzen liegen als die form. Wir
wünjcen bei der Wiedergeburt des deutjchen Volles der deutichen
Schaubühne behilflich zu jein nach Kräften, und eben darum wün—
ſchen wir uns einen größeren Kreis, den wir durd) das, was
diefer und jener als Biererei auslegen möchte, leicht verlieinern
könnten. (Diefe Scheu vor dem Scheine der Biererei ver:
dient befondere Beachtung. Anm. des Einjenders.) Übrigens ift
auch ein Unterſchied in Hinficht der Sprache de Dramas und
einer Abhandlung und wieder zwiſchen der Sprache des Trauers
fpiel3 umd der Sprache des Luſtſpiels. Der tragifche Dichter ſoll
ſich feine Sprache ſelbſt ichaffen und bei diefem Beftreben jcheint
mir eine Hauptjache die HNustehrung alles fremden Unrats.
Dergleichen ift ſchon jept volllommen ins Werk zu richten, und
die Dichter, die es nicht thun, werben fich bei der Nachwelt jehr
ſchaden; denn, jo Gott will, wird nad) Hundert Kahren unjer
jepiges Mengdeutſch den Leuten eben jo wunderlid; vorkommen,
als uns die Sprache des fiebzehnten Jahrhunderte. Dagegen muß
ber fomifche Dichter freilich warten, bis das Leben erft den frems
den Ausdrud verbannt und einen deutjchen ftatt deffen geſtempelt
hat. Mit diefen wenigen Worten wünfche ich unferm Dichter wie
allen Schriftftellern unjeres Volkes ein Streben zu empfehlen,
welches mir von dem höchiten Einfluſſe auf die gefamte Wolfe:
bildung zu jein fcheint.«
Hamburg. Theodor Mehring.
Sprablibe Muiterleiftungen.
Wir beleuchteten in der letzten Nummer an dieſer Stelle
eine Theaterbeipredung der Weimarifhen Zeitung. Deren
Verfaſſer, Herr Redakteur W. Asmus, fendet ums darauf eine
von ihm am 11. März veröffentlichte Vrieffaftenbemerkung, in der
es heißt:
»MWie könnte ich einen fo überaus wohlmeinenden lieben
Brief übel nehmen? Sie jchreiben mir, daß meine Theater-
fritifen in dem weiteften Kreijen mit ganz befonderer Aufmerlk—
jamfeit und Freude gelefen werden, daß aber diefe eine Be—
einträchtigung erfahren durch die Überwucherung der Fremd:
worte in meiner Schreibart. Ich freue mich im Gegenteil, daß
Sie mir Jhr Auge gelichen haben; jet jehe ic das Unkraut
jelbft! Meinen beiten Dank.«
99
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr, 5.
100
Wir haben uns inzwiſchen zu unferer aufrichtigen Freude über-
zeugt, daß ſich der Herr Kritiker der Weimariſchen Zeitung be—
mübt, das Unfraut der Fremdwörter möglichſt auszujäten. Wenn
wir vor dem Erjcdeinen der Aprilnummer von ber obigen Er-
Härung und ihren Folgen Kenntnis erhalten hätten, fo wirben
wir dem jedenfalls durch einen entipredhenden Zuſatz gerecht ge:
worben jein. Die Scriftleitung.
» Das Honcert war bejjer befucht als das vorjährige. Wenn
der Meifter zum dritten Male an unfere Koncertthüre gepocht
haben wird, fo dürfte er den Krähenfuß Meinbürgerlicder Un—
entfchloffenheit, der jeinen dämoniſchen Rieſenſchritt noch geftern
an der Schwelle hemmte, bereit unter Siegesbonner überſehzt
baben.«e Dr. v. B. (Mus einer Belprehung des Konzerte von
Ceſar Thomſon. Prager Tagblatt vom 1.4. 94.)
Rleine Mitteilungen.
Unferem Ehrenmitgliede, Herrn Profeffor Riegel, find aus
Graz und Freiberg i. S. Schreiben voll warmer Anerlennung
der Berdienfte zugegangen, die er fi) ald Begründer und Vor—
figender des a. d. S. um dieſen jelbft wie um die Envedung
und Kräftigung des deutjchen Sprach- und Volksbewußtſeins
überhaupt erworben Hat.
— AUS Zeugnis dafür, daß man auch in der gejeßgebenden
Körperfhaft Hamburgs fich mit der Verdeutſchung der für die
breiteren Schichten der Bevölkerung unverjtändlichen Fremdwörter
bejcjäftigt, jendet uns ein Mitglied des Zweigvereins Hamburg
den Wortlaut eines am 11, April mit großer Mehrheit anges
nommenen Antrages, den wir gerne, mie folgt, zum Abdruchk
bringen:
>» Antrag von F. N. Krüger, Georg Bendir, Jul, Sievers,
N. Heldt, F. €. F. Rauch (Sigung 8 Nr. 7):
In Erwägung, daß die große Zahl Tateinischer Aus—
drücke, wie Ascendenten, Descendenten, Legatar, fubjidiär,
ab intestato, collationspflichtig u.a. die Verordnung wegen
Abgabe von Erbihaften und Vermächtniſſen für das
große Publikum ganz unverftändlid macht, Spricht die Bürger:
ichaft den Wunſch aus, daß der Senat bei Veröffentlihung
ber abgeänderten Verordnung in einem erläuternden Zuſatze
eine Erflärung jener lateiniſchen Ausdrüde geben möge.«
Bücherſchau.
— Heintze, Albert, Gut Deutſch. Eine Anleitung zur
Vermeidung der häufigſten Verſtöße gegen den guten Sprachge—
braud) und ein Ratgeber in Fällen ſchwankender Ausdrudsweife,
Berlin, 1894. €. Regenhardt. 3. Aufl. 180 ©. I. 8.
Das Heintzeſche Buch ift durch das belaunte Preisaus-
icreiben des allgemeinen deutſchen Spracvereins veranlaht und
als die beite der eingejandten Arbeiten mit einer Ehrengabe ausge:
zeichnet worden. Das Nähere darüber ift zu finden Ztichr. VII 107,
ir haben e3 hier mit einer jorgfältigen, auf wiſſenſchaftlicher
Grundlage beruhenden Arbeit zu thun, die die häufigſten Fehler
und Schwankungen des heutigen Sprachgebrauches in eimer im
ganzen bejriedigenden Weile beipridt. Zu loben ift die Menge
der angeführten Beiſpiele, denen zugleich, foweit es nötig erichien,
Verbefierungen beigefügt find. Leider vermißt man vielfach die
Angabe der Schriftfteller, denen die Beilpiele entnommen find.
Der Berfafier behandelt der Reihe nad) in fnapper und fahlicher
Form den Wörterichap, die Formenlehre und die Saplehre. Im
ersten Teile nimmt er in echter verftändigen Weile Steflung zu
den Fremdwörtern und fremden Wendungen, den Landſchafts—
wörtern (Provinzialiamen) und unedlen Ausdrüden, den lt
) wörtern (Archaismen) und den Neumörtern (Neologismen). In
ber fFormenlehre wird vielen beſonders willlommen jein ber eins
ehende Abschnitt über die ftarfe Abwandlung der Zeitwörter.
die Anordnung der Saplehre nad) Medeteilen ift ja ſachlich
anfechtbar, aber in einem folchen Hilfsbuche brauchbar. Die
Fülle des Inntaftiihen Stoffes it in den Mbteilungen » Artikel,
Hauptwort« uw. geſchidt und zwechmäßig geordnet. Hin und
wieder freilich iſt Betmematkie auseinandergerifien; vol.
»alö, wie, denn« nach Komparativen ©. 82. und »als, wie«
nad} »ander« uw, S. 152. Nachdem der Berfafier die einzelnen
Nebdeteile bis zum Verhältnis: und Bindeworte in ihrer Ber:
wendung und Verbindung im Sape behandelt hat, fommt er im:
legten Äbſchnitte auf die Schönheit der Form zu fprechen und
erörtert hier noch einige im Borbergehenden unberüdjichtigt ge—
bliebene Punkte, wie Häuſung und Weitichweifigfeit, unjtatthajte
Auslafiungen und Fehler des bildlidyen Ausdrudes.
Es jei mir nun gejtattet, eine Reihe von Bemerkungen folgen
zu laſſen, die zeigen mögen, daß das Buch auch in feiner dritten,
mehrjad) berichtigten und vermehrten Auflage im einzelnen noch
mandher Nachbeflerungen bedarf. S. 4 wird unter den »fran:
zöſelnden Wendungen« auch »e8 hat (il ya)e für »e& giebt« an:
geführt. Dagegen ipricht aber die weite Verbreitung des —es hat«
gerade in ber Bolksiprahe (oberdeutich und jchlefiich) und eine
Reihe verwandter Ausdrüde, wie »es hat feine Not, es hat gute
Wege« u. dgl. — S. 12 wird das ſächliche Geſchlecht der Wörter
auf =at, mie »Cölibat, Konfulat«e (von lateinischen männlichen
auf — atus) auf den Einfluß von »Mınt« und den Vildungen
auf — tum (»KHönigtume«) zurüdgeführt. Eher haben hier wohl
Wörter wie » Postulat « eingewirkt (von Sateinischen fächlichen auf —
atum). — ©. 13/4 wird die Untericheidung von »der und das Schild,
Stift, Verdienite » weniger geläufig« genannt, während fie in der
That doch wohl völlig durchgedrungen ift; die damit zufammen:
geftellten » Chor und Gehalte ſchwanken allerdings noch. — Die
Genitive »Haniense ulm. find nicht ⸗durch Einfchieben der Silke
en« gebildet (S. 21), vielmehr iſt an die urfprüngliche ſchwache
Form »Hanjen« noch das 8 der ftarfen Abwandlung angefügt,
vgl. den ähnlichen Vorgang bei »Ballens, Bogens«, der ©. 15
richtig dargeftellt if. — S. 22 wäre ein Hinweis darauf am
Plage geweien, daf; Formen wie »Gampes« zur Bezeichnung der
—— von Haus aus Genitive waren (vgl. u. a. Bill.
eih. I, 20), — ©. 39 muß es beihen mittelbd. geg
(nit: geglommen), umgefehrt ©. 42 gemolken (mit: ge
mulken). — Bei den mit untrennbaren Partiteln zufammenge:
fegten Zeitwörtern »fällte die Borfilbe ges nicht »fort« (S. 58),
jondern fie bat bier überhaupt nie geſtanden. — S.59 mußten
neben » gemihachtet, gemihbilligt, gemißtraut« die Formen ohne die
Vorfilbe ges mindeitens als ebenfalls zuläffig angeführt werden. —
S.60 wird getadelt: »ich babe ihn kommen bören« umd dafür
verlangt: »i. 6. i. f. gehörte. Der allgemeine Sprachgebrauch
bat ſich für das erſte entichieden, troß ber »falfchen Ähmlichteit -
nach der dieſe Partizipform gebildet iſt. Ebenſo fteht es mit
»helfen« und » brauchen«, während man bei »lermen« und » machen «
dem Berfaffer eher zuftimmen Fünnte, injofen hier der Gebraud)
weniger feit ift: »ich habe leien lernen« oder »gelernt · — Wenn
©. 79 binter dem perſönlichen Fürworte jtarfe Abwandlung ver:
langt wird (einzige Ausnahme: » wir, ihr anderen«), jo entipricht
das wohl nicht dem thatfädhlichen Sprachgebrauche: »wir Deutichene
darf nicht für weniger gut al& »wir Deutiche« erflärt werden, ebenfo-
— »dir armen« (männlich wie weiblich).
ber troß dieſer Ausjtellungen, die einer neuen Auflage
des Buches zu ftatten fommen mögen, ift es im ganzen je dem
u empfehlen, der fich in Zweifelsjäallen Nats erholen will. Seine
Benugung wird durch ein ausführliches Verzeichnid von Wörtern
und Wendungen jehr erleichtert. Möchte das auch in feiner
äuheren Ericheinung anfprechende Büchlein recht fleißig umd recht
erjolgreich benußt werden!
Braunſchweig. Karl Sceijler.
Aus den Smweigvereinen.
Berlin: Charlottenburg. An der Märzſitzung ſprach Ober:
fehrer Dr. Werner über acß. der deutſchen Götterlehre«
Er erklärte, weshalb man bedauerlicherweiſe nur von »Mejtene
ſprechen darf, und wies auf die drei Hilfsmittel bin, welche einen
teilweiſen Wiederaufbau gejtatten, nämlich: 1. die erhaltenen
101
Sprüche und winzigen Bruchſſücke von Gedichten, 2. die Schlüfie
aus der nordiichen Götterlehre und 3. die Märden, Gebräuche,
Namen, in denen Spuren des Berlorenen zu erlennen find.
Namentlich; letzteres wurde eingehend behandelt und an zahlreichen
Beiſpielen erläutert. An den Vortrag fmüpfte jich eine längere
Beiprehung, in der man übereinfam, einige Punkte zur weiteren
Aufllärung in der nüchſten rg Br ug zu erörtern. — In
ber —— am 3. April machte Oberlehrer Dr. Kohn Ktoch Mits
teilungen über die deutfche Sprachbewegung zu Anfang
diefes Jahrhunderts. Er begann mit einem Rückblicke auf
die ſprachliche Bewegung der früheren Jahrhunderte und bes
handelte dann hauptjächlich die im Jahre 1815 begründete Ber—
liniihe Gefellihaft für deutſche Spracde, in welcher
namentlih der allbefannte Turnvater Jahn gewirkt hat. Nach—
dem fich der Bortragende über bie Ziele, Weranftaltungen und
Erfolge diejes Vereines verbreitet hatte, gab er aus einem bon
ihm Kst verjaßten Drudhefte mehrere Äußerungen bedeutender
Perſonen wieder, die Mitglieder der Gejelichajt waren, Äußerun—
en, die ganz unglaubliche Verdeutſchungsvorſchläge betrefjen.
ann die Geſellſchaft ſich aufgelöft habe, laſſe fih aus ihren
ei nicht erjehen, doch müfje fie bis ungefähr 1880 beftanden
ei.
—— In der Hauptverfammlung (14. März) wurden
die biöherigen Borjtandsmitglieder wiedergewählt. Die Mitglies
derzabl beläuft fih gegenwärtig auf 50, Gymnafial: Direktor
Dr. Tumlirz hielt über einige Grundfragen, welche bei der
Bildung neuer Wörter in Betradt fommen, einen Vor—
trag, der von der Verſammlung mit großem Beifall aufgenoms
men — Der Vortrag wird durch Drucklegung veröffentlicht
werden,
Dresden. In der Märzfikumg teilte der Vorſihende, Prof.
Dr. Dunger, danfend mit, daß Dr. Lyon die Feſtſchrift zum
70. Geburtstage Proſeſſor Hildebrands im Leipzig dem Vereine
geſchenkt Habe, An Stelle eines einzigen VBortrages traten dies—
mal Meine Mitteilungen. Major Lehmann ſprach zunächſt über
den Brief und die Hunft des Briefichreibens, deren Bedeutung
mit der Bildung der Völler und den Verkehrsmitteln immer zu=
nehme. Sodann behandelte Direktor Klemich den bisher fait
fruchtlojen Kampf der Lehrer an den Handelsichulen gegen gewifie
faufmännijche Ausdrüde und finnloje Medensarten, insbejondere
egen die Formel sund zeichnes Jhren Urſprung glaubt man
im Mittelalter zu finden; der Vortragende meint dagegen, fie
habe ihren Grund in dem fogenannten facsimile der Rundſchrei—
ben, mit denen ein Handlungshaus jeine Reiſenden ankündigte
und bei feinen Kunden einführte. Diejen Brauch der Kreditbriefe
hätten die Briefichreiter auch in allen anderen Briefen nachgeahmt.
Weiter empfahl der Redner jtatt des Schluffes: » Ich erwarte Ihre
Nachricht und zeicne mit Hochachtung« zu jchreiben: » ch erwarte
Ihre Nachricht und begrühe Sie«. An der Beſprechung diejer
Mitteilungen führte Oberjuftizrat Boojt den faufmännijchen Ges
brauch des Beichnens zurück auf die älteren Wechſel, beſonders
die Jeſuitenwechſel, während Sch. Rat Häpe ihn auch für andere
Urtunden nachwies, die zum Ausweis und zur Kennzeichnung von
Berjonen dienen. — An dritter Stelle brachte Stadtrath Kuhn
eine Belanntmahung des Königl. Garniſonbauamtes III vont
5. März 1894 zur Sprache, worin neben dem Fremdworte Ad—
miniftrationsgebaude (— Berwaltungsgebäude) aud) die Zufammens
jegung Verheirateten⸗ Wohngebäude vorfommt, die einstimmig für
eine Mihbildung erflärt wurde, — Endlich wurden noch Gedichte
in jübifcher, ſächſiſcher und Verliner Mundart vorgetragen; dieſe
wie das Schlußwort des Merlers erregten große Heiterkeit.
Düifeldorf. Am Anichluffe an die Jahresverſammlung am
28. März bielt Dr. Blumſchein aus Köln zugleich vor den zahl
reich erfchienenen Mitgliedern des Düffeldorfer Bildungsvereines
einen Bortrag über die deutichen Bors und Familiennamen,
in deſſen Verlaufe er ein Bild der altgermanijchen Namenwelt
entrollte, Ein Ausdruck des Heldengeiites unferer Altvorderen,
zeige dieſe eine ftaunensiverte Fülle friegerijcher Eigennamen, die
vielfad) durch Wegfall der zweiten Silbe eine Verkürzung erfahren
hätten, aber durch Anhängung jogenannter Koſeſilben (te, el, ze)
wieder erweitert worden ſelen. fremde, d. 6. hebräijche und gries
chiſch⸗ römiſche Namen begännen exit mit dem 11. Kahrhundert
aufzutauchen, um dann im 14. Jahrhundert das deutſche Namen=
feld geradezu zu überfluten. Bei Beſprechung der yamiliennamen,
die am Rhein und in Süddeutſchland und zwar zuerſt in den
Zeitſchrift des allgemeinen dentſcheu Sprachvereins. 1894. Nr. 5.
102
Städten infolge der Notwendigkeit auffamen, die Gleidmamigen zu
unterscheiden, und fich jehr langſam über die anderen Landidaften
verbreiteten, jtellte der Redner unter Anführung zahlreicher Beis
ipiele vier Gruppen fejt: 1. Bamiliennamen, die auf einem Ber:
jonennamen, nämlich dem des Vaters, beruhen, 2. jolde, welche
die Heimat oder den Wohnort des Namenträgers bezeichnen, 3, ſolche,
die vom Stand oder Gewerbe, und 4. folde, die von dem Aus—
jehen oder den Eigenichaften des Betreffenden hergenommen find.
Dr. Blumichein ſchloß mit einem Hinweis auf die innerite
Bedeutung unferer Namen, die uns über bie Grenzen der Zeit
hinaus mit unjern Vätern verbinden und und zur Liebe zur
Vergangenheit und zu unferm Vollstum aufrufen.
Freiberg i. ©. In ber legten Berfammlung wurden bie
bisherigen Vorjtandemitglieder wiedergewählt. Man beidloß, an
den Gründer und bisherigen Leiter des a. d. Sprachvereins, Pro—
feffor Riegel, ein Dank: und Anerfennungsichreiben zu richten.
Sodann hielt der erſte Schrftführer, Oberlehrer Bündel, einen
Vortrag über das Volkslied.
Sablonz In der Hauptverjammlung am 15. März be-
berichtete der Obmann, Biarrer Arthur Schmidt, über die
Tätigkeit des Vereins, die ſich befonders auf die Veranftaltung
deutiher Bolts- und Spradjabende erjtredt habe. Dieje Abende
hätten fich bereits einen jehr großen Kreis von Befuchern erworben,
und jo jeien auch für das laufende Jahr deren mehrere in Aus:
ficht genommen. Sodann beiprad der Redner die gemeinjam mit
dem Mteichenberger Vruderwereine geplante Gründung eines Oſt-
markfbundes der fämtlihen deutſchen Spracdvereine
Dfterreich®. Der Jahresbericht des Schriftführer Adolf
Lilie betont, daß gegenüber der in nationalen Dingen herr:
ichenden Gleichgültigleit in dieſer Zeit fortgefegte Erziehung der
Stammesgenofjen im nationalen Sinne doppelt not thue. Der
Verein zählt zur Zeit 95 Mitglieder. Bei der Neuwahl des Vor—
ftandes wurden alle bisherigen Amtsträger einftimmig wieder
gewählt, jo daß fich die Vereinsleitung wieder, wie folgt, zufammen:
jet: Obmann evang. Biarrer Arthur Schmidt, Stellvertreter
Dr. Bogt, Schriftführer Adolf Lilie, Zahlmeifter Karl Geyer,
Bücherwart Johann Schubert, Veifiter Friedrih Mücke.
Graz. Nach — des Thaligkeitsberichtes durch den
Obmann, Prof. Dr. Khull, und nad) Erledigung geſchäftlicher
Angelegenheiten (KHafjenprüfung, Satungsänderungen) wurde in
der Hauptverfammlung am 4. April auf Antrag des Ausſchuſſes
dem Gründer des Spradjvereins, Herman Riegel, der Dank
des Zweigvereines für feine Verdienſte Sy Sg Bei der
Neuwahl des Ausſchuſſes wurde Prof. Dr. Khull zum Obmann
wiedergewählt; zu Schriftführer wurden bejtellt: Drnd Hirth
und Prof. Polzer, zu Zahlmeiſtern; Buchhändler Wagner
und Konrad Seibel. Die übrigen Ausihuimitglieder wurden
wiedergewählt. Gin Antrag des Ausſchuſſes ging dahin, den
Didtem Dahn, Weber und Rojegger für ihre Stellung-
nahme gegen das Heine Denkmal zu danken und den Ausſchuß
mit diejer Kundgebung zu beauftragen. Begründet wird biejer
Antrag mit der Aufgabe de3 Spradwereines, für die Meinheit
der beutjchen Sprade einzutreten. Es merden Proben aus
Heines profaischen Schriften vorgelefen, die ihn durchaus nicht
als Mujter eines Stiliften erſcheinen laſſen. Brofeffor Nurelius
Polzer trägt Heines Gedicht »Schloßlegende« vor, um daraus
den Schluß zu ziehen, daß fein preufiicher König auf reichs—
deutjchem Boden die Errichtung eines Heine-Denkmals gejtatten
dürfe. Der Antrag wird angenommen.
Heilbronn. In der Märzligung hielt Rektor Preſſel einen
Vortrag über Aitheilbronner Ort&namen, der zumächit ſprach—
fihen Erörterungen gewidmet war, aber auch geſchichtliche Fragen
berührte. Für die Anficht, da; der Name unferer Stadt urfprüng-
lich Halbrunn gelautet habe und daraus erjt in der mönchiſchen
Schriftipradje Heiligbrumm geworden fei, wurde unter anderem die
Verwandlung des alten Sildhenbrumnens (Silch — Weidengehölz)
in einen Brunnen der heil. Cäcilie angeführt. Vezüglich des and)
unter dem Namen Nordberg vortummenden Wartbergd kam zur
Erwähnung, daß der Heilbronner Weingärtner Orberg ſpricht,
was die Frage nahe legt, ob nicht dieje Form des Namens die
uriprängliche jein dürfte, Die Deutung des Flumamens Gſchrei
aus den Kämpfen der Geſchlechter mit den Zünſten, ebenſo die
Auffaſſung des Köpfers als einer Richıjtätte, ſowie die Ableitung
des Namens Gözenturm von dem Mitter dieſes Mamens wurde
in das Gebiet der Legende verwieſen. Unter den Mitteilungen,
103
die ſich an den ce aus der Mitte der Verfammelten an—
fnüpften, jei hervorgehoben, daß unſere Neckarſchiffleute für einen
Berladepfag den Ausdrud Lauer gebrauchen.
Prag. In der Ausichußfigung vom 8. db. M. wurden ges
wählt: zum Obmann Dr. A. Hauifen, Univerfitätsdozent, zum
Obmannitellvertreter Birgerichullehrer M. Hauptvogel, zum
Schapmeifter Profefior 5. Reiniger, zum Schriftführer Rojt-
fonzipift Dr. Hübner.
Brieflaſten.
Bu Zuſchriften ungenannter Abſender bleiben un—
berüdjitigt.
Herm G. 8,..., Münden. Das Restaurant » Eberlbräu«
in München — wenn wir nicht imen, auch im Befite des im
Brieflaften der Nr. 3 erwähnten Herm Gillitzer — madıt in
feiner Ankündigung von Menus jept weniger grobe Schniger, be—
dauernswert it es aber doch, daß es fich fedigli der franzö—
fiihen Sprache bedient. Vielleicht entichlicht fich der Eigentümer,
wenn er vecht dringlich auf das Unpafiende ſeines Verfahrens
aufmerffam gemacht wird, feinen Küchenzettel endlich im unfer
»geltebtes Deutſch⸗ zu übertragen. — Velten Dank für freund:
liche Zufendung der Anzeige!
im Dr. 9...., Königdwald. Beiten Dant für Über:
He
fendung Ihres Drudheites, das Sie in der nächjlen Nummer |
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 5.
104
angezeigt finden werden, ſowie für Ihre Erklärung des in Diter-
reich gebräuchlicen Ausdruckes » Rejervegagiite. Danad) bedeutete
diefed Wort »Rejervift« oder »Nefervejoldate und hinge mit frzſ.
gage = Sold zufammen. (Vergl. VIII, Sp. 176.)
Herren Ep...., Bonn; Dr. &d...., Münden; ®,...,
Salzburg. Bielen Dank für Ihre Borichläge zur Verdeuiſchung
ded Wortes »Pafjager, nümlich »Durdhhause, »Bogen« und
»Wandelhalles. Profefjor Imme, dem fie übermittelt worden
find, meint, daß das Wort »Hallee in Verbindung mit einem
Eigennamen wohl am erjten Ausficht auf Verwendung bat. —
Auf » Sommerfriit« für » Sommerfrifche« fommen wir fpäter zurüd.
grau J. 1.-©8...., Reval. Herzlihen Dank für Ihr
Schreiben und die guten Wünſche für das Gedeihen des Sprad-
vereins! Schule und Haus find gewiß die Stätten, wo jeine
Bejtrebungen die bejte Ausficht auf Erfolg haben. Wenn nur
alle deutfden Frauen einjehen wollten, da es ſich dabei im all—
gemeinen keineswegs um ſchwere philologijche Fragen handelt,
londern um eine Erziehung im nationalen und im äjtbetiichen
Sinne, bei ber fie aufs thätigfte mitzuwirlen berufen find! —
Ihren Beitrag zur Erflärung des Wortes »Dfgöpe« haben wir
dem Berfajjer eines vorausfichtlih bald erjheinenden Auflages
über diefen Gegenſtand zugeitellt; ebenſo Herm Profefior Imme
Ihren Vorichlag für » Pafiage« »bange« in Verbindung mit einem
Eigennamen (alfo etwa Vismardgang) zu fagen.
Geſchäftlicher Teil.
Der allgemeine deutihe Spradverein theilt mit
den Deutſchen Öfterreihd und vor allem Böhmens die
tiefe Trauer um das Dahinjheiden des mutvollen,
treuen deutſchen Führers
Dr. Franz Shmeyfal
und wird jein Andenten alle Zeit hochhalten in Liebe
und Berehrung.
Profefior Dr. Fr. Kluge hat die Wahl in den Geſamwor—
ſtand danfend angenommen.
Der Zweigverein Greiz iſt neu begründet worden und hat
den Kaufmann Herm Paul Schmidt zu feinem Borfigenden
gewählt.
Der Zweigverein Hadersleben Hat ſich aufgelöft.
Bir empfingen
an auferordentlihen Gaben
100 Mart
von Herm Kaufmann Karl Shmip in Elberfeld, Ehrenförderer
des Vereins, als Jahresbeitrag für 1894, zu den bereits früher
gewährten 800 Marl; —
je 10 Mart
von Heim August Neichitein in Magdeburg und Kerm Ges
heimrat Dr. Abegg in Berlin; —
an erhöhten Jabresbeiträgen für 1894
20 Marf
von dem Gewerbe- und Bildungsverein in Stargard in
Pommern; —
ie 10 Mart
von Herrn Dr. Emil Böniſch in Wien, Herm F. B. Grün—
feld in Landeshut i. Schl. und dem Boltsbildungsverein
Friedberg in Heflen; —
ie 6 Mart
von Herm Freiherrn v. Biel in Kallhorſt, Herm Wirklichen
Staatörat Richard Voigt in Njefhin (Rußland) und Herm
Architelt Fri Dunkel in Bremen; —
je 5 Marf
von dem Turnverein Deuben bei Dresden, Herm Karl Kraufe
in Harburg a. d. Elbe, Herm Bezirkörichter Johann Baus
meifter in Scheibbs (Niederöſterr.), Herrn Profefior Finde in
Danzig, Heren Brofeffor Dr. Jonquire in Bern, Herm Bro-
feffor Joſ. Guſt. Grünes in Nifoläburg, Herrn Gymnaſial-
Ichrer C. Joachim in Landeöhut, dem Turnflub Dresden:
Friedrichſtadt, Herm Nendant Lenzſch in Arnswalde, Herrn
Schulret Mühlmann in Berlin, Herm Poſtlaſſierer P. Sham-
mel in Berlin, Herm Auguſt Neifer in Mülheim a, d. Ruhr,
Herrn Sanitätsrat Dr. Show in Neuſtadt i. Holitein, Herrn
Theodor Häbler, Herm Auguſt Tobias und Herm Eugen
Miühleifen in Blumenthal (Prov. Hannover) und Herrn Major
Deines in Berlin; —
je 4 Marl
von Frau Johanna Bath und Herm Angenieur Woelfer in
Berlin und Herm 9. W. Heuermann in Chicago.
Wir jagen allen dieſen hochgeehrten Gönnern des Sprachvereins
für ihre Gaben unfern beiten Dank. Dr. Mar Jähns.
Mit diefer Nummer wird die
Nr. VI der Wiſſeuſchaſtlichen Beihefte
ausgegeben.
Der Herausgeber der Zeitichrift erflärt fich bereit, Geldbeiträge
oder Mitarbeitsanerbieten für die Unterfuchungen über die Häufig:
feit der deutjchen Wortformen (vgl. Wiſſenſch. Beiheſt VI, S. 30 fg.)
anzunehmen und an die zujtändige Stelle zu übermitteln.
Briefe und Drudiaden für die BVereinöleitung
find an den Borfipenden,
Cperftleutnant a. D. Dr. Jähns in Berlin W. 10,
Margatetenſtrabe 16,
Geldſendungen und Beitrittserflärungen
an den Ediapmeiiter,
Verlagsburhbändler Eberhard Ernft in Berlin G. dt,
Wilbelmftrabe 90,
Briefe und Drucſachen für die Seiticgrift find während des Monats Mai an den Kerausgeber, Dberlchrer Mappenhans, nah Weimar,
aufderalten Burg zit richten.
Bricfe und Aufendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihrite find an Brofeflor Dr. Bietich, Berlin ®@.30, Mopftrabe 12 zu richten.
i Bir die Leitung verantwortlich Briedrid Wappenhans, Berlin. — Berlag des allgenselnen deutichen Spragpereins. u
'
Druck der Burhdenderel des Walfenhaufes in Halle a.d. ©.
IX. Jahrgang Ar. 6
1. Juni 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Dicie Keitfeirift erfeelnt jößrtich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutſchen Epradvereins unentgeltlich
geliefert (Sagung U).
Juhalt: Am 8. Juni 1894. — Die deutiche Bergmannsiprache.
) Die Beitfeheift kann aud durch den Buchhandel ober die Foft
zu 3TME, jährlich bezogen werden. — Anzelgenannahme durch ben Schapmeilter
l Eberhard Eruft, Berllu W.al, Wilhelmfer. 90, — Huflage 14000,
Bon Dr. Victor Steinede. — Schreibung von Straßen:
namen. — Anzei geblati oder Anzeigenblatt? Speifetarte oder Speifenfarte? — An die werten Bereinsgenofien und ſolche, die es
werden wollen. — Sprechſaal. — Sprachliche Mufterleiftungen. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeilungsſchau. — Aus
den Zweiqvereinen. — Geſchäftlicher Teil.
Am 8. Juni 1804
werden 100 Jahre feit dem Tage vergangen jein, an dem
Gottfried Auguſt Bürger im Tode den Frieden fand, den
ihm das Leben — nicht ohne eignes Verſchulden — hartnädig
verfagt hatte. Bon Herder angeregt wollte er als Dichter volls—
tümlih und lebenswahr fein und in jeinen Balladen, vor: |
nehmlich in der »Lenore«, ift ihm eine tiefe Wirkung nicht allein
auf die Beitgenofien, jondern aud auf die Nachlebenden bis zur
Gegenwart beidyieden geweſen. Faſt der Vergeſſenheit anheim ge-
fallen aber ift e8, da Bürger als Umiverjitätslehrer in Göttingen
Wege eingefchlagen und verfolgt hat, die ihn unter günjtigeren
Berhältniffen und bei einem längeren Leben vielleicht zu einer
geichichtlichen Stelle neben den Männern geführt haben würden,
die im Beginne unfres Jahrhunderts das deutjche Bolt zum Be:
finnen auf ſich felbit aufviefen und eine Wiſſenſchaft vom deutichen
Volke begründeten. Wenn Bürger (in einem Briefe an den
Göttinger Philologen Heime) ausſpricht, er wolle »lediglih ein
deutſcher Brofeiior werden, das iſt,
lehren, was jedem Deutihen von Geburts- und Vater:
landswegen zu lernen interejlant fein muße, wenn er
ferner (im einem erjt nad feinem Tode gedrudten Entwurfe)
jagt: »Mir ift es um Wahrheit zu thun; ich liebe Alles, was
deutſch ift und wüßte nicht, daß ich einen heißern Wunſch hätte
ald den, mich um mein Vaterland verdient zu machen.
irgend in dem ganzen Gebiete der Wiſſenſchaften etwas
werth, dak Männer fich damit befhäftigen, jo iſt es die
Mutterfprade. Sie kann zu allem Übrigen jagen:
ohne mich fünnet ihr nichts thun.... Wer mid ver:
adıtet, der wird wieder verachtet von feinem Zeitalter |
und fchnell vergeffen von der Nachwelt« — jo erinnert
das nicht bloß von ferne an das Blaubensbefenninis, das fpäter
Jakob Grimm (an Savigny) ablegte, »dah die Erkenntnis
des Einheimifchen unjer die würdigfte, die heilſamſte
und aller ausländiihen Wiſſenſchaft vorzuziehen fei.
Auf das Baterland find wir von Natur gemwiefen und nichts
anderes vermögen wir mit unfern angebormen Gaben in ſolchem
Maße und jo ficher begreifen zu lernen. Wie Bürger die Auf:
gabe eines folchen »deutichen Profeflorse im einzelnen auffahte
und angriff, dies darzujtellen, mag einer anderen Feder über-
laſſen bleiben. Hier genüge die Andeutung, dab feine Anfichten
Iſt
über die deutſche Sprache, über den Stil und ſeine Ausbildung
die damals landläufigen weit überragen und zum Teil nicht nur
geſchichtlichen, ſondern auch unmittelbaren Wert haben für die
gleichen ragen unfrer Tage. Ehre darum dem Andenten
Bürgers! Er war troh mander Verirrungen ein deutſcher
Mann, ein deutſcher Dichter, ein deutſcher Gelehrter.
Die deutihe Bergmannsiprace.
Von Dr. Victor Steinede.
Als vor einigen Jahren jene große Arbeiterbewegung, welche
ige Biel durd Verweigerung der Arbeit zu erreichen hoffte, auch
die Bergleute ergriff, tatchten in den Zeitungen einige neue
Worte auf: der Streit wurde ald Ausſtand bezeichnet, und
| noch viele andere beutiche Ausdrücke wurden, zuerit von der » ölni-
ſchen Beitunge, dem feiner Mutterſprache entwöhnten Deutſchen
vorgeführt. Zum erſten Male vernahm man das deutſche Wort
Gedinge für »Mecord«, die ausſtändigen Arbeiter wurden ab—
alles das fernen und
gelegt und erhielten Ablehricdeine, und manches Mitglied einer
Anappſchaft hat vielleicht durch fein unzeitiges Schichtmachen
ſich und feine Familte in die Grube gebradt.
Diefe neuen und doch jo alten Ausdrüde mußten gebraudıt
werben, teil fich die Fremdworte nicht zu der durchaus deutichen
Sprache unjeres Bergmannes jchiden wollten, und jo holte man
aus dem reichen Schatze der Bergmannsiprache jo manches ſchöne
deutsche Wort hervor, denn die Bergmannsipradhe ift deutich, mehr
als vielleicht die Sprache irgend eines anderen Gewerbes, und
deutiche Bergmannsausdrücde find jogar in fait alle Sprachen
übergegangen, während nur ſehr wenige fremde Wörter in bie
Sprache unſeres Bergmannes Eingang gefunden haben. Das
macht: auf diefem Gebiete find die Deutichen allen Bölfern der
Erde überlegen, und fait überall auf der Erde, wo es Bergbau
giebt, find Deutſche feine Urheber oder feine Leiter, feine Ge—
werten (Befiger, Teilhaber) oder jeine ausdauerndjten Arbeiter.
Wie fehr die deutiche Sprache bier herrſcht, wird ein ſchneller
Blick auf die Entwidlung des Bergbaus lehren.
| Obwohl die Alteſten Völter in Vorderafien und Ägypten bes
reits einen allerdings nur geringen Bergbau trieben und Die
wichtigſten Hilfsmittel und Werkzeuge kannten und anwendeten,
bat fic fein einziges ihrer Wörter auf unſere Sprache vererbt.
Auch die Griechen, von denen wir doc ſo manchen gewerbs
107
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Spradvereind. 1894. Wr. 6.
108
lichen Kahausdrud entlehnt haben, übten troß der hohen Ent:
wiclung ihres Erzbaues und Steinbrucdybetriebes einen ſehr ges
ringen Einfluß auf unſere Sprache: mit griechiihem Worte
bezeichnen die meijten Spraden das Cypriſche Erz ald Kupfer |
und gewifie Erze ald Galmei, d. h. Kadmiſche Erde, weil Theben
und Böotien reich daran waren; die griediichen Worte Gips,
Arjenit und Marmor find überall verbreitet, dagegen haben
wir das Wort Kreide, d. i. das Geſtein von Kreta, erft durch
vömifche Vermittlung erhalten.
Die Römer, denen viele Sklaventräfte zur Verfügung ftanden,
bradjten den Bergbau auf eine jehr hohe Stufe und arbeiteten
auf der ganzen befannten Erde, aud auf und in dem Boden,
der jeht deutich if. So fanıı es uns denn nicht wundern, daß
ſich viele römijche Ausdrüde erhalten haben. Da finden wir den
Mandelſtein neben der bereit3 erwähnten Kreide, den Opalaus
Indien und den Tripel aus Tripolig, die rote Bleifarbe Mennige
(= minium) und die Eifenfarbe Oder (— ochra); mit urjprüng-
lich lateiniſchem Worte bezeihnen wir das Meſfing (massa —
Metalltlumpen), den Alaun (alumen) und den Granit (granum
— Sorn); wir haben die edlen Metalle in Barren und jprengen
die Berge mit Bulver. Dazu kommt die lange Reihe der Aus:
drüde für vullaniſches Gejtein, die aus dem vultanischen Itallen
ftammen und von denen manche auch nur in dem vulfaniichen
Weſten Deutſchlands befannt find: Lava, Bimsjtein (pumex),
Bafalt, Zuff, Traß und Tungjtein (tophus), aus dem allmähs
lid) Dudftein geworden ijt. Ja, jogar ein gutes deutjches Bier
nennen wir mit diefem urſprünglich römiſchen Namen: das Weiß—
bier in Königslutter heißt Dudijtein, weil die Lutter aus Dud:
ſteinfelſen entjpringt.
In jpäterer Zeit iſt äußerſt felten ein romanijcher Einfluß
wahrzunehmen. Bon Stalien befamen wir den Smirgel, das
Rauſchgelb (rosso) und wenige andere Ausdrüde. Bon Spanien
erhielten wir außer dem Platin (plata — Silber) einige maurijche
Worte, weldje beim Duedjilberbergbau üblich find, denn diejer
twurde in Almaden (in der nachrömiſchen Zeit) zuerit von Sara-
jenen betrieben. Wber im übrigen entwickelt ſich der neuere Berge
bau ganz felbjtändig und entlehnt auch aus den alten Sprachen
feine Fachausdrücke. Es find jept 3 Stämme, die als Bergleute
etwas geleiftet haben, die Kelten, die Slaven und die Deutichen.
Die Kelten übernahmen die römiſche Erbichaft und bauten
Erz in Kärnten, rain und Steiermark, jie begannen aber aud)
den Abbau des Salzes, der ſich befonders im Salztammergut an
ihren Namen knüpft; manche nehmen an, daß die Kelten den
Salzbau überall da begonnen haben, wo in Ortsnamen jtatt »Salz«
die Form mit anlautendem h fteht (Hall, Halle, Hallein u. a.).
Sie darf man wohl auch als diejenigen betrachten, welche in
grökerem Make unjern wichtigiten Bodenſchatz, die Kohle, ge-
ſchürft haben, wenigitens wird das Wort Kohle von vielen auf
eine kelliſche Wurzel zurüdgeführt. Da die keltiſchen Sprach—
ſorſchungen zu jo ſehr verjchiedenen Ergebniſſen geführt haben,
jo läßt id) hier nichis Sicheres fagen. Auch das Wort Mergel,
weldyes Plinius (marga) aus dem Galliſchen entichnt bat, it
wahrjdyeinlich keltiſch. Unzweifelhaft ijt aber unfer Wort Düne
feltijchen Uriprungs.
Sicherer leitet uns die Sprache bei dem Bergbau der Slaven.
Bon Böhmen und Galizien und von den alten wendiſchen Stäm-
men Ojtdeutichlands find mit dem Bergbetrieb aus unfern mittel-
deutichen Gebirgen manche Ausdrüde ind Deutſche gedrungen.
Da iſt zunächſt der Kohlenbau. Die Steinkohle ſcheint zuerſt bei
Theophrait (360 v. Chr.) erwähnt zu werden, aber jie wird erſt
1500 Jahre jpäter zum Zweck der Feuerung abgebaut, während
fie früher bereit® zur Farbengewinnung benupt wurde. Der
Brauntohle wird erſt viel jpäter gedadyt, aber wohl kannten die
Alten ſchon die Holjfohle. Die Vertohlung des Holzes ſcheint
nun zu uns von den Slaven gelommen zu fein, dem der Meiler,
in dem das Holz verfohlt wird, iſt ein ſlaviſches Wort. Durch
ſlaviſchen Einfluß fol das Wort »Zinf« aus »Zinn« entitanden
fein. Die Griefen oder Öreben, ein Wort, mit dem man
allgemein die gebratenen Würfel von Schweinefett und Sped be—
zeichnet, find jlavifcher Abjtammung und bedeuten dem Bergmann
geröfteres Erz oder Ghraupen. Die Trodenjtuben in den Saltnen
werden Petſchen genannt; der Hammer führt auch den jlavis
ihen Namen Fimmel; die Düſe, der fuftzuführende Bang des
Blafebalges, geht vielleicht auf eine jlavifche Wurzel zurüd, welche
etwa »Seele« bedeutet, und mit welcher unfer »dufeln« zufant-
menhängt. Der Hunt, ein Heiner Sarren, mit dem man die
Erze unter Tage befördert, ijt jelbjt auf den Hunde gefonmen,
denn das Wort bezeichnet eigentlic; eine Kutſche. Das befannteite
ſlaviſche Wort aber, der »Hur« d, i. Bergteil oder Anteil an
einem Bergwerk, iſt feit dem 16. Jahrhundert in Deutjchland
heimiſch geworden.
Und nun werden die Deutſchen auf diejem Gebiete die
Führer fowohl im der Ausübung des Gewerbes als auch in der
wijjenschaftlihen Ausbildung der Geffeinstunde, als deren Alt:
meister der Freiberger Bergrat Werner (geft. 1817) gilt.
Einen ziemlid; großen Wortidiag nahmen die Germanen aus
ihrer Urheimat auf den Zug nad Weiten mit, und viele Worte
lernten fie unterwegs tennen. Zu diejen ältejten Bezeichnungen,
die den Germanen auch mit den Siaven gemeinfam find, gehören
Thon, Bold, Silber, Salz, auch Stahl; wahrſcheinlich find die
unerflärbaren Worte Spath und Quarz ebenfalld vorgermanijd).
Aber die meilten Worte find rein deutſch, wenn wir fie auch
teilweife nicht mehr verjtehen, weil fie mit dem Bergbau auf die
ältefte deutſche Zeit zurücdgehen. Schon vor einem Jahrtaujend
war lebhafter Bergbau in Deutichland, das bezeugen die be-
fannten Zeilen, mit denen Otfried im 9. Jahrhundert (Evangelien-
buch I, 1, 69 fg.) den fräntiichen Bergbau jchildert: ‚
Zi nuzze grebit man ouh thar er inti kuphar
ioh bi thia meina isine steina,
ouch thara zua fuagi silabar ginuagi
ioh lesent thar in lante gold in iro sante.
Die Zeit, in welcher bei uns am meiften auf Erze geſchürft
wurde, war der Anfang unjeres Jahrtauſends. In vielen Gegen:
den, wo jet längjt fein Bergbau mehr betrieben wird, mahnen
uns alte Ringen (Heine Erdlöcer) oder moosbewacjene Schutt-
balden daran, daß bier einft mit Hammer und Schlägel ges
arbeitet wide. Da tönen wohl auch halbveriungene Sagen an
unfer Ohr von Erdmännlein, welche hier die unterirdifchen Schähe
behüten, von Hunden mit glühenden Mugen, die auf den leudj:
tenden Erzen Wade halten, oder auch von VBenetianern, Walen,
Wälſchen und Wallonen, weldye in früberen Zeiten bier das köſt—
liche Gold fanden, mit dem fie den Neichtum ihrer Heimat be-
gründeten. Da, in den erzreihen Mittelgebivgen unſeres Baters
landes fann man uns häufig alte Seifenwerfe zeigen, wo
noch im vorigen Jahrhundert geheimnisvolle Fremdlinge an einem
noch vorhandenen Wefluder oder Gerenne im Bad) das Gold
wujchen, oder wo fie in einfachen Ofen, deren Gebläſe noch
erhalten ijt, das edle Gejtein von den Scladen ſchieden.
Wo nur eine Ader zu Tage lag, oder wo ein Schichtenkopf
oder ſonſt ein Ausgehendes die irdiihen Schäße verriet, da
wurde fojort der Kies, Grus und Sand abgeräumt, diejer
Abraum befeitigt und ein Tagebau eingerichtet, oder ein
109
Zeitfhrift des allgemeinen deutjhen Sptachvercins. 189. Mr. 6.
Schacht wurde in die Tiefe getrieben (abgeteuft),. Man
durdfintt das Hangende, d. b. die darüberliegende Schicht,
und kommt in das Flötz (die abzubauende Schicht) und breitet
fih bier mit Stollen föhlig (= wagerecht, von Sohle) aus.
Sept beginnt die Arbeit des Häuers, der mit dem Gezäh oder
Bezeug das zähe Geſtein bricht und abipaltet, wobei er das
tote Gebirge oder taube Geſtein möglichſt vermeidet. Welche
Freude, wenn ein Anbrud gemacht, d. b. eine neue Erzader
angeichlagen wird! Und wieviel Mühe foftet e3, wenn ein Gang
verbrüdt oder ein Flötz verworfen tft, bis man durd Nicht:
jtoflen oder durch Bohrungen das Verlorene wiederfindet. Häufig |
find die Schichten auch nicht gleichmähig föhlig, ſondern fie richten
oder jatteln fi auf, werden ſchwebend (ſhräg geneigt) oder
ſchießen unter einem flärkeren Winfel ein, ja fie ftellen fich
jogar auf den Kopf und fippen um. Aber auch wenn fie gleich:
mäßig Streichen, ift die Häuerarbeit nicht leicht, denn oft
ist das Flötz jo wenig mächtig, daß bie Arbeit im Liegen ge-
ichehen muß, und das Geſtein iſt entweder zäh, dann ijt die
Arbeit jchwierig, oder es ift gebräh, dann muß wegen der
drohenden Einfturzgefahr mit befonderer Borficht gearbeitet werden;
dann macht man bie Feiten, d. f. die ftehenbleibenden Pfeiler,
befonders& di und verjegt die abgebauten Stellen, um einen
Einbruch zu verhindern, mit Holz oder Schutt. Cine jtete Sorge
bilden auch die eindringenden Bergwafler und die jchäblichen |
Safe oder, wie der Bergmann mit einem jchönen treffenden Worte
jagt, die jchlechten Wetter. Die zu ihrer Bekämpfung dienens
den Majchinen bezeichnet er ald Windkunft und Waſſerkunſt.
Sewaltige Waſſerhaltungs maſchinen werden aufgeitellt, aber
fie vermögen die aus den Sclotten ceindringenden Wafjer nicht
immer zit gewältigen, und jo mancher Schacht erſäuft, tie
in der lebten Zeit im Mansfelder Gebiet, wo ein ganzer See |
‚allmählich in die Werke hinabfidert, und es it nicht möglich,
durch Pumpen den- erfoffenen Schacht aufzugewältigen d. i. |
reparieren. Häufig genug ift auch ein Knappe mit feinem Ge—
leuchte unvorfichtig, oder er entzündet durd eine Tabakspfeife
die Schlagenden Wetter, wie der Bergmann die explodierenden
Grubengase nennt; denn troß der Wetterſchächte, welche den
unterirdiichen Räumen frische Wetter zuführen, troß der Wetter-
thüren oder Blenden, welche einzelne Teile der Stollen abs
ichliehen, troß der quten Abzüchte (Ventilation) ſammeln ſich
doch die Schwaben und dampfigen Wetter, die auch ein
guter Wetterzug ſchlecht beſeitigt. Häufig gemug bricht auch
ſchwimmendes Gebirge herein oder eine niedergebende Wand
muß schnell abgefangen werden. Kurz, den Bergfnappen ums
lauern im tiefen Echo der Erde viele Gefahren, jo daß ſich bei
diefem Stande eine innige Frömmigkeit erhalten hat bis in unjere
Tage, wo die alten Bergfnappen leider von dem neuen Berg:
arbeitern verdrängt werden. Selbjt einem Heinrich Heine ging
es and Herz, als er der gemeinfamen Andacht beiwohnte, bevor
er umter Leitung eines Steigers auf der ſchlüpfrigen Fährte
(Doppelleiter) in den dunklen Schlund der Erde hinabjtieg oder
vielmehr fuhr, denn der Bergmann nennt jede Bewegung unter
der Erde »fahren«.
Nach der Hauarbeit folgt die Förderung, d. i. der Transport
der gewonnenen Maſſen zu Tage. Da die Häuer vor Ort (an
der Spibe des Stollens) bleiben müſſen, bis ihre Schicht vorbei
ijt, jo wird der bereit3 erwähnte Hunt von jüngeren Arbeitern,
den Hundejungen oder Tredjungen (plattd. treden — ziehen)
befaden, aus den niedrigen Räumen berausgezogen, was häufig
nur im riechen geichehen fann, und in ben Stollen bis an den
Förderihadt gebracht, von wo die Maflen im Förderkorbe
aufgezogen werben. Über Tage angelangt, werden fie entweder
fofort ihrer Beſtimmung zugeführt oder fie müſſen aufbereitet
(präpariert) werben, und es folgt nun das Pochen, Waſchen
und Berhütten der Erze, dad Schlemmen und Läutern ber
Salze und Erden.
ge nad) dem Zwecke wird das Erz röfch (raſch, grob) gepocht
oder es wird zu feinem Grus oder Mehl verarbeitet. Der mehr
oder weniger fein gekörnte Stoff, die Knörper oder Knorpel,
wird nun unter mehrmaligem Umfippen (Kippwäſche) oder
durch bewegliche Siebe (Rätterwäſche) gewaſchen oder auf einen
Kehrherd gebradıt. Da das Schlemmen und Läutern meift
von oben nad) unten vor fid) geht, und der Bergmann dieſe
Richtung mit dem alten deutichen Worte ſeiger (neudenticdh:
perpendikulär) bezeichnet, jo nennt er die Läuterung auch kurz und
biindig Seigerarbeit, ebenfo wie er ben Hüttenvorgang, wobei
dad Metall mit Zuſätzen verjehen wird, Separbeit, und wenn
dabei das Metall immer reiner und frifcher wird, Friſcharbeit
nennt. Nun wird ber Ofen beſchicht oder gerüftet; durch
die Gicht (wohl — Gang) wird das Erz mit dem zur Auf—
ſchließung (Analyse) nötigen Erzſatz, der Speife, hinein—
gegeben; das Gebläje unterftüht das Feuer, und bald jcheidet
fih das edle Metall von der Schlade (eigentlih — dem Ab—
geichlagenen) und der Aſche und wird abgeftohen. Mandmal
iſt ein Öfteres Lüutern (Raffinieren) nötig, dann wird der Ge—
halt des Spurjteins immer größer, allerdings auch der Ab—
brand, d. i. der Verluft des Metalles beim Schmelzen. Das
Metall wird num in eine Form gegoffen, die vorher abge—
äthmet (erwärmt) fein muß, oder in Stüde geichrotet, oder
zu Barren oder dünnen Zainen (Stäbchen) gegoſſen. Bei mancher
Nufbereitung ift ein angquiden (amalgamieren, verbinden
mit Duedfilber) erforderlich; das Eifen mu geredt und ge—
walzt werden, und dann iſt die Bergarbeit vom eriten Kieſen
eines Trums, einer Aber oder eines Flötzes bis zu Ende fertig.
Schon aus diefen Proben durchweg dentſcher Ausdrüde, die
leicht auf das Zehnfache vermehrt werden fünnten, erhellt die
erhaltende und jchöpferiiche Kraft der Bergmannsſprache. Um
etliche Eigentümlichkeiten diefer Sprache zu lennzeichnen, mögen
noch einige der häufigften Ausdrüde erwähnt werden. Der Berg-
mann fagt abaehen für aufhören, abfehren für ſich abwenden,
durchſinken für durchſtechen, abjeigern für das Beltimmen
ber jenkrechten Tiefe, abſinken für das Treiben eines Schad)tes
in die Tiefe, auslängen für horizontal treiben und Betriebe
für einen getriebenen Gang. Man fanıı leicht erfennen, daß
bier gern die imtranfitiven umd tranfitiven Ausdrudsweiſen mit
‚ einander vertanfcht werden. Ferner hört man häufig Hauptworte
| mit der Endung — el: Blewel (von altdeutichen bliuwil) neben
der neueren Form Schlägel, Fünftel, Fimmel, Drudel für
Bohrer, Dudel für einen engen Schacht. Noch viel mehr Worte
werden mit der Vorjapfilbe ges gebildet: Gejtübbe = Staub;
Gekrätz oder Geſchur für das, was bei Gold- und Silber:
arbeiten abipringt und dann zufammengefragt wird; Gerenne;
Gezeug oder Gezäh für Werkzeug; Gerölle, Geſchiebe,
Geſtein, Geſenk, Geſprenge, Geſtänge, Geſtelle und
viele andere. Daß dieſelbe Art der Wortbildung nicht immer
denſelben Sinn in das Thätigkenswort hineinlegt, iſt leicht er—
fichtlich.
Andere Wörter gebraucht der ‚Bergmann in einem erweiter—
ten Sinne. Für Grenze hat er das Wort Erbe; ein Grenzfluß
heit Erbfluß, und ſchon bei Paracelſus finden wir für das Ber:
mefjen einer Grenze den Ausdrud erbbereiten. Wir fprechen
beim Tuch von einem Salbande oder einer Salleiite und
111
meinen damit dad »Gelb-ende«, den eigenen Mand, aber ber
Bergmann verfteht unter Salband die benachbarte Grenzſchicht.
Der Firft oder die Förfte gilt ihm im weiteren Sinne für
alles, was oben über ihm liegt. Bon unferem Wort Schramme
giebt es die Verwandten ſchrämen — aufreijen und Shram —
Loch. Und wer verjteht nun gar Worte wie Deuel, Deute,
Deupe, Lutte, Luppe, Altung oder Aleldruft, die alle
gut deutich, aber in der gemeinen Sprache verloren find!
Wie anſchaulich Mingen doch ferner die Namen der Erze
und Erden: Bergblau, Berggrün, Bergpech, Braunitein,
Grünftein, Milchquarz, Lebererz, Scillerfels, Bleis
ichweif, Fahlerz nad der Farbe; Aſchblei, Bergkork,
Bergmild, Bergtheer, Hornerz, Brandidiefer, Eiſen—
mohr, Eijenniere, Eifenrahm, Federerz, Haarkies,
Holzitein, Hornftein, KRapenauge, Meerſchaum, Nadel-
erz, Nagelflue, Rauchkalk, Schaumkalt, Rogenjtein,
Speditein, Tall (> Talg), Zundererz nad) dem Ausſehen;
nach ihrer Entſtehung Röſchgewächs, Weichgewächs, Dru—
ſenſtein, Tropfſtein, Duttenſtein (— Nöhrenftein). Der
Schiefer hat feinen Namen, weil er aus kleinen Splittern bes
fteht, die man noch jept in manchen Gegenden als »Sciefer«
bezeichnet; der Granit heit wegen jeiner grauen Farbe auch
Greifen, und der geſchichtete Granit wegen feiner gleigenden
Glimmmerblättdien Gneih. Dle Oxyde werden ſeit alter Zeit
als Aſche bezeichnet, lange bevor man wußte, daß die Oryde
wirklich Aſche ſind. Und ſchließlich dürfte erwähnt werden, daß
den alten Namen der Metalle eigentlich Farbenbezeidinungen zu
Grunde liegen: Blei bedeutet z. B. das blauweiße, Silber das
weißichimmernde, und Gold das gelbglänzende Erz.
Sp mandjer Ausdruck, den unjere Wiſſenſchaft jept mit künft-
lichem, griechiich lateinischen Namen bezeichnet, befindet fich mit dem
Bürgerrecht in anderen Sprachen, befonders in den romanijcden.
Ver würde glauben, dab man im Spanifchen wicht nur die Horn-
biende und die Graumade, d. i. den grauen Felsſtein, fondern
auch den guten deutihen Schlamm findet? Notliegendes,
Schörl, Haarkies, Pochen und Schmelzen, aud Bott:
aſche d. i. die im Topf zurüdbleibende Aſche, finden wir ents
weder in diefer Form oder in der Überfepung bei den meiften
Völfern. Endlich find die fchönen WBeamtennamen Steiger,
Schadtmeijter, Geihworner, Bergmeijter in andere
Sprachen übergegangen oder überfept, und den oberiten unferer
Bergbeamten, den Berghauptmann, treffen wir jogar am
Ural und in Sibirien.
oder von Quedſilber befreien), Abraum, Anbruc, Löthigkeit,
unterwerfen (untergraben) beweifen. Aber ſtets haben feine Worte
eine eigentümliche Kraft, denn fie find aus der Anſchauung her—
geleitet, und häufig liegt dem abſtralten Worte ein beitimmter
Borgang zu Grunde. Die Arbeit, welche jemand über feine
Zeitfhrift ded allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 189. Nr. 6.
112
Steinwerlzeug. Die Lunte befteht eigentlih aus Qumpen, und
bie Flinte hatte früher einen Flint (Feuerſtein) am Schloß. Auch
der Feuerſtein war nicht ſtets ein Kieſel wie bei uns, jondern
der alte Grieche jchlug aus dem Schwefelfies Funfen und nannte
ihn be&halb Feuerſtein oder Pyrit. Ein ähnliches Schwanken
des Namens fommt häufig vor. Der Bernftein ift eigentlich der
brennbare Stein, ein aus der Brauntohlenzeit ftammendes Harz,
welches die Borbewohner von Djipreufen wirklich zum Brennen
benußten; diefer weiche Stein wird in früheren Zeiten mit dem
harten Agtitein oder Adiat, was den Magnetjtein bedeutete, ver:
wechjelt, weil »wie der Magnet das Eiſen, jo der Bernitein den
Halm anziehte, denn der Bernftein wird durch Neiben elektriſch.
Ferner fei an den Gulden erinnert, der urſprünglich eine gül-
dene Münze fein jollte, und an den Thaler, der eigentlich ein
Joachimsthaler Gulden iſt. So ift aus der Goldmünze die Silber:
münge geworden, und wenn die Entwertung des Silbers jo fort-
ichreitet, dann wird vielleicht noch Nidel daraus. Übrigens der
Nickel ift auch ein Hübjcher Beweis für bergmänniſche Wortbil-
dung. Im Freiberger Gebiet fam es häufig vor, dah man im
Schacht glaubte, eine Eilberader angebrochen zu haben, und
wenn man das Erz dem Wardein zur Gültigfeitsprobe brachte,
dann war es fein Silber; und ebenjo ging es mit einem gelb-
lichen Metall, das fid) nicht ald Gold erwies. Dann glaubten
die Bergknappen, ein böfer Bergnidel oder Kobold habe ihnen das
gültige Erz unter den Händen in minderwertiges Geſtein ver:
wandelt, und ſchimpften weidlich auf den böfen Nidel und den
ihlimmen Kobold: die beiden Erze haben, auch ald man ihre
guten Eigenschaften Schäpen lernte, den Namen Nittel und Kobalt
behalten.
Aus dem geihmolzenen Kobalt, der Schmelze, entitand das
italieniiche Wort Smalte. So haben wir auch noch andere Worte,
welche in fremde Sprachen übergegangen und dann zu ung zurüd-
getehrt find: dazu gehört Breiche (vom brechen), wofür der Bergs
mann Röſche jagt. Die Bergmannspütte heißt Kaue oder
Kothe; und dies Wort finden wir im engliihen cottage und
im Franzöſiſchen, freilich in ganz anderer Bedeutung, in cotte
und dem davon abgeleiteten cotillon wieder.
Zwei bergmännifche Ausdrüde legen eine theologiiche Er:
innerung nahe. Wir verjtehen das Wort taufen nicht, das in
die Tiefe tauchen bedeutet. Der Bergmann gebraucht aber
in bemjelben Sinne das Wort teufen. Das mit dem Stamme
tief zufammenbängende Thätigkeitswort iſt alfo nur in der Berg-
| mannsipradhe und in der religiöfen Bedeutung erhalten, fonft
Bei Neubildungen ijt der Bergmann nicht ſehr zaghaft, wie |
die Worte anquicken oder abquiden (mit Quedfilber verbinden |
Pilichtzeit hinaus verrichtet, heiht Weilarbeit, weil er bei der |
Arbeit verweilt. Wo ein Stoffenbetrieb eingeftellt worden ift,
haut man als Marfe eine Stufe ins Geftein, danach nennt man
das Aufhören verſtufſen. In ähnlicher Weile heift die monat-
liche Abrechnung noch jept Anſchnitt — allerdings aud) in anderen
Gewerben —, weil fie früher nad den Schnitten im Kerbholz
angefertigt wurde; und der Beamte, welcher den Bergleuten ihre
Schichten berechnet und auszablt, heißt nicht Rendant, ſondern
Schichtmeiſter. Der Amboß ift eigentlich der Gegenstand, auf
welchen geichlagen wird (ahd. bözan
mer bedeutet eigentlich »Feld« und war alfo uriprünglid ein
ſchlagen), und der Ham: |
aber verloren gegangen. Ind das Wort Geiſt hat ebenfalls in der
Bergmannsiprache feine lepten Verwandten. Eine heiße Quelle
heißt Seifer, d. i. daS dampfende; wir jagen jept Giſcht und
haben den Berbaljtamm geis — spirare fonft nur noch in alten
Drtönamen wie Geismar. Auch in andern Ortsnamen haben
twir bergmännifche Erinnerungen; in der älteiten Zeit find bie
Namen nur mit Erz (oder Arz), Bold und Eifen zujammengeiekt,
erſt ſpäter mit Kupfer, Blei und Berg.
Manche bergmänniiche Ausdrücke find auch wohl geeignet,
übliche Fremdwörter zu erjegen. So fagt der Bergmann
Abdrud oder Abklatſch für Clihe, ähen und beizen für
aravieren, foggen für präcipitieren, Fritte für Email,
Niterbildung für Pjeudomorphofe, Abänderung für
Varietät, ausrichten für reparieren, muthen für das
Nachſuchen einer Konzeſſion, Lehre für Modell oder Kaliber,
was übrigens auch in andern Gewerben vorfommt; er fennt noch
das alte Wort tempern für temperieren, Marticheider
oder Schümmeifter (der die Meihichiene zu handhaben weiß)
’
113
für Geometer, und zu guterletzt Hat er die ſchönen Worte Ge—
ihworner, was man ſowohl für den Profefjor als auch für den
Meifter in einer Brofeifion gebrauchen künnte, und Gewerk—
ichaft für Aktiengejellihaft, Gewerke für Aktionär. Auf
Vergmannsfejten wird mit Begeijterung dad Wohl der Herren Ges
werten getrunken; hätte man das deutſche Wort Aktionär dafiir
gejept — allerdings macht das Geſetß zwiſchen Gewerkſchaft und
Aktiengejellichaft einen Unterjchied —, dann würde wohl die Bes
geifterung nicht jo groß jein. Bei den Gewerken dentt man eben
an Männer, die werkthätig eingreifen und felbjt mit banbeln,
dagegen bei den ſprachlich gleichbedeutenden Altionären an die
Aktien, mit denen Handel getrieben wird.
Eine Fachſprache, die jo fraftvoll, jo urſprünglich umd fo
ihöpferifch ift, mußte auch mit vielen Wendungen in das allge
meine Sprachleben unjeres Volles eindringen, umfomehr als ber
Bergbau twegen feiner Wichtigkeit und Musdchnung zu jo mandjen
Menihen in unmittelbare Fühlung tritt.
Bon guten und ſchlechten Dingen jagen wir jie liegen Mar
zu Tage ober es liegt im Erdenſchoße und mit der Zeit
tommt es ans Tageslicht, entweder von jelbft, oder es muß
zu Tage gefördert werden. Wir ſprechen von einem Schacht
der Wiſſenſchaft, aus dem Neues zu Tage gefördert wird, oder
auch von einem Schafe, der irgendwo vergraben liegt und ges
boben werden muß. Wenn wir nad) etwas forſchen, gebrauchen
wir wohl aud) den Ausdrud auf etwas jchürfen, und wenn
es Mühe macht, bohren wir danach. Andrerjeits bezeicdnen wir
das Ablafjen von einer Arbeit mit Shiht maden, und wer
jeine legte Schicht gelhan hat, fährt in die Grube. Auf
die ganze menjchliche Gefellichaft wenden wir mit Vorliebe berg-
männijhe Ausdrüde an: wir ſprechen von den Schichten ber
Bevölkerung, von einer Zerfepung der Bejellichaft, wenn
die einzelnen Bejtandieile ihren Zufammenbang löſen und in
Streit mit einander kommen. Dabei wird gewöhnlich etwas
mulmig oder faul, der einzelne Menſch oder die ganze Gefell:
ihaft fommt auf den Hund — eine Mebensart, die fehr ver
ſchieden erflärt wird. Schon Ovid vergleicht deshalb die ver:
ſchiedenen Zeitalter mit den verichiedenen Metallen, und im
befonderen wird die gute alte Zeit ald das goldene Zeitalter
bezeichnet; ja jeder einzelne Menſch hat eine jelige goldene
Zeit in feiner Jugend gehabt, als er noch fein alter vers
witterter Kerl und noch nicht jo ausgemergelt war, fondern
als noch goldene Loden jeine Schultern ummallten, als er in
jugendlicher Kraft glaubte Berge umreihen zu fünnen. Mit
den Metallen werden vom Propheten Daniel die 4 Weltreiche
verglichen, und nad demfelben Bilde ſprechen wir von einem
Dinge, dad auf thönernen Fühen ftcht. So dienen und im
gewöhnlichen Sprachgebrauche die irdiichen Stoffe zur greifbaren
Bezeihnung der Eigenart und des innerjten Wejens: es ijt etwas
lauter wie Gold, klar wie Kryjtall oder durchſichtig wie
Glas. Wir jagen aber aud es ijt Blech oder Tombaf oder
Talmi. Zt jemand an jeiner Außenſeite rauh umd abſtoßend,
fo nennen wir ihn einen ungejchliffenen Kerl, ohne deshalb
fein Inneres an Wert mit dem Diamanten oder einem andern
Edelfteine vergleichen zu wollen. Andrerſeits gebrauchen wir die
Härte der Steine für bildlihe Ausdrüde im ſchlimmen Sinne;
ein Kieſelherz oder ein Herz wie Stein jchreiben wir einem
harten Menfchen zu, und eine eherne Stirn fann zwar im
guten Sinne gemeint jein, lann aber auch einen verftodten Lügner
bedeuten, während die eherne Bruſt den umerichrodenen und
mutigen Mann auszeichnet.
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. 1894, Nr. 6.
114
Der Hüttenvorgang liefert und Webensarten: das Eijen
ihmieden, weil es heiß iſt, von Scladen befreien,
etwas im Feuer läutern, und mer folde Schlacken nicht
zeigt, wer jeine Gefinnung nicht ändert, der ift treu wie Gold
oder im Feuer bewährt, denn er hat die Feuerprobe be-
ftanden und ift nun hart wie Stahl. Gleich dem Eifen werden
auch die Menſchen oder ganze Staaten aneinander geſchweißt.
Wer einen Streit entfacht oder dazu aufreizt, ſchürt das
Feuer oder biäft den Streit an. Ferner fprechen wir von
einem Silberblid und fo vielen anderen Dingen, die jchon
eiwad ferner liegen. Unſer Wort Geſchmeide lommt von
ihmieden, und ſchwelgen hängt mit dem Schwalch des
Ofens zuſammen.
Zwei Eigentümlichkeiten des bergmänniſchen Gewandes haben
ebenfalls dem bildlichen Ausdruck gedient: das Bergleder kommt
in der mittelalterlichen humoriſtiſchen Dichtung in demſelben Sinne
vor, wie wir jeht von dem Vorhang ſprechen, das Bergleder
vorhängen, und die eigentümliche Art, die Lampe an der Stirn
zu tragen, hat vielleicht zu der Redensart geführt jemandem
ein Licht auffteden.
Aber damit wir nicht wie Quedjilber bin= und herſahren,
wollen wir mit einem eigentümlichen Worte jchlichen. Das Wort
sehen beit eigentlich nicht trinken, jondern Zeche bedeutet
urjprünglic die Reihe, Gejellihaft, Vereinigung. Diejer
Sinn ift uns jept ganz verloren gegangen, wir denlen bei Zeche
nur an das Bezablen, und bei zehen nur an die daraus fol-
gende Kupfernafe, aber der Bergmann verjteht unter Zeche
noch in alter Weife die Bergbaugeſellſchaft.
Nur einiges von dem großen Scaße, der in der deutſchen
Bergmannsiprache vergraben liegt, bat gefördert werden können,
und eine ſchier unerichöpflihe Fundgrube harrt deſſen, der da
ſchürfen will. An Kraft und Urjprünglichkeit, an Innigkeit und
Tiefe ift fie ein Mufter, und es wäre höchſt dankenswert, wenn
fie in dem eingangs erwähnten Sinne ferner benußt würde.
Unfere Volksſprache erinnert ſich ihrer eigenen Schäße und wirft
den erborgten Schimmer ab; ſchon feuchtet überall durch die
Schaden das lautere Metall, Mögen diefe Bejtrebungen zum
Segen für das zn dienen! Glücd auf!
Schreibung von Strakennamen.*)
Unklarheit herrſcht wie über jo viele ſprachliche Dinge fo auch
über die richtige Schreibung von Straßennamen. Durchforſcht
man darauf hin unfere heutigen Zeitungen und Wohnumgsanzeiger,
jo findet man, daf dort fait durchweg alle Straßenbezeichnungen
in einem Worte geichrieben werden. Das geht jogar jo weit,
daß Berliner Zeitungen Franzöfifcheitraße (in einem Worte!)
druden, und dab es — eine folge diejer Ericheinung — Kürzlich
einmal in der Kölniſchen Zeitung« hieß: auf dem Altermarkt.
Nur die Fremdwörter Allee und Chauffee ſcheint man nod
allgemein als jelbjtändige Wörter zu behandeln und getrennt zu
ſchreiben; höchſtens jieht man Ausdrüde wie Kaſtanienallee,
Kindenallee, Katjerallee u. ä. in einem Worte, aber wohl
nie Poppelsdorferallee, Berlinerhauffee u. dgl. Übrigens
ſei bier erwähnt, daß es in Franffurt a. M. nicht Chaufſee
*), Nadı Sapung 3 des a. d. Sprachvereins gehören die Necht-
ichreibungsiragen vorläufig nicht zu deſſen Wrbeitsgebiete. In
diefem Aufſatze aber handelt es ich nicht ſowohl um die ———
als um die richtige Auffafſung beſtimmter Wortbildungen un
Wortgeſüge. Daher glaubte die Schriftleitung mit ihm eine Aus:
nahme machen zu dürfen.
115
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. 1894. Nr. 6.
116
heißt, fonden Bodenheimer Landitrake, Eſchersheimer
8, Edenbeimer 2. ujwm. Ich babe auf dem hieſigen afade-
milchen Lejezimmer etwa SO Zeitungen durchblättert und bin zu
dem oben mitgeteilten Ergebnis gefommen. Belonders find mir
folgende Znfammenjchreibungen aufgefallen: Altenſchildeſcher—
weg, Altſtädterkirchſtraße 1Bielefeld), Engerierfirahe
(Meumwied), Viehhoferſtraße (!) (Efien), Nheiniiheitrake
(Dortmund), Fiſcherthalerſtraße (Barmen), Hoheſtraße
(Duisburg), Rurzeftraße, Dahlerfelderſtraße (Düfleldorf),
Neuerwall, Harveſtehuderweg (Hamburgh, Grünethor-
gafſe (Wien). Ich fand fogar in der »Nieumwen Rotterdamichen
Eourant« die Schreibung Utrechtſcheſtraat, obgleich das auch
im Holländifchen unzuläffig ift. Einzig und allein in der » Boffilchen
Zeitunge jcheint grumdjäßlich die Trennung der Straßennamen
jtattzufinden, dort fand ih: Stegliger Straße, Ning- Str. ufw.
Ein anderer Ort, wo man Straßennamen gejcrieben leſen
fann, find die Straßeneden mit ihren Schildern. Da giebt es
nun wohl Städte, die die Namen auf diefen Schildern nad ge
willen Regeln — ob fie richtig oder unrichtig find, bleibe einſt⸗
weilen unerörtert — einheitlich fchreiben lafjen, aber auch andere,
wo die Angaben offenbar Leuten überlafjen werden, die nicht ges
nügende Spradjtenntnifie haben, um eine einheitliche Schreibung
feftitellen und durchführen zu fünnen. So fann man bier in
Bonn an einer Kreuzung der Medenheimer Strafe die beiden
Schreibungen leſen: Medenheimer Strafe und Meden-
heimerjtraße; auch die Screibung Medenheimer-Strahe
fommt an einer anderen Stelle vor. Ferner find bier ein Platz
und eine Straße nad) einem früheren Dorfe Mülheim genannt;
wo der Plap in die Straße übergeht, ftcht auf zwei dicht neben
einander befindlihen Schildern: Mülbeimerplag — Mül:
heimer Straße.
ſcheinen dem Grundfage zu huldigen, daß der eigentliche Name
und die Bezeichnung des Weges unter allen Umſtänden getrennt
geichrieben werden müſſen umd nicht einmal mit einem Bindejtrid)
verjehen zu werden brauchen; jo heißt es dort richtig: ange
Straße, Landsberger Straße ufm., aber auch falih: Harold
Straße, Dit Straße, Bethanien Ufer, Michaelskirch
Pla ujw. Anderſeits wenden andere Städte den Bindeftrich
überall an; jo beißt es in Koblenz: Mainzer- Straße,
Görres-Straße, Burg: Straße, in Lennep: Barmer:
Straße, AlleesStraße, Rospatt:-Strake, anderjeits aller:
dings auch: Neugaſſe und Kirhplap; in Rade vorm Wald:
HodhsStraße, Bahnhof-Straße, Telegraph-Straße (!);
in Bierfen: Erefelder-Straße, Große Brud: Strafe.
Bird nun bei der völlig getrennten Schreibung, wie es in den
beiden genannten Städten wohl durdyweg der all ift, oder auch
bei der Verbindung durch Bindejtrich auch noch die Bezeichnung
des Weges durch St. (oder Str.) und PL. abgekürzt, fo iſt leicht
zu erfennen, daß die Anordner diejer Schilderichreibung zwar
Andere Städte, wie Berlin und Düſſeldorf,
feine jprachlihen, aber doch wenigitens praftiihe Nüdjichten |
erwogen haben. Zwedmähig jcheint es allerdings, die Bezeich—
nung des Weges (Straße, Bla, Gafſſe ujw.) von jeinem
großem Anfangsbucjitaben, vielleicht nur den oder die Anfangs:
buchjtaben zu fchreiben. Für die Leute, die eine Strafe fuchen
und die jene Schilder wohl am meijten benuten und leſen müſſen,
fommt es nicht darauf an zu erfahren, daß hier eine Straße
aufzuftellen, die weder gegen jpracjliche Rüdfichten verſtößt, noch
Zwedmähigfeitsgründe außer Acht läht. Wünſchenswert wäre es,
wenn durch einen Ausſchuß endgiltige Regeln feitgeftellt würden,
die ziwar nicht im ganzen Reiche rechtsgiltig werden, aber doch in
den Städten eingeführt werden fönnten, in denen Spracvereine
beſtehen. Dieſe aber follten jedes Falles fich diefer Sache an:
nehmen, vor allen Dingen aber die jtädtiichen Behörden, ſowie
die Zeitung- und Adreßbuchverleger um Befolgung der Regeln
erfuchen.
Schen wir zumächit noch, wie man früher die Strafen:
namen gejchrieben hat. Wie es mit den Straßenſchildern geweſen
ift, habe ich micht feftitellen können; von Zeitungen aber habe
ich alte Bonner aus den Jahren 1808— 1835, eine Kölnische
vom Jahre 1826 und eine Kreuz: Zeitung vom Jahre 1850 durd:
bfättert. Nun findet ſich ſchon im älteften Jahrgange der Bonner
Zeitung (1808) die Schreibung der Strafennamen in einem orte
ala die Megel, ſodaß wohl nicht der Depeſchenſtil hier Einfluß
geübt haben fan, wie man ſonſt annehmen dürfte. ES heißt
da: Engeltbaleritrahe, Noblenzertbor, Neuftraße und
fogar am Meuentbor, nur einmal Michgels-Platßz; ander
feits heißt e8 ſteis Boppelädorfer Allee, foblenzer Land:
ſtraße, aber wieder: an dem Poppelsdorfer-, Endenicher-,
Bornheimer: und Dransdorfer- Wege. 1810 und fpäter
fand ih: Roppelsdorferweg, Kölnertbor, auch ſchon — id)
bemerte das wegen der Endung =er —: das Kreuzberger
Klofter für »das Kloſter auf dem Hreuzberg«, und 1813: Ver—
padtung der Baumidhuler(!) Mühle; noch jept heißt die
nad) einer früheren Baumſchule führende Straße bier Baum—
ichuler Allee, die Baumſchule jelbit aber: da Baumſchuler
Wäldhen! Bon der Welihinonnen: Straße, die auch jept noch
vielſach Welſchenonnenſtraße geſprochen und geichrieben wird,
heißt es im jenen alten Zeitungen meiſt: wohnhaft in der
Welihen Nonnenjtrafe, oder auch in der Welſchen—
nonnenstrahe. ferner fand ih — das gehört nur wegen des
falichen Bindejtriches hierher, der ja überhaupt in Yeitungen
und auf Schildern jo fehr häufig unrichtig angewendet wird —:
Brübler-Kirmeh, Roisdorfer-Kirhweib, Berliner-Hof,
Kaiferliher-Hofi!) ujw., einmal Yand» Tag. In ber Kölniſchen
Zeitung von 1826 beit es: Langgalie, Hochſtraße, Neu:
marft, Breitjtraße (1), aber aud: in der Breitenitraße,
— ein Fehler, den diejelbe Zeitung noch kürzlich wiederholt hat,
als ob es eine Strafe der Breiten wäre! — ferner: Straß
burgergajje, aber auh Bonner Straße. In der Neuen
Preufiichen Zeitung von 1850 heißt es: Deffaueritrafe, Bern-
burgeritraße neben Leibziger Straße und Leipziger:
Straße, Rojenthalitraße, Heiliggeiftitrahe neben ran:
zöſiſche Straße, Oberwall- Straße ufm., alio immer Falſches
und Nichtiges durcheinander.
Dan fieht aljo, daß ſowohl die häufige Schreibung der
Straßennamen in einem ungetrennten Worte, wie auch die ganze
Regellofigfeit in ihrer Schreibung überhaupt im Zeitungsweien
' altbergebradit iſt.
eigentlichen Namen ſtets getrennt, d. b. als neues Wort mit |
ift oder ein Blag, fondern nur darauf, ob gerade dieſe Strake |
den gejuchten Namen trägt.
Im folgenden joll nun unterfucht werden, ob es möglich üt,
für die einheitlihe Schreibung von Strafennamen eine Regel
Nun kann man ja gegen Schreibungen wie Grabengaſſe,
Herzogftraße, Goetheitrafe nichts jagen, aber Bernburger:
ftraße, Franzöſiſcheſtraße, Hoheſtraße u. ä, zu jdhreiben
ift doc) gegen alle Sprachgeſetze. Man fage nicht, die Sache fei
' nun einmal fo Gebrauh, Wohin joll es denn fommen, wenn
Franzöfiiheitrake, Breiteitrafe, Grünerweg ala richtig
anerfannt werden jollten? Wan wäre ebenjo berechtigt Frans
zöfifchefirche und Grünerbaum zu ichreiben und nod Kun:
derte von anderen Bulammenjcreibungen vorzunehmen. Denn
117
wie jollte man es 3. B. den Schulfindern deutlich machen, daß
fie zwar Bairiſcheſtraße fchreiben dürften, aber nicht Bairis
ſchesbier!
Die Straßennamen laſſen ſich m. E. in drei Abteilungen
icheiden, Die Strahen werben bezeichnet:
1. Durch ein einfaches Wort.
2. Durch zwei Wörter, von denen das erjte ein Eigenſchafts—
wort it.
3. Durch ein zufammengejeptes Wort:
a) Das beftimmende Hauptort ift ein gewöhnliches.
b) Das beitimmende Hauptwort ijt ein Eigenname.
Für 1. ift ſelbſtwerſtändlich die allein richtige Negel die, den
Namen in einem Worte zu fchreiben, abgefehen natürlich) von den
etwa davorſtehenden Präpofitionen. Diele Negel möchte wohl
auch dann beizubehalten fein, wenn das Wort urſprünglich
aus zweien bejteht, aber von Alters her als ein Begriff gilt,
3: B. Belderberg, Sandfaule ufw. Wollte man bier an
Trennung durch Bindeftriche denfen, jo würde man in einen
Fehler verfallen, den ſchon 3. Grimm (»Über das Pedantifche.«
Kleinere Schriften I, 349) mit den Worten getabeft hat: »Er-
Härte Liebhaber find aud die Pedanten unnötiger Striche und
Hafen. Striche möchten fie, joviel möglich ift, in der Mitte von
Zufammenfeßungen, Hafen überall anbringen, wo ihnen Volale
ausgefallen jceinen.«e Auch Wilmanns warnt im ⸗Kommentar
zur preußijchen Schwlorthographie« auf S. 203 vor Tüfteleien,
und überläit es anderen, im einzelnen Falle zu beitimmen,
wo es zwedmäßig fein foll diefe Zeichen anzumenden. Und doch
wäre es gut, wenn ganz genau fejtgejept würde, wo ber Windes
jtrich anzumenden ift, wo nicht; „denn unter den Auſſchriften an
Läden und Strahen, wo er ja am meiiten angewandt wird, giebt
es nur jehr wenige, die ihn am der richtigen Stelle haben.
In dieje eriie Gruppe gehören auch die meiften jener alten
Straßenbezeihnungen, die mit einer Präpofition verbunden find,
wie in der Sürſt, in der Kaule, im Roſenthal, unter
Fettenhennen, unter Tajhenmader, an der Wadıs-
bleihe u.a. Es würde zı weit führen, bier über Straßenbe—
nennungen überhaupt ausführlich zu jprechen, das aber möchte
ich bemerken, daß ich mit vielen anderen der Anficht bin, daß
man diefe alten Namen und Bezeihnungen möglichit beibehalten,
und, wenn fie dem Laien umverjtändlich geworden find, fie durch |
öffentliche Belehrung, mamentlich in den Schulen, wieder aus: |
deuten follte. In der Regel werden jetzt derartige Bezeichnungen
aus reiner Neuerungsfucht, oder — weil man annimmt, es
tlinge »qroßartigere, entweder ganz ausgemärzt oder verwandelt,
etwa in Kauler Strafe oder gar Wachsbleicher Weg, was
doc nur Weg der Wachöbleicher, aber nicht Weg durch die (oder
an ber) Wacäbleiche bedeuten fann, — oder fie werden gefürzt
zu: Sürjt, Kaufe ufw. Wie es anderjeit® mit der Erfindung
neuer Straßennamen oft zugeht, fann man 3. B. in unferem
Nachbarorte Poppelsdorf jehen, wo zwei Strahen, die an der
»Sternenburgs, einem Gute, vorbeiführen, die Namen erhalten
haben: Sternburg's Gartenftraße und Hinter Stern-
burg's Garten. Von anderen merkwürdigen Namen wurde
ihon die Telegrapb: Strafe in Rade vorm Wald erwähnt;
bier ſei nur nod die UBE - Strafe in Bochum angereiht.
Bu 2. Bei der Bezeichnung durd; zwei Wörter, von denen
das erjte ein Eigenſchaftswort ift, fan von einer Verbindung
diefes Eigenſchaftswortes mit dem Hauptivorte durch Zulammen-
ſchreibung oder durc Bindung mit Bindeitrich ebenio wenig die
Rede jein wie im übrigen in der deutichen Spradie. Es müſſen
vielmehr je beide Wörter mit großen Anfangbuchitaben gefchrieben
Zeitſchrift des allgemeinen beutidhen Sprachvereins. 1894. Nr. 6,
118
werden und durchaus getrennt bleiben, 3.8. Breite Straße,
Grüner Weg, Franzöſiſche Straße, Berliner Plap.
Einen Hauptwert lege ich hierbei auc auf die Betonung: Da
eben bei dieſen Straßenbezeichnungen feine wirkliche Zulammen:
fegung vorliegt, jo haben fie den Ton in der Negel ſowohl auf
dem bejtimmenden Worte ald auf dem bejtimmten, das die Art
des Weges bezeichnet; es heißt alfo Stegliper Strähe, Poöppels—
borfer Allee ufw., und ſchon daran fanıı man fehen, da man
es hier mit zwei getrennt zu haltenden Wörtern zu thun hat.
Natürlich giebt es Ausnahmen: In einzelnen Fällen — viel:
leicht im mehren als mir befannt find — ift allerdings die
Betonung ſchon auf das bejtimmende Wort allein bejchränft,
fodah der zweite Teil der Zufammenfepung höchſtens einen Neben—
ton trägt; jo heißt es 3. B. in Elberfeld immer nur Berliner
Straße (übrigens auch Berliner Brot; wie zu erflären?), und
Breite Strafe betont man wohl überall, wenigjtens in Elberfeld
und in Bonn. Eine eigene Laune der Spradentwidelung, daß
fih nun gerade Breite Straße nicht zu Breititrahe abge:
ftumpft hat, wie Reue Baffe zu Neugajje, Neues Thor zu
Neutbor, Hohe Strafe zu Hochſtraße, Lange Baffe zu
Sanggafie ufw. Übrigens geht aus einem Briefe aus Reval,
ber mir kürzlich zu Geficht fam, hervor, daß es dort eine Breit-
ftraße wirklich giebt. Wenn alfo eine wirftihe Zuſammen—
fegung entjteht, indem von dem Eigenſchaftsworte nur noch der
Stamm verwendet wird, jo muß dies matürlich auch durd Aus
jammenjchreibung angedeutet werden; e8 muß dann alfo heilen:
Neugaſſe oder: Neu-Gaſſe uſw. (vgl. 3).
Jene Bildungen auf ser, die von Ortönamen abgeleitet werden,
wie Berliner, Medenheimer, Stegliter, Altonaer ufw.,
bie urjprünglich allerdings nur Genitive der Vewohnernamen find,
halten wir jept für Eigenfchaftäwörter und legen auch eben bes-
balb den Ton ſowohl auf fie ald auch auf das Wort Strafe.
Wollte man aber der Entjtehung nachgehen, jo fünnte man
allerdings, Altonaerjtraße ſchreiben, mühte dann aber auch
betonen Altonaerjtraße; dann ſtänden dieſe Berbindungen mit
ſolchen glei wie Franzisfaneritraie, Kapuzinerplaß,
Jefuitengajie, Brüdergafie, die auch den Hauptton auf dem
eriten Bejtandbteile haben, weil diefer eben noch als Hauptwort
im Genitiv der Mehrzahl, nicht aber ald Eigenihajtswort gefühlt
wird; man darf alfo nicht ſchreiben Franziskaner Straße,
wie einige wollen.
Nah Grimm (Grammatit II, ©. 128) werden mit biefer
Endung ser (säri) nur gebildet Benennungen der Leute von
Ländern und Ortern. Num giebt es hier in Bonn — wie ſchon
gejagt — eine Baumjcduler Allee, femer einen Gronauer
Weg, derdurd die Bronau führt, eine IJmmenburger Straße,
die zu dem Landſitze führt, der »die Immenburg« heit, einen
Krausfelder Weg, der durchs Srausfeld geht, einen Kreuz—
berger Reg und einen Venusberger Weg, die auf den Kreuz⸗
berg und den Venusberg zu führen; meift werden dieſe Bezeichnungen
auch noc fehlerhaft in einem Worte geſchrieben. Soldye Bils
dungen find m. E. durdaus zu mißbilligen, und wohin es führt,
wenn man der Sprachbildung, die ja in gewijien Grenzen nicht
gehindert werben darf, die Zügel zu weit ſchießen läßt, das fieht
man am ſolchen prüächtigen Bildungen wie Vichhofer Strafe
in Efien, Ratbaujer Brüde und Lichtenplager Strafe
in Barmen, Klophauſer Höhe in Elberfeld (nad) dem Grund—
eigentiimer Klophaus genannt, alfo wie wenn man in Ejjen eine
Strafe Krupper Strafe nennen wollte), Baumjchuler
Allee in Bonn. Man denke nur weiter, etwa; Yeihhaujer
Gaſſe, Bismardplager Weg, Realſchuler Strafe ufw.
119
Zu 3: Es giebt Leute, die bei diefen zufanmengejepten Wör—
ten — ob mit Recht oder Unrecht, bleibe dahingeftellt — Die
Trennung durchführen möchten, dak man die Bezeichnungen unter
a) in einem Worte ſchreiben folle, die unter b) aber in zweien
durch Bindeftrih verbundenen. M. E. find beide Schreibungen
bei beiden Gruppen anwendbar und auch ſprachlich richtig und
zu verteidigen. Vielleicht wäre nur aus praftiichen Nüdfichten
bei den Straßenidhildern die Screibung aller dieſer Namen in
zwei Wörtern mit Bindeftrich zu empfehlen, wie aus praftiichen
Nüdfichten auch vielleicht ftets eine Ablürzung wie St., G., Pl.
angebracht wäre.
Ich jchlage demnach vor:
Zu 1: Schreibung in einem ungelvennten Worte,
Zu 2: Schreibung in zwei durchaus getrennten Wörtern.
Zu 3: Schreibung in einem ungelrennten Worte, oder —
aus praktischen Nüdjichten — im zwei durch Bindeftrich ver
bundenen Wörtern.
Boın. Dr. 3. €. Wülfing.
Anzeigeblatt oder Anzeigenblatt! Speifetarte oder
Spetientarte?
An der Aprilmummer unjerer Zeitfchrift Sp. 85 wird mitge:
teilt, daß der Borjtand beichlofien Habe, der Bereinszeitfchrift
ein Anzeigenblatt beizugeben. Gegen den Nusdrud Anzeigenblatt
richtet fich die Zuſchrift eines Vereinsmitgliedes aus Thüringen.
Herr Dr. A. iſt der Anficht, daß es Anzeigeblatt heißen müfle,
ebenjo wie man Nechenbud und Bimmerlehrling ſage, nicht Rech—
nenbuch oder Zimmererlchrling, weil joldhe Formen aus dem
Stamme des Zeitworts und dem Hauptworte zujfanmengejeht
feien. Sicherlich ift die Form Anzeigeblatt richtig und ſchön,
aber — ijt fie allein richtig? Wenn Anzeigeblatt ein Blatt ift,
in dem man anzeigt, jo iſt AUnzeigenblatt ein Blatt für Anzeigen.
Es fünnen auch Hauptwörter mit Hauptwörtern zufammengefeßt
werben, wie Mnkindigungsblatt, Geſchäfteblatt, Preitverzeic)-
nis u.a. Aber fünnen Hauptwörter in der Mehrheitsforn dabei
verwendet werben? Allerdings ift dies der Fall, Man dente
nur an Lünders und Völkerkunde, Güterwagen, Städtebund,
Bilderbuch, Büherverzeihnis, Kindergarten, Göttertrant, Blätter-
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradivereins. 1894. Nr. 6.
dad, Weibertracht uſp. Ja wir finden die Einzahl und Mehr:
zahl neben einander; Männerfraft und Mannestraft, Bücher-
einbände und Bucheinband, Götterdienſt und Gottesdienſt, Moden-
zeitung und Modezeitung, Mägdedienit und Magddienit, Kräfte—
verluſt und Kraſtverluſt, Länderkarte und Landkarte. Wenn
wir für Anzeige das entiprehende Fremdiwort Annonce einjegen,
jo müſſen wir fogar in der Zufammenjepung die Mehrzahl ge:
brauchen; es heißt Annoncenblatt, wie man Annoncengebühr,
Annoncenannahme, Annoncenverzeihnis jagt. Und wenn es in
dem Kopfe unſerer Zeitichrift heißt: Anzeigenannahme durch den
Scapmeifter —«, fo ift gegen dieje Form gewiß; nichts einzus
wenden. Zwiſchen Anzeigeblatt und Pnzeigenblatt findet ein
ähnliches Berhältnis ftatt wie zwiſchen Speifetarte und Speiien-
karte, Gewiß kann man Speiſenkarte jagen jo gut wie Speiien-
folge, Speifenverzeichnis, Speifenüberfiht; aber e8 muß nicht
fo beißen, wie mande behaupten, Denn die Einzahl Speiſe
fann recht wohl auch eine Vielheit von Speifen bezeichnen.
Wenn wir von »Speife und Trante, von unſerer »täglichen
Speife« reden oder von Speiiefammer, Speijeröhre, fo denten
wir nicht an eine einzelne Speife,
farte nicht von dem Hauptwort, jondern von dem Zeitwort
abzuleiten; es iſt die Starte, nach welcher man ſpeiſt, wie
120
Speifefaal der Saal, in dem man jpeiit, Speifewirt und
Speifemeifter der Mann, der uns fpeiit, Speijepumpe die Bor:
richtung, welche den Dampftefiel mit Waſſer ſpeiſt, Speifeopfer
ein Opfer, bei welchem geipeift wird, im Gegenfaß zum Brand»
opfer, bei weldem alles in Rauch aufgeht. Solche Zufanmen-
fepungen von Beitwort und Hauptwort jind meiſt inniger und
fefter al8 die von Hauptwort und Hauptwort, bejonder® wenn
das Hauptwort in der Mehrzahl ſteht. Leptere find foderer ges
fügt, oft mehr Zufammenrüdungen, als Zufammenjegungen.
Daher möchte ic) den Formen Anzeigeblatt und Speijelarte den
Vorzug geben vor Anzeigenblatt und Speijenfarte, obgleich ich
die Sprachrichtigkeit diefer Formen anerkennen muß. Für Speiles
karte hat jich der Sprachgebraudy entfchieden. ch babe das Ge—
fügt, daß er auch für Anzeigeblatt iſt.
Dresden, 9. Dunger.
An die werten DVereinsgenofien und jolde,
die cs werden wollen.
Die Reifezeit naht und mit ihr eine vortveffliche und bequeme
Gelegenheit, die Beftrebungen unſeres Vereins nüplich zu fördern.
Hunderte von und werden hinausſchwärmen in die Sommerfriſchen,
Kurs und Badepläße und werden auf ihrer Reiſe in verichiedenen
Gafthäufern verkehren. Da gilt es, den dort noch immer ſich
breit macenden, nachgerade lächerlich gewordenen Fremdwörtern
den Krieg zu erflären Wozu brauchen wir und immer noch
ein Menu auf der Table d’höte gefallen zu Tafjen, während wir
die Speifefolge oder den Speifezettel gern auf der Mittagstafel
fchen würden. Weshalb beharren mande Gaftivirte darauf, uns
Logement, Service, Bougies zu beredinen? Wieſe jeder von
uns den Wirt beim Zahlen der Rechnung darauf bin, wie ver-
jtändig er handeln würde, wenn er ſich guter deutjcher Ausdrüde
in deuffchen Yanden bediente, jo würde das ficher qute Früchte
tragen.
Sprechſaal.
Gierbrüchke, Giergafſe. — Bertilom.
Ein Wort, über deſſen Entſtehung, Bedeutung und Ver—
breitung wir uns hier nicht ganz klar find, iſt Gier« in den
Nusdrüden Gierponte (für fliegende Brüde«) und Giergafie
bier in Bonn, Man bat verjuct, das Wort aus dem griech.
yöoos (dev Kreis) zu erflären, weil die Brücke bei der liber-
fahrt einen Bogen beichreibe; glaublicher iſt mix bisher er-
schienen, das Gier mit »&ehre« (dev Zwicel am Kleide, Winkel,
Dreiech zuiammenzubringen, da die Brücke bei der Überfahrt
ihräg fteht, da fie bei der Fahrt einen jtumpfen Winkel bes
fchreibt, vielleicht aud) weil die Schiffe, auf denen die Brüde ruht,
Gierſchiffe, d. h. ſpiß zulaufend find. Das Wort gieren iit
' in der Edifferjprache ganz gebräuchlich, es bedeutet jchräge fahren,
vom regelrechten Laufe abweichen. Dasielbe bedeutet auch das
holländische Beitwort gieren, und auch im Schwediſchen findet
ſich ein Zeitwort gira — bin und her ſchwanken. Im Holländiſchen
giebt es übrigens aud) die beiden Zuſammenſetzungen gierbrug
Jedenfalls aber iſt Speiſe
und gierpont; aber das Wort de gier — Gehre, Keil, Zwickel
wird in den Wörterblichern bejonders aufgeführt, ala habe es
nichts damit zu thun. Daß der Ausdrud Gierbrücke allgemeiner
verbreitet ſein muß, zeigt der Umftand, daß ihm Flügel im eng—
liſchen, Sad : Billatte im franzöſiſchen Wörterbuche anführt. —
Das Grimmſche Wörterbuch geht leider erit bis Geſetz; was Hilde:
| brand bei Gehre (mit einer Menge von Bedeutungen und von
121
Bufammenfepungen) bringt, giebt feinen Anhaltpunkt für unfere
Zeitfhrift dei allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 189. Nr. 6.
Gierbrüde — Nach der Nr. 2 der diesjährigen » Mitteilungen |
de3 Deutſchen Sprachvereins Berlins hat auc Geh. R. Neuleaur
in einem Bortrage über » Bertannte Fremdwörter« den Musdrud
»gieren« uſw. behandelt; Reuleaux bringt ihn ebenfall® mit
» Gehre« zuſammen und jagt zu Gierponte: »die ſchräg Über den Fluß
gehende Fähre, wegen ihrer ſchrägen Stellung vom Strome getrie:
bene; die Entftehung aus griech. y0gos, lat. gyrus weit er zurüd.
Hier in Bonn giebt es min auch eine Giergafje, die nad) dem
Rheine führt, und zwar auf die Stelle zu, wo früher die Gier:
brüde anfegte; daher — meint man — habe die Straße ihren
Namen. Da e8 aber auch in anderen Städten, die nicht an
Flüffen liegen, Giergaſſen geben joll, jo glaube ich cher, daß
auch hier Bier — Gehre iſt; die hiefige Giergafje bildet ungefähr
einen ftumpfen Wintel,
Es wäre mir lieb, zu erfahren, wie weit der Ausdrud Gier—
brüde (Gierponte) verbreitet ift, wie er zu erflären ift, und wie
er etwa vollstümlich erflärt zu werden pflegt. Ebenfo wären mir
Mitteilungen über das Vorlommen von Giergafjen und über die
Ertlärung diefer Benennung erwünſcht.
Bielleiht ift auch einer der Lejer in der Yage über das im
Brieffaften diefer Zeitichriit vom Februar 1801 beſprochene, ala
nicht erlärbar bezeichnete Wort »Bertifows Auskunft zu erteilen.
Bonn. Dr. 3%. €. Wülfing.
Sprablibe Muiterleiltungen.
» Der Angeflagte macht den Eindrud eines ftupiden Menjchen
und oft wunderliche Ausjagen.« (Hamburger Nachrichten, Mr. 104.)
Welche Titanenhaftigfeit im Übereinanderwälzen der Harmo—
nienblöde! — Als der Meifter geendet, da erhob ſich das Publi—
fum wie ein aus den Ufern getretener Ste und tobte Beifall, —
Um halb 10 Uhr war die PBrodultion zu Ende, und noch um
10 Uhr, ald wir den Saal verliehen, produzirte fich die feitge-
ftaute Menge in rafenden Ovationen.e (Mus dem Bericht des
»Illuſtrierten Wiener Ertrablattes« über das Rubinftein- Konzert
vom 12. März.)
In den gedrudten Bezugsbedingungen der » Deutichen (!) Ber-
lags- Anftalt in Stuttgart» heißt es: »Illuſtrirte Welt 15093
fomplet in 28 Heften a 30 Pig. ordinär, 19 Pig. netto.
Heft 1 u. 2 a Condition, Gratis-Hefle: Schon bei einer
Continuation von nur 5 fompleten Eremplaren das 1. Heft
gratis. Frei-Exemplare: Bei einer Continuation von
wenigjtens 50 fompleten Exemplaren 5 frei: Eremplare.«
Bezeichnend ift, dah in Aufammenftellungen wenigitens ein Wort |
fremdländiich fein muß: Gratischeit, aber Freis&remplar!
In demjelden Scriftjtüd finden fich außerdem die Ausdrüde:
»apart, Speziell, direft, do., per Poft, Kolporteure, Plalat, Sub:
jfription, pro Gont., rejpeltive, Journal, Bertriebsmateriaf,
Sammelmaterial,e — Der » Deutidien Verlags: Anjtalt in Stutt-
gart« erjterben im jubmiffefter Devotion die deutichen — Abon—
nenten!
Kleine Mitteilungen.
| Bause,
Der Zweig: Berein Döbeln hat dem Muſeumsdirektor Pro: |
fefjor Dr. Riegel alö Zeugnis treuer Verehrung und ſichtbaren
Beweis des Dante für feine Tätigkeit ein in farbigem Kunſt
druck hergeftelltes, ſehr geichmadvolles Widmungsblatt überjendet,
der Zweigverein Norden hat ihn zu feinem Ehrenmitgliede ernannt.
122
Bücberiban.
— Erbe, Karl, Profeſſor am Eberhard- Ludwigs- Gymmafium
zu Stuttgart: Leihtfahlihe Negeln für die Ausſprache
des Deutfchen mit zablreihen Einzelunteriuhungen
über die deutſche Rechtſchreibung. Nebſt einem ausführ-
lichen Wörterbuche. Stuttgart 1893. Verlag von Paul Neff.
1235 ©. fi. 8°,
Einfachheit, — Wohllaut, Deutlich—
keit« — dieſe Forderungen stellt der um die Förderung des
Deutichtums im Südweften unferes Baterlandes hochverdiente
Berfafier gewifiermahen als Leitfterne auf, denen nachzuſtreben
fei, um zum hohen Ziele einheitlicher Ausſprache zu gelangen.
Naube man den Siddentichen das Recht, in Sachen der deutſchen
Sprachlehre mitzureden, jo jchneide man die Hauptwurzel unierer
Scriftiprahe ab. Bon diejer Anſchauung ausgehend verſucht er
zu beweifen, dah; u. a. die ſchwäbiſche Redeweiſe dein Yautzeichen die
ihm uriprünglich zufommende Bedeutung laſſe. Wo die Schrift:
ſprache witer niederdeutſchem Einfluffe unklar geworden fei, könne
man mit Hilfe der ſchwäbiſchen Mundart raſch und Leicht das
Nichtige finden,
Nach Erbes Meinung find durch die neuerdings aufgeftellten
Nechtiprechregeln bejonders vier Punkte ungemein ſchwierig ge—
macht oder zum Nachteile der Sprache geändert worden: die Aus—
ſprache 1. des Buchſtabens q, 2. der Mitlauter am Ende der Silben,
3. der Selblauter vor mehreren Mitlautern und 4. der Buchitaben
e und Ä: ei und ai; em, du und gi. Ferner beflagt E. lebhaft,
dab wichtige Wohllautsregeln ganz in Vergefjenheit geraten feien,
und die Betonung der Wörter aus Nand und Band zu geben
drobe. Da ſich nun eine völlig befriedigende Löſung der in Be—
tracht fommenden Frage ohme einige Änderungen der herrſchenden
Rectichreibung nicht gewinnen läht, fo fügt E., um die nadı
feiner Überzeugung richtige Ausſprache der Wörter darzuitellen,
Vorſchläge für die Verbefierung der deutihen Rechtſchreibung
an. Auf S. 35 ff. find die neuerfundenen Schriftzeihen aus:
führlich begründet. .
Ber dem Berf. auch nicht in diefe Neuerungen zu folgen vers
mag (wir erinnern hier nur an den unter ber verdienten Leitung
des Dr. Lohmeyer-Kaſſel ſtehenden allgemeinen Verein für ver-
einfachte Nechtichreibung), der wird doch das Büchlein nicht ohne
Belehrung und Anrequng aus der Hand legen; vor allem aber
iſt die ehrliche Bemühung des Verfafiers anzuerfennen, das ſchwie
rige, vielumstrittene Gebiet nach Kräften durchzuarbeiten und auch
dem Nichtgelehrten näher zu rücken. Wir empfehlen deshalb
die Anjchafjung des Büchleins für die Büchereien unjerer Zweig⸗
vereine, da ſich ſehr hübſch dieſer oder jener Vortrag an die
Erbeihe Schrift anlehnen fann.
Blankenburg am Harz. Saalfeld.
Eingejandte neue Drudicriften,
Langhans, Paul, Deutiher Kolonial-Atlas. Sechſte
Lieferung. Gotha, 1894, Juſtus Perthes. Fol. 1,60 .4
Albrecht, Alexis, Dr, Spradye und Mutterfpradie. Ein
Mahnmwort an die Hedhtichreibungsnenerer in unjerer deutichen
Spradye. 41 9. 8%. Halle a.d. S., E.V. Kaemmerer & Co.
Katholiihe Zeitichrift für Erziehung und Unterricht,
herausgegeben von A. 3. Eiipbers. 43. Jahrgang, 4. u.
5. Heft. Düſſeldorf, 1894, 2. Schwann.
Das Zwanzigite Jahrhundert 4. Jahrgang, Heft 7 u. 8.
Berlin, Hand Lüjtenöder.
Dunger, Hermann, Prof. Dr., Kinderlieder und Kinder:
ipiele aus dem Vogtlande. Zweite vermehrte Auflage.
XlIu 1945. Plauen i. B., 1594, 5. E. Neupert.
Jos., Wie kann unsere Schrift vereinfacht
und vervollkommnet werden? Aufklärungen und
Vorschläge zu Besserungen. Paderborn, 1843, Ford.
Schöningh. 144 8. 8%,
(Ein näheres Eingehen auf diefe teilweis qut begründeten,
für die Ausführbarkeit aber viel zu weit gehenden Vorſchläge
ift durch Satzung 3 ausgeichlofjen.)
Nordhanjen,“ Richard, Vestigia Leonis. Die Wär von
Bardowied. VIII u. 317 &. 8°, Leipzig, Karl Jacobfen.
Feltichriit zum fiebzigiten Geburtätage Rudolf Hilde:
brands in Auffüpen zur deutjchen Sprade und Litteratur
123
Zeitichrift des allgemeinen deutſcheu Spradivereind 18%. Wr. 6.
124
jowie zum deutjchen Unterricht ... Serausgegeben von Otio
Lyon. Mit einem Bildnifje Rudolf Hildebrande. 364 ©.
4.% Leipzig, 1894, Teubner.
Kiefer, Thilo, Der Hirt vom Kyffhäuſer. Eine Volle:
fage. Dresden, 1893, Pierſon.
Seitungsican.
Neue Auffäpe in Zeitungen und Zeitjichriften.
Wülfing, Dr, Friedrih Mohr als Vorkämpfer des all:
gemeinen deutihen Sprachvereins. — Koblenzer Zei:
tung 28.394. (Vortrag im Bweigverein Bonn.)
MN, Namen: Modethorheiten. — Leipz. Zeitung 22. 3. 94.
Kurth, Prof., (Lüttich), Deutſch-Belgien. — Voſſiſche Zei—
tung 29.3. 94. (Vortrag im örresvereine in Bamberg.)
Sanfenblas, 9, Prof., Betrachtungen über den allge-
meinen deutſchen Spracverein. Peutjche Volkszeitung
Nr. 75, 90 u. 102. Neichenberg, 18. 3., 3. u. 15.4. 9.
Miüllenbah, Emit, Demoijelle — Fräulein — Gnä—
diges Fräulein 1794— 1894. — Grenzboten Nr. 14,
5.4. 94.
Löwiſch, M., Dr, Deutijhe Dihtung und »Neines
Deutſchtum« — Tägliche Rundihau Nr. 53 u. 54, 4. u.
6.3. 9.
Woſſidlo, R., Zweiter Bericht über die Sammlung medien:
burgiiher Vollsüberlieferungen. — Roftoder Zeitung
Nr. 116, 11.3. 94.
v. Plifter-Schwaighujen, Einige vaterländiſche Mah—
nungen. — Zwanzigſtes Jahrhundert HeftS, ©. 163 — 166.
(Der Berfaffer, der ſich einer altertimelnden Sprache be>
dient, —— ſich zu dem Ausſpruche, daß »ein noch fo
beſchränkter Gebrauch fremder Wörter ſittlicher Hochverrat
am Vaterlande und Volkstum fei« Wit ſolchen Übertrei—
bungen ſteht er im entſchiedenen Gegenſaße zum Sprach—
vereine. Allzu ſcharf macht auch bier ſcharug!
u A Unjere Kirchen. — Bayreuther Blätter, Mai
1594.
Himmelbauer, Franz, Zur ſprachlichen Bewegung —
Ditdeutiche Rundſchau Nr. 94 vom 10.4. 94. (Ein warmer
und trefflich geichriebener Aufruf zum Kampfe gegen die
Sprachverderber.)
Aus den Sweigvereinen.
Bon verſchiedenen Seiten ift darauf hingewielen worden, dak
in den Mitteilungen aus den Zweigvereinen zu wenig von der
praftifchen Thätigfeit der einzelnen Vereine, d.h. dem Kampfe
gegen jpradhliche Schäden in ihrem Bereiche die Rede ſei umd
doch — fo wird ausgeführt — habe die Vereinszeitichrift vor—
twiegend die Aufgabe, den Aweigvereinen und den einzelnen Mit-
gliedern von der Entwicklung der Spradh= und Vereinsbewegung
Kenntnis zu geben, fie zu nener und kräftiger Thätigkeit anzu—
regen, und insbejondere eine Verbindung unter den einzelnen
Zweigvereinen berzuitellen. Die Scriftleitung erfennt dies als
durchaus richtig am und Hat fich in diefem Sinne bereits auf
Spalte 3 und 4 dieſes Jahrganges ausgeſprochen. Viele Vereine
haben unzweifelhaft VBedeutendes in der Bejjerung der Sprache
der Behörden, der Prefje, der Kaufleute uſw. geleitet. Durch
Mitteilung der Wege, auf denen fie ihr Ziel erreicht, würden fie
gewiß andern Vereinen, denen es bei allem Eifer an der nötigen
Anleitung zur praftiichen Arbeit fehlt, jehr nüglich fein umd fie zu
regerer Thätigkeit anſpornen können,
Die Schriftleitung wiederholt daher — und zwar aufs
dringendite — bie Bitte an die Berichterjtatter, in napper Form
Mitteilungen über die Erfahrungen und Erfolge ihrer Vereine
in diefer Hinficht zu machen und ftellt dazu gerne einen beſon—
deren Abſchnitt in der Heitfchrift zur Verfügung.
Bonn Der Herrenabend am 16. April wurde eingeleitet
durch einen Vortrag ded Nechtstandidaten Hennigbaufen über
Klemens Brentano und die deutfhe Sprachforſchung
zur Zeit der Romantifter, Dann ſprach Univerfitätäprofefior
Dr. Klinger über das Edjteiniche Buch » Berftcehen wir Deutidy ?«
ſowie über die volkstümliche nun von Arzneinamen. Einen
dritten Vortrag hielt unfer Ehrenmitglied, Direktor Diederichs,
über einige merkwürdige Eigenheiten der niederfräntiihen Aus—
ſprache. Im übrigen fand ein recht anregender Gedankenaus—
taufch der einzelnen Mitglieder jtatt über bier und da aus ber
Berfammlung aufgeworfene Fragen, z. B. über die Entſtehung
des Wortes ⸗Gierponte · Über die falfe Verwendung von »jelten«
ale Adverb flatt »Äußerfte, »ſehr« u. ä., ujw. Auf die Frage
nach der Herkunft des Wortes » Bertifowe« erfolgte feine Antwort
| (vgl. Ztichr. VI 30).
Breslau. In der Märzſihung wurde die Sprade der
Studenten einer eingehenden Beratung unterzogen und dabei
die Entbehrlichteit vieler altbergebrachter Fremdwörter bewieſen.
In der Berjammlung am 9. April berichtete der Borjigende über
Heintzes Bud) ⸗Gut Deutiche.
Danzig. Nadı geichäftlicen Mitteilungen wurde in der
Sitzung am 17. April die Frage erörtert, durch welche Mahnahmen
der Berein in Zukunft auf weitere Kreiſe wirten fünnte, Es joll
der Verfuch gemact werden, die größeren in Danzig bejtehenden
Vereine, welche künſtleriſche oder gejellige Beitrebungen verfolgen,
für die Sache des a. d. Sprachvereins zu gewinnen, auch joll
das Erbeiche Heft (Fachausdrüde in der Spradjlehre) verbreitet
und der Beachtung empfohlen werden.
Dresden. In der Aprilfigung wurde zunächſt mit Freuden
davon Kenntnis genommen, daß die Speijelarte in dem Haus-
halte Er. Königl. Hoheit des Prinzen Johann Georg durchweg
in deutfcher Sprache gehalten wird. Dagegen wurde die An—
fündiqung der Sozietätsbrauerei Waldſchlößchen in Dresden (in
Nr. 109 des » Dresdner Anzeigerd«) als eine ſchlimme Spradı-
entjtellung bezeichnet. Die Beiteller werden darin gebeten, ihren
Bedarf direlt bei der Brauerei oder bei den allenthalben ver-
fchrenden Ambulancen zur prompten Effeftuierung zu
beitellen. Es folgten Heine Mitteilungen. Oberjujtigrat Boot
fragte an, ob man ſechzehn und ſechzig oder ſechszehn und
ſechszig zu ichreiben habe. Es fann wohl feinem Zweifel unter:
liegen, daß ſich bier die Schreibweiſe der Ausſprache anzuſchließen
hat. Das s iſt demnach wegzulaſſen, ebenſo wie man elſ und
nicht mehr eilf zu ſchreiben hat. Weiter machte Dr. Paul Schu:
mann berichiedene Mitteilungen u. a. über die Beſtrebungen des
Berliner Hindernisvereing, die Sportausdrüde zu verdeutichen;
es ſoll z.B. Handicap durd; Gemwichtänusgleih, Jockey durd
Berufsreiter wiedergegeben werden. Es ericheint in der That
wünschenswert, daß die Sportiprache, die fir jeden nicht im
Sportleben Stehenden unverständlich ift, gründlich verdeuticht
werde. Derjelbe Nedner ſprach weiter über die Wurzelbe—
tonung im Deutichen, d. b. die Thatſache, daß in den ger—
maniſchen Sprachen immer diejenigen Silben den Hauptton haben,
welche die Bedeutung des Wortes beitimmen. Sodann erörterte
Prof. Dunger die ragen, ob es befier ſei zu jagen Anzeigen:
blatt oder Anzeigeblatt (jiebe Sp. 110 fq. diefer Nummer), Pfarr:
verein oder Pfarrerverein. In Bezug auf letztere führte er folgen-
des aus: Es ift ein gut deutſcher Sprachgebrauch, daß kurzes e
zwiſchen gleichen Konſonanten ausfällt, z. B. er hält, ſtatt er
hältet, er ficht ſtatt er fichtet, du ißt ſtatt du iſſeſt, Zauberin
ſtatt Zaubererin, Beamter ſtatt Beamteter, Durchlaucht ſtatt
Durchleuchteter, bereit ſtatt bereitet, getroſt, ungeſtalt, mißgeſtalt;
Herr Jeſu Chriſt, wahrer; Menſch und Gott; es ftreitier) für
uns der rechte Dann. Pemgemäh kann man aud Pfarrer in
Pfarr zufammenzichen. Yutber, Logau, Gellert, Pangbein, Leſſing,
Herder, Nüdert, Holten, Goethe haben anitandelos Pfarr jtatt
Pfarrer geiagt. So fommt vor Piarramt, Pfarrdienit, Pfarr:
\ vwd, Piarritand, Parrilar, Pfarrkinder (zu unterscheiden zwiſchen
Pfarrlindern — parochialis und PBiarrerstindern ift ganz willlür:
ih), Die Bildung Piarrerverein ift für die Musiprache häßlich
und unnötig. — An der Beſprechung der verichiedenen Mittei—
lungen beteiligten fi die Herren: Stadtrat Huhn (mwelder u. a.
den Ausdrud Benutzungsordnung der Königl. öffentlihen Bibliothek
für fehlerhaft erklärte), Brofefor Scheffler, Profeffor Dunger,
Oberlehrer Vetter, Oberjuftizrat Booft, Dr. Schumann.
Graz Auf Grund des Beichluffes der Hauptverfammlung
überreichte Brof. Dr. Khull am 18. April dem Bürgermeiſter
A. Koller eine Eingabe, in welcher der Zweigverein den Ge—
meinderat dev Stadt Graz bittet, die Bezeichnung der Ufergafien
125
an beiden Seiten der Mur ald Quais (Stadbtquai, Murquai ulm.)
abzuändern und für Quai des urfprünglich deutiche, erit in
jranzöfiichem Munde entjtellte Wort Kai einzufegen. Herr Koller
ſprach jich ſehr günstig über dieje Anregung aus und gab der
Hoffnung auf eine günjtige Erledigung Ausdrud.
Hamburg Nach Erledigung geicäftlicher Angelegenheiten
in der Hauptverfammlung hielt Herr Eigen, der neugemwählte
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. 1894. Br, 6.
126
verein und jeine Vorläufer. — In den Boritand ijt durd)
Zuwahl noch Hauptmann Kraufe eingetreten. Der Borfitende,
Symmafialdirelior Dr. Brods, hat der Bereinsbücderei das
Behagbelice Buch »die deutiche Sprache ⸗ zugewieſen. In zweien
der am meiſten bejuchten Gaftwirtichaften der Stadt, der Wein—
Schagmeifter des Bereins, einen Vortrag über Fremdwörter
der Handelsipracde auf Grund der Einleitung zu jeinem dem= |
nächſt eridpinenden Berdeutihungswörterbuce für Kauf—
leute, das eine Ergänzung des früher veröffentlicten Wörter:
buches der Handelsiprache desjelben Verfaſſers darftellt. Der
Redner bewies an zahlreihen Beilpielen die Notwendigfeit der
Verdeutſchung der fremdländiichen Ausdrüde im Handelsvertehre,
die zum Teil nicht nur unverjtändlich feten, jondern auch vielſach
verfehrt angewendet würden. In der fid) an den Vortrag ans
ſchließenden Erörterung zeigte fich alljeitige Übereinjtimmung dar—
über, dab das Unternehmen des Bortragenden mit dem wärmiten
Dante zu begrüßen jei.
Kiel. Am 13. April begründete der Borfigende, Gymnafial-
direftor Dr. Ked, zunächſt feine Konjellur einer Stelle der Goethe—
ihen Jpbigenie (Aufz. 1, Auftr. 2. Arlas... »doch haben hin=
gewors'ne Worte mid) belehrt, daß feine Seele feſt den [nad
dem Bortragenden »dere] Wunjc ergriffen hat, did) u befigen «)
aus dem landläufigen Sprachgebraudy und dem des Dichters im
befunderen. Wenn man bedenfe, daß Goethe zu diltieren pflegte,
jo jei wohl glaublid), daß der Fehler vom Schreiber herrühre,
und vom Dichter Ipäter überſehen jei.
»Sralshiitern« in Weimar habe zu feinem Ergebnis geführt. Es
folgte dann ein Vortrag über den Bettelmönd Lütke Namenjen
(1498 — 1577), aus deilen urwüchſigen plattdeutichen Gedichten
der Vorſihende zum Schluß eine Reihe Stellen vorlas.
Leoben Zu Gunften des Zweigvereins veranjtaltele der
Dichter P. K. Rojegger am 23. April eine Borlefung heiterer
Dichtungen, die von der auferordentlich zahlreichen Zuhörerſchaft
mit ſtürmiſchent Beiſall aufgenommen wurde.
Liegnig. Nach Erjtattung des Jahresberichtes und nad)
Rechnungslegung in der Hauptverfammlung am 14. März wurde
die Frage der Auflöiung des Zweigvereines erörtert. Wan bes
ſchloß einjtimmig den Verein weiter beitchen zu lafien und durd)
ihn krüftig für die Zwecke des a. d. Spradjvereins zu wirkten.
Bei der Neuwahl des Boritandes wurden defjen bisherige Mit:
glieder wiedergewählt. Borfigender ijt Redakteur Harſchlamp,
Schriftführer Oberlehrer Abit, Kajjenführer Buchhändler
Pfeiffer.
Magdeburg. Au der letzten Verſammlung dieſes Halbjahres
am 23. April ergänzte Oberlehrer Dr. Bhilippfon in einem
zweiten Vortrage das Bild, das er in der vorigen Sipung auf
Grund der Germania des Tacitus von der deutichen Vorzeit ent
worfen hatte. Den Kern jeiner Ausführungen bildete die Ents
widlung
Nadyıweis, daß damals der Grund gelegt wurde zu Eigenichaften,
die neben der Tapferkeit und Treue bis auf den heutigen Tag
Mertmate unieres Volles geblieben find, dem deutichen Fleiße
und der Heiligkeit und Innigteit der deutſchen Ehe.
Marburga.D. Profefior Dr. Egid Reiz ſprach in der
Märzverfammlung über Pan und Sprachbewußt—
fein. Den übrigen Teil des Abends füllten mufilaliiche Vor—
träge aus. — An der Mprilverfammlung — der lepten des Vereins:
jahres — dantte zunächſt der Vorfipende, Dr. Mally, allen
Förderern des Vereines umd machte darauf geſchäftliche Mit-
teilungen. Einem Beſchluſſe gemäß wurde an den Stadtrat die
Bitte gerichtet, eine dritte Abteilung des jtädtiichen Kindergartens
zu eröffnen. Hierfür ftelt der Verein Geldmittel zur Verfügung.
Alsdann lad Dr. Franz Gohltſch Bedichte aus jeiner Sammlung
Bolt und Heimate, jowie Hamerlings Gedicht »18704
vor. Zum Schluß jprad Dr. Maliy über die Verwelſchung der
Bezeichnungen verwandtſchaftlicher Verhältnuſſe und geihelte an der
Hand zahlreicher Beijpiele in außerordentlich humoriftiicher Weiſe
die Unfitte, verwandtichaftlice Berhältnifje mit fremden Aus:
drüden zu belegen.
Marienwerder. Inder Sipung am 4. Mai hielt Negierungs-
und Schulrat Dr. Propen einen Vortrag über den a. d. Sprad)>
des deutſchen Wirtichaftss und Familienlebens und der |
handlung von Hildebrand und dem Gaſthoſe von Kopfe, joll in
Zukunft die Vereinszeitichrift regelmäßig ausgelegt werden. Die
Anzahl der Mitglieder iſt inzwijchen 9 59 gewachſen.
München. In der Verſammlung am 9. März ſprach Muſik⸗
direftor Wilhelm Grimm über den Laut im deutſchen
Yiede und die Sejehe der Lautverbindungen. An zahl:
reichen Beifpielen aus der Proſa und der Poeſie legte der Redner
die Geſetze der Lautverichiebung und die wirtungsvolliten Laut—
‚ verbindungen der deutichen Sprache in Wort und Lied den Zu—
Eine Anfrage bei den |
börern dar.
Norden in Ditfriesland,
Die Hauptverfammlung unjeres
Zweiqverein® im März d.
J. wurde eingeleitet durch einen Bor:
trag unſeres Borftandsmitgliedes, des Profefiors Dr. Eggers,
‚ über die Verbreitung der Deutſchen in Europa.
Mit
Hülfe der trefflihen großen Nabertihen Karte veranjchaulichte
der Redner den Saften und Witgliedern die Grenzen des
deutichen Sprachgebietes gegen die umwohnenden Bölter, beſon—
derd Nomanen und Slaven, beiprady die Wohnfige der deutjchen
Hauptitämme und erörterte eingehend die Entjtehung und Zu—
jammenjeßung der deutjchen Ortönamen. Die nächſten Vorträge
jollen ſich mit ſprachlichen Verhältniſſen unferer engeren Heimat
Oſtfriesland beichäftigen.
Nürnberg. Aus dem in der Hauptverſammlung erjtatteten
Jahresberichte war zu entnehmen, daß die Beitrebungen des
Spradjereins aud hier, wenn auch langjam, immer mehr Boden
gewinnen; insbejondere it in ben Veröffentlihungen der ſtädti—
chen Behörden die Abjicht zu ertennen, ein qutes, geihmadvolles
Deutſch zu ſchreiben, das ſich von dem Wuſt entbehrlicher Fremd—
wörter frei hält. In einigen der hiefigen Zeitungen, in den Be:
kanntmachungen der Leitung des hiefigen Stadttheaters, in den
Anzeigen verſchiedener Vereine lajjen ſich erfreulidye Spuren bes
Wirtens des Sprachvereins erfennen. — Der Stand der Kaſſe
iſt befriedigend. Der bisherige Vorjtand wurde wiedergewählt.
Er beiteht aus den Herren: Franz Dittmar, Lehrer und
Schriftjteller, Borfigender; Aug. Schmidt, Poſtmeiſter, Schap-
meister; Dr. Autenrieth, Nettor; Chr. Eydam, Proſeſſor;
Fr. Monninger, VBuchdrudereibeiiger; Ph. Rudolph, Lehrer;
8. Sad, Großhändler; G. Schwanhäußer, Kommerzienrat
und Fabritdefiger; K. Wild, Pfarrer. Die vom Boritand ge-
\ ftellten Anträge wurden angenommen; von dieſen ijt befonders
der von Wichtigkeit, daß Schritte geichehen jollen, damit auf der
1596 in Nürmberg itattfindenden bairiscen Landesausitellung
unnötige fremdſprachliche Ausdrüde durch qute deutjche Wörter
erfept werden.
Keihenberg. Am 26. April fand ein Bortragsabend jtatt,
der durch ein von Fräulein Martha Sieber wirkungsvoll vor-
getragenes Gedicht über den Spradjverein eingeleitet wurde. Hierauf
hielt Bürgerichullehrer Stärz einen Vortrag über »Nilolaus
genau und Anaftajius Grün als Freiheitsfänger. Es
wurde beichlofien, an den Wereinsabenden ein Anweſenheitsbuch
aufzulegen, um auc durch Verzeichnung aller Anweſenden den
Entwidlungsgang unjeres Zweigvereins darzuftellen.
ch oe An dem Erörterungsabend im März, dem legten
in diefem Winter, beleuchtete zunächit der VBorligende, Prof. Erbe,
den jonderbaren Aufiag der Frankfurter Zeitung, der ſich über die
Bejtrebungen des Reichspatentamts, techniſche Ausdrücke zu ver:
deutichen, luftig machte. Es wurde namentlich aus den Schriften
von Prof. Bad) in Stuttgart dargethan, wie treffend und gefällig
jich viele techniſche Bezeichnungen mit deutichen Worten wieder:
geben laſſen, ohne da dabei enwa die Berftändlichkeit des Aus—
drucks Not zu leiden hätte, wie Überhaupt die Annahme, daß die
Beibehaltung techniicher Fremdwörter der Gemeinverjtändlichteit
diene, ein Aberglaube it. Viele unjerer Fremdwörter werden
befanntlih von den Franzofen oder Engländern nicht verftanden.
Weitere Ausſührungen des Nedners richteten fich gegen einen in
der Vereinszeitichritt erfchienenen Aufiap von Karl Erdmann,
worin angelichts der Thatjache, daß in einer Menge urjprünglid)
bildlicher Ausdritde das Bild gewöhnlich nicht mehr als ſolches
gefühlt wird, die Forderung, man müſſe jtets die Grumdbedeutung
127 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind 18%. Nr. 6. 128
der Worte erfafien, als zu weitgehend bezeichnet worden ift. direltor Dr. Wagner; Schriftführer: Direltor Grüttner, Stell:
Brof. Erbe will an der Forderung feitgehalten willen, da man _ vertreter: Dr, med, Lange; Schagmeijter: Kaufmann Saalberg,
ſich das Bild möglichſt anſchaulich vorzuftellen habe, da nur das , Stellvertreter: Direltor F. Brand. Die Mitgliederzahl des
durch nebanfenloier Gebrauch vermieden werden fünne. In der ; Vereins it unverändert geblieben. Hierauf folgte ein Vortrag
daran ſich fchlicehenden Erörterung fand er damit allgemeine Aus des 1. Borji benden Dr. Stößner über zwei Förderer der bdeut-
ftimmung. Endlich behandelte Prof. Erbe noch die Umftellung | ſchen Sprade im 17. Jahrhundert, Boligang Ratte und oh.
(Imverfion) nad) »und«, die menerdings in Beiheft V von Balthaſ. Schupp. Darnach beitand Ratkes Verdienſt hauptjäd:
Dr. Poeſchel, wie ſchon früher von Jakob Minor, für gewiſſe lich darin, daß er zuerſt mit der Forderung auftrat, den Scul-
Fälle in Schutz genommen worden if. Man war auch hier eis unterricht im deutjcher Sprache zu erteilen. Scupp forderte nicht
ftimmig der Meinung, daß die namentlich bei jungen Mädchen nur ben Gebrauch der deutſchen Sprache von den Vertretern der
und Kaufleuten beliebte Umftellung nad »und« häßlich und schon Wiſſenſchaſten, die ihren inhaltsleeren Abhandlungen durch den
aus dem Grunde, weil fie niemand in der mündlichen Nede vers Gebrauch der lateiniſchen Sprache ein gelehrtes Ausjehen geben
wendet, unzuläjlig ſei. en —— Pi en. durch ee. und u >
: R Iitigen Ausdrüden und unnötigen rem
Zwidau. Nach Ablegung der Jahresrechnung wurde der | Sprache von den ſchwůͤ
Vorſtand gewählt, der aus folgenden Herren beiteht: Borfitender: | wörtern, wie fie damals beliebt waren.
Symnafialoberlehrer Dr. Stößner, Stellvertreter: Landgerichts⸗
Geſchäftlicher Teil.
Preisausihreiben Profefior Anton von Werner, Direftor der alademiſchen
Hochſchule für die bildenden Künſte,
und der unterzeichnete Borjipende des Vereins.
ü A Für den dem beiten Entwurfe zu erteilenden Preis von
an die deutſchen Künſtler. 500 Mark iit der Verfaffer verpflichtet, auch die Zeichnung für
Es ſoll eine fünftleriich ausgeſtatiete Wahlipructafel ent | die Vervielfältigung in der erforderlichen Größe herzuftellen.
worfen werden, welche geeignet ift, durch Drud vervielfältigt, in den Außerdem bebäft ſich der Ausſchuß vor, fernere Arbeiten zum
Berfammlungsiälen der Jweigvereine oder aud in ber Öffent- Preife von je 100 Mark anzufaufen. j
des allgemeinen deutichen Spradvereins
(167 Zweigbereine mit 12500 Mitgliedern) |
lichfeit den Hauptgrundiag des Vereins vor Augen zu ftellen. Der Gefamtvorfiand des allgemeinen deutſchen Sprahvereins.
Diefer Grundfag, welcher lautet: »Sein Fremdwort für Dr. Mar Jähns,
das, was deutſch gut ausgedrüdt werden fann«, muß fo Vorjipender.
Klar und in folder Größe dargeitellt fein, dab er aud) in einiger
Entfernung lesbar bleibt. , s ‚
—— hat die Bezeichnung » Allgemeiner deutſcher Sprach⸗ An die geehrten Vorftände der Smeigvereine.
verein« auf der Tafel Plaß zu finden, und es ift ein leerer Raum | Laut der zweiten Beſtimmung unferer Geſchäfteordnung haben
zu faflen, auf dem in etwa 25 Druckworten über die Beitritis- die Zweigvereine die Zahl ihrer Mitglieder und die Namen ihrer
bedingungen bei den einzelnen Zweigvereinen Aufllärung gegeben , geihäftsführenden Vorjtandsbeamten in dem eriten drei Monaten
werden fan. jedes Jahres der Leitung des Geſamtvereins mitzuteilen, welche
Es werden Skizzen im beliebiger Größe verlangt, über deren dieje Angaben, jobald jie in ammähernder Bolljtändigfeit vor-
Umarbeitung für das Vervielfältigungsverfahren der Ausſchuß ſich liegen, in der Zeitichrift veröffentlicht. Dieje annähernde Boll:
vorbehält, mit dem Sieger im Wettbewerbe weitere Vereinbarung | ſtändigkeit iſt nun jept, obgleich jaſt fünf Donate des Jahres
zu treffen. Die Bildgröße der Vervielfättigung fol etwa 40 zu | verflofien find und obgleich an diefer Stelle jhon einmal an
50 cm betragen. Die Darftellungsart ift frei gegeben, die Wapt | jene Beitimmung erinnert wurde, noch immer nicht vorhanden,
von mehr als 2 Farben jedoch ausgeſchloſſen. namentlich fehlt von jehr vielen Vereinen immer nod) die Angabe
Die Entwürfe find fpäteftens bis zum 1. Auguft d. J. mittags der Mitgliederzahl. Wir bitten die geehrten Vorjtände daher
12 Uhr bei unferm Schapmeifter, Herrn Verlagsbuchhändler dringend, der übernommenen Pflicht nachzulommen, damit der
Eberhard Ernſt, Berlin ®., Wilhelmftrafe 90, unter Kenn- Ausſchuß im jtande iſt, wenigſtens mit der Einladung zur Haupt-
wort nebft beigefügtem verichlofienen Vriefumfchlage, welcher den | verfammlung eine vollitändige Liſte verfenden zu Fönnen.
Namen des Urhebers enthält, einzureichen. Der Sefamtvorftand des allgemeinen deutihen Spradvereins.
Das Preisrichteramt haben übernommen die Herren: Dr. Ras Zähne.
Profefior Woldemar Friedrich, Maler, | —— ee
Baumeijter Otto Marc), Architeft, Mit diefer Nummer wird ein Titelblatt nebſt Inhaltever—⸗
Geheimer Baurat Otto Sarrazin, —— Zzeichnis fir Nr. I—V der Wiſſenſchaftlichen — —
Briefe und Drudfacen file die Vereinsteitung — | Beidiendungen und Beitrittserflärungen
find an den Vorligenden, an den Ecapmeliter,
Oberftleitnant a. D. Dr. Mar Aähns In Berlin 10, | rlagsbuchbändier Eberhard Eruft in Berlin W.a41,
Margaretenitraße 16, Wilhel in ſtra he W,
Briefe und Dructachen für die geitierift on den Serausgeber, Dberlchrer Ariedrih Wappenhans in Berlin N. W. 33, Kltonaer Sırafe 34,
er Briefe und Zuſendungen für die Wiſſenſchaſtlichen Beihekte an Brofeffor Dr. Paul Pietich, Berlin E30, Mopftraße 12
zu richtet,
Die Jahrgänge 1886 — 1893 der Heitichrift werden gegen Einiendung von | Die Bersenttäunnstäger: I. Die Epeifelarte (2, verb. Aufl. 30 BE.),
165 ME, au den Sıhapimeiiter toitenfei ibermittelt; 1685.87 allein = 4 ME., Il. Der Handel (2. jehr verm. Ruf. GO Pf), II. Das häusliche und
1858 bis 18 allein = je 2 ME. geielifchafttice Leben (0 Bf.), IV, Das deutſche Namenbüd:
Aufrufe, Saguugen und —4 Aummern der Reltichrift, um Korte lein oO Bi und V, Die Autdiyrade (60 Br.) find den Herren Ferde
der Ausbreitung und Forderung des Vereines, Stehen bei dem Borfigenden Hirt & Sohn in Leipzig in BWerlag gegeben worden und ausichlieh*
umentgeltlih zur Verfügung. lich von dieſen durch den Buchhandel zu erhalten.
Hr die geitung verantwortlich Ariedrih Wappenhans, Berlin. — Verlag des algemeinen deutichen Sprachvereind. =
Brut der Buchdruckerel des Walfenbaufes in Halle a.d. ©.
IX. Jahrgang Ar. 7/8.
1. Zuli 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
_ Diefe Beitichrift erkheint jäpriih zwdlfmal, zu Anfang jedes Monats, |
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Spradivereins unentgeltlich |
gelichert (Sayung U).
Die Beltielft kann auch durch den Buchhandel oder Die Bolt
zu 3 ME. jährlich bezogen werden, — Ungelgenannahme durch den Echapmeliter
Eberhard Ernit, Berlin W.a41. Wilhelmjer. 90. — Auflage 14200,
Inhalt: Zum Gedächtnis Gottfried Auguſt Bürgers.
» purijtiichen Modelrantheit⸗ or ..
Bon Dr. Julius Sahr, — Die Nennform mit um zu. — Bon der
.? — Urteil eines franzöſiſchen Gelehrten über die Fremdwortfrage. — Ein neuer Angriff auf
den allgemeinen deutihen Sprachverein. — Unmittelbarer Mitgliederbeitrag — Umzugskoſten von Dresden nad Berlin. — ®erafe:
wohl, Seradewohl? — An die werten Vereinsgenoſſen. — Spredjaal. — Kleine
vereinen. — Brieffaften. — Geſchäftlicher Teil.
itteilungen. — Bücherſchau. — Aus den Zweig—
DEE Dieie Nummer gilt für die Monnte Juli und Auguft. TEE
Nr. 9 wird im September erſcheinen.
Sum Gedächtnis Gottiried Auguſt Blrgers.*)
Bon Dr. Julius Sahr in Dresden.
Ich liebe alles, was deutich iſt, und
wüßte nicht, daß ich einen heißern Wunſch
hätte, als den, mich um mein Vaterland
verdient zu machen. Sit irgend in dem gan- |
zen Gebiete der Wifjenichaften etwas wert,
daß Männer fich damit beichäftigen, jo ijt |
es die Mutteriprache.« |
Bürger » ber deutiche Sprache.
‚ An Adelumg.« 1783. |
Am 8. Juni 1894 waren es 100 Jahre, feit das Grab einen |
wegemüden Wanderer zur ewigen Ruhe aufnahm: Gottjricd
Auguſt Bürger Es iſt ein ſchöner Zoll der Anerkennung
und Dankbarkeit, dag man beabfidhtigte, an Diefem Tage
in Göttingen den Grumdftein zu einem jchlichten Dentmale zu
legen. Möge dies Denkmal zu jtande fommen und bemweilen,
daß uniere Zeit den ſchwergeprüften Mann gerechter und liche-
voller beurteilen will, als die verflofienen 100 Fahre 08 ges
than haben. Wenige Dicyter, wenige um ihr Vaterland ver:
diente Männer haben in der Wertſchäzung der Mit: und Nach-
welt anjceinend fo geſchwanlt wie Bürger. Seiner eit eridhien |
er als glänzendes Meteor; aber wie raſch verblaßte fein Glanz vor |
der ſtrahlenden Gröhße der beiden Sommen Goerhe und Schiller!
Als diefe beiden Dichter unjerem Volle ein neues Kunſtideal braditen, |
das der Humanität, die auf den Alten ruht, das des allumfafienden |
Menſchen- und Weltbürgertums, als fie auf dem Wege zu dieſem
Ziele uns herrliche Dichtungen ichenkten, wer gedachte da noch
des Volfsfängers Bürger und jeines engumgrenzten Deutichtums?
Dazu fam, dah Bürgers Anjehn durch einen diefer beiden Größten
einen empfindlichen Stoß erhielt, durch Schiller, der im Jahre
1791 Bürgerd Gedichte einer jtrengen und rückſichtsloſen Kritik |
) Der vorliegende Aufiap beruht auf zwei umfünglicheren |
Studien des Verfaffers: » Gottfried Auguſt Bürger umd fein wilder |
Jäger (Uyons Heitichrift Für dem deutichen Unterricht 1. Jahr⸗
ang 1857) und » Bottjried Auguſt Bürger als Lehrer der deutjchen
——— Feſtſchrift zum 70, Geburtstage Rudolf Hildebrands,
151).
herausgegeben von Otto Lyon. Leipzig, Teubner.
\ zeit aber blieb es vorbehalten,
unterwarf. Dieje Verurteilung durch Schiller Hat wie ein Malel
an Bürgers Namen gehaftet und mit dem Dichter zugleich den
Menichen betroffen. Bis in unſere Tage hat Vürgers Ruf ſich
von biefem Schlage noch nicht erholt; und nur langſam beginnt
Bürgers Geſtalt wieder zu wachſen.
War nun Bürger als Dichter und als Menſch wirklich fo fehr
zu verdammen, wie Schiller es that? Oder beging Schiller int
redlichjten Eifer einen gewiß verzeihlichen Irrtum? Ferner: lafien
ſich an Bürger, auch abgejchen vom Dichter und Menjchen, nicht
noch Seiten aufweilen, die ihn unferes Mitleids, unſerer Liebe,
vielleicht auch unjeres Dantes, ja unjerer Anerkennung und Ver:
ehrung wert zeigen?
Gewiß! Diefe Seiten lafjen ji finden! Werfen wir daher
einen Blid in fein vielgejtaltiges Leben und Wirken, ver:
gegenwärtigen wir ums, was alles in diefer Menſchenbruſt
gärte und fümpfte, aber auch hoffnungsfroh grünte und jproßte
und feurig glühte — und ich glaube, die ganze Stujenleiter jener
Sefühle, die warın aus der Tiefe emporquellen, wird in uns rege.
Geijtig war und blieb Bürger ein Kind — und dod) zugleid)
ein Führer! — der Sturm und Drangzeit, jener gärenden Zeit
unferer Litteratur, die man nad dem leitenden Grundgedanken
befier umd richtiger Geniezeit nennt und die etwa 1770 anbradı.
Sie wollte den bisherigen Zwang falter Regeln durch das jreie
Wirken des Genius von innen heraus erjepen. In ſich
jelbft und jeiner ureignen Natur follte fortan der Genius, der
| Dichter, allein Gejep und Maß feines Schaffens finden und dabei
nichts danach fragen, was nad) theoretiichen Regeln bisher oder
etwa zu andrer Zeit oder bei andern Wölfen als ſchön galt.
Den Begriff des Dichters als eines von Gott begnadeten Genius
hatte Klopitods machtvolles perjünliches und dichteriiches Wirken
gewifjermaßen neu im unjere Literatur eingeführt. Der Genie:
diejen Geniebegrifi noch jchärfer
auszubilden und ihm im weiteren reifen zum Siege zu verbelien.
Zwei weitere Begriffe prägte nun die Geniezeit und verband fic
unlösbar mit jenem: Natur und Volt.
Genie, Natur, Volt find die drei Schlag- und Glaubens:
worte der neuen Lehre. Aus dem zweiten und dritten folgte ſo—
131
Zeitihrift bed allgemeinen deutſcheu Spradvereins. 1894. Nr. 7/8.
gleich der Begriff Deutich, und zwar in noch ganz anderem ald
dem Klopſtockſchen Sinne. Auch Klopſtock war von der Natur
ausgegangen, auc Klopſtock war deutjch in einer Weile mie
feiner vor ihm. Aber er geriet bei jeinem dichteriihen Streben
nad) dem Erhabeniten, Höchiten allgemach immer mehr aus ber
Wirllichleit — ſowohl der des Menſchen, als der ihn umgebenden
Natur — hinaus ins Abftrafte, Wejenlofe. Er ſchwebte zwiſchen
Himmel und Erde ober in den Himmeln: er war, fchon feiner
undeutſchen Form wegen, nicht vollstümlidy und fonnte es nie
werden! Auch Leſſing, der in ungleich höherem Maße auf der
Erde und zwar auf herrliciter deuticher Erde fuhte — man
denfe an Minna von Barnhelm! — kannte die Begriffe Natur
und Volk, wie fie die Geniezeit ausprägte, kaum: er mwurzelte
mit fo vielen Faſern feiner Theorie und Geiſteskraft im Griechen-
tum, zumal in Wriftoteles, daß er die neue Lehre nicht billigen
lonnte. Dieje neue Lehre aber ging einfach von dem Gedanfen
aus: Wo ift deutſche Natur anders zu finden als unter dem
deutjhen Himmel, wo deutſches Wefen reiner, unverſälſch—
ter als im deutihen Volke, in jeiner Poefie, jeinem
Glauben? Und das freilich läßt ich nicht leugnen: die geiftig
und gejellichaftlic; höheren Stände waren damals durch den un—
feligen fremden Einfluß am meiften undeutſch geworden!
Sp war denn die neue Bewegung, die Genigzeit, ein wirt
liher Fortichritt, und ihre gewaltigften Berkünder: Herder,
Goethe, Bürger bradıten unſerer Literatur, ja unferem ges
jamten Geiftesleben, wirklich etwas Neues,
Im Fahre 1773 fanden ſich diefe drei jo verichieden gearteten
Männer unter der Fahne des neuen Glaubens zufammen. Lange
dauerte das frohe Zuſammenwirken, der ſchöne Einklang freilich
nicht; dazu war die ganze Bewegung zu ſtürmiſch, zu wenig
abgelfärt. Alsbald ging jeder der drei feine eigenen Wege, und
jeden führten fie anderswohin. Am weiteften abjeit® fam
Goethe; er wurde ber gewichtigjte Fürſprech der klaſſiſchen
Zeit, die ſich zur Geniezeit in Gegenſatz jepte. Am treuejten be
harrte auf den alten Bahnen Bürger, aud dann noch, als
Zeit und Gejchmad fich völlig verändert hatten und ihn niemand
mehr verjtand. Ya, der Glaube an feine Jugendidenle ward fein
Verhängnis, die Urfache, warum es ihm fpäter gar jo ſchlecht
erging. Die klaſſiſche Zeit mußte ihm dies als Unfähigkeit, ſich
ihr anzupaffen, auslegen; wir find geneigt, ihm fein treues Feſt—
halten am Alten zum Verdienſt anzurechnen.
Zu jener Führerrolle von 1773 war Bürger durd feine
Naturanlage, jeine Herkunft und feine Entwidelung ſehr qut ge-
eignet. Er war ein Kind des Volles. Als Predigersjohn in der
Sylveſternacht 1747 auf 48 zu Molmeriwende unweit Wichers:
leben geboren, war der fränkliche Knabe ſich oft jelbit überlaſſen
und verbrachte feine Jugend in innigem Zuſammenleben mit
Matur und Volk, in romantiſchem Träumen und Umherichweifen.
Sp wurden ihm Vollsfagen und Vollslieder früh geläufig. Dazu
lanı ein anderer Einfluß, den wir heute ats eigener Erfahrung
leider kaum recht zu würdigen willen: die Bibel. Auch da, wo
nicht, wie bei Bürger, der Bater Prediger war, fpielte die Bibel
im 18. Jahrh. oft eine unendlich wichtige Nolle; jie war das
Volksbuch, aus dem Unzählige — und darunter oft die Bejten! —
den köſtlichſten Zeil ihrer jittlichen, gemütlichen, geiftigen und
ſprachlichen Nahrung umd Bildung jogen. Glaube und Gottver-
trauen, gepaart mit Kinderſinn, Kraft, Fülle, höchſte Lehren,
ergreiiende Bilder des Menfchenlebens und Menichenherzens — in
einer Sprache voll fühnen Schwunges, in unübertreſfflich bildlichem,
finnlihem Deutich, über allem ftehend und doch allen veritänd-
lich: was lann es Gewaltigeres und Köſtlicheres geben für das
132
jugendlihe Gemüt? Der Bibel zur Seite ftand das Gejang-
bud. — Bekannt ift Bürgers Jugend und Bildungsgang: wie
der haltlofe Knabe, der fein rechtes Heim hatte, weil feine Eltern
unglüdlih und oft getrennt lebten, der Fürſorge feines wohl:
meinenden Großvater anheimfiel, wie er, im Aſchersleben und
Halle vorgebildet, 1764 die Univerfität Halle bezog und jein
Großvater die Hand von dem rrenden abzjog, wie er endlich
um 1770 in Göttingen, wohin er ſich gewandt hatte, durch
liebende Freunde dem Untergang entrifjen wurde. Hier in Göttingen
vertaufchte er das ihm aufgezwungene Studium der Theologie mit
dem dei Rechtes und lag neben eifrigem Brotſtudium vielfacher Be:
Ihäftigung mit Gejchichte und Litteratur, zumal deutfcher, ob. Nach
wohlbejtandener Prüfung erhielt er 1772 eine Stelle ala Juftizamt-
mann in der Nähe von Göttingen. Diejes und die folgenden Jahre
bezeichnen einen froben Aufſchwung; in gewiffen Sinne darf das
Jahr 1773 als ein Höhepunkt in feinem Geiftesfeben angejehen
werden: in diefem Nahre wird er fich durch einen begeifternden und
bahnbrechenden Aufjag Herders Mar über feinen Beruf als Bal-
ladendichter und über den Weg, den die deutfche Poeſie fortar
einzujchlagen babe. Inter dem belebenden Einjlufje von Herder
Gedanken und von Goethes Götz vollendete er jeine ſchon ar
gefangene Lenore Seit 1770 war ja aud) Goethe durd
Herder dem Volfsliede zugeführt und dem Deutichtum gewonnen
worden. Ws mun, zugleich mit Herder Heroldsruf, Goethe
einen vor Liebe zur deutichen Kunſt durchglühten Auffak über
Erwin von Steinbad und das Strakburger Müniter
erfcheinen ließ und num noch, ebenfalls 1773, mit feinem ur
deutihen Götz von Berlichingen hervortrat — da bradı
‚nicht nur Bürger in belle Freude aus, nein, in Taufenden
deutſcher Seelen, und zwar bei hoch und niedrig, fanden dieſe
neuen, unerhört deutfchen länge jubelnden Widerhall, und die
deutiche Vollsſeele ſchien aufzujauchzen, als ſei eine neue, goldene
Zeit deutſcher, ja echt deutſcher Kunſt angebrocdhen. Wit merf-
wirdigem Gluͤck hatten nämlich Herder, Goethe und Möſer, die
fih) zu jenem Seft zufammentbaten, das zuerſt die neue Lehre
| predigte, den trefflihen Namen Bon deutiher Art und Kunſt
(Hamburg 1773, Bode) gewählt. »Deutihe Art und Kunſt!«
jo tönte die Lojung der jugendlihen Stürmer Rüſtig fchreiten
Herder, Goethe, Bürger und andere eine Zeitlang auf diefer Bahn
weiter, alles mit ſich fortreißend: hoch und niedrig, gelehrt und uns
gelehrt, Dichter und Leer, oder befier Hörer, denn auch der Se:
danfe, daß das ftumme Augenleſen nicht das Mechte jei, tauchte
damals von neuem auf. Man kann es veritehen, wenn die Alten,
die fir andere Ideale gefämpft hatten, wenn Klopſftock und Leſſing
fich durch den Strudel der Jungen nicht wollten mit fortreißen
laſſen.
Eine herrliche, ganz ungeahnte Blüte der Lyrik war, ber
SHauptjache nach, die mächite Frucht diefer neuen Bewegung. Die
neudeutfche, dur Goethe, Bürger und andere begründete Lyril
iſt undenkbar obne den Anſtoß Herders 1770 und 1773. Volks—
lied, Lied, Ballade, Bollsepos, Vollsdrama — das
ſchien die neue Linie der Entwidelung.
Was Bürger anbetrifft, jo geht leider ein ſchwerer Zwieſpalt
von nun an dur fein Daiein. Eine Zeit lang ſchwankt es
zwiichen Glück und Unglüch, dann wendet es ſich, nicht ohne
eigene ſchwere Schuld des Dichters, dem Unglüd zu; durch Schuld,
durch Not und Elend jeder Art jteigt es immer tiefer hinab, bis
das Grab ihn erlöft. Alles ſchlug ihm zum Unglück aus: fein
Beruf ale Juriſt, dem er endlich 1784, nad) über 10 jähriger
Pladerei, völlig verbittert entjagte, aber auch feine Heirat mit
Dorette Leonhart 1774. Denn bald zog ihn eine wachſende,
133
endlid unbezwinglice und fündige Neigung zur jüngeren Schweſter
feiner rau, der angebeteten Molly. Hier wie dort, im Liebes—
wie im Berufsleben, hat Bürger mannhaft getämpft. Nicht als
Schwächling, nicht als chavakterlofer Menſch ſtand er den Schwie-
rigfeiten feines Amtmann= Berufes und feiner Doppelliebe gegen-
über. Wer mit jchnellfertiger Hand, mit Pharifäerfinn einen
Stein auf ihn werfen und ihn einen arbeitöfcheuen, liederlichen
Menfhen, einen gewiljenlojen Wüſtling nennen will, der forſche
in Bürgerd Gedichten den tiefen Spuren feines Liebeslampfes
nad, der werje einen Blickk in Adolf Strodtmanns groß—
artiges Briejwert (Briefe von und an Bürger. 4 Bände, 1874),
es giebt uns den ganzen Bürger, den guten und den jchlechten;
und dort leſe er nach, wie Bürger rang, wie er kämpfte, wie
er litt; dort leſe er Bürgers Nechtiertigung als Amtmann. Aber
freilich, Sieger blieb Bürger nicht! Die fittlihe Kraft, die
BWillensjtärte, über folhe Umſtände zu fiegen, blieb ihm verjagt.
Sie lag nicht in feinem Wejen, an dem häßliche Fleden bleiben
und bleiben werden, und leider hatte jeine Erziehung nichts zu
einer ernjten und jtrengen Selbjtzucht beitragen fünnen. Uber
tiefes, tiefes Mitleid müſſen wir empfinden, wenn wir des Dich—
ter3 Kämpfe und feinen Untergang beobadıten.
Dennod) Hatte es den Anſchein, als jei Bürgers Natur ſchier un—
verwüſtlich. 1784 warf er die ihm verhaßt gewordene Juriſterei beis
feite. Der Tod feiner Frau, einer ftillen, edlen Dulderin (30. Juli),
erlöjte ihn aus dem qualvollen Doppelverhältnis; es war, als heitere
ſich ‚jein Leben auf. Einem alten Lieblingsgedanten folgend, lieh
er ſich noch 1784 als Privatdozent — »Privatlehrere, wie
man damals jagte — der deutihen Sprade in Göttingen
nieder. Nun führte er, Juni 1785, feine heißgeliebte Molly als
Gattin beim. Eine kurze jonnige Zeit voll Glüdes, voller Pläne
und Hoffnungen folgt — dann aber eine lange entjepliche Nacht!
Der viel zu frühe Tod Mollys, Januar 1786, war für Bürger
ein unerfeplicer Verluſt. Auch die Hoffnungen, die er auf jeine
Lehrerlaufbahn gejept hatte, jchlugen fehl; er war mit viel zu
großen Erwartungen zur Univerfität gegangen. Seinem fort:
tommen als Profefjor war alles hinderlid. Sein früheres Leben,
fein Dichterruhm, fein ungejchminttes, derbes, ja jhonungsiojes
Weſen, die Anfichten, die er vortrug, jeine in jchwerer Bers
blendung eingegangene dritte Ehe mit dem »Schwabenmädcen«
Eliſe Hahn 1790 — bie ihm nur Schmacd) und Schande brachte —:
alles ſprach gegen ihn. Das Haupthindernis für fein Fortlommen
als Dozent lag freilich in dem Umſchwung des Geſchmacks und
dem Vorurteil jeiner Kollegen und Vorgeſetzten. Es fehlte fo-
wohl der hannöverſchen Regierung, wie den meijten Göttinger
Profefjoren jegliches Verjtändnis für Bürgers Fady, fein Wirten
und jeine Anfichten. Seine Vorlefungen über deutihe Sprade
und Schreibart achtete man für nichts; man erfannte diefes Fach
überhaupt nicht für ebenbürtig und willenihaftlid an und lich
fih zu feinem auch nodı fo geringen Gehalt bewegen. Daß
Bürger 1787 zum Ehrendoftor ernannt wurde und 1784 den
Profejjortitel erbielt, konnte nur eim ſchwacher Troſt jür ihn
jein, da beides ihm nichts einbrachte. Um nicht der Auferiten
Not anheimzufallen, mußte er fich zu bitterer, gewöhnlicher Lohn
arbeit für Buchhändler entichliehen, die feiner ganz unwürdig
war. So lief} man den Mann, den wir heute durd ein Dent:
mal ehren, buchjtäblich fait verhungern, während Gelehrte, die
jet niemand mehr nennt, geiftige Nullen neben Bürger, von ihren
Eintünften ald Profefjoren ihr behagliches Austommen hatten.
Seit 1790 und 91 fam zu alledem noch Krankheit, Aufregung
ſchwerſter Art — bis feine dritte Ehe geichieden war — Burüd-
fegung und endlid) Kränkung durch Schillers Rezenfion, die den
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind, 1894, Nr. 7/8.
134
Unglüdlihen an dem Letzten, woran er fih anllammerte, an
jeinem Dichterberuf, verzweifeln lieh. Er fchied am 8. Juni 1794;
eine Lungenſchwindſucht erlöfte ihn von feinem Leiden. —
Bas Bürger uns als Dichter ift, das predigen lauter und
eindringlicyer, ald Worte es vermögen, jeine Werke, jeine Ges
dichte: Bon Mund zu Ohr, mit warmer Empfindung und dem
belebenden Laut der Stimme laſſe man fie auf empfängliche
Hörer wirten und man wird gewahr werden, wie Kraft und
Hoheit, Fülle und Wohllaut, Zartheit und Innigkeit ihnen inne
wohnt. Wenige Dichter, und nur die größten, fünnen jich darin
mit ihm mefjen. Müſſen wir auch manches Unedle aus jeinen
Dichtungen ausicheiden, und iſt auch der Kreis jeines Schaffens
eng umgrenzt — welcher Reichtum bfeibt doch immer noch, ſelbſt
in dem engen Rahmen, übrig! Da ift die meue, im unjerer
Kumjtlitteratur von ihm begründete Ballade, die er jogleic nach
drei Seiten, der tragiſch-romantiſchen, der bürgerlichen und
humoriſtiſchen, ausbaute und in der er bis heute nody nicht über:
troffen ift. Da iſt die duftige Blüte feines Lieder- und Liebes:
Frühlings, die unter dem belebenden Einfluß des Voltäliedes
und der alten Minnefänger emporwudhs; da find Sonette, die
fi) fogar nad, Schiller® Urteil »auf den Lippen des Declamateurs
in Geſang verwandeln«, da find Epigramme, da iſt der achtungs-
werte Verſuch des eriten deutihen Homers in Berjen,
den Goethe mit lebhaftem Beifall begrüßte. Und ald echter
Dichter griff Bürger ins friihe Leben, in jeine Zeit, feine Ums
gebung und prägte ein alltäglices Ereignis oder cine halbver-
ihollene Sage mit ficherer Hand in das lautere Gold wahrer
Poeſie ein.
Neben dem Dichter aber müflen wir aud den Denker und
den Lehrer der deutfhen Sprade in Vürger ehren. Der
große Ernſt, der heilige innere Beruf, mit dem Bürger ans
Dichten ging, tritt uns auch auf den beiden anderen Gebieten
entgegen. Und wie innig, wie unlösbar ijt alles Dreies mit
den Grundgedanken der Geniezeit verfnüpft! Von ihnen aus:
gehend Hat feiner feiner Zeitgenoſſen fo zähe an der Theorie der
Dichttunſt gearbeitet wie Bürger, hat feiner jo wie er die Boetit
der Geniezeit klar durchdacht und ſcharf ausgeiproden. Much
hier, wie bei feinem Schaffen als Dichter, gaben das Studium
des Volfsliedes und engliihe Einflüfje den Anſtoß zu jelbjtändi-
ger Weiterarbeit. Leider befipen wir weder von Bürger nod)
von Herder eine zujammenbängende Darftellung diefer Poetit.
Nimmt man ſich aber die Mühe, feine zahlreichen Andeutungen
über diejen Gegenjtand aus feinen Vorreden, Proiaauffägen und
Briefen (befonders von 1773— 1789) zufammenzuftellen*), jo erhält
man ein überrajchend ſcharfes Gefamtbild — an dem auch heute
noch nur Vereinzeltes unbrauchbar ift.
Da die Dichtung nad, Anhalt und Form durdhaus natür-
lich und deutſch fein foll, fo kommt Bürger zu dem jo oft
falſch gedeuteten Hauptfage feiner Theorie: »Wahre Poeſie,
ſoſern jie den Namen nad einem Bolt führt, muß
volfämähig jein.e Der Deutiche foll »nicht griechiiche, nicht
römiſche, nicht Allerweltsgedichte in deuticher Zunge, jondern
in deuticher Zunge deutſche Gedichte, verdaulih und
nährend fürs ganze Volk« dichten. So ift ausgeſchloſſen:
alles Fremde, Gelehrte, Abftrakte, aber auch alled Rohe und
Gehaltlofe, und es taucht, meines Wiſſens in diejer Klarheit
zum erilenmale, der Begriff »Nationalstitteratur« auf.
Dean hat nun Bürger vorgeworfen, jein Begriff Bolt fei
) In Lyons Beitichrift für den deutjchen Unterricht 1. Fahr:
gang (1857) ©. 119 — 142 ijt diefer Verſuch gemadıt.
135
Zeitfhrift dei allgemeinen deutihen Spradvereind. 189. Nr. 7/8.
136
ichattenhaft und unbeftimmt, ferner fein Begriff jei demokratiſch,
er meine mit Voll nur die unteren, allenfall3 noch die mittleren
Stände. Beides ift nicht wahr. Allerdings ging Bürger, als er
über den Begriff »Boll« nachzudenfen anfing, von den unteren
und mittleren Schichten aus. Aber das ijt nur das Zufällige
und nicht das Wefentlihe an feiner Theorie. Er blieb auch bei
jenem engen Begriffe nicht fichen. Daß er nicht, wie man ihm
aud) vorgeworfen bat, den Pöbel meint, das hat er oft genug
ausgefprochen. Bürger jchließt auch die höheren Stände nicht von
dem Begriff Volk aus, einen bejtimmten Stand überhaupt nicht;
was er ausſchließt, find nur einzelne, und zwar alle diejenigen,
die verlernt haben, deutſch, natürlich, unverbildet, wahr zu denfen
und zu empfinden. Wen vor Standesvorurteilen, vor fremden Ein—
jlüffen, vor Überfultur und franfhajter Überbildung das rein
menjchlihe, deutihe Empfinden verloren ging, das
zum gemeinfamen Band aller Deutſchen wird, der ges
bört nicht zum Voll. Kann man einen edleren, wahreren Be-
griff mit diejem viel gemikbrauchten Worte verbinden? So jchr
nun auch die Poeſie fo den Spuren der Natur und zwar deutjcher
Natur folgen ſoll — jo kommt dennoch aud der Geſchmachk,
der wirklihe Geihmad wahrhaft Gebildeter, in Bürgers Theorie
nicht zu kurz weg. Denn Natur und Geſchmack müſſen nad
Pürger im legten Grunde auf ein und dasjelbe Ziel hinaus
laufen: wahre unverdorbene Natur in der Poeſie darf nichts Ge—
ihmadlofes wollen, und wahrer Geſchmack nichts Unnatürliches:
das eine hält das andere im Jaume; wahre Dihtung muß daher
beiden zugleich genügen! 2
Bürgers Gedanfen als Lehrer der deutſchen Sprade
find zum Teil geradezu bahnbrechend.
Derb, leidenschaftlich und jchonungslos wie immer, wo es
ihm tiefer Ernſt iſt, tritt er der erbärmlichen Auffaſſung ent-
gegen, bie die meilten damaligen gebildeten und gelehrten Kreiſe
von der Würde der deutichen Sprache und von den Geſetzen des
deutichen Stifes hatten. Anjtatt der Häglichen Unficherheit auf
diefem Gebiete jtellt er Bolltommenheit des Stils als eriten
Grundjap auf. Jeder, der jchreibt, meint Bürger, foll danadı
jtreben, daf fein Stil, fein Ausdrud in volllommenjtem Ein-
Hang zu dem ſtehe, was er jagen will, Leicht ift dies
freilich nicht, im Gegenteil: es iſt die ſchwerſte Kunſt, die man
ſich denken kann; denn von allen möglichen Ausdrüden gilt es
den zu finden, durch den der Gedanke — bei untadelhafter gram—
matiſcher und ſprachlicher Nichtigkeit — am Hariten, treffenditen,
am volllommensten, mit einem Worte »Klaffijch« ausgeiprochen
wird. So verbannt Bürger aus dem deutichen Stil alles Hohle
und Bhraienhafte, alle Lüge und alles Wortgellingel und ſtellt
als Richtſchnur bin, was wir heute die Wahrheit des Stile
nennen.*) Da nun, fo fchlieht Bürger weiter, die Nollfommen-
heit des Stils jo außerordentlich ſchwer zu erwerben it, jo er-
fordern »Sprade und Screibart, jamt allen denjenigen philo—
ſophiſch⸗ Aſthetiſchen Kenntniſſen, welche damit zujammenbängen ....
anf Univerſitäten eigene Vehrvorträne, Sowie von feiten der
Studierenden ein eigenes ernitliches Hanptitudinm« (1787 Ein-
ladungsblätter zu feinen Vorlefungen über deutiche Schreibart
auf Univerjitäten). Dieje Forderung war damald etwas Un—
erhörtes! Der Naum verbietet, die herrlichen Gedanken Bürgers
hier weiter anzuführen; fie gipfeln in dem föftlihen Safe, dab, im
Grunde genommen, »ächtes Sprachſtudium nichts neringeres, als
N Bol. hierüber Lyons trefflihe Ausführungen » Das Grund⸗
neieh des deutſchen Stild« (Heitichrift für den deutſchen Unterricht,
3. Jahrgang 1889, ©. 18 — 0).
Studium der Weisheit felbit ift.e Was Bürger gewollt, daß
das Studium der Mutterfprache den anderen twifienichaftlichen
Studien gleichgeitellt werde, daß ein Lehrer des Deutfchen an
der Univerfität dasfelbe gelte, wie die der andern Fakultäten —
das haben wir jet, und was ein Jalob und Wilhelm Grimm,
ein Uhland, ein Hildebrand und andere gottbegnabete Lehrer
unferer Sprache vor unſeren Augen entbüllten, nachdem der
Schleier von den Schägen unferer alten Sprache und Litteratur
tweggezogen iſt — das ahnte und verkündete vor hundert Jahren
Bürger! Er erntete dafür nicht bloß feine Anerfennung, jondern
Hohn umd Verachtung! So waren jene Heiten!
Geradezu jeltfam und merlwürdig berührt e8, wie Bürgers
Anſchauungen von vor hundert Jahren mit den unferen in vielen
Bunften übereinjtinmen, und bejonders lehrreich iſt es, dab das,
was der allgemeine deutihe Spradverein erjtrebt, zum
Teil jhon Bürgers Ziele waren. Der allgemeine deutſche
Sprachverein bat das große Verdienſt, nicht mur den warnen
Anteil an umferer Mutterſprache in weite Kreiſe des BVolfes ges
tragen zu haben; er bat aud) gefündere Anfichten über das, was
Deutich ift, verbreitet. Er wirft nach unten, indem er dort
Saft, Freude, Verſtändnis für unſere Sprache wedt, er wirkt
nad oben, indem er bier durch die lebendige Verbindung mit
dem Volle und feiner im Fluß befindlichen Sprade ein Feſt—
halten an toten Regeln, ein Verknöchern der Anſchauungen ver:
hindert: mit einem Wort, der aflgemeine deutiche Sprachverein
fchlingt im edeljten Bürgeriichen Sinne ein gemeinjames
Band um das nanze Volk, wie feine zweite ähnliche Ver—
einigung! Und da muß es denn unſerem Bereine wohl tbun,
| in Bürger einen durd und durch deutichen Mann zu erfennen,
|
der auf allen drei Gebieten mit gleichem Ernſt, mit gleicher heißer
Liebe für fein Baterland gewirkt hat. Auch Bürger wollte volfs-
tümlich wirfen, für und auf das ganze Boll. Wie hoch jtellte
er die Lutherbibel! Er bereicherte unſere Sprache aus dem
Jungbrunnen der Mundart, er beliebte alte, halbvergejiene
Worte; wie liebte und fannte er Volksſagen, Bolfslieder,
Volfsglauben und Sprihwörter! Weld hohe Achtung, weld)
richtigen Begriff hatte er von dem Spradhgebraud und jeinem
Entftehen; wie haßte er die blinden Sprachmeiſter, die unjere
Sprache Inebeln möchten, wie mahvoll, aber wie trefflich erjehte
er unnüße Fremdwörter durd deutiche!
Es verftcht ſich von jelbit, daß bei Bürgers Anfichten auch
manches Falſche und Verkehrte mit unterläuft, entbehrte er —
wie feine ganze Zeit — doc ganz und gar der fiheren Schulung
geſchichtlicher Sprachforſchung — um fo höher müfjen wir jeinen
Scarfblid und Spürfinn anichlagen”).
Um Bürgers zufünftige Stellung im der Geſchichte deutjcher
Sprade und Pitteratur braucht uns nicht zu bangen. Selbit
went der Geſchmack zu Feiten wieder von den jeßigen deutjchen
Bahnen abirren jollte, er wird jtetS wieder zu ibnen und damit
zu Bürger zurüdfehren. Denn was Bürger in feinem dreifachen
Streben wollte, liegt zu tief im innerjten Weſen deuticher Natur
und Sprache begründet, als daß unfer Bolt, folange nur fein
Kern gejund iſt, fih dauernd davon abwenden künnte. Wahrhaft
deutiches Weſen lommt — der Zuverſicht dürfen wir, fo Gott
will, leben! — immer wieder zum Durchbruch!
*) Bürgers einzelne Profafchriften zur deutichen Spradhe und
Fitteratur find in den älteren Selamtausgaben [von Reinhard
und von Bohk (1835)] zu finden. Es ift jehr erfreulich, daß
Eduard Griſebach, einer der beiten Bürgerfenner, ſich ent:
ſchloſſen hat, jie in die nächte (5.) Auflage feiner Ausgabe von
Bürgers Werten (Berlin, Grote) aufzunehmen,
137
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. 1894. Mr, 7/8.
138
Und jo wird auch aus allen Stürmen kommender Zeiten Bür-
ger immer wieder unverjehrt hervorgehen: wenn aud) nicht ala
einer unfrer Größten, jo doch fiher als das, was er ald Dichter,
im Grunde genommen, aud) bisher geweſen ift, ein Liebling
feines Boltes.
Die ennform mit um zu.
Berhältnismähig jung ift in der deutſchen Sapfügung die
Anwendung der Nennform mit um zu, umd doch wuchert die
junge Pflanze ſchon fo üppig, daß fie verwandten und an ihrer
Stelle berechtigteren Fügungen Licht und Luft zu nehmen droht.
Vergegenwärtigen wir und die Fälle, in denen die Fügung heute
überhaupt vorfommt, und ſehen wir, wie weit diefe naturgemäß
aus den ältejten Anſätzen herausgewachſen find.
L Althergebracht ift ihre Verwendung jtatt eines Abfichts-
fages, gleichviel ob ſich deſſen Sapgegenftand mit dem grams
matiſchen oder logiſchen Subjefte des übergeordneten Sapes deckt
oder zu einem andern Gliede desfelben oder zu dem zwijchen dem
Beilen ftehenden Subjelte des Schriftſtellers oder Redners eine
Hare Beziehung hat. Den legten Fall ftellen Wendungen derart
dar: sum es deutlicher zu fagen; um mic eines Bildes zu bes
dienen«. für die andern mögen folgende Beiſpiele baftehn:
Hannibal wählte den Einmarjd) über die Alpen aud, um fid)
der Hilfe der noch nicht völlig unterworfnen Kelten Oberitaliens
zu verfihern. — Die energijche Mitwirkung aller wird notwen⸗
dig fein, um das bedrohte Staatsſchiff in den Hafen ber Ruhe
führen zu Helfen (v. Dürdheim, Erinnerungen aus alter und
neuer Zeit). — Meiſt werden Mißjtaltete Kinder von ihren
Müttern recht zärtlich gepflegt, gleichſam, um fich über ihr Uns
glüd zu tröjten (Pröll, mod. Totentanz); und noch fühner Schiller:
Ihren Gedanken war es genug, fein erflärter Nebell zu fein,
um jich befugt zu glauben, feine Amtspflicht nad) Gutdünten zu
modeln. —
Lediglich Geſchmack und Stilgefühl legen dieſem Gebrauche eine
Beſchränlung auf, z. B. in der Richtung, daf es nicht etwa lächerlich
wirte, wenn in einem übergeordneten aktiviſchen Sape ein
Gegenſtand Subjeft ift, dem überhaupt feine Abficht zugejchrieben
werden fann, wie etwa in der Mitteilung des Wolffihen Bureaus:
Mehrere Ertragüge bradten heute Abend nad) Tauſenden
zäblende Männer aller Stände hierher, um dem Fürſten Bismard
einen Fadelzug zu bringen. Im übrigen zeigen die Beiſpiele
deutlich, wie falſch die Engherzigteit derer ift, die ſolche Fügungen
auf den Fall gleichen Subjelts beichränfen wollen.
I. Auch die zweite Beichräntung, auf Abſichts ſätze aus—
ſchließlich, wie fie Wuſtmann ©. 186 fordert, ift nicht gerechtfertigt.
Allerdings jünger ift die zweite Anwendung an Stelle von Folge:
fägen, und zwar zunächſt nach Bezeichnungen der hinreichend
oder ber zu hohen Stufe; fie entſpricht franzöfiihem pour an
gleicher Stelle und iſt erjichtlich eine Frucht franzöſiſcher Lektüre
und der Nahahmung des Franzöſiſchen namentlich im 18. Jahr:
hundert.
1. Bieland hat z. B.: Du kennſt mich zu qut, um eine jolche
Probe nötig zu haben, und: die Frage ift, ob er den Unterſchied
deutlich genug einfieht, um zu wiſſen. Ähnlich Schiller: Sie
waren des Zuftandes der (Freiheit bereits zu jehr entwöhnt, um
ihn mit Mäfigung auszuhalten, oder: das Heer gab dem Grafen
von Megen genug zu thun, um ihn zu hindern, die Proteftanten
zu beunruhigen.
2. Ja, Schiller geht auch ſchon über diefen engen Rahmen
hinaus, wenn er außerdem z. B. jchreibt: E& war nichts Neues
— — — — — — — — — — — — — — — — — — — —
geſchehen, um dieſes außerordentliche Mittel zu rechtfertigen
(— was... hätte rechtfertigen können). Ähnlich wollen ſolche
Stellen bei Dürcheim beurteilt ſein: Die übrigen Straßen er—
mangelten der Brücken, um über die Waldbäche zu ſetzen. —
Ich ertundigte mich, was der Geſangene begangen hätte, um ſo
ſtreng behandelt zu werben.
3. Auch die Nennformen mit um zu und ſcheinbar über-.
flüſſiger Verneinung erklären ſich aus dieſer Anwendung ſtatt
eines verneinten Folgeſatzes; z. B.: das Volk Hatte von den.
Franzofen genug zu leiden gehabt, um nicht fehnlich zu wün—
ichen, ift jo viel wie: als daß es nicht jehnlich gewünſcht hätte.
4. Der allemeuften Zeit dagegen gehört e8 an, daß ſich bie
Fügung mit um zu auch auf ſolche Folgefäge ausgedehnt hat,
welche im übergeordneten Sape durd) ein jo, derart, jold u. ä.
vorbereitet find: die Bewachung des Gefangenen wurde derast
verjchärft, um ihm jeden weitern Berjuh zum Entlommen als
zwecklos erſcheinen zu laſſen (C. W. in der Tägl. R.), und ähns
lich ſchon recht oft: Der allgemeine Wohlitand hat ſich jo ges
hoben, um auc eine Wufbefjerung der Beamtenftellungen zu
fordern.
Was giebt nun zur Beurteilung des Falles II die Geſchichte
unjrer Fügung an die Hand, ja was berichtet fie überhaupt ?
Im Hd. fehlt diefe Ausdrucksweiſe noch gänzlid. Aus dem
15. Jahrhunderte fenne ich nur Wunderlichs Beiſpiel aus dem
Hop des in der zweiten Hälfte desjelben lebenden Steinhöwel
(Ausg. von Öfterfey 41, 22): bat in umb pfürd ze mieten, und
ebenfo nur eines in den vielen Schriften Luthers, dem es Franle,
Schriftipradhe Luthers, $ 320 fogar ganz abſprach, nämlich Wei-
marer Ausg. VI, 7, 13: der nit gerne arbeytt umb seyn brott
zu erwerben. In Baulis Schimpf und Ernſt v. 3. 1519 kommt
nad) meiner Beobachtung Überhaupt fein derartiger Fall vor.
Häufig wird die Ausdrudsweife erft gegen das Ende bes 16. Jahr:
hunderts; das zeigt fich deutlich an Kirchhoſs Wendunmuth. In
dem erjten joviel gedrudten Buche v. J. 1562 (= Dfterleys
Band I) ſteht, ſoviel ich ſehe, ein einziges Beifpiel S. 126: ein
hackenschütz ,.., der auch umb mülenstein zu holen nit die-
sen weg hett fürgenommen. Und diejes Beijpiel verrät noch
gleich deutlich wie das Gteinhömeliche und Lutherſche die Ent:
jtehung der Fügung aus einer durch Häufung der Spracdmittel
herbeigeführten Zuſammenſchiebung. Wie nämlid) umb mit dem
4. Falle allein gemügte, den Mittelpunkt eines Strebens und
Thuns anzugeben, jo genügte auch zu mit der Nennform allein,
Biel und Zwed desſelben zu bezeichnen. So fteht noch bei Mo—
ſcheroſch (Bobertag 31, 8): underwegs hab ich in den Itinera-
rüs..... umb künfftige Nachricht gelesen, wofür wir heute jagen
wirrden: um fünftig davon Nachricht geben zu fünnen; und anber-
ſeits, wie taufendfac) noch, auch als jhon um zu üblich ift, blohes
zu: zuletzt ward, weiterm unglück vorzukommen, die sach
dahin betädiogt. Noch bezeichnender find vielleicht Stellen, wo
beide Fügungen noch jelbjtändig und gleichwertig neben einander
ftehn, 3. B. wenn Kirchhof in der Vorrede zum 2. Buche, S. 4
erflärt, er jei willen das ander buch Wendunmuth in druck
zu fertigen... wie umbanmütigkeit zur tugend, so auch
untugend und lästerhafftigst zu fliehen. Es war fein weiter
Schritt, daß man beide Ausdrudsmittel häufte, zunächſt aber, wie
die angeführten und die nächiten Beilpiele zeigen, immer nod)
in der Weile, daß hinter um(b) ein 4. Fall jtand. Die Sad)-
angabe ift gradezu noch als die Hauptfache und die Nennform
nur als nachträglich angejhobene Erweiterung fühlbar bei Kirch—
bof II, 365: über mehr denn sechs wochen bate ich auch den
Grellen umb denselben peltz mir zu leihen. olljtändiger
Y
139
ift die Zufammenfchiebung ebenda 494: allererst fing er wider-
umb starck an, bey ihr, um seinen willen zu vollbringen,
zu solicitern; III, 194: sie ... verheilsen ... soviel pater-
noster ... für die im fegefouer sitzen zu sprechen. umb ihre
erlösung desto eher zu erlangen. IV, 161: die haben sich,
umb den newen keyser zu retten ... fleissig bemühet. —
Kein Wunder, daß das Gefühl für die uriprüngliche Bedeutung
von um allmählich, ſchwand und in der Verbindung um —+ Haupt⸗
wort oder andere Erweiterung + zu mit Nennform ein Mittel
ichlechthin gefunden ward, die Infinitivfonjtruttion ähnlich wie
den Nebenjag zwiſchen ein einleitendes Wort und die Verbalform
einzufchließen. Diefer legte Schritt umd die Loslöfung von der
alten Entftehung durch Zuſammenſchiebung ift geichehn, als Kirch⸗
hof in der Einleitung zu feinem 7. Buche (IV, 224) jchreibt:
umb euch, meinen freundlich und lieben gevattern ..., nach
gefallen zu leben. Diejes Beifpiel aber fteht, wohlzumerfen!
in einem der jechs jpätern Bücher, die erjt 1601 veröffentlicht
worden find.
An »Moſcheroſchens Gejichten« ijt dann die Aufammen-
ſchiebung der beiden jelbftändigen Ausdrudsmittel zu einer eins
heitlichen übervollen Fügung noch weiter gediehen und auf engern
Raum nod) häufiger, wenn jchon auch hier das bloße zu in
gleicher Bedeutung noch vielmal überwiegt. Höchſtens zweimal
ericheint um zu bier neben einem Thätigteitswort, zu dem es
auch ohne Ergänzung durd die Nennform gefügt fein
fünnte: dass er umb Kundschaflt zu sagen für den Helden -
Rath erscheinen solte (391, 8 vgl. mit 31, 13 umb künfftige
Nachricht iu den Itinerariis lesen) und 284, 7: der Viehtreiber,
umb einen besseren Marck zu erhalten, verriethe uns bei
60 Ochsen. In den andern Füllen ift die Möglichkeit, um zu
einem 4. Falle allein zu fonftruieren, ausgeichlofien, oder es
ſtehn ebenjogut Umstände und ganze Sätze wie nicht® zwiſchen
um und zu: als ich zur Thür nahete, umb hinein zu sehen
(257, 1); wir hielten uns gar still, umb-die Leute ... sicher
zu machen (272, 21); dass die Bürger ... eben an dem Ort,
.. umb daselbsten herumb desto sicherer zu seyn, ... die
Maur mit Immen-Körben besetzen lassen (319, 1); in dem
weisete er mir einen silbernen Töffel, der auf dem Thresor ge-
legen war, auff welchen er, um denselben zu erhaschen, die
Hand-Schuh geworffen (329, 7); (es...) wurde nach Meintz
geschickt, umb zu sehen (373, 29); demnach es eine Staats-
Notdurfft erachtet worden, ... Philanders... zwey Gesichten-
Bücher überlesen ... zu lassen, umb, was in denselben zu
ändern sein möchte, zu ersehen (398, 15).
Die Betradhtung Kirchhoſs und Mofcheroichen® ergiebt alſo:
die Fügung mit um zu liegt von der 2. Hälfte des 15. bis über
die Mitte des 16. Rahrhunderis hinaus nur in ganz ſpärlichen
NAnfäpen vor, und erjt im lepten Drittel des 16. Jahrhunderts
ift fie immer bewuhter zu einer durd ihre Häufung der ange:
wandten Mittel beionders wirkſam ericheinenden einheitlichen Aus—
drudsmeife für Angaben des Zweckes umgebildet worden, die
gegen die Mitte des 17. nicht überwiegend, aber, als bequem
befunden, gelegentlich ichen im fürzeiten Wendungen vorfommt.
Doch in allen angeführten Beifpielen drüdt die Fügung
Streben und Abſicht aus; wie jteht es alio mit ihrer Ver—
wendung zur Bezeichnung der Folge? Mus der ältejten Stelle
oben bei Steinhöwel: er bat um pfärd ze mieten, fönnte man
allerdings erweiſen, datt bier beide Anwendungen im Keime neben
einander liegen, da die Stelle jehr wohl auch ausgelegt werden
fann: um Pferde, die er mieten fönnte. Immerhin ijt das,
was die Entwidlung der Fälle unter II, 1—3 gezeitigt bat,
Zeitfhrift ded allgemeinen deutfhen Spradvereind, 189, Nr. 7/8,
140
jedenfalls romantischer Einfluß geweien; aber auch wenn man
jene Doppelnatur des Steinhöwelichen Beiſpiels nicht zugeben
wollte, müßte man anerkennen, dak in den jüngern Fügungen
dem alten Stamme ein verwandtes Reis aufgepfropft worden it;
fo nahe ftehn ſich Abficht und Folge oder, was dasjelbe iit, die
gewollte und die nicht gewollte Folge. Die Klaffiter alfo, melde
diejen Fligungen für immer das Zeichen des Echtdeutſchen auf:
gedrüdt haben, haben einer ganz natürlichen Entwidlung nad)
gegeben, und von feiten des Geſchmads läßt ſich auch nichts da-
gegen einmwenden.
Anders jteht e8 mit den Beiſpielen unter II, 4. Die Sprach
geſchichte zwar giebt fein Hecht, fie ſchlechthin als umrichtig zu
bezeichnen; denn wenn die Nennform mit um zu für eine Reihe
von Folgeſätzen zum berechtigten Ausdrudsmittel wurde, iſt es
natürlich, daß diefe Fügung nicht auf einen folchen Ausſchnin
bejchränft blieb, fondern allmählich das ganze Gebiet diefer Sähe
überwucherte. Nur braucht, was ſich geſchichtlich erklären läßt,
deshalb noch nicht dem Geſchmacke eines fjorgfältigen Stiliften
genehm zu fein; und dem werden folde Fügungen immer
widerſtehn als — Miſchfügungen. Denn das ift es, wenn bie
Fügung mit um zu, welche ohne Vorbereitung auf die Zwed—
angabe im übergeordneten Satze üblich ijt, an die Stelle der:
jenigen mit da tritt, welches das natürliche Mittel iſt, eim
Demonjtrativ des Hauptſatzes in den verichiedenften Bedeutungen
(darum, dadurd, dazır, jo u. ä.) aufzunehmen.
III. Auch bei den Folgeſätzen hat jedoch die Wucherung der
Fügung mit um zu nicht Halt gemacht, jondern üppig ſchießt fie
feit allerjüngfter Zeit über alle Süße hinweg, in denen eine
Weiterentwidlung und der Abſchluß einer Sache angegeben wird,
mag diejer auch am ganz verfchiedenem Orte und zu ganz andrer
Zeit erfolgen. Man vgl. bei Bornhak, die Fürftinnen auf dem
Throne der Hohenzollern: die junge Fürstin wurde dort von (den
und den) empfangen, um am 27. Juni nachmittags in Berlin
einzutreffen, und: dann lachte wohl der kindliche Frohsinn
auf, am bald wieder desto schwerer niedergedrückt zu
werden. Nuc ein Germanift jchreibt: Schon mittelhochdeutsch
war aus gleicher Quelle möment entlehnt worden, um aber
(!) nachher wieder zu verschwinden. Ein neufter Roman-
ſchriftſteller, 8. Jaenide, bietet: Frau Pfotenhauer rang verzwei-
felt die Hände, um gleich darauf sich mit dem süfsesten Lächeln
nach den Eintretenden zu wenden, und Nodenberg: Ein Paar Ge-
spanne machen vor der Universität Halt, um gleichgültig wei-
ter zurollen, wenn ein Herr ausgestiegen. Ja felbft P. Cauer,
der ein entjprechendes lateiniiches ut als ein Majeſtäteverbrechen
gegen die lateiniſche Sprache verurteilen würde, geſellt fich ihnen
bei: Grimm hat... wieder in der Deutschen Rundschau ge-
antwortet, wo er ... das heutige Deutsch und das heutige
Schullatein in der allmählichen Entwicklung mit einander ver-
gleicht, um schliefslich den früheren Vorschlag ... noch
einmal zu empfehlen. Namentlich it Ähnliches in Zeitungen
zu finden, von ſolchen Börſennachrichten an: »Die Papiere fallen
rasend schnell, meist um nicht wieder zu steigen«, bis
zu der Ungereimtheit in der Zeitfchrift des Deutfchen und Oſter⸗
reichiſchen Alpenvereins: Hieran schloſs sich die Festtafel, zu
welcher vier Tafellieder vorlagen, um später einem lustigen
Tanzreigen Platz zu machen.
Die Sprachgeſchichte Hat aus früherer Zeit fein ſolches Bei—
fpiel gebucht; man mühte denn ein denn doch anders geartetes
in Schillers 7. Philoſ. Briefe dafür gelten lafien: » vielleicht dürf-
test du nur ganz dir selbst überlassen sein, um früher oder später
mit deinen Lieblingsideeen wieder ausgesöhnt zu werden — und
141
du würdest ausgesöhnt werden.« Die Erklärung dieſer Thatſache
iſt einfah. Man ſchrieb früher überlegter und bemühte fich red-
licher, jedem Gedanfen die entjprechendite Form zu geben. Dazu
bedeutet es wahrlid; daS Gegenteil, wenn man eine neue jelb-
ftändige Handlung in eine Fügung zwängt, die gemäß ihrem
nachweisbaren Herauswacjen aus einer Umftandsangabe nur
geeignet ift, eine Handlung anzufnüpfen, die mit einer vorhers
gehenden als Zwed oder Folge unmittelbar zujammenhängt.
Man verwifcht damit zugleich den geichichtlich feit geprägten
Eharalier der Wendung mit um zu und verjtöjt gegen ein Ge—
jeß jedes Stils, wonach beliebig weiter führende Gedanfen nicht
zu einer Nebenangabe des Zwecks ober der Folge herabgedrüdt
werden dürfen, jondern in weitere je nachdem jelbjtändige oder
beigeordnete Säße zu Heiden find. Am allerwenigften wird man
der Forderung eines ſchönen, in der Mannigfaltigkeit beftimmten
Stils gerecht, wenn man ſich der Nötigung, der Mannigfaltig-
feit der Ereignifie gemäß auf je und je pafiende Anknüpfungen
zu denfen, bequemlic überhebt und ftatt geforderten Wechjels
ein eintöniges Einerlei verwendet. Darım wäre es ſchon beſſer
gewejen, Wuſtmann hätte fid) S. 188 nicht auf eine fo gelinde
Bamung beſchränkt: »Borfichtig muß man auch mit einer andern
Anwendung des Inf. mit um zu fein... eine Schidſalsbe—
jtimmung, ein Verhängnis in die Form einer Abficht zu Heiden «;
und noc viel weniger hätte Andrejen, 5.139, dieſe Fügung gar
rechifertigen jollen; die obigen Beifpiele zeigen ja zur Genüge,
welde Früchte eine ſolche Einführung des Schidjals in die Satz⸗
fügung gezeitigt hat.
IV. Für einen fauberen Stil zum Teil ebenfall$ unerfreulic
iſt endlid; das Hinübergreifen der Fügung mit um zu auf das
Gebiet des Infinitivs mit bloßem zu, joweit biefes im Erjape
von Attributiv⸗ und Subjtantivfägen beftcht, Denn von biejen
ift wenigjtens für die Ergänzung von Eigenihaftöwörtern auf
die Frage wozu? ſchon vom Ahd. und Mhd. her der Infinitiv
mit bloßem zu allein berechtigt (Nib.: müelih ze sagene), und
auch nad) Hauptwörtern entjpridt dem Genetiv von Subitantiven
(3. B. das Recht der Selbftbeitimmung) auf die Fragen
wozu? und was für (ein)? althergebracdhter Weije diejelbe
Auadrudsweile (das Recht, über jich jelbjt zu bejtim-
men). Richtig hat alſo z.B. Goethe gejchrieben: dafs wir uns
aus leerer Furcht die Mühe gegeben hätten, zu Fufßs zu gehen.
Dagegen ijt in den folgenden Beijpielen das um ſalſch, weil das
durch das Ausdrudsmittel für einen Umftandsjap der Abficht auf
einen Aitributivfag übertragen wird. Dies alles liefs uns keine
Zeit, um unwohl zu werden und So wurde der Insurrektion
kein Vorschub geleistet, um sich zu verbreiten (v. Dürdheim).
In der Absicht, um zu gehen (R. Fr. Pr.). Doch denkt
kein dortiges Blatt daran, um auch seinerseits eine Vermehrung
der heimischen Armee vorzuschlagen (Zitt. Nadır.). Er ist
nicht fühig, um es zu begreifen. Der Soldat Manteuffel war
nicht dazu geeignet, um in diese Stellung eines Staats-
manns und Regenten berufen zu werden. Der folgende
Tag wurde dazu benutzt, um die Stadt kennen zu lernen
(v. Dürdheim).
Etwas anderes ijt ed, wenn ſolche Hauptwörter mit dem
Thätigfeitsworte zufammen einen mehr oder minder einheitlichen
Begriff bilden und dadurch ihre Kraft, ein Mitribut bei fi) zu
haben, auf die ganze Verbindung übertragen; denn daraus er-
wöächft die Möglichkeit, wohl verjtanden Möglichkeit, nicht Not—
wenbdigfeit, dasjenige, was beim Subjtantiv allein als Attribut
(mit bloßem zu) ftehen mühte, zu diefer Verbindung ald — lm:
jtand (mit: um zu) zu jegen. Das it fo nicht allein im Deutfchen,
Zeitſchrift des allgemeinen beutfhen Sprachvereius. 1894. Nr. 7/8,
142
fondern beiſpielsweiſe auch bei der in ihren fontaktifchen Fügungen
gewiß feſt geregelten fateinifhen Sprade. Man vergl. con-
silium bellum in Italiam trausferendi und consilium inire
bell. in It. trausferre oder datur occasio Servi eriminandi
(Livius) und dare occasionem ut dicamus (Cicero). Ge—
wöhnlid; verliert das Haupt oder Eigenfchaftwort dann auch
die behertſchende Tonwelle, indem es den Hauption an ein
anderes Satzglied abtritt, und der an fich immer als Subjtantiv-
faß auffaibare Gedanke fällt unter den Gefichtspunft eines Um:
ftands des Zweckes: vgl. das Erscheinen des Statthalters beweist,
dals derselbe keine Gelegenheit versäume, um zur Bevölke-
rung in persönliche Beziehung zu treten (Köln. 3.). — Der
eigentlich geistreiche, verständige Mann müßste eifrig bemüht
sein, um nur(!) wieder auf den Grund des reinen, guten
Textes zurückzugelangen (Goethe). So durdaus bei es gehört
dazu (= iſt nötig), und gewöhnlich auch bei es fehlt: es ge-
hörte die ganze Unabhängigkeit und Energie ... der Herzogin
dazu, um nicht an dem Unternehmen zu scheitern (Robden-
berg). — Es fehlte ihm, um Staatsmann zu sein, der scharfe,
klare Blick in die Zukunft (v. Dürdheim). —
Soviel über die Nennform mit um zu; und nur beiläufig
eine Andeutung über die verjchiedene Entwidlung ihrer äußerlich
ähnlichen Verbindung mit ohne zu. Dieſe iſt noch jünger als
jene, wenigitens in häufigerer Anwendung. Nod) bei Moſcheroſch
z. B., der um zu jchon jo reichlich bot, jteht nur ohne viel Wort
machen wurden sie gebunden (264, 16); ohne Licht anzünden
(299, 20); ohne weiteres anhören (375, 41). Aber dem 18. Jahr⸗
hundert, wie ed nad Grimms Wörterbuch VII, 1216 f. fcheinen
fönnte, wird der Erjaß der Süße mit ohne daß durd) die Nenns
form mit ohne zu gleichwohl nicht erſt verdankt, fondern ſchon
i. 3. 1601 jchrieb Kirchhof (II, 508): sie... nam ihren lauff
gestracks und mit allen kräfften, auch ohne hinder sich zu
sehen, nach ihrem dorff. Die Häufung der Präpofitionen erklärt
fi hier natürlich umgefchrt, indem vor dem urſprünglich fub-
ſtantiviſch gefahten und wirflih von ohne abhängigen Infinitiv
zu erjt ſpäter eindrang, und zwar ficher unter Anklang an die
Fügung mit um zu. Übrigens ging damit für den einen be
fondern Fall die Entwidlung nur den alten Weg aus dem reinen
Infinitiv zum präpofitionalen weiter (Grimm, Gramm. IV, 107),
auf dem man ſich früher auch um zu erflärte, und führte damit
aus jubjtantiviicher Gebundenheit zur freien Mannigjaltigteit ver-
baler Fügungen.
Nachtrag. Worauf id, jahrelang vergebens aufgemerft habe,
das hat mir hinterher zufälliges Leſen in Gellerts „Leben der
Schwebijhen Gräfin» in den Schoh geworfen; ein älteres
Beiipiel für die III. Gebrauchsweife von um zu. Dort im 1, Teile
jteht: wir brachten Marianne auf ein Bette, und sie erholte sich
aus einer Ohnmacht, um in die andere zu fallen. Zur
Steuer der Wahrheit glaubte id; dieje Stelle mitteilen zu müfjen;
mein Urteil über diefe Anwendung ändert ſich um ihretwillen
natürlich nicht.
Bittau i. Sadjen. Dr. Theodor Matthias.
Don der »puriltiiben Modekrankheit« oder „..!
Die Kunſt des Überjegens ift wahrlich feine leichte, und
wer, wie der ſtieler Gymnafialprofefior Paul Cauer, ein Hilfs:
buch für den Sprachunterricht über jene ſchwere Kunſt zu jchreiben
verfteht, verdient fih den Dank der Fachmänner. Aber der
deutſche Schulmann jcheint doch in einem bedauerlichen Srrtum
befangen zu fein, wenn er nicht nur dem Fremdworte bad
143
Wort redet, ſondern geradezu ſich als ein Gegner auch aller ver-
nünftigen und gemäßigten Sprachreinigung geberdet. Auf Seite 15
feiner Schrift *) werden unter der Seitenüberichrift » remdmwörter«
folgende, niedriger zu hängende Forderungen aufgeftellt: »Sollten
dabei, was leicht geichehen lann, einzelne Schüler vor den Fremd—
mwörtern zurüdicheuen, fo giebt das eine erwünſchte Gelegen—
heit, ber puriftifhen ModefrankthHeit mit einer fräftigen
Barnung entgegenzumirfen. Das wird ja niemand
empfehlen oder auch nur dulden, daß enormis mit »enorme«, ab-
solvere als sabfolvierene, eleganter durch »elegante, praetendi
und revisit bei Bergil (Mn. IV 339. 396) mit »prätendieren« und
»rebibierene wiedergegeben werden. Am wenigften wird man bem
Tacitus dergleichen aufdrängen dürfen, ber jelbit in feiner Sprache
die Fremdwörter forgfältig mied; alfo darf bei pensavisset
(Ann. II 26) niemand an »fompenfierene benfen, hostium arte
infectus (II 2) ift nicht »inficiert«, fondern »getränft« oder »anges
ftedte. Aber wir würden Heinmütig den Befig verleugnen, den
unsere Mutterfprache für und erworben bat, wenn wir für ex-
ploratores, publicare, salus, studium, temptare auf Wörter wie
»Patrouillen, konfiscieren, Eriftenz, Intereſſe, fondierene verzichten
oder und quälen wollten, an Stelle des »Antriganten«, den die
Römer factiosus nannten, einen »Parteifüchtigene zu erfinden.«
In dieſem Sinne geht es weiter: »Chancen« bieten, »jtrategiiche,
»Portione, »Qurushundee (diefe beiden Ausdrüde in Homers
Ddyfjee!) werden empfohlen; allerdings ift der »fich genierende«
Bettler nur zur Erläuterung berbeigerufen; »dem deutjchen Zert
würde er eine faloppe Färbung geben, die man nicht wünjchen
fann.« Wirklich? Es fommt aber noch ihöner. So Seite 33/34:
»Beim Mahle der Phäaken ſchickt Odyſſeus dem Sänger ein ſchönes
Das foll heißen: damit ich ihm Tiebevofl
behandfe uſw. . . . Und doch können wir die Grundbedeutung fo
ziemlich feithalten: »Dak ich mich bei ihm einſchmeichle.« Noch
treffender wäre »mich infinuiere«; und wenigſtens als Beiſpiel
werben wir e8 heranziehen und dem Schüler zugleich die Falten bes
Gewandes und, wieder einmal, den Nutzen der Fremd—
wörter anfhaulidh maden.«
Wir verwahren uns ausdrücklich gegen folhen Nuten, werden
es aber freilich) damit bei Herrn Eauer völlig »verihütten«. Man
verftehe mich nicht falich: die Gefahr liegt wejentlich darin, daß
das heranreifende Gejchlecht, junge, in der Entwidlung befindliche
Leute, durch das Anſehen des Lehrers beeinflußt, fpäter die Neihen
derer verftärfen helfen, die den hohen nationalen und idealen
(auch zwei Fremdwörter, aber hier imentbehrlih!) Wert unferer
Spradywereinsbewequng beläceln und befämpfen.
Der Berfaffer hat ein ſonſt höchſt danfenswertes Buch ge
ichrieben, ift überhaupt ein ſehr verdienter Gelehrter und tüchtiger,
beliebter Schulmann. Aber gerade darum halten wir es für unjere
Pflicht, im unſerer den weiteften Kreiſen zugänglichen Zeitichrift
auf die ernften Gefahren aufmerkiam zu machen, die die Betonung
eines jo einfeitigen Standpunktes in fich birgt.
Wie ſchön heißt es nicht in der auf S. 10 aus Luthers
»Sendbrief vom Dolmetſchen-⸗ angezogenen Stelle: »Man muf
nicht die Buchftaben in der lateinifchen Spradien fragen, wie man
ſoll deutjch reden, wie dieje Ejel thun, jondern man muß bie
Mutter im Haufe, die Kinder auf der Gaffen, den gemeinen
Mann auf dem Markt drumb fragen und denjelbigen auf das
Maul jehen, wie fie reden, und darnach dolmetichen, fo verftehen
*) P. Cauer: Die Kunst des Übersetzens. Ein Hilfsbuch f.
den lat. und griechischen Unterricht. Berlin 15.
Zeitfärift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. 1894. Nr. 7/8.
144
fie e8 denn und merfen, da man deutſch mit ihm redete —
So gehet denn Hin und thuet deögleichen.
Blankenburg am Harze. Günther NM. Saalfeld.
Den vorftchenden Ausführungen unferes verehrten Mitgliedes
fünnen wir in der Sache nur beiftimmen. Der Hinweis auf einen
Nupen der Fremdwörter, der barin gelegen wäre, daß fie die den
Worten einer fremden Sprache zu Grunde liegenden Anſchauungen
lebendig machen, ift entweder eine unliberlegte Gelegenheitäwen-
bung, ober fie zeugt davon, daß auch heute noch geiftvolle, den-
lende Bertreter der klaſſiſchen Bhilologie ſich über die ihrem Ges
biete und ihrer Wirkſamkeit gezogenen Grenzen im lntlaren
befinden fünnen. »Die Falten des Gewandes anichaufich zu
machen« gehört im die lateiniſche Lnterrichtäftunde; wenn ber
deutſche Schüler deutich reden foll, geben ihn die Falten der
Toga nicht das mindejte an — er trägt feine, Nach diefer Melodie
ließe fic die Herübernahme jedes in jeiner Bildlichkeit noch einiger-
maßen durdfichtigen fremden Wortes rechtfertigen. Wir fürchten nicht,
daß diefer, fo viel wir wiljen, von Cauer neuentdedte Nutzen der
Fremdwörter werbende Kraft entialten lönnte, aber etwas anderes
müffen wir allerdings beforgen. Cauers oben erwähntes Bud
ift nach jeinem fonftigen Inhalte über die Fachkreiſe hinaus leſens⸗
wert, obendrein hat der Berfafjer neben den Fachgenoſſen auch reifere
Schüler als Leer im Auge. Wie fann es fehlen, daß ſolche mit
Entjchiedenheit ausgeſprochene abfällige Urteile, die auf filberner
Scale dargeboten werden, namentlich auf die jugendlichen Gemrüter
ihre Wirkung ausüben. Wie gerne eignet ſich die Jugend, die,
wo fie frifch, leicht zur Oppofition neigt, abfällige Urteile iiber
Dinge an, die von den Erwachſenen oder einem Zeile berfelben
geihägt werden. Wäre nicht ohmehin bekannt, mit welcher Zäbig-
feit alle Dogmen haften, auch wenn fie innerlich längft morſch
geworden, jo mühte es auffallend genannt werden, da Cauer
nicht gewahrt, wie feine Haltung gegenüber der Fremdwörterfrage
nicht® anderes ift als der Verſuch, das Dogma vom vorbild-
lichen Haffiichen Altertum in feiner Beziehung zur Landes:
ſprache, mwenigften® an einem Hipfelchen feitzuhalten. Won dem
älteren Humaniftenaberglauben, daß fich die Landesſprachen nad
den Haffiichen zu bilden und zu regeln haben, ift wohl heute
nicht mehr die Rede — abgeſehen vielleicht bei einigen Querköpfen,
bie nicht mitzählen. Aber auch die Gleichgiltigleit gegen die
unwillfürlide Mafregelung der Mutterſprache durch
Latein und Griechiſch, wie fie bis zur Gegenwart herab bei den
Lehrern der Haffiihen Sprachen vielfach vorhanden geweſen, ift von
Eauer völlig überrounden. Es bedurfte gar nicht feiner ausdrüd-
lichen Verwahrung dagegen (S. 8), fein ganzes Buch bekämpft diefe
Gteichgiltigkeit, denn es will zeigen, daß nicht ſchon deutſch ge—
redet ſei, wo deutiche Worte gebraucht werden, daß die liber-
fegung fein fünftliches Latein» Deutich oder Griechiſch-Deutſch,
fondern lebendiges Deutich fein müſſe, und es will die Wege
weifen, auf denen man dazu gelangen könne. Was aber den
Wortgefügen recht it, das foll dem einzelnen Worte nicht
billig jein. Als ob die naturwidrige Autländerei, die fich im der
Nachbildung lateinifcher oder griechischer Wendungen und Wortge:
füge fund giebt, irgend wejentlich verichieden wäre von der, die
unnötig fremde Worte im die dbeutiche Mede mengt. Daß Worte
wie confiscieren, Exiſtenz, Antrigant, infinuieren,
Ehancen wirklich ein unentbehrlicher Bejit feien, »den die Mutter-
ſprache erworben bat«, daß fie, wenigitens unter Umftänden nicht
entbehrt werben können, ohne den gemwollten Gedanken zu jchädi-
gen, und in biefen Füllen darum angewendet werden müſſen — da—
Die VO. Saupfverfammlung
des
allgemeinen dentſchen Spradvereins
findet am 19. und 20, Auguſt 1594 zu Koblenz itatt.
——— He
Feft- und Tages- Ordnung.
Sonnabend, den 18. Auguit, abends 7 Uhr: Vorfeier im Garten des Civillafinos. Begrüßung durch die Direktion.
Konzert. Liedervorträge des Männergeiangvereins »Konkordia«.
Sonntag, den 19. Auguit.
9 Uhr morgens. Erſte geihäftlihe Sigung in der Aula des Kaiſerin Auguſta-Gymnaſiums.
Tagesordnung:
Eröffnung und Begrühung der Verſammlung durch den Vorfigenden des Geſamtvereins und den
Vorſitzenden des Zweigvereind Koblenz.
Prüfung der Vollmadıten. (Wal. Ausführung 1.)
Vericht des Vorfigenden über die Wereinsthätigfeit im verfloffenen Geidäftsiahre.
Bericht der Rechnungsprüfer über die Rechnung des verflofjenen Geihäftsjahres und Erteilung
der Entlajtung. (Dal. Ausführung 5.)
Wahl von Prüfen für die Rechnung des laufenden Gejchäftsjahres.
Vorlegung eines Voranichlages für das fommende Geichäftsjahr.
Wahlen zum Gejamtvoritande. (Vgl. Ausführung 2.)
Beiprehung über den Ort der nächſten Hauptverſammlung.
12 Uhr. Öffentliche Sitzung.
1. Begrüßung dur die Stantsbehörde und die Stadtbehörde.
2. Verkündigung des Preisrichteripruches betr. Yöjung der Preitaufgabe „Unſere Mutteriprache, ihr
Werden und ihr Weſen“.
3. Vortrag des Herrn Dr. Friedrich Kluge, ordentlichen Profeſſors an der Univerfität Freiburg i. Br., über
„Die Fremdmwörterfrage im Lichte der deutihen Sprachgeſchichte“.
Uhr. Feſtmahl im großen Saale des Civiltafinos.
Uhr. Spaziergang durch die Nheinanlagen zum »Ritteriturz«.
71/, Uhr. Abendfeſt in den Rheinanlagen, gegeben von der Stadt Koblenz.
Montag, den 20. Auguit.
91/, Uhr. Zweite geihäftlihe Sitzung in der Aula des Kaiſerin Auguſta-Gymnaſiums.
Tagesordnung:
1. Vortrag des Herm GymnafialsOberlehrers Dr. Günther A. Saalfeld: „Was lann und was muß
zu des allgemeinen deutjhen Spracdvereins Wachstum und Gedeihen gethan werden?“
2. Etwaige Anträge des Sejamtvorjtandes und der Zweigvereine. (Bal. Ausführung 3.)
1Y/, Uber. Beſuch der Kellereien der Weinhandlung und Scaummweinfabrit von Deinhard & Co.
(Einladung des Haujes.)
3 Uhr. Feſtfahrt auf einem Sonderdampfer der Kölniſchen und Düfjeldorfer Gejellichaft bis zur »Yoreley«.
Das Schiff ift mit Küche und Seller verjehen. Es legt auf der Nüdfahrt in St. Goar an.
Hier Beſuch der Ruine Rheinfels.
Bei der Nüdfahrt bengaliche Beleuchtung der Stadt Koblenz und der Steinbrüche des Nellentopies.
Nach der Heimkehr: Zwangloje Bereinigung der Feitgenofjen im Neuen Franziskaner (Öoebenplag 5).
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Feitfarten werden nur an Mitglieder des allgemeinen deutihen Spradvereins und deren Angehörige
ausgegeben. Für jedes Familienglied ift eine Karte zu löjen.
Der Preis der Fejtkarte beträgt 5 Mark. (Vgl. Ausführung 4.)
Wir bitten unjre Freunde im Reiche wie in Oeſterreich herzlich und dringend, recht zahlreich zu der eriten
Hauptverjammlung zu fommen, die der Verein am deutichen Ztrome, am vebenumkränzten, jagenummvobenen Rheine
abhält. Ausdrücklich machen wir darauf aufmertiom, daß die Teilnahme von Damen an ſämtlichen zeitue
anftaltungen bejonders erwünscht üt.
Ausführungen.
1. Da nad) Sagung 21 bei der Hauptverfammlung fein Mitglied mehr als 20 Stimmen führen darf, aber
auch feines eine Vollmacht ohne Genehmigung des Auftraggebers an andere übertragen kann, jo iſt es — um
unnötige® Hin- und SHerichreiben zu vermeiden — wünjchensiwert, daß die Vollmachten, welche die Zweigbereine
außjtellen, von vornherein mit einem entjprechenden Zuſatze verjehen werden, jo daß fie etwa wie folgt lauten:
Vollmacht.
Am Auftrage des Vorſtandes des Aroeigvereins . erſucht der lnterzeichnete Herm -.
bie Vertretung des Zweigvereins bei der 7. Hauptverfammlung zu übernehmen.
Sollte das von uns durch biefe ichriftlihe Vollmacht mit unferer Bertretung beauftragte Mitglied ſchon 20 Stimmen
führen, alſo nad) der 21. Sapung feine Stimme mehr annehmen dürfen,
f dieje Vollmacht umgehend an den Unterzeichneten zurückſenden zu ‚wollen.
fo Bitten wir U dieje Vollmacht an irgend ein anderes Mitglied zu Übertragen, das an der Hauptverlammlung teilnimmt.
2. Der 6. Beitimmung unferer Gejchäftsordnung gemäß ſcheidet von den 36 Mitgliedern des Gejamts
vorjtandes jährlid der dritte Teil nad) der durch die Zeit der Wahl beitimmten Reihenfolge aus. Hiervon werden
zu Ende d. J. 1894, nachdem der Dichter Hand Herrig und der erite rechtöfundige VBürgermeiiter von München
Dr. Ritter v. Widenmeyer uns durd den Tod entriffen find, der Geheime Medizinalvat Profeffor Dr. Waldeyer
in Berlin aber aus unjerem Vereine ausgejchieden ift, noch folgende 10 Herren betroffen:
. Konrektor Profeſſor Dr. Hermann Dunger in Dresden.
. Berlagsbuchhändler Eberhard Ernit, 5. 3. Schatzmeiſter des Vereins, in Berlin (zugewählt für
den zurüdgetretenen Brofeffor Dr. Trautmann).
. Dr. Mar Jähns, Oberjtleutnant a. D., 3. 3. Vorſitzender.
. Dr. ®ilhelm Lauſer, Schriftleiter in Stuttgart.
. Dr. Otto dv. Zeirner, Schriftleiter in Berlin.
. Negierungs- und Schulrat Schieffer in Dsnabrüd.
. Karl Sedlak, Schriftleiter in Wien.
. Auguftin Trapet im Koblenz (zugewählt für den zurüdgetvetenen Kloſterprobſt Dr. Frhrn.
vd. Liliencron).
9. Freiherr von Ungern- Sternberg in Berlin.
10. Univerfitätsprofeffor Dr. Wadernell in Innsbrud.
Indem der Gejamtvoritand die Wiederwahl diefer Herren anheimjtellt, bringt er, auf Grund der Gejchäfts-
ordnung, außerdem noch folgende Namen in Vorſchlag:
11. Univerfitätsprofeffor Dr. Otto Behaghel in Giehen.
12, Univerjitätsprofefjor Dr. Oskar Brenner in Würzburg.
13. Geheimer Regierungsrat von Fritich in Kaſſel.
14. Dr. Paul von Hofmann-Wellenhof, Neihstagsabgeordneter in Graz.
15. Profeffor Dr. Friedrich Pfaff, Univerfitätsbibliothelar zu Freiburg i. Br.
16. Univerſitätsprofeſſor Dr. Alois Pogatſcher in Prag.
17. Dr. Wilhelm Rohmeder, Stadtichulrat in München.
18. Ober- und Geheimer Baurat Nüppell in Köln.
19. Poſtmeiſter Schmidt in Nürnberg.
20. Landgerichtsrat Scheerbarth in Ehrenbreititein.
21. Profeffor Martin Stier in Neuruppin.
22. Dtto Graf Vitzthum in Dresden.
23. Dr. Beitbredt, Pfarrer in Ulm.
24. Dr. Wülfing in Bonn.
DD
19mm w
3. Nechtzeitig geitellte Anträge werden, der Beitimmung 18 der Geichäftsordnung entiprechend, den Zweig:
vereinen anfangs Auguſt belannt gegeben werden.
4. Die Feitlarte berechtigt zur Teilnahme an allen eitveranitaltungen; insbefondere find der Preis
des Feitmahles (ohne Wein) und der für die Feſtfahrt einbegriffen.
Mit der Feſtkarte wird eine Feſtſchleife in den farben des Rheinlands eingehändigt. Die Teilnehmer
werden gebeten, die Feitichleife während des ganzen Feites zu tragen. Beim Abendfejte an der Trinthalle der
Rheinanlagen jowie beim Beſuche der Deinhardichen Kellerein muß die Schleife getragen werden.
Feſttarten können vom 3. Juli ab bei dem Schatzmeiſter des Zweigvereins Koblenz, Herrn Bankdirektor
Brouftin, in den Gejchäftsräumen der Mittelrheiniichen Banf (Negierungsitraße 11) vormittags von 10 bis 12 Uhr
und nachmittags von 3 bis 5 Uhr gelöjt werden. Gegen Einjendung von 5 Mark 25 Pig. wird die Feitlarte mebit
Schleife poſtfrei zugeſandt. Name, Stand und Wohnort des Seitteilnehmers find bei der Löſung oder Beſtellung
anzugeben. Die Zweigvereine können auch geichloffen als ſolche die von ihren Mitgliedern gewünjchten Feſi—
arten beitellen.
Der Verlauf der Feitlarten wird am 12, Auguſt abends geichloffen. Später einlaufende Beitellungen können
nur dann berüchichtigt werden, wenn nod; Platz vorhanden ift.
Etwaige Anfragen betreffend die Beſorgung einer Unterkunft find in bejonderem Schreiben frühzeitig am
Herrn Profeffor Meyer in Koblenz (Nlemensitrahe 3) zu richten.
” 0°. [° Mitgliederzahl
Bo» - *
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a. Rhein .
sberg (Proufs.)
‚shütte (Schles.) | o Marburg
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wfenden Jahre vor.
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1. Außerordentlihe Gaben, 5. T. von Ehrenförderern
rn
. Jabresbeiträge von 473 unmittelbaren Mit:
gliedern und zwar:
83 mit erhöhtem Beitrage Mt.
390 mit ie Beitrage
einjchl. Heiner Überihürfe —
540,47
1181,78
3. Beiträge von 169 Sweigbereinen
und zwar:
WE —— für das Jahr 1892:
ni ſelde De
nusbrucd 11,55 ME. — a
fen 4 IE, — —— 3 mt.
Saactonts * Mt. — Erotberg 6
6 A.)
. für das Sahr 1893:. . . .
Mi. 230,97
» 21 270,01
Aachen IB ME. — u I mt. — Wpenrade 30 Mt. —
Amsberg DM. — Arnſtadt 210 Mt. — Arnswalde 32 ME, —
Augebun, „um. — Aurxich 12ME — Ballenitebt HM —
Barmen 1S5 ME, — Berlins — 116 ME. — Bernburg
Id TU ME — Slontenburg
— een 486 Mi. — Boppa:
— Vraunſchwen 528 Dit, — Bremen 74 ME, — Breslau 104 Mt.
— Brudjal EM. — Brud 41, EM — "Brüffel 72m. —
Burtehude 54 Mt, — Gele 60 Mt. — Ghemnig 118 Mi. — Eier
nowip 75,05 Mt. — Darmitadt 35,90 Mt. _ in da —
Döbeln 58 U. — — * 3* — Dresden + _
{1} da — Seldelberg 84 IE,
Albronn 242 Mt. — Heiligenitadt 20 zu. — — 48 ar.
idesheim 136 Mt. — Holzminden 114 Mt. — 5* 2,06 Mt.
ort 72,85 Mt. — Innebruck 273,68 fiel
* 33 Dit. — Mmpen 110 Dt, — Het 170 Mt.
sıomt. — Kolberg DO Mt,
* 250,80 cp
— 32 Me. — Halberftadt_ 100 a — Halle ZTEME —
— soblenz
— Stolmar 10,10 Mt. — Köln
HE. — Köni 192 Mt. — Königähätte zn. — Jon:
Tanz 38 Mt. — Koichmin 58 ME. — Köthen SEM — un
123 ut. — Srems 179,50 Mt. — KArotoſchin 103 m. —
“om. — Lelpa GE,TEME — ng Tre m. — geltmerig
70,59 Mi. — Leoben LAT ME — r 46 Mt. — Binz
178,40 Mt. Lohr 64 Mt. — Lühed ft, — Magdeburg
am. — "Mailand Bot. — Mainz . — Marburg
2356,07 ME, — Marienburg EM. — Memel 70
M Mt. — Minden 104 ME. — Münden 24 Mt. — Nänden
IHM. — Fu 286 Mt. — Reunlirgen B2ME. — Neuer
ruppin 104 Mt. — RNeutitichein 54,28 Dit, — Norden 164 Mi, —
Rordhaufen DOM. — Nilrnberg 82 Mt, — Oldenburg 41,80 ME.
— Oppeln 6 Mt. — Dönabrüd 54 Mt. — Piorzheim 46
PBima DM. — — Um. — Plön DM. — Wolfen
02 me. — Vorsdam 286,05 Mt, — Brag 110,35 Mt. — Qued⸗
Inburg 106 MM. — Watiber 3 Mt. — Nelchenberg 192,41 Mt.
— Rofiot 42 Mt. — Saarbrüden 146 Mt. — Eaarlouis 78 Mt.
— Ejildberg 4 - — Ecleswig 68 Mt. — Schopfheim 58 Mt.
— Ecwerin 62 Mt. — gung 3 29 MM. — Eoberiheim
205 ME. un, tertin TIERE, — Stolberg
— Stealfund 59,0 Mt. — S
u. — Versmold 3 = — Wattenfceid, 2 au —
Vermelatirchen 6 Mt. — Weſel Mt. — Weplar 14
Bien 149,75 Dit, — Wiesbaden 64 En — Wilhelme haven 34 St.
— Wlämar 9,55 Mt. — Wolfenbüttel 4m. — Bolmirsieben
KM, — Worbls HM. nom 20 Mt. SE
# 165 ME. — Ziugau 104 t, — Bſchopau tl. — yo
eihten 64 Mt. — dan 76 RE.)
4. An Zinien - —
5. An Berihiedenem: Erlös für verfaufte Druck⸗
ſachen ulm. . . a ae are
— —
5 Ctüd 37,9%,
1 >
6 >» Ya Ye» a
5. Überfiht der Rechnung für das Iahr 1893.
Ausgabe.
a 4
3402/37 1. Allgemeine A B 1 186/47
1562 —| 2. Gehhätts
= Kari: ie Radbebarf. Mt. 233,—
b. Schreiberarbeiten und dazu |
RK ehörige Umdrude . W *
oten und Helfer » 111,—
1 722125 a Poſt und Fradten . 2052 76
| ©. Druckſachen zum Betriebe der
Bewegung (Aufrufe, Anſchlag⸗
| bogen, Sagungen ufm.) . =» 324,61
| f) Anderweitige Musgaben zu
demjelben Awede, Reifen um. » 1947,60| 5371132
3. Büderei - - 120/69
4. uptberfammlungen und Voritandsfigungen 384979
5. Die Zeitihrift:
21 500128 a. eitung und Schriftlohn . . ME.5019,12
| b. Heritellung im Drud » 5948,18] 10 96730
6. Die Bi nichaftligen Beihefte:
| ae! und Schriftlogn . . Mt. 840,—
| b. Herftellung im Drud » 2158,46| 2998.46
7. Die Berdeutihungsbüder:
| a. Vergütung org die Arbeiten m 152
| b. rn im Drud . . 245,34| 127034
“ Demnad) Saflenbekenn zum Übertrage | in "die |
Rechnung von 189 . . .] 338484
1}
I
a |
I /
f
U;
738 61 /
723170 /
29 640 21 29 64021
Raqweiſun⸗ des in Staatspapieren angelegten —— —
Deutſche Reichsanleihe Lit. B. Nr. 35491/95 je 2000 Mt.
Sn * preuß. DAHER: Staatsanleihe Lit. B. Nr. :
10000 ME.
217180. . 200 »
Lit. D. Wr. 328349/54 je 500 Mt. 3000 - »
Bufammen 15000 ME
Drr Gefamt-Vorftand des allgemeinen deutfhen Sprachvereins.
Miegel,
Vorfipender bis Ende 1892.
. Magnus,
Schapmeijter bis Ende 1893.
145
für ift Cauer den Beweis fchuldig geblieben und mußte ihm ſchuldig
bleiben. Möglich, daß es ihm vor 15— 20 Jahren geglüdt wäre,
wenigſtens nachzumweifen, da hervorragende deutſche Schrift:
fteller folder und ähnlicher Fremdworte nicht entraten zu können
ſchienen — heute würbe auch diefer Nachweis kaum noch gelingen.
Einiges hat ſich in den legten Jahrzehnten eben doc) geändert, jo
viel auch no zu thun übrig bleiben möge: Streben nad) Rein:
heit der Sprache, überhaupt Wertlegen auf die ſprachliche Form
ift heute feine Seltenheit mehr. Wenn Eauer, wie es jcdheint
die Fremdwörterreinheit des Tacitus nicht als eine Schrulle an-
fieht, jondern als etwas Berechtigtes anerkennt, das fogar bei
der Überfegung ins Deutſche durch Vermeidung der Fremd—
wörter zur @eltung gebracht werden foll — was in aller Welt
giebt ihm aud) nur einen Schatten von Recht, das gleide
Streben, wenn es heute nicht mur bei einzelnen Männern,
fondern als eine ftarfe Strömung in unferm Bolte auftritt, als
» Modekranfheite zu bezeichnen? Freilich Tacitus war ein Römer,
und wir find troß allem beutfche Barbaren. Beifällig hat Cauer,
wie oben erwähnt, die befannte Stelle aus Quthers »Sendbrief vom
Dolmetihen« angeführt, er findet mit Recht, daß fie einen glüdlichen
Fingerzeig gebe. Freilich denkt nun Quther bei den » Bucjjtaben
in der lateinischen Sprache an den Wortlaut der Vulgata — follie
er aber wohl erwartet haben, dem gemeinen Manne etwa fanzleiiiches
KRauderwälich oder Humaniftendeutich vom Maule abfehen zu fünnen?
Und waren die Fremdwörter, mit denen die Kanzleijprache da—
mals jchon ziemlich gefättigt war, — bereits 1538 klagt Aegidius
Tſchudi Über die Sprachmengerei der Kanzleien — weniger ein
»Belig, den die Mutterfprache erworben Hatte« ald die Fremd—
linge, die Cauer heute mit dem legten Stümpfcen des ehemals
fo weithin fchattenden Fittichs des klaſſiſchen Mitertums chend
bededen will? Luther wollte ehrliche deutiche Wörter erfahren
simplicia verba, non castrensia neo aulica, wie er ſchon 1522
an Spalatin bemerfte. Wenn Luther ohne unnötigen Aufwand
von Fremdwörtern die ganze Bibel jo verdeutichen fonnte, daß
in faft vier Jahrhunderten fein andrer Überjeper ihm zu übers
treffen vermocht hat, — follte da nicht Cauer beim Überfegen im
lateinischen und griechifchen Unterricht auch ohne confiscieren
uſw. mit einziehen, mit Beſchlag belegen, einbehalten;
mit Dafein, Beitchen (Stellung, Unterhalt); mit Ränke—
fchmied, unrubiger Kopf (e$ bedarf aljo des » Parteifüihtigen«
nicht; ein factiosus ift Übrigens meift nicht ein Intrigant jchlecht-
bin, ſondern ein politiicher Intrigant oder wie wir dafür jagen,
ein politifcher Nänkefchmied); mit ich einſchmeicheln, ſich ein—
beben uſw. ausfommen können ??
Berlin. Baul Bietic.
Urteil eines franzöfiiben Gelehrten über die
Sremdwortfrage.
In der »Reforme, der Monatsjchrift des allgemeinen Vereins
für vereinfachte Rechtfchreibung und des Vereins für Lateinjchrift,
teilt der Schriftleiter, Pfarrer Spiefer in Waldhambach (S. 37
d. 3.) folgende Stelle aus einem Briefe des befannten fran-
zöfiichen Phonetiterd und Sprachforſchers Paul Pafſy in
Neuilly a. d. Seine mit: »Mit Ihrer Stellung zu den Frembs
wörtern bin ich ganz einverftanden, bejonders bei einer jo geichmei-
digen Spradje wie das Deutiche. Meinem franzöfiihen Sprachge—
fühl ift es nicht minder widerwärtig, ein franzöfiiches Wort in einer
fremden Schrift ala ein fremdes in einer franzöfiichen zu finden;
das fremde Wort fcheint mir wie vermummt und entehrt.« In
Zeitſchrift des allgemeinen dentjhen Spradvereind, 1894. Mr. 7/8.
146
Reform): >» . . . Meine Üußerung über die Fremdwörter und
was Sie hinzufügen, dürfte nützlich fein, um einen in Deutich-
land wenig befannten Standpunft zur Geltung zu bringen.
Wie oft hörte ich auch ſolche Franzoſen, bie fein Wort Deutich
fprechen, über einen Titel wie Illustrirtes Mode -Journal und
dergl. fpotten! . . . .«
Bur Erläuterung jei bemerkt, daß bie »Meform« thatfräftig
für die Forderungen des a. d. Sprachvereins eintritt. Dafür,
daß ein Standpunkt wie der Baul Paſſys in Deutichland dod
nicht gar fo wenig bekannt it, ſprechen die Erfolge unſers
Vereind. Wohl aber ijt es wünſchenswert, dab er immer mehr
befannt und amerfannt werde, und fo öffnen dieſe Äußerungen
eines Franzoſen vielleicht mandem von denen die Augen, die
in übertriebener Wertihägung alles Ausländijchen aud ben
Fremdwörtern ihr Wohlwollen entgegenbringen.
Berlin. FM.
Ein neuer Angriff auf den allgemeinen deutſchen
Sprahpverein.
Die Fremdmwörterfrage, von Dr. Hermann Scheffler
(Braunſchweig 1894) — fo betitelt ſich eine vor kurzem erſchienene
Schrift, die in mehreren Tagesblättern als eine bedeutende Er-
ſcheinung angepriefen wurde, um jo bedeutender, als es »den
unvertennbaren Eindrud made, als habe der Verf. in ausdrüd-
lihem Auftrage großer Kreife feiner gelehrten Berufsgenofien ges
fprodhene Mit geipannter Erwartung nahm ic) fie in die Hand.
Freilich wurde ich ſogleich etwas enttäufcht, als ich auf ber zwei-
ten Seite las, dal die Wörter Water, Mutter, ich, du, haben
»aud fremden Sprachen ſtammen« follen (!), ferner daß ber
franzöfiiche Nafallaut (comment) ſich bei uns in Pranger, Junge
und ähnlihen Wörtern finde (S. 15); daß der franzöſiſche g= oder
je aut (gönie) unferer Sprache nicht fremd ſei; denn wir ſprüchen
Schmierage, Stellage, Ledage und in der plattbeutichen Mund-
art Kledage! Das am Schluſſe beigefügte ausführliche Schriften:
verzeichnis beftätigte meine Vermutung, daß der Verf. kein Fach—
mann fei, er it Zechnifer und Mathematiter.
Das Schriftchen behandelt nicht das, was man nad) der Auf—
ſchrift erwarten follte, fondern es ift in der Hauptſache ein An—
griff auf den a. d. Spradjverein. Diefem werden zwei Vorwürfe
gemacht: 1. fein Thun entipredhe nicht feinem »Brogramme«, 2, er
deute den Begriff des guten Deutſch häufig falich und willfür-
lich. Diefe Vorwürfe werden in folgender Weife begründet. In
der Dezembernummer der Bereindzeitichrift babe Hürten in
einem Auffage, ohne Widerjpruch zu finden, addieren durch »ver-
mehren«, multiplizieren durch »vervielfachen« oder » malnehmen «
verdeuficht; das fei aber grundfalſch, denn es gäbe Fälle —
er führt zwei Beifpiele aus der höheren Mathematik an, die auf
Schulen nicht getrieben wird —, wo durch Addition feine Ber:
mehrung und dur) Multiplitation feine Vervielfachung eintrete.
Ebenio verurteilt er 8 andere Berdeutichungen mathematiicher
Begriffe, von denen er »gehört« bat, — von wen? jagt er nicht;
jedenfall® ift der Verf. des angegriffenen Aufſatzes daran um-
ſchuldig. Dies find die einzigen Thatſachen, die er anführt, um
damit den Vorwurf zu erhärten, daß der a. d. Spradwerein die
Fremdwörter jchlehthin befümpfe und damit feinem »Pro-
gramme« untreu werde.
Dieſelben Thatſachen müſſen aber auch genügen, um den zwei—
ten Vorwurf zu beweiſen. Er führt fort: »Aus dem Vor—
ftehenden geht hervor, daß meiſtens umqutreffende, mur für
einem weiteren Schreiben fagt berfelbe Herr (vergl. ©. 72 ber | fpezielle Fälle gültige, ſchlecht oder gar nicht abwandlungsfähige
147
und oftmals verjchrobene und zufammengewürfelte Ausdrücke em-
pfohlen und durd die Wereinszeitung verbreitet, alſo gebilligt
werden (3.5)«. Darauf folgt unmittelbar ein Schrei der Ent-
rüjtung: » Das Bolt wird wie eine Gejellihaft unmündiger
Kinder angefehen, das (!) man mit Buppen und Tönen (?) zu
unterhalten hat, dem man aber nicht mit Denken fommen barfr.
Jetzt verläßt er den Sprachverein und wendet ſich mit großer Er-
bitterung gegen die Schulbehörden, welche »fich zur Umgeſtal—
tung der wiſſenſchaftlichen Ausdrücke berufen« glauben und »durd)
den Schulziwang in der Lage find, den Schüler zum Gebrauche
gewiffer Wörter zu nötigen und dadurd) ſolche Wörter auch aufer
der Schule in Umlauf zu jepen«, SHierdurd würden »zwei Spra
den erzeugt, eine wifienjchaftlihe und eine bürgerliche, ähnlid)
dem Borgange in der Türkei, wo man eine arabiide Sprache
für die Gebildeten und eine türkiiche Sprache für das Rolf hat«.
Das ift aber nicht die einzige bittere Folge, es kommt noch
ichlimmer: »Diefe Spaltung verfperrt (!!) oder erſchwert dem
Schüler den Eintritt in das höhere Wifjenihaftsgebiet
(8.6). Man traut kaum feinen Augen, wenn man dies lieit.
Die böſe deutſche Sprache!
Was ihn auf den unglüdjeligen Gedanlen gebracht haben mag,
daß die Schulbehörden eine neue Schuliprache fchaffen umd mit
Hilfe des Schulzwangs ins Bolt einführen wollen, darüber macht
er feine näheren Angaben. Selbſtwerſtändlich fällt es feiner Schul-
behörde ein, eine bejtimmte Sprache vorzuichreiben; aber dieſe
Wahnvorſtellung beherrſcht ihn vollitändig: hat doc auch die
Schulverwaltung die neue Rehtichreibung vorgefchrieben! Das
ift ein wunder Punkt für ihn, Er bat, wie er uns erzählt, vor
30 Jahren eine Schrift über die Umbildung der deutſchen Recht
ſchreibung veröffentlicht und das Unglüd gehabt, daß jeine Vor—
fchläge bei der amtlichen Feſtſetzung nicht berüdfichtigt wurden.
Er vergift jet die fchlechten Verdeutſchungen und die drohende
Schulſprache und entwidelt ausführlich feine Anfichten über » Ortho-
graphie« unter ftarter Beiehdung der amtliden Rechtſchreibung.
»Ein ımabhängiger, felbjtbewuffter Mann ſchließt ſich derſelben
nicht an⸗ — das ijt fein Standpunft, umd deshalb ſchreibt er als
jelbitbewuffter Mann jtets muff, daff, Hinderniff uf.
Nach diefer wunderlichen Abichweifung von der Fremdiwörters
frage fehrt der Berf. in unvermittelteim Übergange zu feinem Gegen
itande zurüd. Er nimmt für die Wiſſenſchaft das Recht in An
fpruch, Fremdwörter nach Bedarf zu bilden. Zwar jollen aud
die Jünger der Wiffenichaft ihre Mutteriprache ehren, aber «8
fünnten auf dieſem Wege doch nur einige Dupend Wörter ges
wonnen werden neben den Taufenden von Fremdwörtern,
welche alljährlich in die deutſche Sprache einziehen. Man
höre, alljährlih Taufende! Wie did müßten da unjere Frembd-
wörterbücher fein, und wie wiirde unfere Mutterjprache in hundert
Jahren ausfehen! Einen Hauptvorzug der Fremdwörter findet
der Verf. in ihrem s»internationalen Charalter«, in ihrer » Fähig
keit der leichteren Ummandlung« und in ihrer Klangfülle (S. 10).
Nllerdings verlennt er nicht, daß durch diefe fortwährende Neu
ihaftung von Fremdwörtern »die Uriprünglichteit der Sprache
eine allmählihe Veränderung erleidet, gegen welche das natur
gefeplich auf Erhaltung gerichtete Gefühl ſich jtränbt«, aber »das
wiünfcende Herz« darf nicht »ald Hemmſchuh (Bild!) gegen
die im Weltgefege liegende, auf Bervolllommnung des Bejtehen
den gerichtete, notwendige Umgeftaltung dienen «.
Dies ift der wejentliche Inhalt der Ausführungen des Berf,,
den ich teilweile jelbjt habe reden laſſen, um ein Bild von feiner
wunderlichen, verworrenen Darjtellung zu geben. Was er im
Zeitigrift des allgemeinen beutfhen Epradvereind. 1894. Nr. 7/8.
148
fehr oft vor ihm gejagt worden und zwar weit jachgemäher und
beſſer; eben jo oft ift es auch widerlegt worden. Wie er über
den Begriff des Fremdworts unklar iſt — follen doc ich, du,
Vater, Mutter aus fremden Sprachen ftammen! — jo unllar
ift er auc über das Verhältnis der deutichen Erſatzwörter zu den
Fremdwörtern. Er fcheint zu verlangen, daß für jedes Fremd»
wort nur ein Erſatzwort ftchen dürfe. » Würde vereinfachen ftatt
reduzieren gelagt, wo bleibt da die reduftibele und irrebuftibele
Gleichung, . . . wo bleibt der reduzierte Menſch, der doch
nicht gerade ein vereinfachter genannt werden kann?« Gewih
nicht, aber vielleicht ein heruntergelommener oder abgemagerter
oder ärmlicher, Meduzieren hat eben verichiedene Bedeutungen.
Schon umfere Sertaner lernen, daß animus bald durch Geiſt,
bald durch Mut, bald durch Herz, Gemüt, Gefinnung zu über:
fegen fei je nadı dem Zuſammenhange des Sates.
Offenbar hat die Furcht vor der angeblich drohenden Einfüh
rung der Schulſprache« den Berf. veranlaßt, ſich auf ein ihm
fremdes Gebiet zu wagen. Über die Entftehung dieſes fonder
baren Gedanfens möchte ich mir eine Vermutung erlauben. Zu
den Berdeutichungsarbeiten unferes Vereins gehört auc die Ver:
beutichung der auf dem Gebiete des Schul- und Unterrichte weſens
häufig vorfommenden Fremdwörter. Die Wusarbeitung dieſets
Schulheftes auf Grund der geprüften und umgeänderten Entwürfe
hat der Namensvetter des Berf., Oberlehrer Dr. Karl Echefiler
in Braunſchweig, übernommen und, wie vor hirzem in der Zeit
ſchrift mitgeteilt wurde, zu Ende geführte. Davon hat der Berf.
wahricheinlich Runde erhalten, und dies mag ihn zu der unbegreif
lichen Anficht gebracht haben, die ‚Schuliprache‘ würde nächſtens
mit Hilfe des Schulzwangs eingeführt werben. Hätte er freilich
fich die Mühe genommen, eines unferer Verdeutſchungsbücher an-
zuiehen, jo würde er fid) -jofort überzeugt haben, daß es dem
deutfchen Spracvereine nicht einfällt, irgendwelche beftimmte Er-
fapauadrücde für Fremdwörter vorzuichreiben, er würde gefum-
den haben, daß bei den meiften fremden Ausdrüden verfchiedene
deutſche Wörter zur Auswahl aufgeführt werden. Alles das find
nur Vorſchläge, die dem Schreibenden, welcher nach einem deut
ſchen Worte für ein Fremdwort jucht, gemacht werden. Natür-
lic) hat diefer ganz allein zu enticheiden, ob ihm der Vorſchlag
gefällt oder nicht, Findet er feinen quten deutichen Ausdrud,
fo nimmt er den fremden. Won einem Zwange fann auch nicht
im entiernteiten die Mede jein, ſelbſt nicht innerhalb des Kreiſes
unjerer Vereinsgenofien.
Von falicen Borausiegungen ausgehend kämpft der Verf.
ohne jenlihe Sadjfenntnis tapfer — gegen Bindmühlenflügel.
Unwillkürlich wird man an die vielberufene Erklärung der » Früh
tenden« erinnert, Man kann das Schefflerfche Schriftchen als
ein verjpätetes Nachſpiel dazu bezeichnen: freilich iſt es nur ein
Satyripiel.
Dresden. H. Dunger.
Unmittelbarer Mitgliederbeitrag — Umzugstoiten
von Dresden nab Berlin.
Manchem Bereinsgenofjen dürfte es ſchon ähnlich gegangen
fein, wie dem Mitgliede unſers Vereins, das über die vorge
dructen Ausdrüde eine alle Bedenten nehmende Auskunft ge
winjcht hat. Daher kurz das Notwendigfte zu ihrer Beurteilung.
Das feinere Sprachgefühl fträubt fich gegen ſolche Berbindumgen,
und der Verſtand, der nun Erſatz ſchaffen fol und ihn nicht
immer leicht findet, ſucht diefes Gefühl daher durch den aud
allgemeinen zu Gunften der Fremdwörter vorbringt, ift jchon oft, | wahren Hinweis zu bejchwichtigen, daß derartiges oft genug vor:
149
fomme. Nun, beide Berater haben recht, wenn auch nicht in
gleichem Maße.
Senes widerftrebende Gefühl entipringt dem Ideale jprad)-
licher Darftelung, nach welchem ſich Sade und Ausdrud völlig
decken follen. Das ift aber in den fraglichen Verbindungen nicht
der Fall. In Wirklichkeit gehört unmittelbar nur zu Mit-
glied, paßt die Angabe der Bewegung mit von — nach nur
zu Umzug. Diefem Sadverhältnis entipriht das ſprachliche
nicht, wenn in der form unmittelbarer Mitgliederbeitrag
diefes Eigenihaftswort durch die Endung mit dem Gejamtbegriff
in grammatifche Wechſelwirkung gefept wird. Ebenfo ift et, wenn
in der Form Umzugstojten von D. nad) B. dent Bejtim-
mungsworte Umzug, indem es ſich mit Koften zu dem abge—
ſchloſſenen Begriffe einer Zufammenfeßung vereinigt, die Rektions—
kraft, dazu auch die Stellung unmittelbar vor jeinem präpofitionalen
Attribut genommen wird. Solde Verbindungen find alfo ſalſche
Fügungsverſchiebungen. Bon diefem Gefihtspuntte aus ift alſo
gut nur: Gerüchte von hohen Dividenden, Verkäufe
abliger Herrichaften, der Befud der theologiſchen Kols
legien, nicht: hohe Dividendengerücdte, adlige Herr—
fhaftsvertäufe, tbeologiiher Kollegienbejud; ebenjos
wenig Annäherungäverjude des Königs an die Linte,
Bernehmungsprototoll Sydows, Beriepungsordre nad
der Feftung L., fondern: Verſuche des Königs, ſich der
Linken zu nähern, Prototoll über die Vernehmung
Sydows ufw.
Die fehler der zweiten Art werden häufig bequem ver
mieden, indem ber Genetiv oder die jog. Genetivpräpofition von
mit einer andern Präpofition vertaufcht wird, die auch zum
Haupt» und Sejamtbegrifie paht, wie namentlich Für. Alſo nicht
Einfuhrverbot amerifanijhen Schweinefleifches, Aus—
fuhrverbot von rujjiichem Getreide, Einberufungster-
min des Parlaments, fonden: Einfuhrverbot gegen
amerikaniſches Schweinefleiih, Ausfuhrverbot für ruf:
filches Getreide, Einberufungstermin für das Parla-
ment. — Ähnlich laffen ſich Fehler der erften Art oft vermeiden,
indem das Eigenſchaftswort in ungebeugter Form mit der Bus
fammenfjegung weiter zufammengejegt wird; dann bleibt nicht nur
die Dellinationsendung weg, das einzige, was zur Beziehung
zum Geſamtworte nötigte, fondern das Eigenſchaftswort wird mit
dem vorangehenden Bejtimmungsworte, bei dem es auch jteht,
überdies unter ein gemeinfames engeres Tonband geipannt. Alſo
weder Kleines-Gewehr-Fener oder Künſtliche-Waſſer—
Fabrik, was nicht einmal fürs Auge, geſchweige denn fürs Ohr
hilft, noch auch kleines Gewehrfener, fünftlihe Wafler:
fabrif, fondern: Kleingewehrs Feuer oder ganz einfach
Kleingewehrfeuer, Kunſtwafſer-Fabrik oder KAunſt—
wafferfabrit, umd ähnlih Sauertirih-, Sühapfelbaum,
Altwarenhändler, Sleingewerbtreibender, Seiden—
ftrumpfwirfer, Waſchlederhandſchuhfabritk.
Diefe Aushilfe emtipricht zugleich einem andern Drange ber
Sprade, dem nad; zugleich deutlicher und bequemer Kürze. a,
diefer Drang ift fo mächtig, daß er vielen Verbindungen befonder&
der erjten Art, die ſich von den mit Recht lächerlich gemadhten
federnen Handihuhmadhern und roten Weintrintern
äußerlich gar nicht untericheiden, das Bürgerrecht verichafft hat.
Sie verdanfen dies entweder der treffenden Kürze oder der ge—
ichichtlichen Entwidlung, ja dem bloßen Herlommen. Den erjten
Grumd kann z. B. die Verbindung Italieniſche Neilebriefe
für fich geltend machen, der gegenüber die genaue Auflöfung:
Briefe aus Jtalien über Reifeeindrüde in Jtalien mins
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. 1894. Nr. 8.
150
deſtens breit umd unbequem wäre. Aus dem zweiten erflären
fih Ausdrüde wie: lateiniihe Spradlehre, ſchwarzer
Draulbeerbaum, die man doc micht für falich halten wird,
weil fie Verdeutichungen find jtatt: lateiniſche Brammatit,
morus nigra. lberhaupt darf man unbedenklich alle die Fälle
als richtig gelten lafien, wo das Attribut, gleichviel was für
eins, mag ed auch genau genommen urfprünglich zum Beitim-
mungsworte gehört haben, allenfalls aud) auf die ganze Zufam-
menſehung bezogen werben fan; fo Tejtamentsvolljtreder
bes Prinzen Jerome, Intereſſenſphäre Frankreichs
und Italiens, rauchloſe Bulverarten, adlige Stans
desintereffen, deutfhe NReihsregierung, menſchliche
Geiftesentwidlung. Sind doch z. B. auch diefe Arten des
Pulvers rauchlos, ift doch die Reichsregierung ebenfo gut deutſch,
als die deutfche Regierung jebt, Gott fei Dank! eine Reichs—
regierung ift.*)
Zittau. Dr. Theodor Matthias.
Geratewobl, Geradewohl!
Unfer Bereinsgenofje, Herr Paul Zemte in Stettin, bat bie
Wahrnehmung gemacht, daß für Geratewohl ſelbſt bei Gebildeten
oft die falſche Schreibweiſe Geradewohl vorlommt, und wünſcht,
daß durch eine Beſprechung diefed an fid) nicht Haren Ausdrudes
in unferer Beitfchrift die richtige Schreibweife gefördert werde.
Die Wendung aufs Geratewohl hat natürlich) nichts mit
»gerade« zu fchaffen; denn es giebt weder ein gerades noch ein
frummes Wohl, jondern hier liegt eine jener merkwürdigen Im—
perativbildungen vor, die uns mamentlich im der älteren
Sprache häufig begegnen. Gerate wohl! jo rief man bei Beginn
eines Werfes aus, dejien Erfolg nicht ficher war, wenn der
Kriegsmann den Speer warf, der Epieler die Würfel im Becher
ichüttelte. Das Gerate wohl! war jo zu jagen ein Segeneiprud,
den man zweifelhaften Unternehmungen mit auf den Weg gab.
Die ältefte Form it »gerat wol«. Co jdreibt Luther: »auf
ein blinds gerat wols; Denzler: -es ligt alles am geraht—
wol« (vgl. D. Wörterbudy). Meiftenteils heiht es das Gerat-
wol; es findet fid) aber auch die männliche Form. Bei Maaler
beißt es: »der geradtwol, ungewüſſe aufwäg, da mar mit
weiht wie ſy aufichlahend, canci eventus;« und an einer anderen
Stelle: »es flat nod am gratwol, id; wei nit ob ich der
frandheit auftommten wird oder nit, ob es beſſer oder böfer wirt.«
Vereinzelt fommt auch die Form Geratswol und Wolgerath
vor, ja Baraceljus gebraucht den Ausdrud jogar als Eigen-
ſchaftswort: »Sonſt bit nur ein erperimentator, das ijt, ein ges
rathewoler und ein verzweiffelter boffer.«e So bezeichnet Ge—
ratewohl einen leichtfinnigen, auſs Geratewohl handelnden Men-
ihen. Heyne (D. Wörterbuch) Führt eine ähnliche Stelle aus
Widram an: lief zü seinem .. vatter, der was auch ein graht-
wol. egenwärtig verwenden wir das Wort nur noch in Vers
bindung mit auf und aufs.
Derartige wirkliche oder jcheinbare Jmperativbildungen finden
wir in unferer Sprache nicht jelten. Man denfe nur an das
blaue Bergiimeinnicht, an den Blumennamen Gedenke—
mein, an Habedant, an Stelldidhein, die glüdlie Ber
deutihung Campes für Rendez-vous. Ein verwegener Menſch
*) Genaueres über die fragliche und mande verwandte Aus—
drucksweiſe findet man jept in dem Buche des Berfajjers obiger
Darlequng »Spradleben und Spradjdhäden« (Xeipzig,
R. Nichter, 18092, S. 20 f., 297 — 265).
Die Schriftleitung.
151
heiht ein Wagehals, ein friicher Gejell ein Springinsfeld,
der Hochgewachſene ift ein Schlagtot, der Mihratene ein Thus
nichtgut oder Taugenichts. Wer ſich mit anderen nicht ver:
tragen lann, ijt ein Störenfried d.h. ftöre den frieden! Dem
Freumde ruft man beim Abichied ein herzliches Fahrewohl oder
Lebewohl zu, dem Heimgegangenen wünſcht man »ein Ruhe—
fanfte in die fühle Gruft hinab, Es giebt ein Kräutlein Rühr-
michnichtan, entſprechend dem lateinijchen Noli me tangere.
Packan iſt ein befannter Humdename, Quginsland eine oft
gebrauchte Bezeichnung für hoch gelegene Landhäufer. Ein Kinder:
jpielzeug heißt Stehaufmännden oder bloß ein Stehauf
oder Stehaufchen.
Neben dem Imperativ fommen auch andere Zeitwortformen
in foldyen Bildungen vor, wie ber Konjunktiv, wenn man fich
ein Wohlbekomm's wünſcht oder wenn man den Teufel den
feibhaftigen Gottjeibeiuns nennt, der Anbdifativ, wenn man
auf eine Gefälligleit mit einem herzlichen Dantefhön (d. b. ich
dante jchön) erwidert. Much Fremdwörter gebrauchen wir in
folher Form. Wir fafjen ein lautes Bivat (d.h. er lebe) er:
ſchallen, bei freudigen Ereigniſſen wie im ernſten Streit werden
Salven gelöft (lat. salve jei gegrüßt), ein Menſch, der im
Haufe zu allen Dienftleiftungen zu verwenden ift, heißt ein
Factotum (lat, fac totum mad) alled!); und wenn es in dem
alten Liede Heißt: Valet muß ich dir jagen, fo haben wir aud)
darin eine Amperativform (lat. valete lebt wohl). Auch der be-
faunte Planzenname Reſede oder Reſeda ift urfprünglich ein
lateinischer Imperativ, der jetzt ale Hauptwort gebraucht wird.
Dieſes lieblic) duftende Pflänzchen galt bei den Römern für heils
kräftig. Wie Plinius in feiner Naturgefchichte (B. 27, K. 131)
berichtet, wurde die Reſeda bejonderd gegen Entzündungen und
Geichwulft gebraucht, indem man unter dreimaligem Ausſpucken
dreimal eine Zauberformel murmelte, die mit den Worten begann:
reseda morbos, reseda d. h. ftille wieder die Krankheiten.
Bejonders Häufig begegnen wir diefen Bildungen bei Eigen»
namen, wie Fürchtegott, Leberecht, Traugott, Bleibtreu, Schafi-
rath, Hafjenpflug (haſſe den Plug), Schütteiper (chütte den
Speer), Zuckſchwert (züde das Schwert), Hebenftreit (hebe den
Streit an), Kehrein (fehre ein, nämlich im Wirtshaus), Sucen-
wirth (fuche den Wirt), Findeteller, Scmedebier, Hauſchild,
Haltaus, Leidenfroft, Liebetreu, Schlagintweit (plattdeutſch: ſchlag
ins Weite), Stihdenbuben, Fleugimtanz (flieg im Tanze), Thus
dihum, Thunichtgut uw. (vgl. Bilmar, Namenbüchlein ©. 58).
Huch unfer Geratemohl findet ſich als Beiname ſchon im mittels
alterlihen Nürnberg, und noch jet giebt es die Familiennamen
Grathwohl, Gerathewohl, Grothwohl, Gerothiwohl, Grothwahl
(vgl. Andreſen, Concurrenzen in der Erflärung deutſcher Ge—
ſchlechtsnamen ©. 18).
Dresden. 9. Dunger.
An die werten Vereinsgenoiien.
Im Anſchluß an den der Erinnerung an G. A. Bürger ges
widmeten Auflag in diefer Nummer der Zeitjchrift teilen wir den ge:
ehrten Bereinsgenofien mit, dab eine Anzabl Männer aus allen
deutſchen Gauen einen Aufruf erlafjen Haben, in dem fie um
Beiträge für ein Bürger zu errichtendes würdiges Grabdenkmal
bitten. Der Nufruf jchlieht:
Ein würdiges Denkmal ijt dem Dichter nicht einmal in Göt—
tingen errichtet worden, der Stadt, die Zeuge war, mie der
jugendliche Adler des Hains die Flügel zu mächtigem Aufſchwunge
hob, der Stadt, die den in Sturm und Drang Erſchöpften ringen
Beitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 7,8.
152
und fterben jah. Wir hoffen, daß der nahende Gebenttag Ge—
legenheit giebt, eine alte Schuld abzutragen. Aber wir denlen
nicht an ein anſpruchsvolles Standbild. Nur die vermwitternde
Dentfäule, die heute Bürgers verjtedte Ruheſtätte kennzeichnet,
möchten wir erjeßen durch einen ſtatilichen Grabftein, den Künftler-
band mit der Büfte oder dem Neliefbilde des teuren Sängers
ihmüden ſoll, und wir bitten alle Freunde des Dichters, unſern
Plan zu unterftügen. Geldbeiträge wird die Dieterichſche
Buchhandlung in Göttingen, diefelbe, die einft Bürgers Ge-
dichte verlegt hat, gern entgegennehmen.
Sprecbiaal.
Unjer Wahlſpruch.
dr. Anna Bauer in Kochem jchreibt und in Bezug auf
das in Wr. 6 d. 9. veröffentlichte Breisausfchreiben:
»Unfer Wahlſpruch »Kein Fremdwort für das, mas beutich gut
ausgebrüdt werden fann,e hat ohne Ameifel bis jept feinen Zmwed
auf das befte erfüllt, indem er in möglichſter Kürze den Haupt:
grundjaß des a. d. Sprachvereins Har und deutlich zum Ausdrud
gebracht hat. Dagegen wird jeder zugeben, daß ber Spruch an ſich
weber beſonders gefällig Hingt, noch leicht zu behalten ift, und
daß er in fünftleriicher Umgebung niedergeichrieben, nüchtern und
langathmig ericheinen muß.
Da nun kaum zu befürchten ift, daß eine nachträgliche Ände
rung des Wortlautes auch eine folche der von den Herren Künſtlern
bereit8 begonnenen ober vollendeten Entwürfe erfordern würde, jo
‚ geht mein Borjchlag dahin, den Wahlſpruch ſelbſt auch in ein
fünftleriiches Gewand zu Heiden.«
Es folgen dann verjchiedene Vorſchläge, die aber die geehrte
Einfenderin ſelbſt nicht ganz befriedigen und von denen der erjte
lautet:
Das fremde Wort
Am deutihen Ort
Iſt ſchlechter Braud).
Gut deulſch thuts auch.
Erſt mit dem Spruche:
Mit fremdem Wort
Sei auf der Hut.
Sprich deutſch hinfort,
Doch ſprich es gut.
glaubt Fr. Bauer das Richtige getroffen zu haben. Die hier
gegebene Anregung ericheint beachtenswert. Die Schriftleitung
fieht weiteren Vorſchlägen gern entgegen.
Rleine Mitteilungen.
| — Der Zweigverein zu Marburg a. d. Drau hat unjerm
Ehrenmitgliede, Mufeumsdireltor Profefior Dr. Herman Ries
gel, ein Widmungsblatt verehrt, das als Kopfichmud eine hübſche
Verzierung in bunten Farben mit dem Wahlſpruche des Vereins
zeigt und in dem der Zweigverein ihm »für die großen Verdienſte
um die deutfche Sprache und dadurch um das deutſche Volt feinen
wärmften Dant ausipricht«.
— Profeſſor Rudolf Hildebrand hat dem Borfigenden des
Gejamtvorftandes für den ihm im Namen des a. d. Sprachvereins
dargebraditen Glückwunſch zu feinem fiebzigiten Geburtstage
(vergl. Sp. 85/6 d. 3%.) durch folgendes Schreiben gedankt:
Ich fühlte mich wahrhaft geehrt und gehoben, ala an meinem
70. Geburtätage aud) eine jo jhöne Kundgebung des a. d. Sprad-
vereins an mic fam, und zwar in einer Form, die als wahres
153
Zeitfhrift des allgemeinen dentihen Sprachvereins. 1894. Nr. 7/8,
154
Meines Kunſtwerk gelten fann und auch über meine Lebenszeit
binaus den Meinigen ein wertvolles Denkmal bleiben wird. Mir
wars, als ob der Genius des Baterlandes ſelbſt zu mir fpräche,
in deſſen Dienjten ich mich jeit meinen Primanerzeiten fühle.
Bie Sie mid) zeichnen in meinem innern Leben und Streben, ja |
ich geitehe es, jo möchte ich fein, jo babe ich "mich immer bemüht
zu jein. Haben Sie Dank für den ſchönen Widerflang, der da
in meinen alten Tagen von außen an mic fommt, wie ein Echo
aus dem Walde, übrigens wie ein foldyes Echo ähnlich wiederholt
bon anderen Stimmen, jo daß id) in den Tagen wie von Har-
monien umrauicht war. «
— Die Bemühungen des Brof. Dr. Imme, dem Worte
»Paſſage« als amtlicher Bezeichnung den Eintritt in Eſſen zu
verwehren (vgl. Sp. 62/63 d. 3.), find von Erfolg gelrönt worden.
Die ftädtifche Behörde hat dem Durchgange den Namen »Kaiſer—
balle« gegeben. Wir benupen dieſe Gelegenheit, um allen güti—
gen Einjendern von Verdeutſchungsvorſchlägen, die übrigens ſämt—
ih Herm Imme übermittelt worden find, nochmals beſtens zu
danfen, und jchlieken damit die Erörterung diejer Frage.
— Die »Strahburger Pojt« veröffentlicht eine an Elſäſſer ge-
ſandte Gejchäftsfarte eines dem Namen nad deutichen Geſchäftes,
welche lautet: Henri König & Co. Manufacture de Papiers
heliographiques ufw. A Francfort sur Mein. Es folgt dann
die Liſte der Spécialitées (!) im franzöfiiher Sprache. — Die
»Lotbringer Beitunge fendet uns einen gedrudten, durchweg
franzöfiih abgefahten Brief des Haufes »Breslauer Fröres, |
' gebenjt, gehorſamſt, gefälligit, geneigteſt, bechre ich mid uſw.
Fabrique de fourrures, Breslau, Gräbschnerstraßse 5«, der
allerdings befiere Sprachkennmiſſe verrät als die Harte der
Herren König und Co., auf den aber im übrigen auch pafit,
was der Einjender diefer Karte in der Straßburger Poſt darüber
jagt. »Wenn die Altdeutjchen jelbit uns jo franzöfiich fommen«,
bemerft er u. a. »ſo braucht unfere Megierung auch wohl nicht
in Colmar ein franzöfiiches Stüd zu verbieten. ... Senden wir
franzöfiiche Gejchäftsanzeigen nad) Frankreich, fo nimmt man und
das übel: ‚Ihr follt Euch ala Deutiche fühlen!‘«
Die Herren König und Breslauer werden hoffentlich bei eini- |
ger Überlegung zu der Erkenntnis fommen, daß fie mit ihren
franzöfiichen Briefen dem Werle der Eindeutſchung im Elfah nur
entgegenarbeiten,
— Die »Kölnifhe Volkszeitung und Handelsblatt« hat
kürzlich ein »Berzeichnis entbehrlicher Fremdwörter, für
welche treffende deutsche Musdrüce vorhanden find+, herausgegeben
und an ihre jäntlichen Mitarbeiter und Berichterjiatter, ſowie an
die Freunde der Zeitung mit der Bitte geſchickt, jich bei allen
Einjendungen möglichit deutscher Vezeihnungen zu bedienen, zus
gleich aber jede Übertreibung durch Zwangsüberſeßung ftreng zu
vermteident.
werden. Es genügt eben nicht, dai den Mitarbeitern die wenn
auch noch jo dringende Bitte, rein deutich zu Schreiben, and Herz
gelegt wird; fie müſſen auch gleich ein Hilfsmittel bei der Hand
haben, das ihnen in den wichtigiten Fällen schnelle und fichere
Auskunft erteilt. Und zu dieſem Zwecke ift das uns vorliegende
Verzeichnis der Kölnishen Vollszeitung im allgemeinen recht
brauchbar. An einzelnem wird mancher Anſtoß nehmen, jo z. ®.
an »Tiefunternehmunge und »ochunternehmung« für
Baisse und Hausse, entiprehend »Tief- und Hodunterneh-
mer« für Baissier und Haussier. Unter eireuliren Steht runde
gehen, rundichiden, rundlanfen« Aber »rundichiden« wäre
doch cireuliren lafjen, und dann: warum nicht »umlaufen«?
Confiseiren wird mit Beſchlag belegen, beſchlagnehmen« ver-
' follen.
Dies Vorgehen mu als höchit verdienſtlich bezeichnet |
deuticht. Leßteres iſt wohl ein Drudfehler für »beichlagnahmen «,
das aber it feine empfehlenswerte Bildung; beffer ift: »in Bes
ichlag nehmen« Auch »preisfrönene (unter prämiüiren) iſt kein
Wort; man lann nur fagen: »preiägefrönt«, fonjt aber »mit einem
Preiſe frönen«. Doch das find Einzelheiten, die die Nitklichkeit
diefes Verzeichniſſes nicht beeinträchtigen fünnen. Möchte e3 recht
guten Erfolg haben, und möchten vor allenı auch andere Yeitungs-
verleger und sherausgeber dem von der Kölniſchen Vollszeitung
gegebenen Beiipiele folgen! 8. ©.
— Die Herren Winther nnd Lindner, Pächter des grofen
Konzert- und BVereinshaufes in Stettin, find eifrige Förderer
der Beitrebungen umjeres Vereins, Schon längit verwenden fie
für SFejtlichleiten, wie für die Feſteſſen an Kaifersgebuntstag,
völlig deutfche Speifefarten, jet haben fie auch deutiche Mit-
tagsfarten eingeführt, auf denen die franzöfiichen Bezeichnuns
gen der Speijen vermieden find. Es ſteht zu bofien, dak die
Herren Winther und Lindner, melde Bejiger des bekannten
König-Wilhelmsbades in Swinemünde find, auch dort die
jelben Grundfäße befolgen werden.
— Ein nachahmenswertes Beijpiel giebt der Bürgermeiiter
von Breifenhagen in Bommern durch folgende Bekanntmachung:
Die biefige Einwohnerjhaft wird erſucht, bei allen Eingaben,
Gejucen und anderen Scriftjtüden an den Magijtrat, die
fädtiichen Verwaltungsausſchüſſe, die Polizeiverwaltung, das
Standesamt und die Amtsanmaltichaft alle unnötigen Wendungen
und Verzierungen, wie z. B. Hochwohllöblich, Wohllöblich, er:
wegzulaſſen, da es der Verfiherung bejonderer Geſinnung nicht
bedarf und hierdurch das Schreibwert nur ziwedlos vermehrt
wird. Desgleichen wird gebeten, in allen Füllen Fremdwörter
zu vermeiden, im melden dieſe durch deutjche Wörter erſetzt
werden fünnen, da nicht einzuſehen ift, weshalb bei dem reichen
Sprachſchatz unjerer Mutterſprache fremdländifchen Ausdrücken ber
| Vorzug gegeben werden joll«,
Bücherſchau.
— Eckſtein, Ernſt. Verſtehen wir deutſch? Volls—
tünnliche Sprach⸗ Unterſuchungen. 2. Aufl. Leipzig, 1804, Reißner.
163 S. kl. 8.
Der bekaunte Schriftiteller legt hier einige zum Teil ſchon
früher in Beitichriften veröffentlichte Aufſäße vor, die, wie die
Ankündigung des Verlegers jagt, »das Berftändnis für Die
Probleme der Sprachſorſchung in die mweiteiten reife tragen«
Daß die gefällige und anziehende Parjtellungsart des
Verjaſſers diefem Zwecke jehr zu jtatten fommt, fan nicht ge=
leugnet werden: €. verftcht es, jeine Sachen dem Leſer mund»
gerecht zu machen. Aber je gewandter ein Scriftiteller, um jo
gefährlicher fann er werden, wenn die Wiffenichaftlichfeit mit ber
Darftellungsgabe nicht aleihen Scritt hält. E. klagt, daß »die
Etymologie oder Wortableitungsichre nody immer jorglos von
jedem beliebigen Dilettanten auf eigene Faust betrieben zu werden
pflegte (5.6), ohne zu merken, daß er felber die Zahl dieſer
Dilettanten um einen vermehrt. Über jprachliche Erſcheinungen,
insbejondere über die Ableitung der Wörter glaubt jeder mitreden
zu fönnen: als ob nicht bier wie Überall ftreng fachwiſſenſchaft-
liche Schulung dringend von nöten wäre. Es läßt fich nicht
leugnen, daß es viel ſchlimmere Spradydilettanten giebt als €.;
es iſt anzuerkennen, daß er fich mit einigen Ergebnijjen der
neueren Spracdforichung wohl vertraut gemadht bat, dak gar
manches in dem Buche durchaus richtig und gut iſt. Aber
‚ anderfeits jtöht man alle Augenblide auf Beweiſe ungenügender
fprachliher Bildung und auf ganz unbaltbare, phantastische Auf:
jtellungen.
Am meilten gilt dies von den NAuflägen, die ſich mit der
Rortdeutung bejchäftigen, die dem ſchaffenden Spradigeifte längſt
155
vergangener Zeiten nachgehn und neben manchem Richtigen und
allgemein Anertannten eine Fülle des bandareiflich Unrichtigen
oder doch Unbeweisbaren enthalten. Der Aufſaß: »Aus der
Werkitatt der Volksſeele« behandelt insbefondere die Aus:
drüde für Menih, Mann, Weib uf. und die Haustiere. Hier
wird z. B. »Tochter« erklärt ald »das Erzeugte« und in Verbin:
dung gebradit mit »taugen«, gotiih dugan, dem E. für feine
Zwecke die Bedeutung »zeugungsfählg jein« unterſchiebt. Für
»Magd« nimmt er gar eine überhaupt nicht nachzuweiſende
Wurzel mig — »erzeugen« an. ju, die Wurzel von >»junge,
findet er wieder in »juch, jauchzen«; die Jugend iſt die Zeit des
Jauchzens!! Was er über die Namen für » Pferde jagt, iſt in
mehrfacher Beziehung unrichtig. Daß » Mähre« älter ift ald »Rofj«,
dak auch die alte indogermaniiche Benennung des Bierdes (Latein.
— griech. hippos) im Germaniſchen vorhanden war ſgot.
aihva-, altfächf. ehu ufw.), iſt E. unbefannt Was er über
die Ableitung von »Roke jagt, iſt unwahrſcheinlich, jeine Erflä-
rung von equus und hippos völlig falſch, und damit fallen auch
die weiteren daraus gezogenen Schlüffe. Auch der folgende Ab—
ichnitt: »die Namen der Jahreszeiten« bietet neben Braudı-
barem viel Unrichtiaes und Bebdenflihes. Die Erklärung von
»Sommer« als der Zeit des »Sammelnd« ift doch nicht fo »un-
anfechtbar«, wie und der Verf. glauben machen will. Auch » Win-
tere und » Wind« werden faum verwandt jein, jo verlodend die Ähn⸗
lichkeit ift; vollends »mwinden« damit zufammen zu bringen win
den zu wehen wie fangen zu fahen«!), zeugt von geringer
ſprachwiſſenſchaftlicher Bildung. Auch die Zufammenftellung von
latein. hiems, grieb. cheimon — »®inter« mit dem deutichen
»gießen« iſt lautlich ummöglih. Das Haariträubendite iſt aber
geleiitet mit der Auftellung einer Wurzel as, die die wiber-
ftrebenditen Bejtandteile mit ſtarler Hand unter ihrem Szepter
vereinigt, als da find: latein. acstas und arcre (auch ater 5. 89),
die deutiche Borfilbe ur= (er=), jodann »Niien, Oſten«, die » Nrier«
und die »Mien«!! Leider mu nun erflärt werden, daß feins
der genannten Wörter mit irgend einem der anderen verwandt iſt,
zum gröhten Nummer dilettantiicher Eiymologen, die e& jo oben-
bin darauf anarichaut haben und fchleunigit bereit wareıt, es irr—
tümlich zu etifettieren«, wie Herr E. bei anderer Gelegenheit
einmal Tant (5. #7). hnlich ſteht es mit dem Aufiage über
»das Zablwort zwei« und jeine Ableitungen; auc bier neben
ganz vernünftigen Betrachtungen und richtigen Erklärungen bie
unglaublichiten Deutungen. E. bemüht ſich mit Scharfiinn und
Phantafie, aber nicht immer mit Glück, nahezu alle mit zm- an—
lautenden Wörter auf die Wurzel von »zwei« zurüdguführen. Das
iſt bei einem Teile, 5. B. bei »Zwirn, Bweifel« u. a., richtig und
längit ertennt; wenn er aber auch »zwagen« (— wachen, eigent—
lich > zwiichen die beiden Hände« nehmen!), »zwinfern, zwitichern «
und »Ywirl«e (— »Duirl«} jo zu erklären verfucht, io find das
mehr dilettantiiche Spielereien als wifjenichaftliche Unterjuchungen.
Ein anderer Aufjap ift den > yarbenbezeihnungen« gewidmet. |
Hier Sucht E. den an fich richtigen Gedanken, daß die frarbwörter
urſprünglich nicht die Farbe als ſolche, ſondern einen damit ber
hafteten Gegenjtand bezeichneten, an unſeren gewöhnlichiten ars
benbezeichnungen nachzuweiſen. Doch wir willen nun ſchon, weſſen
wir und zu veriehen haben. So leitet er »ſchwarz⸗ ab von
einem altgermaniichen Zeitworte svairan, unferem »jchmwärens«,
das in Wirklichkeit urfprünglich »quälen, ſchmerzen« bedeutete,
dem aber E. ganz willfürlich die Vedeutung »brennen, brandig
feine zuweiſt, um von da aus »ichmarz” als -Rauch, Rufe ulm.
zu erHläten und weiter noch »ichtwehlen « damit auiammenzubringen.
Woher weiß er femer fo ficher, daft die Grundbedeutung von
»rote »Blut« iſt
es mit den anderen Farben. >Ad acta mit ſeinen Bhantasmen«,
möchten wır dem Berf. zurufen, wie er es jeinerfeits dem eng:
liihen Staatsmanne und Homerforicher Gladſtone zuruft, deiien
betannte Anficht von der Farbenblindheit der alten Griechen er
mit Recht zurückweiſt. Endlich in dem Abichnitte »WAllgemein-
wörter zur Bezeihnung von Einzeldingen« wird u. a.
der vergebliche Verſuch gemacht, eine Verwandtihaft der Wörter
sarm« und »Hrm« nadızumeiien, nebenbei audı »Erde, Ernte«
und manches andere in diejelbe Wortfippe bineingezogen.
Halten wir noch eine kurze Umſchau unter den übrigen Auf—
fäpen. Der erite mit der Sonderüberichriit »Veritchen wir
deutſch?« hat in dieſen Blättern ſchon eine Würdigung ges
ſunden (V, 22/3). Ein anderer will in »das Gotijche« em=
führen. Er mag mandem willfommen fein. Der Berf. mühte
Und ähnlich, zum Teil noch ſchlimmer jteht |
Zeitjchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvere ins. 1894. Nr. TR.
|
156
aber zunächſt feine eigenen Kenntnifje noch vertiefen, damit er
nicht sai und »fiehe«, insandja und »entjende«, gatavidedun umd
»gesthaten« einander gleichſeße (S. 43.70), damit er leme, dak
auch dad Gotiſche ⸗unſchöne Konlonantenbäufungen« bat, die er
ihm abiprict (val. svumfsl, vaurstv) ujw. Gin weiterer Ab—
ſchnitt beichäftigt fich mit der Entitehung unſerer Zufunfteform
»ich werde ſchlagen«, die er fälſchlich als eine Verſtümmelung
von »i. to. jchlagend« erflärt. Auch was er bier über » Morgen«
und »Wbend« jagt, it völlig falih. Am ganzen verftändig it
der Mufjap über »den unbejtimmten Artikel«, feine Ge
ichichte und feine mutmahliche Zukunft: E. prophezeit ihm auch
für die Schriftipradye die Tautliche Abſchwächung, die er im der
Umgangsipradhe bereits befißt umd die jeinem logiſchen Werte
entipricht. Kann man ihm bierin vielleicht vecht geben, fo zeugt
dagegen der Schlukauffag: »ein Blid in die Zukunft der
dbeutihen Sprache« wieder von einer bedenflihen Untenntnis
der lautlichen Berbältnifie, und demgemäh haben auch die E"ichen
Prophezeiungen wenig Ausſicht auf Erfülung Am ganzen an
fprechend und feinfinnig ift der Abichnitt: ⸗Muſikaliſches in
der Sprades, ber den befannten Ablaut i-a (-u) z. B. in
»flingflang, piffpafipufi« betrachtet, im einzelnen aber oft ze
weit geht.
Amer Aufſätze endlich find den »Fremdmwörterne und dr
»Ausiprade der Fremdmwörter« gewidmet. Über den It
teren vgl. Ziſchr. VIII 40. In dem eriten ficht E. das Haut:
übel der fgremdwörter in der Beibehaltung ibres undeutichen Aus
jehens, bejonders der fremden Endung und Betonung: cin
Bedankte, genen defien Nichtigkeit kaum etwas einzumenden il,
ber aber allein nicht ausreicht, um die »jogenannte Sprachtemi⸗
gungsbewegung« zu erllären. Wo E. von diefer jpricht, geicicht
es meist in jpöttelnder und gehäffiger Weile. Sein eigener Stand:
punkt den Fremdwörtern gegenüber iſt mir nicht recht Mar ae
worden. Auf ©. 148 tadelt er den Gebrauch von engliicen
Medensarten wie a selfmade man und time is money; »ein
jelbitgemactter Mann«, jagt er, »und Zeit iſt Geld bejagen ja
wörtlich dasielbe. Wozu aljo engliih, noch dazu, wenn man der
Eprade nicht mächtig iit?« Und er jelber redet von >» linquiftiicher
Analyſe⸗ (S. 89, von einem »wehltemberierten Normaldaratter,
der nicht zu Exceſſen neigt« (S. 113) u. ä.; und dann wieder von
Zeit⸗ und Dinawörtern, von Öbegenwarts- und Vergangenbeiti
formen ulw. Doch iſt von Editeins Stellung in dieſer Sadır
ſchon wiederholt in ber Bricht. die Nede geweſen, und id ver:
weife darıım auf II, 142; V, 22; VII, 40.
Karl Scheffler.
Braunjchmweig.
— Bilte, Edwin. Deutihe Worttunde. Ein Hilfebuch
für Lehrer und Freunde der Mutterſprache. Leipzig, Nic. Rich
ter. 1893. VI und 278 ©. 8.
Das Bud hat die ausgeiprochene Abficht, mit den Ergeb:
niffen der neueren Sprachwifienichaft befannt zu machen umd de
"dur ein tieferes Veritändnis des Neubochdeutihen zu vermitteln,
ohne indes die Kenntnis fremder Sprachen vorauszufepen. Der
Zweck iſt höchſt anerlennenswert, die bemußten Hilfämittel, die
gewiſſenhaft verzeichnet find, find die denkbar beiten (3. B. v. >.
Gabelent, Kluge, Hildebrand u. a.), und das Buch bietet eine
Fülle des Wifienswerten in fahlicher Form dar. Aber es fehlt ib
| eritens die nötige Beſchränkung des Stoffes. Der Verfafjer bringt
zu viel; man hat oft das Sefühl, als wolle er alles, was er gu
lernt, jeinen Leſern auftiichen. Er bätte ſich viel mehr auf das
beichränfen follen, was für das Neuhochdeutſche wichtig iit. Wat
nüßt 3. B. die Anführung der altaermaniihen Auslautägeieie
(8.741? Und zweitens läht das Werf die nötige Sorgfalt ir
der Durdarbeitung des Stoffes vermiſſen. Wer jo ſchwierige
Dinge einem weiteren Kreiſe mundgerecht machen will, muß he
felber vollftändig beberrichen; nicht felten aber hat man das Ge
fühl des Gegenteils. Gar manches iſt flüchtig, anderes ungenau
jchief oder gar unrichtig dargeftellt. Das zeigt fich beionders bei
der Beiprebung älterer Spracherſcheinungen. Auch in der Bir
dergabe älterer oder fremder Sprachformen herrſcht vielfach eine
grobe Ungenauigfeit; Drudtehler werden ſchwerlich überall anzu
nehmen jein, obwohl auch fie das Buch in unerwünschter Meng
bevöltern. Dies allgememe Urteil mag dur einige Einzelbemer
fungen erhärtet werden, die fich vorwiegend auf das Neuhod
deutiche beziehen.
Jin ganzen anſprechend ift der erite, allgemeine Teil, der dr
Anfichten über den Uriprung der Sprache, die Werjchiedenbeit dei
Spradjbaues und die Einteilung der Spracden, insbejondere dann
den indogermanifhen Spradjtamm und die deutiche Sprache in
ihrer Verzweigung und Entwidlung, endlich den Wortſchatz des
Deutjchen behandelt. Der zweite Zeil, der von den Lauten und
ihren Veränderungen handelt, giebt zu den verichiedeniten Be—
denken Anlaß. Brauchbar ijt im allgemeinen die Darjtellung der
Laute an fih. Sollte aber wirllich ein Unterichied fein zwiſchen
dem ein »cchte und dem ä in »Ställee, oder zwiſchen y in » Myrtbe«
und ü in» Würde« (5.52)? Wird es wirklich noch beitritten, daß
Alpiraten im Deutjchen vorlommen (S. 58)? Das nord- umd
bühnendentihe » Tage hat einen deutlich wahrnehmbaren Hauch
hinter dem t; ebenjo f und p im Anlaute. Much ift jch fein zus
jammengejegter Laut (S. 59), ebenfowenig das franzöfiiche j.
Unter den phonetiichen Werten (5. 61) fehlt ſeltſamerweiſe: Trauts
mann, die Spracdlaute uſw. Nicht Har, zum Teil faljch find die
Sautverfhiebungen dargeftellt (S. 75.) Much bei den anderen
Lautveränderungen tft nicht alles in Ordnung; jo wäre » Stnoblaud)«
aus mittelhochdeutich klobelouch als Beijpiel einer Dijfimilation
(Entäbnlihung) anzuführen gewejen, grade wie ⸗Knäuel« aus
kliawel (S.86) uff. Beſſer find wieder die folgenden Abfchnitte
über Lautiymbolit und Bedeutungswandel. Aber » Troße bedeu⸗
tete früher nicht » Mut«, und »Hochmut« nicht » Örokmut« (5. 107).
Der Abſchniti über die Wortbiegung läht an Überjichtlichteit und
Ordnung, gar nicht jelten auch an Richtigkeit und Genauigkeit
mancdes zu winjchen übrig. In »fanne jtedt nicht die alte Ser:
fonenendung, die in >»bin« erhalten it; »gewohnt« (S. 121) iſt
nicht rüdumlautendes Mittelwort zu »gewöhnen«; »gären« ¶ S. 128)
bat mit »gare nicht das mindejte zu ihun; »des Buchitabens»
(S. 135) iſt nicht zu billigen; der alte Dativ der Mehrzahl » Bes
jemen« (5.136) iſt fein Beweis für ſchwache Abwandlung, eben:
ſowenig die Form »mit Gunjten« (8.137) uſw. Much die fol
genden Abjchnitte über die Wortbildung und Vollsetymologie find
nicht frei von mannigfahen Mängeln. Doc würde ein näheres
Eingehen bier zu weit führen. Nur auf den legten Teil: Stoffe
für Aprahiche Dentübungen, möchte id) noch befonders hinweifen.
Hier wird in bunter Folge eine Reihe von ſtamm- oder jinnver-
wandten Börtern vorgeführt und nad) Ableitung und Bedeutungs-
entwidlung betrachtet. Es iſt eine reichhaltige Beiſpielſammlung
für die in den vorhergehenden Abichnitten beiprochenen ſprach—
lichen Erjdeinungen. Obwohl auch in diefem Zeile mandjes ges
bejjert werden könnte, macht er doch den Gindrud größerer
Sorgfalt.
So iſt denn an dem Buche mancherlei auszujegen. Immer—
bin kann es dazu dienen, den Anfänger in das Wefen der Sprache
und die Geheimnifje des neuhochdeutſchen Wortihapes einzufühs
ren. Der Lehrer wird zumal aus dem leßten Teile vieles zur
Belebung und Vertiefung des Unterrichtes in der Mutteripradhe
entnehmen können. Auch die reichlichen Mitteraturangaben, zum
Teil mit furzen Belprehungen, werden manchem willkommen jein.
Durchaus wünjchenswert wäre aber für eine etwaige neue Auflage
eine gründliche und jorgfältige Durchlicht im einzelnen. Dann erit
wird das Buch in Wahrheit »ein Hiljsbuch für Lehrer und Freunde
der Mutteriprache« werden. Möge es indes ſchon in der jepigen
Form dazu beitragen, daß die Erkenntnis unſerer reichen Sprache
in immer weiteren $reijen verbreitet werde!
Braunschweig. Karl Scheffler.
Eingejandte neue Drudichriften.
Hollaender, L., Brof. Dr. med., Die Ertraction der Zähne
für Arzte und Studirende 4. Auflage Wit 54 Abs
bildungen. Leipzig, 1894, Arthur Felix. VIII. 978. 8°
(In der Vorrede jagt der Berjafier: » Endlich habe ich verſucht,
entbebrliche Fremdwörter zu vermeiden. Auf Wunſch des Herm
Verlegers wurde jedoch der Titel » Ertraction« beibehalten, einer=
feits, um nicht den Anſchein zu erweden, als ob es jid
um eine Schrift für Laien handle, und andererjeits, weil
das Werk bereits unter diefem Zitel eingebürgert iſt.“ — Diefer
Verſuch des befannten Profeſſors der Zahnheillunde an der Unis
verfirät Halle, die Grundjäge unferes Vereins in einem wiſſen—
ichaftlihen Werte zu bethätigen, find mit Freude zu begrüßen,
Hoffentlich liegt aber die Zeit nicht mehr fern, wo man willens
ſchaftliche Bücher mit ganz deutichen Titeln veröffentlichen kam,
le den Anichein zu eriweden, als ob jie für Yaien gejchrieben
eien.)
BZeitfhrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. 1894. Nr. 7/8.
Ponſik, Dr. jur., 25. Jabresberiht über die Wirkfjam- |
keit des Frankfurter Gefängnisvereins.
158
(Ebenjo wie die auf Ep. 45 d. J. erwähnte Schrift desfelben
Verfaſſers »Der Frankfurter Gefängnisverein in den erſten
25 Jahren feines Beitehens« ift auch diejes Meine Heft in einer
von Fremdwörtern völlig freien, dabei ungezwungenen Sprache
geichrieben.)
Aus den Sweigvereinen.
Berlins Charlottenburg. Nach Erledigung einiger ge—
ſchäftlichen Angelegenheiten in der Verfammlung vom 1. Mai hielt
Gymnafialdireltor Dr. Lück einen Vortrag über die Sprade
Annettens von Drojte-Hülshofj und den neuften Band
von Grimms deutihem Wörterbude. Die Ausführungen
in denen der Redner Annette von Drojte- Hülshoff als eine der
hervorragenditen Dichterinnen bezeichnete, fanden reichen Beifall.
Es wurde beſchloſſen, die Vereinsverfammlungen in den Monaten
Juni bis September ausfallen zu lafjen und eine jolche erjt wieder
für den eriten Dienstag im Oftober anzuberaumen.
Bonn. Am 3. Juni hatte der Vorſtand die Ehre, die
derjönliche Betanntichaft des Gelamtvoriigenden, DOberjtleutnant
Dr. Jähns, zu machen. Die Burjchenichaften»Alemannia«
und »Franconiae fowie der »Berein deutjher Studenten«
haben vor kurzem ihren Beitritt zu unjerem Zmeigvereine erklürt —
ein Beijpiel, das, wie wir zu hoffen berechtigt find, hier und
anderswo bald Nachahmung finden wird.
Graz. Aus den geihäftlihen Mitteilungen, die der Obmann,
Brofeijor Dr. Ferdinand Khull, in der Maiverjammlung madıte,
ift hervorzuheben, dab der Ausihuk beim Gemeinderate und dem
Stadtverjhönerungsvereine wegen Ausmerzung fremder Bezeich—
nungen auf Straßenjcildern und Wegetafeln eingelommen üt.
Es wurde beichloffen, den Geſamworſtand in Berlin zu bitten, er
möchte die amtlichen Drudjaden des Vereins nur in deutichen
Schriftzeichen erſcheinen laſſen.
Kiel. Der erſte Verſuch, Damen an der Sprachbewegung zu
beteiligen, gelang in der Maiverſammlung in überraſchender Weiſe.
Etwa die Hälfte der zahlreichen Zuhörerſchaft beitand aus Frauen
und Jungfrauen. Paſtor Stubbe ſprach über die bibliichen
Frauennamen.
Köln. Am 17. Mai tagte bier die vierte Verfammlung des
Verbandes rheiniſch-weſtſäliſcher Aweigvereine des a. d. Sprad)-
vereins. Anweſend waren 14 Bertreter von Zweigbereinen ent-
ichuldigt die Vereine Trier, Wejel und Erefeld. Der Borfipende,
Archiorat Dr. Keller- Münfter, erftattete den Jahresbericht, wo—⸗
nadı dem Sauverbande 24 Vereine mit 2100 Mitgliedern anges
hören. Der Gauverband ijt in erfreulicher Entwidlung begriffen;
feine Tchätigteit zur Vertiefung der Bejtrebungen des Bereins
fand Wnertennung auch beim ejamtvoritande. Die willen:
ſchaftlichen Beiheſte des Vereinsblattes find eine Frucht dieſer
Thärigteit. Die Gelbverhältnifje des Gauverbandes jind gut, ſo—
daß ihm entſprechende Mittel zur Verfügung ftehen, zur Fürs
derung der Vereinszwecke pafiende Wanderredner zu gewinnen
und Dieje den Zweigvereinen zur Berfügung zu jtellen. Wach
fann eine nennenswerte Beijteuer zu den Koiten der Hauptver—
ſammlung geleitet werden. Der Gauverband ijt Mitglied der
' Gejellichaft für Verbreitung von Volksbildung, der Gomeniusge-
fellichaft und des Vereins für vereinfachte Nechtichreibung ges
worden. Die Verjammlung beſchloß, die Werbandsvereine zu
einer recht regen Beteiligung an der Haupwerſammlung, die vom
18. bis 20, Auguft d. J. in Koblenz ftattfindet, bezw. zur Ents
jendung von Bertretern anzuipormen. Zum Schluß wurden
die Anträge des Bonner Vereins angenommen, nämlich 1. den
Spredyjaal der Zeitſchrift ausgiebig zu benugen, namentlich um
über die errungenen Fortſchritte der Vereinsſache zu berichten;
2. die »Rheiniſchen Geſchichtsblätter« wirfiam zu unterjtügen.
Leoben. Die jehr zahlreich beſuchte Wanderverfammlung in
Trofaiah wurde von Proſeſſor A. Catajjo eröffnet, worauf
DOberlehrer ©. Banco einen Bortrag Über Sprachſchönheit
und Spradridtigfeit hielt. Daran jchlojjen ich mujitaliiche
jowie Vorträge Baumbachſcher und Stielerjdyer Dichtungen.
Linz Inder Maiverfammlung behandelte Brofefjor DO. Lan—
ger die Ausſprache von Fremdwörtern und jtellte in feinem
Vortrage die Forderung auf, daß Fremdwörter, die man nicht
umgeben fann oder nicht gern vermeidet, wenigitens richtig aus—
geſprochen werden jollen.
159
Brieftaften.
Ber Aujchriften ungenannter Abjender bleiben un=
es
Herrn 9. Molj, Darmjtadt. Vielen Dank für Ihren Vor:
ſchlag, das Wort Gaufrage durch »Waffelprägung« zu vers
— (vgl. VIII, 11). Wir werden dem Illuſtrierten Brief—
marlen= nn davon Kenntnis geben.
Herm E. 9. ..., Wien. Der fraglice Ausdrud der Bau:
funftiprache it offenbar das frz. balustre, mithin auch Balujter
zu jchreiben. Die Verdeutſchungen in den einichlägigen Werten
lauten: Geländerdode oder sjüule. Balustre de chapiteau —
Poljtergurt (äuferjter Umfang der Schnede an dem Kapitäl ber
ionischen Säule).
Herm F. D...., Hamburg. Die Zeitſchrift kann ſich un—
möglich mit allem Unfinn befajien, den ungebildete Menjchen in
Privatbriefen verüben, fie hat genug zu thun, wenn fie den
Fremdwörterunfug feitnagelt, der I im Drude breit macht. Wir
empfehlen Ihnen den Briefichreiber perjönlih darauf aufmertiam
zu machen, wie abjchenlich fein »acharnemente uf. auf jeden
wirten muß, der jeine Mutterjpradye lieb Hat.
Herm Oberlehrer D. RN. W. ..., Berlin. Der »Hofzahn—
dentijt« H. Mewes in Brüfiel, rue de Paris 11, der unter
dieſem fchönen Titel jeine Dienjte anbietet, behandelt hoffentlich
jeine Sranten befjer als die deutjche Sprache!
Herrn Dr. G. ..., Linz. Bielen Dant für Ihre Berichtigung
unjerer Brieffaftenbemertmg auf Sp. 103/4, für die wir übrigens
die Verantwortung dem Einfender überlafien müſſen. Reſerve—
Gagiſt iit nad Ihrer Darlegung aljo nicht gleichbedeutend mit
Rejervijt oder Nefervejoldat, jonden Gagiſten find nur Dffis
iere und die Militärperionen mit Dffiziersrang, die eine Gage
ziehen, während Mannichaften und Unteroffiziere snure eine Löh—
nung erhalten.
d.h. ein Offizier oder im DOffiziersrange jtehender Beamter der
Reſere.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 7/8.
Reſerve⸗ Gagiſt daher — Gagiſt der Reſerve,
10
| Herm Oberlehrer R. PB... ., Kattowiß O/S. Gewiß, Sie
| brauchen fich weder vor Sanders, noch vor feinen 2 Beiipielen zu
beugen. Wenn Ihnen Ihr Sprachgefühl die Wendung setwas
neben ein anderes auſhängen« ald ungut ericheinen läßt, io
haben Sie zweifellos perſönlich das Recht, fie zu meiden um)
| immer nur »etwas neben einem anderen aufjubängen« Aber
viel weiter dürfte das Mecht auch nicht geben, am wenigſten jo
weit, dal; Sie anderen jenen Accufativ al® »groben ehler« an
rechnen. Die Frage gebört in ein Kapitel des deutichen Sptach
ebrauchs, in dem von jeher der perfönlichen Auffaſſung und An:
Pia chauung ein weiterer Spielraum verjtattet gewejen und zum Glüd
noch verjtattet ift. Statt längerer Ausführungen, die hier micht
am Plate wären, möge nur auf die betr. Äbſchnitte bei Gut.
Andreien, Sprachgebraud) und Spradrichtigfeit im Deuticen
(7. Aufl. 1802, 27619.) ) und Theod. Matthias, Sprachleben
und Spradichäden (1892, ©. 137 fg.) bingewiejen werden.
Herrn Oberlehrer 3...., Saarbrüden. Ihr Wunſch betr
eine Zufammenijtellung der Titel von Büchern, welche Gegenftände
des Arbeitsgebietes des Sprachvereins auf wiitenfchaftlicher Grund:
lage behandeln, ſoll ipäter in einer etwas umſaſſenderen Weit
erfät werden, Vor der Hand feien Ihnen jedoch genannt zu
1. die jehr überfichtliche Bibliographie in dem »Grumdrih der
germaniichen Tbilologie« herausg. v. H. Paul, II. Band, 2. At
teilung, ©. 508 fg., wo nicht nur die Älteren und neueren (al
gemein deutschen und landichaftlihen) Sammlungen, ſondern cus
die Schriften äufammengeftellt find, die über das deutiche Ts
wort (im allgemeinen und im beionderen) handeln. Yu 2
Heinge: Die deutihen Familiennamen, geidjichtlich, —
phiich, ſprachlich (Halle 1882), der einzige Verſuch einer Zu—
jammenfajjung der jehr zahlreichen Sonderarbeiten auf dieiem
Gebiete, der freilich nur bedingungsweiſe empfohlen werden kann,
da er manches zu wünſchen übrig fäit. Sehr furz, aber in dem
Gegebenen zuverläfiig ift der Abſchnin über die Berjonennamen in
O. Behaghels befanntem Buche »Die deutiche Sprache « 1856. —
Zu 3. der Abjchnitt » Bedeutungswandel« in dem zulegt genann:
' ten Bude.
Geſchäftlicher Teil.
An
anferorbentlihen Gaben
50 Marf
als Hahresbeitrag für 189% von dem Ehrenfürderer unfers
Vereins Konſul M. Fels in Korfu zu den bereits früher ges
währten 300 Mar; —
gingen ein:
20 Mari
von Herrn Hans und Frau Emma Edle von Querfurth in
Schönheiderhammer; —
10 Marf
von Frau Elly Siegelmann geb. ode in Berlin, und
6 Marf
von Dr. E. Kluſemann in Glanegg bei Salzburg.
Wir jtatten den hochgeehrten Gönnern des Spradvereins für
dieſe Gaben unfern beiten Dant ab.
Der Gejamtvorjiand,
Dr. Mar Jähns.
Da die Poſt die Verſendung der wiſſenſchaftlichen Beihefte |
an diejenigen Mitglieder verweigert, welche die Zeitſchrift durch |
das Poſtzeitungsamt beziehen, fo fünnen die etwa fehlenden Hefte
von dem Schatmeijter des Vereins, Berlagsbuchhändler Ernit,
fojtenfrei bezogen werden. |
Diefer Nummer liegt bei 1. die Feitordnung für die Haupt:
verſammlung nebſt der Rechnungslegung für das NYahr
1893 ulm. und 2. ein Verzeichnis der Zweigvereine bei,
das mit einer Überfichtstarte verbunden iſt, melde bie
Örtliche Verbreitung unjeres Vereines erfennen läßt. Auf den
eriten Blick geht daraus hervor, daß dieier in Oſt- und Süd—
deutichland jehr viel jchwächer vertreten ijt als im Weften umd in
der Mitte unjeres Vaterlandes. Zählen do die Rheinlande 35,
die ober= und niederjüchliichen Bereiche allein 61 Vereine, während
die weiten Gebiete öjtlih der Elbe bloh 34, Schwaben und
Bayern zujammen gar nur 10 und alle öfterreichiichen Lande
nicht mehr als 24 Fweiqvereine enthalten. — Möge dieſe an-
ſchauliche Überficht auf die beitehenden Lücken aufmerfjam machen
und die Freunde unjerer guten Sadje anjpornen, die leeren Räume
zu füllen! Möge jeder Aweigverein ſich in feiner Nachbaricaft
umsehen und jich fragen, ob es ihm nicht möglich fei, dort den
Samen unfered3 nationalen Gedantens auszuftreuen und ihn
durc Gründung neuer Zweigvereine in feiner jegensreihen Wirt
jamfeit zu kräftigen!
Die nächte Nummer wird mit Nüdficht auf den Bericht über
die Hanptverjamminng ftatt zu Anfang, erit Mitte September
erſcheinen.
Briefe und Druckfachen für die Vereinoleitung
find an den Korjigenden, |
Oberleutnant a. D. Dr. Mar Jahns In Berlin W. 10, |
DMargaretenfirahe 16,
Briefe und Druckſachen für die Zeitichrift ind am den Herausgeber,
Briefe und Zuſendungen file die Wiſjenſchaſtlichen Beihefte an Brofeflor Dr. Paul Pletich, Berlin S
zu richten.
— Flr die : geitung Veranmworiieh Beledrig Wopyendans, Beriim. -
Geldiendungen und Beitrittserflärungen
an den Scugmeifter,
RCROPEBEINUR. © Eberhard Ermnft in Berlin W.al,
Wilhelmftraie ©,
Oberlehter Arledrid — EERNENE in Berlin R. W. 2
30, Mopitrahe 12,
, Altonaer Sterne 4,
—ã des allgemeinen deutichen Spradwereins.
Drud der Buchdruderei des Waiſenhauſes in Halle a. d. ©.
Leer (Ostfriesland) .
Leipa (Böhmen)
Leipzig. - » »
Leitmeritz (Bitumen)
Leoben (Steiermark)
Liegnltz . . . »
Linz (Donau) Österr.
Lohr (Main) .
Lübeck
Magdeburg . .
Mailand (Italien)
“Mainz... .
“Marburg (Drau)
Steiormark
Marienburg. (\West-
preußen) „ . »
Lohrera.d. Realschule Alois Stockmair, Vors.
J, Somnitz, Schatzmstr,
Gymn.-Dir. Quapp, Vors.
Lehrer Jos. Just, Vors,
Prof, Alex Tragl, Schrift,
Landger. - Dir. Gensel,, Vors.
Oberlehrer Dr, Beer, Schriftf.
Prof. Jos, Blumner, Vors,
Bürgerschullehrer Hauptvogl, Schriftf.
Bürgermeister Dr. Ignaz Buchmüller, Vors.
Gymnasial-Prof. A, Cafasso, stellv, Vors.
Red, G, Harschkamp, Vors,
Oberlehrer Abicht, iſtt.
K. K. Realsch f. 0. Langer, Vors,
Prof. d.H Th. Schneller, Schriftf.
Subrek, Ferber, Vors
Rektor Wetzel, Schriftf, u. Schatzmstr,
Oberl. C, Schumann, Vors,
Dr. Zillich, Schriftf,
Oberl, Dr, Knoche, Vors.
F. Eckbardt, Vors.
Kanzlor
Karl Glockner, Schatzmstr.
Oberl. Braun, Vors,
Stadtarzt Dr. A, Mally, Vors.
IX. Zahrgang Ar. 9. September 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deuffchen Spradjvereins,
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrih Wappenhans.
Diefe geitjchrift ericheint jäferich swölfmal, zu u Anfang jedes Monats, 7 | BEE Die Beltfchrift kann auch durch den Buchhandel oder die Bor
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Spradvereind umentgelttich | zu 3ME. jährlich bezogen werden, — Anzeigenannahme durch den Edapmeifier
geliefert (Sapumg A). | Eberhard Ernft, Berlin @.4l, Wildelmfer. 90. — Huflage 14250.
Inhalt: Feittied zur —— in Koblenz. Bon Friedrich van Hoffs in Trier. — Geſchäftlicher Teil: Bericht über
die VIL Hauptverfammlung am 19. und 20. Auguft 1894. — Brieftaften. — Aus den Bweigvereinen. — Bücherſchau. — Beitungs-
ſchau. — Wenn das am grünen Holz geſchieht.
Seftlied zur Banptverfammlung in Koblenz.
Weile: Integer vitne.
Herrlicher Rheinſtrom, Stolz des Baterlandes, — Der du im dunklen Schoße deiner Fluten
Würdig des ſchönſten aller Preisgefänge, Birgit jenen goldnen Hort der Nibelungen:
Kräftig entſproſſ'ner, heil'ger Segenipender, D unſrer Ströme herrlidjiter, wie gleichet
Nil uns und Ganges! Dir unjre Spradje!
Der du mit Hoheit lommſt einbergezogen, Strömt doch in Fülle aud) die deutfche Sprache!
Bald leife raujchend, wenn did Weite fücheln, Kraft iſt und Anmut ihr qlüdjel'ges Erbe;
Hald mächtig donnernd, wenn du jäh des Froſtes Lieblich zu loſen weih fie, doch auch wieder
* Feſſel zerſprengeſt; Furchtbar zu zurnen.
Köſtlicher Reichtum ruht in ihren Tieſen;
Forſcher und Dichter, ihr erſchöpft ihn nimmer!
Hoch fie zu halten, laßt am deutſchen Strome,
Brüder, ung ſchwören!
Trier, Friedrich van Hoffe.
Geihäftliber Teil.
R — Sitzung, welche, wie alle folgenden, in dem ſchönen Feſtſaale des
Bericht über die VII. Bauptverfammlung Kaijerin Auguſla⸗ Gymnaſiums jtattfand. Nachdem Oberitlt. Jähns
am 19. und 20. Hugufi 1894. dem Wunſche Ausdrud gegeben, daß die Beratungen flott vorwärts
gehen und zu befriedigenden Ergebnifien führen möchten, erteilte er
ſtatt. Am Abend des 18. März (Sonnabend) ging ihr eine Bor: dem Vorfipenden des Koblenzer Zweigvereins, Herm Oberlandes—
feier voraus, für welche die Direltion des Eivillafinos ihre Näume gerichtsrat Scheerbarth, dad Wort.
zur Verfügung gejtellt hatte, Obgleich des jchlechten Wetters der en u * il Ve Su ——
wegen der Garten nicht benutzt werden fonnte und daher auch der allgemeine deutſche Sprachverein feine Hauptverjammlung am
die Mufit nur in abgerifjenen Tönen in die Säle Hang, trug | Rheine abhält, dem jhönen bdeutjhen Strome, der, wie der Dichter
die zwangloſe Gejelligkeit jchon diefer erſten Stunden den Stempel | fingt, bald leiſe rauſchend, bald mächtig bounernd dahin sieht,
jener herzlichen &emitlichfeit, der dem Feſte in feinem ganzen | und fo ſelbſt * lebendiges Sinnbild unſerer Sprache iſt. Wir
Verlaufe aufgeprägt blieb. Der Vorſtand des Kaſinos, Herr Koblenzer Mitglieder des Vereins freuen und jehr, daß Koblenz
Sch. Juftizrat Fiſchel, begrüßte die Erſchienenen mit warmen ‚ die Ehre bat, bie erſte Oonptverfouuniung * eme A⸗—
beredten Worten, denen der Vorſitzende des Vereins, Hr. Oberſtlt. bergen. Leider mangelt r dei Himmels Gunſi * Bezug anf
Dr. Jähns, jofort den Dank der Gäſte folgen Tief, indem er in daß Wetter und damit eigentlich ‚bie Borausjepung für unfere
Feitveranftaltungen. Indem id; Sie aber verjichere, daß wir das
ichlechte Wetter nicht beitellt, noch viel weniger gemacht haben,
' möchte ich Sie bitten, fich nicht die Laune verderben zu laſſen und
‚ in der guten Stimmung, die ſich geitern Abend offenbarte, das
Feſt fortzufeiern. Im Namen des Zweigvereins Koblenz heiße
ih Sie herzlich willtommen. (Lebhafter, allfeitiger Beifall.)
Am Sonntag den 19. Auguſt bald nadı 9 Uhr morgens er- Borfigender Dr. Mar Jähns: »Der Tagesordnung gemäh
öffnete der Borfipende Dr. Mar Jähns die erfte geſchäftliche beginne ich jept mit der Eritattung des Jahresberidhte®.
Die ordentliche Hauptverfammlung d. J. 1894 fand zu Koblenz
launiger Weile an das Fremdwörter $tlceblatt » Direltion des
Eivil-Kajinoss anfnüpfte. Die Stimmung bob fich je länger je
mehr ımd fand wohllautenden Ausdrud in den jchönen Lieder
vorträgen des Koblenzer Männergefangvereins »Nunfordia «.
163
»Der lebte Jahresbericht wurde der Hauptverfammlung am
23. Mai 1893 zu Kafjel eritattet. Er begann damit, daß er in
Ausſicht nahm, nad Wiederheritellung des inneren Friedens bie
Bahl der Zweigvereine zu vermehren. — Meine Herren —
das iſt doch bisher leider noch nicht möglich geweien. Wohl
wurde der Friede im Vereine wieder hergejtellt; aber er hatte
erfauft werden müjjen mit dem Ausscheiden unferes größten Zweig:
verein, Alt Berlin, und die langandauernden Wirren innerhalb
des Gefamtvereines hatten jo ermidend, jo ammidernd, jo ent-
mutigend gewirkt, daß ſchon im Laufe d. %. 1893 acht Zweig—
vereine: Amsterdam, Bremerhaven, Brünn, Budweis, Mühlhauſen,
Nagy Bocscd, Ortelsburg und Wandsbeck, ihr allmähliches
Erlöſchen dadurd zu erkennen gaben, daß fie feine Beiträge
mehr zahlten, und dab jich außerdem um die Jahreswende el
Bweigvereine förmlich auflöjten: Apenrade, Flensburg, Greiz,
Hadersleben, Homburg, Keilhau, Poſen, Schleswig, Stolp, Wat-
tenscyeid und Banoıw, von denen bisher nur Greiz wieder:
erjtanden ift. — Neubegründet wurden demgegenüber nicht
mehr als fünf Vereine: Berneck, Danzig, Iglau, Marienwerder
und Mettmann‘) So hoch aber aud) der Wert diefer Begrün-
dungen, zumal derer an der Weichjel und auf der böhmiſch-mäh—
riſchen Spradjinfel veranfchlagt werden mag — unfere Gefamtheit
hat doch immer einen ernjten Verluſt zu beflagen, angefichts defien
wir wohl Urſache haben, des deutichen Sprüchwortes zu gedenfen:
»jriede ernährt, Unfriede verzehrt!« — Halten wir uns jtets
vor Augen, dak Einigkeit ſtark macht; ſuchen wir auftaucdhende
Meinungsverjdiedenheiten immerdar glimpflich auszugleichen, und
hüten wir uns namentlid davor, fachliche Gegenjähe oder Form—
fragen im perjönfiche Gehäfigteiten ausarten zu lafjen und dieſe
dann gar noch in die Offentlicyteit hinauszuſchreien! (Beifall.)
»Auf weichem Wege die Einbuhe, die wir infolge joldyen Ver—
baltens erlitten haben, etwa wieder einzubringen jei, darüber will
Ihnen Herr Dr. Günther Saalfeld morgen einen kurzen Vor—
trag halten. — Gegenwärtig zäblt der Gejamtverein 167 Zweig:
vereine, von denen allerdings einige nur noch dem Namen nad
beitehen, und ungefähr 11500 Mitglieder, darunter etwa "/,, un-
mittelbare.
» Schon in der Bemerkung, mit welcher ich in der Julinummer
der Zeitjchrift Kärtchen und Verzeichnis der Zweigvereine begleitete,
abe ich darauf hingemwiefen, wie ungleich die Vereine über Deutich-
fand und Öiterreich verteilt find. Ihre volle Hälfte fällt auf das
weitliche Norddeutichland, das Gebiet zwiſchen der See, der Elbe,
dem Main und der wejtlichen Meichdgrenze. An den Bereichen
öftlich der Elbe bejtehen nur 34, im Öjterreich kaum 24, in Sübd-
deutjchland, einjchliehlih der oberrheinischen Lande gar nur 23.
Während die preußiſche Mheinprovinz z. B. bei 4700000 Ein-
wohnen 20 Ziveigvereine zählt, haben das geſamte rechtsrheiniſche
Bayern und Württemberg bei einer Bevölkerung von fait 7 Mil
lionen nur 10 Zweigvereine. Um in diefer Hinficht womöglich durch
Einwirkung hervorragender Perjünlichleiten Wandel zu fchaffen,
haben wir diesmal auf der Vierundzwanzigerliſte verhältnismäßig
viel füddentiche Namen zur Wahl geftellt.
» indem ich von den Vereinen zu den Berfonen übergehe,
habe ich vor allem des ſchmerzlichen Verluſtes zu gedenken, den
wir dadurd erlitten haben, dab (abermals infolge der erwähnten
Wirren) der Schöpfer des allgemeinen deutjchen Sprachvereins,
Herr Mufeumädireftor PBrofefjor Dr. Riegel, von dem Amte des
*) Der Hweigverein Thorn, welcher in der letzten Dezember:
nummer unſerer Zeitfchrift als »begründet« angemeldet wurde, ift
leider thatſächlich nicht zu ftande gefommen.
Zeitihrift ded allgemeinen deutfhen Spradvereind. 1894. Nr. 9.
164
Borfigenden zurüdgetreten iſt. Was er uns als folder war,
das wiſſen Sie ja alle! Pas jchöne ftolze vollstümliche Bert,
das feiner Begeifterung entiprungen war, hat er mit bingebender
Liebe und Sorgfalt acht Jahre lang gepflegt und ausgeitaltet.
In der tiefen Empfindung treuer Dankbarkeit dafür, hat der Ge—
famtvorjiand Herm Dr. Riegel am 10. Dftober 1893 zum Ebren-
milgliede ernannt, und diefem Beifpiele find in verjchiedenen
Formen Huldigender Kundgebungen viele Zweigvereine gefolgt:
Blankenburg, Ezernowig, Döbeln, Eger, Freiburg, Graz, Sem:
ben, Koblenz, Krefeld, Leipa, Leoben, Lübet, Marburg, Münjter,
Norden, Prag, Reichenberg, Straßburg, Stuttgart, Trier, Tü-
bingen und Wermelstirchen.
»Aus dem Kreife unferes Geſamtvorſtandes rik der Tor
ben Wirklihen Gcheimrat Dr. v. Wardenburg, Exrellenz, dem
wir ein ehrendes Gedächtnis bewahren werden. Mit Freude aber
erfüllte es uns, Herm Profefior Dr. Hildebrand in Leipzig,
der dem Gejamtvorjtande von Anbeginn angehört hat und jedem
Deutichforjcher durch feine Fortführung des Grimmſchen Wörter:
budyes wert und teuer geworden tit, zu feinem fiebzigiten Ge
burtötage ein fünjtlerijch ausgeitattetes Glüdwunjchjchreiben über:
reichen zu können, von dem er gejagt hat, »es fei ihm geweſen,
ald ob der Genius des Vaterlandes felbit zu ihm jpräce, in
deſſen Dienften er ſich feit feinen Primanerzeiten gefühlt“ —
Auch Seine Excellenz, den Herm Oberpräjidenten Dr. v. Ben-
nigjen, deſſen gefeierter Name die Reihe der Mitglieder unferes
Borftandes eröffnet, durften wir zu feinem fiebzigjien Weburtt-
tage begrüßen und ihm zu diefem Ehrentage, der ein allezeit dem
Baterlande treu geweihtes Leben frünte, von Herzen beglüd-
wünſchen.
» An demſelben Tage, an welchem Herr Dr. Riegel zum Ebren-
mitglied ernannt wurde, berief die auszeicnende Wahl meiner
würdigen Genofien mic als Vorſitzenden an die Spihe des
Bereind. Die Dinge lagen damals aus äußeren und inneren
Gründen recht ſchwierig, und nur deshalb entichloß ich mich —
nicht leichten Herzens — dazu, dem Mahnruf an meine Vereins:
treue Folge zu geben. Bon Anfang an aber war ich mir be
wuht, daß diefer ebrenvolle Aufruf keinesweges fühig fei, den
echten Beruf zur Sache zu erſetzen. Ach war noch nicht lange
im Gejamtvorjtande, alſo neu in den Gejchäften, bin im der
Sprachtunde nur recht mäßig bewandert und zudem jo tief ver-
jtridt in meine eigenen kriegswiſſenſchaftlichen Arbeiten, daß id
nur mit Mühe den nicht unbedeutenden Aufwand an Zeit und
Gedanlenhingabe beitreiten fonnte, den das neue Amt von mir
forderte. Ach übernahm es, einer Ehrenpflicht gehorchend; aber,
meine Herren, ich hoffe von Kerzen, daß ſich recht bald ein
Mann finde, der geeigneter ijt als ich, diefem großen und edeln
Vereine vorzuitehen,
»Wie die Leitung des Vereines jo ging mit Neujahr auch die
der Zeitichrift in neue Hände über, in die des Oberlebrers
Friedrich Wappenhans. Ich glaube nicht zu irren, wenn
ich die Meinung ausjpreche, da der freudige Eifer, mit dem
dieſe jugendfriiche Kraft fich ihrer Auſgabe unterzicht, gute Früchte
trägt. Der Gefamtvorjtand heat die Überzeugung, daf gerade in
der Beitichrift das wirlſamſte Mittel gegeben ift, um im weiten
Kreiſen für unfern vaterländijchen Gedanfen zu arbeiten und um
die Zweigvereine untereinander zu verbinden und fie durd Mit:
teilungen über ihre Thätigfeit anzuregen und zu belehren. Bon
Anfang an iſt unfer Schriftleiter bejtrebt gewejen, möglidyit aus-
giebig über die Erfolge und Erfahrungen der einzelnen Vereine
zu berichten, und wenn in dieſer Beziehung doch immer noch viel
| zu wänfchen übrig bleibt, jo liegt das thatſächlich nur an der
165
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. 189. Nr. 9.
166
ſpröden Zurüdhaltung oder der Unthätigfeit eines ſehr großen
Teiles der Ziweigvereine, aus der fie neuerdings unfer verehrtes
‚Mitglied, Herr Profeſſor Stier, durch perfönliches Eingreifen
herauszureißen verjucht — hoffentlich mit Erfolg!
» Bei der Wichtigkeit, welche wir der Zeitichrift beimeſſen, haben
wir, troß erheblicher Mehrkojten, es nicht gefcheut, von den im
Laufe dieſes Jahres erjchienenen 8 Nummern deren 6 zu andert-
halb Bogen zu bieten. Seht joll num der Verſuch gemacht werden,
einen Teil der Kojten dadurch einzubringen, dak der Beitichrift
und anderen Veröffentlichungen des Vereins Anzeigen beigelegt wer:
den. Der nicht leichten Aufgabe, dies einzuleiten, hat ſich unfer
Schatzmeiſter und Gejchäftsführer unterzogen, Kerr Eberhard
Ernijt, der fi den Vorteil des Vereins aufs Eifrigite angelegen
jein läßt. Er hofft, die Zeitſchrift ſchon im Herbſt mit einer
ſolchen einigen Gewinn bringenden Beilage augjtatten zu können.
Das neuefte Beiheft ift ſchon jeht damit ausgeltattet.
Unter den bebeutenderen jelbjtändigen Aufſätzen, welche jeit
der legten Hauptverfammlung in der Zeitichrift erichienen, hebe
ich folgende hervor: im Jahre 1893 »Was heißt Sprachdumm⸗
beiten?« von Hermann Dunger, »Deutiches in der polnischen
Sprache« von Franz Schwark und »Mbteil«e von Edward
Lohmeyer; aus d. J. 1894: »Gedanfenlojer Wortgebraud « von
Karl Erdmann, »Germanijches Gigentum in der Sprache
Italiend« von Söhne, »Die deutfche Bergmannsipradje« von
Bictor Steinede, »Schreibung von Strafennamen« von Wül⸗
fing, »Zum Gedächtniſſe Bürgerd« von Julius Sahr und » Die
Nennform mit um zu« von Theodor Matthias,
» Für die Würdigung der eingereichten Aufſätze vom Stand-
bunft der eigentlihen Deutſchforſchung aus forgt der erite Schrift-
führer des Gefamtoorjtandes, Herr Profejjor Dr. Baul Pietſch,
welcher zugleich als unmittelbarer Leiter der »Wiſſenſchaft—
lichen Beihefte« wirkt und es veritanden hat, uns foqleich her:
vorragende Leuchten der Germaniſtik ala Mitarbeiter zuzuführen.
Die eriten fünf Beihefte, welche von 1891 bi® 1893 erſchienen,
liegen jegt als abgejchlofiener I. Band vor. Der II. Band jeßte
mit der afademifchen Antrittörede Friedrich Kluges »lÜber die
Entjtehung unſerer Schriftjprache« vielverheigend ein. Ihr folgten
der feflelnde Vortrag Otto Behaghels Ȇber Sprachgebrauch
und Sprachrichtigleit und Amſels »Unterfuchungen fiber die
Häufigkeit der Wortformen der deutjchen Spradiee Das neuejle
Heft wird Heut an die Frejigenofjen ausgegeben, der Heitichrift
jedod) erit im September beigelegt werben.
»Bon ben Verdeutſchungsheften hat Karl Erbes »Ber-
deutichung der Kunitausdrüde in der deutichen Spradjlehre« einen
großen unbeitrittenen Erfolg gehabt. Das Heft über die Sprache
des Bergbaus, dejien BVeröffentlihung durch die Wirren des
Borjahres in den Hintergrund gedrängt worden war, wird dem:
nächſt dem Drud übergeben werden, nachdem «8 der Berfafier,
Herr Brofefior Dr. Rachel in Freiberg, noch einmal durchge—
jehen hat. Das von Karl Scheffler nad dreijähriger Arbeit
fertig gejtellte Heft über die deutfhe Schulfprade befindet
fi) in den Händen des Musichufes, der mit der Begutachtung
desfelben beauftragt ift, und wird hoffentlich noch im laufenden
Jahre ericheinen.
» Der Sprud) über das von unjerem Vereine erlaijene fünfte
Preisausshreiben für eine Schrift » Über unfere Mutterfprache,
ihr Werden und ihr Weſen« jollte planmäßig auf der Hauptver-
fammlung zu Pfingjten d. I. gefällt werden. Da die Hauptvers
fammlung verjchoben wurde, jo konnte der Spruch erit geftern
ergehen. Der Ausfall wird Yhnen nachher in der öffentlichen
Sigung durd) unfern eriten Schriftführer bekannt gemacht werden.
» Bevor ich da8 Gebiet der fchriftitellerifchen Arbeiten verlafie,
will id ausnahmsweiſe noch einen damit eng zujammenhangen-
den Gegenftand berühren: nämlich die Frage der Schrift-
gattung. Gie erinnern ſich, daß unfere Zeitichrift von jeher mit
gebrochenen, jog. »deutjchene Buchſtaben gedruckt worden it, daß
aber in den Wifjenfchaftlichen Beiheften jchon unter der oberiten
Leitung meines Herrn Vorgängers foldye Aufjäge, deren Verſaſſer
es wünſchten, mit runden, jog. »lateiniichen« Buchitaben gefeht
worden find, Neuerdings ijt dies auch mit den Satzungen und
einigen gejchäftlichen Mitteilungen geichehen. — Meine Herren:
unfere dritte Satung jchließt die frage der Schriftgattung zunächſi
ausdrüdlic von der Thätigfeit des allgemeinen deutfchen Sprad;-
vereines aus, macht ihm alſo Unparteilichkeit zur Pflicht.
Auf eben diefe weiſt ihn der Umſtand hin, da zu feinen Mit:
gliedern, ja zu denen des Gejamtvorjiandes, die vornehmflen
Häupter, wie der »Deutichichriftler«, jo aud) der » Lateinjchriftler«
gehören. Wie follen und können wir num unfere Parteilofigteit
anderd zum Ausdruck bringen, als dadurch, daß wir beide
Schriftforten anwenden!? — Aber obgleich unſere Hauptveröffent-
lichung, die Zeitjchrift, mit gebrochenen Buchſtaben gedrudt wird
und niemand daran denkt, dies hergebradite Verfahren zu ändern,
find uns doch aus den Kreiſen der Deutichichriftler lebhafte Vor—
würſe nicht erfbart geblieben darüber, dak wir daneben auch zu—
weilen die Rundſchrift gebrauchen. Der Geſamworſtand ift der
Meinung, dat ſolche Vorwürfe nicht berechtigt find, weil fie die
Unparteilichkeit verlegen. Ganz gewiß haben die Anhänger der
runden Scrift, zu denen ja auch die Gebrüder Grimm gehörten,
das Hecht, für ebenjo qute und ebenjo einfichtige Vaterlands—
und Bollsfreunde gehalten zu werden, wie die Verehrer der eigen
Schrift! Der Vorſtand iſt aber bereit, die Sapungen, welche
zulegt nur in lateinischer Schrift gejeßt waren, auch mit beutichen
Buchſtaben druden zu lafjen. — Wenn id) es wagen dürfte, meine
perfönliche, freilich ganz unmaßgebliche Meinung auszusprechen,
jo würde ich fagen, der Streit zwiſchen Latein und Deutfch
ſchriftlern fei überhaupt überflüffig, weil er doch niemals im
Sinne der einen oder der andern Partei entjchieden werden wird.
Au allen Zeiten (vielleicht das 17. Jahrh. ausgenommen) baben
bei uns die beiden Schriftgattungen in Gebrauch geitanden;
jedes Kind kann beide lefen, und nicht darin fcheint mir das
fir die Deutfchen Kennzeichnende zu bejtehen, daß fie mehr als
alle übrigen Böller ſich der ja auch von diefen vielfach angewen—
deten gebrochenen Buchitaben bedienen, fondern darin, dak fie
eben beide Scriftgattungen gleichwertig neben einander ges
brauchen. Gerade diefe Bieljeitigkeit it aber ein fo recht echt
deutjcher Charafterzug, wie er dem uralten Hange zur Sonderung
in unferm eigenwilligen Bolfe entipringt und entipricht.
» Zum eriienmale bat der Geſamworſtand auch einen künſt—
lerifhen Wettbewerb ausgeichrieben. Er bezieht ſich auf den
Entwurf einer Bahlipructafel, und feine Ergebniſſe (mehr
als hundert, 3. T. jehr ſchöne Entwürfe) finden Sie bier in einem
benachbarten Saale ausgejtellt. Die Breisrichter können ihr Urteil
freilich erſt im Herbjt abgeben, weil fie jeßt, in der Neifezeit nicht
alfe unter einen Hut zu bringen waren.
» Für das Grabdenkmal Gottfried Auguſt Bürgers hat
der Verein einen Beitrag von 100.4 bewilligt in Anerlennung
der bewuhten Beitrebungen diejes Dichters für Reinheit und Schön-
beit unferer Mutterjprache. Gern wären wir über jene bejcheidene
Summe hinausgegangen, wenn unfere Bermögensverhältnifie
günftiger lägen. An diefen aber find das Ausfceiden, Eingehen
oder Einjchlummern fo vieler Zweigvereine und die ſtarke Vermin—
derung der Mitgliederzahl in den Vereinen natürlich nicht ſpurlos
167
Zeitſqchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 9.
168
vorüber gegangen, und wenn wir bisher auch noch nicht im die
Lage getommen find, auf die Erſparniſſe bejjerer Jahre zurüds
greifen zu müſſen, jo dürfen wir doch nicht allzu freigebig fein,
und ganz gewiß haben wir alle Urfache, diejenigen Einnahmes
quellen, welche uns erjchloffen find, auch offen zu halten. Dazu
gehört u. a. das Bermädtnis unjeres i. 3. 1890 verjtor-
benen Ehrenmitgliedes, des Baumeijterd Queder Rus
tenberg. Diefer hatte bejtimmt, daß aus einem unter Ver—
waltung geitellten, vom übrigen Nachlaſſe gefonderten Geldgrund-
itode unferm Bereine jährlich 500 .M zu zahlen ſeien. Zweimal
ift uns diefe Summe auch wirklich überjandt worden, das zweite—
mal aber jhon mit einem Rechtsvorbehalt, weil inzwiſchen der
letzte Wille Rutenbergd unter dem Gefichtäpunfte angefochten
worden war, dak unſerm Vereine die Eigenjchaft der Erbfähig-
feit mangele. — Wie dem auch fein mag — und feit zwei Jahren
ift allerdings feine Zahlung mehr erfolgt — der Gejamtvorjtand
hegt zu den Männern in Bremen, die mit der Orbnung biefer
Angelegenheiten beichäftigt find, doch das feite Zutrauen, daf fie
den richtigen Weg finden werben, um den ja auch von ihnen nicht
in Zweifel gezogenen Willen des Erblafierd in geeigneter Weife
zu erfüllen.
> Die von dem Herrn Kaeding in Berlin geleiteten jtatiftijchen
Erhebungen über die Häufigleit des Vorkommens der
einzelnen deutjhen Laute, Sautverbindungen, Wörter
und Vortformen, die zunächſt mur zum Zwecke weiterer Aus—
bildung der Kurzichrift unternommen wurden, bedingungsweiſe
aber doch aud) für unjere Beitrebungen nüglih werden fünnen,
hat der fländige Ausſchuß zur fördemden Unterftügung dem Magi-
itrate von Berlin empfohlen.
»Bon den öffentlichen Ereigniſſen, welche die Bejtrebungen
unfered Vereins berührten, hat eines mit Recht die volle Ent:
rüjtung unjerer Genoſſen und den Hohn unjerer Gegner herauss
gefordert: in Neuhaldensleben ift der Schriftleiter des dor-
tigen » Wochenblattes« und der » Landwirtichaftlichen Mitteilungen «
Herr Georg Eyrand, auf Antrag der Staatsanwaltihaft vom
Aıntsgerichte wiederholt mit Beldjtrafen belegt worden, weil
er dadurch, daß er ſich als »verantwortliher Schriftleiter«
bezeichnete, den 8 7 des Meichöprehgefeges vom 7. Mai 1874
übertreten haben foll. Er hätte al® »verantiwortlicher Nedafteur«
unterzeichnen müſſen. Da von dem Betroffenen gegen die Straf:
befehle nicht Einjpruch erhoben worden it, jo find fie leider rechts—
kräftig geworden; der ftändige Ausſchuß unſeres Befamtvorjtandes
hat jedoch eine Vorſtelling an den Kal. preußischen Juſtizminiſter,
Herm Dr. v. Schelling Exeellenz, gerichtet, um womöglich der
Wiederholung eines jo auffälligen, das deutſche Sprachgefühl
empfindlich verlegenden Vorgehens der Behörden vorzubeugen.*)
> Mit aufrichtigem Dante wird der Geſamtvorſtand es jederzeit
begrüßen, wenn ihm aus den Zweigvereinen Anregungen
zu ausfichtsvoller Bethätigung entgegengebradht werben. Dahin
gehört, meiner Anjicht nad, der auf die Tagesordnung gejepte
Antrag des Aweigvereins Neuruppin, welcher morgen verhandelt
werden wird und welchem fich ein Bonner Vorſchlag bezüglich
einheitlicher Screibung von Straßennamen ungezwungen ans
gliedert. — Ferner aber ift bier zweier Anträge zu gedenfen, die
zwar noch nicht reif erfcheinen zur Entſcheidung in der Hauptver-
jammlung, die jedoch, ihrer Wichtigkeit und Tragweite wegen,
doch mitgeteilt werben jollen, um im Kreiſe unferer Mitglieder
*) Hierzu bemertte dad BVBoritandsmitglied, Herr Landgerichtäs
rat Brunss Torgau: »3Ich kann mitteilen, da in einem ganz
ähnlich gearteten Falle dad Schöffengericht Schönebed auf Frei—
ſprechung erfannt hat.«
— — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — —
durchdacht, erbrtert und dadurch der Reiſe entgegengeführt zu
werden. — Der eine von ihnen, welcher vom Zweigverein
Freiburg i. Br. ausgeht, regt den Gedanlen an, Einfluß
auf die Gefepesiprade in den deutihen Bolfäver-
tretungen zu gewinnen umd erſcheint an und für ſich jehr ans
iprechend. Unſer hochverehrter jtellvertretender Vorſitzender, Herr
Geheimer Rat Häpe, ift jedoch der Meinung, daß diejer Gedanke
in das Gebiet derjenigen Arbeiten gehöre, deren Erfolg der Zu—
funft vorbehalten bleiben muß. In jenem jachverftändigen Gut⸗
achten weift er darauf hin, daf bereits Wilh. Haape aus Über:
fingen in Nr. 5 der Zeitichrift von 1893 darauf aufmerfiam ge
macht hat, wie für die Sprache der Geſetze ſchon die Feititellung
ded Entwurfes enticheidend fei. Wie folle nun der allgemeine
deutjche Spradwerein dabei feinen Einfluß geltend maden? Wir
erfahren in der Regel nicht, wem die Ausarbeitung eines Ge—
ſehentwurfes anvertraut ift, und wenn es in die Öffentlichkeit
fommt, daß diefer oder jener Gegenſtand in einem Gejehe be-
handelt werden foll, wird der mahgebende Entwurf bereits im
Nrbeit oder ſogar fchon fertig fein. Herr Geheimer Rat Häpe ver-
tritt daher die Anficht, daß der Sprachverein jich in diefen Dingen
darauf beſchränlen müſſe, in den Kreiſen der Rechtsfundigen, die
einmal zur Mitwirtung bei ber Gejepgebung berufen fein werden,
das Sprachgewiffen zu weden, damit jie Sinn belommen nicht
allein für die Neinheit, fondern auch für Deutlichkeit und Schön
beit der Spradje. Dazu aber gebe es drei Wege: 1. Einwirkung
auf die Jugend, damit die fünftigen » Gelchrten« deutſch denen,
ſchreiben und fprechen lernen; 2. fleißiger Gebrauch der Prejie
zu dem Zwede, etwaige grobe Verſtöße der Geſetze gegen Nein-
beit und Richtigkeit der Sprache an abjchredenden Beilpielen nach—
zumeifen zur Warnung für die Mitarbeiter an der Gejepgebung;
Berbreitung von Schriften wie Rothes ⸗Kanzleiſtil und immer
wiederholte Erinnerung an unfer Verdeutſchungsheft über »die
Amtsſprache · 3. Verteilung von fleinen in diefem Sinne abgefahten
Blugblättern an die Abgeordneten des Neichätages und der ein-
zelnen Landtage, — Was den erjten diefer drei Punlte betrifft,
nämlid) die Einwirkung auf die Jugend, fo fan diefe in doppel—
ter Weije gejchehen: einmal, wie das Herr Häpe befonders her-
vorhebt, durch die Schule, dann aber auch durd den der Jugend
gebotenen Lejefloff, und eben auf diefen in der That höchſt
wichtigen Punlt bezieht ſich der zweite der von mir hervorzuheben-
den Anträge, der des Zweigvereins Wermelsfirchen. Er lautet:
» Der Sejamtvorjtand des allgemeinen deutichen Sprachvereins wolle
geeignete Kräfte gewinnen, um nad und nad die Verdeutſchung
der entbehrlichen Fremdwörter und ausländiichen Redensarten in
unjern gangbarjten Jugend= und Boltsichriften zu beiverfitelligen.«
Es handelt ſich dabei zunächſt um die Auswahl der zu bearbei-
tenden Schriften, dann um die Art ihrer Reinigung und endlich
um die entipredhenden Verhandlungen mit den Verlegern und Bers
fafjern. Der Antragiteller verhehlt jich nicht, daß er eine Niejen-
arbeit anzugreifen vorjchlägt, erwartet aber, daß bei reger Teil:
nahme der Zweigvereine auch hier Beharrlichkeit zum Ziele führen
werde.
» Der Geſamworſtand, welcher beiden Anträgen lebhafte Teil-
nahme entgegenbrachte, Hat nun geitern beſchloſſen, den Zweig—
verein ‚Freiburg aufzuſordern, eine Denkjchrift auszuarbeiten und
dem Borjtande einzureichen, die den Megierungen wie den geieh-
gebenden Körbperſchaften die Geſichtspunkte des allgemeinen deutschen
Sprachvereins im Zufammenhange entwidelt umd ans Herz legt,
und zugleich den Urheber des Antrags Wermelstirchen, Herrn
Rektor Idel, zu erfuchen, an einem von ihm auszuwählenden
Wufterbeifpiele darzulegen, in welcher Weife etwa die Behandlung
169
einer hervorragenden Jugendichrift in feinem Sinne durdizuführen
jei, und diefen Verſuch durd) einen Aufſah in unferer Zeitjchrift
näher zu erläutern. Der Borjtand hofft, daß ſich daran eine
fruchtbringende Erörterung khnüpfen werde, welche vielleicht ſchon
die nächſte Hauptverfammfung in die Lage bringt, nähere Be-
ihlüfje über das Fortichreiten auf dem bier betretenen Wege zu
fajjen.
>» Hiermit, meine Herren, ſchließe ich die Überjicht der Ereignifje
und Strömungen im Vereinsleben, wie fie ſeit Erjtattung des
legten Jahresberichtes hervorgetreten find. Sie zeigt uns deutlich,
daß wir eifriger jein müfjen als bisher in der Ausbreitung und
Einbürgerung unferes Vereins, zumal im Süden, und dab die
Bweigvereine aus eigenem Antrieb fich fräftiger zu bethätigen
haben als es von den meijten bisher geſchehen ij. Zugleich aber
ergiebt fi, dak wir nur in gleichmäßiger ftetiger Arbeit Erfolge
herbeiführen fünnen, ruhig reifende Erfolge, und nicht daran denten
dürfen, auf ⸗Knallefſekte auszugehen, ein Begriff, der ſchon durch
den häßlichen Miſchausdruck, in dem er ſich darftellt, dem innerjten
Weſen unjeres Vereines widerſpricht.
» Inmitten einer Zeit, der man (Übrigens in oft übertriebener
Weiſe) vorwirft, daß fie einer grob ftofjlichen Weltanſchauung Hins
gegeben jei und feinen Sinn für Jdeale habe, halten wir die
Fahne eines Gedanfens hoch, der zwar zunächſt vaterländijchen
Antrieben entipringt, jedoch injofern aud) rein menſchlicher Ge—
finnung entjpricht, als die Bedingung aller höheren Geſittung, aller
echten Lebensfreude, doch die Erhaltung der Perſönlichleit it
und zwar aud) der Berjönlichkeit eines Volkes! Hat eine ſolche
doc) feinen tieferen, Hareren, fichereren Ausdrud als die Mutter:
ſprache. Aber eben, weil es ſich bei der Betätigung jener Ge—
finnung durchaus um ideale Ziele handelt, wollen wir ung mie
bisher vor jeder Engherzigfeit und Vertegerung bitten. Richtung—
weifend wollen wir wirten, keine jtarre verknöcherte Lehrmeinung
verfündigen und als alleinjeligmadyend anbefehlen. Denn das
Ideale gedeiht nur in der Freiheit!«
Der Jahresbericht wurde mit allgemeinem Beifall aufgenommen
und der Borjigende fuhr fort: »Ehe ich zum folgenden Bunlte
der Tagesordnung übergehe, muß ich darauf aufmerkjam maden,
dab eben diefe Tagesordnung, jo wie fie vorliegt, thatſächlich im
Widerjpruche mit unferer Gejchäftsordniung jteht. Deren Bejtim-
mung 18 jagt: »Die Hauptverfammlung erledigt ihre Obliegen:
beiten in der Reihenfolge, wie jie in Satzung 20 aufgeführt find.
Sollten ihr noch Vorlagen des Gejamtvorjtandes zugegangen fein,
jo find diefe vor dem Feſtwortrage zu beraten. Gleiches gilt aud)
von Anträgen der Zweigvereine ...e Meine Herren! Als dieje
Beitimmung getroffen wurde, ijt man ſich nicht darüber Klar ge-
wejen, daf fie unausführbar ijl. Wenn wir eine öffentliche Sipung
mit einem Fejlvortrage halten, zu der wir die Behörden und bie
Einwohnerichaft einer Stadt einladen, jo müfjen wir diejen Feſt—
vortrag zu einer ganz genau bejtimmten Stunde anjegen. Wir
find nicht in der Lage, zu den Eingeladenen zu jagen: »Wartet
im Vorzimmer, die Bejprechungen werden nicht mehr lange dauern!«
um dann, vielleicht nad 1'/, bis 2 Stunden zu befennen: » Wir
find doch nicht fertig geworden; wir miüjjen den Feſwortrag auf
morgen vertagen!« Sie werden einjehen, daß dies ganz unmög-
lich ift, und ich bitte daher um Nachficht, daß wir gegen jene
Beitimmung der Gejchäftsordnung gefehlt haben. Falls kein Wider-
ſpruch erfolgt, nehme ich an, daß die Hauptverfammlung dem
Ausſchuſſe die erbetene Verzeihung gewährt. (Baufe.) Ich dante
für Ihre Zuſtimmung und glaube, daß Ihr Verhalten als Grund—
lage und mahgebender Vorgang aud) für die Zukunft gelten darf,
jo daß ſich der Ausſchuß munmehr für berechtigt hält, in ber
Zeitſchrift des allgemeinen beutigen Sprachvereins. 1894. Ar. 9,
170
Folge von der Beobachtung jener Beitimmung der Geſchäftsord⸗
nung abzujehen.
Es handelt fih num um die Prüfung der Bollmadten.
Auf meine Bitte hat Herr Dr. Saalfeld die Güte gehabt, fidh
zu deren Zeitung bereit zu erflären und Mitarbeiter zu dieſer
mühevollen Arbeit zu werben. Wenn gegen dies Berfahren fein
Einwand ftattfindet, halte ich damit die Ernennung des Prüfungs-
ausſchuſſes für vollzogen. (Es erfolgt kein Einjprud).)
Dr. Günther Saalfeld: Bei Berechnung der Stimmzettel
find nad Satzung 20 die für das laufende Jahr eingezahlten
Mitgliederbeiträge maßgebend. In einzelnen Fällen nur könnte
davon abgejehen werden, da nämlich, wo etiwa noch ein Mitglied
von außerhalb zugezogen iſt. Diefer Punkt verdient Beachtung,
weil auf 50 Mitglieder eine, auf 51 aber ſchon zwei Stimmen
geredjnet werden. Ich verlefe nun das Verzeichnis der vers
tretenen Bweigvereine:
Bweigvereine Etimmen Vertreter
Aachen 2 Herr Hauptm.a.D. Fritz Berndt (Machen).
Annaberg 1. Profefior Dr. Dunger (Dreöden).
Aurich 1 „ Brofeſſor Dr. Pietſch (Berlin).
Ballenjtedt 1 „ Gymmafial-Oberlehrer Dr. Saalfeld
(Blanfenburg a. 9.).
Berlin-Eharlotten-
burg 2 „ Verlagsbuchhändler Ernjt (Berlin).
Blankenburg a. 9. 3_ „ Oumnafial-OberlehrerDr. Saalfeld.
Bochum 1 „ Broſeſſor Dr. Benede (Bochum).
Bonn 5 „ Gerichtsaſſeſſor Lungftras (Bonn).
Boppard 1 „ Progymnafialdireftor Dr. Menge
(Boppard).
Braunſchweig 5 Profeſſor Dr. Riegel (Braunſchweig).
Breslau 2 „ Gerichtsafjefjor Lungſtras (Bonn).
Gelle 1 „ Gymnafial- OberlehrerDr. Saalfeld.
Colmar 2 „ Dberlehrer Dr. Wagner (Colmar).
Gzernowiß 1 „ Gymnafial-Oberlehrer Dr. Saalfeld.
Danzig 1 „ Dr ®ülfing (Bonn).
Dresden 6 „ Profefior Dr. Dunger (Dresden).
Duisburg 3 „ Profeffor Mehlkopf (Duisburg).
Düfjeldorf 3 „ Dberlandeögerihtsrat Scheerbarth
(Koblenz).
Eger 1. Brofefior Menzl (Reichenberg i. B.).
Elberfeld 4 „ Boofeffor Buchruder (Elberfeld).
Eſſen 3 „ Brofefior Dr. Imme (Eſſen).
Frankfurt aM. 3 „ Dr Gantter (Frankfurt a. M.).
Freiburg i. B. 2 ,„ BrofefiorDr. Friedrich Kluge.
Gorlitz 1 „ Hauptm.a.D. Fritz Berndt (Aachen).
Graz 4 „ Dr. Baulvon Hofmann-Wellen—
hof, Reichötagsabg., in Graz.
Grimma 2 „ Brofefior Dr. Dunger (Dresden).
Halberjtadt 1 „ Gymnafial-DberlehrerDr. Saalfeld.
Halle a. ©. 3 „ Landgericdtädir. Erönert(Hallea. ©.).
Hamburg 3 „ Kaufmann Eigen (Hamburg).
Hannover 6 „ Kaufmann Schütze (Hannover).
Heilbronn a. B. 3 „ Neltor Dr. Brejjel(Heilbronn a. W.).
Holzminden 2 „ Gpmmajial-OberlehrerDr. Saalfeld.
Kaſſel 7 u Geh. Regierungsrat a. D. Fritſch
Eaſſel).
Kempen 2. Profeſſor Dr. Pietſch (Berlin).
Kiel 2 „ GymmafialsOberlehrerDr. Saalfeld.
Koblenz 7. Dberlandgerihtörat Scheerbartb.
Köln 5. Poofejjor Weiland (Köln).
Königsberg 2. Brofefior Dr. Friedrich Kluge.
2
171
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprachvereius. 1894. Nr. 9
Biwelgvereine Stimmen
Künigsbütte
Konſtanz
Köthen
Krefeld
Leipa
Leitmeritz
Leoben
Lohr a. Main
Liber
Magdeburg
Mailand
Mainz
Marburg a. Drau
Marienburg
Diarienwerder
Meb
Münden
Münden(Hannov.)
Münjter i. W.
Neuruppin
Norden
Dsnabrüd
Riorzheim
Plauen
Rotsdam
Prag
Reichenberg i. B.
Saarbrüden
Schopfheim
Stavenpik
Sobernheim
Sonneberg
Stettin
Stolberg
Stralfund
Strafburg i. €,
Stuttgart
Teplit
Torgau
Trier
Verden
Wermelätirchen
Weſel
Weblar
Wiesbaden
Rolfenbüttel
Worbis
Zeitz
Zittau
Amſterdam
Arnsberg
Arnſtadt
Arnswalde
Augsburg
to to to to ⸗ — — — — — —
— —21
De a
to ⸗2to ⸗ito t⸗o
[27
1
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1
1
1
Vertreter
1 Ser Dr. Wülfing (Bonn).
Fojtrat Dr. Debms (Potsdam).
Symnajial -Oberlehrer Dr. Saalfeld,
Ardivrat Dr. Keller (Münfter i.W.).
Brof. Menzl Meichenbergi. Böhmen).
Frofefjor Dr, Khull (Graz).
Gerichtsaſſeſſor Lungſtras (Bonn).
Apothelenbeſitzer Mühſam (Lübech.
Oberlehrer Dr. Anoche (Magdeburg).
Geh. Regierungsrat a. D. Fritſch.
Gynmafiallehrer Braun (Mainz).
Profefior Dr. Khull (Graz).
Proſeſſor Dr. Pietſch (Berlin).
Verlagsbuchhändler Ernjt (Berlin).
Mittelfchullehrer Richard (Me).
Gerichtsaſſeſſor Lungitras (Bonn).
Bibliothelar Dr. Yohmener (Kajlel).
Archivrat Dr. Keller (Münfter i. W).
Profefior Stier (Neuruppin).
Gymnaſial⸗Oberlehrer Dr. Saalfeld,
Seneral: Sch. Stumpf (Osnabrüd).
Gerichts - Neferendar Auguſtin Tra-
pet (Noblenz).
Profeſſor Dr. Dunger (Dresden).
Poftrat Dr. Dehms (Potsdam).
Profefior Menzl (Reichenberg i. B.).
Lehrer Danſauer (Zaarbrüden).
General: Ser. Stumpf (Dsnabrid).
Gymnaſial OberlebrerDr. Saalfeld.
Profeſſor Dr. Pietſch (Berlin).
Bibliothefar Dr, Lohmeyer (Majiel).
Gerichtsaſſeſſor Yungitras (Bonn).
Brofefior Dr. Pietſch (Berlin),
Gymnaſial⸗ Direltor Dr. Fu (Straf-
burg).
Profeſſor 8. Erbe (Stuttgart).
Boitrat Dr, Debms (Borsdam).
Yandgericdytsrat Bruns (Torgau).
‘Brofeiior Dr. van Hoffs (Trier).
Naufmann Schüße (Hannover).
Neltor Jdel (Wermelslirchen).
Naufmann von Willlen-Scholten
(Weſel).
Gymnaſial⸗Oberlehrer Reuber
(Weplar).
Gymmafial- Oberlebrer Dr, Heil
(Wiesbaden).
Proſeſſor Dr. Pietſch (Berlin).
Gumnafial- Oberlebrer Dr. Saalfeld.
RPoftrat Dr, Dehms (Potsdam).
Nicht vertreten find leider nachſtehende 80 Zweigvereine:
Barmen
Bernburg
Bitterfeld
Bremen
Bremerbafen
Bruchſal
Brud
Brünn
Britjiel
Budweis
172
Burtehude Annäbrud DOrteleburg
Ehenmik Kolberg (Wiſſenſch. Pirna
Darmitadt Berein) Ploen
Demmin Kolberg Quedlinburg
Döbeln Moſchmin Ratibor
Dortmund Krems Roſtock i. M.
Elbing ¶ roltoſchin Saarlouis
Elbingerode Laibach Schildberg
Emden Leer, Schwerin
Eſchwege Leipzig Sulingen
Freiberg i. S. Liegnitz Tilſit
Gablonz a. N. Linz Troppau
Geislingen a. St. Menel Tübingen
Gleiwitz Mettmann Ulm
Gneſen Minden i. W. Versmold
(reis Mühlhausen Wien
Heidelberg Nagy = Bocslo Wilhelmshaven
Heiligenjtadt Neunfirchen Rolmirsleben
Helmſtedt Neu⸗Titjchein Zerbſt
Hildesheim Nordhauien Zſchopau i. ©.
Hom Nürnberg Aweibrüden
Jglau Oldenburg i. Grh. Zwickau.
Es geht hieraus hervor, daß 87 Zweigvereine mit 192 Stim-
men vertreten ſind.
Vorſikender: »Wir gelangen nunmehr zu dem Bericht
der Nehnungsprüfer über die Rechnung des verilojie-
nen Geſchäftsjahres, den ih Herrn Brouſtin-Koblenz zu
erjtatten bitte.
Herr Broujtin: » Pie Prüfung konnte jih nur auf die rech—
nerijche Prüfung der Rechnung jowie auf deren Übereinstimmung
mit den beigegebenen Belegen eritreden. In beiderlei Hinficht iſt
die Nechnung richtig befunden worden. Ob die einzelnen Aus—
gabepoften jachlich begründet find, lieh fich nicht ermitteln, da
hierzu eine Anzahl Unterlagen erforderlic) gewefen wären, Die
den Prüfern nicht zu Gebote jlchen. Die lepteren haben daher,
zumal fein Grund zum Zweifel an der Zweckmäßigkeit und Not
wendigfeit der Nusgaben vorliegt, angenommen, da die Aus-
zahlung der feitens des derzeitigen Borfigenden angewiejenen Be-
träge unbedenklich war.
> Bei einem Bergleih der Necnung von 1803 mit derjenigen
für 1592 fallen mehrere nicht unerbebliche Unterjchiede ins Auge.
»Bei der Einnahme trat erfreulich der Zuwachs an Gaben
von Ehrenförderern und freunden des Vereins (Tit. 1) um rund
700 ,# hervor, wogegen die Mitgliederbeiträge (Tit. 3) um etwa
1700 .Mä abgenommen haben, ebenso wie auch die Zahl der Ziveig-
vereine von 172 auf 169 zurüdgegangen it.
»Bei den Ausgaben betrugen diejenigen fiir Verwaltung und
Geſchäftsführung (Tit. 1 und 2) rund 600.4 weniger, diejenigen
für Hauptverfammlungen und Borftandsjigungen (Tit. 4) rund
3300 ,4 mehr als im Jahre 1892, Hierbei wird erwogen werden
müfjen, dat 1892 keine Hauptverfammlung war, 1893 dagegen
deren zwei ftattgefunden haben.
»Die Fr die Zeitſchrift (Tit. 5) aufgewandte Mehrausgabe
von etwa 2000 .4 veditfertigt ſich durch die Herausgabe von
Titel und Inhaltöverzeichnis zu den Jahrgängen I— VII, ſowie
zu den Heften.
» Die im Jahre 1893 erichienenen acht Hefte 4 und 5 (Tit. 6)
erforderten rund 1500 .4 mehr, als im Jahre 1892, in welchem
nur ein Beibeft erichien, für diefen Titel aufgewandt ift.
Für Verdeutſchungsarbeiten (Tit. 7) und Verſchiedenes (Tit. 8)
find etwa 2100.4 weniger als im vorigen Jahre ausgegeben.
173
»Da jomit gegen 1892 die Einnahmen um rund 1000.46 ge:
funfen, die Ausgaben dagegen um 4100.46 geitiegen find, jo jtellt
fi) dad Gefamtergebnis von 1893 um etwa 5100 „A ungünftiger
als im Jahre 1802.
» Für die überaus klare Aufitellung der Rechnung umd die jorg:
fältige Ordnung der Belege, die namentlich bei den Einnahmen
mit manchen Schwierigkeiten verbunden fein wird, gebührt dem
Herm Rednungsführer unumwundene Anertenmung.
Erwünſcht wäre die Angabe, wo der Vermögensbejtand des
Vereins fich verwahrt findet.
Koblenz und Hannover, 17. Zuli 1804.
Brouitin, E. Schüße,
bes Zus Battenz. des EEE ⏑ ———
Vorſitzender: »Ich ſtelle die Frage, ob der Bericht, wie er
bier vorgelegt iſt, Ihnen zur Beurteilung der Verhältnijie genügt,
und ob Sie darauf hin die Entlastung erteilen wollen? «
ı Prof. Vchlkopf- Duisburg bemerkt, es falle ibm jehr auf,
daß eine erfledlihe Summe, etwa 3000 .4, auf die Heritellung
wiſſenſchaftlicher Beihefte verwendet worden iſt. »Ich habe
die ketzeriſche Anichauung, day dies dem Zweck des Vereines nicht
entipricht, daß dieje Beihefte in weiten Kreiſen gar nicht gelefen
werden. ch perfünlich leje fie eifrig und bin durchaus von ihrem
Werte überzeugt; aber es iſt falfch, zu glauben, daß fie für unjern
Berein Propaganda machen; die Summe fünnte beſſer in der Art
verwendet twerden, daß man den Bweigvereinen etwas mehr Geld
beließe. Wenn bier gellagt wird, daß die Zmweigvereine ein mer
beſchauliches Dafein führen, jo liegt das daran, daß fie fein
Geld behalten. Unſer Verein hat 117 Mitglieder, bat unter
der vorjährigen Kriſis nicht gelitten, aber um ihn weiter zu ent:
wideln, müjlen wir unjere Bekanntmachungen drei Zeitungen
jenden. Wo joll da das Beld herlommen? Wir haben uns mit
Hilfe von Wohlthätern durchgeichlängelt. (Zuruf: » So iſt's redht!«)
Ebenfo ficht es gewiß; in vielen Zweigvereinen aus. Zwei Mart
Abgabe an den Geſamtverein ift auerordentlich viel; dabei können
die Ziweigvereine ſich nicht rührig und thätig erweijen.«
Dr. Lohmeyer-Kaſſel: »Ich jtebe auf einem anderen Stand-
punkte! ch Ichlage den Wert der Beiheite ſehr hoch an. Mögen
fie immerhin von manden nicht gelefen werden — thatſächlich
ihügen gerade fie uns vor dem ſchweren und jchädlichen Vorwurf,
daß wir eigentlich cin Verein von Dilettanten jeien, der von der
Sache nichts rechtes verſtehe. Wenn wir Mitarbeiter baben, wie
Profeſſor Kluge und andere, jo kann ein folder Vorwurf, der
früher, namentlih in alademijchen Kreiſen laut wurde, nicht mehr
erhoben werden, und deshalb bitte id) dringend, feinen Beſchluß
zu jaflen, daß die Beihefte künftig wegfallen jollen. — An den
Herrn Vorredner möchte ich die Anfrage richten, ob der Duis-
burger Verein fi) um Gewährung von Geldbeihülfe zu einem be-
ftimmten Zwede an den Gejamtvorjtand gewendet hat. Dieſer
wird ſich in geeigneten Füllen gewiß jtets bereit zeigen, Zweig
vereine nad) Maßgabe der vorhandenen Mittel in ihren Be-
jtrebungen zu unterjtüßen.«
Brofefior Dr. Dunger= Dresden: » Bei den auf früheren Haupt-
verfammlungen nicht jeltenen lagen über die Haltung der Zeit
jchrift ſtellte ſich ſtets heraus, daß die einen gerade diejenigen
Aufſätze ſireng verurteilten, welche die anderen gelten ließen.
Jurmer jtritten die volfstümliche und die wiljenichaftliche Richtung
miteinander. Gewiß ijt es von der höchſten Wichtigleit, das Sprad)-
gewiſſen in den breiten Maſſen des Volles zu weden; aber
daneben muß die wifienichaftliche Arbeit hergehn, und nicht wenige
unjerer Vereindgenofjen find ſogar der Anficht, dab eben Die
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Spradhvereind, 189. Nr. 9.
174
Forſchung, die eindringende Unterjuchung die Hauptiache ſei, weil
nur mit ihrer Hilfe gedtegene Kenntnifje erworben und verbreitet
werden fünnen. In der That, wenn wir nur »volfstümlich« jein
wollten, jo würde unjere Arbeit ihren Grund und Boden ver:
lieren. MM unſer Wirken muß ſich auf dem feiten Boden der
Wiſſenſchaft aufbauen; ſonſt geht es ind Blaue hinaus, wie das
früher der Fall geweien iſt. ch erinnere an den Gruppeichen
Verein von 1848, der 20000 Mitglieder zählte, aber jehr bald
vollitändig unterging, weil ihm der feite Boden der Wiſſenſchaft
fehlte. Daß wir neuerdings eine bedeutende Anzahl von Ger-
manijten als Mitglieder gewonnen haben, Halte ich für außer:
ordentlich wertvoll. Ye mehr das der Fall, um jo befier wird
die Stellung des Vereines werden, denn die Leute wiſſen dann,
daß innerhalb des Spradjvereins Männer ftchen, die eine willen:
ſchaftliche Gewähr leiften. Ich bitte daher, ja bei den Beiheften
zu bleiben; ich halte jie gerade für das Allerwichtigite.«
Geh. Baurat Sarrazin: Berlin jhlieht fi den Ausführungen
der beiden vorigen Redner »als Laic« an und weit den Vertreter
von Duisburg auf ein anderes Mittel Hin, die Beldverhältnijie
der Zweigvereine zu verbeſſern. »Wir in Berlin- Charlottenburg
erheben nicht 3, jondern 5M, eine Zwilchenjtufe wären 4.4
Nun it man, wie ich glaube, in Duisburg im allgemeinen beſſer
gejtellt als in Berlin, und jo möchte ich anheimgeben, ob Sie
Ihre Yage nicht aus eigener Kraft zu bejiern vermögen.«
Profeſſor Stier-Nemruppin will ebenfall® die Beihefte bei-
behalten wiſſen, jtellt aber zur Erwägung, ob die Zahl der Ab—
drüde nicht beichränft werden könne, um Eriparnijie zu erzielen.
Es ſei richtig, dah die Zweigvereine, ihrer Mittellofigkeit wegen,
nicht viel zu leiſten vermöchten; wenige jeien imftande, für einen
eigenen Vertreter die Hoften einer Reife zur Haupwerſammlung
zu bejtreiten,
Dr. Bülfing- Bonn ift der Meinung, daß die Teilnahme
der zum Berein gehörigen Profefioren feiner Vaterſtadt wefentlic)
auf das Beſtehen der Veihefte zurüdzuführen fei, und glaubt
nicht, daß die Beſchränlung der Zahl der Abdrüde auf etwa die
Hälfte eine nennenswerte Eripamis herbeiführen werde; doch fei
das zu überlegen. Unter der Dürftigleit der Mittel leide auch
der Zweigverein Bonn, und er wünſche jehr, daß ein Weg ge-
funden werde, die Zweigvereine beijer zu itellen. Sih um ein
paar Mart an den Gejamtvorjtand zu wenden, fei doch unan
genehm.
Profeſſor Mehltopf- Duisburg meint wirklich, daß die wiſſen—
ſchaftlichen Beiheſte nicht geeignet jeien, unferm Bereine freunde
zu erwerben. Seit ihrem Ericheinen habe z. B. der Duisburger
Hiweigverein abgenommen. (zZuruf: Oho!) Der Ort für die
Wiſſenſchaft jei nicht in unierm Vereine. Sonderbar würde es
ausjehen, wenn man jich von den einzelnen Orten aus um Bei
bülfe an den Hauptverein wende, Übrigens wolle er die Frage
der Beihefte nur anregen, feinen Antrag jtellen.
Borjigender Dr. Mar Zähne: »Da dies nicht der Fall iſt,
fo darf ich dieſen Gegenitand wohl als erledigt betrachten. Der
Vorjtand wird die Frage der Erſparnis durch Einichräntung der
Beihefte prüfen; ich jelbit verfpreche mir davon jehr wenig, ja id)
meine, daß jogar der gänzlicdre Wegfall jener Hefte und die Ver.
teilung des Freiwerdenden Betrages auf die Zweigvereine deren
wirtichaitlihe Lage durchaus nicht nennenswert verbeiiern, den
Sejamtverein jedoch empfindlich ſchädigen würde.«*)
*) Verteilt man 3000 .M auf rund 12000 Mitalieder, To
tommen auf jedes 254 Da die durchichnittliche Stärfe eines
Zweigvereins (die unmittelbaren Mitglieder eingerechnet) 71 Mit-
175
LZandgerihtärat Bruns: Torgau: » Der Bericht der Rechnungs:
prüfer jchloß mit der Bemerkung, es wäre wünſchenswert geweſen,
daß angegeben wäre, wo ſich bas Vermögen des Vereins be-
findet. Ich möchte den neuen Schapmeifter um Auskunft darüber
bitten.«
Her Eb. Ernft: »Dad Vermögen (15000 .4) ift in Pa—
pieren angelegt, die ich auf der Deutihen Bank gegen Echein
hinterlegt Habe. Diefe Bank beforgt aud) die laufenden Geldge-
fchäfte unferes Bereins.
Nach Berichtigung eines Drudfchlers in der gedrudten Jahres
rechnung ftellt der Vorſitzende feft, daf der Bericht der Prüfer
genehmigt und die Entlaftung ftattgefunden habe. Er ſchlägt
dann vor, dab auf dem bei ber Wahl der diesjährigen Prüfer
betretenen Wege fortgefchritten und ald Prüfer für die Rech—
nung des laufenden Geſchäftsjahres Vertreter der nächit-
großen Zmeigvereine bejtimmt werden. Geheimrat Sarrazin
unterftügt diefen Vorſchlag; die Verſammlung erllärt ſich damit
einverjtanden, und jo werden bie Zweigvereine Dresden und Kaſſel
zur Geflelung ordentlicher Redinungsprüfer, Bonn und Köln zu
ber ber Erjapmänner aufgefordert.*)
Der Vorfipende fordert nun den Schagmeijter, Herrn Ber:
lagsbuchhändler Eberhard Ernſt auf, den Boranfdhlag für
das fommende Geſchäftsjahr zur Kenntnis der Hauptver-
fammlung zu bringen.
Herr Ernit: »Der Boranfchlag ift in der Weife aufgeitellt
worden, daß wir überall von dem augenblidlichen Stand der
Dinge ausgegangen find. Die Einnahmen des Jahres 1894
haben bis jeßt betragen 2156085 .4 Wir hoffen, daß von den
noch rüdjtändigen 1140 Mitgliedern doch eine Anzahl von vielleicht
600 Mitgliedern den oben angefegten Einnahmen weitere 1200 „A
zuführen wird. Es ſoll nidt daran fehlen, die Betreffenden
von der augenblidlihen Sadjlage zu unterrichten, und es wird
alles verfucht werden, diefelben möglichit dem Verein wieder zu
gewinnen.
»Mit diefen vorausfichtlic eingehenden Beiträgen, den er:
wachfenden Zinfen und fonjtigen Einnahmen für den neugeichaffe:
nen Anzeigenteil und die Beilagen hoffen wir, die Einnahmen für
dieſes Jahr auf 23250.% anfeen zu dürfen; hierzu würde der
Beitand des Vorjahres mit 3384,84.4 treten, jo daß wir mit
einer Wirtjhaftsfumme von 26634,84 4 für diefes Jahr zu red:
nen hätten.
»Nad) der gewonnenen Überficht für das laufende Jahr wird
ſich der Gejamtbetrag der Ausgaben auf etwa 26300 „A jtellen,
wobei zu berüdjichtigen iit, daß manche bedeutende Ausgaben ſich
künftig nicht in gleicher Weiſe wiederholen werden. Ich erinnere
dabei zunächſt am die zahlreichen Unkoſten infolge der Überſiede—
hung der Hauptleitung des Vereins von Braunschweig nach Berlin,
dann an die Heritellung einer Ehrentafel, an die Preiſe für die
Wahlipruchtafel und für die Preisfchrift über unfere Mutterfpradhe.
Wir werden nur eben glatt abſchließen fünnen, und müſſen damit
äufrieden fein, wenn wir erwägen, daß wir mit dem Wegiall
glieder beträgt, jo ergäbe ſich für jeden Zweigverein eine Zubuße
von etwa 1] * Was kann das dem einzelnen Zweigvereine
helfen!? Was ſoll er damit anfangen!? Was aber leiltet der
Gefamtverein damit! Es gilt eben, »mit vereinten Kräften«
zu wirten!
*) Ein Rebner ſprach jpäter noch den Wunfd aus, daß die
Namen der von den genannten Zweigvereinen gewählten Prüfer
in der Zeitichrift befannt gemacht wilrden. Dies wird felbitver-
ſtändlich gejchehen.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Ni. 9.
176
unſeres größten Zweigvereins (Berlin) und dem Ausſtand von
ungefähr 1150 Mitgliedern zu rechnen haben.
» lie das Jahr 1895 werden wir als fparfame Rechner wohl
vorläufig nur den Betrag von 21000 4 für unfere Ausgaben
in Anfchlag bringen dürfen, wenn aud das ind Werk geſetzte
Anzeigens und Beilagen-Wefen ficherlih einen größeren Erfolg
wie bisher haben wird. Dieje Mehreingänge würden gewiffer:
mahen einen Rüdhalt für unerwartete Ausgaben bieten, welche
nur entjprechend diefen Eingängen bewilligt werden follten.
Wir geflatten uns infolge befien, folgenden Voranſchlag ber
Rechnung für das Jahr 1895 zu unterbreiten:
Einnahmen insgeſamt 21000 „A
Ausgaben:
Allgemeine Verwaltung . 300 „
Scriftleitung, für 2 Herren . . - 2400 „
Beihelfer, Buchhalter, Schreiber, jebt in der
Perſon vereinigt . : » - 1800 „
Ehreniold für Beiträge der Mitarbeiter( (Betr) ) 1000 „
besgl. (Beihefte) . 40 „
Herftellung ber Zeitichrift . 6000 „
Herftellung der Beihefe . . . 1500 „
Briefbogen, Briefumicläge, Rundfäjreiben *
ſonſtige Ausgaben des Vorſitzenden, der
Schriftleitung und der — 600 „
Poſt und Fradten . . . . — 8 Fr
Koften für die Bewegung . . -
Hauptverfammlung, Boritandes und Bus
figungen . . » 2000 „
Reifen uf. fr die Bewegung 500 „
20700 A
fo daß zur Berfügung des Herrn BVorfigenden und des Aus:
ſchuſſes noch 300 4 verbleiben, jals nicht das Vermögen des
Vereins in Anſpruch genommen werben foll.
» Der Ausſchuß erklärt fich mit dem Herm Schatzmeiſter dahin
einverftanden, daß mur im äußerften Notfalle am’ diefen Ver—
mögensgrundftod die Hand gelegt werben joll.
»®ir dürfen wohl die Hoffnung hegen, da die vorgejchene
Einnahme von 21000 M noch Üüberichritten werden wird, während
twir die Ausgaben fo feitgeitellt haben, daß wir bei vorfichtigem
Birtfchaften gut auslommen können.« (Beifall.)
Vorfigender: »Ich ſchließe aus Ihrem Beifall, daß Sie
den Voranſchlag, fo wie er vorgetragen worden iſt, genehmigen.«
(Zuſtimmung.)
Demnächſt handelte es ſich um die Wahlen zum Geſamt—
vorſtand, für welche die gedruckte Vorſchlagsliſte mit der Juli—
nummer ber Zeitichrift an die Zweigbereine ausgegeben worden
war. Die Prüfung der Wahlen hatte durch denfelben Ausſchuß
zu geichehen, welcher bereits die Prüfung der Vollmachten voll:
zogen hatte und welcher unter dem Borfige des Herrn Dr. Saal:
feld aus den Herren Rrofefjor Meyer-Koblenz, Oberlehrer
Dr. finoches Magdeburg, Prof. Menzl-Neichenberg, Dr. Wül-
fina:Bonn und Aſſeſſor Lungftrak-Bonn beſtand. Diefer
Ausihuh kam nun zu der Überzeugung, daß diesmal nicht 12,
fondern 13 Boritandsmitglieder zu wählen ſeien, und forderte
demgemäh den Vorſihenden auf, die gedrudte VBierundzwanziger:
liſte noch durch zwei Namen zu ergänzen.*) Der Vorſitzende
nannte die früher fchon von Gefamtvorftandsmitgliedern empfohle-
*) Es bat ſich jpäter ergeben, daß die Anſchauun
ausihufies, die im eriten Mugenblide auch den ®
fi) gewann, auf einem Irrtum beruhte. Vgl. Sp. 185
—— Wahl:
—— für
177
nen Herrn: ben Profefior Felix Stieves Münden und den Dichter
Nojeager-Braz.
Nach Abgabe der Wahlzettel begann die Vorbeiprehung |
über den Ort der nädhiten Hauptverfammlung. |
BVorfibender Dr. Zähns: »Diefe Angelegenheit iſt bereits |
geitern Gegenitand der Erörterung im Gejamtvorjtande geweſen.
Zum Abſchluß fonnten wir natürlich nicht fommen, weil wir
nicht wuhten, ob und welchen Anerbietungen aus der Haupwer—
fammlung heraus wir gegenüberjtehen würden. Im allgemeinen
aber ging die Anficht dahin, daß es zweckmäßig fein werde, im
nächſten Jahre im Süden, vielleicht in Oſterreich, zuſammenzu—
fommen. — Ich erlaube mir nun die Anfrage, ob ſeitens eines der
Bweigvereine und etwa eine Aufforderung entgegengebracht wird. |
Prof. Mehlkopf ladet im Namen des AZweigvereins Duis-
burg dazu ein, die Hauptverfammlung in Duisburg abzuhalten
und fchildert mit beredten Worten die geſchichtliche Stellung der
Stadt feit Chlodwigs Tagen, und ihre Bedeutung ald Verkehrs—
fnotenpiumft und Gerwerbeftätte, die Anmut ihrer Umgebung und
die Wohlgeneigtheit ihrer gaftireundlichen Bewohner.
Dr. Baul v. Hofmann-Wellenhof: »Nahdem cine Ein:
ladung in die nordweftlihe Ede Deutſchlands erfolgt ift, habe
ich die Ehre, Sie im Namen des Zweigvereins Graz nad Süd—
often zu rufen. Die Thätigfeit des allgemeinen deutichen Spradı-
vereines iſt ein geiftiges Band, welches die Zuſammengehörigleit
des Deutichen Reiches und Oſterreichs in danfenswerter Weiſe |
fichtbar darleat, und Sie werden mir zugeben, daß es gerade für |
uns Deutih-Literreiher von ganz beionderem Werte jein muß, |
wenn eine größere Anzahl nationaldeutiher Männer aus dem |
befreundeten und jtammperwandten Reiche zu uns berüber tommt, |
um mit uns gemeinfame Fragen unferes Vollstums und unjerer
Sprache zu beraten. Ich darf Ahnen die Berficherung geben,
datt Eie bei uns brüderlih warme Aufnahme finden werden...
Freilich liegt unſere ſchöne Stadt etwas abfeits von der großen
Fremdenſtraße; das hat aber in gewiſſer Hinficht wieder etwas
für ſich, zumal diefe Ruhe recht geeignet ift, die großen Natur-
ſchönheiten der Gegend in ſich aufzunehmen und eine Bevölkerung
fennen zu lernen, welche noch immer in alter Treue die bejten
Eigenſchaften des deutichen Weſens feithält. So richte ich denn
an Eie die freundliche Einladung, nmächites Jahr jedenfalls in
Oſterreich und wenn möglich in Graz die Hauptverfammlung ab-
zubalten.«
Brof. Menzl bringt einen Gruß aus Böhmen vom Zweige |
verein Neichenberg. »Wir bitten darum, für die nüchſte Haupt-
verſammlung auf Ofterreich Nückficht zu nehmen, in zweiter Linie
aber darum, zu uns nach Meichenberg zu fommen, welches
geographiih alinitig gelegen iſt. Seitens der ftädtiichen Vertre—
tung und der Bürgerichaft wird, wie ich ermächtigt bin, zu er—
flären, der Sprachverein freundliche Aufnahme finden. Redner
fegt die Vorteile der Lage Reichenberg® näher auseinander,
Jeder der drei Vorichläge war von der Verfammlung mit
dantendem Beifall begrüft worden, und zum Schluſſe erwiderte
der Borfitende: »Ich freue mich, fejtitellen zu lönnen, daß uns
drei freundliche Anerbietungen gemacht worden find. Es iſt Gadıe
des Geſamtvorſtandes über Ort und Zeit der Hauptverfamm:
lung zu entjcheiden, und ich darf dem nicht vorgreifen. Wieder |
holt aber danke ich Ahnen dafür, daß Sie uns durch Ihr Ent: |
gegenfommen die Wall erleichtert haben; denn es ijt allerdings
angenehmer, eingeladen zu werden, als ſelbſt erjt anfragen zu
miüffen.«
Auf einen Vorſchlag aus der Beriammlung heraus genchmigt
diefe, die Verlündigung des Ergebnijies der Vorjtandswahl ani
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. 189. Nr. 9.
178
den folgenden Tag zu verichieben. Die Tagesordnung ber eriten
Geſchäftsſitzung iſt damit erſchöpft und der Vorſitzende jchlieht fie
um 11°/, Uhr.
Zu der um 12 Uhr beginnenden öffentlihen Sißzung fand
fic) eine große Anzahl von Frauen und Herren ein, die den geräu—
migen Saal bis jait auf den legten Plaß füllten: in eriter Reihe
die Vehörden des Staates und der Stadt: ©. Excellenz der
Generaloberit Freiberr v. Los, fommandierender General des
VIH. Armectorpd; S. Exxcellenz der Wirfl. Geheime Nat Naſſe,
Oberpräfident der Rheinprovinz; der Generalmajor v. Wurmb,
Kommandant von Koblenz und Ehrenbreititein; der Yandrat Graf
Brühl umd der Tberbürgermeiiter von Koblenz, Schüller,
Mitglied des Herrenhauſes.
Zunädjit bielt Dr. Friedrich Kluge, ordentlicher Profefjor an
der Univerſität Freiburg i. Br, den Feilvortrag über »Die
Fremdwörterirage im Lichte der deutihen Sprad-
geihichtee, welcher vorausfichtlic in der Oftobernummer dieſer
Beitichrijt zum Abdrud fommen wird.
Der überaus geiftvolle, anregende und belehrende Vortrag
fand alljeitigen lebhaften Beifall, der ſich laum gelegt hatte, als
Er. Ereellen; der Here Oberpräjident Naffe die Rednerbühne
-beitieg und folgende Anſprache hielt:
»Hochgechrte Verſammlung! Es iit mir eine Freude und
Ehre, die Mitglieder und Gönner des allgemeinen deutichen
Sprachvereins, wenn auch kurz, So doc) recht herzlich begrühen
zu fünnen. Die Königliche Staatsregierung widmet ihr volles
Interefie den Beitrebungen des allgemeinen deutichen Epradı-
vereins, die dabin geben, unjere Mutteriprache von umnötigen
Fremdwörtern zu veinigen, den Geiſt und die Eigenart der deut:
ſchen Sprache zu pflegen und Liebe und Verſtändnis für diele zu
werden. Die Staatsregierung bat gewiß die Aufgabe, die ma:
teriellen Güter des Volles zu begen und zu pflegen, die äufere
‘ Wohlfahrt des Volles zu jürdern, aber daneben doch die noch
gröhere, für feine geiſtigen Hüter zu jorgen, feine geiftigen Be—
ftrebungen zu hräftigen. Wenn daher der allgemeine deutjche
Spradverein die Nöniglice Staatsregierung umterjtüßt in der
Pflege dieier idealen Güter, in der Pilege der Spradie, jo weil;
fie dem Spracverein für ſolch fachgemähes und fadwerftändiges
Handeln Dank. Gewiß ift noch viel zu thun, um die beutiche
Sprache zu reinigen von den Schaden aus langem politifchen
Niedergang; aber, m. 9., es ift doch ſchon manches geichehen!
Bliden wir auf die letzten Jahrzehnte zurüd, fo wird fich ums
dieſe Überzeugung aufdrüngen. Ach rufe Ihnen ein herzliches
Süd auf! für Ihre fernere Thätigleit umd heiße Sie hier am
ichönjten deutſchen Strom freundlid willtommen. Ihre Arbeit
trügt mit dazu bei, das Deutichtum zu erhalten und für dies
hohe Ziel kämpfen Sie mit geiftigen Waffen — Ihren Eifer
fröne der Erfolg! Und num zulegt: mögen Sie troß der Ungunſt
der Witterung doch Stunden rheinischen Frohſinns hier verleben!
(Lebhafter Beifall.)
Unmittelbar nad) dem Herrn Therpräfidenten ergriff der Herr
‚ Sherbürgermeiiter Shüller das Wort: » Meine Damen und
und Herren! Geftatten Sie aud) mir im Namen der Stadt
Koblenz, den deutſchen Sprachverein und jeine Mitglieder zu bes
grüßen und Sie in den Mauern unjerer Stadt herzlich wills
fommen zu beißen. Ach lann namens der Bürgerſchaft nur
fagen: wir betrachten es als eine Ehre, daß diejer hewworragende,
durch feine Erfolge ausgezeichnete Verein jeine Berfammlung bier
abzubalten beichlofien hat; wir find jtolz darauf, Sie in diefen
8
179
Tagen bei uns beherbergen zu dürfen. Gaben doch die Haupt-
verjammlungen des allgemeinen deutſchen Epradjvereins bisher
meiſt in ben allerbedeutenditen und vornehmiten Städten unſeres
großen Vaterlandes ftattgefunden — wir müfjen «8 alio als cine
bejondere Auszeichnung ansehen, daß unjer Meines Koblenz ber
Ehre gewürdigt worden ift, eine ſolch hervorragende Verſemmlung
aufzunehmen. Ach ſpreche Ihnen hierfür im Namen der Stadt
herzlichen Dant aus. — Daß Koblenz zum Sitze der heutigen
Verfammlung gewählt worden ift, verdanfen wir wohl dem Um—
ftande, daß die verdienfivollen Bejtrebungen des allgemeinen
deutſchen Eprachvereins, unſere Tiebe deutsche Mutteriprache von
Berunftaltungen zu reinigen, bier in Koblenz fejten Boden ges
funden haben, daß ſich im den Dienft diefer auten und vater
ländischen Sache eine im Verhältnis zur Bevölferung große Anzahl
von Männern aus den gebildeten Etänden gejtellt hat, daß der
Amweigverein Koblenz durch die rührige Thätigfeit des Vorfipenden
und des Vorftandes ſich ausgezeidnet hat, daß er eine große
Anzahl von Mitgliedern ftet8 in feinen Sikungen zu vereinigen
versteht und daß er innerhalb des Gejamtvorftandes des allge—
meinen deutſchen Spracdverein® eine nicht unangejehene Etellung
einnimmt. ber meine Damen und meine Herren! Wenn id
der Thätigkeit des Koblenzer Zweigvereins das Verdienſt daran
zuichrieb, daß die heutige jeitliche Verfammlung bei uns tagt, jo
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Sprachvertins. 1894. Fr. 9.
180
Koblenz, die jo viel gethan hat, uns freundlich zu empfangen.
Wenn bei einem dunfeln Himmel Flaggen in den Straßen wehen,
fo ift es ſchon halb Eonnenichein; das hat uns gleich erwärmt
und Heiter gejtimmt. Und welche Gegend begrüßt uns bier!
Die Grundlinien dieſes unvergleichlich jchönen Geländes bleiben
dedy immer fichen und erfüllen uns mit Bewunderung. — Kir
fühlen ung, Herr Cherpäjident, bier im Rheinlande als wohls
empfangene Gäſte, zugleid aber fühlen wir uns auch heimifch
und das ift natürlich; dern dieſe Provinz allein Kat über 20 Zweig-
bereine von den 167 Bweigvereinen des ganzen Verein. Tas
ift ein großes Anrecht auf Heimattzugehörigteit, und diefes herr—
| liche Gefühl kat uns von der eiſten Etunde unſeres Hierſeins
überfommen. Aus ifm heraus haben wir uns mit den Farben
des Rheinlandes, der grünweißen Schleiſe, geſchmückt. — Ich weiß
nit, Herr berbürgermeifter, ob Eie fi) des Wortes einc®
Ihrer erlaudhteften Stadteinwohner erinneın, der bier vielleicht
das glüdlichfte Jahr feines Lebens zugebredt Kat, des Feld—
marſchalls Grafen Moltfe. Der Feldmarſchall ſchrieb, nachdem
‚ er Konſtantinopel, Italien, Spanien und Frantreich lennen gelemt
iſt doch gewiß noch ein andrer Umstand hierfür im Betracht zu
ziehen.
Sprache ſich mit der andern Sprache des Nachbarlandes berührt.
Es iſt wohl die Abſicht des Vereins geweſen, als er ſeine Ver—
ſammlung hierher verlegte, das Deutſchium auch in unſerer wejts
lichen Mark zu betonen. Und dann iſt es ja auch der ſagen—
ummobene Nhein, an dejjen Ufern Sie tagen, der Rhein in
jeinem fonnigen Zauber, ‚der jedem ins Herz lacht. Wenn Eie
in anderen Städten Großartigeres gejehen haben — den Rhein
und feinen Zauber fanden Cie dort doch nicht. Leider muß ich
mein und- hr Bedauern ausiprecen, daß Ihnen die Sonne, die
ja einen Hauptteil des rheinischen Zauber® ausmacht, nicht beſon—
ders günjtig zu jein ſcheint. Durd Regenwolfen dringt jie dann
und wann zwar hervor; aber es ijt nicht die volle Schönheit und
Freude, die zur Geltung fommt. Es wird deshalb das Feſt
vielleicht nicht jo glängend verlaufen, wie wir es gewünſcht hätten. |
Andefien Ihren geidäftlichen Verſammlungen, Ihrer ernſten Ar—
beit ſthut das ja feinen Eintrag, und ich darf daher wohl hoffen, |
daß der Munich, es mögen diefe geſchäftlichen Verhandlungen
Ihre Vereinsjache zu weiterer Blüte führen, voll in Erfülung
gehen werde. Die Feitesfreude wird Ahnen trotz des Wetters nicht
fehlen; Sie werden bei der Nüdfehr in die Heimat gewih ein gutes
Andenken an Koblenz und feine Bewohner mitnehmen. In diejer
Hoffnung heiße ich Sie namens der Stadt Koblenz nocdmals
herzlich willtommen.« (Herzlicher Beifall.)
Der WVorſitzende Oberjtlt. Dr. Jähns trat nun neben bie
Nednerbühne und erwiderte: »Hochverehrte Herren Oberpräfident
und Oberbürgermeiiter! Ach ſpreche Ahnen namens unferes
Vereins innigjten Dank aus für die gütige und wohlwollende
Art, wie fie uns hier empfangen haben. Das tiefe Verjtändnis,
welches Ew. Ereellenz; in Ihren Worten den Beitrebungen des
allgemeinen deutſchen Sprachvereins entqegengebracht haben, bes
rührt uns auf das allerangenchmite, Für uns ift es von grüßter
Wichtigfeit, gerade an der hödjten Stelle der Verwaltung ein | \
dig 8 £ 8 | Dr. Vaul Pietich in Berlin.
ſolches Entgegenfommen, ein folche vollfommene Einſicht in das
zu finden, was wir erjtreben, was wir zu erreichen wünſchen
und hoffen. — Ihnen, Herr Oberbürgermeijter, haben wir berzs
Wir feben hier in der Weſtmark des Reiches, wo unjere |
| Produkt des organischen Bildumgätriebes.«
hatte, mit Entzüden an jeinen Bruder: »Diefe Gegend hält jeden
Vergleih aus, und ich glaube, ich verjiche mic ein biechen
darauf!« Wie in jo vielem, bat Moltfe auch mit diefem Urteil
recht gehabt; ich meine, wir fönnen ihm ſelbſt bei dem heutigen
Himmel volllommen zuftimmen. Und jo jpredie ich denn im
Namen unferes Vereins den Verttetern der Staats- umd der
Stadibehörde unſern chrerbietigjtien und verbindlicdjien Dant aus
für ihre gütige Begrühung.«
Nun forderte der Vorſitzende den erjten Echriftjührer auf, den
Spruch der Preisrichter zu verfündigen über die zur Löſung
ber Preisaufgabe »Unſere Mutterjprade, ihr Weſen
und ihr Werdene eingegangenen Arbeiten.
Profeſſor Dr. Pietich entiprady dem, indem er zunächſt den
Wortlaut des Preisausicreibens verlas*), dann die Namen der
Preisrichter angab**) und endlich mitteilte, daß zur Löſung der
\ allerdings jehr jchwierigen Aufgabe nur zwei Arbeiten eingegangen
jeien, deren eine durch ein Merfwort von Novalis, die andere
durch ein jolches von Klopſtock gefennzeicdnet jei.***) Dann fuhr
der Berichterjtatter fort:
»Die mit dem Kennworte von Novalis bezeichnete Arbeit
ift von allen Preisrichtem als hinter der anderen ſehr zurüds
ftehend bezeidnet worden; fie muß, ganz abgeſehen von zahl-
reihen Fehlern im einzelnen, ſchon deshalb als mihlungen
betradhtet werden, weil, Form und Vortragéweiſe unvollstüm—
lich, allzu lehrbuchartig ift, weil das lebendige und fefielnde, das
gemeinverftändliche ihr aanz abgehen. Daß fie demgemäß auch
von entbehrlichen Fremt wörtern ſtroßt, fei noch nebenher beror:
gehoben.
»Die andere Arbeit mit dem Slopftodichen Merhvort zeigt
allerdings auch einen bedeutenden Mangel, Diefer liegt darin, daß
der Verſaſſer den von ibm dargeftellten Stoff nicht jo voljtändig
beberrict, daß er vor Berichen und Fehlern fiher wäre, wie fie
in einem Buche nicht fteben dürfen, das es unternimmt, weitere
Vgl. Ziſchrft. 1809 Ep. 95.
*) Es jind die Herren: Prof. Dr. Joſ. Wadernell in
Annsbrud, Dr. Wilh. Lauſer in Stuttgart, Proſ. Dr. Otto
Bebagbel in Bichen, Dr. Otto yon in Preöden und Prof.
»Nuc die Sprache ift ein
AMovalis,) »Dah
feine, welche lebt, mit Deutichlands Sprache ſich in den allzu—
*s*) Die Mertiprücde lauten:
lichen Dank zu jagen ala dem Pertreter der Bürgerjchaft von | fühnen Wettjtreit wage!« (Klopſtock.)
181
Zeitfhrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. 1894. Nr. 9.
182
Kreife über den Durchſchnitt des heute Gewußten, bes heute
wiſſenſchaftlich Feititehenden aufzuflären und zu belehren. Dieſem
ichwerwiegenden Mangel ftehen aber gute Eeiten gegenüber.
Anlage und Gliederung des Stoffes jind zu loben; es ijt ans
zuerfennen, daß ber Berfajjer fi über die verichiedenen Eeiten
der gejtellten Nufgabe ziemlich alfeitig Rechenichaft gegeben hat.
Dazu ift die Darjtellung meijt Har, gewandt und lesbar. Ans
genehm berührt auch die warmherzige deutihe Gejinnung des
Verfaſſers, wenn gleich gerade diefe ihm zumeilen veranlaft, ſich ins
Phrajenhafte zu verlieren, das er überhaupt nicht ganz vermeidet.
Bei folder Sadjlage hat der Geſamworſtand von einer Preis—
hönung der Arbeit abjchen müſſen; aber in Anerfennung des
erjtrebten umd zum Teile erreichten Fieles jowie in Würdigung
des aufgewendeten großen Sammeljleiiies hat er beichlofien, dem
Verfaſſer, jobald er jich genannt haben wird, bedingung&weije
eine Gabe von 600 Mark zuzuerfennen.«
Num wendete ſich auf die Bitte des Vorſitzenden der Geheime
Nat Hugo Häpe-Dresden an den Rrofefior Riegel: Braun-
ſchweig mit folgender Aniprache: »Hocdverehrter Herr Muſeums—
direftor, Profeffor Dr. Riegel! Als Sie vor nunmehr 12 Jahren
Ihr »Hauptftüd von unferer Mutterfprache« zum Drud fertig
geitellt hatten und damals niemand diefe Arbeit verlegen wollte,
wagten Sie wohl felbit nit, den großen Erfolg zu hoffen, den
diefe Schrift fofort nach ihrem Erſcheinen in Deutichland gehabt
hat. Eine tiefgreifende Bewegung ging durch alle Gauen deutjcher
Zunge; Ihre Worte ſchlugen wie erite Mahnungen an Herz und
Gewiſſen der beutichen Bevölkerung, umd als Sie im Jahre 1885,
wie Sie jelbit fchreiben, mit Mut und Entſchloſſenheit die Gleich—
gefinnten zur Einigung aufriefen, war wenige Wochen nachher
schen der erite Zweigverein des allgemeinen deutjchen Spradvers
eins, der in Dresden, gegründet. Im folgenden Jahre, als die
erfte Hauptverjammlung unſeres Bundes ebenfalls in Dresden
abgehalten wurde, zählten die Vereine nad) Hunderten, die Vers
einsgenoffen nadı Tauſenden, die ſich begeijtert unter da8 Banner |
geichart hatten, das Sie mit ficherer Hand uns vorantrugen.
Freifih nun galt es auch, in die jchnell von allen Seiten zus
fammengeftrömte Menge der Bundesgenoſſen Ordnung zu bringen,
vor allem zu verhindern, daß nicht ungezügelter Eifer der quten
Sache ſchade, daß nicht das Lobenswerte Wirken des Einen
durch bie ebenjo wohlgemeinte aber planloje Thätigfeit des Andern
durchlreuzt würde. Die Aufgabe war ſchwer; unter Ihrer ficheren
Führung wurde fie glüdlich gelöft. Unſerem Bunde wurde eine
Geſtalt und Berfaffung gegeben, welche in allen enticheidenden |
lich los zu jein, nicht aus Mangel an Liebe zur Sache, jondern
Fragen einmiütiges Vorgehen gejtattete, welche dem Vereine das
Vertrauen und die Unterjtügung der bewährteiten und anerkann—
teften Sprachſorſcher und Spradhireunde gewann, ja welche ihm
ſelbſt Beachtung und Einfluß verichaffte auf weientlichen Gebieten
ber Verwaltung und Gejepgebung ſowohl des Meiches wie der
einzelnen Staaten, Nicht hoch genug zu jchägen ift aber bie
weiße Vorſicht, mit welcher Sie dem Verein die zu feiner Thätig-
feit nötigen Mittel zuführten, insbefondere daß Sie als quter
Haushalter darauf Bedacht genommen haben, auf einen Punkt
die Kräfte zu vereinigen und zu jammeln, die einzeln fich zer
jplittert haben würden, in der Hand der Gejamtheit aber adhtung-
gebietendes und wirfiames Auftreten geitatteten und die auch
für fünftige Zeiten, in denen vielleicht die Einkünfte des Ber:
eins jpärlicher fließen, den Fortbeitand des Bundes gefichert er-
fcheinen laſſen. — Die Mühen und Sorgen, die Sie unferer
Sade zum Opfer gebracht, die Musdauer, die bemundernäwerte
Nrbeitäfraft, mit welcher Sie die beim Wachstum des allgemeinen
deutſchen Spradvereins ſtets gefteigerte Laſt bewältigt haben,
vermögen vielleicht nur diejenigen in vollem Umfange zu würdigen,
welche nach Ihrem von uns jchmerzlich bedauerten Rücktritt die
Fortjeßung der NWereinsleitung zu übernehmen hatten. Es war
nur ein jelbitverjtändlicher Ausdrud der Ahnen gebührenden An—
erfennung und Dankbarkeit, wenn am 8. Oftober vorigen Jahres
der Gejamtvorjtand mit Einmütigfeit Sie zum Ehrenmitgliede
unferes Bundes ernannte. Daß die Urkunde über diejen Beſchluß
erit heute überreicht werden kann, erflärt fich aus ber ihr ge-
gebenen Form, Unvergünglich und unauslöfchlicd wie unjere Vers
ehrung und Danlbarlkeit ffollte auch der ihr gegebene Ausdrud
fein, und jo übernehmen Sie, hodwerehrter Freund, aus meiner
Hand die Gabe, weldye id) Ihnen im Auftrage des Gejamtvor-
itandes hier überreiche. Sie ſpreche zu Ihnen von ber Liebe
und Anhänglichkeit, die der allgemeine deutiche Spradjverein jeinem
Schöpfer und Vater allezeit bewahren wird. (Lebhafter Beifall.)
Eie ſpreche aber auch zu Jedem, der Künftig Ihr Heim betreten
wird, bon den umvergehlichen Verdienfien unjeres Herman Riegel
um die liebe deutſche Mutteriprache!
»Habe id) im Einne der Anweſenden geſprochen, jo bejtätigen
Sie dies durch Erheben von den Eigen.“ (Allfeitiger, rauchen:
ber Beifall.) Die Verſammlung erhebt fih, und Herr' Häpe über-
reicht dem Ghefeierten bie filberne, in Elbenbein gerahmte Tafel,
auf welche die Ernennung zum Ehrenmitgliede eingegraben iſt.
Tief ergriffen ſprach hierauf Herr Rrofefjor Riegel: »Mein
teueriter Herr Geheimer Nat, ih muß die Worte juchen, um
Ihnen für das, was Sie im Namen und im Auftrage des Vor:
ftandes und fomit des ganzen Vereins gejagt haben, meinen
Dank auszufpreden. Ach gehöre nicht zu den Leuten, die in
falicher Beicheidenheit eine nützliche und redliche Thätigleit zu
verfleineın oder abzuſchwächen fuchen, fondern zu denen, von
welchen der Dichter jagt, daß fie fich der That freuen. Und nım,
da durch Sie der Verein mir in jo auferordentlicher Weile jeine
Anertennung bat ausſprechen laſſen, ſage ich: ich nehme dieſe
Anerlennung an, und zwar, wie Sie jelbit jchen, voll tiefer Rüh-
rung und Danf.
»Hocverehrte Bereinsgenofien! Es ijt wahr, die Vereinsgrün—
dung, Bildung und die langjährige Leitung hat viel Mühe umd
Arbeit gefojtet‘; fie hat Opfer verlangt und eine Hingabe, eine
Beharrlichkeit des Willens, die vielleicht faum richtig abgeſchätzt
werden können, wenn man außen jtebt. Schwere Zeiten waren
dann die, welche meinem Rücktritt vorausgingen; ich lann aber
verfihern, jo traurig auch und jchmerzlich die unmittelbare Ber-
anlafjung dazu war, daß ich doch dankbar bin, die Geſchäfte end—
weil ich die Sache nicht mehr tragen fonnte.
»Bon Anfang an haben mir bei den Angelegenheiten des allge=
meinen deutſchen Spradjvereins einige Herren nahe geitanden, die
mit derjelben Begeiiterung und Liebe für die deutjche Sprache
und für unser Vaterland, die mich befeelten » dem gleichen Grund
jap der Sadjlichleit und Mäßigung buldigten. Zu dieſen Herren
gehören in erjter Stelle Sie, verehrter Here Geheimer Hat!
Meben Ihnen muß ich noch die andern Herren nennen, die im
Lauf der Jahre ebenfalls, wie ich mit Freudigkeit und Stolz fage,
mir treulich zur Seite gejtanden haben. Da find vor allen Dingen
die Namen Dunger, Lohmeyer und Saalfeld hervorzuheben,
fpäter nod) andere, die in gleicher Weife die Sache unterſtützt und
gefördert haben; jene Herren jedod) haben von Anfang an neben
mir gejlanden, und ihrer Mitarbeit ift die Sache auferordentliche
Förderung jchuldig. Sie, Herr Geheimer Nat, haben mit Pros
feffor Dunger zufammen das Berdienit, daß durd Ihr Wirken
der erjte Sprachverein 1885 in Dresden ind Leben treten lonnte
183
Von da hat der Verein jeine weitere Entfaltung genommen und
it zur ſchönſten Blüte gediehen,% bis ihn beflagenswerte Vor—
tommmifje jtörten und jchädigten. Jetzt aber, nachdem die Yei-
tung des Vereins auf glückliche Weife in die beiten Hände gelangt
it, To dak die Störungen und Wunden, die ihm geſchlagen
worden find, bald überwunden und geheilt werden fünnen, jet
dürfen wir die Hoffnung hegen, daß er zu neuem fröhlichen Yeben
einen glüdlichen Aufſchwung nehmen werde.
»Ich bitte Sie alle, Jund ich darf die Gewährung diejer Bitte
vorausiegen, daß der Verein mir ein geneigtes und wohlwollendes
Andenken bewahren möge. Dem Verein ipreche ich meine innigite
Dankbarkeit aus, die bleiben wird und die täglich ſich erneuern
wird beim Anblid diejer Tafel. Ach jchliehe mit den Worten:
» Der allgemeine deutiche Sprachverein möge wachen, gedeihen,
blühen zum Wohle unjerer deutſchen Sprache und zur Ehre der
deutichen Nation!« (Allſeitiger jubelnder Beifall.)
Borfigender: Ich ſchließe die Sitzung.
Schluß 1° Uhr.)
An die öffentliche Sitzung reihte ſich das Feſtmahl, welches
weit über 300 Frauen und Männer in den ſchönen oberen Sälen
des Civil-Caſinos vereinigte. Neben der deutſchen Speiſelarte
lagen bei jedem Geded die-Lieder zur VII. Haupwerſammlung
des a. d. Ep.e, darımter zwei, welche eigens für diefe Gelegenheit
gedichtet worden: ein ernſtes, nach der Weile von Integer vitae
zu fingendes » eitlied« von dem Trierer Friedrih van Hofis*)
und ein Iuftiges »Hod dem deutichen Spracvereine von dem
Koblenzer Karl Heſſel. Es läht ſich denken, dah das von edlem
Wein, rauſchender Muſil und hellem Geſange belebte Mahl jehr
fröhlich verlief. Die Neihe der Trinfiprüche eröffnete der auf den
Zeitſchrift bes alfgemeinen bentihen Spradpvereind. 189. Nr. 9.
Deutſchen Kaijer, welchen der Vorjigende des Vereins, Oberftit. |
Dr. Mar Jähns ausbrachte, indem er Se. Majeität als den
Vorfämpfer aller edlen deutichen Bejtrebungen und insbejondere
auch als den der Sprachreinigung daritellte, wojür noch jüngit |
der Erlaß an die Univerſität Halle weithin Zeugnis abgelegt habe.
CS herlandesgerihtsrat Scheerbarth widmete jein Glas Sr. Maje—
ftät dem Kaifer Franz Joſeph von Öfterreich mit dem Hins
weis darauf, daß der allgemeine deutiche Spradwerein feine
Flügel ausbreite >joweit die deutjche Zunge klingt und Gott im
Himmel Lieder fingte, und daß das deutfche Meich und Diterreich
zu Schuß und Trut verbindet jeien. Griter Staatsanwalt Schu:
macher-Koblenz jprady auf die Ehrengäjte, infonderheit den
Gründer des Vereins, Brofefior Riegel, diejer jelbit auf den
Ajweigverein Koblenz, Yandrat Graf Brühl auf die Gäſte aus
LDiterreih. Ihm antwortete der Reichstagsabgeordnete Dr. von
Hofmann-Wellenbof aus Graz mit einem Hoc auf die gaits
liche Stadt Koblenz. Deren Nommandant, General v. Wurmb
fcerte jein Glas zu Ehren der deutichen Frauen. Der Ober:
bürgermeilter Schüler trank auf das Wohl des Boritandes und
gedachte danfend der beiden Männer, die ſich um das Zuſſande—
fommen des Feſtes die größten Berdienite erworben, der Herren
Trapet und Scheerbartb. Prof. Erbe: Stuttgart feierte die
Feitdichter van Hofis und Heſſel, und endlich gedadıte Land:
gerichtsrat Crönert:Halle noch mit warmen Worten des Ge—
famtvorfigenden, worauf Dr. Mar Jähns für die ihm erwieſene
Ehre dankte, die, wie er meinte, erjt noch zu verdienen fei.
Es war ein ſchöner Gedanle des Herrn Auguſtin Trapet ge:
weſen, die Feſtordnung noch durch einen urfprünglich nicht ins
*) Das Gedicht iſt an der Spitze dieier Nummer abaedrudt.
es erbaut.«
mals einen großen Yorbeerfrang mit ſchwarzweißroter Schleife,
184
Auge gefahten Vorgang zu bereichern, der ſich nadı dem Mahle
in den Rheinanlagen abipielte: die Bekränzung des Denk—
malsvon Mar von Schentendorf. — Trog drobenden Regens
hatte fich ein ziemlich großer Kreis von Teilnehmern vor der Bitte
des Dichters verjammelt, die auf den von ihm jo geliebten Strom
binausblidt und auf deren Sodel Arndis Wort prangt: »Er bat
vom deutichen Strom, Vom deutichen Yand Mächtig gelungen,
daß Ehre auferitand, mo es erflungen!e — Des bedenklichen
Wetters wegen mußte die Feier fehr kurz gehalten werden. Die
Kapelle des Infanterie Regiments v. Göben (Nr. 28), welche
ichon bei Tafel geipielt, eröffnete fie mit dem Choral »Lobe den
Herme. Dann trat Oberitlt. Dr. Jähns vor und bielt, 5. T.
in gebundener Rede, eine Imappe, Früftige Anſprache, welde den
beutichen Sänger feierte, »der uns das Lied gefungen „Mutter:
ſprache, Mutterlaut‘, das tief ins Bolf gedrungen und mächtig
Zum Schluß befeftigte er an dem Sodel des Dent:
welche die Inſchrift trug: » Dem deutichen Sänger der allgemeine
deutiche Sprachwverein!e Jest fiel die Muſil mit dem Yiede » Deutich:
land, Deutichland über alles« prächtig ein; alle Anweſenden
jtimmten es an, und nachdem die länge verhallt waren, zog
Dr. Yähns den Hut und blieb einige Zeit till grühend vor dem
Denkmal jtehen. Die Feſtteilnehmer folgten feinem Beilpiel, und
jo kurz die Feier geweſen war, fie hatte doch tief ergreifend ges
wirkt, und manches Muge wurde feucht.
Der Abend vereinigte bie Feitgenofjen wieder in den Rhein—
anlagen zu einem heiter anipruchsloien Imbiß, den ihnen die
Stadt Koblenz bot. Aller Ungunjt der Witterung ungeachtet,
entzündete man die bunten Laternen an den Sartenwegen und
dem Springbrumnen vor der Trinfhalle; die Adıtundzwanziger
lichen fröhliche Weilen ertönen, und in böchit gemütlichem Zu—
ſammenſein bei trefflichem Bier hieß der Cherbürgermeijter Schüls
ler die Gäſte willlommen und antwortete Dr. Saalfeld- Blan-
tenburg in einer von Wig und Humor jprühenden Nede, welche
der Nömer gedadıte, die fich wohl auc wicht hätten träumen
lajien, dab in ihrem Confluentes einmal der deutiche Spradhs
verein tagen und ſich nod; nad) 1800 Jahren des Einflufjes der
römischen Sprache zu envehren haben würde.
Tie zweite Geſchäftsſißzung eröffnete der Vorjikende am
Montag den 20. Auaujt vormittags 9, Uhr und erteilte zuerit
dem Borigenden des Wahlansichuffes das Wort.
Dr. Zaalfeld- Blankenburg: Bevor idı das Ergebnis der
Wahl verfünde, möchte id den Herren, welche ſich während der
Zeit, da die andern Herrichaften jich der Erholung widmen fonnten,
in aufopfernder Weile der Prüfung und Feſtſtellung der Wahlen
gewidmet haben, unſern Dant ausiprehen. — Es erhielten
Stimmen:
Herr DOberitlt. a. D. Dr. Mar Jähns in Berlin 187,
» Konreltor Brot. Dr. Hermann Tunger in Trusden 187,
„ Berlagsbihbändler Eberhard Ernit in Berlin 178,
„ erichtsreferender Auguſt Trapet in Koblenz 176,
„ Univerfitätsprofeffor Dr. Wadernell in Annsbrud 174,
„ MNegierungs: und Schulrat Zchieiter in Canabrüd 153,
„ Univerfitätsprof. Dr, Otto Behaghel in Gießen 151,
„ Dr. Otto v. Leirner, Scriftleiter in Berlin, 150,
„ Dr. Wilhelm Lauſer, Schiftleiter in Stuttgart, 106,
Freiherr v. Ingern- Sternberg in Berlin 104,
„ Univerjitätsprof. Dr. Ostar Brenner in Würzburg 99,
185
Herr Karl Sedlak, Schriftleiter in Wien, 93,
„ Oberlandesgerichtsrat Scheerbarth in Ehrenbreitjtein 78.
Diefe 13 Herren find alfo gewählt.*) Ferner erhielten Stimmen:
Herr Ober: u. Geheimer Baurat Rüppell in Köln 72,
„ Bojtmeliter Schmidt in Nürnberg 71,
„ Dr. Beitbredt, Pfarrer in Ulm, 67,
„ Dr. Baul v. Hofmann=Wellenhof, Reichstagsabge—
ordneter in Graz 64,
Dr. Bilhelm Rohmeder, Stabtjhulrat in München, 60,
Profeſſor Martin Stier in Neuruppin 52,
Petri⸗ Kettenfeier Rojegger in Graz, 51,
Dr. Wülfing, Privatgelehrter in Bonn, 48,
Dtto Graf Vitzthum in Dresden 40,
Prof. Dr. Friedrih Pfaff, Univerfitätsbibliothefar in
Freiburg i. Br., 32,
Univerjitätsprofeffor Dr. Alois Pogatſcher in Prag 16,
Geheimer Regierungsrat Fritſch in Kaſſel 13,
Profeſſor Dr. Trautmann in Bonn 4,
Profeffor Felix Stieve in München 3,
Profefjor Mehlkopf in Duisburg 1,
Gymnafialoberlehrer Neuber in Wetlar 1.
Der Aufforderung des Borfigenden entfprechend hielt Dr. Saal:
feld nun feinen Bortrag über die Frage »Was fann und
muß zu des allgemeinen deutſchen Spradvereins
Wachstum und Gedeihen gethban werden?e — Medner
beleuchtete in mehr als halbjtündiger freier Erörterung die Not:
wendigleit, Mafiregeln zu ergreifen, um einen großen Zeil der
bereits beftcehenden Zweigvereine zu höherer fruchtbringender Blüte
zu entwideln, betonte dann aber ganz befonders die Forderung
der Werbethätigfeit ſowohl inbezug auf einzelne Perfonen, als
inhinfiht auf neu heranzuzichende Landichaften und den Gewinn
neuer Brennpunkte. Den Hauptnachdrud fegte er auf die vater—
ländiſche Geite unſerer Bereinigung; die Erwedung des
deutichen Sinnes ſei das vornehmite Biel, an dem mitzuarbeiten
eine eben fo große Freude bereite, als es eine wahrhafte Ehre
ſei. Unter Bezugnahme auf den erhebenden Borgang, der ſich
tagdzuvor am Schenfendorfdentmal vollzogen, ſchloß Dr. Saalfel
feine warme, anregende und freudig aufgenommene Rede mit des
trefflihen E. M, Arndt Worten aus dem Liede »Wer foll der
Hüter fein?«
az a 2 2
sa a a 2 a
Treues und beutfches Herz,
Tapfer in Emijt und Scherz,
Das ift die Mauer!
Treues und deutiches Herz
Bleibt auf die Dauer... .
Das joll ein Zeichen jein
Ewig am freien Rhein!
BVorfigender Dr. Mar Jähns: »Ich dante dem Herm
Redner für feinen ſchwungvollen Vortrag und richte im Anſchluß
daran an die Ameigvereine die Bitte, diejenigen Berjünlicheiten
in Ihrer Nähe, von denen Sie wiſſen, daß fie als Träger neuer
Zweigvereine wirfen könnten, da, wo fie ſelbſt nicht eingreifen
wollen oder fünnen, dem Gejamtvorjtande namhaft zu machen.
Bielleiht findet er dann den Weg, um mit jolhen Männern in
Berbindung zu treten und durch fie neue Zweigvereine zu gründen.
) Wie jchon Sp. 176 erwähnt worden, it infolge einer nicht
zutreffenden Berechnung des Wahlausjchuffes ein Herr zu viel
gewählt worden. Da jedoch nicht alle Gewählten aud) die Wahl
annehmen werden (eine Ablehnung ift bereits befannt), jo fann
der zu viel gewählte Herr einfach am die frei werdende Stelle
treten.
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind, 189. Nr. 9.
186
Denn alles an biefen Dingen haftet an ber Perfönlichkeit; hat
man den rechten Mann, fo hat man mit ihm gewöhnlich alles,
was man will und braucht. Männer folcher Art fennt und
findet aber die Rachbarichaft befier als der Fernſtehende draufen.«
Prof. Dr. Dunger: »Meined Erachtens wird von un® bie
Preſſe noch nicht genügend ausgenützt. Die Geſchäftsleute ver
jtehen das beffer. Wieder und immer wieder erfcheinen ihre Ans
fündigungen in den Peitungen. Ähnlich müßten aud) wir es
machen; immer wieder müßte des Sprachvereins gedacht werden
in Heinen Aufſätzen und Zwiſchenſtückchen, wie fie die Zeitungen
gern haben... . Der Spradjverein Hamburg hat erſt vor vers
hältnismähig kurzer Zeit erfahren, daß es einen allgemeinen
deutſchen Sprachverein gibt. Er Hatte ſchon viele Jahre bejtanden;
nun ſchloß er ſich jofort dem Hauptverein an. (Allgemeines
Staunen) Daß dies möglic; war, daß er, obgleich er für die
Sadje begeiftert war, nichts vom Gefamtverein erfuhr, deutet
darauf hin, daß wir nicht genug in die Dcffentlichteit treten.
Endlich möchte ich noch auf den Nuben der jog. » Spractajjen«
im SKreife der Familie oder der Freunde am Stammtiſche hin-
weijen, die unter vielem Scherz auch manch Köitliches Samenlorn
jtreuen.« (Beifall.)
Direftor Dr. Diederids=: Bonn ift davon überzeugt, daß bie
Abneigung gegen Fremdwörterei und Sprachunreinheit manchen
Menſchen angeboren jei; wo fie fehle, ſtoße man immer auf Yaus
heit und Gleichgültigleit. >Dah mande Ortsvereine nicht zu
jtande fommen, liegt aber auch an der Raghaftigfeit derer, bie
wohl die richtige Gefinnung aber nicht den Mut haben. Dem
Mutigen gehört die Welt! Wer durchdringen will, der darf nicht
zu bejcheiden fein. Das habe ich perfönlich erfahren.« (Redner
jhildert die Entftehung des von ihm gegründeten Zweigvereins
Bonn.) »Ich fing die Sache wie ein Huger Gejchäftsmann im
tleinen an. In der eriten Sikung vereinigte ich 12 meiner Be—
fannten und fagte: Jeder bringe in die nächſte Sitzung wieder
ein paar Freunde mit! Nad der dritten Situng fonnten wir
it 40 Mitgliedern den Verein eröffnen.“ Redner tadelt dann
die angeblich bejtehende Abficht, die Verdeutihungen nur in die
Vollsſchulen einzuführen, fie dagegen von den höheren Schulen
fernzuhalten, und fpricht endlich zu Gunsten des Gedankens, die
Frage der Rechtſchreibung in den Kreis unjerer Arbeiten zu
ziehen. So warme Anerfenmung aber auch feine jonftigen Aus—
führungen bei der Verfammlung janden, in diefem Punkte zeigte
fie ſich offenbar ablehnend und giebt ihrer Empfindung durch drei
Redner klaren Ausdrud.
GSeneraljetretär Stumpf: Osnabrüd warnt davor, unſere
Haren Bejtrebungen mit einer Bewegung zu verquiden, bie zur .
Zeit noch in ſich ſelbſt höchſt widerfpruchsvoll jei und uns daher
feine Förderung, ſondern Gährung zuführen werde. Zur Be:
lebung der Zweigbereine empfiehlt Redner eine recht eingehende
Berichterjtattung über das auf der Hauptverfammlung Erlebte
und Beſprochene, das zum natürlihen NAusgangspunfte neuer
Selbitthätigfeit im Heineren reife werben fünne und müſſe. Frei—
fich feien die Mittel der Zweigvereine gering; jede Berfammlung
in den Tagesblättern anzuzeigen in der Hoffnung dadurch neue
Mitglieder zu erwerben, jei kojtipielig und trügeriih. Umdruds-
fchreiben, in denen man ausführlich fein könne, wären billiger und
zwedmähiger, und »meue Mitglieder müſſen gefeilt werden!«
(Große Heiterteit und Zuftimmung.)
Dr. Lohmeyer-Kaſſel weit ebenfalls den Gedanken, die
Frage der Rechtſchreibung mit der des Spradwereins zujammen:
zuwerfen, entjchieden ab, »Ich habe die Ehre, Vorſihender des
Bereins filr Mechtichreibung zu jein; aber ich muß doch jagen,
187
Zeitihrift des allgemeinen dbeutfhen Sprachvereins. 18%. Nr. 9,
188
das find zwei ganz verſchiedene Dinge, die jtreng auseinander-
gehalten werden müjlen. ... Den Schlufworten des Herm Bor:
redners fchliehe ich mic auf das allerwärmifte an. Ich gehöre
zu denjenigen Yeuten, die gemieden werden, weil man fürd)tet,
von ihnen »gefeilt« zu werden; aber wer einen Zweigverein hoch
bringen will, fann das nur durch perſönliche Einwirkung, die
aud) vor etwas fFräftigeren Mitteln nicht zurüdjchreden darf.
Man mu feine Freunde dahin bringen, daß einem jeder monat-
lich, eine oder zwei Seelen liefert. (Heiterkeit) Wir glaubten in
Staffel der ftärkite Zweigverein zu fein. Darin find wir nun frei-
lich bier in Koblenz von den Koblenzern bitter enttäufdht worden;
denn Koblenz bat nur ungefähr die Hälfte der Einwohnerſchaft
bon KHafjel, und iſt uns doch um 20 Mitglieder über. Hoffent
lich wird das bald anders!«
Poftrat Dr. Debms-Potsdam (zur Geſchäftsordnung) legt
Berwahrung gegen eine weitere Behandlung der Nechtichreibungs-
frage ein, ohne daß ein Antrag geftellt worden.
Profeſſor ErbesStuttgart: „Ich möchte einem durd) die Worte
des Herrn Diederichs bervorgerufenen Mifverjtändnifie vorbeugen.
Als wir uns mit der Berdeutichung der Fremdwörter beſchäftigten,
haben ſich allerdings mehrere angejehene Männer dahin ausge—
ſprochen, man folle jene nur für die Vollsſchule vornehmen, in
den höheren Schulen dagegen die Fremdwörter beibehalten. Der
Geſamworſtand Hat ſich diefe Anſchauung jedod nicht zu eigen ge-
macht.« Medner weiſt died näher nad).
Profefior Benede- Bodrum jchlägt vor, zum Zwechk weiterer
Ausbreitung des Vereins den Beitrag herabzuieken. Dann
würden jid) mehr Elementarlehrer und Heinere Beamte beteiligen.
»Da unjer Bejtreben ein ideales iſt, jo brauchen wir wicht immer
volle Kaſſen.« Mitglieder mit geringerem Beitrage könnten viels
leicht mit beicränktem Rechte aufgenommen werden.
Borfipender Dr. Jähns: »Aucd dieſen Vorjchlag werden wir
im Geſamtvorſtande gründlich erwägen. Eine »immer volle Kaſſe«
findet fich aber, wie ich leider verfichern muß, bei uns feines-
wegs vor. Bon zweifelhaften Werte will mir die Einrichtung von
Mitgliedern erfter und zweiter Klaſſe icheinen. Im übrigen glaube
id) darauf aufmerkſam machen zu müſſen, daf die an den Vortrag
gefnüpfte Erörterung doch etwas zu weit ausſchweifſft. Man kann
ja allerdings jeden beliebigen Wegenftand dabei beranzichen; aber
ich denfe doch, wir follten uns beſchrünken, um auch den förmlich
geitellten Anträgen noch gerecht werden zu können.«
Landgerichtsrat Bruns bflichtet dem bei und verzichtet infolge: |
deſſen auf die Mitteilung einer Reihe planmähig aufaezeichneter
Punlte, in der Hoffnung, daß dieielben in der » ‚eitjchriite Naum
finden werden. »Nur eins will ich nod) erwähnen, was ich bei
Gijenbahnreifen thue, um unſere Schriften zu verbreiten.
nehme ſtets Vereinsdrudjacen mit, und laſſe jie dann, wie andere
Leute Zeitungen, im Eiſenbahnwagen liegen. Da werden fie ge-
wii gelejen!« Große Heiterfeit.)
Worte gemeldet, und ich tele daber den Antrag des jtän-
digen Ausſchuſſes zur Erörterung, »die Sakung 10 dahin
auszulegen, daß die Betätigung der beionderen Saßungen der
Jweigvereine durch den ſtändigen Ausſchuß des Gejamtvorftandes
eriolgen dürfe.e Nach dem gegemmwärtigen Wortlaut ijt das zweifel—
haft; bei der Seltenbeit der Juſammenkünfte dee Boritandes ent-
ftehen dadurch monatelange überflüſſige Veripätungen.e Die Ver
ſammlung jtimmt dem Antrage zu.
»Wir kommen mun zum dritten Gegenftande unſerer Tages
ordnung, dem Antrage des Zweigvereins Neuruppin: » Die
Ich
wenn behufs Herſtellung einer gemeinſamen Thätigkeit namentlich
in Bezug auf die Durchſührung unſerer Grundſätze im wirklichen
Leben ſämtliche Zweiqvereine um Beantwortung bejtimmter Fragen
gebeten und dann über die Ergebnifje folder Umfragen in ber
Zeitichrift berichtet wird, bejabenden Falles die Leitung und bie
Überwachung diefer Thätigfeit zur Verhütung etwaiger Kreuzung
oder Häufung folder Unternehmungen einem Mitgliede des Ge—
famtvorstandes übertragen.« !
Profeffor Stier-Neuruppin: »Man bat über Mangel an
Thätigkeit in den Zweigvereinen geflagt. Worin foll dieje Thätig-
feit beitehen? Unſere Sapungen ftellen den Zweigvereinen zwei
Aufgaben. Nah Sapung 7 follen fie eritens an den ſprachlichen
Unternegmungen des Sejamtvereins mitarbeiten. Zu diejen Unter:
nehmungen gebörte im vergangenen Jahre die Berdeutihung der
Nunftausdrüde in der deutichen Sprachlehre. Die Mitarbeit hat
darin beitanden, daß die Jweigvereine um Beantwortung be—
jtimmter ragen gebeten worden find. Über die Ergebniſſe diejer
Umfragen iſt dann in der Zeitjchrift berichtet worden. Satzung 7
nennt als zweite Nufgabe der Zweigvereine die, die Zwede des
Sprachvereins dadurch zu fördern, daß jie der Sprache der Be-
hörden, der Preſſe ſowie anderer öffentliher Kundgebungen ihre
Aufmerfamfeit zuwenden. Soll nun dieje zweite, ſchwere Auf
gabe, welche nad) unferen Saßungen das Smuptgebiet der jtän
digen Thätigleit der Zweigvereine bezeichnet, jeder Zweigverein
fir jich löfen ohne Fühlung mit den übrigen? Empfiehlt ſich nicht,
zur Herjtellung einer gemeinfamen Thätigteit dasjelbe Mittel zu
gebrauchen, das zur Yöfung der erjten Aufgabe angewendet wird,
alfo die Vereine um Beantwortung beitimmter Fragen zu bitten
und darüber in der Zeitfchrift zu berichten? Wir wollen doch
ein Gebiet erobern. Ein Feldberr, defien Soldaten ihre eigenen
Wege gehen, wird feinen Sieg erringen. Er muß feine Truppen
zuſammenhalten und geichlojjen Schritt für Schritt vorgehen. So
müflen auch wir die ganze Kraft vereinter Thätigfeit auf einen
Punlt nad dem anderen richten, etwa erft auf die öffentlichen
Anfchriften, dann auf die Sprifelarten, Zeitungsanzeigen, Rech—
nungsbücher ufw. Gegen eine Heranzichung aller Vereine zu
diejer Arbeit iſt geltend gemacht worden, daß erfahrungsmähig
mur wenige Männer als bewegende und leitende Kräfte in den
Vereinen wirkten. Gewiß, m. H., aber wenn die Könige baten,
haben die Kärrner zu thun! Die Mitteilung der Beobachtungen
und Erfahrungen auch minder gebildeter Mitglieder kann lehrreich
fein, muß alio Gemeingut werden, auch dann, wenn dem Be—
obachter Trieb und Fäbigfeit fehlen, die für einen Abdrud in der
Zeitſchrift umerlähliche Form zu finden. Als unfer Zweigverein im
vorigen Jabre einen verwandten Antrag an die Hauptverjammts
lung gejtellt hatte, der nachher in Kaſſel aus befannten Gründen
nicht zur Verhandlung fam, da Ichrieb uns Herr Direktor Riegel:
»Bedenten Sie nur gütigit, daß wir es mit Gebildeten, fachlich
| ebildeten und Halbgebildeten zu hun haben, und dah aus
Vorſißender Dr. Jähns: »Es hat ſich niemand mehr zum |
Hauptverſammlung wolle ſich darüber äußern, ob fie es billigt, |
diefem buntgemiſchten Kreiſe nicht bloß Neifes und Brauchbares
bhervorgeben fann.s Eben darum, m. H., empfehle ih ein Ver:
fahren, durch welches das Unreiſe und Unbrauchbare ausgeihieden
und nur das Reife und Brauchbare in einem Bericht verwertet
wird. Der Verein ſteht offenbar an einem Wendepunkt. Bisher
haben wir viel verdeutjcht, vielleicht zu viel! Denn wer alle
von unjeren Berdeutichungsbüchem dargebotenen Erſaßwörter
gleich wirklich ind Leben einführen will, macht ſich lächerlich und
verdirbt umfere Sadje.... Es mu zwiſchen entbehrlichen und
unentbehrlichen Fremdwörtern eine Grenze gezogen werden. Zoll
nun ein jedes Vereinsmitglied die Grenze anders zichen? Zoll
innerhalb unſeres Spracdvereins bier Bücherei gejagt werden,
189
dort Bibliothel? Hier Amtsgenofjen, dort Kollegen?
Hier Lehrförper, dort Tehrerkollegium?... Wenn ein
Rechnungsbuch nad, Bereinsgrundfägen gedrudt wird, fo entjtcht
die Frage, ob Latus durch Seite oder Seitenbetrag oder Bortrag
wiedergegeben wird. Das Verdeutſchungsbuch IT des Handels
läht die Wahl. Soll nun diefe Frage von den Geſchäſtsleuten
eines jeden Aweigvereins entfchieden werden ohne Verjtändigung
mit den übrigen? — Slopitod fagt: die Frage, ob jedes Haupt:
wort mit einem großen Anfangsbuchjtaben zu schreiben jet, möchte
er am liebften von einem Mehrheitsbeſchluß abhängig machen.
Sp giebt es auch bei uns viele ragen, über die nicht das
Sprachgefühl des Einzelnen, jondern der ganze Verein enticheiden
muß. Sonſt werden wir cs nie zu einem fejten Spradgebraud)
bringen. Ich meine damit nicht, daß bindende Beſchlüſſe gefaßt
werden jollen — aber viele werden ſich doch gem der Mehrheit
anſchließen, ſobald fie erit willen, wofür dieſe ſich entichteden
bat.... Bei der von mir empfohlenen Umfrage werben immer
zwei Punkte zu beachten fen: I. Welche Erfolge find bereits
erzielt worden? — II. Welhe Mittel haben ſich dabei bewährt?
Die fpracdhlichen Unternehmungen des Gejamtvereins bezogen ſich
bisher auf die theoretiihe Seite unferer Beftrebungen: es wird
Beit, daß wir auch die praftijche Seite zu einem Gegenstand ge:
meinſamer Thätigkeit machen und darum hat der Zweigverein
Neuruppin feinen Antrag gejtellt.
Geheimrat Sarrazin: Dem Ausſpruch des Herrn Vorredners,
daß wir bis jept lediglich theoretiich und nicht auch praftifch
gearbeitet hätten, werden wir doc; nicht ganz zuſtimmen können.
Es ift ſehr viel praftifch gewirft worden, aber es ift ohne
Zweifel nüglich, wenn wir für beftimmte Gebiete Erfahrungen
jammeln können, wenn wir die fragen beantworten lafjen: Wie
habt ihr es an eurem Orte gemadıt, wie habt ihr gearbeitet 5. B.
in Beziehung auf die Verdeutſchung der Fremdwörter auf Scil-
dern; wie habt ihr es gemacht, die zu befeitigen? Indeſſen in
unjerer heutigen Verſammlung veripreche id) mir wenig Nuben
davon, wenn der eine oder andere feine Erfahrungen zum beften
geben wollte. Ich glaube, es wäre nüslicher für die von Profefior
Stier in dankenswerter Weife angeregte Frage, wenn diejelbe
zunächft in den einzelnen Bweigvereinen zum Gegen>
ftand der Erörterung gemadt würde Das wäre zugleid)
ein vortrefflicher Gegenitand zu Vorträgen und Grörterungen,
und wenn dann von demjenigen Zweigvereinen, im denen jolche
Erfahrungen gemacht worden jind, dem Geſamtvorſtande ein
geeignetes Mitglied namhaft gemacht würde, das bereit ift, mit
Herrn Profeffor Stier in der angebeuteten Richtung weiter zu
arbeiten, und diefe Herren endlich in Verbindung mit dem Ge—
jammtvorftande einen Fragebogen ausarbeiteten, wobei jreilicd)
jehr ins einzelne gegangen werden müßte, dann fünnte man
voransfichtlich zu reinlichen Ergebniſſen fommen. Ich fchlage
alfo vor, daß jich freiwillige Mitarbeiter mit Brofeffor
Stier zuſammenthun und in Verbindung mit dem Geſamtvor—
ſtande diefe Frage weiter verfolgen.
Borfigender Dr. Jähns: Ich möchte darauf aufmerkſam
machen, daß bereits von einzelnen Zweigvereinen derartige be-
ſtimmte Fragen oder Anträge geftellt worden find. So beantragt
32. Bonn: Der Gejamtverein möge die Frage betr. Scyreibung
der Straßennamen in die Hand nehmen. Das ift gerade ein
ſolcher Antrag, wie er in das Gebiet hineinfällt, was Herr
Profeſſor Stier gemeinfam bearbeitet zu jehen wünſcht. Wenn
aljo da eine Wechſelwirkung zwiichen den Zweigvereinen und dem
Träger diefes Gedankens eintritt, jo ijt zu erwarten, daß wir zu
wirklich thatfächlichen Erfolgen auf diefem Gebiete fommen werden.
Zeitſqcrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 9.
190
Ich wiederhole alſo den Antrag des Herrn Geheimrats Sarrazin,
und ſpreche die Bitte aus, daß ſich Freiwillige aus den Zweig
vereinen beim Vorſtande melden, die ſich dann mit Herrn Profeſſor
Stier in Verbindung jeßen, um ſolche Fragen zunächit aufzumerfen
und endlich in einer Weije zu beantworten, die e8 dem Geſamt⸗
vorjtande möglich macht, auf Grund der eingegangenen Erör—
terungen eine Entjcheidbung zu treffen. Ich frage Herm Profeſſor
Stier, ob er mit diefer Löjung diejer Frage einveritanden wäre?
Profeſſor Stier: »Jawohl!« (Beifall!)
Vorjikender Dr. Jähns: Wir fommen nun zu den Anträgen
des Zweigvereins Potsdam. Der erite diefer Anträge lautet:
» Die Beitimmung 24 der Geſchäftsordnung zu jtreichen.«
Herr Poftrat Dr. Dehms hat das Wort zur Begründung dieſes
Antrages,
Dr. Dehms- Potsdam: »Xc) ſtehe eigentlich unter dem Ein-
druch, daß Anträge auf Änderung der Satzungen oder der Ge—
ichäftsordnung im wejentlichen verfeblt find, went fie jich nicht ſelbſt
erläutern, ich brauche daher Hier nicht viel Worte zu machen. Der
Sat der Seihäftsordnung: »Im übrigen gelten die bisherigen Ge—
wohnheitene it ein Sprung ins Ungewifje; deshalb muß diefe Bes
ftimmung fallen. Ich glaube auch, daß der Vorjtand nicht auf
deren Erhaltung zu beitehen nötig bat; denn diefe bisherigen Ge—
wohnheiten jind entweder ſelbſwerſtändlich — und dann iſt es gar
nicht notwendig, daß man jagt: fie gelten weiter — oder fie wer—
den doch fiir notwendig zur geordneten Geihäftsführung gehalten,
und dann brauchen jie ja nur in Worte gekleidet und bier er-
Örtert und entweder angenommen oder abgelehnt zu werden. «
Dr. Lobmeier: -Ich stehe auf einem andern Standpimfte.
Die Beitimmung 24 der Gejchäftsordbnung jcheint mir an jich
afinzlich umfchuldig, umd zweitens jcheint es mir ganz unmöglich,
alle Einzelheiten derart voransgujehen, daß die Beſtimmungen
auf jeden etwa vorfommenden Fall paſſen. Thatfächlid) wird
aljo die Sache doch beim alten bleiben; wozu jollen wir da
diefe Beitimmung jtreichen ?«
von Thenen-Köln: »Wir müſſen dafür jorgen, daß der Vor
ftand und namentlid) der VBorfitende durd ihr Ehrenamt nicht
überbürdet werden; dies aber würde geicheben, wenn fie allzujehr
mit Einzelbejtimmungen zu Kimpfen hätten. «
Der Vorſihende läht Über den Antrag 4* abjtimmen; er wird
abgelehnt.
Den Antrag 4* legt Poſtrat Dr. Dehms in verbefjerter Ge—
ftalt vor. Er lautet nun: »Den Rechnungsprüfern ijt mit der
zu prüfenden Rechnung diejenige des Vorjahres nebſt allen zu
derjelben erhobenen Bemerkungen und gefaßten Beichlüfjen zu
überfenden.« Eine ſcharfe Rechnungsprüfung ſei das beſte Mittel,
um Unregelmäßigleiten bei einer Vereinsverwaltung zu verhüten.
Dazır gehöre aber, da man die Überzeugung gewinne, daß die
Bemerkungen der Nechnungsprüfer auch wirflic beachtet würden,
und daß ſich eine Überlieferung bilde.
Seheimrat SarrazinsBerlin: Soweit mir befannt, ift ſtets
in der Weiſe vorgegangen worden, wie es jept Herr Dr. Dehms
beantragt. Immer find den Prüfen die Hechnungen auch des
Vorjahres jamt allen dazu gemachten Bemerkungen zugegangen.
Das iſt bereit® heute Überlieferung; es ift eine der »biäherigen
Gewohnheitene, von denen die Beitimmung 24 ſpricht. Darum
bedarf es feiner neuen Beftimmung.
Seneraljelretär Stumpf: So qut wie die in dem Antrage
Potsdam geforderte Vorſchrift könnten nod Hunderte gegeben
werden. Wirgends ift z. ®. ausdrücklich vorgeichrieben, daß den
Rechnungsprufern aud die Nechnungsbelege mitgeteilt werden;
‘ aber das verfteht fich eben ganz von felbft, und wir haben feine
191
Zeitſchriſt des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. 1894. Nr. 9.
192
Veranlaſſung, das Selbjtverjtändliche in beſondere Beſtimmungen
zu formeln.
Dr. Dehms: Ich möchte es nicht gelten lafjen, ba man
eine Rechnung nicht aud prüfen fünne, ohne daß man die des
Vorjahres zur Hand hat, und da bereits, wie die Vorredner be-
haupten, jo verfahren wird, wie mein Untrag will, jo ſieht doch
defien Annahme gar nichts entgegen, und ic; möchte dieſe um jo
mehr empfehlen, als ich unter dem Eindrud ftehe, diejelbe fei
bereit8 auf der Berliner Hauptverfammlung erfolgt.
Vorfigender Dr. Zähns: In Berlin wurde nur, ganz wie
jet Hier, allgemein. anerfannt, dab fo zu verfahren jei, wie
Dr. Dehms vorſchlägt, aber von feiner Seite wurde die Sache fo
aujgefaht, alö ob ein artitulierter Antrag vorliege. (Dr. Dehms:
Ja, das war ber Fall!) »Da wir num die Beſtimmung 24 bei-
behalten haben, jo brauchen wir den Zufag meiner Anficht nad)
nicht; hätten wir fie geftrichen, fo würde fie vielleicht nötig jein.«
Antrag 4” wird darauf abgelehnt.
Roftrat Dr. Dehms: Unfer dritter Antrag lautet: » Huf Ans
trag eines Zweigvereins veranlaht der Vorſtand die laufende
Überjendung der Zeitſchrift und der fonftigen Drudfachen an die
von dem Zweigbereine bezeichneten Mitglieder gegen vom Bor-
ftande fejtzufegende auf Stoftendedung beredjnete Entihädigung.« —
Diejer Antrag ijt aus den befonderen Bedürfniſſen unjeres Zweig:
vereind hervorgegangen. Bei 134 Mitgliedern haben wir 60,
denen bie Zeitjchriit durch die Poſt zugufenden iſt. Ähnlich, dachte
id, wird es auch andern Vereinen gehen, und da der Vorſtand
doc) ſchon fehr viele einzelne Zeitſchriften durch die Pojt verjendet,
jo meinte ich, würde es ihm nur wenig Schwierigfeit bereiten,
wenn er aud die Verſendung derjenigen Abdrude übernähme,
welche die Zweigvereine zur Pojt geben müſſen. Nun habe id)
aber erfahren, dab, jalld der Vorſtand dies übernehmen jollte,
er ald Koftendedung für Jahr und Abdrud 1. beredjnen müßte;
dies iſt jo viel, daß id; meinen Antrag für den Zweigverein
Potsdam zurüdziehen und abwarten will, ob ihn ein anderer
aufnimmt.
Vorfigender Dr. Jähns: »Wird der Antrag von jemand
anders aufgenommen? (Pauſe.) Es geſchieht nicht; ich erkläre
alfo die Erörterung für geſchloſſen und den Antrag für erledigt.«
Bir lommen nun zu dem Antrage des Zweigvereins Danzig.
Er lautet: »Die Hauptverjammlung wolle in die Saßungen fol:
gende Beſtimmungen aufnehmen: a) Unmittelbare Mitglieder des
allgemeinen deutjchen Sprachvereins fönnen nur Perſonen werden,
die in Orten wohnen, im denen ein Zweigverein nicht befteht.
b) Unmittelbare Mitglieder, die in Orten wohnen, in denen ein |
| jammlung, als der eriten nad) Wiederherftelung des inneren
Zweigverein befteht, werden von dem Gejamtvorftande dem be-
treffenden Ziveigvereine ald Mitglieder zugewiejen.« — Da der
Verfaſſer des Antrages, Herr Oberlehrer Rühle, verhindert iſt,
ihn zu vertreten, wird ihn Herr Dr, Willfing begründen.
Dr. Bülfing- Bonn: »Es erjcheint notwendig, daß diejenigen,
welche jih der Pilege der Spradye annehmen wollen und an
demjelben Orte wohnen, auch gemeinjam jür dieſen Zwech
thätig find. Dem Zweigverein Danzig ift es bisher nicht gelungen,
die in Danzig wohnhaften unmittelbaren Mitglieder ſämtlich zum
Veitritt, zu bewegen. In der That dürfte wenig Grund vor
liegen, ja es erjcheint unzwedmähig, daß in einer Stadt neben
dem Zweigverein aud) nod unmittelbare Mitglieder bejtehen, und
doch ijt dies offenbar an recht vielen Orten der Fall. Unter diefem
Geſichtspunkte dürfte ſich namentlich die Annahme des zweiten
Punktes empfehlen. Wir in Bonn überſchreiben verziehende Mit-
glieder von uns aus dem Bereine der Stadt, nad) dem fie über:
jiebeln. Vielleicht lieben ji aud jo vom Gejamtvorjtande die
unmittelbaren Mitglieder eined Ortes bem betr. Zweigvereine
überjchreiben.
Dr. Lohmeyer-Kaſſel: Ich warne vor ber Annahme diejes
gefährlichen Antrages. Vielerorts halten perjönliche und jonjtige
Gründe unmittelbare Mitglieder vom Eintritt in den Biweigverein
ab; fie würden audtreten, wenn man fie zwingen wollte, ihm
beizutreten. Aber id; bin nicht nur aus ſachlichen Gründen
gegen den Antrag, jondern auch aus verjafjungsmäßigen; denn
er enthält den Vorſchlag einer Sapungsänderung, der, laut
Sapung 28, mur auf Antrag des Gejamtvorftandes oder auf den
bon 4 Zweigvereinen mit mindeftens 6 Stimmen ausgehen barf.
Geheimrat Sarrazin-Berlin jtimmt dem Worrebner bei;
ebenfo Direltor Dr. Menge- Boppard, indem er auf die mannig-
fachen Gründe hinweiſt, melde den Wunſch rechtfertigen können,
unmittelbares Mitglied zu bleiben.
Der Antrag wird einftimmig abgelehnt.
Poſtrat Dr. Debms: Potsdam weiſt darauf Bin, daß es,
behufs richtiger Beftellungen von Vereinspoſtſachen jehr
nüglid wäre, wenn alle Zweigvereine Fürſorge träfen, daß Bojt-
jendungen an fie auch ohne Ungabe eines bejonderen Namens
zur Ausgabe gelangen fönnten, indem fie auf der Poſt ein für
allemal angeben, an wen derartige Sendungen zu bejtellen feien.
Vorfipender Dr. Jähns: »Ich empfehle diefen jehr behers
jigenöwerten Hinweis allen Zweigvereinen dringend! — Damit wäre
unjere heutige Tagesordnung erihöpft, und ich bringe nur noch
zur Kenntnis, daß freundliche Drahtgrüße eingelaufen find von
Sr. Durdlaudt dem Erbprinzen von Hohenlohe, dem Zweig—⸗
verein Bulowina und von dem Mitgliede des Bmweigvereins
Koblenz Herm Landau.
Profeſſor Blafendorf- Stettin: Wir freuen uns, daß die Herr-
ſchaften in der Ferne an uns gedacht haben. (Beifall.)
Dr. Gantter- Frankfurt a. M.: »Ehe wir dem Herm Bor-
jipenden das Recht zum Schluß der Hauptverjammlung geben,
haben wir uns einer Pflicht gegen ihn zu entledigen. Wer im
Dezember vor. Jahres den Bericht des Dr. Jähns über das
ſchwierigſte Wert gehört hat, das der Verein während feines Be-
jtehen® zu vollbringen hatte: die Feſtſezung der neuen Saßungen,
der durfte ja mit vollem Vertrauen die Leitung des Vereins in
feine Hände übergeben jehen. Sie alle haben fich in diefen Tagen
überzeugt, daß jenes Vertrauen vollberedhtigt war, da der Herr
Vorjipende die Verhandlungen mit der Schneidigkeit des alten
Soldaten, der Sachtunde eines erfahrenen Forſchers und zugleich
mit der Liebenswürdigfeit des feingebildeten Mannes geführt bat,
wobei nicht zu vergefjen iſt, daß die Leitung eben diefer Ver—
Friedens, vermutlich mande ganz bejondere Schwierigleit bot.
Gerade ich, der in der nun glüdlich überwunbenen Beit des
Streites gewiß vielen als einer erichienen bin, der im Lager der
Gegner jtand, darf wohl mit doppeltem Rechte der Freude Aus—
druck geben, daf der Friede wieder hergeitellt ift, daß wir den
Schöpfer des allgemeinen deutihen Sprachvereins in unjerer
Mitte feiern durften und daß unfer Borfigender in jeinem Jahres-
berichte jo ireffende warme Worte jand, um uns allen in dringen
der Mahnung Einigkeit und Mäfigung ans Herz zu legen. Unter
diejem Banner werden wir fiegen und können wir hoffen, dereinſt
auch das Glied, das wir haben aufgeben müjlen, wieder Hand
in Hand mit uns dem gleichen Ziele zuftreben zu jehen. Ach
weiß sehr wohl, dab es nicht leicht fein wird, dahin zu kommen;
aber nachdem unjererjeits ein Opfer gebradjt ift, dürfen wir er
warten, daß es auch auf jener Seite gebracht werde. Und fo
freuen wir uns des erneuten Fortichritts unjeres Vereins! Nehmen
193
Sie, hochgeehrter Herr Oberftleutnant, und Sie, meine Herren
des Boritandes, den Dank für Ahre Leitung, in den, wie ich
überzeugt bin, die ganze Berjammlung einftimmen wird. Wir
nehmen die Hoffnung mit, daß der allgemeine deutſche Sprach—
verein wachien, blühen und gedeihen werde unter feinem jebigen
Borfigenden und feinem Borjtandel« (Laute alljeitige Beifalls-
rufe der Verſammelten, die ji) während dieier Rede erhoben
hatten.)
Vorjigender Dr. Jähns: »Andem ich meinen tiefgefühlten,
innigen Dank fir Ihre Anertennung, Ihr Wohlwollen, Ihre
Nachſicht und zugleih den Dank des Boritandes ausſpreche,
ſchließe ich die VII. Hanptverfammlung. «
Nach dem Abſchluß der Arbeiten trat der rheiniihe Frohſinn
in jeine Rechte. — Einer Einladung des Geheimen Kommerzien-
rats Jul. Wegeler folgend, unternahm die Berfammlung einen
Beluch der Kellereien des berühmten Weinhandlungs-
hauſes Deinhard & Eo., die zu den größten umd inhalt:
reichften Deutichlands gehören, wenn fie nicht überhaupt die
größten find. Mit auferordentlicher Liebenswürdigfeit empfing
Herr Wegeler, umgeben von feiner Familie, die Vereinsmitglieder
und deren Damen und geleitete fie umter dem Vorantritt ber
Mufit »zu den Piorten der Unterwelt«,
»BWilltommen hier an weingeweihter Schwelle!
Zum Keller, dämmernd kühl, aus ſchwüler Tageshelle
Ruft Rheins und Mojelwein, des Frohſinns reichite Quelle.«
In langem, langem Zuge durdwandelten die Staumenden
das unterirdiiche Labyrinth, wo bald in Flaſchen, bald in Fäſſern
von immer mächtigerem Umfang das edle Nah fagerte und
mandem zum erftenmal ein deutlicher Begriff fam von bem,
was dazu gehört, bevor er jeinen Schoppen ftechen fann. Und
überall begrüßten die Wandernden farbige durdyicheinende, leuch—
tende Inſchriften, luſtige Reime, die »der Hausdichter«, der
jüngere Bruder des Befipers, Herr Karl Wegeler, bald ge:
ſchmiedet, bald geflochten.
»Es grüßen froh die Nebengeifter
Der deutichen Sprache wackre Meiiter!«
So funfelt es hier, und im nädjiten Gange leuchtet das Kernwort:
»Stets fei fräftig, Mar und rein,
Deutichlands Sprache, Deutichlands Wein!«
Und fo ging es in Iuftigem Reigen fort, bis im Allerheiligften
angeſichts der Büfte des Kaijers und zweier Rieſenfäſſer von je
100 000 Liter Inhalt die Kommenden von einem aus Arbeitern
des Haufes Deinhard bejtehenden Sängerchore empfangen wurden.
» Wenn das Gewölbe twiederhallt,
Erkennt man recht des Baſſes Grundgemwalt.«
GSeheimrat Wegeler bracdte dem Landesherm ein Hurra, und
Dberftlt. Jähns dankte den Sängern. Dann ging es wieder
hinauf ins ‚rofige Licht‘, wo auf langen Tafeln ein Imbiß und
ſchäumender Selt bereit ftanden, beides mit Behagen und Dant
begrüßt und genoſſen. Geheimrat Wegeler jprach herzliche und
gedantenvolle Willtommensworte, an die fich der Gejang eines
prädtigen »Grußliedes« von Karl Wegeler reihte, das gebrudt
an die Gäſte verteilt war. Wehelmrat Sarrazin drüdte mit
föftlihem Humor den Dank der Verfammlung aus, die Herr
Wegeler zu jo tief eindringendem Duellenftubium zugelafien habe,
und brachte ein Hoc aus auf das große gaftliche Handelshaus
und feinen Leiter, das volltünenden Wiederhall jand. Endlich
ſchloß der Vorſihende Dr, Jähns mit einem bejubelten Trink:
fprud) auf die frauen und auf den Dichter des Hauſes Wegeler.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. 189. Nr. 9.
194
Feuchtfröhlich war die Stimmung, in der die Verſammelten
die Kellerei verließen, und dazu hatten fie Grund; denn es war
eine fehr edle Feuchtigkeit, die fie durchdrang; feuchtfröhlich aber
blieb die Stimmung, als die Geſellſchaft fi auf dem Dampfer
»rauenlob« zur Rheinfahrt eingeſchifft Hatte, und dod war
die Feuchtigkeit, welche bier auf fie eindrang, keineswegs »holden
Feuers volle, jondern ein richtiger grauer Landregen. Ein ges
drudtes Büchlein: »Bon Koblenz bis zur Lorelei, Ein Führer
bündig und doch treit«, wurde an die Eingejchifften und Einge—
weihten verteilt;*) aber jo lehrreich und lieblich deſſen Verje auch
find, die Uferbilder waren troß des Negens, oft jogar infolge
der von ihm vorgeichobenen geheimnitvollen Nebelkulifien, von
jo hohem Meize, daß ſich nur jelten ein Auge dem Papier zu—
wandte. And aller Unbill der Witterung ungeachtet, hörte das
Zurufen, Singen, Tücherſchwenlen an beiden Ufern des Rheins
nicht auf; felbit am Abend auf der Nüdjahrt von St. Goar
durchdrang es noch die Dämmerung, bis endlich Koblenz; twieder,
in magiſcher Beleuchtimg aufjlammend, jeinen herrlichen Rheins
jtaden wies, die Steinbrüce des Nellentopfes purpinfunfelnd
aus der Nacht traten und das Schiff der Mofel gegenüber
wendete, um vor Anker zu gehen.
Viele, recht viele der Feſtgenoſſen blieben dann noch im
» ranzisfaner« bis zu einer nicht näher gemeldeten Stunde bei-
jammen; viele von ihnen umringten den Vorſtand des Zweiqvereins
Koblenz, Herrn Scheerbarth, Herrn Brouſtin, Herm Jujtiz-
‚ rat Graeff, Herm Prof. Meyer und den unermüdlichen Herrn
Trapet, deſſen rajtlojer Thätigleit das Gelingen der Feſttage
ganz vorzugsweiſe zu danken geweien, und gewiß iſt niemand
heimgefahren, den nicht ein reines Gefühl rohen Behagens be:
gleitet hätte,
Aın 18. Auguft fand zu Koblenz eine
Sitzung des Gejamtvorftandes
ſtatt. Den Vorſitz führte Dr. Mar Jähns. Anweſend waren
die Herren Yandgerichtsrat Bruns, Prof. Dr. Dunger, Prof.
Erbe, Berlagsbuhhändler Ernit, Geheimer Hat Häpe, Prof.
Dr. Khull, Prof. Dr. Kluge, Geheimer Regierungsrat Brof.
Zaunbardt, Dr. Lohmeyer, Prof. Dr. Pietſch, Neltor Dr.
Preſſel, Brof. Dr. Riegel, DOberlehrer Dr. Saalfeld, Ge—
heimer Baurat Sarrazin, Schriftleiter Sedlad und Auguftin
Trapet.
Der Vorſihende eröffnete die Sigung mit Mitteilungen
über die Ereignijje und Strömungen im Vereinsleben
während der lepten Monate. Er berichtete zunächſt über den
Beitand der Zweigvereine (vgl. oben Spalte 163) und dann
über die Anträge der Zweigvereine Freiburg i. B. und
BVermelsfirhen. An der jid daran anihliefenden Erörterung
beteiligten fidh die Herren Erbe, Dunger, Bruns, Brejiel,
Sarrazin, Kluge, Riegel, Launhardt, Ernft und Jähns,
und endlich führte fie zu einem dem Jahresberichte einzuverleiben-
den Beſchluſſe (Sp. 167— 169). Darauf gab der Vorſihende
Kenntnis von dem Inhalte dreier ihm zugegangener Schreiben
öjterreichiicher Zweigvereine (Öraz: Marburg, Yinz und Rei-
chenberg), welche ſich unbedingt gegen jeden Gebraud) »la=
teinifchere Buchſtaben für Veröffentlichungen unjeres Vereins
erklären. Dieſer einfeitigen Forderung gegenüber ftimmt der Vor—
jtand einer von Dr. Zähne verfaßten, in den Jahresbericht aufs
*) Es ift ein Auszug des gereimten Fremdenführers » Bon
Meinz bis Köln Auf Rheines Welln« oder »Bon Köln bis Mainz
Auf Wellen des Nheind« (Hreuznad) 159.)
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvertins. 1894. Nr. 9.
196
195
gemäß gebotenen Haltung zu. (Bal. Sp. 166). Auf eine Anfrage
erwidert Prof. Khull-Graz, dak auch er im Großen und Ganzen
mit dem bisher üblichen Gebrauch einverjtanden ſei. Prof. Erbe
ichlägt vor, den vier öſterreichiſchen Vereinen dadurch entgegens
zufommen, daß man die Satzungen ebenjo wie den Aufruf in
beiden Schriftarten drude. Damit ift die Verſammlung einver-
ftanden, und Brof. Chull erflärt, daß von dieſer Löſung ber
Frage auch jeine engeren Landelente befriedigt fein würden.
Demnächſt handelte es fich um die Beſchlußfaſſung über die Er:
teilung des Breifes fir die vom Bereine geftellte Preis—
aufgabe. Brof. Dr. Pietich fahte ald Berichteritatter die Urteile
der Preisrichter in eingehender Darlegung zufammen. An dem
darauf folgenden Meinungsaustaufch beteiligten ſich die Herren
Dunger, Bruns, Riegel, Lohmeyer und Jähns, und ſchließ—
lich wurde der in der öffentlihen Sipung befannt gemachte Be-
ſchluß gefaht. (Sp. 180 — 181.)
Die Übertretung der Beitimmung 18 ber Geſchäfts—
ordnung (Sp. 169) fowie der Antrag des Ausjchuffes wegen
Erläuterung der 10. Sagung (Sp. 187) wurden als nots
wendig gutgeheißen.
Über den Antrag Neuruppin (Sp. 188— 190) erfolgte eine |
. ausgegeben. Das Heft geht den Ameigvereinen in jo vielen Ab—
Nuseinanderfegung zwiichen den Herren Sarrazin, Riegel,
Erbe, Ernft, Bruns und Launhardt, deren Ergebnis der
Bericht über die Hauptverlammlung enthält. Was die daraus etiva
erwachjenden Koſten betrifft, jo wurde beichlofien, dab, abgejehen
bon den vom Geſamtvorſtande zu bejtreitenden Aufwendungen
für den notwendig werdenden Briefwechſel, größere Mittel immer
nur nad Mahgabe eines von Brof. Stier und feinen Mit:
arbeiten eingereichten Boranjdylages zu beiilligen fein werden.
Über die Anträge der Bweigvereine Potsdam und
Danzig machte der Geſamworſtand fih in demielben Sinne
ſchlüſſig, wie es zwei Tage jpäter die Hauptverfammlung gethan.
(Sp. 190 — 192.)
Endlich erfolgte die Beiprechung über den Ort der nächſten
Hauptverfammlung. Dr. Saalfeld machte Mitteilungen
über vorläufige Verhandlungen mit zwei mitteldeutichen Stäbten;
Landgerichtörat Bruns weift, wenn auch erjt jür die Zukunft,
auf Berlin Hin; Prof. Riegel macht darauf aufmerkſam, daß jeiner- |
zeit nad) der Hauptverjammlung in Hannover neben Koblenz
ſich auch Reichenberg zur Aufnahme der Hauptverjammlung er:
boten habe. Prof. Khull iſt von Graz und Leoben beauftragt,
dahin zu wirten, daß die nächite Hauptverfammlung jedenfalls in
Dfterreich ftattfinde, und kündigt eine Einladung nad Graz an.
Dem tritt auch Sedlaf bei. Trapet befürwortet Reichenberg;
während Geheimrat Launhardt hervorhebt, daß gegen die Wahl
diefed Ortes gewichtige örtliche Gründe ſprüchen. Prof. Erbe
empfiehlt den allgemeinen Geſichtspunkt, die Gegend möglichit zu
wechieln und demgemäß die nächite Hauptverfammlung im Süden,
vielleicht in Ofterreich, abzuhalten. Ohne hierüber abzuftimmen,
neigt fi) der Bejamtvorftand diefer Anſchauung zu und bejchlieht,
zunächſt etwaige Einladungen in der Hauptverjammlung abzu=
warten. (Sp. 177.)
Der Zweigverein Wandsbek Hat ſich wegen ungenügender
Beteiligung aufgelöft.
Mit diefer Nummer wird die
Nr. VIL der wiſſenſchaftlichen Beihefte
zügen zu, als fie für 1893
Mitgliederbeiträge
abgeführt haben. Wir machen auf Sapung 8 aufmerffam,
welche lautet: » Die Zweigvereine zahlen im erſten Viertel jedes
Jahres an den Schafmeiiter des Gejamtvereins für jedes ihrer
Mitglieder einen Jahresbeitrag von mindeftend 2 Mark (in
Dfterreich von mindeftens 2 Kromen)«. Die Beiträge fpäter ein-
getretener Mitglieder find bis zum Jahresſchluſſe einzufenden
und erfuchen wir die geehrten Borjtände derjenigen Zweig—
vereine, die diefer Bejtimmung für d. l. J. noch nicht nachge⸗
fommen find, dies unverzüglich gefälligit zu tun. Wir werden
ihnen dann fofort die entiprechende Anzahl von Abzügen des ges
nannten Beiheites zugeben lafjen. Die unerläßlihe Ordnung
macht dies Verfahren zur Notwendigfeit, und wir bitten bie ges
ehrten Vorſtände, uns hierbei mit freundlihem Entgegenfommen
zu unterjtügen.
Brieftaften.
Den zahlreihen Einjendern von Berfuhen, unjerm
Nereinswahlipruche eine dichterifche Form zu geben,
fagt die Schriftleitung aufridhtigen Dank. Wegen
Raummangels in diefer Nummer fann erjt im Dftober
weiteres darüber berichtet werden,
Herm R. M...., Darmjtadt. Wir freuen und über die
dem Sprachvereine fo freundliche Gefinnung, die aus Ihren Zeilen
ſpricht; was aber Ihre Verdeutihungsvorichläge angeht, find
wir faft geneigt anzunehmen, dab Sie ſich einen Scherz mit uns
machen wollen. Schleiername für Pſeudonym jcheint ung ſchon
recht bedenklich und nun gar ⸗Kremel« für Arematorium! Biel
leicht auch Laborel für Laboratorium oder Gonfervel fir Konfer:
vatorium, Morel für Moratorium?
St. Das Wort Tohter fommt ohne Bes
Herm K..
ziebung auf das verwandtichaftliche Verhältnis (alfo = Mädchen) |
ſchon jehr früh vor. Sein bäufigerer Gebrauch heutzutage, nament-
lich in Yeitungsanzeigen entipringt wohl dem Bejtreben einer
Verwechielung von » Mädchen« mit > Dienjtmädcen« vorzubeugen.
Zu billigen iſt dies aber nicht, vielmehr erjcheint die begriffliche
Untericheidung der beiden Wörter (Tochter und Mädchen) vom
Standpunkte des Sprahlortichrittes durchaus wünfchenswert. Die
Schulbehörden unterjtügen diefe Unterfcheidung, denn fie fennen —
wenigftens in Norddeutſchland — amtlich feine Töchterſchulen,
jondern nur Mädchenſchulen.
Herrn W. F..-., Braunfels Sie jagen das Wort Bei-
heft flinge Ahnen unerträglich harte. Das iſt Sadje des pers
fünlihen Spracdgefühles. Wichtig gebildet ift ee. Wit bei
nur Bezeichnungen der Bewegung (oder Thätigfeit) zufammen-
jepen zu wollen, ift unbegründet; vergl, Bei-bote, =frau, -hilfe,
=firhe, name, »jtand, <ıweg. voch ſelbſt wenn Sie dies wollten,
ſo dürften Sie keinen Anſtoß an Beiheſt nehmen, da ja in dieſer
Zuſammenſetzung gerade der Hinweis au eine Bewegung, die
des Heftens, Anfügens liegt.
Herrn Br,..., Torgam. An der auf S. 13 des VI. Wiſſ.
Beiheftes angeführten Stelle aus dem Te muß es allerdings
beißen »als das Vieh zu weiden« nicht — Es liegt
hier lediglich ein Gedächtnisſehler vor. —— haben Prof.
Kluge, ſowohl wie — Behaghel (in demſelben Beihefte S. 3
u. ©. 26) Goethes Lebensbeſchreibung abſichtlich mit »Dich—
tung und Wahrheite (nicht »Wahrheit und Dichtung « wie in
den meiften Ausgaben zu finden) bezeichnet. Aus Riemers Mits
teilungen über Goethe I, 397 gebt hervor, daß Goethe in dem
von Riemer vorgeichlagenen Titel die Umstellung » Dichtung und
' Wahrheite machte, und an diefer Form wurde daher in allen zu
Goethes Lebzeiten erichienenen Ausgaben feitgehalten. Nach des
Dichters Tode jedoch griff Riemer ald Herausgeber der Werfe
auf die von ihm vorgeſchlagene Faſſung zurüd, die ſich dann fort»
gepflanzt hat. Näheres hierüber finden Sie in G. v. Loepers
Auseinanderfegung in Goethes Werten, Hempelſche Ausgabe,
Band XX, &. 205.
197
Aus den Sweigvereinen.
Bonn. Wuher den ſchon in der vorigen Nummer genannten
drei Studentenverbindungen haben noch der alademiſche Turmverein
»Martomannia«, der »BWingolfe und die »norddeutihe Verbin-
dung · ihren Beitritt erklärt. Anträge an den Oberbürgermeijter
der Stadt Bonn, fowie an den Vorſteher der Bürgermeiſterei
Boppelsdorf, in denen unter Beifügung des Wülfing ſchen Auf-
faßes (Spalte 114 ff. diefer Zeitfhrift) und ausführlicher Verzeich-
niffe der beitehenden Straßennamen um Berüdjichtigung bes
ftimmter Grunbjäße bei der Anfertigung neuer Stra enſchilder
erſucht wurde, ſind von dieſen Behörden günſtig aufgenommen
worden. Möge das Beiſpiel anderswo bald nachgeahmt werden!
Danzig. In der —* am 16. Auguſt eritattete der Vor—
itand Bericht über feine Thätigfeit ſeit der legten Verfammlung.
Der Verſuch, etwa 40 biefige Vereine zu körperſchaftlichen Mit:
fiedern zu gewinnen, muß leider als gejheitert angeſehen werden,
5 bisher nur ein Verein im ablehnenden Sinne, die anderen
gar nicht geantwortet haben. Zum Schluß nahm man Stellung
zu den Anträgen auf der Hauptverfammlung.
Duisburg. Auf dem Sommerjeit am 4. Augufi brachte
—*8 Mehlkopf ein Hoch auf den a. d. Spradjverein und
feine Beſtrebungen aus. Stadtbaurat Duedenfeldt nr in
launigen Worten der Damen, während Oberlehrer Dr. Weichardt
dem Beutfchen Baterlande fein Glas weihte.
Marienwerder. In der Vorjtandsfigung am 9. Auguſt
wurde über die Vertretung des Berein® auf der Hauptverfamms
tung und über feine Stellungnabme zu den Anträgen auf der
jelben eingehend beraten. Es wurden jodann zwei Ergänzungs-
wahlen in den Vorſtand vollzogen. Seit der Maiverfammlung
if die Mitgliederzahl wieder um 20 gewachſen, jo dab fie zur
Be 79 beträgt, Insbeſondere haben jich außer Mitgliedern der
iefigen Beamtens und ®ejchäftstreife aud) eine ganze Reihe
Herren vom Sande dem Verein angeſchloſſen. Die Vereinszeit—
ſchrift wird jept außer in den beiden im leßten Bericht (Mr. 6)
erwähnten Wirtſchaften auch im Offizier-Kaſino der biefigen Ar—
tillerie- Wbteilung, auf dem Bahnhof und im Givilsfajino auss
gelegt.
Bücherſchau.
Die Zeitſchrift für deutſche Sprache«, herausgegeben
von Profeſſor Dr. Daniel Sanders, die gegenwärtig ſchon im
8. Jahrgange ſteht, ift eine Bundesgenojjin der unjeren; denn
auch fie fucht »zur Förderung des reinen und richtigen Gebrauchs
unferer Sprache zu wirken. Stleinere und gröhere Aufſähe be—
handeln allerlei Fragen der Grammatit, des Sprachgebrauchs,
auch Wortdeutung, Rechtſchreibung, Wortihag und Mundarten.
Stüde aus unferen Klaffiteen (4. B. im Maiheft aus dem Briei-
wechiel zwiihen Schiller und Boethe) werden ſprachlich durd)-
genommen, bejonders aber an Erzeugnifien unferer jüngften Gegen—
wart jprachliches Urteil geübt, fehlerhafter Gebrauch nachgewieſen,
erläutert und gebefiert, Eigenartige® aufgezeigt, Ungemöhnliches
erflärt, worau& nicht bloß Hans Spielberg und Sophie Jungs
hannd, Georg Eberd und Bertha v. Suttner und wer ſonſt ber-
Iten muß, jondern auch andere Leute recht viel lernen könnten.
8 iſt freilidy nicht immer unterhaltend, dieje Belehrungen des
unermüdfichen Meifter zu lejen, feine feinen Interjcheidungen
und logijhen Begründungen mit den zahlreichen Verweilen auf
jeine belannten Nachſchlage- und Lehrbücher, die ap aa 4
feiten«, das »Wörterbude, »Ergänzungswörterbuche, » Fremd:
wörterbuch« ufıw. Aber das Bejtchen der Zeitſchrift und der auch
darin niedergelegte lebhafte Brieiverlehr zwiſchen Herausgeber und
Lejern fit ein erfreuliher Beweis des wachſenden Berjtändnifjes
weiter reife für die jprachliche Bewegung der Gegenwart. Ind
für Nufmerkfamfeit und Ausdauer bei diefen Belchrungen wird
dann der ftrebjame Lejer reich belohnt durd literarische Beigaben
beſonders Hermann Schraders, der 3.8. im Wprile und Juni—
hefte Stüde aus dem zweiten Teile des Fauſt geiftvoll, gemüt-
voll und jchön erläutert.
Nacıträglic kommt mir auch das Septemberbeit noch zu mit
dem ber »MNeuen freien Prefie« entlehnten »Aufſatze von Karl
Blind« (S. 233f.), zu dem man doch nicht ganz jchweigen dari.
Er betrifft das Dentmal, das man Heinrib Heine jeßen will
und nicht will. Den » Chorführer und Tambourmajor des Napos !
Zeitfhrift des allgemeinen bentihen Spradvereins. 1894, Mr. 9.
198
— — — —— — — — — — — — — — — — — — —
leontultus · hat ihn Adolf Stahr an einer zufällig in demſelben
Hefte (S.204) abgedrudten Stelle (Goethes Beurteilung Napoleons)
enannt. Sanders hatte über die Dentmaläfrage feine Meinung
don im Brieffaften des erjten Hefte® S. 35 deutlich genug aus—
eiprochen; jie bleibe ihm unbenommen. Hier nun, in dem » Nuf-
* wird der Widerſtand gegen das Denkmal aus der Höhe
ameritaniich freier, fortgejchrittener Weltanſchauung betrachtet und
als engherziged Vorurteil und zopfige Beichräntiheit des zurüd-
gebliebenen diesſeitigen Volles der Denker abgethan. Neidlos
wollen wir unjeren edleren Brüdern »jenjeits des großen Teiches«
ihre überlegene Einficht laſſen. Mber der Herausgeber der Zeit-
ichrift für die deutſche Sprache mußte bejler als die unbedent:
licheren Leute da drüben über bie entjcheidenden Beweggründe
feiner Gegner im Streite unterrichtet fein, wenn er ſich auch nicht
dazu veritehen wollte, fie zu billigen.
Berlin. D. Streicher.
— Bieje, Aug., Dr.: Deutſche Bürgerkunde. Leipzig, Voigt:
länder. 1894. 127 © Pr. 1,25 .4 gebunden.
Der Verfaffer geht von dem ſehr richtigen Gedanken aus, daß
der Verjuch gemadyt werden müfle, »den verlorenen Olauben« an
die Autoritäten, auf deren Anerfennung unſer Staatsweien bisher
beruhte, durch die Einficht zu erſetzen, daf; »unfere bolitiichen und
wirtjchaftlihen Zuftände überall tief in der Natur der Dinge und
in der Gefchichte begründet« und alſo relativ gut und geſund
find. Und gern folgt man der fachlichen, knappen und Elaren
Darſtellung, welche der Verfaſſer zunächſt von dem Wefen und
Leben des Staates giebt. Würmer und eingehender Fegandelt
er dann das Deutiche Reich und den preuhlichen Staat und er-
öffnet endlich durd) einen Ülberblid über die Elemente der Volls
wirtſchaftslehre das Verſtändnis für die wirtſchaftlichen Grund-
lagen des Staatslebens.
In diejer Zeitichrift darf deshalb auf dieſe Arbeit hingewiejen
werden, weil der Verſaſſer ſich wenigſtens teilweife bemüht, die
deutiche Bürgerkunde aud in deutſchen Ausdrücken zu geben.
Sicherlich wird es das Verftändnis außerordentlich erleichtern,
wenn jo häufig gebrauchte Worte wie Uſurpator, Arijtofratie,
Parlament, Genjus, Diäten und andere erjt eingeführt werden,
nachdem ihr Inhalt ertlärt und die entjpredyenden deutſchen Worte
daflir angegeben find.
Hoffentlich bietet bald eine zweite Auflage dem Verfaſſer Ge—
legenheit, die Verftändlichkeit und den Wert feines Buches durd
eine umfichtige und grumdfäglidye Ausdehnung diejes Berfahrens
zu erhöhen.
Dr. F. Graef.
Flensburg.
Eingejandte neue Drudidriften.
Hullmann, K., Prof., Die Wiſſenſchaft und ihre Sprade.
Eine zeitgemäße Abhandlung. Yeipzig 1894. Ferdinand Hirt
u. Sohn. 40 ©. — 60 & 8%.
F ©. Eine Spradpaute Kein Dogma der ortografisent-
wiflungsfreibeit. Bonn 1894. P. Hanitein. 41 ©. 60 A, 8%.
Müllers Fraureutd, Karl. Die Ritter: und NRäuber-
romane. Halle a.d. S. 189%. Mar Niemeyer. 112 ©. 8".
del, Wilhelm. Schloß Burg an der Wupper Dictun-
gen, Elberfeld 1894. Baedeler (M. Martini u. Grüttefien)
16 ©. 8°.
Jahres: Beriht des Hannoverſchen Gebirgsvereins
(Hauptverein). 16 S. 5°. (Hält ſich völlig frei von Fremd—
wörtern und ift dabei im flüffiger, ungezwungener Sprache
geichrieben.)
Kainz, C., Praktiſche Grammatik der mittelhochdeut—
ſchen Sprade. Wien, Hartlebens Verlag. 174 ©. HM. 8%.
Mitteilungen des nordböhmifchen Excurſions-Clubs.
17. Jahrgang. Het 2 und 3. Leipa, 1894. Selbjtverlag.
Das zwanzigite Jahrhundert, 4. Jahrgang. Heft 9, 10
und 11. Berlin, 1894. Hans Yüftenöder.
Katpoliihe Zeitſchrift für Erziehung und Unterricht.
43. Jahrgang. 6., 7. u. 8. Heft nebit Beilagen. Düſſeldorf,
1894. &. Schwann.
Sanders, Daniel, Beitjchrift für deutſche Sprade
Jahrgang VlIu. VIIL Paderborn, 1893 u. 94. Schöningh.
19°
Langhans, Paul, Deutſcher Kolonial- Atlas. 7. Liefe
rt. 3: Verbreitung des Deutichtums in Europa. r. Fre
Südweftafritanifches Schupgebiet, Blatt 1. Gotha 1894.
Auftus Perthes.
Seitungsican.
Neue Auffäpe in Zeitungen und Zeitſchriften.
Summe, ke DOrtönamen — Mbein.: Weitfäl. Zeitung
Maydorn, *. Dr., Sinn und Geſtaltung der deutſchen
Berfonennamen. — Neue Weſtpr. Mittheilungen 30.5. 94
(Bortrag im Aweigvereine Marienwerder).
Engels, Deutjhe Sprade, deutſches a ielina und
die Schule. — Tägliche Rundihau 27.5. 9
Streit, ®., Unfere Pflichten gegen die le
Vortrag, gehalten in der Berliner Beamten Bereinigung am
9. Januar 1894. — Monatsihrift für deutſche Beamte,
Heft 9. 9.
Ne, U, Spradreinheit und Spradridtigleit. — frei
Deutſchland 20,5. 94.
Horwiß, Mar, Von den Spradireinigern. — Königeb.
Allgem. Big. 22.4. 9. (Ein recht ſchwacher Angrifi auf
die Se Ei unferes Vereins!)
Die deutfhen Redensarten. — Grenzboten 19.4. 94.
Neumann, ®., Prof., Der Widerjprud der Rechtſchrei—
bung in Schule und Leben. Rortrag, gehalten im
Breslauer Zweigverein. — Schlefiiche Zeitung 2. 6. 9.
Würdigung der deutihen Sprade in Nord: Amerifa. —
D.⸗ Aufıra liſche Poſt 28.4. 94.
a Kurt, Die AH ber deutſchen
Sprade. — "Kieler Zeitung 1.5
Hollnagel, Die HERNE ber — mit beſon—
derer Berüdjihtigung des Plattdeutſchen. — Neue
Stettiner Zeitung 19., 20. u. 21.4. 9.
Hartmann, Felix, Zur Spradhbemwegung.
Wochenblatt 19.4. 94.
Seip, €, Dr., Meine Belehrung. — Branffurter Zeitung
22, 8. 94. (Berfaifer erzählt in fehr unterhaltender Weife,
wie er zu den Bejtrebungen des Sprachvereins befehrt worden.)
von Schöntban, Baul, Am Boudoir. Eine Delice für
Sprachpuriften. — Verſchiedene Zeitungen.
Sprachechke des deutſchen Sprachvereins. Ein Unfug im
geſchäſtlichen Briefverlehre. — Deutſche Volkszeitung 16. 8. 94.
Schönhage, Aug., Bergiſche und andere Spradfünden.
— Beila e zum arm Anzeiger für Berg und Mark.
20. 23. 27. und 28.5
I N. Adieu. — Berliner —— 14. 8. 94.
Unfer Wortſchaß und das Spiel. — Alluftriertes Wiener
Ertrablatt 12. 8. 94.
Franzöjiihe Nusdrüde im Dftfriejiichen.
Rundſchau 18. 8. 94.
Rke., 9, Vollstum, Spradjreinheit und Sprachrichtigkeit. —
Frei Deutichland 1. 7. 94.
N., Die lateiniihe Sprache und die Universitäten. —
Hannov. Kurier 7.8. 14.
Briefe ı und Drutjahen für die Bereindleitung
find an den Borfigenden,
Oberftleutnant a. D. Dr. Mar ans: in Berlin @. 10,
Margaretenitra
— Deutiches
— Tüglide
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 9.
200
Deutſche Fremdwörter. — Weitfälifches Tageblatt 31. 7. 94.
Neue Sprachdummheiten. — Grenzboten 19. 7. 94.
Philippſon, R., Dr., Das deutihe Voll im Spiegel der
Germania des Tacitus. — Beiblatt zur Magdeburgiichen
. Zeitung. 23. und 30. 7. 94.
R. A. Über beut[e Bornamen. — Berliner Nenefte Nach—
richten 28. u. 29.6
Die Schriftleitung keit d den Leſern der Zeitichrift
die oben aufgeführten Auffäge gerne leihweiſe zur
Verfügung.
Wenn das am grünen Bolze geſchieht!
Der allgemeine deutſche Sprachverein hat allen Nerglern zum
Troß — mo fünnte der ans Kleinliche und Fremdländiſche ges
wöhnte Deutſche das Nergeln laſſen? — das Verdienſt, wefent-
fich mit dazu beigetragen zu haben, daf die Beſſeren des deutichen
Volles auf den Wert und die Würde ihres Vollstums ſich be-
fonnen haben und nunmehr beftrebt find, demgemäh zu handeln,
im bejonderen ber Mutterſprache ihr Recht zu laſſen und ſie nicht
durch unnötigen Gebrauch von Fremdwörtern zu jchänden, mie es
zur Zeit Mmechtijcher Abhängigleit geſchah. Die Bejtrebungen
unfere® Sprachvereins finden aber noch; immer nicht die gebüh—
rende Beachtung bei einzelnen Behörden, denen die Pilege
des Deutſchtums vor allem obliegen jollte. Wenn nun die Minder-
ſchäßung der deutichen Sprache ſeitens einzelner, die kein öffent-
tiche8 Amt befleiden, mit Necht gerügt wird, fo wäre es eine
große Unbilligfeit, wollte man die ſprachlichen Sünden einer Be-
hörde, weil fie Behörde ift, ruhig geichehen laſſen. Auf foldhe
binzuweijen, iſt fein Mangel an Ehrerbietung, jondern einfach
Pflicht. Die preußiſche Unterricht&bebörde giebt noch immer
troß der Vorjtellung des Spradjvereins ein » Wörterverzeihnis für
die deutſche Rechtichreibung« heraus, das cher den Namen eines
Verzeichnifjes von Fremdwörtern verdiente, weil e8 ein Drittel
mehr Fremdwörter als deutiche Wörter enthält. Aber das
nicht allein. In den von derjelben Behörde herausgegebenen
»Lehrplänen und LVehraufgaben für die höheren Schulen« wird
als allgemeines Lehrziel des deutſchen Unterrichtes u. a. ⸗Fertig⸗
teit im richtigen Gebrauche der Mutterſprache« aufgeftellt, in
den angejchlofjenen Erläuterungen aber die gute Mutterſprache
geradezu verunglimpft. Da ift nicht blof die Mede von » Gram-
matit, Flexion, Diktat, praltiich, proſaiſch, poetiſch, Leltüre, Terte,
fondern auch von »Terminologie, methodiih, typiſch, induk—
tiv, Boetit, Rhetorik, modern, objeftiver Norm, Stanon, Ideen,
Organismus, ethiſch, patriotiih u. a.: auf 6 Seiten find mehr
als 60 Fremdwörter, abgefehen von ſolchen wie Klaſſe, gebraucht
— zur Belehrung über den deutſchen Unterriht! Dies bervors
zubeben halten wohl alle unjere Freunde für die Sache und Pflicht
des Sprachvereins und feiner HZeitichrift.
Eupen. W. Wartenberg.
Beislerdungen und Beitrittöerflärungen
Schapmeliter,
iaheduchbandier — —2368 Ernft in Berlin W.al,
Wilhelmftrafe d
an bei
r
Briefe und Drudfaden für bie Bear find an den Herausgeber, Oberlehrer Frledrich Wappenbans 2 Berlin N. W. 23, Altonaer Straße 34,
Briefe und Sufendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profefior Dr. Paul Pletſch, Berlin W. 30, Mopitrake 12,
zu richten,
Die ‚Pabrsänge 1886 -—- 1898 der Peitfchrift werden gegen Einjendun no. von |
6m. am ben ——e toſtenftei übermittelt; 1586,87 allein =
1588 ale 188 allein nu
Aufrufe gen und einzelne Nummern der
—ãA und Förderung des —— ſ
unenigeitli zur Verfügung.
eitichrift, zum werte
n bei dem Borfienden
Die BVerdeutihungsbüder: 1. Die Spetletarte * verb. Aufl. OD Pf.),
1. Der Handel (2. fehr verm Aufl, GO Bt.), Das häusliche Bir
peetlinentine Leben (m ®Pf.1, IV, Dis rt Ramenbüds
ein (60 BF.) umd V. Die Amteiprade (60 Pf.) find den Herten Herd.
rk & Sohn in Leipzig in Berlag gegeben worden und ausidlich-
Lich von diefen durch den Buchhandel zu erhalten.
Für bie Reltung ve verantwortlich Frtedtich Wappenhans, Berlin. — Verlag des allgemeinen deutichen Epragpereind.
Trud der Buchdruderel bes Wallenbaufes in Halle a.d, ©.
IX. Jahrgang Ar. 10/11. Oktober 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes —— von Friedrich Wappenhans.
Diefe Zeitſchrift ericheint jäßetich zwötfıal, zu Ynfang jedes Monats, — \ : Die Beltfirift kann ri dur) - Buchhandel —— die Poſt
und wird den Mitglledern des allgemeinen deutſchen Sprachvereins unentgeltlich | zu SM. jährlich bezogen werben. — Anzelgenannahme durch den Schahmelſter
gellefert (Sapung 34). ) Eberhard Genf, Berlin ®. a, , Wilhelmiee. "m. — Auflage 14260,
uhalt: Spradjreinpeit und & Sprachreinigung geſchichtlich betrachtet. Vortrag, gehalten auf der Hauptverfammlung zu Koblenz am
19. Auguſt 1894 von Friedrih Kluge. — Einiges über gewiſſe Spradjfünden. Bon Friedrih van Hoffe. — Bücherſchau. —
Beitungsihau. — Aus den Bweigvereinen. — Geſchäftlicher Teil.
DE Dicie Nummer gilt für die Monnte Oftober und November. TEE
Spracreinheit und Sprabreinigung | itolzen Bau, der unfer aller Kräfte einigen, zu einträchtiger Arbeit
geihichtlih betramtet. zujammen halten jollte?
Keine Sprache gleicht jenen gewaltigen Domen und Münftern,
Vortrag, gehalten auf der Hauptverfammfung zu Stoblenz mit denen Menfchenhand und Menfchenkunft unſere rheiniſchen
am 19. Auguft 1894
Städte vor vielen andern ausgezeichnet hat. Die Sprache ijt ein
von Friedrich Kluge. Kunftwert der Natur, in der menfchlichen Geſellſchaft ruhen ihre
Unfere Zeit wird immer von neuem durch jprachliche Fragen | Wurzeln und Lebensbedingungen, die Wejeke ihres Wachstums.
erregt. Sprachmeifter treten auf, die mit unbarmberziger Müd- | So ijt audı die Sprache Homers, die Spracde der Edda und des
ſichtsloſigleit uns die Hefte mit Notjtrichen und Ausrufungszeichen | Nibelungenliedes gewachen nad) den Jahrtauſende hindurch wir
zieren und troß allem Kopficdütteln, das wir im einzelnen für | fenden Gefegen einer wejentlich aufiteigenden Entiwidlung.
dies Gebahren haben, unfer Gewiſſen im ganzen aufrütteln und Diefe Entwicklung iſt ftändig bedingt durch den phyſiſchen und
weden. Dann hören wir von berufener Seite, daß unſere ſprach⸗ den geiftigen Auftand der Völker. Und die Grundbedingungen
lichen Sünden, von denen ängſtliche Schulweispeit in jedem Jahr⸗ | der Kultur find auch die der Sprache, jede Sprachſtuſe fpiegelt
hundert zu jammern gewuht hat, eigentlic, das Leben der Sprache, | eine Kulturſtufe wieder. Das ganze Bolf arbeitet an feiner Kultur
das Abjterben der Vergangenheit und die Borboten neuer Geſetze und zugleid an feiner Spracde, und jeder Fortichritt der Geſell—
bedeuten. Dort hören wir von der Berechtigung und Notwendig: ſchaft bedeutet einen yortichritt der Sprache, die Geſchichte eines
feit der Fremdworte in unferer heutigen Bildungswelt, hier wird | Wolfes ijt zugleich die Geſchichte feiner Sprache und umgefehrt.
für Reinheit der Mutteriprache gerungen. Lehrbücher und Wör- Um unſer Volk zu verjtchen, müſſen wir feine Geſchichte er:
terbücher, die uns alljährlich überrafchen, weiſen den aufrichtigen | aründen, und wer feine Sprache verjiehen will, lernt fie aus ihrer
Liebhaber der edlen deutſchen Hauptſprache wie im 17. Jahrhun- Geſchichte begreifen. Aber was die Geſchichte lehrt, wird im Streit
dert jo auch heute immer wieder darauf hin, dab wir eigentlich der Parteien immer gedreht und gewendet. Der jtärkt fein mo
unfer Deutfch nur an der Hand von Vüchern, nicht an der Natur | nardyiihes und ein anderer fein republifaniiches oder demofra-
üben jollen. Dann hören wir, dab es kein Wörterbuch und feine | tiiches Gefühl im Studium der bolitiichen Geſchichte; diefer giebt
Grammatik der lebenden Sprache giebt, die den wifjenfchaftlichen | der neueren Geſchichte ein weſentlich proteftantiiches Gepräge, ein
Anforderungen von heute entiprechen,, und jchliehlich jtellen fich dem | anderer kann eine Geſchichte unferer Kultur mit fatholifchen Grund:
jlaunenden Bolt als unfere heutigen Klaſſiker jene oberen 40 Schrift: | farben fchreiben. Die inneren Wahrheiten der Geſchichte unter-
jteller vor,,die fich für berufen erachten feierlich gegen die fpradı- | liegen allerdings der parteimäßigen Auffaifung, aber vielleicht dod)
lichen Beitrebungen Unberufener einzufchreiten. Uns stellt die edle | nicht in dem Maße, daß ruhige Erwägung darauf verzichten müßte
Spradye der Meijterwerfe aus der Wlütezeit unferer Litteratur | zu ficherem Urteil vorzudringen.
das wahre deal künſtleriſcher Spradhandhabung vor Augen. Wenn ic es mm unternehme, aus unſerer Sprachgeſchichte
Dort vernehmen wir ungeſtüme Dränger, die den Haffischen Wert | die Fremdwörterfrage zu beleuchten, jo darf ich zumächit verfichern,
unjerer Klaſſiler mit Rückſicht auf die Spradjreinheit verfennen | daß es wenig Parteimeinungen auf dem Gebiet der deutſchen
und bemängeln. Sprachgeichichte giebt. So erfreulich die Thatjache Mingt, fo wenig
In diefem Irrgarten von Anſchauungen und Aufjafjungen, | wird Sie die Begründung derjelben erireuen. Das Gebiet wird
von Lehrbücern und Standpunkten — wo iſt da die Nichtichnur | fo qut wie gar nicht bearbeitet, fall die ganze fachwiſſenſchaftliche
und der Maßſtab, den Bau unſerer Sprache, feine Grundfeite, | Arbeit über unjere Mutterfprache bewegt fich auf dem Gebiet der
feine Säulen und Streben, jeine Quadern und Gewölbe zu bes altdeutſchen Lautlebre, und niemals war man weiter von einer
rechnen und zu ermeſſen? Kann man fie überhaupt ermefien, wo | breitere Biele verfolgenden Geſchichte der deutſchen Sprache ent-
ſich ſtets vor unfern Augen Umbau und Neubau vollzieht? Und | fernt als heute. Rückerts Gefchichte der deutſchen Schriftipradhe
wer find die Baumeijter, wer die Arbeiter an diejem großen und | hat vor WO Jahren einen erjten bedeutfanen Verjuc gewagt, aber
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er fiel in eine Zeit, die in beichränfteren Aufgaben ihr Genüge
fand, Es giebt auch immer noch feine Gejchichte des Fremdworis
im Deutfchen, und die Wiſſenſchaft hat im einzelnen wenig darauf
Bezügliches geleiftet. So bin ich zumeiſt auf eigene Erfahrungen
angemwielen, wenn ich einen viel behandelten Gegenjtand vor:
nehme, der von allen Seiten ſchon oft genug beleuchtet und völlig
erſchöpft ericheint.
Jedes Zeitalter hat feine Fremdwörter. Wo Bölfer neben
einander leben, bejteht ein Austauſch im Wortſchatz. Es giebt
feine Sprache, die frei von fremden Einflüjfen wäre. Ssland —
das ultima Thule — hat feine Fremdworte jo gut wie Helgo-
land und die frieſiſchen Inſeln. Auch jedes deutſche Dort hat
Fremdworte, im Weiten franzöfiihe — im Dften jlavifche. Ohne
fremde Einflüffe können wir unfere Sprache gar nicht auf der
Höhe denfen, die jie in unferer Hafjiichen Dichtung hat. Denn
im Wettbewerb mit dem Geiſtesleben des Auslands und der Ver—
gangenheit find wir groß geworden, und mit der Verarbeitung
des Latein, das Jahrhunderte bindurd in Kunſt und Wiſſen—
ſchaft, in Staatsleben und Neligion eine ſtrenge Schulung durch—
gemacht hatte, bat für unſere Pitteratur wie für unjere Sprache
zu verjchiedenen Zeiten immer ein neuer Aufſchwung jtattgefunden:
wofür das Latein durch eine fange Entwicklung ſich fein Sprad)-
gut erworben, das muhte mit einem Male — in den Kloſter—
ſchulen, von den Geiftlichen — verdeuticht werden, und die ein-
heimische Sprache, obzwar mit reichem Erbe aus der Urzeit aus—
gejtattet, verdankt die Biegjamkeit ihres Sapbaus und die Bieljeitig-
feit ihres Wortfchages zum großen Teil diefen fremden Einflüfien.
Wer wollte dies alles leugnen? und wer möchte jo fegens-
reihe Wirkungen ungefchehen wünſchen und eine an fid) unmög-
lie Spracdyentwidlung ohne fremde Zuthat lieber jehen? Wie
der Menſch auf jeinen Mitmenschen, jo ijt ein Volt auf das andere
angewieſen, und glüdlicd das Volk, deſſen Land an bedeutjame
Nulturvölfer grenzt — dreimal glüdlich, wenn es offene Thore
hat jür den Verlehr mit Nachbarvöltern, die durch glüdliche Kul—
turbedingungen früher groß geworden find!
Die Segnungen von Deutjchlands Lage im Herzen Europas
liegen auf der Hand, und unfere Sprache bezeugt, daf wir ihrer
wert waren; denn wir haben Fremdes in hohen Maße verarbeitet
und verwertet. Aber wenn wir eine Geſchichte unſerer Fremd—
worte älterer und neuerer Zeit bejähen, fie würde uns nid)t jo
jehr trübe Bilder von unferer Sprache Berrottung und Verſumpfung
entrollen, von denen ſich heute mancher aufrichtige Freund unferer
deutschen ⸗Hauptſprache · mit Abichen fortwendet; jie würde aller:
dings modiſche Verirrungen darjtellen, begreifen und veritehen
lehren, aber jie würde die Fähigkeiten, die Urkraft und die Bild:
famteit unſerer Sprache im glänzendſten Lichte ericheinen lafien.
Jedes Fremdwort hat jo gut feine Geichichte wie das Erbwort.
Die äußeren umd die inneren Bedingungen feiner Aufnahme, fein
Ringen mit dem einheimischen Sprachgut, in das es ſich einordnen
mu, der Widerjtand, auf den cs jtöht und vor dem es oft zu
rũclweicht, das alles tritt fajt immer deutlich zu Tage — und
schließlich endet die Gejchichte der meiiten Fremdworte mit einem
Sieg des Einheimischen über das Fremde,
leicht ein Eindringling, den modiſche Yiebhabereien empfehlen, eine
Weile gem gejeben, dann auch noch eine Weile geduldet, aber
ſchließlich wird er wieder verdrängt, und man bat ihm abgelemt,
was von ihm zu lernen war. j
Ein forgfültiger Beobachter wird an den franzöfifchen Fremd—
worten des 17. Jahrhunderts diefe günſtigere Auffaſſung bejtätigt
feben. Aber noch liegt die Behandlung folder Fragen im argen.
So lange es deutſche Wörterbüdjer giebt, die den Neichtum un
Anfangs wird viel-
Zeitſchrift ded allgemeinen deutſchen Spradvereind, 189. Nr. 10/11. 204
ferer Sprache aufipeihern wollen und aufipeichern — jo lange iſt
das Fremdwort aus ihnen verbannt geblieben. MWaaler und
Stieler und Friſch und Adelung — alle unjere bedeutenderen
Wörterbücher gehen am Fremdwort vorbei, und das große Wörter:
buch der Gebrüder Grimm teilt diejen Widerwillen. »Es ift
den Fremdwörtern — jagt Jakob Grimm — ungelungen eigentlich
ſich anzubauen; ihr Aufenthalt jcheint in vielen Fällen gleichjam ein
borübergebender, und man wird, jobald einmal das natürliche Wort
feinen gebübrenden Raum gewonnen hat, fie gar nicht vermilien.«
Es iſt unbegreiflih, wie Jafob Grimm nadı diefer Ausführung
fortfahren konnte: »Solche fremde Ausdrüde fommen uns zwar
täglich in den Mund, geben aber die deutjche Nede nichts an.«
Und bedauerlich ift e& im böchiten Grade, wenn dem entiprechend
der Plan des großen Grimmſchen Wörterbuch, das immer ein
Stolz unjeres Volkes fein wird, das Fremdwort gradezu aus:
ſchließt. Jakob Grimm wäre der rechte Mann gewejen, mit feiner
feinfinnigen Beobadytungsgabe Fremdes und Einheimijches gegen
einander abzumägen und abzugrenzen. Jetzt aber zeigt das grofe
Wert Mafiende Lüden, oft dabei geicichtliche Ungerechtigkeit, und
es hat jich am der Behandlung der einheimischen Worte leider oft
genug gerächt, daß das Fremdwort darin fehlt.
Denn die Geſchichte jedes einzelnen Fremdwortes ift zugleich
ein Teil der Geſchichte eines einheimischen Worte, Wer das
Leben der einheimischen Worte verfolgt, wird immer umd immer
wieder auf die Fremdworte hingeführt. Zahlloje Fremdworte
werden durch einheimische abgelöjt, das einheimische iſt meiſt das
ipätere, das Fremdwort das frühere. Korreſpondenz ilt der
Vorläufer von Briefwechiel, auf point de vue iſt Geſichts—
puntt gefolgt, Ehrenpunft ijt jünger als point d’honneur,
für Offenfiv- und Defenjivbündnis tt Schuß- und Truß-
biindnis eingetreten; was im Anfang des Jahrhunderts triple-
alliance war, beißt jept Dreibund,
Dit verdanten wir einem einzelnen Fremdwort mehrfache deutjche
Wortgebilde. Wer z.B. die Geſchichte von lat. saeculam auf
deutjchem Boden jchreiben würde, das im 16. und 17. Jahr-
hundert gänzlid eingebürgert bei uns war, verftände zugleich die Ge—
ichichte unferer Worte Nabrbundert, Nabrtaufend und Nabr-
zehnt. Wir können beobachten, wie die Schriftiteller des 17. Jahr:
hunderts taftend nad) einer Berdeutichung des Fremdworts jtreben;
aber die. deutichen Umfcreibungen jener Zeit waren nicht jo hurz
und fchlagiertig, dak man gern auf das bequeme lateinische Wort
verzichtet hätte. Da arbeitet fi) um 1700 das Wort Jahr-
hundert allmählich durch, aber saeculum bleibt emitweilen
noch beliebt, um 1750 wird Jahrhundert vor saeculum
bevorzugt und nun folgt auf Jahrhundert bald das nadı-
gebildete Jahrtauſend und um 1800 auch Jahrzehnt für
decennium. So verdanken wir dem fremden saeculum, injo-
fern es eine Zeit lang falt Bürgerrecht batte, jene drei jo be-
quemen und glüdlichen Wortgebilde, und Sie werden mit mir
einig jein, daß die Gefchichte des Abſterbens von sacculum
auf deutſchem Boden die Gejchichte des Auflommens und Durch—
dringens jener heimiſchen Wortgebilde iſt.
Unsere Beiipiele zeigen — glaube id) — deutlich die Neigung,
Fremdländiſches und Fremdartiges durch Einbeimifches zu erjegen.
Und wie manches Fremdwort, das lange unausrottbar jchien, iſt
ſchließlich verſchwunden. Die Zeit jchafft oft unerwartet fchnellen
Wandel.
Alle Gebildeten und Ungebildeten Deutſchlands bedienten ſich
im 18. Jahrhundert und noch durch das 1. Wiertel des 19. der
franzöſiſchen Bezeichnung demoiselle beziehungsweiſe mamsell
für unfer heutiges Fräulein. Die demoiselle Ofer — wir ver
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Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. 1894. Nr. 10/11,
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wundern uns fiber diefe Bezeichnung in Goethes » Dichtung und
Wahrheit«, und noch überrajcender iſt es, daß die eingefleifch-
tejten Sprachreiniger vor dem Worte Halt machten und mr
zagbaft nach einer deutjchen Bezeichnung tajteten. Und der zuerjt
den Borfchlag Fräulein zu fagen wagte, der Purijt Rüdiger
fand auch bei feinen Parteigängern feine Zuftimmung; Campe
verſtieg fi) zu der ängjtlichen Erwäqung: »Der bürgerlichen
mamsell würde es ebenſo jehr zu Kopfe fteigen, wenn fie mit
der ehrbaren Tochter des Handwerkers einerlei Namen führen
follte ala dem adligen Fräulein jich mit der bürgerlihen mam-
sell unter einerlei Benennung begriffen zu hören.« Campes
Befürchtung war vielleicht begründet, aber den Forderungen der
neuen Zeit bat jene Heinlihe Sprachinmbolit der Standesunter—
fchiede weichen müflen, und der Sprachreiniger hat Recht behalten.*)
Ein anderes Beijpiel, wie die Zeit vielſach Wandel jchafit,
bietet die Seichichte des Wortes fatal auf deutichem Boden. Der
Hamburger Dichter Brodes hat im Jahre 1732 einen Aufſatz
veröffentlicht: »Ob umd welcher Geitalt das Wort fatal zu ver-
deutfchen möglich feie und darin jchliehlich die Meinung geäußert,
dafı das bequeme Fremdwort vielleicht doch befjer beizubehalten jei;
er fannte eine Überjepungsweife noch nicht, die erſt am Schluß des
18. Jahrhunderts aufgelommen ijt. Als G. Forfter 1791 das
indiiche Schaufpiel Gakuntala mit feinem englifchen Titel »the
fatal ring« verdeutſchte, klagte er: »wir haben jchledjterdings fein
Wort, das dem Worte fatal in feiner Vieldeutigkeit entiprädee,
und fo jagte er »der enticheidende Ninge, wir würden jet jagen
»der verhängnisvolle Ringe und damit ein Wort gebrauden, das
etwas über 100 Jahre alt iſt.
Was die Sprachgeſchichte uns lehrt, it die gewiſſe Zuverficht,
daß die Ausjichten der Fremdworte nicht jo ängjtlich find wie es im
Streit der Meinungen wohl dargeitellt wird. Wir dürfen getrojt
die Hoffnung jchöpfen, daß die Lobredner der fyremdiworte von |
der Zukunft eines Befjern belehrt und verjtummen werden. Fremd—
worte haben nur unter feit bejlimmten Geſetzen ein langes Leben.
Nie find fie Furzlebiger, als wenn fie trog undeutſchem Gepräge
der Mode eines Beitalters ihren Einzug verdanfen. Die Maſſe
jener Fremdlinge, die fich im Deutsch des 17. Jahrhunderts jo
wohl gefallen, haben die Blütezeit unferer Litteratur nicht erlebt.
Und im Zeitalter Goethes und Campes treffen wir Fremdworte,
die fich nicht einmal 50 Jahre lang bei uns zu halten vermocht
haben. Die Spradye jtöht das Fremdartige immer wieder ab,
und die Freunde der Sprachreinigung haben an der Sprache jelbjt
den mächtigiten Bundesgenofien. Durch glüdliche Bedingungen
vor jener Zeritörung behütet, die dem Engliſchen ſaſt bis zur
Verleugnung feiner angeborenen Sprachart widerfahren, hat ſich
unfere Mutterfprache niemals ihrer jelbitändigen Erbeigentümlid)-
feiten entäußert. Unſer Sprachgefühl iſt zu allen Zeiten jo ſehr
deutich geweſen, daf die zeitweife Mode es nicht hat zerjtören
fünnen; die angeltammten Grundfarben und Töne haben ſich nie
fo grell und abjlohend geändert, wie es mit dem Engliſchen der
Fall geweſen.
*) Es iſt noch fein Jahrhundert ber, daß Campe bei Gelegen—
heit der lateiniſchen Titel eine ernſthafte Enwägung anſtellen fonnte
wie diefe: »Sagen wir » Frau Baccalaureufjene, jo erjterben uns
die letzten Worte zwijchen den Lippen; entichließen wir uns aber
nach der Gewohnheit einiger Gegenden » Frau Baccalaurea« oder,
wie eö an an andern Orten üblich ift, » Frau PBaccalaureie zu
jagen, jo will und das Wort auch nicht über’ die Zunge. — Und
wir heute können uns kaum noch denken, daß diefe Baccalaureus-
frage ernſthaft war: jo unmöglich ſcheint uns jept der Gebrauch
eines jo plumpen Wortes.
Unſer angeborenes Spracdhgefühl äußert jein Widerftreben gegen
Fremdes und Fremdartiges jo unzweideutig, dag man immer
darin — und mit Recht — einen wejentlichen Grund gegen das
Fremdwort geiehen hat. Ich denfe an die volfsetymologifche Um—
geſtaltung und verdeutlichende Umbildung von Fremdworten. In
einigen Fällen, die man gern bier angeführt, glaube ich aber die
eriten Regungen des Einheimijchen zu fühlen und die Entitehung
des Einheimifchen zu beobachten. Wir jagen: »das agens feines
Lebens war fein Ehrgeize, wir hören dann: »das treibende agens
war jein Ehrgeize, und jchliehlid heit es allgemein: »das Trei-
bende war fein Ehrgeiz.«e Auf examen folgt eigentlich natur:
gemäh Eramensprüfung, und jeit 1700 kommt dann Prüfung
allein auf, und es gewinnt noch heute vor unſern Mugen Breite
und Umfang Wenn wir vom treibenden Agens, von Era:
menspriüfungen hören oder lefen, jo dürfen wir wohl zuver—
fichtlich hoffen, daß die Todesjtunde des Fremdwortes nicht fern
it. Man beurtheilt foldye Fälle zu einfeitig, wenn man darin
Halbbildung, unfreiwillige Komik und Geſchmackloſigkeit erkennt.
Die reitende Kavallerie, die Eramensprüfung, der Gue—
rillakrieg und alle jene Beilpiele, mit denen man jo gern das
Fremde als überflüſſig und häßlich brandmarkt — man miß fie
auch ernit nehmen als die echte und wahre Regung, das Fremde
allmählich ganz abzuitreifen.
Beweiſt die deutſche Sprachgeſchichte, daß die überwiegende
Maſſe der modiſchen Fremdworte einheimiſchen Wortgebilden von
ſelbſt weichen muß, ſo bleibt noch zu ermitteln, was denn von
fremden Sprachgut lebensiäbiq auf deutſchem Boden iſt. Die
Antwort darauf liegt in unſerer bisherigen Betrachtung. Was
unſerm Sprachgefühl widerſtrebt, verfällt dem puriſtiſchen Zug der
Sprache. Was mit unſerm Sprachgeſühl ſich verträgt, lann ſich
halten und dauernd einbürgern. Wer glaubt, daß jedes fran—
zöſiſche, jedes lateinische Wort entlehnbar und daß die Aufnahme
bon Fremdworten an feine Regeln gebunden ijt, der bat fich nicht
ernſtlich in den Entwidlungsgang unferer Sprache vertieft.
Ich rede vom Deutichen. Das Engliihe, das unter andern
Lebensbedingungen erwachſen ift, mu mit anderm Maßſtab ge
meſſen werden. Unſere Sprache, die ihren Erbiharalter nie preis
gegeben hat und immer deutich geblieben ift, geitattet die Auf—
nahme und Einbürgerung von Fremdworten nur, jofern fie keinen
frembdartigen Zug, feine fremdartige Farbe in Yaut und Bildung
verraten. Je näher das Wort einer fremden Sprache zu unferer
Sprachart ſtimmt, um jo leichter, ficherer und feſter Ichlägt es
bei uns Wurzel, und feine Gewalt vermag ein joldies Gewächs
aus unjerm Boden ausjurotten.
Te näher fih die Sprachſtufen zweier Bölfer itchen, um jo
feichter beeinflufien fie fich aegenfeitig, Die römische Kaiſerzeit
bat uns eine Fülle von lateinischen Worten geſchenkt, die dauernd
geblieben find. Aber jedes dieſer Worte hat in der übernom-
menen Form gleid bei der Entlehnung ein qut deutſches Aus
ſehen gehabt. Lateintiche Worte, die wir entlehnt haben, wie
eorbig »der Korb⸗, vinum »der Wein«, mülus »das Maul-
tiere, mensa »der Tiſch- haben um Chriſti Geburt herum auf
deutichem Boden Aufnahme finden fünnen, weil unfere Worte
damals genau die gleichen Endimgen haben konnten, Im Gegen
fat hierzu beachten Sie, daß mehrfilbige Zuſammenſetzungen des
Lateins wie compater, conscientia jeit alter Zeit durch die
Wortüberjepungen Bevatter, Gewiſſen bei uns erfcht find; wir
haben in Deutschland nie einen Verſuch gentacht, ſolche lateiniſche
Worte jelbjt zu übernehmen. Alſo nur die nahe Berührung der
Spradhitufen und Sprachformen bat dem Einfluh des Yateins in
altdeuticher Zeit Vorſchub geleistet, ähnlich wie die Gleichartigleit
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der Sprachen e8 bedingt hat, wenn das Latein jo reichlich vom
Griechiſchen übernehmen konnte Wir diirfen für und aud an
das Englijche erinnern. Es jcheint mir ungerecht, wenn man
englifhe Fremdwörter im Deutichen milder als etwa franzöfiiche
beurteilt, weil die Engländer uns nahe verwandt find. Im mo-
dernen Kulturleben, wo die Politik jo oft über unfere Neigungen
und Abneigungen enticheidet, wird man die Kulturzufammenhänge
dod) wohl höher anſchlagen als eine uralte Berwandtichaft. Ach
würde deshalb wohl dem Einfluß des Franzöfiichen eher als einem
jolchen des Englischen von vornherein Berechtigung zuerlennen.
Aber wenn man die Gleichförmigleit der "Spradhitufe zwiichen
deutſch und engliſch erwägt, wird es begreiflicd), dab jo manche
bequeme Fremdworte aus dem Engliſchen Bürgerredit bei ums
erhalten: park, sport, klub, frack, rum und manches
andre englische Wort könnte ebenjogut für ein echt deutiches Wort
ausgegeben werden. Ich erinnere noch daran, daß wir feit dem
vorigen Jahrhundert dem Altdeutichen einiges entichnen konnten;
altdeutiche Worte wie minne, recke, brünne oder ger und
gau, fehde und das Eigenſchaftswort hehr haben bei uns jo
leicht Aufnahme gefunden, weil ihe Bau und Ausſehen gut neu—
deutſch ift.
Hiernach ift es im allgemeinen verjtändlih, warum der fran-
zöftiche Einfluß jo augenfällig und jo grell zu Tage tritt und
warum wir uns feiner erwehren, warum unfer Spradhgefühl ſich
dagegen ſträubt. Der franzöfifche Einfluß würde die Farben und
Töne, würde den äjthetifchen Charakter unferer Sprache ändern,
wie das Englifche in der That durchaus zur Miſchſprache ge:
worden iſt. Das Engliſche bat feinen Grundton mehr, das
Deutſche bewahrt ihn feit alter Zeit.
Zwar auch bei der Übernahme von Fremdworten aus Sprachen,
deren Bildungsitufe unjerm Sprachcharalter nahe jteht, bedarf die
Übernahme nicht jelten Heiner Lautwandlungen, um im unfer
Sprachgut eingefügt werden zu lönnen: lat. flagellum — der
Flegel — erhielt als flägellum, cuminum — der Kümmel —
als eüminum, cellärium — der Seller — als cöllarium
Eintritt ind Deutiche, ein wenig Anpafjung an den deutſchen
Sprachbau giebt jolchen Fremdworten das Bürgerrecht. Aber wie
viel des franzöſiſchen Lehnmateriald gewinnt fo leicht deutiches
Aussehen! Es kann fein undentihes Ausſehen jelten abitreifen
und wird feine Heimatiarbe immer verraten, Was immer unjer
Spradigefühl mit Worten wie Büreau, Regiment, Galerie
vornehmen mag, fie befommen fein Heimatsrecht. Aber frans
zöhifche Worte wie Koffer, Kaffe, Reit, Mode, Miene,
Möbel werden fich troß ihres franzöſiſchen Urſprungs durch keine
noc jo Fräftige Bemühungen aus unferer Spradhe entfernen laſſen,
weil jie leicht und von felbit in unfern Sprachbau hinein paſſen.
Es verlohnt ſich wohl, dieſen Gefichtspunft jo jchroff zu be-
tonen, weil aud) veritändige und ſprachkundige Gegner der Fremd—
wörter in ihrem Streben nad) Sprachreinheit oft gegen jenes
Geſetz verſtoßen. Wenn unfere Fremdwörterbücher, die der Sprad)-
reinigung dienen, zuweilen Worte wie Pöbel, Titel, Sorte,
NRajje, Mode, Mine, Gruppe, Grotte in Adıt und Bann
thun, jo glaube ich, da; Bemühungen der Art feinen Erfolg
veriprechen.*) Unſere Spradye beruhigt ſich bei ſolchen Fremd-
tworten; jie erleidet feinen Schaden durd jo harmloſe Gebilde,
*) Man wende gegen folche Fremdworte wicht ein, daß fie
zufaommenbangslos im unſerer Spradye daftchen. Denn wie groß
iſt die Zahl der gut deutjchen Erbworte, die feine Deutung aus
einbeimifchem Sprachgut finden fünnen! Worte wie Roß und
Hund, Haus und Hof, Mann und Weib ſiehen aanz ohne
Stüpen in unſerm Wortvorrat.
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. 1894, Mr. 10/11.
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Und wo die Ausficht auf Erfolg jo gering tft, wird einer quten
Sache mehr gedient, wenn man die in Frage kommenden That-
fachen ohne Boreingenommenbeit anfiebt.
Diefe beiden Thatjachen aber jcheinen mir durch unjere Sprach
geichichte zur Gewißheit erhoben zu werden: Fremdworte, die dem
deutſchen Sprachcharakter widerjtreben, find kurzlebig und verfallen
der Wortüberfegung — Fremdiworte, die ſich in den deutſchen
Sprahbau einfügen, find unausrottbar.
Diefe Geſetze find die Bewegungslinien der Fremdwort. Man
wird leicht den Einmwinf machen, daß das erite Geſetz feine bin-
dende Kraft hat. Man wird jagen, daß Worte wie Religion,
Natur, Litteratur, Mufil, wie human und Humanität,
wie ideal und Kultur, die num fait 3 Jahrhundert in deuticher
Rede leben, doc; eines Beſſeren belehren follten. Ich lafie mich
durch jolhe Ausnahmen micht beirren. Denn haben wir es bier
wirklich mit alten langlebigen Fremdworten zu thun? Werden
diefe Fremdworte nicht vielmehr immer von neuem wieder entlehnt
aus ihren Grumdiprachen? Würde unfer geiftiger Juſammenhang
mit dem Witertum nicht für jedes Peitalter, für jedes Geſchlecht
immer wieder erneuert, jo wären ſolche Fremdivorte — losgelöit
von ihren Grundworten — in unferer Sprache dem allgemeinen
Gefchi der Verdeutſchung nicht entgangen. So bürfen wir fie
troß ihres jcheinbaren Alters für Fremdworte der neueiten Zeit
halten; und ihr Lautlörper zeigt, daß die Zeit keine Spuren von
Zerſtörung ihnen aufgedrüdt bat. °
Wenn mun die deutſche Sprachgeſchichte in der Kurzlebigkeit
der Fremdworte die Mbneigung unferes Sprachbewußtſeins gegen
Fremdworte und unjeren angeborenen Sinn jür Spradyreinheit
bezeugt, jo liegt Ihnen wohl allen die Frage auf den Lippen,
was neben dem flillen ungeftörten Sprachleben der Eingriff ſprach—
reinigender Mächte für eine Berechtigung bat, mit welchen Aus:
fichten einzelne oder Spradhgejellichaften in die Entwicklung ein-
greifen fünnen.
Die Stellung unjerer großen Schriftiteller ift befannt. Man
hat des öfteren hervorgehoben, daß der Briefwechjel zwiſchen
Schiller und Goethe in höherem Maße Fremdworte aufweiit als
ihre Meifterwerke, Unſere Dichtung ſträubt fich durchaus gegen
das Fremdwort. Luther bedient fih in den Flugſchriften, die
den Forderungen der Tagesfragen entfprungen find, mancher
damals üblichen Fremdworte, aber wie rein it jeine Bibelüber-
jeßung! Und wie fräftig und urwüchſig it Leſſings Profa in
ihrer Reinheit! Und am Schluß des unglüdlichen Jahrhunderts,
das über Deutjchland die umerquidliche Flut von franzöfifchen
orten ergoß, trat Leibnitz fir Sprachreinheit auf mit jenen
»unvorgreiflichen Gedanken⸗, die — in Wort und Wendung deutjch
— durd die großartigen Pläne wie durch den Ernſt und die
Wärme der Empfindung noch heute den Leer ergreifen.
Wenn fo unfere edeliten Schriftiteller, wo fie reine und volle
Wirlung eritreben, auf Spracreinheit Bedacht nehmen, jo offen-
baren fie damit das feinjte äjthetifche Verjtändnis für unfere
Sprache. Die Einheitlichleit des Sprahbildes, der Einklang der
iprachlichen Farben und Tüne iſt es, was vor allem den Dichter
leitet; er will feine Wirkungen nicht beeinträchtigen durch fremd:
artige Wortgebilde. Und jollte die Reinheit des Sprachbildes, wie
es unſern Dichtern vorichwebt, für die ungebundene Rede nicht
von mahgebender Bedeutung fein? In der Flut der Schriften,
weldye der Gründung des allgemeinen deutichen Spradivereing
auf dem Fuße folgten, wurden manche munderliche Anſichten
aegen die Spradireinigung laut, keine von gröherem Unverſtand,
als daß vorgegeben wurde, man habe Fremdiworte für die Proſa
anzuwenden, um die gleicdywertigen einheimischen Entſprechungen
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für die Spradhe der Dichtung zu jhonen und zurldzubehalten.
Statt den Dichtern, die ein ausgeprägtes Sprachgefühl haben,
den Pichtern, die jedermann uns als Sprachſchöpfer und Sprad-
bildner preiit, die Sorge um ihre ſprachlichen Mittel allein zu
überlaffen, will der Projaiit, jagen wir offen — will die Tages:
preſſe und die Zageslitteratur folchen höheren Rüdfichten ihre
Wortwahl unterordbnen? Solche Rückſichten bat niemand den
Scriftjtellern unferer Tageslitteratur zugemutet. Aber fie jollen
aus einem Fehler feine Tugend machen und follen nicht vorgeben,
jie vermieden Deutjches, um es für die Dichtung aufzuheben.
Eie dürfen zu ihrer Entſchuldigung wohl jagen, daß die Tages:
fitteratur leider niemald höhere Rüdjichten gekannt bat als eben
was der Tag erheiſchte. Wo höhere und weitere Wirkungen
beabfichtigt werden, da entjaltet ſich die Sprachreinheit in der
Spradje der Litteratur wie im Spracjleben jelbjt. Kein Schrift:
iteller, der die ihm zu Gebote ftehenden Kunſtmittel verfteht,
dem der Ernſt feines Berufes durd die große Vergangenheit
unferer Sprache und Dichtung Mar geworden, kann jich der For—
derung der Spradreinheit entziehen. Darüber follte eigentlich
feine Meinungsverſchiedenheit bejtehen dürfen.
Aber etwas anderes ijt Spradjreinheit, etwas anderes Sprad;-
reinigung. Das naive Sprachgefühl, der unmittelbare Drang
für Reinheit äußert ſich anders als die bewußte Abjichtlichkeit der
Sprachreinigung. Dem Dichter Liefert die Sprache jelbit die
neuen Formeln, er findet fie, und der Spracreiniger ſucht fie.
Das Net, die Sprache bereihern zu wollen, hat der eine wie
der andere. Aber wie Hoch it die Ausſicht auf Erfolg anzus
ſchlagen?
Preußens größter König fand unſere Sprache wenig wohl—
lautend, und er ſchlug in feinem berühmten Büchlein de la Littö-
rature allemande vor, den Wohlllang einzelner Worte durd) An-
fügung eines a zu erhöhen. Es war Friedrich dem Großen
allerdirags nicht vecht ernſt mit diefem Borichlag, denn er dadıte
nicht daran, feinen Worten irgend einen Nachdrud zu geben.
Aber Erfolg hätte er auch dann nicht gehabt. Es wäre ein jchr
fühner Eingriff in den Sprachbau gemwejen. Das Beiipiel lehrt
uns, daß feine Neuerung Ausſicht auf Erfolg bat, die unferm
Spradbau widerjtrebt. Ye näher eine Neubildung mit andern
vorhandenen Spracgebilden zujammenftimmt, um jo leichter
dringt fie durd). Und deswegen hätten wohl naive Wortſchöpf—
ungen unferer Klaſſiter glüdlichere Ausfihten auf Erfolg als bie
Beitrebungen der Spracdjreinigung; denn im Suchen und Schaffen:
wollen irrt das Spracgefühl leicht; wad dem Dichter jpielend
gelingt, bringt dem Spradjreiniger mur eine feltene Glücksſtunde.
Aber ſolche immerhin jeltene Glücksſtunden verzeichnet die Ge—
ſchichte der Spracreinigung doch oft. Und id) alaube fait, daß
man heutzutage mehr jprachreinigende Wortichöpfungen von Erfolg
auf Spradjreiniger als auf unſere Klaffiter zurüdführen kann.
Prof. Dunger hat in der ſchönen Einleitung zu feinem WWörter-
buch der Verdeutjchungen das befte darüber gejagt und das
meifte zufammengetragen, und ich weih nichts von Belang hin—
zuzufügen. Mus den Thatfachen, die er dort beipricht, will
ich nur Campes Thätigkeit erwähnen. Ihm danken wir Fein
geſühl für Takt, Beweggrund fir Motiv, Zerrbild
für Karikatur, Flugſchrift für Pamphlet, Brüder:
lichleit für Fraternität und vieles andre. Gin Zukunfts—
wörterbuch, das einmal der Fremdiwörterfrage in ihrer Viel—
geflaltigfeit gerecht wirde, fönnte wohl den Anteil bewußter
Sprachreinigung an unjerm Wortſchatz ins hellſte Licht ſetzen. Es
läßt fich nicht leugnen, dah manches edle Wort durd die Sprad)-
teinigung gejchaffen worden ijt. Als die Berliner Akademie der
Zeitfhrift ded allgemeinen deutfhen Spradvereind. 1894. Nr, 10/11.
210
Wiſſenſchaften — eingedent der Thatfachen und Abſichten, die bei
ihrer Gründung mitgewirkt hatten — 1794 eine Preisfrage über
Spracdjreinigfeit ausgejchrieben hatte, erhielten Campe und Kin—
derling (über die Neinigkeit der deutſchen Sprache 1795) Preife,
und Campes Name wird ebenjo mit Ehren genannt werden wie
die gelehrte Gefellichaft, die jein Wert mit dem erften Preife frünte.
Ich würde Bekanntes wiederholen müflen, wenn ic) länger
bet den erfolgreichen Befirebungen der bewuht arbeitenden Sprad)-
reinigung verweilen wollte. Es iſt das eine Mar, daß puriftiiche
Wortüberjepungen um jo auäfichtsvoller find, je natürlicher das
Sprachgefühl defjen iſt, der jie geichaffen. Und wir dürfen getrojt
Campe ein jehr fein entwideltes Sprachgefühl zufchreiben. Man
wende aber nicht ein, daß die Thätigleit der Spradreiniger viel
Wortgebilde erzeugt, die gar nicht lebensfähig find, Dem ijt jo.
Aber Schaffen nicht auch unfere beiten Schriftiteller unendlich viel
Neues, das wirkungslos und ohne Nachfolge in der Litteratur
und im Leben bleibt? Überall wird Neues geſchaffen, aber nicht
jedes Geſchöpf fit lebensfähig. Und mandes Weſen, dem die
beiten Ürzte furzes Leben vorausfagen, erreicht ein hohes Alter,
Die neue Worte der Spracreiniger erfolglos bleiben fünnen,
jo verhallt auch zuweilen die Einſprache der beiten Schriftiteller
und ber beilen Sprachlenner.
Wilhelm Grimm ereiferte ih im Jahre 1846 gegen das neu=
gebildete unausiprechbare Modewort Jeptzeit, es hat fich troß-
dent fejlgejegt, und feit 12 Nahren bildet man darnad) die Früh—
zeit. Auch gegen felbitredend für ſelbſtverſtändlich hat
Wilhelm Grimm fich ohne Erfolg erflärt: »jelbjtredend ſchwieg er«
— das erjchien ihm albern und abgeichmadt. Die Folgezeit hat
der Einiprache Wilhelm Grimms fein Gehör geichenkt. Troß jo
iprachkundiger und feinfühliger Beurteilung iſt durchgedrungen,
wovor fo ernſt gewarnt worden ijt. So kann es nicht befremden,
daß auch manche Neuerungen der Sprachreiniger verhallen und
ohne die im einzelnen wohl wünſchenswerte Nachfolge bleiben. Aber
über diejer Thatſache dürfen die großen Erfolge nicht vergefjen
werden, daß in der Neuzeit die Thätigkeit der großen Sprachge—
ſellſchaften durch die Lojung der Spradhreinheit Freunde und
Feinde einer guten Sache aufgerüttelt und geiwedt hat. Campe
durjte Schiller und Goethe, die ihm ſcharf angriffen, oft genug
ald mächtige Zeugen für feine Beitrebungen anrufen. Und jeit
durch unsern Spradjverein die alte Loſung der Spradjreinheit er:
neuert ijt, hat der eriten einer von unfern beiten Schriftitellern —
Buflan Freytag — in einzelnen feiner Werfe manchem guten
deutichen Wort den Plaß gegeben, den vorher ein Fremdwort
eingenommen batte,
Wenn wir eine wefentliche Aufgabe großer Sprachgeiellichaften
darin jehen, daß fie das Gefühl für Sprachreinheit allgemein
weden und wach halten follen, jo kann nicht geleugnet werden,
daß unfer Jahrhundert wie die ganze Neuzeit an modiſchen Ver:
irrungen und Thorheiten gerade in Sachen der Fremdworte krankt.
Was vor 50 Jahren Wilhelm Grimm einmal jagte, gilt noch
heute: »Alle Thore jperrt man auf, um die ausländifchen Ge—
ſchöpfe herdenweiſe einzutreiben. Die Berhältniſſe jollen nicht
zart, fie mäfjen delikat jein; wir werden nicht Davon bewegt,
fondern affiziert; das Leben verfumpft nicht, es jtagniert.
Ungleichartig verjteht niemand, aber gewiß heterogen; das
Jahrzehnt nimmt an Gewicht zu, wenn es Dezennium beißt.
Das alles ijt auf wenigen Blättern eines Buches zu finden und
immer bot die Mutteriprache das natürlichite, eindringlichite Wort.«
Iſt es troftlos, wenn diefe Worte Wilhelm Grimms heute noch
Geltung beanfpruden? it alles Antämpfen gegen ſolche Nuslände-
rei vergebens? Und welches wird die Zukunft unferer Sprache fein?
211
Deine Damen und Herren! Die Fährlichkeiten, die der
30 jährige Krieg über unfere Sprache gebracht, hat unfer Volt
und feine Litteratur langjam, aber glüdlich überjtanden; Schillers
und Goethes Meiſterwerke zeigen keine Spuren der widerlichen
Krankheit, die in der Zeit des 30 jährigen Krieges begonnen hat.
Sind ſolche Wunden vernarbt, dann bracht das Geſchlecht des
19. Jahrhunderts nicht zu verzagen, das in dem großen Erbe
unjerer Klaſſiler auch ein ſprachliches Bildungsmittel von gewal-
tigem Wert beſihzt. Aus der ewigen Jugendfrifche ihrer Werte
muß und wird unjere Sprache ihre Gejundheit immer von neuem
ichöpfen, und die Duelle, in der unjere Klaſſiler ſprachlich ihre
Kraft und Nahrung gefunden, verfiegt auch in Zukunft nicht;
das ift die Sprache felbit und der gejunde Sinn des Volles.
Aber diejen lebendigen Jungbrunnen rein und lauter zu halten,
ihn vor Trübung durd) Unachtfame und Nadjläffige, vor Beraif-
tung durch Unverſtändige und Böstwillige zu behüten — dazu foll
jeder in feinem Kreije wirfen, der weiß, daß mit der Spradhe
auch unfere Litteratur und unjer Voll geſundet.
Wilhelm Grimm, der in den Sinder- und Hausmärden mit
Hilfe der Spradjreinheit die fchöniten und dauerndſten Wirkungen
erzielt, konnte fich nicht ftart genug ausdrücken Über den Fremd—
wörterunfug und über die ſtumpfe Gleichgültigleit auch der Beten
zu einer Beit, als die Sprache allein unjer Bolt noch zufammen
bielt (Kleine Schriften I, 518. 509).
Wir aber heute, die reihen Erben einer großen Vergangen—
beit, wollen uns dankbar dafür erweiſen, daß unfere Spradhe,
die den Deutjchen in den Zeiten tieffter Zerflüftungen das Ideal
der Einheit allein vor Mugen gejtellt bat, an der Gründung
unſeres beutjchen Reiches einen fo wejentlicdyen Anteil hat. Pflege
der Mutterfprache tft eine Pilicht der Dankbarkeit, und Pflege der
Sprachreinheit ift diejenige Nufgabe, mit der wir ums des foft-
baren Erbes unferer Litteratur würdig erweiſen follen.
Einiges Über gewiſſe Spraclüinden.
Zu dem vielen Nichtigen, was Wuſtmann in feinem Buche
»Allerhand Sprahdummheiten« vorträgt, gehören auch die Be-
merfungen über die Vergleichungsſähe der Nichtwirflichkeit mit
»ald ob, als wenn« (S. 182F.) und über die Umschreibung mit
»wirde« (S. 184f.). In jene Vergleichungẽeſähe gehört nicht die
ungewiſſe Redeweiſe der Gegenwart und ber 1. Vollendung (der
eoniunctivus praesentis und perfecti), viel weniger noch die ges
wiſſe Redeweiſe (der indicativus) irgend welcher Zeit, jondern
die ungewiſſe Redeweife der Vergangenheit und der 2. Vollendung
(ber coniunctivus imperfeeti und plusquamperfecti), aber nicht
in der Umfchreibung mit »würde«, denn dieſe ift überhaupt in
Nebenfägen der Nichtwirklichkeit unſtatthaſt. Wat Dr. +, *
in feinem Buche »Allerhand Sprachverſtand« hiergegen jagt
(S. 69.), bat nidyts auf ſich. Er bildet den Satz »E8 war, als |
hatte der Teufel feine Hand im Spiele« und verteidigt die Form
der gewiſſen Redeweiſe »hHatte« jolgendermafen: »Der lebhafte
Erzähler, nicht angelränfelt von des Gedantens Bläfie, glaubt
im Augenblick feit und fteif: ja, der Teufel muß feine Hände
im Spiel gehabt haben.« Möglih, daß er das im Nugenbtid
des Sehens geglaubt hat, aber auf den fommt es nicht an, und
Dr. &. hat ihn auch nicht gemeint; fonft hätte ef geſagt: der
Teufel muß feine Hände im Spiel haben. Im Nugenblid des
Erzählens aber glaubt der Betreffende nicht mehr an ein wirk—
liches Eingreifen des Teufels; ſonſt würde er überhaupt die Wen-
dung mit »al$ (ob)« nicht gebrauchen. Ebenſo nichtig iſt das,
was Dr. &. für das umſchreibende würde- in Mebenjäßen der
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. 189. Nr. 10/11,
212
Nichtwirklichkeit jagt. Er verlangt »Bon großer Bedeutung wäre
es, wenn fich der Leſerkreis des Blattes vermehren würdee,
nicht »vermehrtee, weil dieje Form der ungemwifjen Redeweiſe als
ſolche nicht zu erkennen ſei. An und für fich tft fie das freilich
nicht, in der Verbindung mit »wäre« aber fehr wohl.
Fehler beider gedachten Arten werden in der Brofa, bejonders
in ber Zeitungsſprache, häufig gemadit. In der Dichtung aber
findet man jie, Gott jei Dank! felten. Hermann Allmers’
Verſe (in dem fonjt jo jtimmungevollen, von Brahms herrlich
tomponierten Liede » eldeinfamteit«) »Die jhönen, weißen ®ol-
ten ziehn dahin — durchs tiefe Blau wie ſchöne, ftille Träume; —
mir it, als ob ich längft geitorben bin — und ziehe felig mit
durch ew'ge Räume« find fchon von Wuſtmann mit Recht getadelt
worden. Statt »bin« follte es heien »wär'« und jtatt »ziehe«
»zöge« — aber die Wolfen ziehen dahin (nicht daher), und auf
»dahin« reimt fich »bin« (nicht »mwär’«)! In den von Karl
Hejiel aus dem Munde der Dichter ausgewählten Rheinliedern
(foeben erſchienen, Koblenz, W. Groos) fingt Georg Hantel
von der Germania auf dem Niederwald: » Welch hehres Bild
ftrahlt uns entgegen, — des Rheines Glanz im Angefiht! —
ald ob fich feine Züge regen (regten!), — als ob's frohlodend
zu und fpricht (ſprücheh.“ Much bier ift offenbar der Reim an
der unrichtigen Redeweiſe ſchuld. Aber Heine war durch feiner-
lei Verszwang genötigt, in den Nordfeebildern (2. Cyllus, T) zu
fagen: »Mir ift, als ſaß ich winterlange, — ein Kranter, in
dunkler Krankenſtube.« Das richtige »als hätt’ ich winterlange,
ein Kranfer, geſeſſen in dunkler Stube« thäte diefelben Dienste.
Eine fehlerhafte Umfchreibung mit »mwürbde« fand ich neulich in
dem erſten Verſe einer Petöfi-Machdichtung von Karl Bleib:
treu, die Mlerander Fiſcher aud) aus andern Gründen nicht
für meifterhaft bätte erklären jollen (Retöfis Leben und Werte,
Leipzig, W. Friedrich, 1889, ©. 467): » Wenn die Gottheit zu mir
ſprechen würde« (jpräche! aber es muß auf »Bürde« reimen!).
Bleibtreu könnte ſich auf eine Stelle bei Goethe berufen (Faufi,
U. Zeil, Bers 6795 f.): »Würde mid) fein Ohr vernehmen, —
müßt! es doch im Herzen drühmen.e Aber ich würde ihm ants
worten: Quandoque bonus dormitat Homerus. .
Die angeführten fünf Stellen find die einzigen, bie mir bei
‚Dichtern aufgeftohen find. Jagd hab’ id) freilich auf derlei nie
gemacht. Aber ich glaube: auch wenn einer dazu Luſt hätte,
würde es ihm fchwer fallen, die Zahl ſolcher Stellen anſehnlich
zu vermehren.
Trier. Friedrich van Hofis.
Bücherſchau.
Eingeſandte neue Drudſchriften.
Nabert, H., Die Bedrängnis des Deutſchtums in Diters
reihslingarn. Gtuttgart, 1894, Robert Lutz. 46 ©. 8%.
Eiten, 5:8, Vom Mikbraud der Sremdwörter im
Handel. Leipzig, 1894, 9. Haeſſel. 525. 8".
Eigen, F. W. Fremdmwörter der Handelsfprade. Leipzig,
1894, 9. Haefiel. 173 ©. 8°. 3.4
Leitbäujer, $., oe Beer
arten. 1. Leipzig, 1891, G. Fod. 326 —
Deögl. I. 189. 35€. 4°. 1.
Bordhardt, Wilhelm, Die ſprichwörtlichen Redensarten
im deutichen Vollsmunde nad Sinn und Urſprung
erläutert. In gänzlicher Neubearbeitung herausgegeben von
Sultan Wuftmann. Seipsig, 1894, F. 9. Brodhaus.
534 ©. 8°. geh. 6.4, geb. T.AM
Mitteilungen des Deutſchen Spradvereins Berlin,
herausgegeben vom Borjtande. 1894. Nr. 1-6. Ron
213
größeren Auffäpen find hervorzuheben: in Mr. 1: Mit-
teilungen aus Friedrid Hebbels Gedanken über
die Sprade. Bortrag von Dr. R. Böhme — In Nr. 2;
Verfannte Fremdwörter. Vortrag ded Geh. Reg.-Rats
Profeffor Dr. Reuleaug Einiges zur Überfepungs:
jrage von Reg. Landmefier Hildebrandt. — In Nr. 3;
Wie lernen wir fprehen? Bortrag des Geh, Medizinals:
rats Prof. Dr. Waldeyer. — In Wr. 4: Joachim Heinrid
Gampes Berdienfte um die deutjhe Sprade. Bor:
trag von Dr. R. Böhme. — In Nr. 5: Das Rot in
jpradlichen Bildern und Sleichniffen. Vortrag des
Prediger a. D. Dr. Hermann Schrader Die Spradie
am Sternenhimmel. Vortrag des Geh. Neg.- Rats Prof.
Dr. Reuleaug — In R. 6: Leutnant und Sergeant.
Seitungsihan.
Neue Aufſähe und Beiprehungen in Zeitungen
und Beitichriften.
»Gut Deutſch- und die Inverſion (Umjtellung) nad
sund«e — Lübeder Anzeiger 5.10. 94.
Blumfchein, Guft., Dr. Über die Kölner Mundart. —
Rheinische Geichichtsblätter 1. Jahrgang Nr. 5. 1.9. 94.
Seelmann, Theo, Wie jprechen wir? — Berliner Zeitung
23.9. M.
S., Ed., Die fprihwörtlihen Nedensdarten im deutſchen
Vollsmunde nah Sinn und Urfprung erläutert von Wil:
heim Borchardt. — Frankfurter Zeitung 23.0. 94.
Steig, Reinh. Der alte Berliner Spradverein. — Nas
tional= Zeitung 30.9. 94.
Die Spradverbältnijfe im Königreich Belgien. — Magde-
burgifche Zeitung. 1.10. 94.
Stepan, F, Die Anfänge der Spra
zeitung (Meichenberg) 21. u. 22.9. 94
Ddelga, P., Die Pflege der deutſchen Umgangsiprade
in zweifpradhigen Bolfsjhulen. — Blätter für die
Sculpraris 10.9. 94.
Andrä, Richard, Beobadtungen am Fremdwort. — Sans
ders” Beitichrift für deutfche Sprache Heft 7, 1804, ©. 251— 54.
Reithäufer, J. Barmer Strajenweisheit. — Barmer
Zeitung 22.9. 9.
Iohannfon, M., Die Fremdwörterfrage im Neuhod-
deutjchen. — Indogermanifche Forihungen Bd. I. 1892.
Bagner, Dr., Die Grenzen der Überſeßungskunſt. —
Dresdner Journal 26.9. DM.
La langue allemande et les mots ötrangers. — Le
Temps 49.4. 000.
Die Schriftleitung jtellt den Leſern der Zeitichrift
die oben aufgeführten Aufſähe gerne leihweife zur
Verfügung.
e. — Deutiche Volls⸗
Aus den Sweigvereinen.
— En Die zahlreich bejuchte Oftober:
Berfammlung wurde von dem Borfigenden, Beh. Oberregierungs-
rat Bormann, mit geſchäftlichen Mitteilungen eröffnet. gie
hielt Oberlehrer Dr. Saalfeld (Blankenburg) einen Vortrag
über Naturnachahmung im deutichen Dichterwalde, (Bgl. Wagde:
burg.) Muf Anregung des Oberlchrer®s Wappenhans wurde
bie Bildung eines Ausſchuſſes vollzogen, der fic mit dem Fremd—
wörterunmejen auf Schildern, Breisliiten, Saßungen ufw. zu be—
ichäftigen haben wird. Der Verein zählt jet 82 Mitglieder.
Dresden. In der eriten Winterfigung widmete der Vor—
figende Graf Bitzthum nad kurzen Worten der Begrühung dem
veritorbenen Scagmeijter des Vereins, Bankherrn Ludwig
Voltmar Philippion, warme Worte der Erinnerung. Er
verlad fodann das Schreiben eines Wereindangehörigen, worin
diefer lage führt Über die vielen Fremdwörter ın den Veröfjent-
lichungen der &eneraldireltion des königlichen Hoftheaters und
der königlichen mufitafiihen Kapelle. Die Anregung wurde als
anerfennendwert bezeichnet, wird jedoch nur in beicheidenen Gbren-
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. 1894. Mr. 10/11.
214
einen Erfolg haben, da nur einzelne Wörter der Bühnen:
Fe bequem zu verdeutjchen find (Mepertoire, en m
Gage u. a.), während jehr viele als vorläufig unüberjeßbar
beibehalten werden müjjen (Abonnement, Loge, Parquet ujw.).
Eine Anregung aus Plauen i. ®., einen ſächſiſchen Qandesverein
zu begründen, fand feinen vollen Anklang im Dresdner Vereine.
Hierauf hielt Oberlehrer Dr. Wagner einen Vortrag über bie
Grenzen der Überfepungstunit (vgl. Sp. 213) und zum Schluß
berichtete Geheimrat Häpe über die Koblenzer Hauptverfammlung.
Kaſſel. Zn der Hauptverfammlung am 9. Oftober erflattete
der Vorjigende, Geheimrat Fritſch, den Jahresbericht, demzu—
folge die Mitgliederzahl auf 368 gejtiegen ift. Dr. Lohmeyer
berichtete Über die Koblenzer Berfammlung. Sodann erfolgte die
Neuwahl des Vorjtandes. Den BVorfit wird mwieder Geheimrat
Fritſch führen. Das Amt des Schapmeifters übernimmt Ver—
mefjungsrevifor Koch und das des Scriftführers Oberlehrer
Zergiebel. Zum Schluß bielt Direftor Dr. Krummacher
einen Vortrag über den Grafen Friedrih von Shad und
feierte denjelben als einen hervorragenden beutichen Dichter. —
Um auf die deutjche Geſtaltung der Speifelarte binzumirten, hat
ber Borjtand auf einem Bogen gegen 300 im Gajthofäwejen ge-
bräuchliche Fremdwörter mit Berdeutihungen zujammengejtellt.
Dieje Verzeichnifie find mit Anjchreiben an die Gaſtwirte und
Vertreter ähnlicher Berufsarten verteilt worden. Demnädjt hat
der Borjtand fein Augenmerk auf die Aufichriften an Geſchäfts—
häufern gerichtet. Die Borftandsmitglieder haben es itbernommen,
in einer ber nädjiten Sigungen über je 5 Gejchäftsichilder uſw.
zu berichten, welche ſprachlichen Anſioß erregen. Auf Grund
diefer Berichte wird dann der Vorjtand die Mahregeln beichlichen,
durch welche auf eine Verdeutfhung hingewirtt werden fann.
Einige Mitglieder des Vorſtandes werden fid) mit Malern und
Lackierern in Berbindung jepen, damit dieſe bei Neuanfertigungen
ihre Nuftraggeber nad Kräften für nur deutſche Vezeihnungen
zu gewinnen juchen.
Kiel. In der aud) von Damen beſuchten Verſammlung am
9. Dftober widmete der Vorfigende, Gymnaſialdirektor Dr. Ren,
dem langjährigen ehemaligen Borfipenden des Vereins, PBrofefjor
Dr. Karl Janjen, einen ehrenvollen Nachruf, in dem er vor
allem die Treue des Verſtorbenen in allen Lebenslagen, namentlich
aber als Vorſihenden des Spradjwereins feit der Gründung bis
in den Februar des Jahres 1893 hervorhob. Wisdann hielt
Dr. Ked einen kurzen Bortrag über die mit über und unter
zufammengefegten Zeitwörter, welche die merfwürdige Eigenichajt
hätten, dab fie, bei bildlichem Gebrauch, den Ton veränderten und
vom Berhältnisivort auf das Zeitwort rüden liehen; z. B. übergehen
und übergehen, überführen und überführen, überiegen und über:
jegen. Im zweiten Falle jei das Beitwort in der Abwandlung
untrennbar und verliere im Mittelwort die Vorſaßſilbe ge=, aljo
übergängen, überführt, überjegt, während es im eriten Falle dem
gewöhnlichen Geſetz der —— folge. Soldyer Zwillings-
paare führte der Nedner etwa 20 auf. Das mit hinter zufams
mengejepte Zeitwort habe jtetS den Ton auf dem ziveiten Zeil
der Fügung, } B. hinterbringen, hintergehen, binterlafien, hinter⸗
legen; es Mi emnad immer untrennbar.
Koblenz An Stelle des nadı Köln verzogenen Oberlandes-
gerichtärates Scheerbarth wurde der Erite Staatsanwalt Schu—
macer zum Vorjigenden und der Generalmajor und Kommandant
von Wurmb zum Borftandsmitgliede gewählt. Die Mitglieder-
zahl beläuft ſich augenblidlid auf 355.
Lübed. Aus dem Thätigfeitsberichte ift zu entnehmen, dal;
der Zweigverein im feinem Sreife nad) Möglichteit zu wirken ges
ſucht hat, ine Befjerung in den Anzeigen ijt unverfennbar;
auch machen fich die Lübeder Zeitungen von manchem Fremdwort
frei. Un die Malerinnung ift die Aufforderung ergangen, bei der
Anfertigung von Ladenſchildern möglichit auf die Nichtigkeit des
Nusdruds bedacht zu sein. Die Mitgliederzahl belief fih am
Schiuffe des Jahres 1893 auf 186. In der Scptember- Siguug
berichtete Apothefer Mühjam über die Hauptverfammlung im
Koblen;.
Magdeburg. Bor einer zahlreichen Zuhörerſchaft hielt Ober:
lehrer Dr. Saalfeld (Blanfenburg) einen Bortrag über Natur-
nahahmung im deutihen Dichterwalde. Nachdem er furz
die verichiedenen Arten diefer Nachahmung beſprochen hatte, juchte
er an einer grohen Zahl von Gedichten die Kunſt deutlich zu machen,
mit der unjere Dichter die Laute der Natur ihrem lange oder ihrem
215 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. 1894. Nr. 10/11. 216
Eindrude nad, teils in jcherzbafter, teils im tief erniter Weile | Beachtung gefunden, daß der Ausſchuß die Mufnahme in den
wiederzugeben vermögen. Sodann eritattete der Borfipende, Ober: | jehr verbreiteten Neichenberger Kalender veranlaft hat. So werden
lehrer Dr. Knoche, Bericht über die diesjährige Hauptverjammlung. | auch u Leute, welche vielleicht — ganze Jahr — anderes
Reichenberg. Das ſehr thätige Ausſchußmitglied des Zweig: | als den Kalender leſen, aber dieſen gründlich und wiederholt,
vereins, Prof. Hauſen blas, hat in der Neidhenberger Deutjcen | Chva® vom Spradverein erfahren. Vielleicht fällt gerade da bie
Voltszeitung unter der Überichrift „Betrachtungen über den all: | Saat auf ſruchtbaren Boden. Möge dieſer Verſuch, die Beſtre—
gemeinen deuiſchen Sprachverein“ eine Reihe von Auffägen ver: | bungen des Spradwvereins durch den Kalender in den weiteiten
öffentlicht, die den Ave verfolgen, das Bolt über die Beitre- | Kreiien des Volls befannt zu machen, von anderen Zweigvereinen
bungen umferes Vereins aufzuklären und für fie zu gewinnen. | auf feinen Wert geprüft und, falls er die Prüfung bejteht, nad
Dieje gediegenen Abhandlungen haben eine jo anerfennungsvolle | geahmt werden.
Geihäftliher Teil,
Das Preidrichteramt haben gütigit übernommen die Herren
Preisausibreiben Friedrich van Hoffs in Trier,
deö allgemeinen deutihen Spradvereins Dtto von Leirner in Groß- Lichterfelde,
an die dentihen Künftler. Petrisfettenfeier Nojegger in Graz.
Am Montag, den 8. Oftober 1894, trat in den Geſchäfts— Falls fein Widerjpruch erfolgt, werden die bisher eingefandten
räumen des Verlagsbuchhändlers Eberhard Ernit, Berlin, Wil: | Borfchläge zufammen mit den etwa noch eingehenden — ohne
beimftraße 90 der Ausſchuß zufammen, welder zur Enticheidung | Nennung der Verfaſſernamen —
in dem Wettbewerb um den vom Sprachverein ausgeichriebenen am 30. November 1894
Preis für eine künſtleriſch ausgejtattete Wahlipruchtaiel berufen | den Preisrichtern übergeben werden.
war. (Bol. Ziſchr. 1894 Nr. 6 Ep. 127/28.) Nach Würdigung Die mit einem Preife ausgezeichneten Sprüche werden wir
der eingegangenen 117 Skizzen entſchied man ſich dahin, die mit | in der Aeitichrift veröffentlichen und dem Gejamtvorjtande zur
dem SKennmworte »Dem Deutjchen das Deutſche- verfehene Skizze | Aufnabme in die neue’ Wahlipruchtafel des Vereins empfehlen.
zur Ausführung zu bejtimmen, unter dem Borbehalte, daß der Die Leitung der Zeitſchrift
Urheber ſich zu einigen Änderungen in der Anordnung und fünit- ——
leriſchen Durchführung bereit erkläre. Preisaufgabe
Außerdem wurde beſchloſſen, die mit dem Kennworke »Ger- | „Unſere Mutterſprache, ihr Weſen und ihr Werden«
mania II« verſehene Skizze zu erwerben und zwar zu dem Zwechke, Der Geſamtvorſtand hatte auf Grund des Urteils der Preis⸗
dieſelbe unter Umftänden für eine Mitgliedsfarte zu verwenden. richter dem Verſaſſer der mit dem SMopftodjchen Kennworie bes
G 5 — * — an — zeichneten Arbeit eine Gabe von 600 .# bedingungsweiſe zuerlannt.
Sti ) m € 2A ie g n ö Bra AS Berfafjer hat fich Herr Gymnaſialprofeſſor Dr. O. Weije zu
igge ber Profefior May uger In Karlsruhe (Baben). Eifenberg (Sachſen-Altenburg) genannt und fidh bereit ertlärt,
Das Preisgeridt: einige beanftandete Einzelheiten vor dem etwaigen Drude zu be
Brofefior Woldemar Friedrich, Oberftlent. Dr. Mar Jähns, | Teitigen und damit die Bedingung zu erfüllen, an die der Ge-
Baumeifter Otto Marc, Geheimer Baurat Otto Sarrazin, | ſamworſtand die Auszeichnung getnüpft hatte.
Profefjor Anton von Werner, Direltor der Königl. Alademie Der Berfafjer der anderen Arbeit (Kennwort: Auch die Sprache
der Künſte. iſt ein Produkt des organiſchen Bildungstriebes. Novalis.) wird
gebeten, die Miederjchrift von dem Schagmeilter unferes Vereins,
Verlagsbuchhändler Eberhard Ernji (Berlin W. 41, Wilhelm:
Preisausidreiben. ſtraße 90) zurüdzufordern.
Die große Anzahl der eingelaufenen Berſuche, unferem Der Ausſchuß des allgemeinen deutihen Spradivereins,
Vereinswahliprude eine dichteriſche Form zu geben, Dr. Mar Zähne.
macht es unmöglich, dieje ſämtlich zu veröffentlichen. Ba
Wir haben uns daher entichlofien, fie einem Ausſchuſſe Sad) Berichtigungen.
lundiger zur Prüfung zu unterbreiten und die nach dem Urteile —* —— — * A 43 nu cw. ð
dieſes Ausſchuſſes beſten drei Vorſchläge durch Preiſe aus- Sp. 174.8. 7f. ftatt Gruppeihen — »Bruggerfhens Verein; ftatt
F r ME 20000 Mitglieder — »20004
zuzeichnen. Hierfür jteht uns durch die Bereitwwilligkeit einzelner Ep. 184 4.32 ftatt: hieh der Dberhärgermeißter Ehüller die Säfte
eine vorläufig allerdings nur geringe Summe zur Verfügung; | Wiltem bie der Todigportun der Wendt Mehiena, SLIIeITE WrR-
d fien ', d ie ji i Ep. 186 3. 11ff. ftatt: Der Spradverein Hamburg bat erjt vor ver»
. hoffen wir, af Lo ſich durch —* auß Se groben gätkhnihte Kann Seit erfahren, daß = einen De neh in Sprad:
Kreife der Vereinsgenojien bald erhöhen wird.*) verein giebt — »l&ın [ehr thäriges Mitglied des Jweigvereinsßam:
— — burg ufw,«
j 2 —* 1198 3.14 ff. ftatt: Einer Einladung des Geh. Kommerzienrats Jul,
*) Simtlihe das Preisausichreiben betreffende Zuschriften, rn fol En * a Einladung 34 — ———
= E u dem | n den Rhelnanlagen fit hinzuzufügen, Schanfpieler
jowie Seldbeiträge bitten wir an den Oberlehrer Wappen— Feldner, Mitatled ded Koblenzer labtibensere bie heiben Schentendorflidhen
hans, Berlin NW. 23, Wltonaer Strafe 34 zu richten. | Dichtungen »Mutterfpradhe, Mutterfaut: und Es Hingt ein hefler lang vorirug
_ Briefe und Drudjaden für die Bereinsleitung Geldjendungen und Veltrittserflärungen
find an den Borfigenden, an ben ag er
Oberitleutnant a. D. Dr. Mar Jühns in Berlin W. 10, lagsbuchhändler Eberhard Ernii in Berlin W.41.
Margaretenitraße 16, Wüpdelmftraße ©,
l
Briefe und Druckſachen für die Beitfchrift find an ben Herausgeber, Oberlcehrer Friedel Wappenbans in Berlin N. W. 3, Altonaer Straße 34,
zu rich
Drud ber Buchbruderel des Watjenhaufes in Halle a.d, S.
IX. Jahrgang Ar. 12.
1. Dezember 1894.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Die je Zeit chrift erſcheint jährtih zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Spradwvereims umentgeltlich
geliefert (Sapımg 24).
Die geitichrift Farm auch durch den Buchhandel oder die Pot
zu ME, jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch den Schahmeiiter
Eberhard Ernft, Berlin @.41, Wlihelmfer. 0. — Auflage 14250,
— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — m — — —
Inhalt: Bericht über die Verdeutſchung und Berbejjerung der Geſchäftsſchilder. Bon M. Stier. — Die Größe der Zweig—
vereine im Berhältnijie zur Bevölterungsziffer, berechnet von Dr. Bernhard Maydorn (Mariemverder), — Die Berliner Baus
Deputation und der Spradjverein. — Nachträglihes zur Screibung von Strafennamen. Bon Dr. BWülfing. — Spredjaal. —
Kleine Mitteilungen. — Aus den Yweiqvereinen. — Geſchäftlicher Teil.
Bericht fiber die Verdeutihung und Verbejierung
der Geſchäftsſchilder.
Bier Jahre nadj der Gründung des allgemeinen deutichen
Sprachvereins jchrieb ein Profefior in Manzig, die franzöfiichen
Fremdwörter hätten in Deutichland nie mehr in Ehren geitanden
ald gerade jeßt. Die deutihe Sprache bedrohe das Schichſal, in
ein fra Bitte Miſchmaſch zu entarten. Die franzöfiihe Sprache,
aus Eijah- Lothringen verbannt, ſtehe im Begriffe, ſich nad
Berlin felbit zu flüchten.*) Zwei Jahre ipäter holt ein für fein
Vaterland und feine Mutterſprache begeiiterter Deutſcher einige
Säfte aus Paris und aus dem Elſaß auf dem Bahnhof Friedrich—
firafe in Berlin ab, Die Wahrnehmung, daß im Wittelpuntte
der Hauptitadt des Deutichen Reiches deutſche Kaufleute und
Wirte Inſchriften an ihren Läden in einer abjcheulihen Miſch—
ſprache anbringen, erfüllt feine Begleiter mit Staunen. Der
Eljäfjer, der bis dahin deutich geipruchen hat, bleibt nun hart
nädig beim Franzöfiihen. In den Mugen des Parijers iſt ein
Gemisch von Mitleid und Verachtung zu lejen. Der Unmille
darüber, daß es überhaupt ein Volt giebt, welchem vaterländiiches
Ehr- und Schamgefühl bis zu dem Grade fremd iſt, übermannt
ihn. Der Franzoſe ſchämt fi ın der Scele des Deutjchen, weil
er durch äfftiches Franzöſeln feine Mutteriprache ſchändet. ⸗Kann
es eine vernichtendere Demütigung für uns geben ?«
Der nad) langem Aufenthalt im Auslande heimgefehrte Vers
fafjer der befannten Flugidniit, aus welcher jene Mitteilungen
entnommen jind, hat den Emdrud, daß inzwiſchen die Sprad)-
verwilderung allen Bemühungen des Sprachvereins zum Troß ers
heblich zugenommen habe. In den Städten, in welchen die erite und
die dritte Hauptverfammlung des a. d. Sprachverems abgehalten
wurden, hat Freiherr v. Ungern= Sternberg wenig Grjreuliche®
ejehen.”*) In München fand er in dem Schilder: und ns
chriftenmweien alles auf den Musländervertebr berechnet; überall
Engliſch und Franzöſtſch; das Deutiche fehlte entweder ganz, oder
es jtand ımtenan. In Dresden, deſſen Zweigverein befanntlch
eine ganz bejonders rührige Thätigkeit entfaltet, ſchien ihm die
Mückſicht auf den Briten noch weiter zu gehen, als ın München.
Im jogenannten »engliſchen Biertels fand er faum ein Haus, an
dem ſich nicht eine Menge ausichliehlich engliſcher Inſchriften und
Anzeigen aller Art befanden. Auch ruſſiſche, polniſche, italienische
Schilder waren in Menge zu jehen. Neu mar auf jener Reiſe
dem Beobadıter, daß dieſe Sudt nach dem Anternationalen fic)
nicht mehr auf die größeren Städte beichränft, jondern in den
Bergen breit madıt, wo man fie vor 20 Jahren noch nicht kannte.
Hötels und Restaurants fand er am Chiemſee, in Meichenball
umd Berchtesgaden. Sogar in Ober Ammergau ift jept ein
Cafö imperial, ein Hötel National, ein Hötel Royal. ***)
*) Kal. dieſe Ziſchr. IV Ep. 94.
*j Bol. V Sp. IWi.
"“) VI Sp. 11.
Ein |
und jept nur die Geſchafüsſchilder ins Auge fajien.
»Spaziergang durd das franzöſiſche Frankfurt⸗*) zeigt uns bei
einem Gange durd die Straßen der Geburtsitadt des größten
deutſchen Dichters eine große Zahl von Geichäftshäufern, die nur
franzöjtiche Anjchriften führen. Die Gajthöfe tragen meiſt eine
doppelipradhige Aufichrift; nur der allgemein ald » Englischer Hof«
bezeichnete Gaſthof hat bei der Erneuerung des Hauſes nicht
eine deutjche Aufjchrift angebracht, fondern bezeichnet ſich vier
mal als Hötel Angleterre. Unter den Augen des Spradvereins,
in welchem jchon I ein Vortrag ȟber fremdipradhliche Strahen-
fchilder in Frankfurt« gebalten worden war**), wurden nun
am Bahnhofe die neuen Gajtböfe gebaut, und auf ihren Dächern
zeigen ſich die Inſchriften: Hötel National und Hötel Continental!
Der Verem kann nichts weiter thun, ald dab er ſolche deutich=
feindliche Häujer lennzeichnet und meider!***)
Darf es jo bleiben? Dürfen wir ruhig zufeben, wie das
Übel zunimmt? »Nichtswürdig ift die Nation, die nicht ihr Alles
freudig ſeßt an ihre Ehre!« Sir jemand belien fünnen, wenn
es der allgemeine deutſche Spracdverein nicht Tann?
Ein Feldherr, deſſen Truppen ſich gleihmäßig Über das feinds
liche Yand verteilen, wird feine Siege erfechten. Er muß fie auf
einen Punkt vereinigen und dann em Dor nad) dem andern
und eine Stadt nad) der andern beſetzen. Wenn eine lange bes
lagerte Feſtung ſich nicht ergiebt, dann muß fie eritürmt werden.
Wollen wir durchgreifende Erſolge erzielen, dann müſſen wır ge—
ſchloſſen vorgeben und die ganze Kraft vereinter Thätigteit auf
einen Puntt nad dem andern richten. Fangen wir da an, wo
unjere Schande den höhnenden Blicken der Fremden am meilten
ausgejept ıjt, bei den öffentlichen Inſchriften, den von unfern Be-
hörden zur Bezeichnung der Plähe und Straßen und den von
unjern Mitbürgern, die zur Herberge, zur Stärtung, zum Kauf
einladen, angebrachten Schildern. Weil hier das Übel groß, dort
nur gering üt, jo wollen wir von den Straßennamen jpäter reden
Denn
»Ddiefe Schandmale unjerer Mutterfprache, auf offenem Markte, in
Straßen und Gafjen, fordern und heraus, dag wir ihnen auf
den Yeib rüden.e
Wir fragen: Was ijt bis jept geſchehen? Welche Erfolge
find erzielt worden und welche Mittel werden empfohlen ?
Der Neuruppiner Zweigverein bat gleich im eriten Fahre
nad) jeiner Gründung getban, was er thun konnte. Zunächſt hat
er den Wunsch der Gajlbojsbefiger erfüllt, wenn einmal unfere
Grundſätze uns nicht erlaubten, da® Wort Hötel ferner zu ges
brauchen, dann doch wenigitens jtatt deflen lieber »Wajthaus«
ald »Wajthof« zu jagen Settdem jagt die Märtiſche Zeitung
jtatt Hötel jtets »Wafthaus«. Die Borderfeite des »Hötel du
Nord« war eben mit großem Stoftenaufivande erneuert worden.
*) Mitgeteilt im Frankfurter Generalanzeiger 1892 Nr. 126
(vgl. Ztichr. VIL Sp. 130 f.).
*7 VI 82.
*j VII 176.
219
Zeitfhrift des allgemeinen dbeutfhen Sprachverelus. 1894. Nr. 12.
Unter ſolchen Umſtänden gaben wir dem Beſitzer gem zu, daß
wir eine ſoſortige Verdeutfſgnung der Inſchrift ihm nicht zumuten
fünnten; anderjeits erlaubte er uns ebenfo gern, zu vorläufiger
Anbabnung fünftiger Namensänderung fein Gaſthaus im münd—
liben Verkehr und in Zeitungsanzeigen immer mur den »Nors
diichen Sof« zu nenmen.”) Der Inhaber einer andern Gaſtwirt⸗
ichaft, die ſich aus unicheinbaren Anfängen in den leßten Jahren
zu einem Gafthofe allereriten Ranges erhoben hatte, aber immer
noch nadı dem Namen eines früheren Beſihers »Bernaus Hötel«
beiht, wurde in einem ausführlichen Schreiben erjucht, da ja die
grobe BVorderfeite feines jüngjt erweiterten Hauſes nocd Kaum
dazu biete, über der niedrigen alten Inſchrift noch den neuen
Namen »Preufifcher Hof« oder » Deutiher Hof« oder » Märkiicher
Hofe anzubringen, um jo einerfeits durch vorläufige Beibehaltung
des alten Namens feine alten Gäſte ich zu erhalten, anderfeits
durch den neuen Namen als einen Beweis vaterländiicher Ge—
finnung neue Kunden anzuziehen. Er äuferte ſich zuftimmend,
wollte nur wegen endgültiger Wahl des neuen Namens erjt in
Berlin Erfundigungen einziehen, hat ſich jedoch bis jet noch
nicht entſchieden. Da fommt plöplic die Kunde: Köhlers
Restaurant wird abgepußt! Die Aufichrift iſt ſchon halb vers
ihwunden! Zu Ddiefem Haufe gehört der gröhte Saal unjerer
Stadt und das Theater. Schon am nädjten Tage wurde
Herr K. durd ein mit dem Stempel des Vereins verjehenes
und von allen Vorjtandsmitgliedern unterzeichnete Schreiben
gebeten, das häßliche Fremdwort mit -Geſellſchafishaus« oder
» Gajthause zu vertaufchen. Die Gäſte wetteiferten mit ſcherzhaften
Drohungen, falls er unjere Bitte nicht erfülle. Mit Spannung
wurde der Ausgang envartet. Und troß der Gegenvorftellungen
jeiner betagten Mutter, Restaurant klinge doc) viel Schöner und
es jei doch immer ein Restaurant geweſen, gab Herr K. nad. Er
verivarf zwar die Bezeichnung „Sejelicaftehaude, weil dadurd)
die Meinung erwedt werden könne, als habe er nicht das Recht
zu beherbergen; aber nach zwei Tagen ftrahlten uns von
weitem die großen Buchſtaben » Otto Köhlers Gaſthaus« ent:
gegen. In der Freude über diejen Sieg verwandelten wir noch
die über mehreren Thüren befindliche Auſſchrift »Garderobe« in
»leiderraume, Eigenhändig rifien wir die alten Pappſchilder
herunter und hingen die neuen auf, die wir auf Vereinsloſten
hatten heritellen lafien. Neben Köhlers Gaſthaus befindet fich
ein Haus, an weldem 2m hoch über der Erde »DOtto Krulls
Restaurante zu leſen ift. Ein Blick auf jenes Hohe Gaſthaus
und dies niedrige Restaurant werte in uns den ſehnſüchtigen
Wunſch, daß bald eine Zeit fommen möchte, in welcher wie hier
fo überall das bisherige Verhältnis ſich umlehre, jo daß die Wirt-
ſchaften höheren Ranges einen deutichen und nur die niedrigeren
Ranges einen franzöjifchen Namen führen. Die Hoffnung, daß
dann das Franzöſiſche bald ganz verjcdwinden werde, fand Nah:
rung durd die Thatſache, dab bald auch Herr Kir. anfing, in
Zeitungsanzeigen Seine Wirtſchaft jelbjt nicht mehr Restaurant
zu nennen, jondern Gafthaus. Wald nachher that ſich mitten in der
Stadt ein »Wirtshaus« auf. Um unferer Anertenmung durch die
That Ausdruck zu geben, hielten wir in dieſem »Wirtöhaufe«, das
bit jeßt das einzige unferer Stadt ift, die gejelligen Zuſammen—
fünfte des Vereins ab.
Nachdem das Wort »Ezpedition« in der Märkiſchen Zeitung
ſchon längſt mit »Weichäftsitellee vertaufcht worden war, wurden
auc über der Hausthüre die alten Buchjtaben abgenommen und
dur; »Druderei der Märtifchen Zeitung« erjeßt. Da das linte
Schaufenfter der Herren Knöllner ſchadhaft wurde, fo wurde es
mit einem neuen vertaufcht, in welchem ftatt en gros und detail
nun »Großhandel- und »Cinzelverfaufe zu lefen iſt. Die ein:
jeitige Änderung bürgt dafür, daß die franzöfiihen Worte auch
im rechten Schauſenſter, fobald dasjelbe einer Erneuerung bedarf, |
verſchwinden werden, Ein eifriges Vereinsmitglied, mit dem Um—
bau jeines Hauſes befchäftigt, fandte zwei chen an der Hausthür
befeftigte lingelzugfnöpfe, als auf denjelben die Worte » Parterre«
und »1. Etage« entdectt wurden, folort in das Kaufhaus nad)
Berlin zurücd und forderte andere mit der Inſchrift »Unten« und |
Oben«. Da die Antivort von Berlin kam, ſolche gäbe es gar
*) Beranlaffung dazu gab die dem Rechenſchaftsbericht über
den Berliner Zweigverein im Jahre 1890 S. 76 entnommene Mit:
teilung, dah man jeht im den Zeitungen ſtets »Nömijcher Hoj«
ftatt »Hötel de Rome« leſe.
220
nicht, wurden Knöpfe ohne jede Inſchrift angebracht. Doch fand
ich fürzlich an einer andern Hausthür-Unten« und »1 Treppe«
Niedergeichlagen durch fo winzige Erfolge unferes Bereins,
habe ich bei Mitgliedern von 152 Zweigvereinen angefragt, welche
Straßenſchilder durch deren Einſuß bereits verdeutſcht ſeien. Die
Hoffnung, von beſſeren Erſahrungen zu hören, hat ſich nicht
erfüllt. Aus 60 Antworten, für welche ich den Abſendern an dieſer
Stelle herzlichen Danf fage, fann ich nur folgendes mitteilen.
In KHaslel haben ſich einige Befiper neu entftandener Gaft-
böfe dazu verjtanden, diefen deutiche Namen, wie »Safjeler Hofe,
»Slaiferbofe zu geben. In Darmjtadt wurde durch mahnende
und bittende —* an die Inhaber undeutſcher und fehler—
hafter Gefcäftsichilder bier und da Erfolg erzielt, und auch
in Dresden ijt manches Schild geändert worden. Dr. Saal:
feld berichtet aus Blankenburg, fein Haarjchneider nenne
fi) bereits »Haarkünftlere, fein Huchenlieferer »Zuderbädere«,
Aus Trier jchreibt Prof. van Hoffs: »Auf Fehler in den Auf:
ichriften öffentliher Schilder hat der ge verein öfters aufmert-
jam gemacht, teilweije mit Erfolg. ell- Etagen, die offenbar
nur an Hunde vermietet werden fünnen, haben fid in Bel:
Etagen verwandelt. Gewiß ein Fortſchritt, aber zum »eriten
Stodf« werden wir es in Trier ſchwerlich bringen; der ift viel zu
ordinäre Daß der Wirt, bei dem der Zerbiter Berein jeine
Berjammlungen abhält, ein Schild »Deutiche Scenle« heraus-
ya. hat, kann der Verein nicht ald Folge feiner Anregung
trachten.
Mehr habe ich nicht erfahren können. Die Schuld trifft nicht
bie Vereine. Zwei Vereine Hagen, die Teilnahmlofigfeit der Mit:
ger und die öffentliche Geringſchäzung, unter deren Banne die
erein&bejtrebungen ftänden, fei jo groß, daß von einer Wirkung
nad) außen gar nicht die Mede fein fünne. Bei den in den Vers
einsverjammlungen zu Meg gepflogenen Verhandlungen it man
immer der Anſicht geweien, daß bei den dortigen Verhältniſſen
eine Einwirkung des Sprachvereins nicht ratjam fein würde.
Noch 7 Vereine betennen, da fie in diejer Angelegenheit nichts
ethan haben, einmal mit dem Zuſaß, die franzöfiihen Firmen
Peilder jeien unausrottbar. Der Berliner Zweigverein feßte 1890
ur Überwachung der Ladenſchilder, der öffentlichen Geicäfts-
nichläge und = Anzeigen einen Scilderausihuß ein.) Auch in
Marburg a. d. Dr. bejteht feit 2 Fahren ein Scilderausihun,
dejjen Auſgabe bejonders darin bejteht, jehlerhajt gejchriebene
Schilder aufzufuchen und zu verbejjern. 1890 hielt Kegierungs:
rat Panthel »über fremdſprachliche Straßenſchilder in Franliurt«
einen Bortrag.**) Auch in Kafiel wurde, »um auf die Beſeiti—
gun von Fremdwörtern auf den Straßen- (Geichäftd- und
adens) Schildern hinzuwirlen, zunächſt vor mehreren Jahren von
eimem VBorjtandsmitgliede eim öffentlicher Vortrag gehalten, in
weichem auf die in dieſer Hinficht vielfach, vorhandenen Mängel
und Bertehrtheiten hingewieſen wurde.« Denjelben Punkt bes
handelte der Yeiter dieſer Zeitichrift, Oberlehrer Wappenhans,
indem er in einem im der legten Dezemberfigung des Ziveigs
vereins Berlin- Charlottenburg gehaltenen Vortrage Bildung von
Ausſchüſſen zur Überwadhung der Sprade auf Schildern uſw.
vorſchlug.
Um dieſer Sprachverwilderung entgegenzutreten, hat man Auf—
legung einer Steuer, Überwachung durch Behörden, Belehrung
der Schildermaler und eine an den jedesmaligen Inhaber
ſelbſt gerichtete höfliche Bitte als den richtigen Weg empfohlen.
Franzoſiſche Firmen waren früher auch in Bulareſt häufig.
Seit jedody eine Steuer von etwa SO .A jährlich für jede fremd-
ſprachige Firma eingeführt iſt, find nur wenig nichtrumäntiche
Firmen noch zu ſehen.“*) Dasjelbe Mittel wird empjoblen in der
oben enwähnten Flugichrijt: » Berlin eine franzöfifche Stadt. Vors
ichlag einer einträglichen Steuer von einem Deutjchen.e Aber
wenn auch zuzugeben ift, daß eine ſolche Steuer, ebenjo berechtigt
wie der Schutzzoll, bei uns — wenn fie nur hoch genug ijt —
ebenjo wirken würde wie in Numänien, jo lann doch der Verein
für ihre Einführung nichts thun,
In den Meidslanden ift durch alte Erlaffe von 1789 und
1790 die Anbringung von Aufichriften, Injcriiten, Geſchäſts—
jdildern, die mehr als den Namen der Firma enthalten, ohne
*, V 178.
) VI62,
, vV 142.
221
vorherige polizeilihe Genehmigung unterfagt. Auf Grund dieier
kürzlich neu eingeſchärften gefeglichen Beitimmungen find an einigen
Orten Gejchäftsleute durch die Polizei genötigt worden, ihre frans
zöfifchen Schilder in deutiche umzugeftalten — beziehentlich ihre
neuen Schilder in deuticher Spradye zu halten.*) Ein ähnliches
Verfahren wurde ſchon 1887 von Herm Weinmeiſter in Leipzig
empfohlen. So gut wie Maße und Gewichte von einem Beamten
geprüft und gejtempelt werden müßten, che fie in öffentlichen Ge—
rauch fämen, fo fei es auch kein umbilliges Verlangen, daß feine
öffentliche Inſchrift angemalt werben dürfe, deren Wortlaut nicht
vorher auf fehler unterjucht worden wäre von einem Beamten,
der in jeder Stadt zur Überwachung der Thätigfeit der fogenannten
Firmenſchreiber anzuitellen fein würde.“) Auch Brof. Polzer ſpricht
in feinem Aufſatze ⸗Unſere Gefhäftsihilder im Lichte des deutichen
Sprachvereind«"*"*) die Anficht aus, es ſei »Sache der Gemeinde⸗
verwaltung, darauf zu jehen und durch geeignete Vorkehrungen
darauf binzumırten, daß Graz auch in diefem Teile feiner äußeren
Ericheinung als das fid) zeige, was es ſich jo gerne rühmend
nenne, als eine deutihe Stadt.« Als 1800 in Trier der Vor—
ſitzende auf die Fehlerhaftigteit vieler Aufichriiten auf Schildern
und Häufern aufmerkfam macte, bielt ein Mitglied es für an-
gemeljen, wenn die ſtädtiſche Behörde für jeden Stadtbezirk
einen humdigen Mann ernennen wolle, der jede neu anzubringende
Aufschrift auf die ſprachliche Richtigkeit zu prüfen und nötigenfalls
zu berichtigen bätte, natürlich unentgeltlich.) — Daß irgendivo
ein jolcher Überwachungsbeamter angeitellt worden wäre, davon
baben wir ebenjo wenig wie von der Einführung einer Steuer
gehört. ber jollte nicht in den Städten, in welchen der Verein
einen Einjluß auf die Beſchlüſſe der ftädriichen Behörden auszu—
üben vermag, ein ſolcher Verſuch gemadjt werden fünnen, zunüchſt
um den Schaben zu verhüten, ber daraus entiteht, wenn die etwa
täglich zur Schule vorübergehenden Kinder eine ſolche Anichrift
famt ihren Fehlern ſich fo einprägen, daß die Lehrer nachher
Mühe haben, die gefammelten falſchen Eindrücde wieder zu bes
kitigent ID
eil die gewünfchte Überwachung der Firmenſchreiber durch
einen Beamten fich nocd nicht hat heritellen lajfen, haben zahl
reiche * vereine verſucht durch Belehrung auf fie einzuwirken.
So find z. in Dresden ſchon vor 6 Jahren an ſämtliche Schilder⸗
maler Aujchriften geſandt worden. FFF) In Kaſſel übernahm es
ein Vorjtandsmitglied, diejenigen Gejchäftsfeute, welche die Ans
fertigung der Schrift auf den Schildern beforgen, zu erjucen,
die Beiteller nötigenfalls u beitimmen, daß fie in den Auf—
fchriften Fremdwörter möglichjt vermeiden. Prof. Langer in Linz
ſchlaägt vor, daß diejelben den Wortlaut der von ihnen zu malen:
den Wortgruppen oder Süße vor der Ausführung dem einen
oder andern der dazu berufenen Bereinsmitglieder vorlegen.$) Um
die Verbefjerung des Schilder- und Schaufenjter= Deutich hat fich
Herr Heinede beſonders verdient gemacht. SS) Er jchreibt aus
Ejien: »Im hiefigen Zweigvereine hielt id) 1890 »über jprachlichen
Unfug auf der Gafle« einen Bortrag, welcher befonders das
Schülderwefen zum Gegenjtande hatte. Hierauf fette ich mich mit
dem Vorſtande der hiefigen Malers und Anſtreicher-Innung in
Verbindung und brachte es nach vieler Mühe dahin, daß ich in
einer InnungssBerfammlung über denjelben Gegenſtand ſprach.
E3 waren zwar nur etwa 25 Zuhörer erichienen; diefelben folgten
aber dem etwa zweijlindigen Bortrage mit großer Aufmerkjamteit
und reger Anteilnahme. In zwangloſer Beiprehung gaben jie
die vorhandenen Ubelitände rüdhaltlos zu. Ich machte den Bors
ſchlag, aus ben Mitgliedern des Aweigvereins einen Auskunfts—
*, 111 40f. V 142. VI7f.
*, 1110.
* Abgedrudt im Grazer Wochenblatte vom 22. Nov. 1891
47
+) V 199.
+r) E8 giebt genug Vereine, deren Vorſitzende Magiſtrats—
mitglieder, darunter drei, in denen fie fogar Bürgermeifter find.
(Die Namen find aus dem mit der Julmummer ausgefandten
Berzeichnifie der Zweigvereine zu erjehen.) Wielleicht aefällt es
dieſen Herren, ſich miteinander in Verbindung zu jeben und nad)
emeinjamer Beratung über dieſen Gegenſtand übereinftinmende
ritte zu thun.
) V 158.
8) V 158.
ss) v 77. VI 98,
Zeitihrift dei allgemeinen dentihen Spradvereind. 189. Nr, 12.
222
Ausihur zu bilden, an welcen ſich die Maler und Anftreicher
wenden fünnten. Dies wurde mit Freuden begrüht. Im Zweig—
vereine eritattete ich ſpäter Bericht. (Ei wurden auch etwa
12 Herren für den genannten Ausſchuß bejtimmt.« Der Berliner
Schilderausſchuß hat den Scilderverfertigern gebrudte, mit Ber-
deutichungsvorichlägen verjehene Aufforderungäfarten zugelandt. —
Leider lauten die Nachrichten über die Erfolge diejer Beitrebungen
noch wenig günſtig. Dr. Matthias fchreibt aus Aittau: ⸗Als
Bertreter unjered Zweigvereins babe ich die Trage im Gewerbes
vereine bejprochen, aud) ficher erreicht, dak man jie erwägt; aber
das öffentliche Anerbieten in der Zeitung, daß ich bereit jei, un—
entgeltlich jeden in ſolchen ragen gewünichten Beicheid zu erteilen,
iſt bis heute noch von niemand benutzt worden.«
Graz hat vor 3 Jahren beichlofen, nicht nur die Genofiens
ſchaft der Schrifienmaler um ihre Einwirkung zu erfuchen, fondern
auch durh Aufſätze in den Zeitungen auf eine Beſſerung
hinzuarbeiten,*) und Prof. Polzer hat in dem oben erwähnten
Auflage die dringende Bitte an die Schriften- und Schildermaler
—— »bei der Anfertigung neuer Geſchäftsſchilder uſw. ſowohl
er Sprachreinheit al® auc der Sprachrichtigleit Rechnung zu
tragen und jedes Fremdwort wie auch jede ſprachlich unrichtige
Nedewendung gewiſſenhaft zu vermeiden.« Auch hat er ihnen
empfoblen ſich im Falle eines Zweiſels an den Verein oder die
Leitung einer Beitung zu wenden. Der Hlajieler Zweigverein be-
abfichtigt zumächit ebenfalls durd; einen in die dortigen Zeitungen
aufzunehmenden Aufſatz auf die Neinigung der Ladenſchilder von
Fremdwörtern hinzuwirken, dann aber auch in geeigneten Fällen
die Geſchäftsinhaber ummittelbar zur Beſeitigung der lehteren
aufzufordern. Dr. Stord hat in Sonneberg die Erfahrung
gemacht, daß man vor allem die Maler gewinnen müſſe, da die
Auftraggeber dad Verſprechen feicht vergäßen. Dagegen ift in
Marburg Stets mündliche Rüdiprade mit dem Eigen—
tiimer der Schilder genommen worden, »weil die® Verfahren die
Eitelkeit der betreffenden Leute am wenigiten verleßt.e Aus diefem
Grunde dürften Bordrucde für die mahnenden und bittenden Briefe,
tie fie Darmitadt anwendet, Dresden eigens hat heritellen laſſen,
und vom Gejamtvorjtande Kürzlich erit in großer Zahl den Zweig—
vereinen zugelandt worden find, wohl nur in größeren Städten
angebradit fein. Wo aber irgend ein Vereinsmitglied perſönlich
in freundichaftlicher Beziehung zu dem betreffenden Geſchäfts—
inhaber ſteht, wird auf diefem Wege gewiß leichter ein Erfolg
erzielt werden. Dabei werden noch zwei Punkte zu befonderer
Beachtung empfohlen. Prof. Dunger jagt: »Es ijt niemals
böfer Wille, der die Leute zur Anwendung von Fremdwörtern
treibt. Sie machen es jo, wie fie e8 bei andern ſehen. Darum
ift e& von großer ———— daß man höflich iſt, wenn man
ſich an fie wendet.**) Sodann find die Koſten zu bedenken. In
Dresden wurde in einigen Füllen ermwidert, man wäre gern bereit,
die betr. Fremdwörter und Sprachfehler aus den Schildern zu
entfernen, wenn ber Berein die Sojten tragen wolle.« Wo
dieſer dazu nicht bereit iſt, wird er fich darauf beichränfen müſſen,
im falle der Erneuerung oder ber Eröffnung eines Geſchäfts
oder Gajthaufes die Wiederholung alter Mißgriffe zu verhüten.
Nur in folchen Fällen haben wir in Neuruppin etwas erreicht.
Soll aber bier im enticheidenden Nugenblide ein Einfluh ausgeübt
werben, jo müſſen alle Mitglieder ernitlih auf Mitwirkung be=
bacht, jein. »Jedes Mitglied, welches zufällig fieht, wie eine für
die Offentlichkeit beitimmte Inſchrift vorbereitet wird, jollte Ge—
fegenheit nehmen, ben Werfertiger oder den Muftraggeber auf
etwaige Fehler aufmerljam zu macen«***) — oder je nad)
*) VII 13.
**) Dak anderjeits durch Vermeidung deutſch-feindlicher Wirts
ihaften und Geſchäfte ein Drud ausgeübt werden fan, darauf
ift in dieſer Beitichrift wiederholt hingewiefen worden. Bal.
VI 176 und 131. Hier wird als zwedmähiges Mittel, um
Abhilfe zu jchaffen, die Mitteilung des Frankfurter General-
anzeiqerd erwähnt, daß ein Mitglied des dortigen Zweigvereins,
ber fich eine Austattung beichaften will, in Geſchäften mit frans
zöfiichen Inſchriften erklärt, wenn deutiche Aufichriit erfolge, werde
er faufen. Bei reichlicher Nachſolge kann dies Mittel jeine Wir-
fung nicht verjeblen.
**) Diefer Rat wird ſchon I 110 f. erteilt. Der Einjender
(ein Leipziger) führt fort: »So habe id) Türzlich ein beabjidhtigtes
Mübel « jich ſchnell noch in das richtige »Rüböl« und »Wognac«
in »Gognac« verwandeln lafjen.«
227
Die Berliner Bau-Deputation und der Sprachverein.
Am Schluſſe einer Erwiderung der Städtifhen Bau-Depu—
tation der Reichshauptitadt auf eine Eingabe des Deutſchen Sprach:
vereind Berlin betreffs der Schreibung von Strafiennamen auf
den öffentlichen Schildern wird die Bezeichnung » Deuticher Sprad)-
vereine bemängelt. Es heit da: »E8 ijt nicht ein deutfcher Ver:
ein gemeint, der ſich mit irgend welchen Spradyen befaht, ſondern
lediglich ein folcher Verein, der fich mit deutſcher Sprache bes
ſchäftigt. Dies als richtig zugegeben, erfcheint die Bezeichnung
» Deutfcher Spracwerein« unlogijch und ungenau, und mühte es
heißen »Berein für deutſche Sprade«.
Es ift dies nicht das erjte Mal, daf Zweifel am der Richtig:
feit der Bezeichnung unferes Vereines erhoben worden find; auf
Sp. 114 bes IV. Jahrganges diefer Zeitſchrijt (1889, Nr. 7) findet
ſich eine Antwort auf die von einem rheinifchen Schulmann ges
äußerten gleichen Bedenken. Darin wird gejagt, daß der Name
»Deutfcher Spradvereine allerdings gegen die Megel veritohe,
derzufolge bei zuſammengeſetzten Hauptwörtern das binzutretende
Eigenſchaftswort ih auf das Grundwort — d. h. den fepten Teil
der Zufammenfegung — beziehe. Gewiß feien Bildungen wie
»Iederner Handſchuhmacher, gebrannter SKaffechändler, reitende
NArtillerielajerne« u.a. m. zu verwerfen. »Mber«, heiſtt es dann
weiter, »die Regel bat fchon lange dur den Spracgebraud)
eine erhebliche Einſchrünkung erfahren. Wenn nämlich das Eigen:
ſchaftswort zwanglos und natürlich ſowohl mit dem Grundworte,
als aud; mit dem Bejtimmungsworte verbunden werden fan, jo |
wird es auf das ganze zujammengefeßte Wort bezogen, als
wenn dies legtere em einfaches wäre. Man jagt daher voll-
tommen richtig: · deutſcher Spradumnterricht, deutſches Lefebuch,
deutſcher Reichstag, deutſcher Sprachverein uw. Unſere Sprade
bat ſich durchaus nicht rein logiſch entwickelt« uſw.
An demſelben Sinne äußerte ſich der Verfaſſer des Buches
»Spradleben und Spradichäden«, Dr. Theodor Matthias
in Zittau, vor kurzem in diefer Zeitfchrift (vergl. Nr. 7/8, Sp. 148 ff.)
Webrigens fünnten wir num den Spieh umdrehen und der
»Städtifchen Baus Deputation« vorwerſen, die Bildung ihres eige⸗
nen Namens fei ebenfo verfehlt. Denn wenn fie den jtreng logi-
ſchen Standpunft vertreten will, fo follte fie jich folgerichtig in
eine »Deputation für die ſtädtiſchen Bauten umtaufen,
da das Attribut ſich urſprünglich gewiß auf das Beziehungswort
Bau, nicht aber auf dad Grundwort Deputation bezieht. Das
aber wäre pedantifch, und dem a. d. Sprachverein liegt die Ab-
ficht fern, unfere Sprache in ſolche Feſſeln zu jchlagen.
Berlin. FW.
Nabträglibes zur Schreibung von Straßennamen.
In meinem in der Juni Mr. der Zeitfchrift erichienenen Auf-
faße zur »Schreibung von Straßennamen « habe id} eine Gattung
von Strahenbezeidhnungen überjehen, die ich in vielen Städten
jept immer mehr breit macht, ich meine Bezeichnungen wie Kaifers
Wilhelm: Str., Nugufta Victoria s Str., Sebaftian: Bad): Str. u. ä.
Hier in Bonn find wir glüdlicher Weiſe mit diefen breiten, in
praftischer Hinficht durchaus unbequemen Bezeichnungen bisher ver=
ſchont geblieben, anderswo aber feinen fie neuerdings in großer
Menge aufzutauchen.
In einem längeren trefilihen Aufſfatze über den » Bindeitrich«
ftommt ©. Wiuftmann) in den » Örenzboten« (Nr. 20 vom 19. Juli
d. 3.) auch auf die Schreibung folder Straßennamen wie Dresdner
Straße, Breite Strafe u. a. zu Sprechen; feine Anficht deckt fich
genau mit der meinigen. Hauptſächlich tadelt er nun auch die
eben genannten doppelten Zufammenfegungen, von denen er
. Zeitfärift des allgemeinen dentſchen Sprachvereins. 1894. Nr. 12.
228
meint, »e8 mire das Beſte, wir fchafften uns wieder jo viel
natürliches Spradhgefühl an, daß ſolche Bezeichnungen überhaupt
unmöglich würden. »Unmöglid;« find diefe Bezeichnungen mum in
der That*) — aber leider hat man dafür, wie es ſcheint, gar feinen
Sinn mehr —, »unmöglich« ijt daher natürlich auch eine richtige
Schreibung diefer Namen. G. W. meint, es jei Har, »daß jede
ſolche Worthäufung als Zuſammenſetzung aufzufafien ift und eigent-
lich in einem Worte geichrieben werden mühte.« Das hat ge
wiß etwas für fih, denn Kaiſer Wilhelm: Str., Auguſta Bictoria-
Str., Sebaftian Bach-Str. zu fchreiben ift falſch; aber auch die
von ©. W. offenbar gemeinte Screibung Kaifer: Wilhelm - Str.,
Sebaftian: Bat» Str. iſt nicht richtig, denn eine wirkliche Zuſam⸗
menjegung liegt eben nicht vor, und e& ift bei ſolcher Schreibung
die Gejahr vorhanden, daß das Boll bald betonen wird Sailer:
Wilhelm: Str., Sebäjtian = Bad: Str. uſw., wie es jhon Dresdner
Str., Berliner Str., Breite Str. zu betonen pflegt. Das Beite
wäre aljo freilich, man ſchaffte diefe Doppelbezeichnungen gänzlich
ab; ihre Zwechloſigkeit hat G. W. in feinem in jeder Be
ziehung beherzigenswerten Aufjage nachgewieſen.
Bonn. Dr. Wülfing.
ſprechſaal.
Vertitow.
Über den Ausdruch-Vertikow« habe ich verſchiedene Zu—
ſchriften erhalten, für die ich hier verbindlichſt Dank ſage. Einige
der Einſender meinen, das Wort hänge mit vertical zuſammen,
andere geben an, es fei wohl jlawiichen Urfprunges. Wieder
andere Äufern die Anficht, dak das Möbel nach feinem Erfinder
benannt worden fein fünne. Dies habe aud id) von vornherein
für das Wahrjceinlichite gehalten und ich fehe es jept beftätigt
in dem fürzlich erſchienenen Ergänzungsbande zu dem großen frans
zöſiſchen Wörterbuhe von Sachs-Villatte, wo ſich folgendes
findet: »vertikow, vertikof (Vertikow, Name des eriten Verfer—
tigers) sm. Bertifow (Art eleganter Heiner Schranf) = bonheur
du jour.e Mit diejem legten Ausdrude bezeichnen die Franzoſen ein
»Heines Möbel zum Aufbewahren von Briefen und Koftbarteiten.«
Wie mir Brof. Dr. Sachs auf meine Anfrage Hin mitteilt,
ift der Name zuerjt in Berlin aufgefommen, weil ein gewifier
Vertikow ein derartiges Möbel zuerit gearbeitet bat, dann iſt
er auch in Frankreich angenommen worden und ericheint jeßt
öfter in franzöfiichen Schriften, auch in der »Vie Parisienne«e —
Es ſteht aljo mit einiger Sicherheit feit, dak das Möbel den
Namen feines Erfinders trägt.
Bonn. Dr. Bülfing.
Rieine Mitteilungen.
Am 28, Oktober ift Rudolf Hildebrand, ord. Profefior
der neueren deutichen Litteratur und Sprache an der Univerfität
Leipzig, verichieden. Der allgemeine deutiche Spradjverein bes
trauert in ihm das langjährige Mitglied ſeines Geſamtvorſtandes,
dem er noch vor kurzem zum 70. Geburtstage feine Glückwünſche
darbringen durfte. In Rudolf Hildebrand ift ein Mann dabin«
gegangen, der jein Leben und feine gelehrte Forihung in den
Dienjt des Deutſchtums geftellt hatte, der daher auch unjerem
Vereine eine warme Teilnahme widmete. Einen Nachruf aus der
Feder eines feiner Schüler bringen wir in der nächſſen Nummer.
Sprachlich · unmoglich · find folhe Aufammenfegungen Teinesiwegs, A.
baben nur zur Boroutiepung, daß bie den erſten an ar fr
Korte zu eimem Beariff verbunden find, Das ift in den angel
Ipieten der fall, die mit Muttergottesbild u.ä. auf une aa *
Wan kann Innen, daß ſolche Eteabennamen ſcawerfällig und unzweckenäbig fi
und bab es ſchwer Lit, jte augemeſſen zu ichreiben, aber Ihre fprachtiche m
möglichtett folgt daraus nicht. BP. Bierih.
229
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradhvereind. 1894. Mr. 12,
230
Bir hoffen, zu gelegener Zeit von fundiger Hand eine Arbeit
über die Bedeutung Hans Sachſens für die deutſche Sprache
bringen zu können; heute gedenfen wir nur an diefer Gtelle des
fieben Nürnberger Meiflerd, deſſen vierhundertiten Geburtstag
nicht nur feine Waterjtadt, jondern alles deutjche Land am
5. November einmitig und würdig gefeiert hat.
Auf Sp. 203/4 des VIII. Jahrganges diefer Zeitſchrift (Nr. 12,
1803) war erwähnt worden, daß der »Nordböhmijche Verband für
Verbreitung von Voltsbildung« einen Preis von 60 Kronen 5.®.
ausgejeßt habe für die befte Beantwortung der Frage: »Was
kann jeitens des Nordböhmifchen Verbandes und feiner Bereine
gethan werden, um das Fremdwörterunweſen in unjerer
Mutterfprahe mit Erfolg zu betämpfen?«e Das Breit:
richteramt hatten die Leitung de$ Vereins, ſowie die Herren Brof.
Rudolf Fiedler in Neichenberg, Lie. Arthur Shmidt, Obmann
unjereö Zmeigvereins in Gablonz, und Bürgerfchuldirekt. Jof. Fiſcher
in Liebenau übernommen. Herr Wild. Kumpf in Nigdorf, dem
wir hier bejtens für feine Mitteilung danken müſſen, da eine an
ihn gerichtete Karte als unbeſtellbar zurüdgelommen iſt, berichtet,
daß der Preis ber Arbeit des Herrn Wenzel Bräuer, Bürger-
ſchullehrers in Schludenau, zuerteilt und daß diefe auf often des
Nordböhmiichen Verbandes gedrudt worden ſei. In einem Rund⸗
ſchreiben vom 1.8. d. J. fordert die Leitung des Verbandes deſſen
Angehörige auf, die Vermeidung entbehrlicher Fremdwörter als
eine Ehrenpflicht anzujehen. Wader!
Der Vorftand des Zweigpereind Dresden verjendet einen
neuen Aufruf zur Gewinnung von Mitgliedern, der kurz die Biele
des a. d. Spradjverein® darlegt und namentlid die aus der Mit⸗
gliedichaft erwachienden Vorteile hervorhebt. Am Schluſſe be—
findet fi) ein Verzeichnis des Hauptinhaltes der Bereinszeitichrift
im Jahre 1894 und der Wiſſenſchaftlichen Beihefte Nr. 6 u. 7.
Die Leitung d. 3. ftellt Abzüge diejes Mufrufes, deijen
Nahahmung jie dringend empfiehlt, den Bweigver-
einen zur Berfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Nahen. Nachdem in der erjten Winterjipung am 31. 10.
der Borjipende, Hauptmann a. D. Berndt, über die Koblenzer
Hauptverfammlung berichtet und geſchäftliche Mitteilungen ges
macht hatte, hielt Direftor Dr. Sc lAwunbine einen Vortrag
über die Logik in der Sprade. Ür beleuchtete die beiden
Hauptrihtungen der Spradforicher, von denen die eine, Die
naturwiſſenſchaftliche, als Hauptgejeß für die Richtigkeit und die
Unrichtigteit der Spracericheinungen den Gebrauch, wie er ſich
im Zaufe der Zeit entiwidelt hat, binitellt, während die andere
die Spracde als äjthetijches Kunſterzeugnis auffaht. Der eriteren
Richtung gegenüber, nad) der die Sprache feine Logif tenne, bes
tont der — ———— daß die Sprache logiſch gebaut ſei und
8 logiſch entwidelt habe. Da, wo gegen die formale Logit ge—
ehlt jei, biete die höhere Logik des mwaltenden Sprachgeiſtes die
richtige Loſung. Die umnlogiihen und milltürlihen Bildungen,
die jich namentlih in den Fremdwörtern zeigten, ftellt er ala
Ausnahmen von dem allgemein aufgejtellten Grundjage hin. In
der dem Bortrage folgenden Beſprechung hob Oberlehrer Dr. Kel-
feter hervor, daß nady feiner Anficht die Logik in der Entwids
fung der Sprache nicht die Bedeutung babe, die Dr. Geſchwandtner
ihr einräume. Jeder Spradyenmwidiung wohne der Trieb inne,
neben den regelmäfigen Bildungen ſolche hervorzubringen, die
auf Lautwandel und Analogie beruhten. Auch im Bedeutungs—
wandel fei die Sprache nur allzu oft unlogiſch. Die Logik time
eigentlid) nur in der Sapbildung allgemein zum Ausdrud.
Aurich. Am 11.9. hielt Brofejior Dr. Eggers einen Bor:
trag über die Verbreitung der Deutjchen in Europa und
über deutihe Ortsnamen unter bifonderer Berüdjichtigung
der ojtfriefiihen. Zur Veranſchaulichung batte er die befannte
Nabertiche Sprachenlarte herangezogen. Sodann erfolgte Wieder:
wahl des biäherigen Vorjtandes. Die Zahl der Mitglieder be—
trägt 44. .
Bonn. Der erite Herrenabend am 29. Dftober war jehr
zahlreich bejucht; Die — ——————— » Alemannia« und
»Wingolfe waren vollzählig erſchienen. Oberlehrer Feldmann
hielt einen Vortrag über Ortsnamen, ihre Entitehung
und Bedeutung, der zu einer längeren Erörterung Anlaß gab.
Der vr Ba Bemmägit in der Zeitſchrift »Stern der Jugend «
(Miünjter, bei Nuflel) im Drude erjcheinen. Dr. Wülfing ge
dadjte mit kurzen Worten des Altmeifters Hildebrand, Beffen
Hinſcheiden eben befannt geworben war, und rügte dann eine
Reihe von Spradunarten und Sprachſehlern vom * en Brett
der Hochſchule und aus Beitungen, insbefondere die mert-
wiürdige Wortbildung »Wiesbadenjia (!)«, den Namen einer
»®Perjon« in dem zur Einweihung des Wiesbadener Theaters
aufgeführten Feſtſpiele. — Die Zahl der Mitglieder beträgt jept 253.
Braunjchweig. In der Si am 15. 11. gedachte der
eg er DOberpoitdireltor Gra efe, zunächſt in warmen Worten
des kürzlich verjtorbenen zweiten Vo en, Realſchuldirektors
Dr. Krumme, ber weit über die Grenzen des Zweigbereins
hinaus ſich um die Bejtrebungen des Spracvereins verdient ges
macht bat. Dann begrükte er den Stifter ded Sprachvereins,
Mufeumsdireftor Profeſſor Dr. Herman Riegel, und bradite
ihm ein Hoc aus, wofür der Gefeierte Kerzlichh dankte. Zum
Schluß hielt Schuldireftor Peters einen Vortrag » Mus Briefen
bes vorigen Jahrhundertd« (fiehe jpäter »Neue Auffäpe« uſw.).
Graz. Die zahlreich bejuchte Verſamml am 8.11. war
dem Andenken des deutſchen Dichterd Hand Sachs gewidmet.
Der Obmannjtellvertreter, PBrofefior Karl Zelger, entrollte ein
Bild von der Bedeutung des gefeterten Vollsdichters und kenn—
ichnete die Richtung der deutichen Dichtungen in der Zeit nad)
Dans Sachs bis zur Haffifschen Periode, in der das Berjländnis
r ben volfstümlichen Dichter wieder auflebte. Zum Schluß
wies der Rebner auf die Beziehungen zwiſchen der einfachen,
volfstümlichen, deutſchen a und Schreibweiſe des Dichters
und den Bejtrebungen des a. d. Spradjvereins hin. Im Anſchluß
an diefe Ausführungen trug Profefjor Aurelius Polzer einige
Schwänle von Hand Sadyd, Goethes »Hans Sachſens poetiſche
un und eine Stelle aus Wagners Meiiterfingern vor.
Es wurde ſodann beichlojien, eine Eingabe an den Gemeinderat
zu richten, er möchte eine hervorragende Straße in Graz *
Sachs-Straße benennen. Eme Abſchrift dieſer Eingabe iſt an
den Nürnberger Stadtrat geſandt worden.
Kempen. Die diesjährige Reihe der Winterabende wurde
am 28. 10. dur den Vorſißenden, Oberlehrer Heinrich, mit
einem Bortrage über die deutſchen Frauen im Lichte der
deutihen Sprachgeſchichte eröffnet.
Koblenz. Am großen Saale des Gaftbofed Bellevue, der
bis auf den legten Plap gefüllt war, fand am 3.11. eine Hans
Sachs-Feier jtatt, die durch einen von Direftor Dr. Heſſel
verjahten und gejprochenen Feitipruc eingeleitet wurde. Hieran
ſchloß fich die Feſtrede des Privatdogenten Dr. Dreſcher aus
Münjter i. W. über Hans Sachs und feine Bedeutung für
unfere Zeit. (Siehe jpäter »Neue Aufjäge« ujm.).
Linz Am 9, 11. hielt Brofefior Dr. Johann Ledjleitner
einen Vortrag über den Leitgedanfen in Adolf Pichlers
Dichtungen, in welchem er die —— des Dichters zu Religion
und Geijtlichteit, ſem lebhaftes nationales Gefühl und jein Eins
treten für die wahre Freiheit fennzeichnete. Zum Schluß regte
Profeſſor Yanger an, der Verem möge gelegentlid der bevor:
ftehenden Benennung neuer Straßen und Plähe den alten Flur—
namen Geltung zu verichaffen juchen.
Marienwerder. In der eriten Winterjigung ſprach der
Borfipende, Gimmajialdireftor Dr. Brods, über Fremd»
wörter, Lchnmwörter und Erbwörter. Zum zweiten Bor:
jipenden erwählte die VBerfammiung an Stelle des als Oberver—
mwaltungsgerichtsrat nach Berlin verfepten Herm Genzmer den
Regierungs-> und Sculrat Dr. Bropen. Herr Genzmer wurde
in Anerfennung feiner verdienftvollen Bemühungen bei Gründung
des Aweiqvereins und feiner regen Beteiligung an den Bereinsbe-
ftrebungen, die er insbejondere auch auf die von ihm herausgegebene
Zeitſchrift für den Verwaltungsdienit ausdehnt, zum Ehrenmitgliede
des Zweigvereins ernannt. Zur Verbreitung des Bereinsgedan⸗
fens trägt u. a. auch die rührige Unterſtühung durch die bier ers
251
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 1894. Rr. 12.
232
ſcheinende Tageszeitung »Neue Weſtpreußiſche Mitteilungen« bei,
deren Schriftleiter, Herr Kuhn, "ein Mitglied des Vorſtandes, an
die Mitarbeiter und VBerichterjtatter der Zeitung durch Runds |
ichreiben die Bitte gerichtet bat, fich unnötiger Fremdausdrücke
zu enthalten. Die Zahl der Mitglieder des Zweigvereins ijt in—
zwifchen auf 93 gewachſen.
Ratibor. Am 6.11. veranitaltete der Verein eine öffentliche
Hand Sachs-Feier, bei weldyer Oberlehrer Dr. Engemann ben
Bortrag hielt.
Trier. Nach einem Berichte des Vorſitzenden, Profeffor
Dr. van Hoff, über die Hauptverfammlung wurden am 18. 10.
die Aufichriften auf den Schildern und Dentmälern der Stadt
Trier gemeinfam beiprochen, wobei ſich herausitellte, daß dieſe
auffallend viel unnötige, oft noch dazu falich qeichriebene Fremd⸗
wörter oder Verſtöße gegen die Geſetze der deutjchen Sprache, die
Rechtichreibung und die Jeichenſetzung enthalten. Mehrere Herren
vom Rorjtande erklärten ſich bereit, allen Mitbürgern, die irgendwo
eine öffentliche Aufichriitt anbringen wollen und dazu quten Hat
wünſchen, ſolchen zu erteilen. — Am 15. 11. wurde u. a. der
Verſuch gemacht, das Wort »Kultur« zu verdeutfchen, wofür im
forjilichen Sinne »Anbaue, in der Mehrzahl » Anbauten« Anklang
fand. Auf die Anfrage eines Mitgliedes, ob es nicht angezeigt
ſei, Stellung zu der Schriftgattungeftage zu nehmen, verwies der
Borfipende aut Sapung 3 und auf die Ausführungen des Ge—
jamtvorjitenden in der Hauptverfammlung. Dabei wurde erwähnt,
dab jüngit eine vortrefflihe Arbeit über Moltte (»Moltfed Lehr-
und Wanderjahre«) von Dr. Dar Jähns erjcdienen ſei. Auch
das Aufſchriſtenweſen lam wieder zur Sprache. In dem Streite,
ob ein geplanter Brunnen Balduin= oder Balduinsbrunnen zu
nennen Fi erflärt fi) der Verein entichieden gegen die letztere
Form, weil das verbindende s (fein s des zweiten alles),
das überhaupt, wo nicht jchon gebräuchlich, zu befämpfen jei, bier
im Genetiv jehr unſchön Hänge (Balduinsbrunnens). Mit Beifall
| wurde der Borjchlag eines Mitgliedes aufgenommen, Baldemwin-
brunnen zu jagen, denn Baldewin jet die urjprüngliche, deutſche
Form deö Namens (balde = fühn; win = Freund).
Wermelslirhen In der Sikung am 2.11. jeßte Reftor
del im Anſchluß an die Beipredung feines z an bie
Dauptverjammlung (vergl. Ztichr. 1894 Nr. 9 Sp. 165/69) auss
einander, wie notwendig es fei, daß der deutſche Spradwerein
die Reinigung der Bolfs- und Jugendſchriften von entbebrlichen
Fremdwörtern und ausländischen Nedensarten in Angriff nehme.
Er zeigte alsdann, wie er jich die Ausführung denfe, ohne ſich
freilich zu verheblen, daß er damit eine Miefenarbeit anzugreifen
vorichlage und dak nur bei reger Teilnahme aller Zweigvereine
das Biel erreicht werden fünne.
Zittau. Zum eritenmal jeit feinem Beitehen veranstaltete
der Verein am 14. November einen Familienabend, mit dem
er, nad) dem zahlreichen Zuſpruch zu urteilen, einen guten Zug
gm und mande neue Freunde gewonnen hat. Den äußern
nlaß bot der 400ſte Geburtstag Hans Sachſens. Nachdem
Herr Piarrer Gocht mit einem Freunde des Vereins auf dem
Klavier die Duvertüre zu Wagners Meifteriingern vorgetragen,
leitete der Vorſihende, Bürgermeiſter Dertel, die freier mit
einer Anſprache ein, in der er unter Bewilllommnung der Ber:
janmelten die Zwede und Ziele ded Sprachvereins beleuchtete.
Die Tochter eines Mitgliedes trug dann Hans Sachſens
poetijdhe Sendung von Goethe vor, und der Schriftführer,
Dr. Mattbias, hielt einen Bortrag über Hans Sachs, in welchem
er in großen Zügen ein Bild vom Leben des Nürnberger Meiſters
entwarf, jein Wirken jchilderte, jeine Werte nadı Inhalt umd
Sprache würdigte und jeine Bedeutung für die Gegenwart vor
Augen stellte. An die Mede fchlofien fi die Aufrührung des
jinnreichen Faſtnachtſpieles Frau Wahrheit will niemand
herbergen und Liedervorträge.
Geſchaftlicher Teil,
In dem der Haupwerſammlung erjtatteten Jahresberichte
(Sp. 167 unf. Ziſchr.) war mitgeteilt worden, daß der Schriftleiter
Herr Georg Eyraud im Meuhaldensleben auf Antrag der
Staatsanwalticaft vom Amtsgerichte wiederholt mit Geldjtraien
belegt worden ſei, weil er dadurch, daß er ſich als verantwortlicher
Scriftleiter bezeichnete, den $7 des Neicheprefgejeges über:
treten habe; er hätte als verantwortliher Redakteur unterzeich-
nen müjjen. Es ijt jener dort bereus berichtet worden, daß der
ftändıge Ausſchuß unſeres Gelamtvorjtandes eine Vorjtellung an
den Königlich preußischen Auftizminiiter gerichtet babe, um wo—
möglich der Wiederholung eines jo auffälligen, das deutiche Sprach—
gejühl empfindlich verlependen Borgebens der Behörden vorzubeugen.
Der Herr Miniſter hatte dieje Bortellung an den Königlihen |
Oberjtaatsanmwalt zu Naumburg a. d. S. abgegeben, und Ddiejer ers |
öffnete dem Vorſißenden des allgemeinen deutichen Spradvereins, |
fein Verlangen, daß in Füllen der vorliegenden Art in Zukunſt
die Erhebung der Anklage unterbleiben möge, müſſe als geſetz—
widrig abgelehnt werden. — Gegen dieſe Berfügung erhob der
Borjigende namens des Geſamtvorſtandes Beſchwerde beim Aujtizs
miniiter, und diefer erwiderte nunmehr perjünlich, dai; er zwar
zu dem beantragten Erlajje einer allgemeinen Anordnung feinen
hinreihenden Anlaß gefunden, jedoch an den Oberjtaatsanwalt in
Naumburg das Geeignete verfügt habe. Da nun Überhaupt |
Briefe und Drudiaden für die Bereinsleitung
find an den Borjipenden,
Oberftleutmant a. D. Dr. Mar Jähns in Berlin W.10,
Margarerenfrabe 16,
nur im Bezirke der Oberjtaatsanwalticaft Naumburg derartige
Anklagen erhoben worden find, von denen die oben erwähnte mit
der Verurteilung des Angeklagten, die andere in Schönebed mit
dejien Freiſprechung endete, fo ijt nach der Verfügung des Jujtiz-
miniſters nunmehr wohl mit Bejtimmtheit zu erwarten, daß Ans
Hagen foldyer Art überhaupt nicht mehr erhoben werden.
Die Hweigvereine Brud, Müblbaufen, Elbing und
Gneſen haben ji aufgelöft.
In Prüm i.d. Eifel bat ſich am 13. 11. ein neuer Zweig—
verein gebildet, dem ſogleich 33 Herren beitraten. Zum Bor-
| figenden wurde Profejior Dr. Hermes, zum Schriftführer umd
Kaſſenwart Seminarlebrer Solj, zu deren Stellvertretem Kreis—
ichulinipeftor laufe und Überiöriter Chriſta erwählt. Wir
rufen dem neuen Bereine, von dejien Begründung wir durch den
erprobten Borlämpier für unſere Sache Bergweilsleiter Zacha—
riae in Bleialf die erſte Nachricht erhielten, ein herzliches Gtüd-
auf zu!
Bur Erteilung von Preiſen für die beiten dichterrfchen Faſ—
jungen unferes Bereinswahlipruches ging un® ein Beitrag von
| fünf Mark von Herm D. A. Zunz in Frankfurt a. M. zu, wofür
wir vielmals danlen. Die Leitung.
Weidiendungen und Beitrittoerflärungen ————
den Schapmeister,
Verlagspuchhändter Eberhard Eruft in Berlin W.al,
| Wilhelmitrabe 0,
| am
Briefe und Drudiacden für bie Zeitſchrift find an den Seraußgeber, Oberlehrer Friedrich BWappenbans in Berlin N. W. 23, Altonaer Etrafe H,
Briefe und Zuiendungen für die Wiſſenſchaſtlichen Veibefte an Kroſeſſor Dr. Baut Bierih, Berlin W.ab, Mopitrabe 12,
au richten,
Beilagen: 1. Litterariſche Feitgeihbente für Jung und Alt aus dem Verlage von Ferdinand Hırt u. Sohn, Ver—
lagebuchhandiung in Leipzig. — 2. Ankündigung von Baul Zemke, Importbaus und Fabrik in Stettin.
Sir die Leitung verantwortiid Srtedrig Bappenbans, Berlin. — Beriag des allgemeinen deutichen Spradwereins.
Drud der Buchdruderel des Watienbaufes in Halle a. d. S.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
X. Jahrgang.
Berlin,
Verlag des allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
1895.
Inhaltsverzeichnis
des Jahrgangs X der Zeitſchrift (1895).
Die Zahlen verweiſen auf die Epalten.
I. Selbitändige Auffätze.
a) Nach Stihmworten geordnet.
Beleg, Belege oder Belag, Beläge. Bon H. Dunger. 53.
Bismard, Anſprachen des Fürſten, Der u Ausdrud in den.
Von Brof. Dr. Hugo Blümner. 77—87
Bismard, Dem Fürften, als dem Meifter der deutſchen Sprache.
Gedicht von May Jähns. 73/4.
Bismard, v., Der ——— als Redner. Von Dr. Hermann
Wunderlich. 98—1
— Fürſt, und Ds Fremdwort. Bon Dr. Dtto Lyon.
7
Bismards, Beugnifie der Reden, zu einigen vielerörterten Fragen
der deutichen Saflehre. Bon Dr. Theodor Matthias. 110— 20,
Bühnenmeien, Die Berbeutjchung von Fremdwörtern im. Won
Dtto March. 49 — 52.
Dialoniſſe oder Diatoniffin. Bon H. Dunger. 54.
Entwidelung, Die, der deutſchen Sprache bis auf Luther in den
Srundzügen Bon Th. Uhle in Görliß. 233 —41.
Fichte, Joh. Gottlieb, ein Streiter im Geifte unſers Vereins.
Bon Dr. Theodor Matthias. 158— 64.
Fremdwörter, Von der Ausmerzung der, im Leben und in der
Schule. Bon Saalfeld. 171,2
Fremdwort im Volksmunde. Bon Streicher. 52/3.
Fremdwort im Bollsmunde, Noch einmal das. 125.
Fremdwörter und Kernwörter bei Muſäus. Won Dr. Emit
Muellenbad. 9— 14.
Freytags, Zum Gedächtniſſe Guftav. Bon O. Etreidyer. 153 — 58.
Gerichtsdeutich und AÄhnliches. Bon K. Bruns. 25—29, 41-46,
121 — 25.
Geichichtsioriher, Die, und der deutihe Sprachverein. Bon
Dr. €. Gantter. 224/5.
Gierbrüde, Giergaſſe. Bon Dr. 3. €. Wilfing (Bonn). 241 — 43.
Greif, Martin, und Hand Sadıd. Bon Julius Sahr, 249 — 52.
Guten Tag! — nicht Adieu! Ron Dr. Saalfeld. 222 — 24.
Häufigkeit deutiher Wörter. Dr. Amſel (Lichterfelde), 47 — 49.
Hanſel und Gretel. Bon Saalfeld. 14.
Hildebrands, Aum Gedächtnis Rudolf. Von Julius Sahr. 1—9.
Hildebrand, Einweihung des Grabdentmals für Rudolf.
Julius Sabr. 252/38.
Jugend= und Boltsichriften, Berdeutſchung der ———— in
unſern. Bon Wilhelm Idel. 141 — 43, 164 -
Laut eines in Händen habenden Briefes. Von 5 Streicher.
144/5.
Mittelwortd, Zum Gebrauche des. Von H. Dunger. 54/5.
Mufit, Zur Geſchichte „der Fremdwörter im der deutichen. Bon
E. Wilting. 219—
Ölgöpe, Ollopf. Von Di 3. €. Wülfing. 15 — 9.
Breisausichreiben, Zwei neue für Verdeutſchungen. Bon Fried⸗
rich Wappenhans. 172— 74.
Nechtfertigung, Zur. Bon Fr. Jeble. 145/6.
Spradydummbeiten, Zu den. Bon Friedrich Kluge. 29—31.
— —— allerhöchſter Befehle. Von Dr. Ferdinand
hull. 143/4
Straßennamen, Bericht über die Verdeutihung von. Bon Prof.
Stier. 31—35.
Straßennamen, a ebnis der —— wegen Schreibung von.
Von Dr. J uülfing. 203 —55
Stephan, > v., Fe ——— es Staatsjetretärs. Bon
Dunger. 137 —4
Unjere Sprache, An. — von Felix Dahn. 217,8.
Unverfroren,. Bon 9. Dunger. 53/
Berwaltungsdienite, Überflfige Fremdwörter im. Bon Saal:
feld (Blantenburg). 46/7.
Bon |
a on Die, des deutfchen Sprachvereins. Bon H. Muthe-
ius.
Wahlſpruch, Unſer, in dichteriſcher Faſſung. Bon Friedrich Wappen:
hans. 174.
b) Nach Verfaſſern geordnet.
Amſel, Häufigleit deutſcher Wörter. 47— 49.
Blümner, Hugo, Der a Ausdrud in den Anſprachen
des Duden Bismard.
Bruns, K., Gerichtsdeutſch und ihnliches 25—29, 41- 46,
121— 9
Dahn, Felir, An unjere Spradie. 217/8.
Dunger, Hermann, Beleg, Belege oder Belag, Beläge. 53;
Unverfroren. 53/4; Diakoniffe oder Diatoniffin. 54; Zum Se:
brauche des Mittelmortes. 54/5; Zum WUmtöjubelfeite des
GStaatsjetretär® Dr. v. Stephan. 137 —41.
Gantter, E., Die Geſchichtsforſcher und der deutiche Spradjverein.
224/5.
Sähns, Mar, Dem Fürften Bismard ald dem Meifter der
deutichen Sprache. 73/4.
Idel, Wilhelm, Die Berdeutfhung der Fremdwörter in unfern
Jugend: und Vollsſchriften. 141—43, 164— 70.
Seble, Fr., Zur Rechtſertigung. 145/6.
Khull, Ferdinand, Spradlihe Verhunzung allerhöchſter Be:
fehle in der Ih 1434.
Lyon, Otto, Fürſt Bismard und das Fremdwort. 87—66.
March, Otto, Die Verdeutſchung von Fremdworien im Bühnen-
weſen. 49—52.
Matthias, Theodor, Zeugniſſe der Reden Bismards zu einigen
vielerörterten fragen der deutichen Saplehre. 110— 20.
Mattbiad, Theodor, Job. Gottlieb Fichte, ein Streiter im
Geiſte unſers Vereins. 158 — 64.
Muellenbad, Ernſt, Fremdwörter und Kernwörter bei Mujäus.
—14.
9., Die Wahlipructafel des deutſchen Sprad):
Mutbefius,
vereins. 175/6. hr
Saalfeld, Günther A., Hanfel und Gretel. 14; UÜberflüffige
Fremdwörter im Verwaltungsdienſte 46/7; Bon der Aus:
merzung der Fremdwörter im Leben und in der Schule. 171/2;
Guten Tag! — nicht Adieul 222— 24.
‘ Sabr, Julius, Zum Gedächtnis Rudoli Hıldebrands. 1—9;
Martin Greif und Hans Sachs. 249—52; Die Einweihung
des Grabdentmals für Rudolf Hildebrand. 252/83.
Stier, Bericht über die Berdeutichung von Straßennamen. 31-35.
Streider, D., Fremdwort ım Vollsmunde. 52/3; Laut eines
in Händen habenden Briefes. 144,5; Zum Gedächtmijie Guſtav
Freytags. 153 —68.
uUhle, Th, Die Entwidelung der — Sprache bis auf
Luther in den Grundzügen. 233—4
Wappenhans, Friedrid, Zwei — Preisausſchreiben für
Verdeutſchungen. 172—74; Unſer Wahliprudy in dichteriſcher
Faſſung. 174.
Sing G., dur Geſchichte der Fremdwörter in der beutichen
Mufi. 219 —
Bülfing, 3 J. E., "Eipöe, Ollopf. 125— 29; Gierbrüde, Gier:
gaſſe 4143; Ergebnis der Umfrage wegen Schreibung von
Straßennamen. 253 —55.
WBunderlid, Hermann, Der Abgeordnete von Bismard als
Redner. 08 — 110.
_ F. W., Fremdwörter der Handelsiprade.
= Kleine Mitteilungen.
Deocennium
Döhler, — in Berlinchen und Begründung des Zweigvereins
ch
a. , Brieffteller für Kaufleute. 176.
Ei erfelder — —— — 129.
Entbehrliche Fremdwörter,
Ferienlurſe an der Univerfität —— 55/6.
Halle, Kundgebung der Kaufleute von. 226/7.
Hamburger Handlungshäufer, nee: der, gegen das Fremd⸗
wörterunmwejen im Saufmannäftande.
Jägers, Oslar, —— getadelt * W. Schrader. 256.
ugendbund, Hannover ı
önigsichente zu Kaſſel. 256.
Koupterung der Nogat. 177.
Langerfeld, Antrag. im Braunſchweigiſchen Landtage gegen die
Fremdwörter. 57.
Mipbraud; von bezw, 129.
— deutſcher Sprache an einem deutſchen Fürſtenhoſe.
—* a
Dlolygen
Beqnhe — Ernennung Herman Wie Sm. und
udwig Kellers u — ————— Mitgliedern.
Schütt, Edouard, Miniatures pour Piano. 176.
Seitz, Prof. Dr., Vortrag über Fremdwörterunfug. 56,
Spradjreinigung in der Poſtverwaltung vor 50 Sahren.
Spradhreinigung, Das Hödjte der. 244/5.
Strudmann, Vorgehen ded Oberbürgermeifters, im preußiſchen
Herrenhaufe gegen das Übermaß von Fremdwörtern. 176/7.
Sturm Gebrüder, Verfahren des Handlungshaufes in der Fremd—
wörterfrage. 36.
Ummelt — Milieu. 56/7.
Vente de meubles. 256.
Weimar, Der deutſche Sprachverein zu. 129.
245.
II. Spradlihe Muſterleiſtungen.
14/5, 55, 146/77, 296, 243/4.
IV. Bücherfcan.
a) Beſprochene Drudigriften.
Borhardt, Wilhelm, Die ſprichwörtlichen Redensarten im deutichen
Bollsmunde. Bon Karl Menge. 147.
Bon Hermann
16/7.
Dunger.
Von Johannes E. Rabe. 36.
| Dasjelbe.
— — — Karl, Eiymologiſches Wörterbuch der deutſchen Sprache.
—
—
Von Karl Schefler 55/9.
Hulmann, Prof. 8
Karl Scheffler. 7/8
Kluge, Friedrich, Emmologiſches Wörterbuch der deutſchen Sprache.
Von Karl Scheffler. 57/8.
Yeitbäufer, X, Gallicismen in niederbeutihen Mundarten.
Kari Menge. 178.
May, Martin, Beiträge zur Stammkunde der deutichen Sprache.
Bon Karl Scheffler. 59,60
May, Martin, Der Anteil der Keltgermanen an der enropäiichen
Bildung im Altertum. Bon Rudolf von Scala. 129/30,
Nagl, J. W., Ir, Deutiche Lehnwörter im Gzeciichen. Bon
D. Brenner. 257.
Dennhauien und jeine Indikationen. Von Friedrid) von Hoffe.
2.76.
Riegel, Herman, Die bildenden Künſte. Bon Karl ren. 248.
Saalfeld, Güniber A., Dr., Loſe Blätter zu Nuß und Frommen
des. allgem. deutichen Sprachvereins. Bon Paul Pieiſch. 61.
Weiſe, D., Unſere Mutterfprache, ihr Werden und ihr Weſen.
Von H. Wunderlid. 245 —47.
Wolferts, %, Veremfachte ameritaniihe Buchführung. Von
% W. Eipen. 238.
die Wiſſenſchaft und ihre Sprache. Won
Bon |
b) Eingefandbte neue Drudidriften.
17, 61/2, 147/8, 178, 258/9.
V. Zeitungsſchau.
Neue Aufſätze, Beſprechungen ufw. in Zeitungen
und Zeitfchriften.
17, 62/3, 148/9, 28/9, 259.
VI. Spredjiaal.
53—55, 225/6.
VII. Aus den Zweigbereinen.
Machen. 63. Köln. 66, 132.
Aurich. 130. Koihmin. 132.
Berlin- Charlottenburg. 18,63, Leipa (Böhmen). 66/7.
130/1, 260. Leipzig. 20, 132.
Blantenburg a. H. 36. Leoben. 132, 180,
Bonn. 18, 63/4, 131, 149, Linz ad. D. 67, >
229, 260/1 Lũbed. 20, 67, 1327
Boppard. 131. Magdeburg "262!
Braunſchweig. 261. Marburg a.d.D. 20,67,133,
Breslau. 18/9, 64, 131, 179. 229.
Celle. 19. Marienwerder. 67, 150.
Ehemnig. 64, 131, 150, 261. Münden. 133.
Gjernowig. 131,150,179, 261. WMüniter i. W. 2%, 229,
Darmitadt. 19. Neuruppin. 67/8.
Dreöden. 19, 64/5, 131, 150, Nürnberg. 180.
261/2. Blauen. 150.
Diüffeldorf. 131. Prag. 20.
Duisburg. 131, 150. Prüm i.d. Eifel. 68.
Elberfeld. 65, 131, 179. Ratibor. 68, 262.
Eiien. 19, 65/6, 262. Neihenberg. 20/1, 133.
Frantfurt a. M. 179, Rubdolitadt. 229.
Freiberg i. S. 131. Scopfeim. 133.
Freiburg i. Br. 66. Straßburg i. €. 133.
Görlit. 131/2, 262. Stungart 21, 68, 134.
Graz. 132. Sulingen. 134.
Grimma i. S. 132, Trier. 21, 68, 134, 263.
le a.d.&. 66, 132, 180,262.
mburg. 36, 150.
Tübingen. 21/2.
Wermelstirhen. 22, 134, 263.
134.
zn 66. Weſel.
aſſel. 132. Wien. 69.
Stempen. 19/20, 132, Zittau. 134.
Koblenz. 20, 150. widau. 134.
VIII. Brieftaiten.
22— 24, 69/70, 134— 36, 151/2, 180—82, 229—32, 263/4.
X. Vereinsangelegenheiten.
Nußerordentlihe Gaben. 69— 71, 183/4, 232.
Bismard, v., Otto, Fürjt, Emennung zum Ebrenmitgliede.
75—78.
Dresdener Aufruf, Belanntmachung betreffend den. 23/4.
Freytag, Guſtav, Todesnadricht 152.
Hauptveriammlung zu Graz, Vorläufige RE ujm.
151/2, 183.4. Berndt über die. 185 — 214
Hildebrand- Dentmal, Aufruf zu einem. 23. Eingegangene
Beiträge. 40, 72, 135.
Kern, franz, Todesnadridht.
Laibach, Aufruf für. 181/2.
PBreisausjchreiben für die befte dichterifche Fafjung des Ver:
einswahlipruches.
Prersausicreiben. Deutſche Pilanzennamen für die deutiche
Schule. 231.
Sigungen des Geſamtvorſtandes. 37—40, 215/86.
Wifſſenſchaftliche Beihefte. Belanntmahung betreffs Ber:
ſendung derſelben.
23.
D
+.
X. Jadrgang Ar. 1.
Januar 1895.
Beitf chtift
allgemeinen deutfchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich EN
Diefe Beitihrift erihelnt fähetich zwölfmal, zu Nnfeng jedes Monats,
und wird bem
geliefert (Gapung U).
des allgemeinen deutschen Epradwerelns unentgeltlich
Die Beltfchrift ann er durch den Buchhandel oder die Bott
su BME, jährlich bezogen werben. — Anzelgenannahme durch den Ecapmeifter
&berbarb Ernät, Berlin @.4,
Wilhelmfer. 90. — Auflage 15000.
Inhalt: Bekanntmachung betr. Anzeigeblatt. —
Kernwörter bei Mufäus. Bon Dr. Ernſt Muellenba
um Gedächtnis Rudolf Hildebrande. Bon Julius Sahr. — Fremdwörter und
, Bonn. — Hanjel und Gretel.
Bon ©. 9. Saalfeld. — Sprachliche Mufter-
leiftungen. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsichau. — Aus den Hweigvereinen. — Brieffaften. — Geihäftlicher Teil.
Mur biefer Nummer wird zum evjtenmale der Verſuch
gemacht, unſerer Zeitichrift ein
| Anzeigeblatt
beizugeben.
Bei der überaus großen Verbreitung unſeres Vereins und
jomit aud) der Zeitſch F deren Auflage gegenwärtig 15 000
beträgt, wird dieſe Neuerung — zumal der ſtändige Ausſchuß
beſchloſſen hat, ſämtliche Anzeigen aufzunehmen, auch wenn fie
feine unmittelbaren Beziehungen zu den Beitrebungen des Sprach⸗
vereins haben, ſondern lediglih faufmänniüchen und gewerblichen
Zweden dienen — zweifellos allfeitig die größte Beachtung finden.
Unjer Berein jept ſich aus den verjchiedenartigiten Beruis-
Hafjen der gebildeten Kreiſe zufammen und daher würden auch
Anzeigen der verichiedenften Art von gutem Erfolge begleitet jein.
ir bitten namentlich. unfere faufmänniihen Bitglieder, | Rudolf feinem Vater war, zeigen die tief empfundenen Worte,
ed Unternehmen durch Überweifung von Anzeigen zu unter:
jtüße
"Sie im Kopie der Beilage angegebenen Preife find mit
NRüdficht auf die außerordentlich hohe Auflage und die noch jonjt
gebotenen Vorteile jehe mähig. Bei der Wiederholung von Un:
zeigen gewähren wir außerdem einen erheblichen Nachlaß.
Anzeigenaufträge find an den Indalidendanf, Berlin W,, |
Martgrafenitraie 5la oder ben Unterzeichneten zu richten.
Weitere Vermittelumgen, die den Verkehr nur verteuern, find
ausgejchlofien.
Eberhard Ernft,
Schatzmeiſter und Geſchäftsführer
des allgemeinen deutſchen Sprachvereins
Berlin W. 41,
ra 90.
Sum Gedächtnis Kudolf Bildebrands.
Bon Julius Sahr.*)
Die jolgenden Zeilen beabfichtigen nicht Rudolf Hildebrands
Werfe eingehend zu beipredjen oder jeine Stellung in der deutichen
Wifjenjchaft unſerer Zeit umfaflend zu ſchildern. Sie möchten
nur ein jchlichtes Bild von ihm als Menſchen und Lehrer ent:
werjen; Zeugnis möchten fie ablegen von dem, was er ald Menſch
und Lehrer dem deutichen Volle und vor allem auch gerade dem
allgemeinen deutſchen Spracdverein geweien ift; Zeugnis endlich
— — — — ———
*) Dem Aufſatz liegt die Gedenkrede zu Grunde, bie der Verſ.
am 15. November 1894 im Dresdner Aiveiqvereine gehalten bat.
| Frankreich fennen zu fernen.
von der Verehrung, der warmen Dankbarkeit, womit wir Zurüd-
bleibenden allezeit des teuren Hingeichiedenen gedenlen werden.
Nudolf Hildebrand iſt ein Sonntagsfind; an einem Sonn-
tage wurde er geboren, in Leipzig am 13. März 1824 — an
einem Sonntage ijt er geichieden, in Leipzig am 28, Oktober 1894.
Sein Vater war Faltor in der großen Brodhausjchen Druderei,
ein Mann von regem Geiſte und großem Fleiße, an den der
Sohn jtets mit rührenditer Dantbarfeit zurüdgedacht hat, und der
auch, jelbjt mehrerer Spradjen mächtig, den Sohn zuerſt in das
Lernen umd die denfende Betrachtung fremder Sprachen einführte.
Auf der Johannisgaſſe land das Haus, wo er geboren wurde
und jchöne erinnerungsreiche Jugendtage verlebte. Hier wuchs er
auf, an der Eeite eines vielgeliebten Älteren Bruders Hermann,
der ihm im 9. Rahre entrifjen wurde. Was der einzig überlebende
die der Vater wohl damals auf ein Erinnerungsblatt ſchrieb:
» Einzige Hoffnung noh Du — O möge Did) Gott uns er:
halten! Daß, wenn wir einjt eingehn zur Ruh, — In Deinem
Arm wir erfalten.«
Hildebrand beſuchte von 1836 an die Thomasjchule 1843
bezog er die Leipziger Univerjität, um fi) dem Studium der
klaſſiſchen Philologie zu widmen, nachdem er den Blan, Geiſtlicher
zu werden, aufgegeben hatte. Im Jahre 1848, nah Abſchluß
feiner Studien, gedachte er in die Welt zu fahren, talien und
Die Unruhen jener Zeit hielten ibn
aber zurüd, es iſt überhaupt nie dazu gelommen. Er wurde nun
1848 Lchrer an der Thomasſchule in Leipzig, Zwanzig Jahre
lang hat Hildebrand den Lehrerberuf, in dem er fid) auferordent:
lich wohl fühlte, mit größter Liebe und Begeiiterung ausgeübt.
Schon in diefer Zeit entwidelte fich jeine freie, jeder Schablone,
jedem toten Wiſſen abholde Eigenart als Lehrer. Er las mit
‘ feinen Gymnafialten Nibelungenlied und Walther und fam mit
den Etrebiameren auch außer dem Unterrichte zu gemeinfamen
Studien bei freierem Verkehr zufammen. Damals vollzog ſich
allmählich, aber jiher die Wendung, die ihn ſchließlich der deutſchen
Wifienichaft völlig zuführte. Aus einem zufälligen und gelegent-
lichen Mitarbeiter an dem feit 1837 begonnenen Grimmſchen Wör-
| terbucche wurde er ein ftändiger Mitarbeiter und unentbehrlider
Beirat, jo daß ihm 1864 nad) dem Tode Jakob Grimms die Ober-
leitung des ganzen Wörterbuches wie jelbjtverjtändlich zufiel.
Daß Hildebrand 20 Jahre Lehrer war, ehe er zur Univerjität
überging, it von größter Bedeutung: denn gerade das führte ihn
3 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. x. Jahrgaug. 1895. Nr. 1. 4
zu einer bei Univerjitätäprofejioren höchft jeltenen Überzeugung —
der Überzeugung nämlih, dah Leben, Schule und Univers
jität aufs innigjte verbunden, ja verſchmolzen werden müßten.
Den Grundſatz, daß wir auf der Schule wie auf der Univerjität
fürs Leben lernen, daß aljo die Wifienichaft des Lebens wegen
da iſt und nicht das Leben der Wiljenfchaft wegen — diejen Grund—
ja hat niemand fo ftreng und weitgehend befolgt wie Hildebrand,
und eben deshalb ſchon ift er unter den Iniverjitätsprofefioren
eine ganz einzige Erjcheimung. Fir ihn gab es feine Kluft,
die Voll und Gelehrte trennte,-für ihm gab es fein vornehmes
Sichabſchließen irgend eines Standes oder der jogenannten Geiſtes—
arijlofratie, für ihn gab ed nur ein großes lebendiges Ganze,
defien Glieder wir alle find: das Volt, und an diefem großen
Ganzen haben wir alfe, jeder an feinem Ort und in feiner
Art, zu arbeiten. Das war der grohartige Gefichtäpunkt, von dem
aus Hildebrand auch jeine Stellung al® Univerjitätslehrer aufs
fahte. Wenn Hildebrand fehrte, jo ſchwebten ihm jeine Hörer
nicht nur als Studenten, ſondern zugleic als die Kinftigen Lehrer,
Erzieher und Prediger des Volls vor; nie fehlte in dem, was er
dachte und jagte, die Beziehung auf die gefamte Nation.
Im Jahre 1869 wurde Hildebrand von der Negierung ala
außerordentlicher Profejfor an die Univerfität Yeipzig be
rufen, um den gedeihlichen Fortgang des großen nationalen Wör-
terbuches zu ſichern. 1874 wurde er ordentlicher Profefior. Als
ſolcher it er bis zu jeinem Tode ununterbrochen thätig gewejen, ge
teilt in feiner Arbeit zwifchen dem Rieſenwerk, feinem »lieben böfen
Wörterbuch⸗, wie er es nannte, feinen VBorlefungen und jeinem
übrigen, gegen Ende jeine® Yebens immer reicher werdenden
Schaffen. — Seit vielen Jahren indejjen hatte jich ſchweres, un:
ausgejegtes Leiden, der Rheumatismus, bei ihm eingejtellt, Ge—
hindert hat ihn aber auch das ſchwerſte Leiden nie an geiltiger
Thätigleit. Noch weniger vermochte eö, feine Freude am Leben
und Schaffen zu trüben, feinen hofjnungsreichen Ausblick in die
Zufunft zu verfümmern oder gar das Gleichgewicht jeiner feit in
Gott ruhenden Seele zu erfchüttern. Selbſt unter den empfind- |
fichjten Scimerzen behielt der Geiſt die Oberhand, und wenn er
einmal in einen Gegenjtand hineingeraten war, jo jchwand bald
jede Spur fürperlichen Leidens aus Stimme und Rede, und jein
reicher Geiſt entfaltete jich in friſcheſter Urkraft, in überquellender
Fülle. Selbſt auf dem Schmerzenslager arbeitete er. Sein wunder:
bares Gedächtnis, vor allem aber der jeinem Bewußtſein ſtets
Hare große Zuſammenhang, in dem ihm auch die Meinten
philologiichen Kleinigkeiten vorſchwebten, befübigten ibn zum Dit
tieren, umd diefen Diltaten merkt man in nichts an, daß fie von
einem Schwerkranken herlamen. — Auch jonitige ernitere Prü—
fungen hatte er durchzumadhen; er ertrug jie, wie jeine Kranfheit,
mannhaft und mit chrijtlicher Demut. Seit dem Winter 1859/90
fonnte er nicht mehr gehen und mußte daher die Borlejungen in
feiner Wohnung halten; bis 1592 las er ſo in jedem Semeſier
zwei Kollegien, jeit dem Winter 1892,93 nur noch eins. Seine
ichier unverwüſtliche Geiſteskraft brach aucd an jeinem 70, Ges
burtstage, am 13. März 1594, immer twieder durch. Vermochte man
ſich nur erſt über den Anbiid feines körperlichen Leidens hinweg:
zuſetzen, fo mußte man ftaunen über feine Geiſtesfriſche. Unvergeſſen
wird allen, die ihn an diejem Ehrentage jahen, bleiben, wie tief und
dankbar er von der Liebe, der Verehrung, die ihm dargebradht
wurde, gerührt war, aber auch, mit welcher Friſche er den zahl-
reichen Glückwũnſchenden antwortete, wie lebhaft und kräftig er
auf Gedanken, die ihn tieier beichäftigten, einging, wie heiter
und bereitivillig er aus dem Scabe feiner Weisheit und Er-
fahrung mitteilte, mit welchem Humor bald, und bald mit
welchem Ernſte er als Hausvater das Tiſchgeſpräch lenkte und
leitete. =
‚Und jo iſt er geblieben bis zulept. Eine Woche vor feinem
Zode hat er noch mehrere Prüfungen abgehalten, bis zu feinem
Sterbetage hat er ſich Zeitungen vorleſen laſſen und durch Fragen
feinen Anteil an den Tagesereignifien bekundet. Er bat Brice
und Anfragen angehört und beantwortet und gedachte am 5. Novem-
ber als Winterfolleg jeine geliebte Deutihe Rhythmil und
Metrit anzufangen. Doch dazu follte es nicht mehr fommen:
janft und ſchmerzlos entfchlummerte er am 28. Oftober, Sonntag,
in früher Morgenftunde — im Tode nod) mit jenem Ausdrud
milder und friedevoller Schönheit auf dem Antlig, die er jelbit
in feinen »Tagebuchblättern eined Sonntagspbilofophen« jo er
greifend geſchildert hat.
Grob war das Gebiet, das Hildebrand in jeinen Vor:
lefungen und feinem Privatiffimum beberrichte: kaum irgend
ein Teil des unermehlichen Gebietes deutjcher Litteratur und
Sprache war ihm fremd geblieben. Doc hatte er feine Lieb—
linge unter den Dichten und Werfen, zu denen er in immer
neuer Betrachtung zurüdtehrte. Man fann beobachten, daß dies
jtetS jolche Männer oder Dichtungen find, die mit der Volfs-
jeele Fühlung behalten hatten, Werke, die nicht mur den
groben Dichtergeift, fjondern auch den deutichen Vollksgeiſt ver:
fürpert zeigten. Solche Sonnen, um die jeine Betrachtung ſich
immer wieder drehte, waren int der alten Zeit Walther und
feine Vorläufer und Zeitgenofien, Nibelungenlied, Gudrun,
denen, meilt im Prwatiſſimum, Meier Helmbrecht und der
Sachſenſpiegel jich anſchloſſen. Aus dem Übergang zur neueren
Zeit war das Bolfslied in feinen Beziehungen zur deutjchen
ſtultur⸗ und Litteraturgeichichte fein Hauptkolleg und feine Haupt-
flärte, eim Gebiet, auf dem er umftreitig der tiefite und feins
finnigite Kenner unſerer Zeit war; bat er doc auch jelbjt
eine Sammlung biitorischer Volkslieder herausgegeben. Daneben
stand (Privatiſſinum) Thomas Blatter und Widrams
Nollwagenbüclein. In der neueren Zeit endlich waren es
die großen fünf: Klopjtod, Leſſing, Herder, Goethe und
Schiller, ihre Vorläufer und ihr geheimiter Zuſammenhang durch
das ganze 18. Jahrhundert, denen er das eindringlichite Studium
widmete. Sein Kolleg über die Litteraturgeichichte des 18. Jahr:
hunderts, über Goethes Lieder, Goethes und Sciller® BZufanı-
menwirlen, jeine Prwatiſſima über Leſſing, Herder, den jungen
Soethe, über Fauſt waren für verjtändnisvolle Hörer ebenfoviele
Offenbarungen. Endlich find, ebenfalls an eriter Stelle, zu nennen
feine Vorlefungen über Deutſche Grammatit, über Etymo—
logie und jeine Deutſche Rhythmit und Metrit, ein Ges
biet, auf dem er jet wohl auch als unbejtrittener Meifter gilt.
Hildebrands litterarifche Arbeiten möchte ich etiwa im drei
größere Gruppen zufammenjtellen, womit jedoch nicht gejagt jein
fol, daß dieſe Einteilung für alle feine Arbeiten ſtreng durch—
führbar iſt.
Die erite Gruppe find die mehr jtreng gelchrten Arbeiten,
vor allem jein ganzes herrliches K, der 5. Band des Wörter:
buchs, ein Rieſenwerk, das 1873 zum Abſchluß kam, und dem
ſeitdem das noch größere & folgte, das zu beenden ihm nicht
mehr bejchieben jein follte. Auch feine Musgabe des 2. Hunderts
von Soltaus hiſtoöriſchen Vollsliedern (1856) und bes
Sadıjenipiegels, ſowie Nuijäge zur Gudrun und anderes ges
hört hierher. — Die zweite Gruppe bilden. die Schriften und
Auffätze, die ſich mehr an einen grüßeren, allgemeineren Leſerlreis,
mindeitens an die Lehrerwelt im weiteften Sinne, wenden. Hier
nenne id; fein befanntes prächtiges Buch Bom deutſchen Sprad)-
5 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 1. 6
unterricht in der Schule (1. Nuflage 1867, dann twicderholt
neu aufgelegt), auf dem jo ziemlicdy der ganze moderne deutfche
Sprachunterricht — umd zwar nicht nur in Deutfchland — ſich
aufgebaut hat. Ferner gehören hierher die zahlreichen Heineren
Aufſätze in Lyons Zeirfchrift für den deutichen Unterricht und
anderen Blättern, die 1890 nahezu vollitändig gefammelt er
Schienen find.
Endlich die dritte Gruppe bilden eine Neihe von Aufſätzen mehr
philoſophiſcher Haltung — aber nicht nad) Art der üblidyen Schul-
philofophie, die Tagebuchblätter eine® Sonntagsphilo—
fopben, 1887 und 1888 in den »Grenzboten«*) erichienen und
zwar ohne Namen, Hier legt Hildebrand, indem er ganz zivang-
108 an die verjchiedenften Gegenſtände anknüpft, feine Lebens:
anfichten nieder; hier vedet er von dem Höchften und Lehten,
was Menſchen beichäftigt, von Leben und Sterben, Trauer
und Treue, von dem, was gut, wahr und ſchön iſt, von
Gott und Welt, von unferer Nation und ihrer Zulunft. Hier
gewährt er und wie nirgends ſonſt einen Einblid in die geheimften
Falten feines Herzens, im die ganze Tiefe feiner Seele. Ich
möchte diefe Blätter fein löſtlichſtes Vermächtnis nennen. Einige
Teile daraus find 1800 in die Gefammtelten Aufſätze und
Borträge (Teubner) aufgenommen; möchte der Verleger der
Grenzboten das Ganze bald in feinem uriprüngfichen Zuſam—
menhang als Buch erfcheinen laſſen! — Wollte man fragen,
welche Werle am beiten in das Verſtändnis Hildebrands als
Lehrer und Denfer einführen, ich würde jagen: Man leſe
erit, aber twiederhoft, fein Buch vom deutichen Sprachunter—
richt — jpäter, aber langſam und mit eindringender Kraft
die Tagebuchblätter eines Eonntagsphilojophen. — Obgleich diefe
Tagebuchblätter ohne des Verfaſſers Namen erichienen, wur:
den Hildebrands Züge alöbald von feinen Freunden und Schülern
erfannt, jo konnte eben nur Einer philofophieren: Hildebrand. **)
Ihm ſelbſt erichien es jehr merfwürdig, daß man ihn erfannte,
und er hat auf die Anfrage eines Freundes, ob er der Verfafler
jet, in feiner humowollen Weife mit folgenden Berjen geantiwor-
tet, die er an feinem 70. Geburtstag in angeregter Stimmung
zum beften gab, als das Geſprüch auf diefen Gegenftand fam:
Ich wills geftehn, ich bins geweſen
Und werd es wohl auch wieder Ihun.
Dak Sie e8 mit Vergnügen leſen,
Das ijt mir das Vergnügen mum.
Ach wollte Freilich mich veriteden,
Pod) iſt mein Stimmton zu befannt;
Es ruft mir nun von allen Eden:
Ach, das ijt ja der — — —
Hildebrand war eine edle, durd und durch harmoniſche und
Hare Perſönlichteit, freilich eine höchſt eigenartige, ja, eine jo
eigenartige, daß fie fich dem Verſtändniſſe jedermanns nicht ohne
weiteres erfchloi. — Allerdings ſpricht Hildebrands Weſen ſchon
aus feinen Schriften eindringlich zum Leſer. Dennoch gehört
zum vollen Verſtehen dieſes Weſens auch Kenntnis der Perſon,
Bolles Leben gewinnen feine Schriften erjt für den, der auch
unter dem mächtigen Zauber des Menſchen Hildebrand geitanden
hat, oder ber im jtande ift, diefen Menjchen aus den Merten
ganz zu ahnen und zu fühlen. Menjc und Forjcher find bei Hildes
brand ſchwerer zu trennen als jonjt wo. Denn er ift eine durch—
*) 1887 in den Nummern 22, 24, 25, 27, 25, 40, 41, 45, 46
und 1888 in den Nummern 5, 15, 27—29 u. 45.
»*) Ich fan dies aus meiner eignen Erfahrung beitätigen.
Obgleich Rudolf Hildebrand nur aus feinen Schriften kennend,
war ich doch von Anfang am nicht einen Augenblick in Zweifel,
daß er der Verſaſſer fein mühte. P. Pietſch.
aus nad innen gefehrte Natur und lann daher nur von innen
heraus, nur aus dem Ganzen begriffen werben. An dem unficht-
baren Faden diefer Perjönlichkeit, der fich durch fie alle durch—
zieht, aufgereiht, treten uns feine Werke als Ganzes mit fprechen-
der Lebendigkeit entgegen, fo daß wir fühlen: wie jie find, jo
müfjen fie fein aus innerer Notwendigkeit. Es war ganz und
gar nichts Gejchäftsmähiges in feiner Thätigfeit. Wo er ſprach
oder ſchrieb, da ſetzte er mit ganzer Seele, mit gefamten Kräften
als voller Menſch ein; nicht Sache des Beritandes nur, nein,
zugleich Sache des Gemütes, deö Herzens, ja des Gewiſſens
wurde ibm alles, was er ernſtlich vornahm. Es iſt far, daß
dieſe Innerlichkeit nicht jedermanns Sache iſt, und daß Hildebrand
daher in ſeiner Eigenart nicht überall und nicht ſogleich verſtanden
wurde. Sowohl Gelehrten als auch Lehrern und Studenten war
dieſe Auffaſſung vielfach ſo ungewohnt, ſo fremd, daß ſie ſich
ſchwer hineinfinden konnten, und fo dürfen wir uns denn nicht
wundern, wenn Hildebrand früher oft die verdiente Anerlennung
und Würdigung leider nicht gefunden hat, ja, wenn es jonit
hochgebildete und urteilsfähige Männer gab, giebt und geben
wird, in deren Bruft feine Saite des Hildebrandishen Weſens
anflingt. Zudem verichmähte er die gewöhnlichen Mittel, die Auf:
merffamfeit weiterer Kreife auf fich zu ziehen und zu Einfluß zu ge-
langen: die ſchneidige litterarifche Fehde mit einem oder mehreren
Gegnern, die ſcharfe herabſetzende Kritik und abfällige Außerungen
über engere und weitere Fachgenoſſen an anderen Univerfitäten.
Ihm galt nicht die Perſon, fondern die Sache, und er ver:
mochte die quite Sache jelbjt bei denen neidlos anzuerkennen, die
weder feiner Perſon noch feinem Wirken wohlwollend gegenüber:
ftanden, z. ® bei Müllenhoff. Konnte Hildebrand nicht Toben,
ſo ſprach er fein Urteil maßvoll und jchonend aus, ohne je den
Gegner zu verunglimpfen. Mit feiner Überzeugung hat er aber
darum nie hinter dem Berge gehalten, denn er war eine Natur
von jirengiter Wahrhaftigkeit. Gegen Unterftellungen und Ver—
dädjtigungen ſowie gegen das Böfe überhaupt erhob er ſich mit
einem Zorn, einer fittlichen Entrüftung, denen auch die ſtumpfeſten
Hörer den gewaltigen Hintergrund anmerkten. Bon jeinen eigenen
Arbeiten ſprach er am liebfien gar nicht; wenn er es that, fo geſchah
es mit feltener Schlichtheit und völlig ſachlich. Seine Berjon ftellte
er mit fajt ängjtlicher Sorgfalt in den Hintergrund und wid)
jedem äußeren Gepränge, ebenfo, wo es ihm möglich war, den
üblichen äußeren Ehren, Titeln uſw. aus. Endlich verjchmähte
er auch ganz und gar das, was man im afademifchen Sinne
seine Schule bilden« nennt. Er that dies, weil ihm jedes äußere
Beeinfluffen jeiner Schüler zumider war, Was er für fein jelbjt-
loſes Wirken an perjünlicher Neigung und fachlicher Zuftimmung
erntete, damit war er zufrieden, aber das erfreute, ja beglüdte
ihn auch. Daher war jein Verhältnis zu feinen Schülern ein
ungewöhnlich innerliches. Sorgjam ſchonte er die Eigenart eines
jeden, trat fie auch noch jo Ichüchtern auf, und beobachtete ihre
jelbjtändige Entfaltung mit inniger Freude. Sein Einfluß ver;
breitete ſich langſam und unmerklich, aber fiher, fo daß heute
weite Kreife des Univerfitäts: und Schulweſens, ja des ganzen
deutichen Geiftesfebens von Hildebrandijchem Geijte durchträntt
find, daß Hildebrandiiche Denfweife fort und fort wächſt und er-
ftarft. Hildebrands Anhänger find nicht nur unter den Philo-
logen und Yehrern, nein in allen Berufstreiien zu finden; haben
doch auch Theologen, Juriſten, ja ſelbſt Mediziner zu jeinem
' engeren Schülerfreife gehört und find z. B. Mitglieder des Pri-
| datiifimmms gemwejen.
Schwerlich kann der, der Hildebrand nie gehört hat, jich einen
' Begriff von der Madıt feiner Rede machen. Hildebrands
7 Zeitſchrift des allgemeinen beutfhen Sprachvereins. X. Jahrgang. 189. Rr. 1. 8
Deutich war nichts weniger als der gewöhnliche Profefjorenitil.
Er hatte eine merhvürdige Babe, in feinem Deutich die ganze
Stufenfeiter menschlicher Gedanken und Gefühle zum Ausdrud zu
bringen und zwar zu einem Musdrud, der hinvif. Freilich thaten
Ton und Handbewegung, Miene und Haltung dabei das ihre.
Mit wenigen Worten entrüdte er jeine Hörer der Gegenwart und
verfegte ihr Sinnen und Denken in andere Zeiten und Verhält—
nijfe. Längſt Vergangenes tauchte leibhaftig vor ihnen auf und
ſprach zu ihnen mit der Kraft des eigenjten Erlebniſſes. Jede
Borlefungsftunde bildete mit allen, was darin war, für ſich ein
Stimmungdganzed von wunderbarer Einheit. Woher diefe ganz
feltene Wirfung? Weil man den Eindrud hatte, als ob Hilde
brand, ber doch feinen Stoff beherrichte wie wenige, in dem Augen—
blide des Sprechens fraft unmittelbarer Offenbarung erit den
Ausdrud fand und prägte, der den betreffenden Gedanfen= und
Stimmungsgehalt am wahrjten wiedergübe. In jeder Stunde
rang er aufs neue mit dem Stoffe; ihn bedrängte die » Fülle der
Befichtes; was er ſprach, war innerlich gefchaut: jo völlig Tebte
und webte er in feinem Stoffe. Kein Wunder, wenn auch die
Seele der Hörer wie mit Naturgewalt hineingezogen ward, jo
daf für fie alles andere in Nichts verfant! Was man bei Hilde
brand lernen fonnte, war mehr als Gelehrſamkeit und Buchweis—
heit, es war Blid, Auffafjung, Urteil, es war eime ſich nie ges
nügende jirenge Liebe zum Gegenftande, es war Licht und Leben
— kurz, Dinge, die man ſchwer aus Büchern gewinnen fann, wohl
aber aus feinen Borlefungen als ein unſchätzbares But fürs ganze
Leben mit wegnahm. j
Hildebrand bfieb bis zuletzt eine reine Seele und ein Natur:
find. Eine Blume, ein Baum, ein Tier oder Menſch, die ſich
ihres Daseins freuten, eine Wieje, der Mare Sonnenschein fonnten
ihn beglüden,. Eine Heine Aufmertiamteit, wie ein Gruß aus
dem Goethe: oder Schilferhaufe, vom Meere oder von den Alpen,
ihm auf einer Rofttarte ugefendet, erfreute ihn innig. Die größte
Freude aber war ihm, die Saat, die er liebevoll jtreute, aufs
gehen, gedeihen und Frucht tragen zu jehen, oder zu beobadıten,
daß Gedanken, die er fir jegenbringend hielt, auch anderwärts
von ſelbſt auftaudten. Wenn er jah, daß andere nadı feiner
Art mitlebten, mitfühlten, mitarbeiteten, io empfand er die höchſte
Luft des Daſeins. Deshalb begeifterte ihn die andächtige Stille
in feinem Hörſaal, der verſtändnisvolle Blid der lauſchenden
Jünglinge, die vor innerem Anteil erglühende Wange. Deshalb
bat ihm auc die Huldigung des allgemeinen deutichen
Spradvereins zu feinem 70. Geburtstage jo unendlich wohl-
gethan. Er jah in ihr eine aus freier Überzeugung, aus innerem
Berfländnis entjpringende Anerfennung feiner Lebensarbeit. Es
war ihm an der Schwelle feines Alters (und, was ja er damals
noch nicht ahnte, am Ende jeined Lebens) ein trojtreicher Ge—
danke, daß jo viele wadere und tüctige Leute, ja daß das
heranwachſende deutſche Männergeſchlecht offenbar in wichtigen
Dingen feiner Meinung war. Wenn jolde Stimmen zu ihm
drangen, dann bangte ihm erjt recht nicht um Deutichlands Zu—
funft, an die er auch ſonſt gern glaubte. So Hat er denn diefe
Huldigung des Sprachvereins hoch angejchlagen, um jo mehr, als
die Form, in der fie zu ihm fam, fo finnig an die Gebrüder
Grimm und feinen Walther antnüpjte. — Hidebrands Beziehungen
au unferem Verein find überhaupt eigener und feiner Natur. Es
leuchtet ein, dab ohne Hildebrands ganze geiitige Vorarbeit unfer
Berein, jo wie er ift, nicht geworden wäre: aus echt Hildebran-
diſchen Gedanken heraus hat der hochverdiente Herman Riegel
unjeren Verein feinerzeit ins Leben gerufen, Was z. B. bie
Fremdwörter anbetrifft, fo iit bekannt, daß Hildebrand ſchon 1879
(2. Auflage feines Buches vom Sprachunterricht) die ganze Fremd»
wörterfrage in einer Weiſe behandelt hat, wie fie fchöner und
fruchtbringender nicht denkbar ift. Seit dem Beſtehen des Vers
eins hat Hildebrand ihm als Borjtandsmitglied angehört. Er
begrüßte ihn mit lebhafter Freude (jo 1887 in der 3. Auflage
feiner Schrift vom deutjchen Sprachunterricht). Wielleiht hat fich
mancher, der in der Spradvereinsjahe als Rufer im Streite
gilt, heimlich gewundert, daß Hildebrand dem Kampfgetümmel
gegenüber zunächſt eine gewifje Zurüdhaltung wahrte. Doc bald
follte der Verein fehen, wie jehr er gerade in einem enticheiden-
den Wendepunfte auf Hildebrand rechnen durfte. Als jene be:
fannte Berliner Erflärung der 41 »Führenden« einen empfind-
lichen Stoß gegen den Verein zu führen fuchte, da trat als
Kämpe für uns der alte Hildebrand auf den Plan: ein gewich-
tigerer Mann konnte in gang Deutſchland nicht für uns in die
Schranken treten. Seine Erklärung gegen die 41 (1889 erſt in
den » renzbotene, dann in der Beitfchrift für dem deutſchen Unter-
richt) widerlegte bie Berliner volljtändig; gerade wegen ihrer vor:
nehmen Ruhe und Befonnenheit, durch die die innere Wärme be-
lebend hindurchſtrahlte, that fie jo tiefe und nachhaltige Wirkung.
Der deutſche Spradwerein verdankt Hildebrand viel; mag er, um
weiter zu gedeihen und zu blühen, auch fernerhin in Hildebrandis
chen Bahnen wandeln und Hildebrandiichen Geiſt pflegen!
Und welches war, fo fragen wir am Schlufie, die Triebfraft
zu dem Wirfen des jeltenen Mannes, der Nährboden, aus dem
er all dieje herrlichen Gedanten und Anregungen ſog? Es war
eine innige Liebe zum deutfhen Bolfe, zu deutfcher Art,
zu deutſcher Sprade. In diefer Liebe liegt etwas Hohes,
Hehred, Heiliges! Es war eine heiße, aber keuſche Liebe, eine
Liebe, die fich opfert, die fich hingiebt, die raſtlos weiteritrebt;
ed war bie Liebe, die jich in den Worten Schentendborjs
ausfprict:
Spradhe, ſchön und wunderbar,
Ach, wie Hingeft du jo Har!
Wil nod tiefer mich vertiefen
In den Reichtum, in die Pradt —
Wenn wir und umfchauen in ber Geſchichte des neueren
deutichen Geijletfebens und nach einem Manne fuchen, dem wir
Rudolf Hildebrand vergleihen möchten: an heißer Liebe zum Hei:
mifchen, an Kraft und Fülle der Anregung, an Fähigkeit, alle
Wifiendgebiete mit dem nationalen Gedanken zu durchdringen,
Wiffenichaft und Leben zu verfchmelzen und, von der Pflege der
Mutterfprache ausgehend, deutfches Weſen zu feftigen, zu ver-
edeln, zu erhöhen — fo wäre e8 Johann Gottfried Herder.
Wie Herder, fo war auch Hildebrand dem Kerne feiner Natur
nad ein Seher, ein Dichter.
| Nun ift er von uns gegangen! Aber er ift nicht tot, nein,
er wird mehr und mehr lebendig werden! Er wird es, wenn
wir Deutfchen uns micht ſelbſt wieder vergeſſen und verirren.
Möge er allezeit lebendig vor ung ftehen, fo wie Lyon (Zeitihrift
für den diſch. Untere. 8. Jahrg. ©. 153) uns den Siebzigjäh-
rigen zu feinem Geburtstage ſchilderte:
Du, der deutichen Sprade Meifter,
Niefit herauf die alten Geiſter,
Die gelunfen in das Grab,
Führieſt fie zu Hochgewinne
Bor des Volls erjtaunte Sinne
Mit der Forſchung Zauberftab....
D wie quillt aus tiefem Bronnen
Mächtig zu dem Licht der Sonnen
9
Zeitfhrift ded allgemeinen deutſcheu Sprachvereins. X, Jahrgang. 1895. Mr. 1.
10
Nun verjüngt die alte Kraft:
Deinem Geiſte its gelungen,
Hajt ben alten Feind beziwungen,
Der uns hielt in harter Haft.
Mit des Sehers tiefem Schauen
Führjt Du zu der Dichtung Auen
Uns, die Nätjel deutend, hin:
Goethes Fülle, Schiller Sehnen,
Luthers Wucht und Walthers Wähnen
Und des Volles Kinderfinn.
Weithin über beutiche Grenzen,
Wo des Nordens Felder glänzen,
Bo des Südens Sonne lacht —
So nadı innen, jo nad) aufen,
Wenn die Stürme und umbraufen,
Hält Dein Name treue Wacht.
Drum wo deutſche Völter wallen,
Und wo deutiche Paute jchallen,
Alles jubelnd Dich umtfreiit, *
Tiefbeglüdt von deinem Walten,
Grüßend Hildebrand den Alten:
Gott mit Dir und Deinem Geiſt!
Sremdwörter und Rermmwörter bei Mufäus,
Bon Dr. Ernſt Muellenbach in Bonn.
Unter den wenigen Dichtern zweiten Nanges aus der glän—
zenden Zeit von Klopſtocks »Meſſias« bis zu Goethes » Fauite,
die bis auf den heutigen Tag mit einem größeren Werke volts—
tümlich geblieben find, ift Johann Karl Auguſt Muſäus
wobl der ältefte. Die landläufigen »Grundrifje« oder » Leitfäden
ber Litteraturgeichichte« wiſſen freilich nicht wiel von ihm zu jagen.
Zumeist befchräntt man jich darauf, ihn mit einigen Beilen eins
fach als Nachfolger oder gar Schiller Wieland abzufinden. Das
läßt ſich nun allerdings ſehr furz mit einigen Jahreszahlen wider:
legen; denn diejenigen Wielandichen Werte, die in Zwed und An-
lage eine gewifje Ähnlichteit mit Mufäusichen Werten zeigen, fallen
ausnahmslos nadı den betreffenden Büchernvon Mufäus: 1760—62
erihien Mufäus’ »Grandifon der Zweite«, 1764 Wielands >» Don
Silvio von Rofalvae, und ebenjo find die Mufäusichen »Bolls:
märchen« mehrere Jahre älter als die allenfalls mit ihnen zu
vergleichenden Wielandihen feenerzählungen in Proſa. Will
man aljo in der Ähnlichfeit — fie iſt allerdings bejonders im
erjtgenannten Falle recht erheblih — mehr finden ald das Er- |
gebnis verwandter Lebensanſchauung und Echreibart, jo kann der
Vorwurf der Anlehnung nur Wieland treffen. Dem guten Mufäus
mag diejer nüchterne Nachweis freilich nicht viel helfen; er iſt nun
einmal in den Schatten des größeren Nachbarn geraten, und dort
werden ihn die » Litteraturgejchichten« wohl auch weiterhin lafjen.
Es hat ſich auch nur eines von feinen drei Hauptwerken bis auf
unfere Tage lebendig erhalten; — verhältnismäßig allerdings
mehr als von Wieland, von defien ſechsunddreißig Bänden ſchwer—
lich ein volles Dritteil noch auferhalb des Kreiſes der Pitteratur:
forscher gelejen wird; und mit jenem einen Werte — den
» Boltsmärden der Deutichen« — ift Mufäus, wie gejagt, wirklich
volfstümlic, im eigentlichen Sinne des Wortes geworden; deutjche
Künftler, wie Ludwig Richter, U. Schrödter u. a., haben dieſes
Wert mit den föftlichiten Zeichnungen gejchmüdt, und in aus:
gewählten Stüden lernen es felbjt die Boltsihüler aus ihren
Leſebüchern kennen.
Mufäus’ »Volldmärhene — zuerft erfchienen 1782—86 —
find die älteften noch heute fortlebenden deutſchen »Brojas
Novellene — denn fo, nicht als getreulich nacherzählte » Märchen «
etwa im Sinne der Brüder Grimm, hat man fie nad) ihrer
ganzen Art und mad) der ausdrüdlichen Erklärung ihres Ber-
faffer8 zu nehmen; — fie find aljo fir uns der Ausgangs:
punft derjenigen Didhtgattung in ungebundener Rede, bei welcher
man eine forgfältige und reine, fünftleriich ausgebildete Sprache
am erften fuchen darf und auch thatſächlich bis Heute noch am
eriten findet, während unfere Momandichter, ſelbſt die befjeren,
mit wenigen Musnahmen nur zu oft der Mafje die Form opfern.
Es märe aljo von vornherein anziehend, die Sprache diejes älteften
unter ben heute gelejenen deutichen Novelliften einer näheren Be-
trachtung zu unterziehen. ine bejondere Bedeutung aber bes
fommt Mufäus für und noch dadurch, da er felbjt von Jugend
an zu den eifrigiten Mitgliedern einer Bereinigung gehörte, die
ſatzungegemäß diejelben Ziele verfolgte wie unjer heutiger »All-
gemeiner deutiher Spracjverein «.
Die Begründung folder »Deutichen Geſellſchaſten⸗ gehört zu
den umbeftreitbaren Berdienjten des vielgefcholtenen Johann
Chriſtoph Gottiched. Auch in der thüringiſchen Umiverjitätsftadt
Jena hatte ſich auf fein Betreiben eine folche Gejellichaft zu:
jammengefunden; Muſaus — jelbit ein Jenaer Kind — trat ihr
bereit3 als Student im Jahre 1754 oder 55 bei. Wie jchon
der Name diefer Vereinigungen bejagt, faßten fie ihr Ziel minder
ſcharf begrenzt al® unjer Verein; zur Pilege der Sprachreinheit
trat das Streben, die nationale Literatur und Bildung über:
haupt zu heben und reinzuhalten.*) In diefem Sinne iſt Mujäus
mit ganz bervorragendem Eifer thätig geweſen. Geiftige Seit:
franfheiten wie die Geſichtsdeuterei nad) Lavaterd Lehren und
die — leider gerade in unferen Tagen wieder jo ſtark hervor-
tretende — Bevorzugung und Nahäffung ausländifcher, damals
engliſcher Schriftiteller, griff er in feinen Romanen mit jchonungs-
lofer Schärfe, voll nationaler Begeifterung an, und zwar mit
glänzendem Erfolge. Stiller, aber nicht minder erfolgreid; war
der Kampf, den er jelber in der Geſtaltung feiner Werte mit der
jpröden, noch wenige Jahrzehnte zuvor zopfiger Nüchternheit und
zugleich einer maßloſen Weljchtümelei verfallenen deutſchen Sprache
führte.
Bolllommen Sieger blieb er in diefem Ringen hinſichtlich des
äußeren Aufbaus und Scdmudes der Nede. Sein Sapbau ijt
wenigitens in dem legten jeiner Hauptwerle von dem Maße des
Muftergältigen, wie es nachmals Goethe, Tieck und andere er:
reichten, faum mehr weit entfernt; durchaus fehlen bier die weits
ſchweifigen » Beriodene Wielands und die undeutfchen, dem Latei—⸗
nischen nacgeahmten Verbindungen, wie fie uns felbft in den
Meifterwerten Leffingicher Proja noch vereinzelt erichreden. Der
Stil iſt biegſam, durchweg der Stimmung angepaht, geihmüdt
ohne Überladung und belebt von dem warmen, wohltbuenden
Humor, mie er das eigenjte Weſen des gutherzigen Weimarer
Lehrers ausmachte. Minder günftig mag das Urteil eines Mit-
gliedes des » Allgemeinen deutſchen Sprachvereins« beim erjten
Blick auf den Wortihag unferes Erzählers lauten! Da finden
wir allerdings eine erfledlih größere Zahl von entbehrbaren
Fremdwörtern, als wir heutzutage einem Novellendichter ver—
zeihen würden. Betrachtet man aber die Sache genauer, fo jtellt
fi) alsbald die Anwendung vieler diefer Wörter als ein ganz
bewuhter Kunſtgriff des Erzähler heraus, — und zwar als ein
Kunitgriff im Dienſte des Deurjchtums. Um es genau zu fagen:
Mufäus gebraucht dieſe Wörter, um ihre im gefellichaftlichen
Treiben feiner Zeitgenofjen übliche Anwendung und zumeijt auch
*) Dies ijt übrigens je länger je mehr auc das Bejtreben
unferes eigenen Bereins geworden, das in den neuen Sopungen
desjelben ja auch deutlichen Ausdrud gefunden hat. (Mar Jühns.)
11 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 1. 12
das, was fie bedeuten, als undeutſch oder überhaupt unfinnig zu
verfpotten.
Es hängt das zufammen mit jener »ronier, die Mufäus
mit Wieland teilt und die ſich von leßterem dann auf fpätere
Romantifer vererbt hat. Sie alle gefallen ſich darin, ald milde
Satiriter die Menfchen einer längjt vergangenen oder überhaupt
nur im Traume vorhandenen Zeit mit übertriebenen Verhältnifien,
Einrichtungen, Kenntniffen und Bertehrtheiten ihrer eigenen Zeit
auszuftatten, — aber wohlgemerkt in bewußter Jronie, nicht
etwa wie gewiſſe neuzeitliche Romanſchreiber aus dichteriſchem
Unvermögen. Es wird dabei geradezu darauf gerechnet, daß der
Leſer das Mißverhältnis merkt. »Aber mein Gott, wie ſchlecht
paßt das denn zu dieſen Leuten!« ſoll er rufen; »das iſt ja eine
verkehrte Weltl- Und der Dichter antwortet ihm zwiſchen den
Zeilen: »Es iſt Deine eigene Welt, die Verlehrtheiten habe ich
Dir ſelber abgelaufcht!«
Eben diefe Ironie bejeelt unfern einfachen, in feiner ganzen
Eigenart allem Prunk- und Scheinweſen gründlich abgeneigten
Mufäus, wenn er etwa einen feiner mittelalterlichen Ritter am
Spleen leiden läßt, fo daß ihm feine Füte, fein bal parö
mehr zerftreuen kann, ſondern er ein traurige Wir affectirt
ober fpeculativ umberirrt, »mit romantifhem Muthe«, ohne
twie andere Standesgenofjen im Vollbewußtſein feiner Präroga—
tive fi) auf der Promenade in Gala zu ergehen, bier und
da eine Bifite abzuftatten, etwa bei der Toilette einer Dame
zu erfcheinen; in irgend einem Incognito geht er vielleicht gar
auf Abenteuer aus, findet feine geraubte Schmwefter als Gattin
eines verzauberten Prinzen, den fie in günftiger Stunde »an
ihren Bruder präfentirte, ufw.
Dies ift mur eine Probe — ich brauche wohl nicht zu vers
fihern, daß fich die Ausdrüde fo, in diefer Häufung nirgendwo
in ben »Bollsmärdhen« finden; es ift ein Stüdhen Mofait, wozu
id) mir bie Steine auf gut Glüd aus einzelnen Abfdnitten heraus-
gegriffen habe; — aber diefe Probe mag genügen, um zu zeigen,
was Mufäus hier mit den (Fremdwörtern bezwedt. Es find
durchweg welſche Broden, wie fie, mehr oder minder welſchen
Verkehrtheiten in Sitte und Geſinnung entiprechend, in den
»galanten« Sreifen feiner Zeit gäng und gäbe waren. Indem er
mit diefen Verkehrtheiten auch ihre welſche Bezeichnung feinen
biebderen Rittern und holden Feen beifegt, belämpft er eben beides,
gejelichaftliche und ſprachliche Unnatur, mit der Waffe des Spottes.
Leider genügt ein Blick auf umjere heutige Geſellſchaftsſprache,
um zu erfennen, daf der Erfolg Wielands, Mufäus’ und Gleich:
ftrebender nach diefer Seite fein volljtändiger geweſen ift.
Rechnen wir die dergeftalt mit künftleriihem Bewußtſein, in
nationaler Abficht »gebrauchten«e Ausdrücke ab, jo finden wir
immerhin noch eine große Anzahl Fremdwörter bei Mujäus, —
groß für unfer heutiges Spradhgefühl, aber bedeutend geringer
als bei vielen ſelbſt feiner hervorragendften Zeitgenofjen. Ihnen
gegenüber fteht mum eine ganz ungemein große Bahl eigenartiger
ferndeutfcher Wörter und Wendungen, die zum Zeil bis in
die Wurzeltiefen deutscher Vergangenheit hinabgreifen und durch
die Bolltraft ihres Sinnes und Klanges prädtig zu dem behag—
lichen, gejumdheitern Grundion des Muſäusſchen Bortrages ſtim—
men. In letzterer Hinſicht ſei 3. B. bingewiefen auf ftarfe Wen-
dungen folgender Art: »fie rang und wand die Hände, »ſchloß—
und riegelfeft«, »angethan mit Sammt und Silberftüde,
»fie Fürte und wählter, »wider Willen und Dank« u.v. a.
Wenn einzelne Verbindungen diefer Art immerhin einen ge:
wiſſen Beigefhmad des »Altfräntiihen« haben, jo paßt dieſer
gerade zu der Eigenart von Erzählungen, die in entlegener Zeit
und wenn nicht gerabezu im Märchenlande, doch zumeift im
»ritterlihen«e reifen fpielen. Auch in der Wahl einzelner
Wörter wei Mufäus beſſer ald die meiften neueren Bearbeiter
ähnlicher Stoffe die Bedingungen, unter denen in der Schil—
derung altertümlicher Verhälmiſſe auch ein altertüimliches Wort
geftattet ift, zu beobachten. Sein Nitter reitet, fern vom ſchmeich⸗
leriſchen Geſchwätz der Schrangen, mit dem fFederfpiel auf
die Reiherjagd, vorbei am Heuſchlag bis zur Brahne (— Rand;
dgl. weitfäliih Brahm, verbrämen) des Waldes, in befien
Hellung (= Dämmerſchein) er vielleicht einen Maren Waldteich
erblidt, belebt von Fohren (— der jegt gebräudlihen Mikform
Forellen); kehrt er dann bei feiner Freundſchaft (= Ber:
wandte, wie jeßt noc auf dem Sande am Rhein und anderwärts)
ein, fo wird ihm der Willtommen (das große Trinfgefäk, welches
ben Willkommentrunk enthält) Eredenzt, und er lann vielleicht ein
Turnier mitmachen, wo zu Schimpf und Ernſt geftodhen
wird und ber Sieger aus ben Händen ſchöner Mädchen den
Ritterbant empfängt. So lebt er fröhlich im Befige jeiner
Kriegspfründen (— Lehn für tapfere Kriegädienite); wenn
fi) ihm aber der Tod nähert, ſei es daß er im Männerftreite
fällt oder leiblihem Siechtum erliegt, das ihn vielleicht fchon
lange mit Gichtern (= jchleichende Krankheiten) oder mit dem
Fraiſch (ächl. Geſchlechts — Krämpfe; fo fränkiſch Gefraiich,
bayerfic Gefrais) geplagt hat, jo mag es jein, daß ſich den
Seinen der Sterbefall ſchon vorher anfündet: eine Wehllage
fipt miaulend auf dem Dache, der Vogel Kreideweiß zeigt fich
vor dem Haufe, wo der Sterbling daniederliegt. Vielleicht
bat aud) eine Schweberin (= Somnambule) den Fall vorher:
gelagt. Aber nicht bloß mannhafte Ritter ziehen Abenteuer
ſuchend durch die Welt; auch minder ehrſame Geſellen, Qaurer
(S liftige Burfchen) und Gauner lafjen fih auf den Landftrafen
fehen, Kerle, die alle Zeit Wohlleben (= ferien) Haben und
immer darauf aus find, anderen Leuten einen Tiid oder eine Nüde
zu fpielen oder einen Dampf anzuthun (vgl. dämpfen) und fremde
Watſäcke zu erleichtern. Sie ftehlen dem Bauern den Bottes-
tifhrod aus der Lade, in dem er am Gutfreitag (= ars
freitag, wie im Engliſchen) und anderen Feiertagen erſcheint.
Aber ftet3 müſſen fie im Angſt fein, daß nicht die Ausreuter
(= reitenbe Batrowifle) fie erwiichen, tweldhe fie dann dem Ges
richtsfrohn überliefern, damit er ihnen mit dem Bläuel (vgl.
durchbleuen) die Staupe zu fojten giebt, oder gar em Hanges
mann (— Scharfrihter), falls das Maß ihrer Sünden voll ift
unb bereits ſchlimmere Anklagen gegen fie vorliegen, als ber
bloße Diebesgrufß eines, der fie wegen des an ihm begange-
nen Diebſtahls vor Gericht fordert. Auch ehrliche Wanderburjchen
führen oft ein armfeliges Leben; wenn ihnen ber letzte Scherf
(vgl. Scherflein) bis auf den Waſchpfennig (= Patengeichent
bei der Taufe) aus dem Beutel entſchwunden ift, jo müſſen fie
fich vielleicht an der Pforte des Reichen mit dem fättigen, was
nad) dem Abhub (— Wbtragen der Speijen) für fie abfällt,
und fie fünnen froh fein, wenn ihnen der Wirt einen Schlaf:
platz auf der Höllbanf, der Bank hinter dem heißen Ofen
(Höle heißt dieſer Plap in Sachſen und Bahern) anweiſt.
Wenn fie in ihrem Hunger ein gejchenftes Stüd Obſt ejien, fo
nehmen fie fich nicht die Zeit, die Schelfen auszufpuden; ihr
Kaftenvogt (» Finanzverwalter) hätte wenig zu thım. Wie
glüdlic find fie, wenn ihnen einmal ein Wohlthäter einen Zehr—
pfennig mit einem freumblihen Weideiprud (= Reiſeſegen)
mit auf den Weg giebt!
Id) habe da einige Stihproben aus dem Muſäusſchen Schape
alter Hauptwörter zufammengeftellt. Nicht minder reich ift
13
Mujäus mit bezeichnenden Beitwörtern und — wie es fich bei
einem echten Dichter von ſelbſt verſteht — Eigenſchaftswörtern
ausgeftattet. Ach will aud bier nur einige Proben in bunter
Auswahl anführen:
Zeitwörter: waghalſen etwas zu thun (verftärfte® wagen),
bervorgloften (neugierig, heimlich hervorguden), hinſterben
(— ohnmädtig werden), umflaftern (mit den Armen, beim
Ningen), gegenreden (= erwidern), fih entſchuldigen in
ber merkwürdigen Verbindung: er entichuldigte ſich, dies eher zu
thun, als bis jenes geichehen ſei (— er bat dies aufſchieben zu
dürfen, bis jenes gejchehen fei), fterben (jemanden, d. &. zum
Tode bringen), irren (— ftören, 3. B. ein Geſpenſt irren),
betagen (jemanden — zur Verhandlung laden), jhmorgen
(— abiparen; jo befanntlich bei Goethe), ſich eignen (es eignet
ſich, von unheimlichen Worbedeutungen, jo bei Goethe), druhen
(dad Geld druht, d. h. es bleibt in der Truhe, es geht nicht
fchnell drauf), austhun ſſichs nicht austhun — ſichs nicht
merten lajjen), winden (etwa — durch Geruch jpüren, wittern;
aus der Jägerſprache, die Muſäus ebenjo wie die Bergmannss
fpradhe vielfach benutzt)y, queulen (— minfeln, von Kindern),
grölzen (= rauh ftöhnen, vgl. gröhlen) u. a. m.
Eigeufhaftöwörter: bligichen (— ängſtlich vor Gewittern),
fträdlih (— ftramm, von Behörden), jhäfern (= abergläu-
bifch), gurrig (— feurig, gutziehend, von Zugochſen), ledig
(— leer, jo 3. B. am Rhein noch Heute), gewaltiam (vom
Stoße, aber aud z. B. vom Horne des Ochſen gebraudt),
ehrlich (— ehrbar), Tauerfam (— liftig, verſchlagen; vgl. oben
Laurer und in der kölniſchen Mundart Luör — Lauter, Bezeich—
nung eines liſtigen Menſchen: ne Buör ed ene Luör, ein Bauer
ift ein Lauer), widernd (— Ridenwillen einflöhend), bengel-
haft (Bezeihnung kräftiger Jungburſchen), grämifch (= un:
freundlich), jhäterhaft (vom Spitzhund), rohhart (von toten
Tieren gebraucht), eigentlich (deutlich zu bemerfen), endlich
(— ber raſch ein Ende madjt), preihaft (mit Leibesſchäden be-
haftet), kehriſch (mmbeftändig, von jungen Männern; das präd)
tige Gegenftüd dazu ift Schälfelei — Kofetterie bei jungen
Mädchen) u.a. m.
Aus diefen wenigen Beiſpielen — fie ließen fid) bei größerer
NRaumfreiheit unſchwer um ganze Spalten vermehren — mag
erhellen, wie manchen tiefen und glücklichen Griff diefer alte
Weimarer Erzähler Mufäus in den unerſchöpflichen Schatz kern—
deutjcher Wörter und Wortbildungen getban bat. Viele unter
diejen Wörtern leben heute noch im Bollsmunde, vereinzelt
vielleicht auch hier und da im Schrifttum unſerer Zeit fort; die
meiften übrigen ließen fid) ohne übertriebene Altertümelei wieder
einführen; es würde das weiter nichts bedeuten als bie einfache
Fortjegung der Arbeit, die einſt Mujäus unternahm, als er
diefe Worte wieder fchriftftelleriih in Umlauf brachte, — ale
ein wirklicher Borarbeiter der Bewegung, die zu unferer Zeit
ihre Kräfte in dem »Wllgemeinen deutichen Spracverein« ge-
fammelt bat. Denn — das barf nicht überfehen werden —
Mufäus fand diefe Worte zum großen Teil nicht etwa in dem
» Schriftdeutich« feiner Zeit vor. Aus dem Staube der Büchereien
bat er einige herausgeholt; die meijten aber empfing er vom
Bolle jelbjt, indem er getreu der derben Weiſung des großen
Sprachmeiſters Quther »den Bauern aufs Maul jah«. Bon jeinem
Schüler Aug. v. Kopebue und anderen willen wir, wie Muſäus
die Märchen und Sagen einjammelte, denen er die Grundlage
zu jeinen anheimelnden Erzählungen entnahm: von Bauerweibern,
von den fpielenden Kindern auf Straßen und Märkten tauſchte
er fie ein, drei Pfennige für ein Märden; einen alten ſtriegs—
Zeitſchrift des allgemeinen dentfhen Sprachvereins. X. Jahrgang. 189. Nr. 1.
14
knecht, den er zur Winterszeit unterwegs gefunden, lud er zu
ſich in feine Wohnftube, um ſich von ihm dort auf der Ofenbanf
bei einer Pfeife Tabak jene Erzählungen mitteilen zu lafjen, die,
verihmäht und verfannt von den Gelehrten des Bopfes, in den
Kajernen und an den Wachtfeuern des fiebenjährigen Krieges
eine legte Heimat gefunden hatten. Und mit diefen alten Ge—
dichten »von fühner Neden Streiten, von Freude und Hochge—
zeiten, von Weinen und Klagene, mit ihrer einfachen Junigteit
und Anmut fand er auch jo mandes einfache, fraftvolle und
ferndeutiche Wort wieder in jenen Wurzeltiefen der Vollsſprache,
wohin Verwãlſchung und gelehrte Verknöcherung noch am wenigsten
gedrungen war. Auch in diefer Hinfiht darf man Mufäus als
einen rechten Vorarbeiter unferer Beftrebungen verehren, — als
einen jener Spradymeifter, deren Vorbild uns ermahnt und ans
leitet, die Bereicherung unferes Wortihages und den Erſatz für
auszumeijende fremde Schädlinge nicht fo jehr in blutlofen Neu—
ableitungen, als vielmehr in der Neubelebung verftändig ausge-
mwählter alter Kernworte zu finden.
Banjel und Gretel.
>68 war einmal!« — Ein Märchenklang, voll Zauber und
Duft aus der Jugendzeit, denn wer es hört, ber wird wieder
jung, und — wer es fieht, der wird wieder jugendfrob: das neue
liebliche Märchenfpiel nämlich, das Adelheid Wette in drei Bildern
(Daheim; Im Walde; Das Knusperhäuschen) unter Anlehnung
an unjer innig-jinniges Kindermärchen gedichtet und das der
Bruder der Dichterin, Engelbert Humperdinck, in herrliche Mufit
gebracht hat, fo dak es nun als neueſte Oper feinen Siegeszug
durch Deutichland Hält, alüberall bejubelt und belobt von den
Bejuchern, die über allem Undeutſchen unferer Opernbühnen
noch nicht ganz vergefien zu haben jcheinen, daß fie nebenbei doch
auch — — Deutiche find, die für Herz und Gemüt von Hanjel
und Gretel mehr haben ala von aller Schwärmerei für fizilianifche
Bauernehre u. dgl. m.
Ganz befondere Anerkennung verdient die ebenjo volfstümlich
wie märchenhaft und Hindlic gehaltene Sprache des Märkhenfpieles,
die im Vereine mit der zum Teil wohl an Wagner ſich an:
ichliehenden, im übrigen aber völlig jelbftändigen Tondichtung
einen eigenen Reiz auszuüben vermag auf jeden, ber jich noch
ein warmes Herz für Anklänge aus der Jugendzeit erhalten bat.
Dichterin und Tondichter — auch Brüderlein und Schweiterlein! —
haben vereint ein gut beutiches Werk geichaffen, auf das auch
in diefen, dem wahren Deutſchtum in der Sprache gewibmeten
Blättern gebührend bingewiejen werben muf.
— Saalfeld.
Zprachliche Mufterleiftungen,
Über die »Weltpotenz« hat Profefjor Forel auf der letzten
Berfammlung deutfcher Naturforjcher umd Ärzte ſich nach der
» Allgemeinen Medizinischen Central Zeitung « (Nr. 82) in folgender
Weife geäußert: » Diefe Weltpotenz befigt an fid) die plaſtiſche
Erpanjionsfähigkeit einer endlofen evolutionijtiihen Dis
verjififation im Detail ihrer Ericheinungen.e — Der Hladde-
radatſch, der in feinem Brieffaiten diefe Probe undeutichen Stils
abdrudt, ruft aus: »Wie muß dem ‚Allgemeinen deutichen Sprach⸗
verein! dabei zu Mut werden!« Der Spradverein jhöpft aus
ſolchen Stilblüten die feite Überzeugung feiner Daſeinsberechtigung,
fie find ihm ein Sporn zu weiterer Arbeit.
»— — und machen wir Ihnen daher befonders zur Pilicht,
die Unterftügungsbedürftigkeit der Bewerber fo forgfältig zu prüfen,
15
daß bie in der nad) Anleitung bes unferer Rundverfügung
vom 31. März 1881 beigegebenen Muſters aufzuftellenden Nach—
weiſung enthaltenen Angaben als unbedingt zuverläffig bei Be—
willigung und Bemeffung der Unterftüßungen zu Grunde gelegt
werden fönnen.«
(Aus einer Verfügung einer Kgl. Preuß. Behörde.)
»Gegen den Bellagten mußte daher die aus dem Urteildtenor
erfichtliche Strafe für den fall eines Verwagens ber Verhinderung
eines Schlohanbringens wegen Vorliegens einer durch feine event.
Handlung begehenden Befikitörung ausgeſprochen werden.«
(Aus dem Urteile eines Kgl. Preuß. Amtsgerichtes.)
Rleine Mitteilungen.
— Eine höchſt bemerkenswerte Kundgebung für die Bejtre-
bungen des Sprachvereins iſt von über fehzig der erſten
Handlungshäufer Hamburgs veranjtaltet worden, die fich in
einem Aufrufe an die Hamburger Kaufmannichaft wenden. Der
Aufruf lautet: » Die ſprachlichen Veröffentlichungen eines Mitgliedes
unferer Börje*) haben die Aufmerfiamteit weiterer hiefigen reife in
wachſendem Maße auf den in der Handelsſprache immer noch
berrichenden übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern gelentt,
die zum Überfluf vielfach unrichtig gebildet oder angewendet werben.
Es jcheint in ber That Zeit, da aud der Kaufmannsſtand die
Beitrebungen aufnimmt, welche die Poſt- und Eijenbahn = Behörben,
wie andere Organe bed Weltvertehrs, bereits jeit Jahren in rühme
lichfter Weife und mit Erfolg betrieben und durchgeführt haben
uns von dergleichen Auswüchſen zu befreien. Da die Unterzeich—
neten der Anſicht Huldigen, daß die Handelsſprache jo rein wie
möglich von unnligen und falſch gebrauchten fyremdmörtern ge—
halten werden follte, fo würden fie es freudig begrüßen, wenn
fich ihren bdahinzielenden Beitrebungen recht viele Gleichgefinnte
anſchlöſſen. Sie richten daher an die gefamte hiefige Kaufmann-
ichaft das Erſuchen, diefe Bemühungen nad Kräften zu unter
ftügen, in der feften Zuverficht, e$ werde nur der Anregung be—
dürfen, um den durchweg von echt deutichem Geiſte beicelten
Hamburger Hanbdelsitand zu veranlafien, aud) auf diefem Gebiete
twieder bahnbrechend voranzugeben. Hamburg, im Dezember 1894.«
Die Kundgebung iſt von Herrn F. W. Eiten (in inne |
|
Eigen u. Co.) angeregt worden. Der a. d. Sprachverein hat alle
Urfache, Herrn Eigen für fein mühevolles, thatfräftiges Vorgehen
zu danken. Der Berein beabfichtigt, ähnliche Kundgebungen in
allen größeren Handelsſtädten zu veranlaffen.
— Die unter dem Namen »PBegnefiicher Blumenorden«
feit 1644 in Nürnberg beftehende Gefellichaft zur Pflege ber |
deutſchen Sprache und Dichtung, über welche die Zeitichrift vom |
Oftober 1891 (VI. Ep. 148) eine Mitteilung gebradht hat, hat be-
lanntlich unlängst die Freier ihres 250 jährigen Beſtehens in feſt—
licher Weife begangen. Aus diejem Anlaſſe hat der Orden
zwei Mitglieder unferes Gefamtvorjtandes, nämlich den Stifter
des Sprachvereins Hermann Riegel und den Staatdardivar
Dr. Ludwig Keller in Münfter zu forrefpondierenden Mit |
gliedern ernannt. Auch hat er eine wertvolle Feitgabe verans |
ftaltet, die hauptjächlich dem Stifter de8 Ordens, Georg Phi: |
lipp Harsdörffer gewidmet ift. Diele vorzügliche Arbeit, die |
faft 500 Seiten umfapt, rührt von Profefior Biſchoff in Nürn—
berg her. Beigegeben ijt eine kürzere, ſehr gediegene Abhandlung
*) nämlich des Herm F. W. Eigen, deffen Buch » Fremd-
wörter der Handelsſprache ⸗ in diefer Nr. Sp. 16/7 beſprochen ift. |
' wie oft wir fremdipradige
‚ treffenden Sprache entweder überhaupt nicht veritanden oder in
vereins.
16
über den Mitſtifter und ſ. 3. hoch gefeierten Dichter Siegis—
mund von Birken, von Herrn Auguft Schmidt, Poftmeijter
in Nürnberg, zweitem Vorſteher des Ordens,
Bilherihan.
— Eigen, F. ®., Fremdwörter ber Hanbelsfprade
verbeutjcht und erläutert, zur Ergänzung feiner mehrjpradjigen
Wörterbücher für Kaufleute. Leipzig, 1804. 9. Häffel. 55 ©.
u. 176&. gr. 8. Preis 3.4
Eine erfreuliche Ergänzung zu dem von Karl Magnus be
arbeiteten zweiten Verdeutſchungsbuche des allgemeinen beutichen
Spradyvereins »der Handel« bietet die jüngst erjchienene Schrift
von F. W. Eigen in Hamburg über die Fremdwörter der Handels:
ſprache. Während unſer Handeläheft in handlicher Form nur die
bauptjächlichiten Fremdausdrüde enthält, ſoweit fie fich verdeutichen
lafjen, geht Herr Eigen in feinem größer angelegten Buche weient:
lich darüber hinaus. Er nimmt alle Begriſſe, die für den Welt:
handel in Frage fommen, in feine Arbeit auf, auch ſolche, für
die es keine Berdeutfchungen giebt, fogar einzelne deutiche Wörter,
die den Eindrud des Fremden machen, und * vielſach Begriffs:
erflärungen, Verweiſungen auf das deutſche Handelsgeſeßbuch,
ſowie Bemerkungen über die Schreibweiſe, den Sprachgebrauch
nnd die Ableitung einzelner Wörter hinzu. Was der Verf. bier
bietet, iſt, ſoweit ich als Nichtfachmann es nachzuprüfen im
ſtande bin, durchaus gut und empfehlenswert; es liegen mir auch
mehrere Gutachten von gr Kaufleuten vor, die ſich in an—
erfennenditer Weife über die Behandlung der faufmänniichen Fach—
ausdrüde äußern. Herr Eigen vereinigt allerdings in glüdlichiter
Weife zwei Eigenfchaften in fich: er fit praftifcher Kaufmann, der
ſelbſt ein Pe Geſchäft in Hamburg leitet; er ift aber auch
zugleich ein ausgezeichneter Sprachlenner, Berfafler eines jehr
günftig aufgenommenen Wörterbuch der Handelsjprache (deutid:
engliſch); er kennt micht nur die neueren Spraden, fondern auch
die alten, wie vielfache trefiende Anführungen aus Homer, Horaz,
Senela, Sueton u. a. beweilen; überhaupt jcheint er fid mit Vor—
liebe mit Fragen der Sprachwiſſenſchaft beichäftigt zu haben.
Bon befonderer Bedeutung it die dem Verdeutichungen vor:
ausgeichidte Einleitung, die aud ala felbitändiges Schriftchen
unter dem Titel: Bom Mihbraud der Fremdwörter im
Handel erjcienen it (Preis 0,50 .,4). Es ift eine wahre Freude,
u jehen, wie ein Mann mitten aus dem faufmännifcden Leben
eraus, ein Mann, der durch und durch Kaufmann it, voll leb—
haften Gefühls für die Ehre feines Standes, aber aud) voll Be—
geifterung für unfere Mutteriprache, feinen Fachgenoſſen ein Spiegel-
bild ihrer Ausdrudsweiſe vor Augen jtellt, wie er am lebendigen
Beiſpiel ihnen zeigt, was falſch und unſchön daran ift und wie
es richtig gemacht werden kann. Er weilt nad), wie oft Unklar
heiten durch die Anwendung von Fremdwörtern entitehen, wie
oft fremde Ausdrüde falfch angewendet, falich geichrieben werden,
örter gebrauchen, die in ber be
einem anderen Sinne angewendet werden. Ind er begnügt ſich
nicht damit, die Fremdwörterſucht des Handelsitandes zu geikeln,
er geht auch dem gefpreizten, unnatürlichen, weitſchweifigen Kauf:
mannsitile zu Leibe, dem eim lächerliher Zopf von früher ber
nod immer im Naden hängt. Er ruft jeinen Fachgenoſſen zu,
die deutichen Kaufleute verftünden vorzüglich franzöfische, engliſche,
ſpaniſche, italienische Briefe zu fchreiben, nur eines veritünden fie
nicht — deutiche Briefe zu fchreiben.
Dabei hält er ſich fern von aller Übertreibung der Sprach—
reinheit; er ftebt auf dem Boden des allgemeinen deutichen Sprach—
Nicht alles Fremde ſoll ausgerottet, nur das gut Er—
jegbare ſoll deutih ausgedrüdt werden. Er wünſcht, daß der
Kaufmannäftand, der ja immer ein lebendige& Gefühl für unſer
Vollstum hatte, in der Pflege der deutſchen Spradje nicht hinter
‚ anderen Verujsllaffen zurüditche, umfomehr als gerade er vielfach
dem Auslande gegenüber die Ehre Deutſchlands zu vertreten hat.
Die »Einleitung« Eitzens, die flott umd feſſelnd geichrieben ift,
follte in allen faufmänniichen reifen gelefen werden. Unſere
Zweigbereine fünnen fich ein großes Verdienit um unjere Sadıe
erwerben, wenn fie ihre Mitglieder aus dem Kaufmannsjtande auf
dieſe Schrift aufmerfjam machen. Wie fie in Hamburg, dem
Wohnorte des Verf., den Anftoh zu einem hocherfreulichen Vor—
17
gehen bortiger Handelshäufer gegeben hat (vgl. Sp. 15), fo ſollten
auc anderwärts ähnliche Kundgebungen hervorgerufen werben.
Die Schriften Eihens fönnen in hervorragender Weile dabei
mitwirten.
Dresden.
Hermann Dunger.
Eingefandte neue Drudidriften.
Bauer, Anna, Verſchüttet, eine Dichtung. Dresden, 1895,
€. Bierfons Verlag. 478. 8%.
Wunderlich, Hermann, Unfere Umgangsiprade in ber
Eigenart ihrer Sapfügung. Weimar, 1894, Emil Felber.
XVI u 716, 8%. 450.4
Voigt, Molf, Goethes Briefe.
Härenden Anmerkungen Leipzig, fr. Pfau. XXIV. Eriter
Band, 326. 8%. 0,50.4
Linhoff, Mattias, Verdeutihungsbüclein. Verdeutſchung
der in dem MWörterverzeichniffe des preußiſchen Schulichrei-
bungsbüchleins vorfommenden entbehrlichen Fremdwörter.
Münfter i. W., 1894, Aichendorf. 325. 8%. 0,30.4
Rothe, B., Erläuterungen zu Leſſtugs Werfen für Schul:
gebraud) und Selbitjtudbium als litterarfundliches Repeti-
torium. Breslau, 1894, ©. Sperber. 88 S. 8°. 0,75 4
Ullrich, Rudolf? Die Neue Schrift. Übungs- und Leſebuch
zum I. Zeil: Allgemeine Laut Schrift. Wien, 1994, eigener
Berlag. 14 S. u. VII 8°. 40 fr.
Bericht über die Thätigkeit des Kaufmänniſchen Ver—
ein® zu Leipzig während des Verwaltungsjahres 1893/94.
Leipzig, 1894, Friedrich Gröber. 208. 8°.
Katholiſche Zeitichrift für Erziehung und Unterricht.
Difjeldorf, 1894, 2. Schtwann. 43. —— 9— 12. Heft
nebſt Beiheften.
Sanders, Daniel, Selauit Ihr deutſche Sprache. Pader—
born, 1894, Ferd. Schöningh. Heft 7—9.
Süddeutiche Blätter für höhere Unterrihtsanitalten,
en von Karl Erbe. Stuttgart, 1894. Nr. 13
8 23.
Alldeutihe Blätter. Mitteilungen des Nil» Deutichen Vers
bandes, Nr. 45—52. Die alldeutichen Blätter ericheinen
wöchentlich. Bezugäpreis für die Verbandsmitglieder 2,50 .&
(neben 1.% jührlihem Mitgliedsbeitrag), im Buchhandel
4A jährlich. Schriftleitung: Berlin W. 62, Kaldreuthitr. 14.
Das zwanzigite Jahrhundert. 5. Jahrgang. 3. Berlin,
1894, Hans Lüflenöder. . OR
Deutihe Dramaturgie. Zeitſchrift für dramatische Kunſt und
Litteratur, herausgegeben von Dr. Paul Kühn. Leipzig,
1894, DO. Schmidt, Heit I u. 2.
Mitteilungen des Deutihen Spradvereins Berlin,
herausgegeben vom Borftande. 1894. Nr. 7 u. 8.
Bohn, Alois, Litterariiches Jahrbuch. GentralsOrgan für
die wiſſenſchaftlichen, litterarifchen und künstlerischen Inter—
Pa rauen Eger, 1895, Selbftverlag. V. Band.
©. }
Seitungsichan.
Auffäpe, Beiprehungen ufw. in Zeitungen
und Zeitſchriften.
Brods, A., Dr., Gumnafialdireltor, Lehnwörter, Erbwörter,
Fremdwörter. Bortrag gehalten im Zweigverein Mariens
werder. — 1. Beilage zu Nr. 269 der »Reuen Weſtpreußi⸗
ſchen Mitteilungen« 16. 11. 94.
M. G. Harsdörfer und die deutihe Sprache. — Nationals
Beitung 4.12. 94.
Schneider, Karl, Das Fremdwort in der franzöjiichen
Sprache. — Norbdeutihe Allg. Zeitung 30.11. 94.
Kiünzel, Prof., Dr., Die deutfhe Sprache als ein Spiegel
der Kultur. — Reichsbote, Beilage 2.12. 94.
Peters, Aus Briefen des vorigen Jahrhunderts. Vor—
trag — Braunſchweig. — Braunſchweiger Tage—
tt 16. 11.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X, Jahrgang. 1895. Ar. 1.
Mit Einleitungen und ers |
—— —— — — — — — — — — — — — — —— — — — — —
18
Aus den Sweigvereinen.
Berlin- Charlottenburg. In der Dezemberjigung hielt
der Geheime Regierungsrat Profeffor Dr. Foß einen Vortrag
über Schweizer Schriftdeutich, der im Laufe d. J. im der
Beitfchrift zum Abdruck kommen wird. Der Verein beabfichtigt,
am Schluffe d. M. ein Druckſchreiben, das nach Mufter des
Dresdener Aufrufes verfaht ift, an die gebildeten Kreiſe Berlins
und feiner Vororte zu verjenden.
Bonn. Der zweite Herrenabend wurde durch einen kurzen
Bortrag Dr. Johns über »Depeihen-Deutjce eröffnet. Der
Redner wied an einer Fülle von Beiipielen nad), »wie graufam
unsere liebe Mutterſprache in den Depefchen oft vergewaltigt, wie
oft fie fast bis zur Unlkenntlichleit entftellt wird«, und wie leider
ſchon manche grammatisch unzuläffige Wortbildung oder Wendung
aus dem Depeſchenſtil auch ins Zeitungsdeutich, ind Kaufmanns-
deutich oder in die Schriftiprache überhaupt eingedrungen ift. So
wurde denn aud) (im Verlaufe des Abende) von mehreren Herren
mit Recht gemahnt, daf jeder dafür forgen möge, daß wenigitens
fehlerhafte Ablürzungen nicht in unfere Schriftiprache übergeben.
Dann berichtete Dr. Wülfing über die bisherigen Antworten auf
feine Anfrage wegen der Musdrücde Gierbrüde und Giergafje und
3 zum Schluß einige Modewörter, wie flirlen, intim, Gape u. a.
cch die Hechel.
Breslau. Am 22. Oktober und 19. November hielt Prof.
B. Neumann einen längeren, zu lebhafter Beiprehung Anlaß
gebenden Vortrag über die richtige Ausiprache im Neuhochdeutichen.
Einleitend berührte er zunächſt die Werfchiedenheit in der Muss
ſprache einiger Selb- und Mitlaute, jodann die Schwankungen
im Silbenmaße einfacher Wörter, wobei die Übereinftimmung mit
der älteren Sprache vorwiege, und endlid die Verkürzung des
hochbetonten GSelblauts in Aufammenfeßungen wie Hochzeit,
Irland, vierzehn, vorwärts. Darauf erörterte er ausführ-
lich die Stellung des Haupttond in zujammengefeßten Wörtern
und wied an zahlreichen Beiipielen nach, daß den Sprachgeſetzen
gemäß die Stammfilbe des beitimmenden Gliedes, möge es nun
iegungsfäbig oder unbiegjam fein, den volliten Ton zu erhalten
pflege. Abweichungen kämen natürlich dann vor, wern im Zu—
fammenhange der Darjtellung der Nebner ben allgemeinen Dent-
geießen oder einer bejonderen Abſicht entiprechenb ein anderes
Glied des Wort n hervorhebe (mie in mitgefangen — mit=
gehangen), oder wenn aus Rückſicht auf den Wohllaut oder
aus Bertennumg der urfprünglichen Bedeutung des erſten Wort:
teil$ der Hochton auf eine fpätere Silbe geihoben werde. Aber
von diejen teil® berechtigten, teils erflärli Abweichungen abge-
ſehen, verfahre das immer noch recht lebendige Sprachgefühl im
allgemeinen folgerichtig und bevorzuge den Wortinhalt ohne jon-
derliche Rückſicht auf die Gefälligfeit der Form. — Demnad liege
der ſprachliche —— in allen Ems ii au — mit erz⸗
auf biefer Silbe, da die Grumdbebentung derjelben durchweg uns
verfennbar jei. (Wenn aljo Wilmanns Erzichelm, erzliederlic
für zuläffig erfläre, fo denle er an logische Betonung.) Dagegen
bleibe in andern zufammengejegten Eigenichaftöwörtern der Hochton
auf diefen leßteren haften, wenn die voraufgehende Verſtärkung
in übertragener Bedeutung oder vergleichsweiſe gebraucht werde,
wie in jteinreih, blutarm (zum Unterſchiede von ſiteinreich,
bintarm), und ebenjo in jtodblind, ſchneeweiß, pehidwarz,
grundfalich; mutterjeelenallein. Bewundernswert ſei die Ges
nauigleit, mit der die mit mif=, voll», durd=, unter= u. dgl.
zujammengejepten Zeitwörter behandelt würden. Wenn der Hod-
ton auf der folgenden Stammfilbe ruhe, jo jei das Verhältnis:
wort untrennbar und das Mittelwort der Vollendung werde ohne
die Vorfilbe ges gebildet. Diefelbe Eigentümlichkeit zeigten die
durch Zuſammenſeßung mit widers gebildeten Zeitwörter. Daher
babe Duden Unrecht, wenn er widerjpiegeln Statt wieder—
jpiegeln verlange; denn man betone die allererfte Silbe, und
man jage demgemäß das Waſſer fpiegelt wieder; es hat
wiedergeipiegelt. Einſam ftehe da nur wiederholen, das
je nad) der Bedeutung den Hauptton bald auf dem eriten, bald
auf dem zweiten Beitandteile habe, aber dem entiprediend jene
beiden Eigentümlichleiten bald entbehre, bald zeige. In Zuſam—
menfeßungen mit Ober- verliere diefes den Hauptton, wenn es
als nähere Beitimmung ſich nur auf den fetten Teil des ange:
fügten Wortbildes beziehe, wie aus Oberforitmeifter, Oberbaf:
prediger, Oberlandesgerichtshof im Gegenſatz zu Übergerichtös
hof, Dberherrſchaft jic) ergebe. Eine Abweichung zeige nur Ober-
19
prieitertum. Übrigens entſpreche der Betonung in Oberge—
richtshof (d. i. der Raum und die Mitglieder des Obergerichts)
und in Oberfieferbildung (d. i. die —— des Oberliefers) ge
nau die Betonung des erften Wortgliedes in Alltagsfleid, Wil:
tagsmenſch. In lofen Aufammenjdiebungen bleibe der Hauptton
derjelbe, wie wenn die Wörter getrennt geichriceben würden, 3. B.
Hoherprieiter, des SHohenliedes, aus SLangerweile; das Eins
maleins, das Muttergottesbild, das Allerheiligenfeft; der Aller:
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. T;
20
' Humor und ®ik. Die durch geichidt gewählte Beifpiele be:
weltsfreund. Das geſchehe auch bei Verlürzumg der Endung des |
Eigenſchaftsworts, fei jene nun tadellos, wie in Liebfrauenfirche,
Atweibermärchen, oder fehlerhaft, wie in Alteweiberſommer,
Armejlinderglode. Bei Zuſammenſchiebungen mit der Befehle—
form werde teild das am Ende ftehende Hauptglied betont, wie
in den Wörtern das Lebehoch, das Lebewohl, teil ſei die wort-
bildende Arbeit zum Abſchluß gebracht, wie in Furchtegott, Lebe:
redit; der Luginsland, der Thunichtgut. Zu diefer Tepten Gruppe
dürfe auch gerechnet werden der Gpttjeibeiung, obwohl hier die
Betonung noch fhwanfe. Aber in Hansnarr und Hanswurſt
werbe mit Recht das beitimmende Glied betont, Eine Verfennung
endlich der urjprünglichen Bedeutung, namentlich des erjten Wort-
teil®, müfje angenommen werden bei der Betonung elendialich,
Hannover, Weftialen, Fronleihnamsfeft, vielleicht auch bei Kar:
freitag (neben Starwode), während Oſtindien, Neuengland u. dgl.
unbedingt verwerflich jeien.
Celle Der Verein veranftaltete in Verbindung mit dem
Künftlervereine am 5.11. eine Hans Sadıd- Feier. An den
Vortrag des Rektors Schäfer über den Lebendgang, die Werte,
die nationale und ſprachliche Bedeutung des Dichters ſchloſſen fich
drei lebende Bilder und die Mufführung von zweien feiner Faſt
nachtsſchwänte. Bilder wie Stüde waren- durch einleitende Verſe,
von einem »Ehrenhold« geiprochen, ſowie durch die Einführung
von entiprechend gewählten Tonftüden, zu einem finnigen Ganzen
verfnüpft. Die Beiriedigung über die weihevolle Feier war jo
allgemein, daß am 9.11. eine ebenfalld recht zahlreich bejuchte
Wiederholung derjelben im Stadttheater ftattfinden muhte, die
hoffentlich dem Verein neue Freunde gewonnen hat.
Darmſtadt. Der Borfikende des Vereins, Major und Prof.
H. von Pfiiter- Schwaigbufen hat folgendes Schreiben ver-
jandt: »&echrter Herr! Deutſchen Gruß zuvor! Als Vorſitzender
hiefiger Gruppe des en Deutfchen Epradywereined«
erlaube ich mir Ihnen, bezüglich etwaiger Erneuerung Ihres
Geſchafts Schildes, einen wohl gemeinten Wunſch nahe zu bringen.
Sicherlich finden wir, weder in franfreich noch in anderen Län—
dern, deutſche Wörter in heimatliche Anzeigen eingejtreuet. Wie
muß jeder Fremde über deutiche Unterthänigfeit jbotten, mann
er jeiner Mutterjprache bei uns begegnet. Ebenwohl beſitzen wir
eigene Schrift, worauf unſere Nacbaren ſtolz wären, und ver-
läugnen auch diefe. Wir bitten daher, aus Liebe für Vaterland
und Volkstum, doch in Worten und Buchitaben überall reiner
Deutjchheit die Ehre zu geben.e (Diefe Aufforderumg dedt jich
betanntlich nicht in allen Punkten mit den Beflrebungen und
jagungsmähigen Zielen des a. d. Epradjvereins.)
Dresden. In der November Sikung wurden zunächſt einige
Mafregeln zur weiteren Förderung der Bereinsbeitrebungen bes
raten. Der Vorjikende Graf Vißthum teilte mit, daß in den
legten Wochen 16 neue Mitglieder dem Berein beigetreten find,
Weiter ſprach Dr. Paul ir ee über Nede und Bericht
und fuchte an zahlreichen Beilpielen darzulegen, daß viele Redner
bei Anſprachen nur deshalb feinen Eindrud machen, weil fie ge-
wifjermahen nur einen Bericht geben über das, was fie wollen,
anjtatt eindringlich und padend zu reden. Zum Schluß widmete
Dberlehrer Dr. Sahr dem am 28. Oftober verftorbenen Brofefior
Dr. Hildebrand warıne Worte der Erinnerung. (Vgl. Ep. 1—9
diefer Nr.)
Eſſen. Nad Wiederwahl des Vorſtandes in der Hauptver-
fammlung am 3.12. bielt der Vorſißende Profefior Dr. Imme
einen Vortrag über unfere Bornamen. Der vielieitige Stoff,
der eime Fülle höchſt fehrreicher Ausblicke in die deutiche Kultur-
geichichte bietet, fonnte im Verlaufe des einen Abends nicht er
ichöpft werben. Der Nedner beichräntte ſich auf die Ausführung
der leitenden Gefichtspunfte und behielt fi das Eingehen auf die
einzelnen Erſcheinungen für ein anderes Mal vor.
Nempen. Am 9. 12. bielt Rektor Röfener vor einer jehr
zahlreichen Zuhörerſchaft beiderlei Geſchlechts einen Vortrag über
lebten Ausführungen fanden allieitig Anklang.
Koblenz, Am 7.12. fand die Hauptverfammlung des Zweig:
vereins ſtatt. Archiv-Aſſiſtent Dr. Richter hielt einen Vortrag:
»Eigenes und fremdes in der mittelhochdeutſchen Ly—
rif>, worin er das Eindringen fremder Art in Gedanten, Gefühle
und Ausdruck der mittelhochdeutichen Dichtung nachwies.
Borfigende, Eriter Staatdanwalt Schumacher, beridjtete über
die BVereinsthätigfeit im lepten Jahre. Der Zweigverein zählt
364 Mitglieder.
Leipzig. In der Situng am 20.11. gedachte zunächſt der
ftellvertretende Rorfitende, Pireltor Dr. Wychgram, mit warmen
Worten dankbarer Verehrung des biäherigen Vorſihenden, Qand-
nerichtsdireftorö Genſel, der einem Rufe der —— nach
Dresden gefolgt iſt. An Stelle des Herrn Genſel iſt der Reichs—
gerihtärat Dr. Olshaujen in den Ausſchuß gewählt worden.
Alsdann ergriff Oberlebrer Georg Berlit das Wort zu einer
Gedädytnisrede auf Rudolf Hildebrand.
Lübeck. Der in Verbindung mit den biefigen Ortägruppen
des a. d. Schulvereins und der Kolonialgeielihaft am 28.11.
abgehaltene deutſche Abend wurde von dem Rorfitenden des
Spradywereins, Oberlehrer Schumann, mit einer längeren An-
ſprache eröfinet. Nusgebend von dem Worte: Deutichland das
Herz Europas — fchilderte er, melden Einfluß unjer Volk von
jeber in dem verichiedensten Beziehungen auf die andern geübt
babe, jelbit in den Zeiten der Schwäche; wie wir daher jet nach
unferer Erhebung ebenſo von Rationalftolz beſeelt jem müßten
wie im Mittelalter; wie eö Hauptaufgabe der deutſchen Wereine
fei, in unjerer Zeit der innern Zwietracht und des Ag
Strebens ideale Gefinnung zu beleben, die nur das Wohl des
Ganzen im Auge habe, und unjer Volt dahin zu bringen, dab
es von allem Fremden ablafje und ſich wieder den echt chrüt-
lichen und beutichen Tugenden zuwende, in denen allein unſer
Heil und unsere Zukunft ruhe. Dann gedachte er mit warmen
Worten des großen Berluftes, den unſere Sache durch das Hin-
icheiden des deutichen Mannes und Welehrten Rudolf Hilde—
brand erlitten hat. Nach ihm jbrad) Kaufmann 3. Hahn im
Anichluh an Eipend » Fremdwörter der Handelsſprache- über
Fremdwörter im Handel und zeigte, wie zwar nicht alle,
aber wohl die aröhere Zahl der fremden Ausdrüde mit Leichtigkeit
durch aut deutſche eriept werden fünne Nach Schluß der jich
daran Mnüpfenden Beipredung nahm Dr. Zillih das Wort zur
Beleuchtung der Cirkusſprache und hob dabei bejonders die Armut
und die Übertreibung der Benennungen und die Sucht nad grof-
artig Mingenden Fremdwörtern hervor. Kleinere Mitteilungen,
aud aus den Gebieten des Schulvereins und der Kolonialgefell-
ſchaft, beichlojjen den anregenden und gut bejuchten Abend.
Marburga.d. D. An der zahlreich befuchten Novemberfipung
womete zunäcjt der Borfißende, Dr. Mally, dem Andenten
Rudolf Hildebrands warme Worte danlbarer Berehrung. Nach
Erledigung geſchäftlicher Angelegenheiten ſprach dann Bürgerjchuls
direftor Friich über das Leben und Wirken Hans Sadiens
und entwarf ein Bild feiner Zeit. Daran ſchloß ſich die Er-
örterung jbrachlicher Tragen.
Münjteri.W. Mit der am 2. Dezember in Stienens Wirts-
baus abgehaltenen Hauptverfammlung des Münfterer Zweigvereins
war eine Hans Sadıs- Feier verbunden. Der Privatdozent
für deutſche Sprache und deutiches Schrifttum, Dr. Karl Dreier,
hielt einen Bortrag über Hans Sachs, wofür ihm reicher Bei-
fall geipendet ward,
Prag. Der hieſige Aweiqverein veröffentlicht in den gelefeniten
deutichen Zeitungen Brags alljonntäglich je drei Verdeutichungen
beliebter Fremdwörter in folgender Form: »Jeder Deutiche ſage
ftatt: gratis — unentgeltlich, inclusive — einſchließlich, Resultat
— Ergebnid.e Diefer Vorgang iſt vielbemerft worden umd bat
gute Früchte getragen. Außerdem wurden an die deutichen Gaſt—
wirte Zahljcheine für die Kellner verteilt mit Verdeutſchungen
von Fremdwörtern aus dem Gajthausverfehr. Am Januar wird
der Zweigverein in Verbindung mit dem Deutfchen pädagogiichen
Verein eine Gedächtnisfeier für Nudolf Hildebrand veran-
ftalten, für Die der Obmann, Dozent Dr. Hauffen, den fFeitvor-
trag übernommen hat.
Neihenberg Am 25.10. fand ein Wortragsabend ftatt,
in welchem der Obmann, Profefjor Menzl, zunächſt über den
31 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgaug. 1895. Nr. 1. 22
Verlauf der Hauptverſammlung zu Koblenz berichtete. Sodann
folgte ein Vortrag des Lehrers Georg Repp über den Ur—
jprung mehrerer jprichwörtliher Redensarten (nad) Wuits
mann), worauf Bürgerjhullehrer Stärz einige baltiſche Did:
tungen "zur Berlefung brachte, deren dichteriicher Gehalt allgemein
bewundert wurde. — Am 15. 11, veranjtaltete der Verein eine
Hans Sachs-Feier. Bei großer Beteiligung nicht nur der
Mitglieder, jondern auch befreunderer Vereine gelangten zum Vor—
trag: Begrühungsrede (Obmann Prof, Menzl), Vorſpiel zu
Tannhäufer (Hr. Sinzel), Feſtgedicht (Hr. Repp), Vortrag über
Hans Sadıe (Hr. Stepan), Liedervorträge (Liedertafel d. deutſchen
Zumerverbindung »Fahn«), Vorträge Hand Sacheſcher Gedichte
(Frl. Sieber u. Pollaſchet), Liedervorträge (Frl. Tſchepper),
Hand Sachſens poctifche Sendung von Goethe (Hr. EI):
Gejamtlieder. Es herrſchte eine begeilterte Stimmung. er
Verein lann auf diefe Feier mit hoher Befriedigung zurüdbliden.
— Auf Erjuchen des Vereins hat die Stadtvertretung beſchloſſen,
das ſtädtiſche Befigtum Belvedere lünftighin Volksgarten zu
benennen. Der Pächter desjelben hat gleichzeitig den Auftrag
erhalten, bei Ankündigungen von erg ſich dieſer Be—
— zu bedienen und jlatt des bisher üblichen Ausdruckes
estaurant den Namen Gaſtwirtſchaft anzuwenden.
Stuttgart. In der erften Winterverjamminng am 26. 11.
hielt der Borfigende, Profefjor Karl Erbe, einen Bortrag, in
dem er eine Mufterung der im Ichten Jahre erichienenen Schriften
deutichiprachlichen Inhalts vornahm. Dieje ergab neben manchen
ar. Leiſtungen aud) bedenkliche, ja unbraudbare und jchäd-
liche Erjcheinungen, die zeigen, wie dringend notwendig eine jorge
fültige Pflege der deutjchen Spracde iſt. In welchem Sinne aber
und auf welche Weije dieie Pilege ftattfinden jolle, fonnte an der
vom Spradjverein neu aufgelegten Schrift Grimmelshauſens
»Bralerey und Gepräng mit dem teutfchen Michele anſchaulich
gemacht werden. Mit richtigem Blide erlannte diefer Baterlands-
freund den innigen Zuſammenhang gie echt deutjcher Meder
und wahrhaft deutscher Geſinnung, Die Hohlheit einer mit un—
nötigen Fremdwörtern, ſchwulſtigen Wendungen und unnatürlicher
Ausipradie prunfenden Ausdrudsweile, aber auch die Schranten,
die der Eprachreiniger zu beachten hat. Die Fehler und Sonder:
barkeiten, in die Grimmelshaufen, wie die übereifrigen Puriften
jeiner Zeit, verfällt, fönnen wir zum Glück, dank den glänzenden
Ergebnifien der deutihen Sprachwiſſenſchaft, vermeiden.
Trier. In der Situng am 13.12, gab zumächit der Vor—
fitende, Profefior Dr. van Hoffe, jeiner Freude über die Bes
gründung eines Zweigvereins zu Prüm Ausdrud. Er hob her:
vor, daß man fich bejonders freuen müfje über jeden Zweigverein,
der im Weſten des Reiches entjtehe, in der Nähe der franzöſiſchen
Grenze, über die jeit Zahrhunderten bei weiten das meifte Fremde
in unſere Sprache eingedrungen ſei. Aus den gemeinichaftlichen
Beiprechungen jei emwähnt, daß der PVorichlag, »Diagnoje«,
»diagnofieren« nad) Vorgang der Bilanzentunde durch »Bejtim-
mung«, »beitimmen« zu verdeutichen, von allen Anweſenden,
unter denen aucd ein Arzt war, gebilligt wurde (eine Pflanze,
eine Krankheit beitimmen). Beſprochen wurde ferner eine Anzahl
landläufiger Redensarten dunklen Urjprunges, z. B. »einem die
Stange halten« (den Speer halten als Setundant), »etwas mit
Handtuf in Befig nehmene (nicht mit einem Kuß auf die Hand,
der gar Feine deutjche Sitte ijt, fondern mit Hand, d. b. Hand-
Ihlag und Kuß — vor Zeiten die feierlichjte Art, eine Ver—
abredung zu befräftigen). Der leptgenannte Ausdruck führte auf
die jogenannten Und- Zufammenjepungen (additive Kompofita),
über die aus einem jüngjt in den »Süddeutichen Blättern für
höh. Unterrichtsanftalten« erjchienenen Aufape von Hans Melper
näheres mitgeteilt wurde (taubitumm — taub und ſtumm, ſchwarz—
weiß — ſchwarz und weil, Nußnießung — Benupung und Ges
niehung ujw.). Getadelt wurde die einreihende undeutiche Gewohn—
heit, Stammnamen (Patronymifa) auf der das Abſtammen bezeich-
nenden Endung (dem patronymiſchen Suffir) zu betonen, 3. B.
Nibelungen, Karlo)linger jtatt Nibelungen, Harlo)linger; Thüringer
jagt, Gott jei Dank! nody niemand. Zum Schluß las der Borfigende
aus dem vortrejjlihen Büchlein von Georg Heß Über ⸗Geiſt und
Wejen der deutjchen Sprache« (Eijenach, M. Widens, 1892) einzelne
bejonders jchöne Abſchnitie vor.
Tübingen. Am 10.12, jprach Brofefior Karl Erbe aus
Stuttgart über den Kampf gegen die Spracdhverwilderung,
wobei er eine Rundſchau über die im Yaufe des legten Jahres er—
jchienenen deutſchſprachlichen Schriften bielt. Nedner bedauerte, dab
die Sprachvereinsbewegung im Süden unjeres Vaterlandes bis jept
viel weniger Eingang gefunden habe, als im Norden, während
gerade die Schwaben aus verſchiedenen Gründen mehr als andere
zum Scuße unjerer Mutterſprache befähigt und deshalb aud) ver-
pflichtet jeien. In der jich anfchließenden Erörterung wies Dr.
Neumann, ord. Profeſſor der Staatswiljenichaft, noch bejonders
auf die hohe joziale Bedeutung des a. d. Spradyvereins hin. Ein
Ergebnis des Abends war die Zunahme des Vereins um 7 Mit-
glieder.
Wermeldfirden. Nach Wiederwahl des früheren Borjtandes
und nachdem der Vorfipende, Nettor Wilhelm del, in einem
NRüdblide auf das verflojiene Vereinsjahr die Vedentung des vom
Zweigbereine geftellten Antrages auf Berdeutichung der Fremd—
wörter im den Jugend- und Bollsichriften betont hatte, hielt
Lehrer K. Bla&berg einen Vortrag über Gottfried Auguſt
Bürger Auf den hervorvagenden Bürgertenner Griejebadı
geitüpt, legte der Medner dar, wie Bürger durch den Einfluß
Herders zum Scöpfer der deutichen Ballade geworden ſei, und
twie gegenüber der vernichtenden Kritit Schillers Über den Dichter
fid) allmählich eine mildere Beurteilung jeiner Werke geltend mache.
Brieftaften.
Herm U. F...., Mainz. Als Hauptwerk nennen wir Ihnen
Heinrich Rüdert: Gejcichte der neuhochdeutichen Schriftipradhe
1. 1]. 1875 (leider unvollendet geblieben, da ber Berfafler
1875 ſtarb. ur bis in die Mitte des 18. Jahrh. reichend.).
Hier ift die hulturgeichichtlihe Seite ſtark betont, das Buch bat
aber gewifje Mängel, namentlich den, daß die Daritellung zu—
weilen zu jehr aus der »Bogelperjpettive« gegeben ift und daber
manches einzelne unbeachtet läht. Daher bildet eine gute Er
änzung zu ibm ein anderes Buch, das es weientlic auf die
Sammlung der fprachgeichichtlihen Thatlachen und Zeugnifje abge
fehen bat: Adolf Spein: Schriftipradhe und Dialefte im Deutichen
nad) Zyugnifien alter und neuer Zeit. 1885, Außerdem jei noch)
bejonders auf Friedr. Kluge: Von Yuther bis Leſſing. Sprad)-
gejchichtliche Murfäge, zuerſt 1887 erſchienen, hingewiejen und auf
den » Allgemeinen Teils in Otto Behaghels befanntem Buche:
Die deutiche Sprache, 1886,
Deren W...., Freiberg. Allerdings wird der Unterjchied
der Mehrheitsformen Worte und Wörter ſeit der Mitte des
18. Jahrhunderts*) von den deutichen Srammatitern und Lexilo—
graphen anerkannt, umd wenn Hugo v. Trimberg, einer der
eriten, bei dem die Form wörter (neben wort; bie Form
Worte ijt jünger) überhaupt begegnet, in feinem »Menner«
(14. Jahrh.) einerſeits jagt: Swäben ir wörter spaltent,
anderjeit® süeziu guldiniu wort in dem munde hän,
fo jcheint ſogar bei ihm ſchon der Unterjchied angedeutet. Dennoch
hat jich das Schriftdeutiche gegenüber jener theoretiichen reitießung
bis zum heutigen Tage eine Freiheit bewahrt, infofern zwar
nie »Wörtere da gebraucht wird, wo die Negel »Wortee
fordert, wohl aber jehr oft »Wortee, wo fie »Wörter«
verlangt Im welcher Ausdehnung dies geichehen und gejcieht,
fünnte erſt eine Unterſuchung feititellen. Bon den hervorragenden
deutihen Sprachgelebrten jcheint 5 B. Jakob Grimm nur
Wörter zu gebrauden, während Karl Weinhold Worte
bevorzugt oder vielleicht ausichliehlich verwendet. Das Gleiche gilt
wohl auch von Friedrich Kluge, von deiien Worten ftatt
Wörtern (in unferer Zeitichrift Nr. 10/11) Ihre Zuſchrift aus:
echt. Das häufigite wird wahrjcheinlich ein gewiſſes Schwanten
ein, wie es fich z. B. in Wilhelm Braunes althochdeuticher Gram—
matif 1856 findet, umd das auch der Schreiber diejer Zeilen, wenn
er fich jtrenge prüft, als ihm eigen anertennen muß. Jedenfalls
geht aus alledem hervor, daß, wo Worte zur Bezeichnung ber ein-
zelnen Bejtandteile der menjchlichen Rede gebraucht wird, darin nicht
eine fehlerhafte Verwechslung, jondern ein jhwantender Spradhge-
brauch zu erblicen ift. Das iſt auch Schon ausgeiprodyen worden; 3.8.
giebt Andrejen »Spradhgebraud und Sprachrichtigfeit« zu, daß
*) Zuerſt in Leonh. Friſchs teutſch-lateiniſchem Wörterbuche
1741, II, 458°: ⸗»Wort hat im Plur. Wörter, wann es die
biojen Buchſtaben andentet, die Worte aber jagt man, warn
man auf den Berftand berjelben ſieht.«
23 Zeitfärift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. X. Jahrgang. 1895. Nr. 1. 24
der Unterſchied nicht Imnegebalten werde, ebenio Wuftmann | deftens jehr zweifelhaft. In der Schriftſprache iſt feine der beiben
ſogar ohme den ihm ſonſt jo leicht von der Band fliegenden Bann- | Formen recht heimiſch, noch viel weniger allgemein gültig; es fann
itrabl, und O. Lyon im unferer Beitichritt I, Ep. 207 erklärt | alio audy feine für falſch angejehen werden. Bergl. übrigens
Worte —e als zuläiſig in jeder Bedeutung. Möglich, | W. Beiheſt VII, ©. 9. — Das von der Gemeinde Neu— Breifah
daß die Weiterentwidlung Wörter ganz verdrängt ſwie ja aud) —— Wort Stadtzoll für octroi ſcheint ein bejjerer Aus-
Orter vor Orte zurückzuweichen ſcheint); vorläufig ijt allerdings zu fen, als das Ih in in den neueren befannten Verdeut⸗
daran noch nicht zu denfen. Und da die Unterfteldungsmöglige | fh Kiunchebnerkädern (Dunger, Sanders, Sarrazin) meift findende
feit für mande Fälle ja jehr wünſchenswert ijt, To läht fih | Stadtſteuer. Gampe erwähnt diefe Bedeutung von octroi gar
auch nicht dagegen einwenden, wenn Feſthalten an ihr empfohlen | nicht; es muß fich das Wort alſo erjt nach feiner Zeit in unfere
wird, aber richtig und falſch läßt —* dabei am beſten aus dem | Sprache eingedrängt haben.
Spiele. Falſch, weil in der Schri ſprache (nicht aud) in allen werin. eiten Dank für undliche
Mundarten) durchaus ungebräuchlich, fit nur Wörter ftatt Worte. — — —— burger Wen ra vom A, —— d.J.
P. Pietſch. mit dem Berichte über die — und Paftoral: Konferenzen
Herm 9...., Baden-Baden. Ihre get Mitteilungen | in Waren. Wenn der von Ihnen —— Satz von 40
über Bolier werden wir, fobald ſich der Kaum dazu findet, | (lage vierzig?) Drudzeilen nicht von dem erichterjtatter berrührt,
im Sprecdjaale abdruden. Inzwiſchen vielen Dant dafür. — | jondern wirklich von einem der Redner geſprochen worden ift, fo
Plane und Blahe find nur verichiedene Formen desfelben | ift es ſchwer verftändlic, daß diefem nicht der Atem dabei aus-
Wortes und verhalten ſich wahrſcheinlich wie nbd. Biene zu Bie | gegangen. Zum Abdrud folder Sapungeheuer fehlt ums leider
der Älteren Sprache. Plane jtünde aljo für Blahene. Die von | der Raum.
Grimm gegebene etymologifdje Antnüpfung an blähen ift min— |
Geihäftliher Teil.
Es geht uns folgender Aufruf zu: | Um jeine möglichſte Verbreitung zu fördern, it diefer Aufruf
Im Kreiſe der Freunde und Schüler von auf Beſchluß des geichäftsführenden Ausſchuſſes von der Buch—
Rudolf Hildebrand druderei des Waiſenhauſes in Halle in Reichsformat gejegt wor⸗
ift der Wunſch lebendig geworden, dem hodiverdienten Manne | den und wird auf Bejtellung bei dem unterzeichneten Schagmeijter
da, wo er jeine legte Ruheſtätte gefunden hat, auf dem Johannis: | und Geihäftsführer des Vereins den Zweigvereinen unentgelt:
friedhof in Leipzig, ein jchlichtes Denkmal zu errichten. | lich und in beliebiger Anzahl geliefert werden. Kleine, durch
Die Unterzeichneten wenden fid) daher an alle Verehrer des die örtlichen Verhälmiſſe bedingte Änderungen können im Sape
Sejchiedenen, denen die Ausführung diejes Gedankens gleichfalls bewirkt werden. Bei Beſtellung der Abzüge wird um Angabe der
am Herzen liegt, mit der Bitte, Geldbeiträge an den mitunter: gewünſchten Änderungen erjucht.
zeichneten Herrn Johannes Ziegler, in Firma F. Voldmar, Eberhard Ernit,
Leipzig, Hofpitaljtraße 10, durch die Poſt einzujenden. _ Berlin ®. 41, Wilhelmftrahe 90.
G. Berlit, Gymnaſialoberlehrer, Yeipzig. — -
Dr. $. Burdach, Profefjor an der Univerjität Halle a. ©. Der Verfaffer der mit dem Kennworte-Auch die Sprache it
Dr. ©. Lyon, Realgymnafialoberlehrer, Dresden. ein Produkt des organiſchen Bildungstriebes« eingefandten Arbeit
Dr. €. Sievers, Profefjor an der Univerfität Leipzig. ufw. | wird nochmals gebeten, die Niederfhrift von dem Schagmeiiter,
Im Anſchluß an diefen Aufruf erkläre ich mich ebenfalls zur | Verlagsbuchhändler Eberhard Ernit, Berlin W. 41, Wilhelm-
Entgegennahme von ®elbbeiträgen gern bereit. ſtraße 90, zurücdzufordern.
Friedrich Wappenhans,
Preisausihreiben
Der a. d. Sprachverein hat wiederum einen ſchmerzlichen Verluſt ür d —
zu bellagen. Das Mitglied ſeines Geſamworſtandes, Prof. Dr. TOR AI PERFR er ie bed Bereind:
ranz Kern, Direftor des Köllniſchen Gymnaſiums zu Berlin, . i .
A — Dezember v. J. — — ann Breiien ges | , Die Unterzeichneten haben ſich nicht entichliehen fönnen, irgend
ihäßter Lehrer, ein ausgezeichneter Litterarhiftorifer und Aftphito; | “Mer der eingejandten dichteriſchen Faſſungen des Vereins ⸗Wahl⸗
loge iſt mit ihm dahingegangen. Bon ſeiner Thätigkeit für die Ipruches den Preis zu erteilen, ba feine den Anſprüchen zu ge-
Hebung des deutſchen Unterrichts legen feine Abhandlungen »Die | nügen ſcheint, die man am den Wahliprud eines jo bedeutenden
deutfche Saplehre«, » Zur Reform des Unterrichts in der Saplehre«, Vereines, wie des a. d. Sprachvereines, jtellen muß.
» Leitfaden für den Anfangsunterricht in der Grammatif«, »Grund⸗ BAUR van ————
riß der Sapfehre«, »Methodil des Unterrichts« ein beredtes Zeug: Otto von Leirner, Gr. Lichterfelde.
nis ab. Peter Rofegger, Graz.
Sein Andenken wird vom Vereine allegeit in Ehren gehalten Im Anschluffe hieran macht die Leitung der Zeitjchrift be—
werden. Als Vertreter des Sejamtvoritandes wohnte defien Bor- | fannt, daß fie die zum Erteilen von Preijen ihr zur Verfügung
jipender, Dr. Jähns, der Trauerfeier perjünfich bei. ſtehende Summe von 55.4 mit Genehmigung der Spender an
— — ben Ausſchuß für die Errichtung eines Hildebrand:
Die Vorjtände der Zweiqvereine werden nochmals auf den in | Denkmals abgeführt Hat.
Nr. 12 0.5. (Sp. 229) erwähnten Dresdener Aufruf hingewieſen.
Briefe und Drudiaden fir die Wereinsieitung | Geldiendungen und Beitrittderflärungen
find an den Morfigenden, an ben etiter,
Oberftleutnant a. D. Dr. Mar e3 In Berlin @,10, ee" —22 a in Berlin @.41,
Margareteritra Bilheimftrabe MW
Briefe und Drudiachen für die — find an den Herausgeber, " Dbertehrer Sriedrih Wappenbans in Berin R, @.2, ME SER,
— Briefe und Juſendungen für die Wifſenſchaftlichen Beihefte an Profeſſor Dr. Baui Pletſch, Berlin W. BO, Mohſtrahe 12,
Ks Zur die Zeitung ver verantwertlid p Irtedrig Wappenhans, Berlin. = Bertag de des } allgemeinen deutigen Epradvereind. - =
Druct der Buchdruckerel des Waiſenhauſes in Halle a.d. ©.
—
X. Jahrgang Ar. 2. 1. Februar 1895.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes —— von Friedrich Wappenhans.
Die getfepeift —* auch durch den Buchhandel oder bie Poſt
zu 3 Mt. jährlich bezogen werben. — Anzelgenannahme durch den Schagmeifter
&berbarb Erf, Berlin @.41, ‚ @llhelmfer. w.— Auflage 14250.
Diefe geiticrift erkepeint — gmölfmal,, zu au Mnfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Epradverelnd unentgeltiid
geliefert (Sapung 3).
nhalt: —ã—— und Ähnliches. Von K. Bruns, Landgerichtsrat in Torgau. — Zu den Sprachdummheiten. Von
RER. Kluge. — Bericht über die Verdeutſchung von Straßennamen, bon PBrojefjor Stier in Neuruppin. — Stleine Mitteilungen. —
Bücherſchau. — Aus den Zweigvereinen. — Geihäftlicher Zeil.
Gerichtsdeutſch und Ähnliches.
Bon K. Bruns, Landgerichtsrat in Torgau.
Veranlaſſung zu nachfolgenden Betrachtungen, die frühere Er—
örterungen ergänzen follen (vgl. in&befondere Ztjchr. I, 214; III,
35; VII, 171; VII, 49, 73), bietet mir die Schrift: »Die
| manchen Rectöbejlijjenen und Verwaltungsmann eingewirkt haben,
| jo werden D.'s Auslafjungen über die Sprache der gerichtlichen
' Entjcheidungen auf andre Fachleute Einfluß gewinnen. Hoffen
| wir, dab ſich darunter namentlich die Lehrer der alkademiſchen
| Jugend, die Verfafier von Formularen und Mujterbücern und
\ joldye befinden, die die Übungen angehender Richter zu leiten
Sprade in ben gerichtlichen Entfcheidungen« von Herm. | haben. findet man doch aud fon in Stölzels, des Prüs
Daubenjped, Reicdysgerichtsrat, Berlin 1893, Verlag von Franz | fidenten der preufifchen Yuftizprüfungstommiffion, gediegenem
Vahlen. Unſern Verein erwähnt der Berfafjer nur einmal (S.48) | Bude: »Über Proberelationen. Eine Mitteilung aus
mit den Worten: »Was nüßen jo vorgebildeten Leuten gegenüber | der JZuftizprüfungstommijlione (2. Auflage, Berlin 1892,
alle Vorträge in Sprachvereinen, die fich immer nur auf Einzel- | Franz Vahlen) einen Hinweis auf Wujtmann. Platen jagt: »Ein
beiten einlafjen lönnen und ein gewifies Maß von Spradyfennts | jedes Band, das noch fo leiſe die Geiſter aneinander reiht, wirft
nifien vorausſehen?« Doch darf diefe nit ganz geredte | fort auf feine jtille Weife durch unberechenbare Zeit.« Darum
Würdigung unjerer Arbeiten durch einen Richter des höchſten bejcheide fich auch jeder Vereinsgenofje mit Geibels Spruche:
deutſchen Gerichtshofes farm überrafhen. Auch für andre hervor- | »Müfte Balten, haue Steine! Gott der Herr wird baun!« —
ragende Männer jcheint der deutjche Sprachverein noch »Luft« zu | Wenn man auch als Sprachbefjerer in mande Juriſtenkreiſe nur
fein; 3. B. ift feiner in der Rektorats-Rede des Deutichforjchers | mit einem »Laht draußen eure Hoffnunge treten fann, fo darf
Profefjord Karl Weinhold in Berlin vom 15. Ottober 1893 — | uns das nicht irre machen. Zu bedauern ift es freilich, daß jelbit
abgedruckt im Dezemberheft (1893) der » Preußifchen Jahrbücher — | unter den wirllich fprachgelehrten Leuten über die allergewöhns
unter den Hinweiſen auf die Notwendigkeit einer Spracjbejjerung | Tichjten Fragen noch jo viele Meinungsverichiedenheiten bejteben;
mit feiner Silbe gedadıt. das kann bei manchem infolge der neuern Spradybewegung von
Sedenfalld müfjen wir ung über die Daubenjpedjce Abhand- | den beiten Vorſähen erfüllten Juriſten eine ähnlihe Wirkung
fung freuen. Er jelbjl veripricht fi davon nur wenig, weil es haben, wie fie Hebel in feiner Erzählung » Seltiamer Spazierritt«
ihm fcheint, »alS ob fich die heutige Hulturwelt ... im Zeitalter | von einem Bater und Sohne, die mit einem Eſel ihres Weges
des Niederganges befände.e Doch hat ja auch der Stifter unfers | zogen, jo ergößlich berichtet, mit der Warnung: »So weit kann's
jept blühenden Vereins feine grundlegenden Schriften nur mit | kommen, wenn man es allen Leuten recht machen will!e —
Miktrauen in die Welt gejandt. Sicherlich hat D. zu feinem | Sollte dies nicht die Gegner einer » Spradyafademie« befehren
Aufjape durch Wuſtmanns »Sprahdummheitene und dejien | können? —
fonjtige Muslafjungen in den »®renzboten« vielfältige Anregung Da das geridytliche Urteil alles zufanmmenfaht, was in einem
erhalten, obgleich er in einer früheren Schrift (»der Urteils: | Nectäftreite verhandelt ist, jo wird fich eine Erörterung der Sprache
thatbejtand in ſprachlicher Beziehung«, Paderborn 1893, | der gerichtlichen Entſcheidungen auf die meijten Schäden des Ju—
Verlag von Ferdinand Schöningh — Sonderabdrud aus der | rijtendeutjch überhaupt eritreden. D., dem in jeiner Amtsſtellung
sBeitjchrift für deutiche Sprade« VI, 11. Heft) den polternden | der mannigfaltigite Stoff zu Gebote jtand, hat aufmerkjam be
praeceptor Germaniae auf den Beleidigungs: Paragraphen des | obachtet und forgjam gefammelt. Wer ich befehren lafjen will,
Straſgeſetzbuchs aufmerffam gemacht hat. Otto Bähr hat in ben | wird dieſer Fundgrube vieles Nüpliche entnehmen. Diefe Schrift
»renzbotene D.’3 Schrift einen »Heinen Wujtmann für Nidhter« | eines Fachmannes, der auch von den Rechtsſachen ſelbſt, nicht
genannt. Wie nun das Bud Wuftmanns und andre Schriften, | nur von dem Gewande, in das fie gelleidet werben, etwas ver:
namentlih des Landgerichtedireltors Genſel »Sprade des | fteht, jollten auch Nichtjuriſten leſen, die Über -Juriſtendeutſch ·
Entwurfs eines bürgerlihen Gejegbudhse, des früheren | etwas zu Tage fürdern wollen. Bor einiger Zeit wurde ben
Negierungspräfidenten Rothe »Hanzleijtile und Ehrlichs
»Hochwohlderſelbe«, beſprochen Ztichr. VII, 180,*) jchon auf | lihen VBertehr mit VBebörden.« Frankfurt a. M., Gebrüder
— — Knauer. — Das »Jurijtendeutfche behandelt auch ein Aufiag
*) Gin neuere®, noch zu wenig beachtete® Buch ähnlichen Ins | der Zeitjchrift »Zur guten Stundee, 1893,94 Nr. 16, von
balts iſt: Arnold Rifmann -Förmlichkeiten im jchrifts | »Junius«
27
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 2.
28
Beitungsfefern — und die eine Zeitung drudte es der andern | der Urteilöverfündung die Worte brauchte: »die vom Angellagten
gedanfenlos nad) — der ganz verftändig und verjtändlich geſaßte
Wortlaut eines Geſetzvorſchlags betreffend die Abänderung des |
841 der deutſchen Konkursordnung völlig zu Unrecht als »haar:
fträubendes Juriſtendeutſch« vorgeführt. Bevor folche Auslafjungen
der Druderihwärze gewürdigt werden, follten die Schriftleitungen
ber Tagesblätter lieber andre Dinge aus Kom nehmen, 5. B.
zu verhüten juchen, daß in der Abteilung » Gerichtäfanl« vom Be:
richterjtatter dem Borjigenden und den Anwälten jo häufig das
verdächtige Wort »wiejo« (im Sinne von »warume, »weshalb«),
ſicherlich ganz fälſchlich, in den Mund gelegt wird.
Die Sprache der Gejeße, an die fich die der Urteile eng uns
ſchließen muß, wobei es fich meiit um Regeln mit vielen Nuss
nahmen und Unterausnahmen handelt, lann gerade deswegen
einer die Leichtverftändlichfeit beeinträchtigenden lehrjabartigen Bes
ichaffenheit nicht entraten. Ähnliches ift in der Philofophie der
Fall, und, wie im der Aritimetit die vielen verichiedenen Eine
flammerungen eine Rolle jpielen, jo müjjen im Rechtsweſen die
Säpe oft länger und umjtändlicher ausfallen, als es bei eitt-
feitiger Betonung der Spradhihönheit wünjchenämwert if. Auch
die Notwendigfeit, weitläufige Ausdrücke aus andern Schriftjtüden
wörtlich zu übernehmen, verurſacht Weitichweifigfeit. Gerade
das Streben nad) räumlicher Kürzung verführt mancden zur Bil:
dung von Schachtelfägen, die dem Leer um jo weniger zufagen,
je mehr ihm dabei auch feine Sahunfunde Schwierigfeiten be—
reitet. Der Gerihtäton weicht ebenfo von der gewöhnlichen Um—
gangiprache ab, wie die jalbungsvolle Kanzelrede, die aus der
Heiligen Schrift altertümliche Wendungen entnimmt. Ein den
Dingen »Fipl bis ans Herz hinan« gegenüberftehender Richter
darf bei jeinen oft »Fnochentrodenen«e Ausarbeitungen nicht in
eine anmutige Plauderei mit reichlidhem Bilderfchmud verfallen.
Der Gefepgeber mu bei feinen Aufzäblungen an beftimmten
Kunftausdrüden feithalten und darf nicht, der Schönheit zu Liebe,
bloß begriffsverwandte Nusdrüde an ihrer Stelle einfügen, wie |
es in ſchönwiſſenſchaftlichen Schriften geſchieht. Bei der geiteigerten
Künftlichteit aller Lebenäverhältniffe erweifen fich jetzt fo einfache
Süße wie: »Wer zuerft kommt, mablt zuerft« zur Enticheidung
ſchwieriger Streitfachen unzureichend; vielmehr werden immer neue
Rechtöbehelfe zum Rechtsihupe nötig, um den jchwerfälligen Red—
lichen gegen den gewandten Unredlichen zu fichern oder um übers
haupt eine Sache gerecht zu regeln. Auf diefe Weiſe erklärt ſich
die Form fo ſchwer verjtändlicher Geſetze wie des >»Stlebege-
ſehes ·· Das preußiſche Landrecht in Knittelverſen ift zwar vors
handen; wir lönnen aber danach ebenjo wenig Recht jprechen, wie
nad) den in Muſik geſetzten Lykurgiſchen Gefepen. Einem glänzen:
ben Berteidiger und Anwalt fann man eine Vegünftigung der
Schönrednerei auf Koſten der Sacjlichkeit jchon eher als dem |
Nichter nachjehen. Jeder Laie, der Schöffe oder Geſchworner it,
wird bald darüber ins Alare lommen, daf die nachher im Zeitungs-
berichte ganz nett zu lefenden Scherztvorte, daß alle Spiten und
aller Schwung der vor ihm gehaltenen Gerichtäreden den verant:
wortlichen Richter von ftrengiter nüchterner und fachlicher Prüfung
nicht abfenfen dürfen. Eine ſolche Prüfung kann nur im einer
gleichgearteten Faſſung der Enticheidungen ihren Musdrud finden, |
bei der eine verantwortungsvolle Abwägung jedes Wortes, nicht
ein Abthun mit wenigen Worten, oberjtes Bedürfnis ift. Für
den Mangel an Sprachſchönheit und Gelenligleit der Rede, der
oft nur die Folge des Bejtrebens ift, jede fachliche Ingenanig:
feit zu verhüten, müſſen die logische Michtigfeit und die jadjliche
Schärfe entjchädigen. Wenn der Borfigende des erjtinitanzlichen
Gerichtshoſes im Arnimſchen Prozeſſe vor etwa 20 Jahren bei
ſelbſt für jo hochwichtig und bedenklich gehaltenen firchenpolitiichen
Depeſchen betrafen eine jo brennende Frage, daß fie — um ein
Bild zu gebrauchen — aucd durch die Wände des ungeöffneten
ſtoſſers hindurchleuchten muhten«, jo fünnte man das als ein
Beifpiel dafür aufftellen, wie man e3 nicht zu machen hat. Jeden—
falls glaubte der Nichter gerade in jener cause cölöbre aud ein
wenig für die Beitungsmänner arbeiten zu müſſen, obwohl er
vorher von der »nadten trodenen Handlung« geiprochen hatte, bie
»frei von allem Ausjchmudes und »entfleidet von allem interefje:
vollen Beiwerfe unter fein fritiiches Seziermefjer« gebracht worden
ſei. Wenn man dieſes Seziermefjer auf die angeführte Rede—
blüte anwendet, jo lann man feinen rechten Sinn daraus ge-
winnen. Denn jo fange die Depefchen im verichlofienen Koffer
ruhten, mußte ihr Inhalt unbefannt bleiben; der Imitand, dak
fie eine brennende Frage betrafen, änderte daran gar nichts.
Deutsche Richterart darf ſolche Ausdrucksweiſe nicht werden.
Wohl jollte e8 aber unter dem deutfchen Rechtsbefliſſenen Ehren:
ſache werden, alles, was jie reden oder zu Papier bringen, nicht
nur ſachlich richtig, fondern auch in gutes Deutſch zu formen.
Leje man alles Geſchriebene noch einmal durch, bevor man es
aus den Händen giebt. Mangel an Zeit mag anfangs mandıe
Unvolllommenbeit der Ausarbeitungen entſchuldigen; aber durch
fortgejeßte Achtſamkeit läßt ſich eine Schulung gewinnen, die felbjt
im Drange der Geſchäfte nicht verfagt. Namentlich bei nachträg-
lichen fachlichen Anderungen und Zujäpen liegt die Gefahr einer
ſtiliſtiſchen Verjchlechterung nahe; büte man ſich davor, auf ſolche
Weife einen minder gefährlihen Bandwurmfag zur greuliden Hydra
eines gliederreihen »Sapvereinese, wie D. dergleichen nennt,
umzubilden. D. weiſt in feinem Buche dergleichen Sätze von 262
und 268 Wörtern nad. Zur Vermeidung folder Mißgeburten
würde es jehr beitragen, wenn wir Juriften ung die Einihnitrung
der Enticheidungsgründe in den Anfang und das Ende der Ent:
ſcheidungsſormel ein fir allemal abgewöhnten. Ich meine das
Muſter: In Sachen uw. erlennt das Gericht — in Erwägung uf,
in Erwägung ufw., in Erwägung uſw. — für Nedt, daß uſw.
Denn nichts hindert daran, in jedem Falle den eigentlichen Ent:
ſcheid vorauszuiciden und die Gründe befonderd anzujchlichen
(Daubenfpet 6, 45).
Als Leitſatz bat ſich D. eine Vorſchrift aus $ 18 der Geichäfts-
ordnung des Reichsgerichts zu eigen gemacht, die dahin lautet:
»Die Entjiheidungsgründe find in bündiger Kürze
unter jtrenger Beihränfung auf den Gegenjtand ber
Entjheidung und thunliher Vermeidung von Fremd:
wörtern und nicht allgemein üblihen Ausdrüden ab-
zufaiien.e Im Anſchluß hieran stellt D. für die Begründung
des Urteils folgende Regeln auf: 1. Die Urteilsgründe follen von
bündiger Kürze fein und fich auf den Gegenſtand der Enticheidung
beichränfen. — 2. Die Vegründung mu als behördlicher Aus:
ſpruch ftreng und gemejlen gehalten jein. — 3. Die Sprache joll
einfach und klar gehalten fein. — 4. Die Sprache fol edel und
vornehm gehalten fein. — 5. Das Urteil wird von deutichen Ge—
richten erlajjen und iſt in der Megel für deutiche Gerichtseinges
ſeſſene beſtimmt. — D. beipricht die häufigiien Berftöhe gegen
diefe Negeln*) umd jchlieht eine ähnliche Erörterung über die
Urteilsformel und das Rubrum am. Für das leptgenarmte
*) In Seinem früheren Nuifage über den »Urteilsthats
bejtand« bat ſich D. namentlich über die richtige Verwendung der
verjchiedenen Zeitjormen für die einzelnen Ertenntnis: Abichnitte
ausgelajien.
29
Fremdwort hat ſich noch feine Verdeutſchung eingebürgert. Am
bejlen fcheint mir der Ausdruck »Kopf« zu fein; in Süddeutſch—
land wird wohl aud; ⸗»Betreff« dafür geſagt. Sicherlich ijt der
Umjtand, daß das »Nubrume« zu Anfang jleht, alſo den »Kopf«
der Entſcheidung bildet, für die Sache mindejtens ebenſo bedeut:
fam wie die in früheren Zeiten übliche Schreibung diefes Ein-
ganges mit »roter Tinte, wovon das Fremdwort feine Entjtehung
herleitet. } (Fortfegung folgt.)
Su den Sprabdummbeiten.
Bon Friedrich Kluge.
Der Wedruf, mit dem die Grenzboten fo oft die Trägen und
Müden aus der Schläfrigfeit ſcheuchen und an die Arbeit jchreden,
möge nod) oft jo qutes wirten, wie es mit Wuftmanns Buch von
den Sprachdummheiten ber Fall geweſen it. Aber fo danfbar
wir alle dem fühnen Spradjlehrer und feinfinnigen Denter für
feine That find, die immer noch reichen Segen jtiftet, jo iſt doch
oft im einzelnen die Furcht begründet, da er zu weit geht. Und
nun treiben die Grenzboten eine Spracdfehlerhag, die der Höhe
der jonft von ihnen vertretenen Aufgaben nicht immer entipricht.
So möge ein Fall von bejonderer Bedeutung bier ſprachgeſchicht⸗
lich beleuchtet werden, damit zu der berechtigten Einfeitigfeit der
Schulgrammatif aud) das Recht der jchriftftelleriichen Kunſthand⸗
babung der Sprache und das Recht der auf allen unfern Mund-
arten beruhenden Scriftiprade gewahrt bleibt.
Das 5 der Mehrzahl in beefsteaks und meetings wird ge:
ftattet als englifche Form und drum auch in deutfcher Rede qut
geheigen: Sprachdummheiten S. 40. Aber von Frad ſoll die
Mehrheit Fräde und nicht Frads heißen, und doch ift das Wort
fo gewiß engliſches Lehnwort wie jene beiden; denn das deutiche a
gegenüber dem engl. o (in frock) deutet auf die etwas abweichende
Ausſprache des engliſchen o.
Aber, fährt Wuſtmann fort, »wir reden aud von Jungens
und Mädels, Kerls und Schlingels, und dieje Formen find
falih.e Man könnte mit demfelben Recht jagen, fett und
ſchleppen, Hafer oder Nelke find falih, es muß feift,
ichleifen, Haber, Nägelchen heißen; denn dies find die hoch—
deutichen, jenes die niederdeutſchen Wortformen. Soll man dem
Niederdeutihen, das Wuſtmann ald den beimatlichen Bereich der
8: Mehrzahl anerkennt, feinen Anteil an unferer Nede zugeftehen ?
Der pedantijchen Herrichaft der Meihnifchen Litteraturjprache,
über die Goethe ſich jo energiic geäußert hat, iit in Wuftmann
ein ſpäter Epigone gefolgt, der unfern Mundarten und unjerer
Sprachgeihichte nicht gerecht wird. Unſere Schriftiprache iſt ein
feined Gewebe von bunten Fäden, die den Farben aller deutichen
Landſchaften entiprechen. Jeder Gau hat uns Spracgut geliefert,
und wie die Schriftiprache, fo bietet auch die Umgangsiprache
troß der örtlichen Grundfarbe Züge und Merkmale, die uriprüng-
fi einem andern Heimatsbereidh angehören. Und die Mehrheit
Keris herrſcht lange jhon in der Litteratur wie in unſerm täg—
fichen Verkehr. Wir müfjen bier die ſcharfen Worte Rudolf Hilde
brands anführen, wie er die Dreiftigkeit traft, mit der neuere
Schillerausgaben uriprüngliche und echt Schilleriche Kerls ichlanf:
weg befeitigen und verbefjern: »da wird durch jchulmeifterliche
Überffugheit den Worten ihr gefichichtlicher Duft mit plumper Hand
abgeftreifte ( Grimmſches Wörterbuch unter Kerl). Dieſer Stand:
puntt R. Hildebrands ift um fo richtiger, als diefer fprachfundige
Gelehrte aufer einer Fülle von Belegen aus Klaſſilern wie Schiller
und Goethe ach noc das Zeugnis mitteldeuticher Mumdarten
geltend macht, zu denen die norddeutjchen Kerls, Jungens und
Mädchens vorgedrungen find.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 2.
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30
Diefe Bildungsweiie war in der Studentenſprache des 18. Jahr:
bundert3 überaus beliebt. Im Jahre 1720 finden wir fie oft in
Reinwalds Akademien-⸗ und Studentenipiegel, der viel ftubentifche
Spracjeigentümlichkeiten einflicht; da lejen wir: »die jungen Herri-
chens, die Jungens, die Kerl, die Närrichens, die Ainderchens,
die Mägdchens, die Ständchens« (S. 104. 162. 190. 194. 207.
290. 416. 454). In der »merfwürdigen Geſchichte des Göttingi—
ihen Studenten« 1769 II, 207—212 begegnet die Mehrzahl
Frauenzimmers wohl ziwanzigmal (ebenfo II, 83; III, 221};
dazu die Muhmens II, 211.212; Beutels 211; Degens 167;
Kerl 339. 521 ufw. Mod auffälliger it der Neichtum an
ſolchen s⸗ Formen in dem ältejten Wörterbuch der Stubenteniprache
von Rob, Salmafius 1749; da gilt »die Häſchers, die Muders,
die Kerls, die Schächers, die Pinſels, die Ständchens, die Schwere:
nöterdens, die Raufers, die Spieldegelhens oder Müdenfängers«
(Vergnügte Abenditunden 1749, II, 68 fi.). Und in jpäteren
Burfchenwörterbühern und ftudentiihen Stammbüchern lefen wir
»die Mädchens, die Pedelld, die Duarfs, die Leichnams«.
Aus dem ftudentiichen Bereich) (vgl. meine » Deutiche Studenten-
ipradhe« 1805 ©. 66) ftammt der häufige Gebrauch der 5: Mehr-
beit in der burjchilofen Sprache der Stürmer und Dränger,*)
Wie oft begegnet in Goethes Briefen an Keſtner der Grub an
die Bubens (Briefe II, 27. 28. 29. 38. 42. 56. 63. 107; aud)
232 der Weimarer Musgabe)! Und in den Briefen an Charlotte
von Stein herricht die Mehrzahl Frauens (III, 192; IV, 223;
V, 97. 112; VI, 302. 310. 323). Aus dem Il. Weimarer Brief:
bande wären noch anzuführen Maidels 10; Spediteurs 101;
Keris 106. 158. 279; Hodzeitfarmens 121; Kapitels 258;
Jungens 292; deegl. aus dem III. Bande Jungens 4; Ma-
gifter8 46; Kerle 57. 80; aus dem VI. Bande ©. 92 Wejens.
In den Briefen an Frau von Stein vgl. noch Jungens III, 164;
VBauermädels Ill, 171 — Maidels 172; Edgen® IL, 176;
Bratens — Wejens IV, 328; Krüppels IV, 18; Fräuleins
IV, 215; Mädgens V, 31; Samens VII, 35. Diele Belege aus
Goethe, zu denen nicht leicht jemand die Wuſtmannſche Randnote
falich! fügen wird, liefen jich nod) ganz beträchtlich mehren, wie
denn Erich Schmidt (Anzeiger 20, 310) aus Hirzels Yungem
Goethe Bräutigamd, Jungens, Kerls, Blättgens, Püpp—
gens, Bubens ſeſtſtellt (II, 72. 73. 128. 386. 387; III, 275).
Im Urſauſt heißt es: »zwar bin ich geicheuter als alle die Laffen,
Doltord, Profefjors, Schreiber und Pfaffen« (S. 1), und ebenda
S. 58 gilt Frauens; in unfern Fauſtausgaben I, V. 3020 fteht:
Fräuleins alle Höflichleit erweiſt.« —
Wir bedürfen feiner weiteren Belege. Die Fülle der ange:
führten Beugen für einzelne > Plurale wie Kerls, Bubens,
Mädchens, Frauens, Frauenzimmers (vgl, auch das
Grimmſche Wörterbuch unter Kerl und Mädchen) fpricht gegen
Wuftmanns bündige Verurteilung, und wir haben fein Recht,
Schriftitellern foldye berechtigte Eigentümlichkeiten zu verleiden;
wir dürfen fie im burichifofen wie im famihären Stil nicht ver:
werfen.
Beachtenswert find unter unfern Belegen die zahlreichen Zeugen
für -chens. Gute und befte Schrijtiteller gebrauden Mädchens,
wie dad Grimmſche Wörterbuch ausweiſt. Unter den oben beis
gebraten Wortmaterialien find Edchens, Blättchens, Pilpp-
chens bei Goethe bezeugt; bei Reinwald 1720 die Herrdens,
Ständchens, Närrhens, Kinderchens; bei Salmajius 1749
*) In Maler Müllers -Fauſt« finden wir beifpielsweife Kerls,
Bengels, Bubens, Bürſchgens, Lümmels, Sächelchens, Mädchens,
Mädels, Kerlchens, Degenpüppchens, Märdens, Jungens, Bür—
gerd, Leutchens u. a.
31 Zeitfhrift des allgemeinen beutfhen Sprahvereind X. Jabrgang. 1895. Nr. 2. 32
die Ständdhens, Schwerenöterchens, Degelchens. Es it
fein Zufall, daß der Belege jo viele find. Man erkennt daran,
wie in der vollätümlichen Rede das Bejtreben waltet, die Mehr-
zahl gegen die Einzahl durd ein Merkmal zu fennzeichnen. Daher
auch finden fich unter unfern Belegen Formen wie Frauen—
zimmers und Mädels, Wejens und Krüppels, Degens
und Pinſels.
Und noch ein anderes fünnen wir unſern Belegen entnehmen,
die Neigung für die s- Mehrheit bei Fremdworten, zumal bei
fateinifchen, für die man im früherer Zeit auch lat. Wortbiegung
liebte: Doftors, Profeſſors, Magijters bei Goethe. Das
s ift dadfelbe wie in Kapitels oder in Spediteurs und it
nicht aus dem Franzöſiſchen zu erklären. Much die Mehrheit zu
Eigennamen, tie wir fie ichon im 18. Jahrhundert hatten —
Müllers, Meifters, Steinmanns — gehört hierher. Im allge
meinen erfennt man, daß Worte, die eigentlich nur in der Einzahl
möglich oder auch indeflinabel find, die s- Mehrheit bevorzugen,
und man muh die Hochs, die Wenns und die Mbers, die T’S
und die U's darnadı beurteilen und nicht mit der Boreingenom:
menbeit, die Wuſtmann dagegen wie gegen die Kerls und die
Mädchens hat.
Alter und mundartlicdyer Bereich und Maffiiche Zeugen — das
alles berechtigt uns nicht hurziweg zu jagen: foldhe formen find
falſch. Sie haben Anjpruch auf Anerfennung für das geſprochene
Wort wie für den familiären und den burfchitofen Stil, und wir
dürfen fortfahren — troß Wuſtmanns energiicher Einſprache —
und zu erfreuen an dem geichichtlihen Duft, den Rud. Hilde:
brand an jenen Formen wahrnimmt, und an der niederbeutichen
Heimatfarbe, die dem ftrengen Oberſachſen jo ſehr mihfällt. Die
Zeiten der altmeißniſchen Oberherrichaft waren zu Ende mit der
Sturm= und Drangzeit, und fie jollen auch nicht wiederfehren.
Bericht Über die Verdeutſchung von Straßennamen,
von Profeſſor Stier in Neuruppin.
Die in Mainz vor etwa 10 Jahren an Stelle der alten Bälle
bei der Stadterweiterung angelegte und practvoll ausgebaute
Straße, deren Name » Boulevard« damals Anſtoß erregte,*) heiht
jebt »KRaijer-Strafee. Auf den Antrag des Kaſſeler Zweig:
verein® ift die von jenem Monsieur Cambon aus Paris, welcher
in der franzöfiihen Bezeidmung einen Beweis für die Armut
der deutſchen Spradıe jand,**) bewunderte »Bellevue:Str.«
in »Scöne NAusfichte,***) »Rondele in »Wilbelmshöher
Plage, ſowie die zufäßliche Bezeicdinung » Allde« und »Chaussce «
in mehreren Füllen in »Strahe« und ⸗»andſtraße«, umges
wandelt worden. Als kürzlich in Efien eine fogenannte » Passage «
gebaut werden follte, bat Prof. Imme durchgeſetzt, daß der
Durchgang den Namen »Kaiferhaller erhalten haty). In
Graz fit durch eine Eingabe an den Berichterftatter im Stadtrat
»eine geplante Cottage Bafje glüdlichh hintangehalten mworden.«
Nachdem vor etwa 6 Jahren in Potsdam ein Antrag des Bereind
auf Verdeutſchung von Straßennamen vom Magiftrat abgelehnt
worden war, hat derfelbe vor 2 Jahren, durch einen Straßen:
durchbruch veranlaht, den Gegenftand wieder aufgenommen und
beantragt die Namen »Nauener Communication« durch » Moltte-
Strafe« und »Mauer- Strahe« jowie Plap am »Bassin«e durd
»Molttes Plaß« zu erfepen. Dieſer Antrag ift günftig aufgenommen
worden umd wird vielleicht zur Ausführung kommen; doch ifl
die Schwierigkeit folder Änderungen dort gröher als andere,
weil die Genehmigung des Kaiſers dazu erforderlich ift.
Wenn ich auch auf diefent Gebiete nur über geringe Erfolge
unjerer Bereinsthätigfeit berichten kann, jo liegt diesmal der
Grund darin, daß auch die Aufgabe nur einen geringen Um—
fang bat. Für Städtchen wie Plön, wo die Strafen feine
*) Ralf. Beitichr. l Ep. 78.
**) Zeitichr. IV Sp. 12.
* IV Sp. 86.
+) IX 153.
Schilder führen, oder Versmold, wo fie überhaupt feine Namen
haben, ift diefe Aufgabe gar nicht vorhanden. Mbgeiehen von
den größten Hauptitädten, aus denen ich feine Nachricht erhalten
babe, und den Städten mit gemifchter Bevölferung — in Meß
find alle Straßenichilder deutich und franzöſiſch und in Prag be:
fanntlich —— nur iſchechiſch — wird aus allen Gegen⸗
den Deutichlands und Vjterreich® gemeldet, daß die Straken-
namen jajt durchweg deutich feien. Selbjt in Wermelstirchen,
wo ſich manche Ausdrüde auf die Reit der Franzoſenherrſchaft
(1806 — 1813) zurüdführen fafien, im großen Städten wie
Breslau, Magdeburg, Franffurt, Dresden, Nürnberg, Stuttgart
haben die Vereine feine Beranlaffung gehabt, auf Bejeitigung
frembdiprachiger Strahennamen binzumwirfen. Die Straßen von
Trier find jehr alt und urdeutih benannt: Fleiih:Etr., Brods
Str., Rindertang: Str., Str. Sich dich um uſw. Auch aus Reichen:
berg in Böhmen und aus Marburg a. d. Dr. wird ausdrüdlich be-
zeugt, daß die Namen durchgehends deutich ſeien. Manche Be:
richte fügen hinzu, die Gefinnung der ftädtiihen Behörden bürge
dafür, daß es auch jo bleiben werde.
Nur vereinzelte Fälle werden gem, in welchen die beſſernde
Hand anzulegen jei. Mber auch diefe bedürfen der Sichtung.
Daß wir uns zunäcit hüten müjlen, die Vefeitigung eines
jeben der deutichen Zunge unbequemen Fremdwortes zu befür-
worten, wird folgendes Beiſpiel zeigen. Bor einigen Jahren
lafen wir in unjerer Zeitichrift: »Weahalb heißt der ſchöne große
Plap beim Theater in Straßburg immer noch Broglie- Bla?
und nicht wieder, wie er jahrhundertelang bieh, Roßmarkt? Dies
wäre um jo mehr zu wünjchen, als unter hundert Straiburgern
und fremden neunundneungzig fi mit der Ausipradye des Namens
Broglie, der ein italienischer ift und Brölje ausaeiprochen wird,
entjeglich quälen und aus ihm Broklie, Broklije und Ähnlichet
mehr machen, während die Franzoſen doc wenigftens Brolji
fprechen.«*) Nun aber hat jener Platz feinen Namen von einem
Statthalter, dem taliener Duc de Broglie, weldjer zur Zeit, wo
Friedrich der Große heimlich (mein Berichteritatter fagte incognito)
nad; Straßburg fam, um das franzöſiſche Heeresweſen kennen zu
lernen, ſich durch die Bepflanzung und Ausſchmückung diejes
Plapes ein Verdienſt erworben bat. Würde es alfo nicht ein
Mißgriff jein, wenn die Erinnerung an diejen um die Stadt
verdienten Mann getilgt würde, um den alten » Rokmarft« twieder-
herzuftellen? Sehr richtig fchreibt Dr. Wülfing: »Gerade in
den Straßennamen follte die Erinnerung an die Vorzeit feitge-
halten werden; denen, die fie nicht mehr veritehen, müßten fie
erflärt werden, wozu ſich vor allen —— der Schulunterricht
in der Heimatskunde eignet.«**) In Elberfeld find die meiſten
Straßennamen auf Perſonen oder Familien oder Drtäbezeich-
nungen älterer Zeit zurüdzuführen, auch Gebäude zur Bildung
neuer Straßennamen verwandt worden. In Bonn iſt eine Convict-
Str., nad) dem jrüher dort liegenden Konvilt für Studenten der
fatholiihen Gottesgelehrtheit benannt, eine Hatſchier-Gaſſe, in
der die furfürjtlihen Hatichiere wohnten, eine Gommanderie: Str.,
die ſich auf der Stelle befindet, wo jrüber der Ordens-Land-
Kommandeur der Balley Koblenz oder die Koblenzer Deutichs
Ordensfommende einen großen Weingarten beſaß. Die Hospital:
Str. in Zeiß erinnert an ein im Mittelalter gegründetes Hospital.
In Heilbronn giebt eseine Präfenz- Gaſſe. Brüäfenz bezeichnet zunächſt
das Einfommen der in Heilbronn anwejenden Stellvertreter der
Würzburger Domberren, dann aber auch ihr Wohnhaus. »Dieje
geichichtlichen Eigennamen« — fügt Dr. Preſſel hinzu — » wird
man nicht verdrängen wollen und dürfen.«e Wenn anders Fremd:
wörter die Spradie bereicdyern dürſen, jo mögen in Düfjeldorf
eine Coneordia- und eine Communications-Str. ihre Namen
behalten, da es dort außerdem bereit3 eine Eintracht- und eine
Verbindungs- Str. giebt. (Freilich find die Vezeihnungen Ber:
bindungs- Str. und KHommunifations-Str. an und für fich zu
verwerten, da ſämtliche Straßen der Verbindung dienen. D. %.)
Dak in Zittau »einige ſprachlich nicht mehr allgemein ver-
ſtändliche Straßennamen durch neue, freilih jo leere als ver-
ftändliche erfeßt worden find«, iſt ohne den Willen des Bereins
eichehen. Der Heilbronner Zweigverein hat fich im vergangenen
inter mit der Wiederherftellung entitellter alter Gaſſen—
namen beichäftigt. Die Hämmerlins-Gaſſe heit jept » Hämmer-
lings-Gajje«, das Entensbäfjle »End:Gafle«, die Zehen-Gaſſe
*, VI 1535.
) Bgl. auqh diefe Zeitichr. IX Sp. 118.
33
(von einer Famlie Zeh) »Zehent⸗ Gaſſe ·· Auch in Darmitadt |
wurde im Einvernehmen mit dem Herrn Oberbürgermeijter alle |
mähliche Tilgung gewiſſer mifiveritändlich aufgefommener Ortlich—
feitö= Benennungen betrieben, 3. B. joll eine Hölges- Str. fünftig
wieder »HöhlchenssStr.« heihen, da fich dort eine Höhle oder
ein Hohlweg befand. *)
Die angeführten Beifpiele zeigen, daß unſer Verein nicht nur
auf Abihaffung vorhandener Straßennamen, fondern auch auf
Erhaltung, und wo die urfprünglichen Bezeichnungen entitellt
find, auf Wiederherjtellung derfelben bedacht iſt.
Berechtigt find alle Ortänamen, die dem Interricht in ber
Heimatähmde als Antnüpfungspunfte dienen. Sind fie im Laufe
der Zeit unverjtändlich geworden, jo ift es die Aufgabe des Vereins,
ihre urfprüngliche Gejtalt zu ermitteln und mit den —*
lichen Ereigniſſen bekannt zu machen, denen ſie ihren Urſprung
verdanten. In Graz hat Pireftor Vernalelen durch einen lehr—
reihen Bortrag ȟber verbunfelte Benennungen in und um
Graz«**) ein nachahmenswertes Betipiel dazu gegeben.
ufammenfegungen mit Eigennamen zu beanjtanden, haben
wir feine Veranlafjung. Es fragt fich nur, in welchem Umfange
bie Befeitigung franzöfifher Gattungsnamen ausführbar
iſt. Als folche werden Bromenaden, Alleen, Chaufieen und Plans
tagen genannt. ***)
Der Name »PBromenade« wird in Zeit nicht beanitandet,
weil er »gar zu eingebürgert« jei, und in Braunichweig darım
nicht, weil er »jchwerlich zu bejeitigen fein dürjte. Die An:
erfennung jenes Grundes würde recht bedenkliche Folgen haben;
diefer dagegen ftellt mur die Schwierigkeit feſt, entbindet aber
nicht von der Pilicht, auf Mittel und Wege der Befeitigung zu
finnen. Es fragt fich doch nur, ob qut Deutich reicht. Hr. Bür-
germeiſter Rummert, ſelbſt Vorfipender deö Zweigvereins, jchreibt
aus Kolberg: »Nur der Name einer Häuferreihe iſt bier zu ver:
deutfchen, nämlich » Bromenade«.
die Reihe der Häufer nicht; fie liegen an einem breiten Fußwege.
Bisher hat mir noch fein anderer Name für dieje Häuferreihe
pafjend erſcheinen wollen.«e Ob unter Promenade ein Baumgang
oder eine Wandelbahn oder ein Zierpark zu veritehen ift, läht
fi) aus der Ferne nicht enticheiden. Jedenfalls wird der im
franzöfiichen Worte —— Begriff durch »Spazierwege genau
wiedergegeben. Der Ei
Meirning entgegenftehen, daß dasſelbe als dem feineren Gefchmad
wiberftreitend belächelt werben würde. Ynderwärt® geht man im
»Stabdtparf« oder in den »Anlagen« jpazieren. Die ftädtijchen
Promenaden, welche in Zeit amtlich diefen Namen führen, find
doch ohne Zweifel jtädtifche Anlagen? Wo dieſer Ausdruck der
Sache entipricht, verdient er entichieden den Vorzug. Warum
follte er nicht auch auf Wegetafeln gefeßt werben?
Dr. Breijel meint, den unter dem Einfluffe des franzöſiſchen
Gartenstils entitandenen Namen Allee zu verdrängen, wäre
wohl wünfchenswert, aber nicht mehr möglich. Auch Wülfing
weiß »feinen quten deutſchen Musdrud dafiir anzugeben« jrlür
Chauſſee will der Zmweigverein Bonn »in einer Eingabe an den
Stadtrat wegen der richtigen Schreibung auf den Schildern ges
legentlich » Landitrahe« vorichlagen, was in Frankfurt a. M. ganz
—— iſt.« Dieſer geläufigſte und am meiſten eingebürgerte
usdruck war in meiner Jugend ebenſo gebruuchlich wie Chauſſee.
* den »Ortöneuigfeitene der Märtiſchen Zeitung bat er ſeit
abren das häßliche Fremdwort verdrängt. Mit Unrecht wird
oft ein Landweg im Gegenjag zur Kunftitrahe als Landſtraße
bezeichnet. Die Chauſſee iſt eine Art Kunſtſtraße, die Kunſtſtraße
eine Art Landſtraße. Nur wenn der Gegenſatz zu einem gewöhn—
lien Fahrwege ausgedrüdt werden muß, brauche man den
minder üblichen Ausdruck Kunſtſtraße, und wenn wir ja einmal
in die Lage fommen follten, andenten zu müflen, daß wir nicht
von einer gepflajterten, fondern von einer bejchotterten units
ſtraße reden, dann werden wir fie Schotterftraße nennen dürfen.r)
Als enticheidendes Hindernis der Verdeutihung wird in Strals
”) So follte auch in Bonn die Vivats-Gaſſe wieder eine
»Viehpfads-&.« werden, wenn man nicht etwa der Vollsemmo⸗
logie oder dem Studentenwipe einen Tummelplaß — will.
Abgedruckt in der Grazer Tagespoſt vom 30. Mai 1891.
Führt der IV Ep. 12 erwähnte Garde-du-corps- place
in Kaſſel heute noch diefen Namen?
« 8 Bol. Mitteilungen aus dem Berliner Zweigvereine 1892
Eine eigentliche Strafe bildet |
führung dieſes Erſatzwortes fünnte die |
Zeitiägrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. X. Jahrgaug. 1895. Nr 2.
34
fund der Umſtand angejehen, daß der Staat bezw. die Provinzial -
oder Kreisverwaltung noch Chauffee jtatt Kunſiſtrahe ſage. Dem
gegenüber will ich nicht unerwähnt laſſen, daß ich in einer land-
rätlichen Belanntmahung bereits von Beihädiqungen der Tele-
araphendrähte san Pand= und Kunftitraken« gelejen habe. Wenn
wir nur qut vorarbeiten, einmütig in allen Zweigvereinen jteis
die amtlich eingeführte Bezeichnung » Hebejtellee jtatt Ehaufiechaus
gebrauchen, » Wegegeld« fir Chaufjeegeld, nur wenn ein Bedürjs
nis vorliegt Kunſtſtraße, jonit immer Landſtraße jagen und
fchreiben, jo brauchen wir die Hoffnung einer Einwirkung auf
die Spradie der Behörden nicht aufzugeben. Daß in Frankfurt
allgemein Landitrake ftatt Chaufiee gejagt wird*) umd in Kaſſel
bereitö die zuſätzliche Bezeichnung Allee und Chauſſee in mehreren
Füllen in »Strafiee und » Landjtrafe« umgewandelt worden ift,
wurde ſchon oben bemerft.
Landgerichtsrat Bruns meldet aus Torgau: »An einen Mann,
der hier alljommerlich auf jeinem vor der Stadt belegenen Kirſchen—
wäldchen, das er » Sirich- Plantage« nennt, Kirichen verlauft, habe
ich neulich die Bitte gerichtet, das Fremdwort bei feinen Antündis
gungen im Sreisblatte zu verdeutichen.«e Dr. Saaljeld jchreibt
aus Blankenburg: · Unſere Straßennamen find durdyweg deutich bis
auf zwei: Anititut:Str. und Blantagen»Str. Jene wird in ab-
jehbarer Zeit vermutlich den altdeutihen Namen Fale Helle be-
fommen, da bier uralter Opferftätten gejchichtlich zu gedenken ift.
Bei dieſer ijt aber um jo weniger zu machen, als jie ihren
Namen von den riejigen Kirichenanpflanzungen ableitet, deren
Benennung »Blantagen« in den Grundblichern jteht und tm Bolls-
munde (leider ſehr ſeſt!) fortlebt. Doc ijt der Verfuch auch ſchon
gewagt worden.« Nicht nur gewagt, fondern anderwärts auch ge-
lungen. In Kolberg hat ſchon vor mehreren Jahren der Magiſtrat
einen Strafennamen » Plantage « befeitigt. Sollte num nicht, was in
Kolberg gelungen it, in Blankenburg ebenfalld gelingen, wenn
der zuftändigen Behörde eine von den 108 Mitgliedern des dor—
tigen Ziweigvereind unterzeichnete Eingabe überreicht würde?
Erregt denn das Erſaßzwort »Anpflanzungene nad) irgend
einer Seite bin Bedenfen?
Da wir an erſter Stelle diejenigen entbehrlicden Fremdwörter
bekämpfen, welche durch lang und Schreibung forwie durd ihre
ganze Form ſich als undentic zu erfennen geben, fo iſt Pro—
menade und — jelbjtveritändlich unter Weglaſſung des franzö—
ſiſchen Tonzeichend — Allee erträglider ala das von ungejchulter
deutjcher Zunge meiſt faljch geſprochene Ehaufiee. Noch verwerfs
licher aber iſt Plantage. Denn es gehört zu den Wörtern, die
auch der Gebildete halb deutich und halb franzöſiſch auszufprechen
pflegt. Und nun wagt man gar durch Zufammenfeßung des zwar
unverändert in unjere Sprache aufgenommenen, aber nur teil:
weife unter Nachahmung —— Sprachorgans ausgeſproche⸗
nen franzöſiſchen Wortes »plantages mit dem guten deutichen
»Strahe« ein neues Wort » Plantagen - Strafe« zu bilden? Sol:
cher Sprachverwilderung muß geiteuert werden! Alſo laſſen wir
den Alleen ihr Gaftrecht unverfümmert, meinetwegen auch den
Promenaden da, wo jie Parkanlagen nicht find, wenn man fie
Spazierwwege nit nennen mag: aber ruhen wir nicht cher, bis
wir der Chaussce und der Plantage die Thür gewielen haben!
Dit der Schreibung der Straßennamen hat ich kürzlich
Bonn eingehend beichäftigt. Weil die Anfertigung der Straßen⸗
jchilder in vielen Städten Leuten überlafien wird, deren Sprach—
fenntnijje nicht ausreichen, um eine einheitliche Schreibung durch
zuführen, wünſcht Dr. Wülfing,*) dab dur einen Mus-
ſchuß Regeln feitgeftellt werden, die wenigſtens in den Städten
eingeführt werben fünnten, in welchen Spradwereine bejtehen.
Die Verbindung des Eigenichaftsivortes mit dem Hauptworte
durd Aufammenjchreibung oder durch Bindung mit Bindejtrich
foll verhütet und die Schreibung der zuſammengeſetzten Wörter
in zwei Wörtern mit Bindeftric empfohlen werden. ***)
Darmitadt hat bereits Erfolge jeiner danfenswerten Bemühungen
um ſprachliche Berichtigung der Straßenſchilder aufzuweifen. Herr
Major von Pfiſter-Schwaighuſen jchreibt: » Durch vertraut:
*, Wiülfing führt IX Ep. 115 die Bodenheimer, Efcheräheimer
und Edenheimer Landitrafe als Beiipiele an.
) IX 114 fi.
++), Mit Senehmiqung des Gejamtvorjtandes jtellt Dr. Wül—
fing zugleich mit diefer Nummer den Borftänden der Zweigver—
eine Fragebogen über die Screibuug und Bildung von Straßen—
namen zu.
35
liche Rüclſprache mit dem Herren Oberbürgermeijter wurden mandje
Berichtigungen fehlerhafter öffentlicher Mufichriften angebahnt; zum
Teile auch ſchon ausgeführt, zum Teile für zukünftige Beachtung
verheißen. Sergeitellt ward bereits geichichtlich einzig befugtes,
Zeitſchrift bes allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 189. Nr. 2,
36
wesfälliget =8 und sen; z.B. Heinridhe-, Karls-, Martin,
Georgen: ufw. Strafe. Daß die neuzeitliche Tiederliche Werjtüms | Geihäftsbriefen folgendes Anfchreiben beifügen:
melung, wie folhe in anderen Städten wol herſcht, noch nicht
durchweg hier wiederum gewichen ift, bat leider jeinen Grund in
dem zufälligen Umſtande, dak die Strafentafeln zu grohem Teile
eben erit im Maſſen-Auftrage auswärts ernenet waren, obne
veritändige Überwachung.« — Über den ſchon früher mitgeteilten
Antrag an ben Gemeinderat in Graz berichtet Prof. Khull:)
»Da wir in Graz nur die Bezeichnungen Quai, Gaſſe, Strafe
und Plak von Amtéwegen fennen, fo richtete unfer Zweigverein
feine Kraft darauf, die franzöfiiche Form Quai, die fich leider
dreimal findet (Stadtquai, Nilolaiquai, Landquai) durch die
beutiche Kai**) zu eriegen, und übergab jchriftlich ſeine Bitte
dem Bürgermeilter. Der hiefige Gemeinderat, von defien 48 Mits
gliedern 12 Herren unferm Vereine angehören, bürfte in der
näcjten Sipung die Abänderung — die wegen der vielen zu er—
feßenden Tafeln 350 Gulden koiten dürfte — genchmigen.«
Sp anerfennenswert die Opferwilligfeit des Grazer Gemeinde:
rates jein würde, jo bürfte doch wohl in den meiſten Städten
nicht darauf zu rechnen fein, daß Vereinsanträge bewilligt werden,
wenn fo erhebliche Koften dadurch verurjacht werden. » Much das
Grumdbuchweien wiberrät zu häufige Anderungen- (Brund-
Torgau), durch welche den Hausbefigern » beim Katajteranıt und bei
notariellen Atten Schwierigkeiten entftehen« (Barnic- Düfieldorf).
Je größer aber die Schwierigkeit nachträgliher Schilderver-
befjerung ift, deito ernſtlicher muß ins Auge aefaht werden, daß
bei etwaiger Erneuerung ſämtlicher Straßenſchilder oder bei Be—
nenmungen neu eniitandener Strahen rechtzeitig der Verein einwirkt.
Der Imftand, dak in Graz diefelbe Straße teils als Schubert =
Gaſſe, teils als Schubert: Strahe bezeichnet iſt, macht uns darauf
aufmerffam, daß einer Verwechſelung der Begriffe Strafe und
Gafſe vorzubeugen ift.
Dr. Waldeyer fagt in einem Bortrage Ȇber die Namen
ber Berliner Strahen«***), einfache, nichtöjngende Vornamen
bei ber Strahenbenenmung zu wählen, wie dies bei Mdolj- Str.,
PaulsStr., Otto:Str. gejheben, führe zu Buftänden, wie bie
der (au in Mannheim eingeführten) amerikaniſchen Zahlen⸗
bezeichnung. Je verbreiteter dieſe Unſitte iſt, deſto mehr haben
wir dafür Sorge zu tragen, daß ſie nicht noch weiter um ſich
greift. Auch ſolle man nicht bedeutungelofe Eigennamen von
lebenden oder nicht allgemein befannten Rerjonen wählen. Man
möge auf ruhmreiche Namen aus der vaterländiicen Geſchichte
und Heldenfage zurüdgreifen, oder Namen nach deutichen Marten
und Gatten, ober aud nad den alten deutſchen Vollsſtämmen
wählen. Die Quantius-Str. in Bonn bat ihren Namen von
dem Erbauer ihres erften Hauſes. »Dieſer Brauch greift bier
immer mehr um ji. Die umbedeutenditen Köpfe können
dadurch matürlich zu derielben Ehre lommen wie unfere Großen,
# B. bier Beethoven, Schiller wim.« (Willfing.) Da lob' ich
mir eine Stadt wie Wandsbeck, die neben einer dad Andenken
an den weltberühmten Wandsbeder Boten ehrenden Claudius—
Str. auch eine Goethe⸗Str. und Schiller- Str. aufzuweiſen bat,
oder Wilhelmähaven, wo man, um die Strafen würdig zu be—
nennen, die ruhmreichen Namen der Männer zu Hilfe genommen
bat, die fih im leßten Kriege unfterbliche Verdienſte um das
deutiche Vaterland eriworben Eier
Je geringer auf diefem Gebiete unfere Aufgabe ift, deito
größer muß auc die Hoffnung auf wirklich durchgreifenden Eriolg
fein. Darım wollen wir nicht müde werden, auch bier unfere
Schuldigleit zu thun. Wenn erit in 160 Städten fein Straßens
fchild mehr fit, das unſerm Bolfe Schande macht, dann wird
auch fein Monsieur Cambon mehr wagen fünnen, in ſolchen
öffentlichen aupantten einen Beweis für die Armut der deutichen
Sprache zu finden,
*) Bol. IX 124 f.
*), Die Nichtigkeit diefer Schreibung iſt I 235 und III 25
nachgewieſen worden.
**) Bol. den Bericht über diefen am 10. Febr. 1890 gehaltenen
Vortrag in dem Mechenichaftsbericht über den Berliner Zweig—
verein im Jahre 1890 ©. 10.
Rleine Mitteilungen,
— Bon einem erfreulichen Erfolge der Bücher unjeres Ber:
einsmitgliedes, Herm F. ®. Eigen in Hamburg, zeugt das
Verfahren der Herren Sturm Gebrüder in Hamburg, die ihren
⸗Kein unnötiges Fremdwort!«
Angeregt durch die jüngſten Veröffentlihungen eines Berufs:
genoffen, wird das unterzeicdnete Handelshaus fortab im Bertehr
mit deutſchen Beichäftsfreunden die überflüffigen und ſtellenweiſe
geradezu unfinnigen Fremdwörter thunlichft vermeiden, natürlich
ohne darum in übertriebene »Deutjchtümelei« zu verfallen,
die ja auch Eikens Bejtrebungen durchaus zumwiderliefe. «
Uns liegt außerdem ein Preisverzeichnis dieſes Handelshaufer
vor, das in jeiner Reinheit von überjlüffigen Fremdwörtern wohl
als muſtergültig hingeftellt werden fann.
Bucherſchau.
Aus einem der in voriger Nummer (Sp. 16) erwähnten kauf:
männifchen Gutachten über das Eieniche Wert »Fremdmwörter
der Handelsipracee teilen wir das folgende mit:
Nah orgfältiner Prüfung des Eipenichen Werles »Tremd-
wörter der Haridelsſprache ufw.«, und auf Grund zahlreicher Stich-
proben fann ich mein unbefangenes Urteil dabin abgeben, daß
es vom faufmänniichen Standpunfte aus und für den faui-
männtichen Gebrauch nahezu tadellos daſteht. — Die Verdeutichung
derjenigen Musdrüde, die lediglih aus jchlechter Angewohnheit
unsere Briefe mit fremden Broden ſpicken (Avanz, fortieren, kom:
plett, Kontralt, Quittung, präjubizieren, kompliziert, liberal, Cir—⸗
fulation, Bugfierdampfer, Inſpektion, engagieren, Kopie, fon-
ditionieren uſw.) iſt genau diefelbe, die ſchon feit längerer Seit
von mir und meinen Geſinnungsgenoſſen in —— gebracht
wird. Für etwas ſchwierigere Fälle (Transport, Uncoulanz,
Ultimatum, Ufanz, limitieren, Liquidation, effeftiv, Nonjument,
Konſortium, lombardieren ujw.) hat der Verfaſſer oft mit überrafchend
glüdlichem Griffe die einzig treffende Löjung gefunden und vielfad)
eine Neihe von Überjeßungen vorgefchlagen, aus denen fich die
pafjendite leicht wählen laflen wird. Endlich ift ihm hoch anzu—
rechnen, daß er bei einer großen Anzahl von Ausdrücken die Ab:
ftammung aus dem Niederdeutichen oder Holländiihen und die
Zwedmähigfeit ihrer Beibehaltung nachweiit (Kai oder Quai), umd
daß er andere für noc) nicht dedend überjegt, alfo gleichfalls zur
ferneren Anwendung empfohlen erklärt (Salfaterung, Dezimal-
rechnung, Klima, Mafchine, Notar ufw.).
Die Vollftändigfeit des Verzeichniſſes ſeht in Erftaunen. Es
ist mir nicht gelungen, ein Fremdwort, eine Redewendung oder
eine Abkürzung aus der Zahl der mehr oder weniger häufig im
Geſchäft vorlommenden zu entdeden, die nicht ihre Erttärung und
Überfegung gefunden hätten.
Hamburg. Johannes E, Rabe, i. Fa. Rabe & Co.
Aus den Sweigvereinen.
Blanfenburg 0.9. Die Hauptverfammlung wurde von dem
Borjigenden mit dem Jahresberichte eröffnet, der 110 Mitglieder
aufweilt. Nachdem Oberlchver Dr. Saalfeld jodann die Thätig:
feit der neuen Leitung des Gefamtvereins in anerfennenden Worten
geichildert hatte, hielt er einen Vortrag über die Zeit, wo Deutich-
land unter das Joch der Franzoſen gefnechtet war, und teilte
einige dentwürdige Niederichriften und Gedanken der deutichen
Heldengejtalten jener Tage mit. Der Nebner ging zum Schluß
auf die Gegenwart über und legte dar, dab der Spracdwverein
nicht nur unſere Mutteriprache fürdern, fondern auch vaterländiiche
Geſinnung bethätigen und Baterland und Mutterjprache eng und
enger verbinden wolle.
Hamburg. An der Dezemberikung berichtete Herr F. ®.
Eitzen über die Hauptverjammlung in Koblenz und ferner über
die Bewegung in der Hamburger Kaufmannſchaſt gegen das Un:
weien der Fremdwörter. Es wurde beichlofien, vorbereitende
Schritte zu thun, um dem Mihbrauche der Fremdwörter und den
Sprachjehlern auf Geſchäfisſchildern entgegenzuwirken.
37
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprahvereind. X. Jahrgaug. 1895. Nr. 2.
Geſchäftlicher Teil.
Am 13. Januar 1895 fand zu Berlin eine
Sihung des Gelamtvoritandes
ftatt. Den Vorfig führte Dr. Mar Jähns, — Anweſend waren
die Herren Bruns, Freiherr von Cramm-Burgdorf, Exxellenz,
|
Dr. Dunger, Ernit, Häpe, Dr. Köpfe, Yaunbardt, Magnus, '
v. MWüblenfels, Dr. Pietſch, Dr. Saalfeld, Scheerbarth,
Sarrazin und Sedlaf.
Der Borfigende eröffnete die Sigung mit einem Berichte über
die Yage des Vereins. Seit den legten Beröffentlichungen in
unjerer Zeitichrift haben ſich ? Zweigvereine aufgelöft: Ballens
ftedt und Neutitichein; neubegründet find dagegen Strasburg in
Weitpreußen und Mülheim a. d. Ruhr. Der gegenwärtige Bes
ftand beträgt 162 Biweigvereine mit ungefähr 10850 Mitgliedern
und an 570 unmittelbare Mitglieder. Die Beiträge für 189
find von allen Amweigvereinen mit Ausnahme von Amſterdam,
Budweis und Hildesgeim eingegangen.
Bon der Preßpolizei ift der a. d. Sprachverein aufgefordert
worden, ſich feiner Veröffentlichungen wegen in das Handelsregifter
eintragen zu laffen und zwar, da er keine förperichaftlichen Rechte
hat, auf den Namen einer Perjon.
Anfolgedefjen haben fi der |
Borjigende und der Schagmeiiter al ein Berlagshaus Jähns |
& Co. ‚Allgemeiner deutiher Spracverein” bei der Polizei
angemeldet. Die dazu erbetene nachträgliche Genehmigung des
Borjtandes wird von diefem danfend ausgeiprochen.
Der künſtleriſch ausgejtattete Anichlag mit dem Wahl:
fprud und ben Muhnahmebedingungen des Vereins und eine
entiprechend herzuftellende Mitgliedskarte find in der VBerviels |
fältigung bezw. in der Vorbereitung dazu begriffen. Das Ber-
beutichungsbeit über Berg: und Hüttenweſen hat die Prefie
verlafien, das über die Schulfprache befindet ſich noch im Umlauf
bei den Beurteilen.
Der Schapmeiiter, Herr Eberhard Ernit, vervollitäindigt
diejen Bericht durch Angaben über die Einnahmen und Auss |
gaben des Vereins im Jahre 1894, aus denen hervorgeht,
daß der Stand der Geldverhälmiſſe ungefähr der gleiche iſt wie
zu Ende des Jahres 1893,
Demnächſt berichtet der Vorſihende über die Zuſammen—
fegung des Ausſchuſſes und des Geſamtvorſtandes. Der
erjtere ijt nahezu einftimmig wiedergewählt. — Bon den in Koblenz
gewählten Mitgliedern haben die Herren Freiherr v. Ungern—
Sternberg und Dr. v. Leixner die Wiederwahl nicht angenom—
men. An des eriteren Stelle trat der auf der Hauptverfamms
fung zu viel gewählte Herr Oberlandesgerichtsrat Scheerbarth |
ein; an des zweiten Stelle wird der in die damalige Vorichlagstifte
irrtümlich nicht aufgenommene Reichdtagdabgeordnete Dr, Ham—
macher wieder zugewählt.
Dr. Hildebrand und Dr. Kern, hat der Gefamtvoritand durch
den Zod verloren.
Erheben von den Pläpen und wählt an des erfteren Stelle den
um den Verein bochverdienten Geheimen und Ober» Baurat
Rüppell zum Mitglieve, der die Wahl aud) angenommen hat.
Demnach bejteht der Gejamtvorftand zur Zeit aus folgenden
35 Herren®):
*) Die mit einem * verichenen Namen find die der Mitglieder
des jtändigen Ausſchuſſes. Die Jahreszahlen hinter den Namen
bezeichnen die Jahre, mit deren Ablauf das Amt des betreffenden
Heren erliicht.
Zwei Mitglieder, die Profefioren |
Die Verſammlung ehrt ihr Andenten durch
Dr. ©. Behaghel, Univerfitätsprofefior. Gießen. 1897.
Dr. Rudolf v. Bennigien, Ober- Präfident der Provinz
Hannover, Excellenz. Hannover. 1890.
Dr. Ostar Brenner, Univerjitäteprofeffor. Würzburg. 1897.
Sandgerichtsrat Karl Bruns. Torgau. 1890.
Wirkl. Geheimer Nat Freiherr v. Cramm-Burgdorf, Excell.,
Bevollmächtigter zum Bundesrate. Berlin. 1895.
Profeſſor Dr. Hermann Dunger, Konreltor. Dresden. 1897,
Proiefjor Karl Erbe. Stuttgart. 1898.
"Eberhard Ernit, Verlagsbuchhändler. Berlin. 1897.
Geheimer Medizinalrat Dr. Friedr. v. Esmard), Univerfitäts-
profefjor. Stiel. 1899.
Martin Greif, Scriftjteller. Münden. 1895.
Dr. Frieder. Hammader, Mitglied des Reichstags. Berlin.
1897.
Geheimer Rat a. D. Hugo Häpe. Dresden. 1895.
Erbprinzg Chriſtian Kraft zu Hobenlohe-Öhringen,
Oberjt: Kämmerer Sr. Maj. des Kaiſers umd Königs,
Durchlaucht. Stawenpip. 1896.
*Dr. Mar Jähns, Oberftlt. a. D. Berlin. 1897.
Dr. Ludwig Keller, Archivrat. Münfter i. W. 1806,
Dr. Ferd. Khull, Gymnaſialprofeſſor. Graz. 1895.
Dr. Friedr. Kluge, Univerfitätsprofeffor. Freiburg i. Br.
1890.
Dr. R. Köpte, Geh. Ober- Regierungsrat und vortr. Rat im
Minifterium der geiftl. uſw. Angelegenheiten. Berlin. 1895.
Geh. Regierungsrat Wilh. Yaunbardt, Proj. a. d. Techn.
Hochſchuſe. Hannover. 18.
Dr. ®ilh. Laufer, Schriftleiter der Zeitſchrift von » Über Land
und Meer«. Stuttgart. 1897.
Dr. Eduard Lohmeyer, Bibliothelar. Kaſſel. 1895.
Karl Magnus, Inhaber eines Banfhaufes. Braunjchweig.
1896.
Eijenbabndireltionspräjident von Mühlenjels. Oldenburg
(Srofberzogt.). 1896.
*Dr. Paul Bietich, Univerfitätsprojejior. Berlin. 1895.
Dr. Breijel, Rektor. Heilbronn. 1895.
Rrofefjor Dr. Herman Riegel, Muſeumsdireltor. Braun—
jchweig. 1896.
Geheimer und Ober: Baurat €. Nüppell. Köln a. Rh. 1896.
*Dr. Günther N. Saalfeld, Gymmafialoberlehrer. Blanten-
burg a. H. 1896.
Profeſſor Dr. Daniel Sanders. Alt-Strelitz. 1896,
* Seheimer Baurat Otto Sarrazin. Friedenaubei Berlin. 1896.
Dberlandesgerichtsrat Scheerbarth. Koln a. Rh. 1897.
Negierungs> und Schulrat Schieffer. Osnabrüd. 1897.
Kart Sedlat, Scriftleiter der Oſtdeutſchen Rundſchau—
Wien. 1897.
Auguſtin Trapet. Koblenz. 1897.
Dr. $ojefBadernell, Univerjitätprofeffor. Inn&brud. 1897.
Auf Antrag des Landgerichtsratds Bruns beſchließt der Ge—
jamtvorftand, über jeine Verhandlungen urtundlihe Be—
richte berzuftellen. Diefelben find auf Grund der fchnell-
Schriftlichen Aufnahme abzuſaſſen und vom Borfipenden, einem
Schriftführer und einem dritten in der Sißung gegenwärtig
geweienen Meitgliede, dejien Wahl dem Borfigenden übers
lajjen bleibt, zu unterzeichnen. Diejenigen Beichlüffe, bezüglic)
derer ein Mitglied des Gelamtvoritandes die FFeititellung des
Wortlautes verlangt, müſſen in der Verhandlung jelbjt jchriftlic)
39 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachveteius. X. Jahrgang. 1895. 9 Nr. 2. 40
aufgezeichnet werden und dürfen mur in dieſer Form im den
Eigungsbericht übergehen.
Auf Vorichlag des ftändigen Ausſchuſſes beichlieht der Vor—
itand, die diesjährige Hauptverfammlung am Gonntag,
den 21. Zuli zu Graz in der Steiermart abzuhalten.
Auf Vorſchlag des Schapmeifters wird die 9. Beitimmung
der Gejhäjttordnung, welche verſchieden ausgelegt worden
war, genauer erläutert und zugleich feitgeitellt, da die Berech—
nung der Reiſeloſten nicht von den einzelnen Mitgliedern, jondern
für alle vom Schagmeijter ausgeführt werden joll.
Ein Antrag des Dr. Wülfing in Bonn auf Einführung |
| 8.8. Freiburg diefen Auftrag in die Sinde des Gefamtvorftandes
eines Berfabrens zu volllommener Sicherung der Ges
heimhaltung der Vorſtandswahlen auf der Hauptverfamm-
lung wird als zu umjtändlic und zugleich unnötig abgelehnt.
Geheimrat Launbardt, der einen anders gearteten Vorſchlag
zu gleichem Zwede ausgearbeitet hatte, zieht denjelben zurück
und pflidhtet der Verſammlung bei, welche fich einjtimmig dahin
ausfpricht, daß es durchaus genüge, ber jedesmaligen Wahlaus-
ſchuß auf die Geheimhaltung zu verpflichten.
Der Gejamtvorftand genehmigt die im Jahresvoranſchlage
angejepte Zahlung eines Ehrenjoldes an den eriten Schrift:
führer und den neuen Vertrag mit dem Schrijtleiter der
Beitichrift. (Sapung 15, 1 u. 7.)
Auf Antrag des Profefior® Dr. Pietſch wird beſchloſſen,
zum 80. Geburtstage des fprachgewaltigen Fürſten Bismard
eine Feſtnummer der Zeitjchrift herzuſtellen.
Nah Vortrag des Geheimen Mate Häpe beſchließt ber
Boritand, dem Verfaſſer des neuen Berdeutihungss
buches der Handelsjprade, Herrn Eigen, den Ausdrud
ehrenvoller Anerfennung für fein Wert wie für fein Wirken zu:
gehen zu laſſen und dies Verdeutichungsbuch, welches den Bei-
fall einer Reihe der ausgezeidmetiten Handelshäufer in Hamburg
gefunden hat, den Handeläfammern und dem Sandelstage warın
zu empfehlen. — Bon einem Ehrenförderer des a. d. Sprad)-
vereind in Hamburg find dem Geſamtvorſtande als Beitrag zu
einer Ehrengabe für diefen Heren 200.4 zugegangen, welde der
Vorftand Herrn Eigen übermittelt bat. (Diefer hat inzwijchen
die Summe gütigerweile wieder für Vereinszwecke zur Verfügung
geitellt.)
Unter Hinblid auf die während der Hauptverfammlung ge-
gebenen Anregungen berichtet Profefjor Pietſch über die Thätig—
feit der Jweigvereine und deren förderung und Ver—
mitteluug durd den Gejamtvoritand. Einige Vorfrüchte
diejer Beitrebungen find der Bericht des Profefjors Stier in
Neuruppin über die VBerbefjerung und Verdeutſchung der Geſchäfts—
jchilder in der Dezembernummer unserer Zeitichrift, ferner der von
Dr. Wülfing verfahte Fragebogen, welcher der vorliegenden
Nummer beigegeben ift, und auch andere unferer Aufjäpe greifen
bier ein. — Der Rektor del in Wermelslirchen hatte den Antrag
gejtellt, der Borjtand möge geeignete Kräfte gewinnen, wm nad
und nad) die Berdeutichung derentbehrlichen Fremdwörter
in unferen gangbarjten Jugend- und Bollsfchriften zu
bewerfitelligen. Er war darauf erfucht worden, an einem Mujter-
Briefe und Brudiaden für die Vereinsleitung
find an den Rorfige
Dierk eanens a. D. Dr. Mar Zähns im Berlin @.10,
DMargaretenjtraßbe 16,
beijpiel darzulegen, in weldem Sinne dies etwa durchzuführen
‚ Jet, und diefen Verſuch durd einen Auflaß in unjerer Zeitſchrift
zu erläutern. ine derartige Abhandlung bat Herr Idel jeht
eingereicht; fie wird im nächſter Zeit veröffentlicht werden. — Ein
auf der Hauptverfammlung geftellter Antrag des Z.«V. fFreis
burg im Breisgau ging dahin, daß unjer Verein Einfluß auf
die Geſeßesſprache gewinnen folle, und hatte die folge, daß
der 3.8. Freiburg aufgefordert wurde, eine Dentichrift aus—
zuarbeiten, die den Regierungen und geſeßgebenden Körperichaften
die Gefichtspunfte des Sprachvereins entwideln und ans Herz
legen jollte. Durch Schreiben vom 8. Dezember v. 3. hat der
zurüdgegeben und die Meinung ausgejprocen, daß diejer jelbjt am
beiten geeignet ſei, eime ſolche Arbeit zu leiften und zu vertreten.
Prof. Pietich empfahl, in dieſem Sinne vorzugehen, und es
müpfte fich hieran eine lebhafte und jehr belehrende Erörterung.
Gerade die der Berhälmifie am meijten hundigen Herren, Mitglieder
großer Berwaltungstörper und oberiter Staatöbehörden, ſprachen
ſich entſchieden gegen das Einreichen einer ſolchen Dentichrift aus,
da dergleichen erfahrungsgemäß ftillfchweigend in den Alten be
graben würde. Alles dagegen fomme darauf an, die mafgebenden
Perſönlichkeiten zu gewinnen, deren unmittelbare thätige Teil-
nahme von unvergleichlich größerer Wirkung ſei als jede nod) jo
gründliche jchriftlihe Darlegung. Es jei aber vfienlundig, daß
unser Berein in dem leitenden Kreiſen eine große Zahl freubiger
Anhänger und Borkämpfer beige; auf deren Vermehrung und
Anfenerung binzuarbeiten fei dem Einreichen von Denkſchriften
vorzuziehen. Diefen Anficyten ſtimmte denn auch der Gejamt:
vorjtand einhellig zu.
Als Beitrag zu dem Grabdenkmale, das Rudolf Hilde:
brand errichtet werden foll, dem deutichgefinnien Gelehrten, der
unjerem Vereine ein treuer und in der Stunde der Gefahr bemäbrter
ZFreund gewejen ift, werden 200 Mart bewilligt.
Sandgerichtsrat Bruns bittet die Ausarbeitung eines Ver:
beutihungsheftes für Heillunde und Apotheferberui
wieder aufzunehmen. Die Verfammlung zeigt ſich dem geneigt,
und der Borfipende erfucht, ihn auf eine zur Leitung diejer
Arbeit geeignete Periönlichteit hinzuweiſen.
Zum Schluſſe jpriht Präfident von Mühlenfels dem jtän-
digen Ausſchuſſe und insbefondere dem Borfipenden, Oberftlt.
Dr. Jähns, den Danf des Gejamtvorjtandes für die Führung
der Bereinsgefchäfte im abgelaufenen Jahre aus.
für das Hildebrand= Denkmal ift vom Zweigverein
Heidelberg ein Beitrag von zwanzig Mark eingelaufen, deſſen
Empjang ich dantend beftätige. Friedrich Wappenbans.
Druckfehler⸗Berichtigung.
t Dezembernummer bed vorigen Iahrganges Spalte 25 Rr. 15
ift ae 854 1U 92 0,51 zu lefen Zeplip 18 42 5,1
Für die Vorftände der Zweigvereine liegen diejer
Nummer Abzüge eines Fragebogens von Dr. Wülfing in
Bonn bei.
—— und Beitrittöerflärungen
an den Ediapmelfter,
Verlagsbuchbändler Eberbard Ernfi in Berlin W.4l,
Wihelmfirafe W,
Briefe und Druckfachen für die Zeitſchrift find am dem Herausgeber, Oberlchrer Ariedrih Wappenhans in Berlin N. W. 3, Altonaer Straße 34,
Briefe und Zuſendungen fr die Wiſenſchaftlichen Veibelte an Profeffor Dr, Bau Blerih. Berlin W.30, Mopitrahe 12,
zu richten.
yiir die eltung. verannvoriich Irledrih Wappenbans, Be riin. — des allgemeinen deutichen Sprachdereine gSahmn⸗ & Go), Bertin.
Drud der Buchdbruderel des Watienbauies in Halle a.d.®,
X. Jahrgang Ar. 3.
1. März 1895.
Zeitſchtift
allgemeinen deutfchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Zeitſchriſt ericheint fährtich zmwölfmal, zu Anfang jedes Monate,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutſchen Epradwvereins unentgeltlich
geltefert (Sagung 24).
Die Zeltſchrift kann aud durch den Buchhandel oder die Volt
zu ME, jährlich bezogen werden, — Anzelgenannahme durch den Echapmeifter
Eberhard Ernit, Berlin W.41, Wilbelmftr. 90. — Auflage 14250,
nhalt: Gerichtsdeutſch und Ähnliches. Bon 7 Bruns,
Bon Dr. Saalfeld. — Häufigleit deuticher Wörter,
( Sortjepun 2), —
Bon Dr. Amſel.
Bon Otto Mar. — Fremdwort im Vollsmunde. Bon Dr. Streiher. — Spredjaal. —
Üverflüffige Fremdwörter im Verwaltungsdienſte.
Berdeutihung von Fremdworten im Bühnenmejen.
prachliche Mufterleiftungen. — Kleine
Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungeihau. — Aus den Zweigvereinen. — Briejtaften. — Geſchäftlicher Teil.
Gerichtsdeutih und Ähnliches.
Von K. Bruns, Landgerichtsrat in Torgau.
Fortſetzung.)
Ich wende mich nun zu einigen Einzelheiten der Dauben—
ipedichen Arbeit und berühre dabei auch viele von ihm nicht bes
iprochene Dinge, die mir für die Frage, nad) einem guten Ge—
richt sdeutſch bejonders wichtig ericheinen.
Nach D. wiirde der Anfang der Heiligen Schrift der Feder
eined neuern Juriſten vielleicht in folgender Faſſung entjlofjen
jein: »NAın Anfang wurde feitens Gottes Himmel und Erde ge
ihaffen. Die leßtere war ihrerfeits eine wüſte und leere, und ijt
es finjter auf derjelben geweien.« Ich kann darin feine Über:
treibung finden. Dod will ich, um mich bier gleich mit dem
jest viel angefeindeten Worte »derjelbe« zu befchäftigen (Dauben-
pet S. 22, 23), diefem Worte in feiner Anwendung für er,
diefer ufw. (aljo mern es nicht fo viel bedeutet, wie eben-
derjelbe) keineswegs die ſprachliche Richtigkeit beitreiten. (Vgl.
Ziſchr. IL, 37.) Findet man doch aud in Luthers Bibelübers
ſetzung im Evangelium des Johannes zu Anfang folgende Säpe:
V. 2. »Dasjelbige (dad Wort) war im Anfang bei Gott.«
8.3. »Alle Dinge find durch dasfelbige gemadt, und ohne
dasjelbige ijt nichts gemacht, was gemacht iſt.« Mber der augen=
blickliche Sprachgebraudy ſchlechthin, alfo auch der minder gute,
fann nimmermehr den Anschlag geben, wenn es ſich darum
handelt, ihn durch Vorſchläge für befjem und ſchönern Ausdrud
fortzubilden. (Bgl. Ztiche. VII, 142 unten.) Das mögen ges
rade diejenigen Sprachgelchrten beachten, die Wujlmanns Forde—
rungen immer diefen »Sprachgebraucdh« entgegenhalten. Das bes
weist gar nichts, weil es zu viel beweift. Auch die Fremdwörterei
gehört zum Sprachgebrauche, und trogdem darf man unjerm Berein
nicht die Dajeinsberehtigung abjprechen. Gerade das Juriſten—
deutſch weit unzählige*) Ausdrüde auf, die, wenn fie auch nicht
ſprachlich unrichtig jind, wegen ihrer Schwerfälligkeit durch ein—
fachere, verjtändfihere, gelenfigere und gefälligere Formen vers
drängt werden RR Selbjt wenn man manden Ruftmannichen
9— es iſt Afterweisheit, wenn für »unzählig« neuerdings
»ungezählt« geſchrieben wird. Denn nicht darauf, da man die
Dinge nidt gezählt hat, kommt e8 an, fondern darauf, daß
die Bäytung jeher ſchwierig it und deshalb, unter Verwendung
Eifer. — — als unmöglich bezeichnet werden joll. Gbenfe
t
Nuslafjungen, ſoweit fie einzelnes für »faljch« erklären, Kopfs
ſchütteln entgegenfegen will, jo joll man doch das Beſſere an die
Stelle des weniger Guten ſetzen. Darum fann uns auch Luthers
Beiſpiel nicht nötigen, an den Wörtern derjelbe, diefelbe,
dasfelbe, desjelben ufw. für er, jie, es, diefer, jein,
ihr ufw. ſtarrköpfig feitzuhalten. Oft iſt das Wort ganz über:
flüſſig. Troßdem fügte einmal ein Vorgefepter in dem Safe:
mit dem Erfuchen, einen Traufchein auszufertigen und hier beis
zulegen« vor »bier«e noch »denjelben« ein, offenbar weil er in
diejes Wort verlicht war. Man achte einmal aufmerljam darauf,
wie fogar ganz neue ſchwerfällige und längere Formen ſich an
Stelle älterer, einfacherer breit madyen, und man wird das zor—
nige Auftreten des Sprachmeijters Wuſtmann mit freudigem Beis
fall, nicht bloß mit Fühler Anerlennung, begrüßen müfien. Sinapper
Ausdruck und Bevorzugung der kürzern Formen an Stelle der
längern, jowie die Weglafjung überflüjfiger Wörter und Süße
erfparen im Amtswejen nicht nur Zeit, jondern auch Scjreibers
lohn, worauf ja neuere Erlajje preufijcher Oberbehörden gerichtet
find, ebenjo Drudfoiten. Zu den entbehrlichen Wörtern gehören
3: B. die Wörter gedacht, fraglich, bezeichnet in Ausdrücden
wie das (gedachte) Grundſtück u. dgl., weil der Leſer' meijt
genau weiß, um welde Sache es ſich handelt. Vgl. aud: der
pp. Müller (ftatt einfach: Müller). In einem amtlichen Blatte
wurde den Beamten die Zuwendung einer Geldſumme durch eine
Feuerverſicherungs⸗Geſellſchaft mitgeteilt; dann hieß es: » Der uſw.
nimmt VBeranlafjung, die ujw. Beamten hiervon mit dem Bes
merfen in Kenntnis zu jepen, daß er der Gejellichaft feinen Danf
jür die erneute Zuwendung ausgeiprodhen hat.«e Ktürzer könnte
der Saß lauten: »Ich babe der Gejellihait meinen Dant für die
erneute Zuwendung ausgejprocdyen.e Denn daß durch den Erlaß
die Zuwendung zur Kenntnis der Beamten gebracht wurde, ergab
die als »Belanntmacunge bezeicnete Verfügung von jelbit.
Manche Richter jchreiben regelmäßig: Auf Grund der (jtattgehab-
ten) Beweisaufnahme Wenn man das überjlüfjige eingeflammerte
Wort wegläßt, vermeidet man jogar einen Spradjfehler.
Statt ded von Wujtmann übertriebener Weiſe ausſchließlich
zugelaffenen bezüglichen Fürworts der, die, das jchreiben viele
ebenfo ausſchließlich welcher, welde, welches. W. verlangt
in den »Grengboten« von den Mitarbeitern jogar die Zuſammen—
ftellung die, die die, Ein gewiſſe Abwechielung zwiſchen beiden
Formen ijt wohl das bejle. (Vgl. Heinge » Gut Deutſch« ©. 101,
Ziſchr. IX, 81.) Sehr wünfchenswert iſt namentlid) eine häufigere
43
Anwendung des jehr zurüdgedrängten ſächlichen Nelativums
das für welches; denn vielen Bebildeten iſt es fo ungeläufig
geworden, daß fie, wenn fie es einmal gebrauchen wollen, ganz
falſch ⸗was« dafür jagen, 3. B.: »das Bud, was id dir gab«,
— richtig iſt doch nur: nichts, was u. ä. Derjenige, welder
fann oft durch wer erfeßt werden. — Sehr beliebt ijt es jebt,
jtatt eines aus zwei Hauptwörtern zujammengejepten Hauptiwortes
ein mit »liche und »ijch« gebildetes Eigenſchaftswort und ein
Hauptort zu fepen, 3. B. jtatt Geiundbheitsmahregeln: ge:
jundheitliche Mafregeln, jtatt Vorortvertehr, Vorort-
züge: vorortlicher Verlehr, vorortliche Züge, ftatt Turn:
übungen: turnerifhe Übungen. Man wird mande Zeitung
lange durchblättern fünnen, ehe man einmal das Cinfachere zu
lejen befommt. Kürzlich fand ich fchen Fifchereilich. Greu—
fh! Es fommt gewih bei der Beurteilung der Frage, melde
Form man vorziehen folle, auf den einzelnen Fall an, und Dunger
mag Necht haben, wenn er gärtnerijche Anlagen für etwas
andres erllärt, als Gartenanlagen (Itſchr. VILL, 133). In den
meijten Fällen wird aber ber einfachere Ausdrud ausreichen,
und der umjtändlichere einem feinen Spradhgefühl zuwider jein.
(Dörings Seife wurde neulich jogar als ſehr »profitlich« (!)
empfohlen.) Wenn die herrichende Mode jo weiter um jich greift,
fo wird fie langweilig, und wir werden uns dann wohl auch nicht
mehr des Yäutens der Abendgloden, oder der Hloitergloden
erfreuen dürfen, ſondern nur noch die abendlichen und in klöſter—
licher Einſamkeit auch nur die klöſterlichen Gloden zu hören
befommen. Als Beiipiel, an dem man ſich den Unterſchied Mar
machen kann, führe ich noch an die Männer: und die Weiber:
abteilung eines Gefängniſſes (chleht: männliche und weib—
lie N). Mertwürdigerweile hat aber die Mode aud) etwas
Umgefehrtes gezeitigt. Während man früher die grüne, jil-
berne, goldene und diamantene Hochzeit unterichied, füllt
es einigen Leuten ſchon jeit mehreren Jahren ein, von der
»Silberbodjzeit« zu reden (e$ jcheint dies ein landichaftlicher
Mißbrauch (Brovinzialiemus) zu fein); kürzlich habe ich aber fogar
»Diamant:Hocdzeite« gedrudt gejchen, — als ob der Diamant
Hochzeit feierte! Soll man denn alle diefe Dinge liebevoll mit
dem Mantel des Spradgebraud;s bededen? — Auf ähnlichem |
Boden ift ebenfalls wucherblumenartig der Gebrauch erwachien,
dem Eigenſchaftsworte beim Zeitworte (adjeftiviicen Prüdifats-
nomen) noch ohne Not das unbejtimmte Geſchlechtswort (Artikel)
vorzujeßen, z. B. anftatt »der Schade ift jchr große: »der Schade
it ein fehr großer«; mancher hat fid) fo daran gewöhnt, daß er
gar nicht mehr jagen kann: »der Anblid war herrlich«, ſondern
nur noch: »der Anblid war ein herrlicher« (Daubenſpeck S. 19).
— Die Abneigung dagegen, ſich möglichſt einfach und natürlich
zu äußern, droht aud) dem Umſtandswort natürlich den Garaus
zu macen. Ich kenne jemand, der bei feinen Vorträgen jtatt
deiien immer >naturgemähe jagt, z.B. nicht: Natürlich
fonnte der Angellagte das nicht wilfene, ſondern: »Maturs
gemäß fonnte ujw.« Das flingt doc; »unnatürlich«. Ebenfo ſoll
man nicht Statt nur ſiets lediglich, ftatt ausgeben immer
verausgaben,*) ftatt vollfommen voll und ganz jagen.
Zu vermeiden find bei der ruhigen Darftellung eines Urteils Aus—
drüde wie: es jteht (unumſtößlich) feit, er beitreitet (entichieden);
die eingeflammerten Wörter find wegzulaſſen.
*) Die Richtigkeit ded von Dunger (Itſchr. VIIL, 138) ent-
wickelten Unterſchiedes zwiichen verausgaben (— in Ausgabe
jtellen) und ausgeben (— auszahlen) iſt mir zweifelhaft. Jeden:
falls wird eritered Wort viel zu häufig auch für ausgeben im
legten Sinne gebraucht.
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereine X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
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Gerade im Kanzleiſtil findet man aud) die Vevorzugung der
weitjchweifigen neueren Borwörter vermittels, mittels (itatt
mit, durch), inbalts (itatt nad), behufs, zweds (jtatt zu
oder wegen), jeitens (itatt von), binfichtlich (ftatt über),
ausmweislid (itatt nad), gemäß (itatt nad) u. ä. (Dauben-
iped ©. 21), ferner die Genetivbildungen »des eingehenderne,
»des öfterne (jtatt eingehender, öfter), ebenjo: nad diejer
Richtung (ftatt hierüber), diesjeitig (itatt unjer). —
Mit Vorliebe zerlegen die Gerichtsmenſchen die hräftigen Wörter
fein, feiner in ein — nidt, einer — nid und das fräftiae
nichts in etwas — nidt. Das klingt mandem jein logiid,
ijt aber ſprachlich nicht gut; denn wenn der Sah lang it,
muß man auf das, worauf es anfommt, zu lange warten.
Man ſchreibe aljo nicht: der Beklagte hat eine Erflärung darüber,
"ob er ufw., nicht abgegeben, ſondern: »der Bellngte hat Leine
Erflärung darüber abgegeben, ob er uſw.«; ebenjo Hingt beiier:
»Aus diefer Zeugenausſage läßt fih nichts den Angellagten Be-
lajtendes herleiten«, als: »Aus diefer Jeugenausjage läßt fi
etwas den Angeklagten Belajtendes nicht berleitene (Bgl.
' Btiche. II, 37.) — Auch das perfönlihe Fünwort jollte man nidt
zu weit nad hinten bringen und nicht an das zugehörige Zeit
wort eng anflittern, was namentlich mit ſich geſchieht, ſondern
möglichjt weit voranitellen; 5. B. fchreibe man: » Diejer Umſtand
bat ſich erit bei der Beweisaufnahme, nad längerm Leugnen
des Klägers, als zweifellos herausgeftellt« und ſetze das »fich«
nicht zu ⸗herausgeſtellt .· — Nur im Sanzleijtil findet man
die ald Auswuchs der Untergebenheit oder Höflichleit zu betradı:
tende Abionderlichkeit, die Schreiben an andre Behörden, wie
folgt, zu beginnen: »In der... Angelegenheit erwidern Euer
Hochwohlgeboren auf das gefällige Erjuchen vom ... wir ganz
ergebenjt«. Hier verfteigt jich die Liebenswürdigfeit des jonit
vielleicht recht furz angebundenen Beamten dazu, die eigene Perjon
(wir) fogar hinter eine Sache, nämlich das, was der andre ihm
geicrieben hatte, zurüctreten zu lafien. Wenn man der Berion
des Angeredeten den Borrang vor der eigenen laſſen will, je
Ichreibe man: »Euer Hocdtvohlgeboren enwidern wir in der ...
Angelegenheit ganz ergebenit.« — Zur Gelenfigfeit trägt es aud
bei, Aktivfäge vor Paſſivſätzen zu bevorzugen. Es ijt einfacher,
zu jchreiben: Der Angellagte hat eingeräumt, die Börje von dem
Tifche weggenommen zu haben, jtatt des beliebten: Seitens des
Angellagten ijt eingeräumt ufw. Vgl. hierzu auch Ztichr. IV, 145
über die Unfitte, ſtatt des einfachen Beitworts ein daraus ge
bildetes Hauptwort zu fepen, z. B. »die Auszahlung der Summe
wird durch uſw. bewirtt« ftatt: »die Summe wird durch uf.
ausgezahlt.« Zuweilen thut auch der Genetiv gute Dienite
für Kürzung, 5. B. jtatt des Nusdruds: »die von dem UM.
rechtzeitig eingelegte Beſchwerde« ſagt man fürzer und micht
minder Har: »die rechtzeitige Beichwerde des NN.« Nicht
ichledhter ald: »das dem Müllermeijter AN. und jeiner
Ehefrau NN. gehörige Grunditüde Mingt das kürzere:
»das Grundſtück des Müllermeiiters NN. uſw.« Hierbei
möchte ich auch empfehlen, bei der Namenbezeichnung von Ehe:
frauen den Vornamen nicht erit hinter den Ehe-Namen zu jeßen.
Ic ſelbſt ſchreibe: »die verehelichte Kaufmann, Hedwig Richter
geborne Amdte, nicht aber: »die verehelichte Kaufmann Nichter
Hedwig geborne Arndt« In Weftpreußen herrſcht der von
Tanbenipet (5. 47) getadelte Brauch, bei der Benennung beider
Eheleute den Namen des Ehemanns an das Ende zu bringen,
3 B. »die Gutsbeſitzer Karl und Marie geborne Weihe
Rathkeſchen Eheleute⸗ statt: »der Gutsbeſitßer Karl
Rathle und dejien Ehefrau Marie (Rathke) geborne
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J Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spraqvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
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Weiße. — Bereinfachen fünnen die Urteilsverfaſſer ihre Sprache,
wenn jie die Ausdrüde »wird eradhtet«, serjcheinte u. ä. fpars
jam verwenden. Wenn der Richter das Hecht gefunden hat,
darf er jagen: »E8 ift joe. Au dem Stüd »Stürzung« ger
hört auch die Frage, ob man in einzelnen Wortbildungen das e
ausftohen dürfe und jolle. Mit Necht tritt zwar mancher dem
Schwunde des Dativ-e entgegen; denn bier handelt es ſich um
eine Bejonderheit, die den dritten Fall vom eriten unterjcheidet.
Anders verhält es ſich aber mit Formen wie andern und
anderen, unjern und unfjeren. Die »Grenzboten« lajien hier
nur die kürzere form zum Drucke zu, weil jie der mündlichen
Rede entipreche, und dehnen dies mit dem, was des Versmaßes
wegen die Dichter thun, übereinftimmend, auch auf den dritten
Fall ohne Artikel aus, alſo: dunkelm jtatt dunkelem, beijerm
ftatt befierem. Obgleich ich nicht anerfennen kann, daß im leptern
Falle die lebendige Sprache das letzte e immer ausjtohe, fo vers
dient doc namentlich im erjtern der Vorgang der »Örenzboten«
Nachfolge. Denn nadı Luther foll man den Yeuten >aufd Maul
jehen«. Wenigitens möge man die viel kräftiger klingende ein-
fache Form mit der längern abwechjeln lajien; jene wird meines
Wiſſens in ältern Schriften bevorzugt und verdient, vor Unter
gang bewahrt zu werden. Heutzutage macht es aber ſchon Mühe,
vom Abjchreiber die Niederichrift der ihm deutlich vorgeichriebenen
Wörter sanderne, »unjerme zu erlangen; es fommt ihm troß-
dem die längere Form aus der Feder, die dad Schreibwert vers
mehrt. Ebenjo hartnäckig verbalten ſich viele Seper. Allgemeiner
bat fich die hurze Form in ältern Bezeichnungen bewahrt, die durch
itetigen amtlichen oder geichäftlichen Gebrauch von einer Abänderung
verſchont geblieben find, z. B. Miniiter des Innern (ganz unge
bräuchlich it: Inneren), Gajthof zum heitern Blid (im Sachſen
üblich). Näheres über dieie Frage findet man bei Wuſtmann. — Soll
man im Amtsverlehr bei der Bezeichnung von Geldſummen Biennige
(3. Fall Piennigen), oder ausnahmslos Pfennig ſchreiben und
iprehen? Es ijt wohl anerfannt, daß die einfache unveränderte
Mehrzahl: Form, die jich jeit alten Zeiten eingebürgert hat, nicht
falſch iſt; deshalb fünnte man fich im Rechnungsweſen und über-
haupt im Gejchäftsverlehr, auch ſchon der müßlichen Gleich—
förmigfeit zu Liebe für » Pfennig enticheiden; jo find and) die
deutfhen Reichsmünzen beprägt. Dasjelbe gilt auch von Maß—,
Gerichts: und Zeitangaben (3 Fuß, im Gewicht von 10 Jentner,
21 Jahr alt, mit 3 Monat Gefängnis), PD. tritt übrigens
(S. 31) gegen die Unfitte auf, die Zifſer erit Ginter das Haupt:
wort zu jegen (Mt. 300), was aud) ſchon bei Gerichten vor«
tommen ſoll. — Zu ®.s Verdienſten gehört es, dab er darauf
dringt, es jolle der Konjunktiv wieder in jeine Rechte eingelegt
werden.*) Für die Verfaffer von Erlennmiſſen ift dies naments
{ic bei der Erörterung der Zweifelgründe und der Anjührung der
bloßen Behauptungen der Beteiligten von Bedeutung. Es heißt:
Es ijt bewiejen, dak der Beklagte das Beld zurüdgezahlt hat;
aber der Släger bejtreitet, dab das Geld zurüdgezahlt worden
jei. Im dieſem Punkte ift auch die mündliche Rede jehr
fäjfig geworden. Mancher meidet den Konjunktiv deshalb, weil
er verlernt hat, ihn richtig zu bilden. Darauf mag oft bie
tadeln&werte Unterdrüdung der Hülfszeinwörter Daben und fein
und die Üübermähige Anwendung des Wortes wiirde (j. B. ftatt
begönne: beginnen würde, jtatt hülfe: helfen würde)
zurüdzuführen fein. Der Gegenwart ift der regelrechte Gebrauch
des Konjunkivs beinahe ebenio abhanden gelommen wie die Acht:
*) Ausführlich hierüber auch Heinge ©. 113 ff., ©. 116].
Daubeniped ©. 26 fi.
famfeit auf gehörige Zeichenjegung (Interpunftion), die bei ber
Abfafjung von Verträgen, Tejtamenten u. dgl. eine wichtige Rolle
ſpielen kann. Sehr oft wird namentlich der Punkt Hinter der
Biffer bei der Datumbezeihnung weggelajien. Ausgelaſſen
wird das Hülfézeitwort auch in folgenden Gerichtsausdrüden:
»Es war, wie geicheben (ijt), zu erfennen«, »für Recht er—
fannt, daß der Bellagte ſchuldig (ift)«e, »daß der Angeflagte mit
5 Mark zu bejtrafen (ift)e. Dieje feierlichen Formen können
vielleicht wegen ihres Alters geihont werden. Dod iſt e&
befjer, in den letzten beiden Fällen ſich der direlten Nede zu be
dienen: »der Beflagte ift jchuldige, »der Angeflagte wird
mit 5 Mart beitraft«, »wird zu 5 Marl Gelditrafe vers
urteilte. Die direlte Mede erleichtert die Sapbildung und das
Verſtändnis (Daubenipet ©. 40), weshalb fie auch bei der Auf:
nahme der PBrotofolle angewendet wird. Ebenjo empfehlens-
wert iſt die direfte Frageform in Beweisbeichlüfien, 3. B. es
joll Beweis erhoben werden, wie folgt: Hat der Kläger ufw.?
— nicht: es ſoll Beweis erhoben werden darüber, ob der
Kläger ufw. So follte man auch nicht ſchwören laſſen: Ich
ſchwöre, daft der Kläger ujw., jondern: ch ſchwöre: der Kläger
bat uw. Ganz fchlecht ift die mur bei vein äußerlicher Mus-
legung der deutſchen Civilprozehordnung ($ 424) zu redhtfertigende
Form: Ich ſchwöre, es ift wahr (nicht wahr), daß uſw., oder noch
ſchlechter: Ich ſchwöre, daß die Thatjache wahr iſt, daß uſw.
Gleiches gilt auch von der »thatſächlichen Feſtſtellung« der
Strafurteile. Beſſer ala: es ſteht hiernach thatſächlich feit, daß der
Angeklagte uſw. uſww, lautet: Nach allem dieſen hat der Ange—
Hagte, wie thatſächlich feſtſteht, zu Berlin am ufw. Die direlte
Rede verhindert manchen Zweifel und manche Schwerfälligleit.
(Schluß folgt.)
lberflüffige Fremdwörter im Verwaltungsdienfte.
Im Februar 1889 erſchien in Mep ein Verzeichnis über-
flüffiger Fremdwörter im Berwaltungsdienite Auf
32 Seiten umfaht das Hefichen die wichtigiten Ausdrüde, die
gerade in ihrer überaus häufigen Wiederholung den Verfügungen
der Behörden fo leicht einen Anstrich geben, der als unſchön, weil
umdeutich, jebt lebhafter als je empfunden wird. Das vorliegende
Verzeichnis enthält nun aber nicht bloß die läſtigſten welichen
und foteinischen Abkürzungen und Fachbezeichnungen, fondern
macht auch vor einer Anzahl von Wörtern nicht halt, die faft
ſchon Lehnwörter geworden jind, deren völlige und endgiltige Ein-
bürgerung aber vielleicht doch noch aufgehalten werden fann. Hier—
ber redinen wir Ausdrüde wie:
Architekt — Baumeilter, Areal — Fläche, Attest — Zeug—
nis, Veiheinigung, Bureau — Amisſtube, Geichäftsitube, Can-
didat — Anwärter, Bewerber, Datum = Tag, Tagangabe,
Examen — Prüfung, Formular — Muiter, Garantie — Bilrg-
fchaft, Gewähr, Honorar — Vergütung, Gebühren, Insertion —
Einrücdung, Journal = Tagebuch, Eingangsverzeichnis, Local —
Ort, örtlich, Raum, räumlicd) ujmw., Magazin — Vorratöfammter,
Laden uſwe, Nationalität — Staatöangehörigfeit, Original —
Urſchrift, Prineip — Grundſatz, Quartal — Bierteljahr, Resultat
— Ergebnis, Statut — Sapung, Titel — Nbfdnitt, Über:
jchrift, Utensilien ®eräte, Ventilation — Yüftung, Luft-
wechjel usw. uſw.
Zwei Umstände verleihen gerade die ſem Verzeichniſſe gegen-
über der Fülle von Verdeutſchungsbüchern und -büchelchen feinen
eigenartigen Wert: eritens, der Umſtand, daß es in dem ſprachlich
fo bejonders ſchwer bedrohten Reichslande Eljak- Lothringen er
47
fchienen ift und chrlich dad Deutjchtum mit belennen hilft; ſodann
aber — und dies ift das Allerwichtigite! —, daß das Heft mit
amtlicher Kraft und Bedeutung in Wirkfamfeit getreten ift, da
fämtlihe Berwaltungsbehörden Lothringens angemwiefen worden
jind, ſich ſtrengſtens in ihrem gejamten Ddienjtlichen Verlehre
nad; den dort gegebenen Vorschriften zu richten. Das ilt ein
fchöner, großer Sieg unferer Sadje, den der allgemeine deutiche
Spradverein frobjten Herzens buchen darf. Da, wenn die
amtliche Gewalt guten und verjtändlichen Verdeutſchungen zu
ihrem Nechte verhilft, dann verftummen wohl aud die Nür-
geler, denen das hohe vaterländijche Ziel nicht einleuchten will,
weil es eben bequemer ift, in den althergebrachten Geleifen weiter
zu wandeln und weiter zu dämmern. Aber die Pflicht der Dant-
barteit wiirde der Spradjverein gröblich vernadjläffigen, wollte er
nicht auch den waderen Mann nennen, deſſen Vorgang uns diejen
Erfolg bereitet hat: es iſt der oberite Verwaltungsbeamte von
Lothringen jelbit, der Bezirts:-Präfident Freiherr v. Ham—
merftein in Meg. Hoffen und wünſchen wir, daß das dort
gegebene Beifpiel weit und breit in deutichen Landen Nachahmung
finden möge; der jegendreiche Erfolg wird nicht ausbleiben.
Blankenburg a. 9. Saalfeld.
Bäufigkeit deuticher Wörter.
In dem VI. Wifjenschaftlihen Beiheft habe ich über das ge
waltige Unternehmen der Stenographen, durd eine jorgfältige
Zählung von über 10 Millionen deuticher Wörter aus allen
Litteraturzweigen deren Häufigfeit feftzuftellen, berichtet und dar:
gelegt, daß dies natürlich auch für die Einficht in das Weſen der
Spradye von Bedeutung ſei.
Daß id von einer Überſchätzung der Sache weit entfernt
bin, glaube ich wiederhoft deutlich genug berausgejagt zu haben.
Den Hauptvorteil von diefer Arbeit, bei der man ja vielleicht
zweifeln fan, ob das Ergebnis zu der riefigen darauf verwen-
beten Mühe im richtigen Verhältnis fteht, haben diejenigen, die
itenograpbifche Syitemfragen zu entjcheiden haben. Hätte ſich
das Bebürfnis nah genauen Angaben über die Häufigkeit der
Worte ufw. nicht immer dringender herausgejtellt, e8 wäre gewiß
niemand auf den Gedanken eines jo gewaltigen Unternehmens ge
kommen. Für uns hat es fih nur um die Frage gehandelt, ob
aus einer derartigen Durchſiebung des Spradjtofies, wie man
es nennen fünnte, möglicherweife dieſe oder jene Aufklärung über
Ipradhliche Fragen zu gewinnen fein möchte. Cine Statiitit wie
die vorliegende zu veranlaſſen, dazu läge von jeiten der Spradhs
freunde gar fein Grund vor; an ber von andrer Seite veranlaften
aber adjtlo8 vorüberzugehen, wirde Tadel verdienen, man mag
über »Wierandrinismus« fonjt denfen wie man will. Denn jo,
nicht als » Bıyantinismus« fünnte man die ganze Sadıe doch
nur bezeichnen.
Ich ftelle diefen meinen Standpunkt noch einmal ausdrücklich
fejt, weil der Verſaſſer eines biffigen Artilels in den » Brengboten«
(Nr. 4 v. 24.1.) ſich in abjprechender und höhniſcher Weife über
den vermeintlichen » Bnzantinismus« und darüber geäußert hat, dab
ich die Mitglieder des Sprachvereins überhaupt auf den Gegenjtand
aufmerkſam gemacht habe. *)
*) Merktwürdig, dab dem Herauägeber der »Grenzboten« Diele |
recht Fräftige Begrifisverwecjielung entgangen ift! Wielleicht ent-
ſchließt er fich, dem Berfafler des — den Unterſchied zwiſchen
Byzantinismus und Alerandrinismus in feinem » Schwarzen Brette«
tHlarzumachen, jener Abteilung der »Grenzboten⸗, wo er alle
Flüchtigfeiten oder Abweichungen von den chernen Geſetzen Wuſt⸗
manns fejtzunageln pflegt. L.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgaug. 189. Nr. 3.
48
Seitdem haben die Arbeiten ihren Fortgang genommen, und
während ich damals nur einige Angaben auf Grund einer vor—
läufigen Zählung von einer Million maden fonnte, bin ic
beute durch die Freundlichkeit des Leiters jener mühjeligen Arbeiten,
Herrn Käding, in der Lage, zu meinen früheren Bemerkungen
Nachträge und Berihtigungen zu geben, da nunmehr jchon 52 Hun-
derttaufende »gebucht« find. — Ich laſſe die auf 100000 beredy:
neten Zahlen der 20 häufigften Wörter folgen:
1. die . 3288,7 | 11. von vol,
2, der . 3250,1 | 12. ift . 927,1
3, und 2853,32 | 13, bes. 909,2
4. ein, zer, =eö, se, 14. fie 901,2
sem, sen . 2028,1 | 15. daß 880,3
db. in . 1757 1 16. fein, se,ser,:en 8764
6. zu . 1724 17. eo. 843,1
7. den. 12396 | 18. dem 826,3
8. das. 1149,7 19. ſich. 522,9
9. nicht 1035,2 20. mit. 7920
10. id . 1004,5 Zufammen: 278494
Es ergiebt ſich aus dieſen Biffem, daß die erften 10 Wörter
ſchon nahezu den 5. Teil des Sprachſchatzes ausmachen. Aus
den ferneren Aufammenftellungen erſehe ih, dak nur 78 weitere
' Bortformen durchſchnitthich über 100 hervortauchen (wenn die
Wortſtämme dies und ibr mit ihren Endungen als eine Form
gezählt werden), und daß diefe 98 Worte doch mit einer Geſamt⸗
häufigfeit von 48331 noch nicht die Hälfte aller ergeben. Man
wird, da nun die Zahlen jehr raſch abfallen, gegen 30 — 40 Wör⸗
ter noch binzunehmen müſſen, che man diejenigen erhält, die zu:
fammen die Hälfte des Wortichapes ausmachen. Der nicht uns
erhebliche Unterichted gegen die Zahl 98, die fi aus der eriten
Feſiſtellung ergab, ertlärt ſich binreihend dadurch, dab damals
fast die Hälfte der Wörter parlamentariihem Stoff entnommen
war, Dadurch wurde 3. B. Herr zum häufigiten aller Haupts
wörter. Es bat ſich in diefem Range nicht behaupten fünnen,
wohl aber Zeit, welches nun endgiltig al® das häufigite deutiche
Hauptwort erfannt iſt. Nächſtdem fommt dann freilich auch nad)
den neueren Ergebnifien Herr, worauf wohl Jahr folgen wird.
Solcher Worte, die wenigjtens zeitweilig, d. b. in manchen
Stoffen, über die Häufigkeitäziffer 100 — aljo 1 aufs Tauſend —
bervorragen, giebt e8 aufer den 98 oben erwähnten 261, davon
weitaus die meilten (241) weniger ald 5mal in je 100000 ge—
zählter Wörter. — —
Auf mein Bitten bat Herr Käding auch 100000 Worte der
Bibel (Neues Teſtam. von Matth. 1 bis Nöm. 16, 21) zählen
lafjen, weil mir das für fprachliche Zwecke lehrreich erjchien; vom
Standpunkt der Kurzſchrift iſt es freilich wertlos, Das Ergeb-
ni® war höchſt überrafchend. Hier machten jhon 3 Wörter den
10,, 12 den 4., 42 die Hälfte des gejamten Sprachitoffes aus!
Ich will zur Vergleihung aud bier die Zahlen der eriten 20
berichreiben:
1. und 6997 11. da . 1295
2. die . 2302 12. dab. 1247
3. der. 2277 13. den . 1200
4. zu . 2009 14. id . 1146
d. er 1958 15. es 1140
6. fie . 1860 16. in 1079
T. das. 1460 17. iſt 1075
8. ein ufiw. . 1428 18. ibr . 991
9. aber 1399 19. ibm 91
10, nicht 1320 20. von 905
Bufoamen: 340289
49
An zwei Worten hat man die Probe gemacht, wie jehr ver:
fdieden die Durchichnitte je nach den verfchiedenen Stofigattungen
find, was die Notwendigkeit beweiſt, ſolche Rieſenmengen von
Borten durchzuarbeiten, um zu einem ziemlich richtigen Durch—
Zeitfhrift ded allgemeinen dentſchen Sprahvereins. X. Jahrgang. 189. Nr. 3,
jhnitt zu gelangen. Für ſchon ergiebt fidh aus 99 Hundert: |
taufenden der Durdiichnitt von 153,9, dabei Schwankungen von
366 (privater Briefjtil) bis 22 (theolog. Stoff).
Schweiter
Durchſchn. 8,7) kommt in vielen gezählten Schriften, nämlich
faufmänn., milit. Briefit., mediz., parlam, Stoff, Buch d. Erfind,,
überhaupt nicht, im priv. Briefit, aber 23, in Klaſſilern 17,5, in
der deutjchen Rundſchau 12,5 mal ufw. vor,
Auf anderes, 5. B. wie oft im priv. Briefit. Liebe, Gruß,
in milit. Stoffe Borgefchter, in parlament. wohlwollend (!)
vorfommt, will ich mich bei dem beichränften Raum, der mir zur
Verfügung fteht, nicht einlaffen, fondern mit der Bitte an bie
Freunde der deutichen Sprache ſchließen, zu den großen Koſten,
die dieſe Zähleret erfordert, womöglich ein Scherflein beizutragen.
Lichterfelde, im November 1894. *) Dr. Amſel.
Die Verdeutſchung von Sremdworten im Bübnenweien.
Aus einem Vortrage,
gehalten im Zweigverein BerlinsCharlottenburg
von Dtto Mard), Sal. Baurat.
Die dem Bortragenden gewordene Anregung, über die Ber:
deutichung von Fremdiorten im Bühnenmwefen zu jprechen, knüpfte
an jeine Teilnahme bei der Erbauung des Wormfer ftädtiichen
Spielhaufes an, das begrlindet wurde, um an der Entwicklung
unſeres Scaufpielwejens im deutſch- vollstümlichen Sinne mit:
zuwirken, und bei defien Einrihtung auf eine Wiedereinführung
deutſcher Bezeichnungen im Bühnenbetriebe folgerichtig Bedacht
genommen worden fit. Außer den deutjchen Bezeihnungen, die
ſich im Spracdhgebraud bei der Wormjer Bühne leicht eingebürgert
haben, follen im diejer kurzen Betradhtung, die feinen anderen
Wert alö den einer weiteren Anregung beanſprucht, aud) Ber:
deutichungen aufgeführt werden, die wir einzelnen Theatern, wie
3 B. der Berliner und Dresdener Hofbühne, verdanken, welche
der Sprachreinigung auf ihrem Gebiet eine anerfennungäwerte
Teilnahme zuwenden. Auch werden Borfchläge Berüdfichtigung
finden, die der Kunſtkritiler oder Kunſtrichter, wie er ſich jelbjt
nennen würde, F. Ehrenberg, in feinem Schriftchen » Deutiche
Worte für deutihe Kunſt«**) gemacht hat, die dem Spradhverein
und den deutichen Bühnengenofjen gewidmet iſt.
Das Wormſer Theater hat die früher jhon in Deutichland
übliche Bezeichnung Spielbaus erhalten, die den Berlinern und
FSranffurtern in dem Worte Schaufpielhaus noch geläufig iſt.
Gegen ihre Wiedereinführung lönnen triftige Gründe faum geltend
gemacht werden, zumal fie auch bei zweifacher Benußpung des
Haujes für das Schaufpiel und für Die Oper bezeichnend bleibt.
Entiprecdend dem Worte Spielhaus lieh ſich eine ganze Reihe
von Ausdrücken bilden, die ungejucht entbehrlihe Fremdwörter
durch deutjche Ausdrüde erjepen. Die Wörter Spielzeit und
Spielplan haben die Bezeichnungen Saison und Repertoir alls
mählich faſt vollftändig verdrängt. Der Theatervorftand konnte
fi) in Spielvoritand wandeln, wie denn die Anrede > Herr
Vorſtand« in Süddeutidland dem Theaterdireltor gegenüber be-
reits üblich ift.
*) Der Auflap tonnte wegen Naummangels nicht früher ver:
öffentlicdht werden. D,
**) Ein Mahnruf an die Bühne. 1888.
Straßburger Poſt.
Bol. Btichr. III 203.
EEE
50
Treten wir in das Spielhaus jelbit ein, bezahlen an
dem Schalter den Eintritt, übergeben Mantel und Schirm
gegen Erlegung des KHleidergeldes dem Kleiderraum —
in dem preußiſchen ArbeitSminifterium ſowie im neuen deutſchen
Neihötagsgebäude ift für Barderobe das Wort Kleider:
ablage eingeführt — und laſſen uns durch den Schließer
die Pläte anweiſen, jo brauchen wir auf diefem Wege feiner
fremdländiichen Bezeichnung zu begegnen. Für den Eintritts-
ſchein das Lehnwort Karte einzuführen, würde immerhin einen
Fortfchritt gegenüber der Benennung Billet bedeuten. In dem
Parkett find die Pläbe durch vordere und hintere Sperr—
fige, die bevorzugteren durch Seijel hinreichend gefennzeichnet,
um dieſes Fremdwort ebenfo wie die Fauteuils ganz entbehrlich
erſcheinen zu lajien. Das dem deutſchen Ring entitammende
Wort Rang werden wir uns freilich noch längere Zeit, vielleicht
als Lehnwort für immer, gefallen lafjen müſſen, während für die
frangöfiiche Loge (ital, loggia, mlat, laubia, ahd. louba) die
deutfche Laube wieder eingeführt werden lönnte, wie es in Worms
ohne Widerſpruch geichehen if. Für Foyer bieten fid) vers
ſchiedene brauchbare Verdeutihungen: Saal, Halle, Er—
friichungs= oder Gejellihaftsraum dar. Erfeßen wir das
Wort Scene durd Bühne, jo wird dad PBrojcenium zur
Vorbühne. Für die Verfleidung und Ausihmüdung der Bühne
werden wir des Wortes Dekoration zunächſt kaum entraten
fünnen. Ihren Hauptbeitandteil bildet die gemalte Hinteranfidht,
deren Benennung Hintergrund die Bezeihmung Projpelt
bereit3 verdrängt hat. Die Flügel,*) früher Couliſſen ge
nannt, jollen das Bild des Hintergrundes vervolftändigen und
dem Zuſchauer den Einblid im die feitlihen Bühnenräume ver-
wehren. Einem ähnlichen Zweck dienen die zu je zwei Flügeln
gehörenden, über die ganze Bühne reichenden Soffiten. Das
von dem lateinischen suffietus jtammende Wort lann entiprechend
feiner Bedeutung im italienischen Sprachgebrauch durch Gebält,
Dede oder Dedenjtüd erjeßt werden. An einzelnen Bühnen
fpriht man bereit? von Zimmer-, Wald- und Luftdede
Für die Bereinigung von Flügel und Dede zu einem Stüd ijt
die beutiche Bezeichnung Bogen von jeher üblich geweſen.
Die Flügel werden in jogenannte Karren geladen, b. bh.
in Lattengeftelle eingehängt, die durch den Bühnenboben bis in
die Untermafchinerie reichen und dort auf Rollen in Schienen
laufen. Die einfache Zufammenftellung von Hintergrund, Flügel
und Dede ift im übrigen in dem Streben nad) gröherer Natur:
wahrheit in der Bühnenausftattung in fepter Zeit durch umfang-
reiche plajtifche Bauerei, wie der Kunſtausdruck lautet, durch
Anbringung von Berjagftüden, Aufbauten (Etablifjements
Podien), benupbaren (praktilablen) Thüren, Fenſtern, Er:
fern ufw. wejentlich bereichert worden.
Was die Bezeichnung der verjchiedenartigen Beleuchtungss
quellen betrifft, jo iſt das Wort Dedenbeleuchtung für Soffiten-
beleuchtung bereits im Gebrauch, während gegen die Einführung
von Seitens und Fußlicht für Couliſſen- und Rampenbeleuch—
tung nichts einzuwenden fein wird. Die Vezeihnung Bühnen
triebwert für Theatermafchinerien ift jtellenweije ſchon eingeführt,
und der oberſte techniſche Betriebsbeamte erfährt alsdann die jich
von jelbjt ergebende Umwandlung in Betriebsmeijter. Die
Berbindung mit dem Worte Meifter, die ſich in Theater=, bejjer
Bühnenmetiter, in Shnürmeijter für den Leiter der Arbeiten
*) Diefe Bezeichnung wird im Kgl. Schaufpielhaufe zu Berlin
jtetS gebraucht, wie deſſen künjtleriicher Leiter, Herr Grube,
in der ſich an den obigen Bortrag anſchließenden Erörterung
mitteilte. D. L.
7
51
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
62
auf dem Schnürboden und in Rüftmeifter für den Verwalter
des Warffenbejtandes bereits vorfindet, kann mehrſach zu anſchau—
lihen Benennungen für bie Borftände der einzelnen anderen
Zweige des Bühnenbetriebes verhelfen. So fann der Barderobier
zum Gewandmeijter, der Beleuchtungsinipeltor zum Beleuch—
tungäsmeijter (Lichtwart) und — wenn man für Nequifiten den
Ausdruck Gerät einführt — der Nequifiterr zum Gerätmeiſter
werden. Auch für den Regifjeur, der in Worms — entiprechend
dem für Negie eingeführten Nusdrud Spielordnung — Spiel:
ordner benannt worden ift, würde Spielmeifter feine un-
angemefiene Bezeichnung abgeben. Als Berdeutichungen weiterer
Amtsbenennungen werden für Intendant Bühnenrat, für artifti-
cher Direftor Kunftvorjiand, für Inſpizient Spielaufjeber,
für Souffleur Vorſprecher, für Theaterfaffierer Sädelmart,
für Hausinfpeltor oder Kaſtellan Hauswart oder Hausmann
vorgeichlagen.
Weniger leicht werden fich die frembländiichen Bezeichnungen
der Wirkſamkeit des Berfonals, befler der Künſtler, verdeutichen
lafjen, zumal in der Oper, dem Gebiete der Muſik. Die Ton:
ſprache hängt mit Land und Voll nicht durch das Wort zufammen,
gehört vielmehr der ganzen Menichheit gleihmähig an. Es ver-
fpricht daher geringen Erfolg, den gleichmäßigen Verſuch zu
machen, an Stelle der allerortS verftändlichen italientihen Be—
zeichnungen für die Stimmen und NWolleninhaber, für die Zeit
mahe und Ausführungsarten der Tonftüde deutjche Benennungen
einzuführen. Daß die unnötige Anwendung von Fremdworten
auc bier zu Gunſten der Verdeutlichung eine Einſchränkung er-
fahren fann, zeigt der Vorgang unferer Meijter Schumann und
Wagner, die die deutſche Bezeichnung der Vortragsarten bevor:
zugen. Es empfiehlt fich jedenfalls, 3. B. in der Bezeichnung
der Nollenjächer, nicht ohne weiteres verftändliche Benennungen
durch jolche zu erjeßen, die beilimmtere Vorjtellungen zu erwecken
im ſtande find. Indeſſen wird geraume Zeit vergehen, che Baß—
buffo und Buffotenor durch Spielbah und Spieltenor, Naive
dur) junges Mädchen, fentimentale Liebhaberin durch empfinde
fame Liebhaberin, Bonvivant durch Lebemann, Charge durd)
feine Molle überjept oder erjept werden. Der Beſitz einer
Anzahl deutjcher Bezeichnungen, wie Helden, Liebhaber,
Väter, oder guter Lehnmworte, wie Naturburiche, berechtigt
zu der Erwartung einer Beſſerung in diefer Richtung, ſobald ges
fünderes Sprahempfinden fich zu jchöpferiichem Vorgehen angeregt
fühlen wird,
Dem Vorſchlage, das aus dem Lateinifchen jtammende Wort
Probe durd das deutiche Übung zu erſeßen, wird faum bei:
getreten werben fünnen, da eritere® als eingebürgertes Lehnwort
anzufprechen iſt.
dung begegnen, daß das Wort Übung dem alıhochdeutichen
uobunga entipringt, welches neben» Gebrauch, Übung in unferem
Sinne und »FFelöbejtellunge auch »gottesdienitlihe Ver—
ehrunge*) bedeutet, und daß daher mit feiner Einführung eine
Erinnerung an den gottesdienjtlihen Uriprung des Theaters
gegeben werde, wenn eine ſolche Auffaſſung gegenüber dem
größeren Teil der heutigen Bühnenunternehmungen anders als
ein Hohn ericheinen könnte.
Einer größeren Teilnahme tönnte die Begrün= |
die zweite und vierte durch Bühnenprobe und Schlußprobe
zu erjeßen. Bon dem Erjtarten des Sprachgewiſſens iſt auch bie
gänzliche Ausmerzung der hählihen Wörter Enſemble, Novität,
Premiére, Debut und Benefiz zu hoffen. Für die Bezeich—
nung des Benefizes hat man gelegentlich einen guten Ausweg
gefunden, indem man vom Ehrenabend des Künſtlers und von
Ehrenvorjtellung an Stelle von Benefizvorftellung ſprach
Dad Wort Enſemble ift durh Geſamtſpiel, Novität durd
Neuheit, Premiere durch Erjtaufführung, Debut durch
Antrittsrolle pafiend zu überjepen. *)
Sremdwort im Voltsmunde.
Ein höchſt beluftigendes Beifpiel für Verdrehung unveritan-
dener Fremdwörter im Volkemunde findet ſich in einem Buche,
das ohne einen befonderen Hinweis wohl nur ganz wenigen
Dagegen empfiehlt jich der Ans |
regung als einer Berbeijerung Folge zu geben, in der Bes |
nennung der einzelnen Proben, die ſich im Bühnenbetriebe als
Lefeprobe, Arrangierprobe, Hauptprobe und Generalprobe folgen,
) Daß in »üben, Übunge urfprüngfic; eine Beziehung auf
religiöſe, vielleicht mit dem Ackerbau verbundene Handlungen |
vorliegt, darf als fidher angenommen werben.
unferer Leſer befannt werden dürfte. Und doch wird es mandıem
Freunde echt volfstümlicher Art gewiß Freude machen. Es heißt:
»Noc Feierohmdse und it »E Lajebucd in Altenborgider
Mundort vun Sporgele, was natürlicd ein angenommener
Name iſt. Das Heine Buch,**) bei O. Bonde in Altenburg verlegt,
enthält hauptiählich eine Anzahl Schwänke, die mit behaglichiter
Breite vorgetragen find; darunter auch einen mit der vorläufig ge
heimnisvollen Überjchrift » Pofterrofiee, zu deren Erklärung aud) zu:
nädyit nur bemerkt werden darf, daß die Mundart zwiſchen b und
p nicht unterjceidet. Das Geſchichtchen beginnt mit einer Be
obadytung über den gelegentlichen Nutzen unverftändlicher Fremd⸗
wörter.
»E Fremdwort an der raten Stelle und zer rachten Zeit
bot ſchun moncen aus der Nut gehulfen, un S’mocht mer immer
Spoß, wenn emol eener ins Gedrenge kimmt um ſich mit'n
orte rauszieht, dos de annern nic lenn. Mir fimmt dos
immer veer (vor), wie wenn Soiper in der Kummedche 'n Deifel
mit »Barlide« un »Barlude« härihofit um widder fortzaubert,
wie's 'n boftt.« Darauf erflärt er, »ſiſt (fonft) abber nich grode
e Freind vun Fremdwartern« zu jein, und erzählt nun folgende
Schnurre: »Mei Freind hotte e hibiches Gut, um 's beite, wos
e botte, wor feine Sauzucht; um mer fon getruſt vun 'n joge,
da e fei Harz in Sauftolle hotte, wie e Leibzcher Brofefier emol
meente. E hette '8 0 nich ibbel genumm; dofeer kennch 'n ze
gut — un racht hette mer ficher dermit gehott. Nu hott "e emol
ene Sau an fein Piorre verfooft, un wie fe handeleens wörn,
ging je noch emol minanner dorch de Stalle un beiochen (befahen)
fich "8 Bieh. Do wunnerte ſich nu der Pforre ſchmahlich (— jehr)
ibber dan grußen Sauſtand um wol dorchaus wiſſe, wos dos
fer ne Roſſe Saun weer. Mei Freind ſpricht e bischen verlagen:
„Ja, Harr Poſter, dos trau ich Se bal (= fajt) nich ze fogen, wie
je de Leite nenn; Se fan (fönnten) merſch jchliehlch ibbel nahme.e«
Do abber der Piorre nich nöchlieh, ſeete "8 (fagte er es) doch
noch; »» De Roſſe, die ich hobe, is gut; die Hummer gebott, fu
fange allch (als ich) wartichefte, do8 is Poſterroſſe«v. Mu
kom abber "4 Berlagenwärn an Pforte, un e mochte mein Freinde
Hor, doß 's feene Poſterroſſe gebb, un doß de Leite dos Wort
när aus »Baftardrafje« gemocht heiten. »Ma, ich ducht merſch
doc gqlei«e, meente dar, »»dos weer doc o gor ze jchlacht vun
*, Es mag hier noch erwähnt werden, daß unter den zahl
reichen Berdeutichungsvorichlägen, die nad Schluß des Vortrages
gemacht wurden, ſich auch der befand — entiprechend dem > Sing
jpiele — für Ballet das Wort Tanzipiel einzuſeßen. D. X.
*) Es koitet 80 Pf.; zu Weihnachten ift noch ein Hefthen er-
fchienen.
53
Leiten, wenn fe ene gute Sorte Saun Poſter- voſſe waln nenne;
ic) fon merich ſchun denfe, doß do widder ju e alles mifjerobfes
Fremdwort derhenger (dahinter) jtof.«e Streider.
Sprechſaal.
Herr Miſſionar a. D. Th. Bourquin in Berthelsdorf bei
Herrnhut bat fich mit der Bitte um Auskunft über mehrere ſprach—
liche Fragen an die Peitung der Zeitichrift gewendet. Da die Be:
antwortung diefer Fragen, welde Prof. Dr. Dunger über-
nommen hat, möglicherweile Veranlafjung zu weiterem Meinungs-
austaujch geben wird, jo reihen wir fie dem Sprechſaal ein.
1. Beleg, Belege oder Belag, Beläge?
Für Urfunden, die ald Beweisftüde namentlih Rechnungen
beigelegt werden, jagen die einen Belag, die anderen Beleg.
Welches ift die richtige Form? — Am deutjchen Wörterbud) wird
Belag, Beläge, das allerdings bei Leffing und Herder vortommt,
geradezu als jalich bezeichnet. Auch Weigand und Heyne verlan-
gen die Form Beleg, Belege. Uriprünglidy jagte man das Be—
lege. Man verjtand darunter gewijje, von ungerjtörbaren Stoffen
genommene Zeichen, die von Markmeiftern und Feldgeſchworenen
unter die Grenzſteine gelegt wurden, um für fpätere Beiten als
Urkunden zu dienen. Da das Wort meiſt in der Mehrzahl vor-
fommt, fo bat man wohl jälfchlid) dazu die Einzahl Belag ge:
bildet. Auch der jepige Sprachgebraud iſt mehr für Beleg ala
für Belag. Das Fleiſch auf dem Butterbrot ijt ein Belag, bei
Halstrankheiten findet fi öfter Belag, bei Nechnungen aber jagt
man richtiger Beleg.
2. unverfroren.
Woher kommt der jept jo häufig gebrauchte Ausdrud unver:
froren im Sinne von dreift, zubringlih? — In unferer Zeitfchrift
iſt bereits früher (IV 190) darüber verhandelt worden. M. T.
in Bonn hält unverfroren für eine Entftelung aus dem nieber-
beutichen unverfeert (unerjchroden). In einer Nachſchrift weiſt
dort die Schriftleitung auf eim ſprachliches Gutachten der Prager
philoſophiſchen Fakultät hin, welches bei einer Beleidigungsflage
über dieſes Wort eingefordert worden iſt. Darin wird ausgeführt,
daß umverfroren »erft während der letzten Dezennien aus der Ber-
liner Vollsſprache durch Vermittelung der dortigen Wipblätter in
die deutſche Schriftiprache eingedrungen ſei; es jei »nach Analogie
von umverjchämt gebildet« und werde »al® Euphemismus für dreiit |
umd unverjchämte« gebraucht. Über die Entjtehung des Ausdrucks
enthält das Gutachten nichts. In der Nachſchrift der Schriftleitung
wird die Unficht autgeiprochen, daß das Wort waährſcheinlich aus
irgend einem Scherze entiprungen ſei ald Gegenjtüd zu der alten
Redensart vom »gefunden Jungen« ber wie fam man gerade
zu dem Ausdrude unverfroren ?
Daß eine Entjtellung aus unverfeert anzumehmen jei, it mir
ebenjo wegen der Form wie wegen der Bedeutung (unerichroden)
nicht wahrſcheinlich. Weit einfacher it ed, von dem Beitwort
verfrieren auszugehen. Verfrieren ijt ein ſchon im Mittelhoch—
deutjchen vorlommender Ausdrud für frieren, eririeren; »er hat
ſich die Hände verfroren«, jagt jeßt noch der Laufiger. In übers
tragenem Sinne jagt Fr. Müller an einer im Grunmſchen Wörter:
buch angeführten Stelle: »Die Seel’ im Leib verfrieret mir«, Derjelbe
Scriftiteller jpricht von einem Verliebten, der bei feuchtem Ster—
nenglanz feine Liebesqual den Spapen und Schwalben vorjeufzt,
die »den halbverfromen Schluders beladen. Das Mittelwort
verfroren dient als Eigenſchaftswort zur Bezeichnung eines
Menſchen, der leicht jriert.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereius. X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
!
So jagt Adelung in feinem Wörter: |
— ——
buche: » Das Mittelwort verfroren wird zuweilen, doch auch nur
im gemeinen Leben für froftig, geneigt leicht zu frieren, gebraucht.
Ein verfrorener Menſch. Berfroren jeyn. In weldem Berjtande
erfroren nicht üblich ift.« Muc Campe erwähnt in jeinem Wörter:
buche unter verfrieren, dab man »im gemeinen Leben« nur das
Mittelwort verfroren gebrauche für leicht frierend, froftig. » Vers
froren fein. Ein verfrorener Menſch.« Dies beftätigt auch für
den jebigen Spradygebraud) dad Grimmſche Wörterbud).
Wenn wir von diefer Bedeutung des Wortes verfroren aus—
gehen, werden wir leicht den Übergang zu unverfroven finden.
Wer vor Froft klappert, pflegt nicht keck und dreift aufzutreten;
der Froftige fit zurüdhaltend, Wir reden ja auch im ähnlicher
Übertragung von froftigem Weſen, froftiger Begrüßung, ebenfo
wie von faltem, kühlem Benchmen. Ya mit noch engerem
Anjchluffe an das Bild jagen wir von einem falten Menſchen,
der allmählid) warm wird, er taut auf. Das Gegenteil von
einem ſolchen zurüdhaltenden, frojtigen Menjchen, einem »halb-
verfromen Schlucler«, ijt der Unverfrorene, dejien Haupteigen=
ſchaften Dreijtigfeit und Zudringlichkeit find,
3. Diafoniffe oder Diakonijfin?
Die im Dienfte der evangelifchen Kirche thätigen Krankenpflege—
rinnen führen den Namen Diafonijjen. An der Einzahl ſchwankt
der Sprachgebrauch zwiſchen Diafonifie und Diatonifjin. Welche
Form ift vorzuziehen? — Dialoniſſe ift die im kirchlichen Latein
nad) griechiicher Art gebildete weiblide Form für Diafonos, aljo
Diatonin. Fügt man diefer fremden weiblichen Form nod die
Endung =in hinzu, jo erhält man allerdings eine doppelte Be—
zeichnung des weiblihen Geſchlechts, wie wenn man jagen wollte
Dialoninin. Das it eine unberechtigte Häufung. Aber etwas
Uühnliches haben wir in Abtiffin (abbas, abbatissa) und in Prin-
zeifin (prince, princesse). Das deutiche Spradgefühl empfand
offenbar die fremden Formen Äbtiffe, Prinzeß noch nicht als
' weiblid), und daher wurde nod) die deutjche Endung hinzugefügt. Die
Ausdrüde Äbtiſſin und Prinzeffin find ohne Frage allgemein
üblid) geworden. Bei Diakoniffin hat fi ein fefter Sprachgebrauch
noc) nicht gebildet. Namentlich in der Mehrzahl ift die fürzere Form
Diakonifjen häufiger als die längere, unbequem zu fprechende
Diatoniifinnen. Meines Wiſſens giebt es nur Dialonijjen-
anjtalten, nicht Diafonijjinnenanitalten. In ſolchen Fällen,
wo der Sprachgebrauch ſich noch nicht entſchieden hat, verdient
die ſprachgeſchichtlich vrichtigere Form den Vorzug. Mir fcheint
deshalb Diakoniffe empfehlensiwerter zu fein als Diatonifjin,
wern ich auch die feptere Form nicht als faljch bezeichnen möchte.
4. Zum Gebraude des Mittelwortes (Partizip).
Herr Bourguin lenkt die Aufmerkſamleit auf eine häufig in
Zeitungen begegnende Anzeige bin: »Db verlobt, verheiratet,
oder nit — fein pafienderes Geſchenk für eine Dame als das
‚ bürgerlie Kochbuch von Emma Allejtein.e Es ſei zweifelhaft,
ob dieſe Faſſung zuläffig fei, da ftreng genommen »verlobt, ver:
heiratete jich auf Geſchenk bezichen mühte. Troßdem möchte er
den Sap wegen der Sinappheit feiner Faſſung nicht verdammen.
Darin ftimme ich ihm bei. Der Sag ift zwar nicht Schön gebaut,
aber fehlerhaft möchte ich ihn nicht nennen. Daß das Mittelwwort
verlobt, verheiratet ſich nicht auf Geſchenk beziehen kann, ift ſelbſt—
verjtändlih. Da »für eine Dame« ausdrüdlid; hinzugefügt ift,
jo ijt für die Beziehung der Zeitwortformen geforgt. Stünden
diefe Worte nicht da, dann wäre der Sah ebenjo falſch, wie der
von Heinge (Gut Deutſch S. 130) angeführte Muiterfag: » Beim
Netten beichäftigt, jtürzte ein Hans eine oder der von Mat-
55
thias (Sprachleben und Sprachſchäden S. 346) feitgenagelte Sag
Abends noch einmal ansgetaufchte. Freilich verlangen mande
Grammatifer, wie Heinke, daß das Mittelwort ald Verkürzung
eines vorangeſtellten Nebenſatzes ſich nur auf das Subjelt des
Sapes beziehen dürfe. Andere, wie Andreſen und Matthias,
find nicht fo ſtreng. Wenn Goethe ſagt: »Entfernt von bir,
mit Not und Harm erfüllt, ergögt mich doch dein liebevolles
Bilde, jo findet Andrefen diefen Sat nicht falſch; denn die Bes
ziehung des Mittelworts entiernt und erfüllt auf Bild fei unfinnig.
Ebenjo wenig nimmt er Anftoh an dem Safe: » Endlid; trägt
dad Geſchich ibn ſchlafend an Ithalas Hüfte. Auch Matthiae
hält eine derartige Verwendung des Mittelworts für unbedenklich,
wenn feine Bedeutung für ſich allein deutlich nur eine Beziehung
zuläht (S. 342); untadelhaft jei der Sap: »&ewohnt, alles durd)
Gewalt zu erzwingen, hat fich bei dem polnischen Adel das Ger
fühl des Mitleidens umd der Dankbarkeit nur jehr wenig ent-
widelte. Sedenfalls ift der Sprachgebrauch für die mildere Auf:
faffung. Niemand nimmt Anſtoß daran, daß Bücher lobend
beiproden werden, daß ein Vorſchlag jubelnd aufgenommen,
ein Haus meijtbietend verkauft wird, obgleich weder die Bücher
loben, noch der Vorſchlag jubelt, noch das Haus mit bietet. Ich
beantworte umgehend einen Brief; aber micht auf das ich bezieht
fid) das Mittelwort umgehend, jondern die umlehrende Poſt iſt
Zeitfhrift bed allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
Riehls: »Luſtig davon fahrend, wurden die Eindrüde des |
damit gemeint. Auch die vielgebrauchten Wendungen: »Beifols |
gend (einliegend, angebogen) überjende ic Ihnen den Be: |
trag meiner Schuld« möchte ich aus dieſem Grunde trog Andrefen
und Matthias nicht beanjtanden. Daß die überjendende Berfon
nicht beifolgt oder in dem Briefe darin liegt oder angebogen fit,
verfteht fi wohl von jelbit; ein Mifverjtändnis ift völlig auss
geſchloſſen, die Beziehung auf das Wort Betrag leuchtet jedem
Leſer jofort ein. Wir müſſen uns hüten, die Sprache in allzu
enge Feſſeln einzufchnüren.
Dresden. 9. Dunger.
Sprablibe Mufterleiftungen.
>... ein höchſt importantes Werk .. zu erwerben, welches
... dad... Niveau der primitiven Abteilung diefer Samms
fung weſentlich erböht.«
(Repertorium für Kunſtwiſſenſchaft, redigiert von Henry Thode
und Hugo von Tſchudi. XVII. Band. ©. 234. Berlin u. Stutt-
gart 1894.)
Der Verlag der Preußiſchen Jahrbücher (Hermann Walther)
bietet den Abonnenten der Zahrbücer » Quartals: Enveloppen«
in einer neu erfundenen Konſtruktion an, die es den Abonnenten
der Jahrbücher u. a. sermöglichen« jollen, »den Inhalt des
Quartals leicht überbliden zu lönnen«
In den legten zwei Tagen ift e8 vorgelommen, da Ver:
juche in der Anbringung von die Namen der Gaſſe beinhaltenden
Tafeln, die der löbliche Stadtrat beſchloſſen hate ufw. (Mus einer
Note des Polizei- Direktors an das Präjidium des Prager
Stadtrats, Bohenia 26. 5. 4.)
Rleine Mitteilungen.
— In der Zeit vom 3.—31. Juli d. J. werden unter der
Oberleitung unferes Vereinsgenoſſen, Profefior Dr. Koſchwitz,
56
fegenheit zur Erweiterung oder Erneuerung ihrer Kenntniſſe geben,
und Lehrerinnen, insbeſondere foldyen, die ſich für die Ober:
lehrerinnenprüfung vorbereiten, Anleitung gewähren follen, ſich
wiſſenſchaftlich Fortzubilden. Für alle drei Kurje zujammen find
20 Mark zu entrichten. — Der deutſche Kurſus — die beutiche
Sprache ift diejes Jahr zum erften Male berüdfichtigt worden —
umfaßt: Einführung in das Studium der beutiden
Sprade und Litteratur, mit Übungen, Prof. Dr. Reiffer—
fheid, viermal wöcentlih. Neuhochdeutſche Grammatit,
Prof. Dr. Siebe, viermal wöchentih. Die Hauptdramen
Leiling®, Priv.-Doz, Dr. Bruinier, zweimal wöchentlich. —
Denjenigen Mitgliedern, welche fid) über weitere Einzelheiten zu
unterrichten wünſchen, ſtehen gedrudte Ankündigungen bei der
Schriftleituhg (Berlin N.W. Altonaer Str. 34) zur Verfügung.
— Der deutfhe Jugendbund Hannover (erjter Bor:
figender Herr F. Theopold, Schriftführer Herr Ed. Schlemm) iſt
dem Bereine ald unmittelbares Mitglied beigetreten. Wir rufen
dem neuen Mitgliede ein herzliches Willtommen zu und hoffen,
daß jich auch die übrigen, erfreulicherweije jo zahlreich entftehen-
den Zweige des beutichen Jugendbundes unſern Bejtrebungen
anſchließen werden.
— Im laufmännijchen Vereine zu Ihehoe hielt Gynmaſial⸗
direltor Profefior Dr. Seitz vor furzem einen Vortrag über
Fremdwörter und Fremdwörterunfug, in dem er, geichidt
an örtlihe Verhältniſſe antnüpfend, mit Humor die Pächerlichkeit
der Fremdwörterei geißelte. Der lebhafte Beifall, den der Redner
erntete, läßt uns hoffen, daf feine Bemühungen um die Begrün:
dung eines Zweigvereins im Ihehoe nicht ohne Erfolg bleiben
werben.
— Ololygen, ein funtelnagelneues Fremdwort, zu finden in
A. FR. Andteld »Homeros, der Blinde von Chios und feine
Werle« (Leipzig, F. W. Grunow, 1894) 1. Teil, Seite 232, Knötel
ſchildert nach dem homerischen Hymnus auf Apollo, wie dieier
Gott zu Kriſſa in feinem Heiligtume (Knötel jagt: Adyton) eine
Flamme von jo mächtigem Glanz entzündet, »daf die rauen umd
Töchter der Kriſſäer laut oloIygen«e Wer dieſes Zeitwort für
griechiich ausgäbe, der würde — lügen, er müßte denn ein Uns
wilfender fein. Das griechiiche Zeitwort (freilich gebildet vom
Stamm ololyg, Pingwort ololyge) heißt ololyzein und bedeutet
das laute Nufichreien weiblicher Stimmen, Sinötel hätte alio
wenigitens »ololygen« oder vielmehr »ololyzieren« jagen und das
»laut«, welches jchon darin liegt, weglafjen jollen.
T. F. v. H.
— Unwwelt — Milieu. Neuerdings lieſt man vielfach in Er—
zählungen und Beurteilungen das Wort-Milieu-. Hippolyte Taine
und feinen Nachtretern entnommen, fol darunter die Einwirkung
verftanden werden, die Abkunft, Heimat, Erziehung, Umgang,
Bücher, Kunſtwerle und alle abſichtlichen und verborgenen Mits
erzieher auf uns ausgeübt haben. AU das herauszufinden, will
dem jchlichten Leſer ſelbſt mit Hilfe des Wörterbuches meift schlecht
gelingen — weil es eben nicht in dem Worte liegt. Eine Lejerin
erbat fich darımm im Sprechſaal der » Deutichen Wartee dafür eine
deutiche Bezeichnung. Fast ein Dutzend Antworten erichienen. Zwei
hielten das Fremdwort für unüberſetzbar und fanden darin natür-
lich einen Borzug. Die übrigen Aufjägchen empfahlen als Erjaß-
wörter Umgebung, Lebenäfreis, (Höhepunkt,) gejamte
Erziehungseinflüffe und befonders das überaus treffende
Ummelt. Obgleich Umwelt weit umfajlender als der matte
in Greifäwald franzöſiſche, deutiche und geichichtlicdh- geographiiche | Aremdling, zudem in wiffenihaftlichen Kreifen vielfady ſchon üblich
Kurſe abgehalten werden, die akademiſch gebildeten Lehrern Ges | ijt, wird freilich; das jpreizende Großthun fchriftftellernder Abe
57
ichügen, die Unverdautes gedankenlos twiederzufauen pflegen, nach
wie vor verfuchen, den häßlichen Eindringling in unſerer Sprache
einzubürgern.
Elberfeld. v. K.
— Decennium. Beim Leſen des Auſſatzes von Friedrich
Kluge in Nr. 10/11 d. 3. 0.1894 fiel mir, als ich an das Wort |
decennium fam, eine Geſchichte ein, die fich vor wenigen » Decennien«
in einer größeren deutſchen Stadt abipielte und den Vorzug hat,
buchftäblic wahr zu fein.
Herr H., Inhaber eines Barbiergeichäftes umd ſtädtiſcher
»Deputierter« für eine höhere Schule, jtreitet mit einem Lebrer
dieſer Schule über irgend eine Einrihtung und jagt ſchließlich:
»Das ift jchon ſeit mindejtens drei Decennien immer jo gewejen.«
Der Lehrer envidert: »Sie find ja aber doch noch feine 30 Jahre
bier am Orte.e — »Was denn? wiejo 30 Jahre?«e — »Ia, Sie
jagten doch: drei Decennien.e — Da nimmt Herr 9. einen fehr |
überlegenen Ton an und fagt geringihäßig: » Ja, wenn Sie das
Decennium zu 10 Jahren rechnen, —.«
Wäre id) nicht Mitglied des allgemeinen deutſchen Sprach—
vereins, jo könnte ich jchließen mit dem Modeworte: Tableau!
—T.
— Der Borfipende unſeres Aweigvereins zu Helmſtedt,
Kreisdireltor und Landtagsabgeordneter Langerfeldt, bat am
6. Februar d. %. in der 24. Sitzung des Braunſchweigiſchen Land—
tages bei der Beratung eines Geſetzes über die Verwaltungsges
richtspflege den Antrag gejtellt, »das Minifterium um möglichite
Ausmerzung der Fremdworte und Erjaß derfelben durch deutſche
orte zu erjuhene Der Antrag ift einftimmig angenommen
worden.
Bücherſchau.
— Kluge, Friedrich, etymologiſches Wörterbud der |
deutſchen Sprache. Fünfte verbeſſerte Auflage.
Karl J. Trübner. 1894. XXVI und 401 ©. gr. 8.
— Faulmann, Karl, etymologiſches Wörterbuch der
deutſchen Sprache nach eigenen neuen Forſchungen. Halle,
Karras. 1893. VIII und 421 ©. gr. 8.
— May, Martin, Beiträge zur Stammkunde ber
deutfchen Spracde, nebit einer Einleitung über die Keltger—
manifchen Sprachen und ihr Verhältnis zu allen andern Sprachen.
Erklärung der perufinijchen (tuätiichen) Inschriften und Erläuterung
der eugubiniihen (umbrifhen) Tafeln. Leipzig, v. Biedermann,
1893, CXXX und 299 ©. gr. 8.
Das Klugeiche Wörterbuch nimmt durch feine hervorragenden
Eigenschaften anerfanntermaken den erjten Platz unter allen ähn—
lihen Werten ein. Cine neue Auflage bedinfte feiner bejonderen
Empfehlung, wenn nicht das bewährte Hilfsmittel jeit feinem eriten
Erſcheinen und vor allem feit der vierten Auflage in mehrfacher
Beziehung ein verändertes Ausichen erhalten hätte. Daß die
Forschungen der lepten zehn Jahre, an denen Kluge jelber einen
bedeutenden Anteil gehabt hat, gewijienbaft verwertet, dal;
zahlloſe Verbeſſerungen und Ergänzungen im einzelnen vorge
nommen find, braucht nicht befonder® verfichert zu werden; jede
Seite zeugt von dem unermüdlichen Streben, zu bejiern, Un—
fiheres zu jtüßen oder durch Neues zu erjegen, »möglichit viele
Einzelbeiten in den Jufammenbang der großen Sprachbewegungen
einzugliedern« (Vorwort S. VIII).
Die hauptjächlichite Umgeftaltung beiteht aber in einer beträcht⸗
lichen Erweiterung des behandelten Stoffes. Einmal find die
Mumdarten in viel ausgedehnterem Maße als bisher herangezogen.
Es werden nicht nur weit mehr mundartliche Formen des ent—
iprechenden ſchriftdeutſchen Nusdrudes angeführt, ſondern auch bei
Strahburg,
Zeitfhrift deö allgemeinen deutfhen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
|
‚ Ichriftipracdhliche Ausdrud allmählich herausgearbeitet hat.
| erg
58
einer großen Anzahl Wörter die abweichenden Ausdrüde der Munds
arten premmenaccht und vor allem, two es möglich iſt, gezeigt,
wie fid) aus der Mannigfaltigteit mundartlicher — —
an
vergleiche beiſpielsweiſe Bernſtein, Klempner, klettern,
Quark, beſonders auch Tier- und Pflanzennamen, wie Froſch,
Kaninchen, Kater, Holunder ufw.
Noch umfangreicher iſt aber das zweite Feld der Erweiterung
und Vertiefung: die ausgiebigere Berücſſichtigung, die dem neuhoch
deutichen Woriſchatze im engeren Sinne, feiner Geſchichte und Ent:
u teil geworden iſt. Hier ift vieles beträchtlich erweitert,
wie z.B. Mar und Adler, bieder, Fächer, ftaunen, jehr
vieles nen aufgenommen. So erhalten wir Austunft über den
Adamsapjel und den Buchweizen, den ah u und
das Heinzelmännchen, über eine große Anzahl von Neubils
dungen oder wertvollen Bereicyerungen aus den Mundarten, wie
Abſtecher, Abjtimmung, anbeimeln, bewahrheiten,
Heimmeh, Jahrhundert uf. ufw.
Demfelben Zwecke dient die Aufnahme einer großen Anzahl
von Fremdwörtern. Waren in den früheren Auflagen nur die
älteren Entlehnungen, die » Lehnwörter« im engeren Sinne, be—
handelt, jo find jet auch die wichtigiten jüngeren Entlehnungen,
die jeit dem 16. Jahrhunderte in unfere Sprache eingedrungen
find, aufgenommen und geichichtlich behandelt, d. h. in&bejondere
die Zeit Ihres eriten Auftretens, joweit möglich, feitgejtellt. Wir
erfahren, wann Wörter, wie abonnieren, abjolvieren,
Necent, addieren, adieu, Adjutant, Adreſſe, Mdvofat
und zahllofe andere zuerft in dem deutſchen Schrifttume belegt
find, Zum Teil werden uns Feine Abhandlungen geboten, vgl.
Artiihode, buridilos, blümerant wa. Das —
Wert iſt jo ein unentbehrliches Hilfsmittel für alle geworden, die
fi) mit der Seichichte des Fremdwörterweſens im Deuticyen bes
Ichäftigen. Insbeſondere wird der Sache des Sprachvereins noch
dadurch gedient, daß auch die altheimiichen, durch die Fremd—
wörter verbrängten Bezeichnungen berüdfichtigt find; vgl. z.B.
Anbängjel unter Amulet, Rechenkunſt unter Writh-
metif, Laube unter Urlade, Fähnlein unter Bataillon,
Schreibſtube unter Büreau, Glüdshafen unter Lotterie.
Auch die BVerdeutihungsbeftrebungen der älteren und neueren
Zeit find berüdfichtigt; man ſehe 3. B. Briefwechiel unter
Korreipondenz, Eilbote unter Aurrier, Rechtſchreibung
unter Ortbograpbie. Andere Nachbildungen von Fremdwör—
tern find jelbjtändig aufgenommen, wie Freidenker und Frei—
maurer, Semeinplaß, lujtwandeln uw. Und überall mög:
lichit genaue Altersbeftimmungen.
Als eine danfenswerte Zugabe iſt die beigegebene »chro-
nologiſche PDaritellung des neuhochdeutihen Wortihages« von
Dr. Ferd. Meng zu bezeichnen. Wir gewinnen bier einen vor-
' trefflichen ÄÜberblid über den gefamten Wortihag der heutigen
Sprade, inwieweit er aus der indogermanifchen Urzeit ererbt
oder in alt=, mittel- und neuhochdeutſcher Zeit durch Meu-
ihöpfung, Fortbildung und Entlehnung erweitert if. Wenn id)
endlich eine Bitte ausiprechen darf, jo wäre es die, einer neuen
Auflage eine Erklärung der verſchiedenen Lautzeichen beizugeben.
Das Bud) würde dadurd für die nicht eigentlich ——*2
lichen Kreiſe an Brauchbarkeit gewinnen; und für ſolche iſt es
doc auch beſtimmt. ch lomme einem aus Vereinskreiſen laut
gewordenen Wunſche nad, mern ich bier die Erklärung einiger
Zeichen folgen lafie, die für germaniihe Spradyjormen verwandt
find. ä iſt ein dumpfes, nad) o binliegendes a. & und e find die
beiden hurzen e=Laute (Ö offen, & geichlofien), die heute außer in
Mundarten meijt zufammengefallen jind. » it der unbeftimmte,
6-ähnlidre Laut, den wir meift fir e in unbetonten Silben
ſprechen. p und d bezeichnen den Laut, den die engliiche Schriit
durch th ausdrüdt, und zwar p den ftimmlofen (harten), d den
itimmbaften (weichen). 3 ift etwa wie unfer 5 (8) zu jprechen.
xiſt — ch, s — ſch, éẽ — iſch.
So erſcheint die fünfte Auflage des Klugeſchen Wörterbuches
als eine in jeder Beziehung ausgezeichnete Neubearbeitung des
Stoffes, die dem Werte unzweifelhaft noch mehr Freunde erwerben
wird als die früheren Muflagen. Zu diefen werden aber nicht
gehören die Verfaſſer der beiden oben mitverzeichneten Bücher.
Beide, ſchon vor der fünften Auflage des Klugeſchen Wörter—
buches erichienen, treten ihm mehr oder weniger feindielin ent-
gegen. Gemeinſam it ihnen, daf fie Kluges Standpunkt für zu
59
Zeitfchrift des allgemeinen deutfhen Spradhvereind X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
60
eng halten: dem einen geht er nicht weit genug in ber Annahme
von Lautübergängen, dem anderen in der Anerlennung
urjprünglich Ddeutichen —— Her Proſeſſor Karl
Faulmann in Wien erfennt freilich Kluges Verdienſte in ges
wifien Sinne an, wenn er jagt: »Was auf Grund der indoger:
manifchen Sprachforſchung für die Erflärung unserer Wörter geboten
werben fonnte, liegt in Friedrich Aluges Etymologiſchem Wörterbuch
der deutichen Sprache vor; jeine Schuld war es gewiß nicht, daß
er jo wenig in der Lage war, Aufichluß über den Urſprung der
Wörter zu geben« (S. 22). Die Schuld lag vielmehr an dem
mangelhaften Stande der Sprachforſchung. Erſt Herr Faulmann
mußte fommen und alles auf neue Grundlagen jtellen. Mit aus:
iebigfter Benupung der Ablautserſcheinungen und ganz neuer
autgejege bringt er einen Stammbaum der deutſchen Sprache
zu Stande, in dem jämtliche Stammmörter in verwandtichaftliche
Beziehung zu einander gefept und auseinander abgeleitet werben.
An die Spite des Ganzen jtellt er die Dreiheiten quing, quang,
quung und twing, twang, twung (wen mutet das nicht chineſiſch
an?) Das find die (im unferem »zwingen« nod erhaltenen)
Urworte, aus denen Herr Faulmann fämtliche anderen Stämme
der deutſchen Sprache durch alle möglihen Laut- und Vedeutungs:
übergänge hervorgehen läßt. Durd; die Annahme eines dreifachen
NAuslautes, eines dreifachen Inlautes nebſt Umftellungen und
Sautihwähungen läßt ſich da ja recht viel erreichen. Und auch die
Mannigfaltigleit der Bedeutungen weiß Herr Faulmann aufzu—
hellen, indem er einen vierfahen Sinn der Grumdzeitwörter ans
nimmt, nämlich: 1. feindliches Wollen, drehen, 2, wüten, 3. rubig,
friedlich fein, gedeihen, 4. vergehen. Auf diefe Weiſe ift er im
ftande, die Entitehung fast jeden Begriffswortes nachzuweiſen;
zum erjten Male liegt bier die Sprache wie ein lebendiger ein:
beitliher Körper vor uns, gebildet durch die Geiſtesarbeit von
Sahrtaujenden« (S. 23).
Ich muß es mir hier verfagen, näher auf all dies einzugeben.
So viel fteht mir feit: eigenartig und geiftreich mu der durch
Faulmannſche Geiftetarbeit gebildete Körper wohl genannt werden,
aber nicht minder phantaftiich. Es ijt ein Quftgebilde, dem jede
ſachwiſſenſchaftliche Grundlage fehlt. Die Ätrengen Geſetze des
Yautwandels, wie überhaupt die Ergebnifie der neueren Sprach—
forschung find fr Herrn Faulmann gar nicht vorhanden, Wer an—
nimmt, daß qu fich gleichzeitig zu khw hund w abichwiächt, wer
das n von haben dem r des lateinifchen habere gleichiept, wer den
Ablaut nur in den germantichen Sprachen anerfennt, wer fic) bei der
Deutung deutscher Wörter faft nur bei der germanischen Sprache Nats
erholt, »welche als einzige unter ihren Geſchwiſtern den Stammes
baum ihres Geſchlechts jo forgfältig bewahrt hat« (S. 23) — ber
zeigt, dafı er fich um die Fortichritte der Willenfchaft nicht ges
kümmert, fondern in verhängnisvoller Abgeichlofienbeit ein haltlofes
Geſpinſt erichaffen bat, das vor dem eriten Anhauche des nüchternen
Brüfers zerreiiien muß. ein vergleihender Sprachforicher fann
Herrn Faulmann beipflicten, wenn er Hal mit Dual und eilen
oder Aar mit würgen ıt. a. zufammenjtellt, oder wenn er ans
erfannte Qehmwörter wie Efel und Minze aus dem Deutichen
zu erflären jucht um. Daß daneben vieles altbewährte Nichtige,
auch manche anfprechende neue Wermutung in dem WBuche jteht,
will ich gern anerfennen, ebenjo wie den Fleiß und die Mühe,
die Herr Faulmann auf die Durchführung feines Gedanfens ver:
wendet hat, und feine von Fremdwörtern mujterhaft reine Spradıe.
Das alles aber kann mich nicht hindern, jeden Laien, der ſich
über den Urfprung deuftfcher Wörter unterrichten will, aufs nach—
drüdlichfte vor der Benugung dieſes Buches zu warnen. —
Herr Martin May endlich teilt uns ſelbſt in einer porauss
geichidten Erklärung mit, wie er zur Abſaſſung diefes Buches ge:
lommen iſt. Wir erfahren, daß »die Grundlage der Bejtrebungen |
des deutſchen Spradivereins die Enticeidung der Vorfrage bilder:
Was ift ein Fremdwort ?« Was das ijt, wiſſen aber unjere Spradh-
gelehrten nicht. »Die Gefſahr, dak aus Unfenntnik Worte edıt:
germanifcher Abſtammung als aus nidtgermanifchen Sprachen
entlehnt und als iremdmörter bezeichnet und ausgeichieden werden
fünnten«, liegt eben zu nahe. Mit großen Erwartungen hat
Herr Many dem Erjcheinen des Klugeſchen eiymologiſchen Wörter:
buches entgegen gefeben, hat fi aber aufs bitterjte enttäuſcht
gefunden. Er ift »unangenchm ütberraicht, im diefem Buche häufig
ganz oberflächlichen Urteilen zu begegnen, zahlreiche gut deutiche
Worte, deren Abſtammung ihm bekannt war, als entlehnt be
zeichnet zu jehen.e Troß diefer Nusftellungen erblidt er in dem
vollfommmung ift aber er allein ber Mann. Er jett ſich alſo
bin und fchreibt jeine Bemerkungen nieder. Von den 545 Bör-
tern unter A und B hat er nicht weniger als 162 zu beanitanden.
Dieſe unſchäßbaren Beiträge fendet er mit einem herablaffenden
Schreiben an Herrn Profefior Kluge in Jena, der aber zu kurz:
fitig it, um die wilienichaftlihe Bedeutung bes Herm May zu
durchichauen, und defien Verbeſſerungsvorſchiäge für eine etwaige
neue Auflage feines Werfes zu venverten verihmäht. Damit
nun die babnbredienden Entdedungen des Herrn May der Ge:
lehrtenwelt nicht verloren gehen, ſieht er fich genötigt, jelber vor
die Öffentlichkeit zu treten. Weil er jedod) » etwas möglichit Boll:
fommenes bieten« will, vertieft er jeine Forihungen immer mehr
und legt fie num in dem oben genannten umfangreichen, in Drud
und Papier tadellofen Buche vor.
Die Hauptmafie bildet demnach ein etymologiſches Wörter:
buch der deutichen Sprache, »eine geradezu unentbehrliche Er—
gänzımg des Klugeſchen Buches«, wie der Herr Berfafier mit
rührender Beicheidenheit geitebt. In welcher Nichtung diefe Er-
gänzung liegt, willen wir icon. Es gilt, möglichſt viele Wörter
als echtgermaniſch zu retten! Au dein Zwecke wird »feitgehalten,
daß von Entlehnung deuticher Worte von anderen deutjchen, ger:
manijchen oder felt-germansichen Sprachen keine Nede fein fan,
und ebenjowenig von Entlehmung deuticher Worte aus dem Ro—
mantichen, wenn das romaniſche Wort nachweisbar jelbjt vom
Sermaniichen entlehnt iit.e Mit diefem verblüffend einfachen
Grundlage Täft fich nun fchon recht viel erreichen. Das englische
»boxene, das franzöfiihe »Barderobe« u. v. a. find damıt ala
heimifche Wörter gerettet. Aber es wird noch viel mehr geleiftet,
als wir zu hoffen wagten. Wörter wie »Abenteuer, Acat,
Almojen, Börje, Brille, Büffel, Cement (!), Drake,
Familie (!), Feniter, Gemme, Karfunteli(!), Kartoffel,
irhe, Lamprete, Palaſt, Pferd, Schad, Schule« und
zahlloſe andere Lehnmwörter, über deren fremde Herkunft nicht der
letiefte Zweifel auffommen kann, fie alle werden als chtgerma=
nisch »erwieiene Der Leſer wird neugierig fein auf die wiſſen—
ichaftlihen Beweismittel des Herm May. Ihre Fülle iſt un—
ermehlich; mit eritaunlicher Unbefangenbeit wird fein Mittel
verihmäht. Da das Urteilävermögen des Herrn May nicht durch
die mindejte Sprach- und Sadıfenntnis getrübt wird, jo fann er
ungehindert alles, mas lautlich oder begrifflih eine Spur von
Ähnlichkeit zeigt, mit einander in verwandtichaftliche Beziehung
fegen. Bon Yautgefeßen, von ſprach- und kulturgeſchichtlichen
Thatfachen feine blafie Ahnung! Es ij geradezu unglaublich,
| was dem Leſer alles zugentutet wird, Unter »Apfels heißt es:
»die gewih; aufjallende Ericheimung, daß das Stammglied pfel
in allen germanijchen Spraden als bel, pfel, ball, bull
»Rugel« vertreten... wird, erweilt das Wort ebenfall® als rein
germanifd.e »Auster« ift nichts ald Haustier, »Tier, das in
einem Hause fcht!« »Lavas gehört » wahricheinlich zu goth. ahwa
»Fluß, Strome mit dem abd. Artikel Vie): ’ahwae Und
von derartigem Unfinn wimmeln alle 297 Zeiten des Wörter:
buches. Ich behaupte unbedenklich, daß alles, was von Kluge
abweicht, nicht etwa nur unmahricheinlich, nein, falich, grundfalſch
it. Au bewundern iſt der Fleiß, mit dem Herr May eine er:
jtaunliche Fülle von Stoff zuiammengeichleppt hat, ein Fyleih,
der einer befleren Sache würdig wäre. Er könnte uns mit innigem
Mitleide für den Verfafjer erfüllen, wenn nidt die anmahende
und abjprechende Art, wie er mit Kluge und »jener Art Epradı-
fünftler«e umipringt, ihn um jedes Mitgefühl bräcte.
Vol der abenteuerlichiien Hirngeipinfte iſt auch die umfang-
reiche Cinfeitung, wie folgende Proben zur Genüge erweiſen
dürften: »Die jogenannte lateiniſche Spradye ift nichts anderes,
als die (umbriich-) tusfiiche, — alfo eine kelt⸗germaniſche Sprache «.
» Das Eskimoiſche läht fid), wie das Mongoliſche, altgermaniſch
' gut erflären« uſw.
Die Wiſſenſchaft wird jelbitveritändiih, ohne ein Wort zu
| verlieren, über Herrn Mays Forichungen zur Tagesordnung übers
Klugeſchen Buche einen erwünichten Anfang; zu deiien Ber |
geben, Mber der Yaie muß doch vor joldhen Verirrungen eng:
berzigiter Verranntheit gewarnt werben. Und zumal in dieſen
Blättern muß es geichehen, da der Berfaffer ouf dem Boden des
allgemeinen deutſchen Sprachvereins zu jtehen behauptet und fich
durch feine Entdedungen zahlloſer urdeutſcher Wörter ein unſterb—
liches Verdienſt um die Sache des Sprachvereins erworben zu
baben glaubt. Gott beichlige ums vor ſolchen Freunden!
Braunichweig. Karl Scheffler.
61
Zeitihrift ded allgemeinen dentſchen Spradvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 3,
62
— Loje Blätter zu Nup und Frommen des allge: | Deutiche Dramaturgie. Zeitjchrift für dramatifche Kunſt und
meinen deutjhen Spradvereind. Herausgegeben von
Dr. Günther U. Saalfeld. Berlin 1895. Berlag von Wil:
helm Emft u. Sohn. 143 ©.
Wer ein offenes Auge und ein warmes Herz für die Natur
hat, der bringt wohl von jedem Gange durch Flur und Wald
etwas mit nach Haufe, ſei es eine Pflanze, wert fie in die
Sammlung zu legen, ein jeltenes Moos, oder fei es aud
nur eine einfache Blume, die ihm das Auge erfreute, und die
der Naturfreund an fich nahm, um andere an diefer Freude teils
nehmen zu laſſen. Einem joldien warmberzigen Sammler ift der
Berfafjer des Buches vergleichbar, das vor uns liegt. »Loie
Blätter« nannte er es jelbit, ein günstiger Wind Hat jie in ein
Buch zuſammengeweht. Die 28 Blätter find mannigfaden In—
balts: Erlebniſſe, Erinnerungen, Betrachtungen über Wiſſens—
werteö, Beobachtungen über Sprachliches und Sprachvereinliches.
Auch Stimmungebilder finden wir, lebhaft empfunden und wohl
geeignet, die Ähnliche warme Empfindung im Herzen anderer zu
weden. Der Berfafler führt uns des Öfteren zum deutichen Nord-
feeftrande, wo die Seele ibm befonders heimatlidy bewegt wird,
ift er doch, wie er jelbit jagt, »an der Waterfant« geboren. So
verfchieden aber auch der Inhalt fein mag, jo zieht dh doch durch
alles, was uns Günther U. Saalfeld in feinen lofen Blättern
erzählt, wie ein roter Faden die Liebe für das deutiche Vaterland
und für die deutjche Mutteriprache; das iſt der Grundton aller
feiner Empfindung. Den deutſchen rauen bat Dr. Günther
A. Saalfeld das Biichlein gewidmet, er mahnt fie, die Mutterfprache
zu pflegen und zu hüten; ihnen wird das Buch alſo beionders
empfohlen. Doch das Goetheiche Wort »wer Vieles bringt, wird
Manchem Etwas bringen« darf auch auf die »Lojen Blätter« an-
gewendet werden, und fo werben fie fich auch unter allen den
deutichen Männern Freunde gewinnen, die ein warmes Herz für
deutiches Weſen haben. Zu up und Frommen des allgemeinen
deutichen Sprachvereins hat Guünther A. Saalfeld die lofen Blätter
ejammelt; wir wollen hoffen und wünſchen, daß fie wie lofe
lätter ſchnell und beweglich binausflattern möchten, die Liebe zum
Deutichtum zu erwerten und zu jtärten und dem allgemeinen deutſchen
Spradjverein neue Freunde zu gewinnen. Pietic.
Eingejandte neue Drudichriften.
Neber, Dr. Joſeph, Johann Amos Comenius und feine
Beziehungen zuden Spradgejellidaften. Denkſchrift
zur freier des vierteltaufendjährigen Bejtandes des Pegnefiichen
“rer De zu Nürnberg. Leipzig, 1895, ©. od.
18. 8%.
Der Deutihe Boltsbote. Beitichrift der deutichnationalen
Partei in Böhmen. Prag. 4. Jahrgang, Nr. 22 u. 23. —
5. Jahrgang, Nr. 1—3.
Nagl, Dr. J. W., Deutihe Lehnmwörter im Ezehiichen.
Wien, 1894, Gilhofer und Ranſchburg. 51&. 8”
Scaufpiel in
Schreyer, Hermann, William Shakeſpeare.
198. 8°,
fünf Aufzügen. Leipzig, 1895, Otto Schmidt.
geben von Dr. Job. Heinemann. Hamburg, E. Adler. kl. S".
Sangbans, Baul, Deutiher Kolonial-Atlas. Gotha, 1805,
Juſtus Perthes. Achte Lieferung.
weſtafrilaniſches Schußgebiet, Blatt 2, Pr. 23: Verbreitung
des Deutſchums in Aujtralien und Bolynejien.
v. Wilpert, Richard, Nachtichatten. Novellen. Berlin, 1895,
Deutſche Schriftitellers&enofjenichaft. 187 ©. 8”.
Berfafler, ein eifriges Mitglied des Sprachvereins, bejleihigt
fich einer durchaus fremdmwörterfreien und dabei ungeziwungenen
Spradje, die aber an einigen Stellen durd den zu häufigen
Gebraud von »derfelbe« u. E. in ihrer Flüſſigkeit beein:
trächtigt wird. Über den künftlerifchen Wert der Novellen
zu urteilen, ijt bier nicht der Ort.)
Katholiihe Zeitichrift für Erziehung und Unterricht.
Düfeldorj, 1895, L. Schwann. 44. Jahrgang. 1. u. 2. Heft
nebſt Beiheiten.
Alldeutihe Blätter Mitteilungen des All: Deutjchen Ber:
bandes. Berlin, 1895. Wr. 1-7.
Bieling, Alerander, Prof. Dr., Drifngraptiide Notjtände.
Vortrag gehalten im Berliner Gummafiallehrer = Verein.
lin, 1894
(Der |
Litteratur, herausgegeben von Dr. Paul Kühn. Leipzig,
1894, Heſt 3.
Süddeutiche Blätter für Höhere Unterrichtsanftalten,
herausgegeben von Karl Erbe, Stuttgart, 1804, Heft 24.
1895, Heft 1 u. 2. (Bei Lefern unjerer Heitichrift dürften
die folgenden, in diejen Heften enthaltenen Aufſähe bejonderer
Anteilnahme begegnen: » Eine Schentendorffeier, ein Koblenzer
Erinnerungsblatt« von Oberlehrer Dr. Saalfeld in Heft 24;
»Fremde Bornamen in Deuticland, insbeſondere in den
Schulen« von DO.:P. Cramer in Heft 1; »Der Lautjchrift-
vereine von J. Spiejer in Heft 2.)
Mitteilungen des Nordböhmiihen Exkurſionstlubs.
Leipa, 1894, 17. Jahrgang, 4. Heft.
Sanders, Daniel, Zeitfchrift für deutſche Sprade. Bader:
born, 1895, Ferd. Schöningh. Heft 10 u. 11.
Zeitungsſchau.
Aufſätze, Beſprechungen uſw. in Zeitungen
und Zeitfſchriften.
Lenbach (Müllenbach), Ernſt, Gedichte.
Neue Bonner Zeitung 28. 11. 94.
Dreicher, ——— Dr., Feſtrede zur Hans Gadıs-
Feier im Soblenzer Zweigvereine. — Kölnische Zeitung
6.11. m.
Saferme, E., Über die Eigentümlichkeiten der alten
deutihen Rechtsſprache. — Zwanzigſtes Nahrhundert
November 94.
E. ©., Spradtiche Bilder und bildliche Redewendungen.
— Braunſchweigiſche Yandes- Zeitung 11.11. 94.
Brunner, U, Schledt Deutſch. (Beſprechungen.) — Frem—
denblatt (Wien) 18. 11. O4 und Neue Bonner Ztg. 28. 11. 94.
Eipen, 5 ®, Vom Mihbraud der Fremdwörter im
Handel. — Tägliche Rundſchau 16., 15. u. 19. 12, 04.
Gillhoff, Kobannes, Das Geld im Vollömunde — Täg—
liche Nundichau 2. u. 5.12. 94,
Jurijtendeutih. — Deutihe Warte 5. 11. 94.
Deutſche Sprachreſte in Franfreih und Belgien. —
Generals Anzeiger f. d. Berliner Villenvororte 13. 10. 94.
Töpper, Franz, Der Streit um die Schrift. — Freie
Schulzeitung Nr. 1. XXI. Jahrgang.
Amme, Bildlihe Nedewendungen ein Spiegel deutſchen
Vollsſums. — Rhein.» Wejtfäl. Zeitung 8. 7. 94.
(Beiprediung.) —
Imme, Deutſcher Wip und Humor in bildlichen Nusdrüden
Kalenderfür Lehreran höheren Schulen, 18395, beraudge- |
und Redewendungen. — Rhein. BWeitjäl. Zeitung 28. 10. 9.
| Brandftätter, Friß, Dr., Die Weidmannsiprahe muf
Inhalt: Fr. 16: Süd ) rein deutich fein. — Der Weidmann, Nr. 23. XIX. Bd.,
halt: Nr. 16: Süd: |
Nr. 1. XXVI. Bd.
Mohr, Friedrih, Zur Ehre der deutſchen Sprade —
Wejtermanns Monatäbeite 7, 1862.
Dieſer bereit3 1862 erjchienene, und jeßt erſt durch
die Hüte eines VBereinsmitgliedes befannt gewordene Aufſa
wendet jich nachdrüdlich gegen den übermäßigen Gebraud)
von Fremdwörtern.)
Wülſing, Emit, Dr., Heinrich Seidel. Bortrag im Zweig-
verein Bonn. — Neue Bonner Zeitung 23., 24., 25., 27,
20., 30. u, 31.1. 95.
Schumann, Oberlehrer, Was wir wollen. Anjpradie im
» Deutichen Abend« am 28. 11. 94, — Lübedifche Blätter
16., 20.1. 95.
B. W., Seid deutſch! — General-Anzeiger für Eiberfeld-
Barmen 5.1. 95.
| Sattmann, Julius, Stüdweife oder endgültige Reform
der Rechtſchreibung? — SondersAbdrud aus der Zeit
schrift für das Öymmahatıvefen XLIX. Jahrgang.
63
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprahvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 3.
64
Boenijh, Dr.,
Sprade — Dftdeutihe Rundſchau 3. u. 5.1. 95.
Karehnte, B., Oberlehrer, Über ſprichwörtliche Redens—
arten im deutjhen Vollsmunde. Bortrag im Zweig—
verein Marienwerder. — Beilage zu Nr. 17 der »MNeuen
Weſtpreußiſchen Mitteilungen« 20.1. 95
Soba, Brambory, — Deutiche Zeitung 30.5. 93.
Saba — der Straße. — Allgemeine Kunſt-Chronik Nr. 2,
C. * RER ber Handelsſprache. — Lübedijche
Blätter 25. 11. 9.
Beiträgezur Spradreinigung. — Straßburger Poſt 23.12. 9.
Ein Fremdwörtertöter. — erg — zur Braun⸗
ſchweigiſchen Landes⸗Zeitung 23. 12. 9.
Benkert, U, Deutſche Mundart in * e
— die Gegenwart Nr. 52 v. 9.12. 9
Muellenbad, Dr, Unehrliche nn. un Namen in
zent als Gegner der bdeutihen |
‚ 180, 218, 255, 236); von äu
| in alter Zeit.
aus dem ———
rich Seidel.
früheren — der Verein beſteht jeßt gerade 5 Jahre — waren:
u Erfolgen weiß er” leider
nicht viel zu fagen. Die Abrehmung ergab trop größter Spar-
famfeit einen Heinen Fehlbetrag. Die neuen Sakungen wurden
genchmigt, der Borftand wiedergewählt; Direltor Söhren. bleibt
Vorfigender, Dr. Wülfing Scrifführer — Dr. Muellenbach
bielt dann einen BE über Unehrliche Berufe und Namen
— ein treffliches ſittengeſchichtliches Bild
dem er auch häufig die vielfachen Be—
siehungen auf die »Unehrlichen« bervorhob, die ſich im deutichen
Spradjgute, vor allem im fprichwörtlichen Redensarten, vor:
finden. (Vergl. »Neue Aufſätze- ufw. Sp. 63.) — Bor einer
zahlreichen Zuhörericaft hielt am 21. Januar Dr. Wülfing
einen mit großem Beifall aufgenommenen Bortrag über Hein:
In der Einleitung bob er den Gegenſatz Seidele
zu den heutigen Maturalijten und Materialiiten bervor und er-
Mlärte, warum der von ihm gewählte Gegenitand ſich befonders
alter Zeit. Bortrag im weigverein Bonn. — Neue |
Bonner Zeitung 20.12. 9.
Gartner, Theodor, Ein neues Büchlein über Sprad:
richtigfeit. (M. Seinge, Gut Deutſch.) — Sonderabdrud
aus den » Bulowiner Nachrichten.e
Eigen, F. W., Bon faufmännijcher hie a _
Hamburger Fremdenblatt 31. E n. 1.2.
Hanno, Stramm-Deutid. —
a unverwelichte
deutſche Sprache.
6.2. 95.
— Deutiche Bolkszeitung (Neichenberg)
Maihinengrofbetrieb in der deutſchen Sprachwiſſen—
ſchaft. — Die Grenzboten 24.1. 95. — (Ein Angriff auf
den Aufſah Dr. Amlels im VI. Wijjenfchaftlichen Beihefte
S. 30— 40. Die Antwort darauf vgl. Sp. 47 d. Nr.).
Engels, Kuguft, Spradlide BERUNGE — Tägl. Rund:
ſchau 5., 10. u. 12. Febr, 95. — (Anknüpfend an eine
Eau Fr. Kluges in feiner Koblenzer Rede wendet ſich
E. gegen einige Aufſtellungen in Kluges Etym. Wörterbuch.
Er ſtützt ſich dabei vielſach auf das Sp. 59/60 d. N. be—
ſprochene Buch von May.)
Kluge, Sriedrich, a ee ade. DR
reiburg i. B. — Kölnische Volkszeitung 10.3
Die Schriftleitung jtellt den Leſern der Zeitichrift
die oben aufgeführten Auffäge ufiv. gerne leihweiſe zur
Verfügung.
= —
Aus den Sweigvereinen.
Nahen. In der Hauptverfammfung am 30. 1. hielt nad)
Erledigung ber geichäftlichen Angelegenheiten Herr Emil Milan
einen Bortrag über die Gedichte von Konrad Ferdinand
Mever, worauf Dr. Kelleter Mitteilungen über die Worte
»Holla«s und »Hallo« machte, die nicht, wie zumeilen irrig
angenommen wird, aus dem Franzöſiſchen herfommen, Sondern
deutich find. Ferner ſprach er über die Doppelte Verneinung,
die altdeutſch ſei und von Luther und älteren Schriftitellern zur
geöperen Kraft des Ausdrucks, fo auch von Goethe und neueren
ichtern gebraudyt worden ift, Tie Meinung, daß durd die
gut zu einem Vortrag im deutichen Sprachvereine eigne; Seidel
jei nämlich ein echt deuticher Dichter, dem noch ein treues deutſches
Herz in der Bruft ſchlage, und mit folchen Dichtern weitere
Kreiſe unseres Bolfes befannt — machen, halte er auch für
eine Aufgabe unſeres Vereins. Nad) einer gedrängten Überſicht
über das Leben des Dichters ging er zu feinen Werfen über, die
‘ er in ber, Reihenfolge der ſeit 1852 erſchienenen 13 Bändchen in
Wiederholung die Berneinung aufgehoben und in eine Bejahung |
verwandelt werde, ſei nur eine ſchulmeiſteriſche Pedanterei,
ſchlechtweg die Negel des Lateinischen auf das Deutſche anges
wandt habe.
Berlin: Charlottenburg. Am 2. Februar hielt Oberlehrer
Dr. Julius Sahr einen Vortrag über Hans Sachs, in dem
er ein vortreffliches Bild von dem Leben und Wirken des Nürm-
berger Meijters entwarf. Der Nedner erläuterte feine Dar:
legungen in einem Nadnvorte, wobei er eine Anzahl höchſt feſſeln—
der Drudjchriften und Holzichnitte in Umlauf ſetzte. Leider war die
Sitzung nur ſchwach beiucht, doch zeigte der lebhafte Beifall der
Erichienenen, wie dankbar die Berliner ihrem Dresdener Vereins-
genofien für feinen Vortrag waren. — Wohl zumeiit infolge des
bisher in 1000 Abzügen verfandten Aufruſes hat die Mitglieder-
zahl um 23 zugenonmten.
Bonn. Der in der Hauptverfammlung am 18.12. v. J
eritattete Jahresbericht weiſt eine Mitgliederzahl von 258 auf (die
die |
| werden, wo fie ganz überflüffig find, und betonte,
‚ den Verordnungen des Bundesrates bei den Abfürzungen der
furzer, anregender Weile beſprach, wobei er auch bier und da
einige der ſchönſten Stellen vorlad. Zum Schluſſe betonte er
nod), daß Seidel ſich der größten Reinheit in ber Sprache be:
Hleihige und empfahl jeine Werte namentlich Pr Rorlejen in der
Familie. (Bgl. »Neue Aufjäpe« ujw. Sp. 62)
Breslau. In der am 21.1. abgebaltenen Berfammlung
beipradı der Borligende, Profeſſor Dr. Neumann, nad Er:
‚ ledigung von geſchaſtlichen Mitteilungen die Bereiherungen, welde
die neuejte (5.) Auflage des von Profeſſ⸗ or Heintze herausgegebenen
Buches » Gut deutich« gegenüber der im Jahre 1893 ericyienenen
eriten Auflage erfahren bat. Ferner gab Profeſſor Neumann
folgende Erklärung ab; »Die nn ung über den Uriprung
des Hampfrufes ae rra« in biefigen Blättern hat das Ber:
dienſt, dab fie die Leſer zum Nacdenten über den Urjprung der
im Deutichen üblichen Wörter auffordert. Denn die Gelehrten
find längjt darüber einig, dak Hurra mit dem aus Bürgers Lenore
befannten Hurre zufammenhängt und die Befehlsſorm des alt-
beutichen Zeitwortes hurren (gleich ich jchmell bewegen) mit dem
im Mittelalter ganz geläufigen, verjtärtenden Anhängſel & dar:
ſtellt. Demnach iſt das Wort auf der vorlepten Silbe zu be—
tonen und gemäß der preußifchen Rechtſchreibung am Ende ohne
h zu Schreiben. Nur darüber iſt man noch im Zweifel, ob das
Stammwort hurren bloß jcheinbar oder wirklich mit dem lateinis
ſchen currere ſich dedt«,
Chemnig. In der Januarſihung wurde an Stelle des auf
feinen Wunſch zurücdtretenden bisherigen Borfigenden, Buchbänd-
lers Feller, dem Sculdireftor Hejje in Wltendorf das Bor:
jleheramt übertragen. Darauf hielt Herr Feller über Sitten
und Gebräudhe, Sang und Wundart von AltsBayern
einen Vortrag, dejjen zweiten Teil er fich bereit erflärte, in
einer jpäteren Sihung auch Damen zugänglich zu machen.
Dresden. In der Dezemberfigung ſprach Handelsſchul—
direftor Klemich über die herrichende Borliebe für das
Fehlerhafte. Er berührte dabei die Maß- und Gewichtébe—
zeichnungen, denen viellach ein Faliches Geſchlecht beigelegt wird
(der Liter, der Meter jtatt das Liter, das Meter ufw.), tadelte
ferner, daß Punkte beim Schreiben und Druden a.
daß nad
Maß- und Gewichtsbezeichnungen den Buchjtaben feine Schluß—
puntte zugefügt werden jollten, was aber fajt allgemein geſchehe.
Zum Schluß fam er noch auf die falſch gebildeten Steigerungs-
formen zu reden. Sodann bielt Oberlehrer Dr. Schelle einen
Vortrag über zwei Aufgaben des deutihen Sprachvereins,
nämlich die endlihe Negelung der Redtihreibung und die
Durhforfhung der Mundarten. Da die Rechtichreibung
nicht grumdjäplich von der Thätigfeit des Vereins ausgeſchloſſen,
| der gegenwärtige Zuſtand aber unbaltbar und unerträglich ei,
fo müfje ſich der Geſamtverein mit einem von ihm ausgearbeiteten
Entwurfe an das Reichslanzleramt wegen einer Regelung der
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Rechtichreibung wenden.*) Was die zweite Aufgabe anbeträfe, jo
märe befanntlich die Mundart der Grund der Schriftiprache und
ein fichered Mittel zur wiflenichaftlihen Erjorihung der Sprache.
Das erite mundartliche Wörterbuch erichien, So führte der Redner
aus, 1769; feitdem hat fich ein reiches Schriftwejen auf dem Ge—
biete der Mundart entwidelt, aber an einer erichöpfenden Bes
bandlung fehlt e8 durchaus. Es fehlt z. B. an Forſchungen über
Wortſtellung, Sapbau und Betonung, an der Beitimmung der
Grenzen und allmählihen Übergänge der Mundarten. Für diefe
Arbeit ift ber Sprachverein der natürliche Mittelpunft, feine Eins
richtung ift dafür wie geichaften. Die Oberleitung braucht nur
die Anregung zu neben, und fofort gehen in allen Bauen Deutich-
lands Scharen gaebildeter Männer an die Arbeit. Die Sprache
der Jäger, Schiffer, Studenten, Soldaten ufw. iſt zu beobachten,
auch der ältere Auftand der Mumdarten ift, ſoweit es eben mög—
lich iſt, feitzuftellen. Die mufifaliiche Seite ift zu berlidfichtigen,
Tonfall und Zeitmaß find zu beachten. Neben den Wörterbüchern
und Grammatilen der einzelnen Mundarten find vergleichende
Werle beider Art für alle Munbdarten berzuftellen. Dabei iſt der
Schaf von Sagen, Spott=, Scherz: und Auszählliedern zu fammeln.
Die verschiedensten Umstände bedrohen die Mundarten, drängen fie
weiter zurüd und fchleifen ihre Sonderart ab. Den Spradwerein
würde ein Teil der Schuld daran treffen, wollte er nicht al&bald
an die Aufgabe gehen. Die Mittel würden wohl zu beichaffen
fein, namentlich da zur Pöfung diejer Aufgabe die breitejten reife
des Volkes für den Serein leicht zu gewinnen fein würden. llbers
dies aber würde das allgemeine Nationalbewuhtiein des deutichen
Volles dur die Arbeit an der gejchilderten Aufgabe geträftigt,
und würde jeder Mitarbeiter fich eine Quelle reinften Genufies
erichliefen. Wie die Arbeit —*— ſei, müßte der Gegen—
ſtand weiterer Beratungen ſein. Dr. Schelle meint, ein Verein
ſolle die Sache vorbereiten und den anderen Vereinen darbieten.
Die Beiprehung der Sache wurde wegen vorgefchrittener Zeit
vertagt. — Im Januar veranitaltete der Verein einen ungewöhn—
lich zahlreich bejuchten Familienabend, deſſen Vortragsordnung
wie Folgt lautete: 1. Begrühung durch den Borfipenden Grafen
Vipthum von Edjtädt.
ProfefforsDr. Dunger: ⸗Auf weldem Wege find die Fremd—
wörter in unfere Sprade eingedrungen?« 4. Geigenſpiel
des Mufitdireftord Witting. 5. Lieder für Bariton, gelungen
von Oberlehrer Rentzſch. 6. Vortrag des Oberlehrers Dr. Lyon:
»Schlechtes Deutſch« 7. Männergefang. 8. Aufführung des
preißgefrönten Luſtſpiels »Der neue Dienere von Franz
Traundahl, eingeübt und geleitet von dem Hal. Hofichauipieler
Senff-Georgi, dargeftellt von feinen Schülern und Schülerinnen.
Nach dem Schluſſe der Aufführung fand eine Sneiptafel mit
gemeinfamen Gefängen, jcherzbaften Vorträgen und Merter-
rede**) flatt.
Elberfeld. Nachdem der Borfigende, Beigeordneter Dr. Bood-
ftein, den Bericht über die Vereinsthätigleit und Herr K. Fiicher
ben Kaſſenbericht erjtattet, erfolgte die Neuwahl des Vorftandes,
in dem an Stelle des wegen Überbürdung mit Amtögeicäften
—— Dr. Boodflein, Brofefior Buchrucker das Amt
ed eriten Vorjikenden übertragen wurde, während Dr. Bood—
ftein das des jtellvertretenden Vorſihenden übernahm. Rorjtands-
mitglieder find auferdem die Herren: Dr. Beder, Direftor
Börner, Aſſeſſor Dronte, Konftantin Fiſcher, Dr. Jahnke,
Karl Kritzmann und Karl Schmip.
Eijen. In der Hauptverfammlung am 21.1. beſprach Pro—
feflor Dr. Imme die deutihen Berfonennamen. Wenn man
fid) zurüdwendet zu einer Betrachtung der in vergangenen Jahr:
hunderten von unferem Volle Ina Rerfonenbezeichnungen,
*) Das ift ohne Änderung der Sapungen nicht möglich. D. 2.
) Im Dresdener Berein wird alljährlich ein Mitglied erwählt,
dad am Schluſſe der Sikungen die während der Vorträge und
ber Erörterung von den Nednern gebrauchten überflüſſigen Fremd⸗
wörter in möglichit humortjtiicher Weife zu beiprechen hat. Der
mit diefem Amte Betraute heißt der »Merkere Wir empfehlen
diefe Einrichtung, welche geeignet ift, viel zur Lebhaftigleit in
den Sipungen beizutragen, den Zweigvereinen. Wie wir erfahren,
bat fie fich in Dresden auferordentlid) bewährt; freilich iſt dort
auch dad Merteramt in fehr guten Händen, nämlich in denen des
Oberlehrers Dr. U. Denede.
2. Männergeſang. 3. Vortrag des |
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvertins. X. Jahrgaug. 1895. Nr. 3.
66
ſo muß ſich mit dem freudigen Erſtaunen über den Reichtum der
Vergangenheit ein Gefühl der Beſchämung einſtellen über die
dürftigen Reſte des väterlichen Erbes, die ſich, beſonders bei ben
weiblihen Vornamen, im Kampfe mit fremden entlehnten Ber:
jonenbezeichnungen behauptet haben. ®erade bier it ein Punkt,
wo wir uns befonders deutlih zum Bewuhtiein bringen können,
wie fremde Kultureinflüſſe bei uns bis zum Vergeſſen unferer
eignen Art lange Zeit mächtig gewejen find, Es hat den Ans
ſchein, als ob auf diefem Gebiete, weientlih infolge der Be-
itvebungen des allg. deutihen Spradjvereind, eine Wendung zum
Beſſeren einzutreten beginne.
Freiburg i. Br. Am 24.1. hielt Brofefior Dr. Kluge in
der Haupwerſammlung, die fehr gut aud von Nidtmitgliedern
beſucht war, einen Vortrag über die Studenteniprade (Bal.
Sp. 63, »Meue Aufſätze uiıw.«), der allgemeinen, lebhaften Beifall
fand. Nach Rechnungslegung durch den Schatzmeiſter ftattete
fodann der Vorſitzende, Generalmajor von Kaphengſt, ausführ-
lichen Bericht über die Thätigteit jomohl des Hauptvereins, wie
des Jweigvereind ab. Der bisherige Borjtand wurde durch Zuruf
wiedergewählt.
Halle a.d.S. Im biefigen Preußiſchen Beamtenverein hielt
am 11. Januar Landgerichtsdireltor Erönert einen Vortrag über
den Kampf wider das Fremdwort und die Zicke des
allgemeinen deutidhen Spradvereins. Bon der durd
Schenkendorf, Körner, Jahn u. a, vor umd nad) den Trreiheits-
triegen für unfere Mutteripracdhe genährten Begeijterung ausgehend,
erflärte der Redner alle Deutichen im berrlich eritandenen neuen
Reihe nad) ſolchen Opfern »heiligsgroßen« verpflichtet, um des
Baterlandes und feiner Ehre willen, für Reinheit und Pflege
‘ der deutichen Sprade ein jeder nach Kräften zu wirken, dann
aber auch um der Selbſtzucht willen, die jeder, und werde er
noch jo alt, unabläſſig zu üben babe, und drittens wegen de&
Vorbildes und der erziehlihen Aufgaben, die den Er-
‚ wachienen, Vätern und Mittern, im Haus, in Amt und Stand
unaufbörlich gejtellt werden. Nach allen diefen Richtungen bezeich—
nete er, gejtüßt auf mannigfaltige Züge und Einzelheiten, den alls
emeinen deutihen Spradwerem als eine nationale Errungen—
Saft, als die längſt notwendige Verförperung bed in weiten
Kreiſen wieder erwachten ſprachlichen Ehrgefübls, heute ſchon eine
Macht im deutſchen Yanden, die ſich mit Hilfe auch des Letzten
der Gebildeten zur Großmacht entiwideln möge. Der biefige
Preußische Beamtenverein wird fich infolge diefer mit vielem Bei-
fall aufgenommenen Anregung als Körperſchaſt (Sakung 16) dem
a. d. Sprachvereine anschließen und deſſen Yeitichrift regelmäßig
bei den Mitgliedern umlaufen laſſen.
Hannover. Nach Wiederwahl des Vorjtandes in der Haupt:
verfammlung im Januar wurden die Veranjtaltungen des Vereins
in diefem Winter beiprocen, u. a. eine Verſammlung, in welcher
die Reinigung der kaufmänniſchen Schriftipradhe zur
Verhandlung kommen fol. Anlaß bierzu gab die vom Berein
mit Beifall begrüßte Schrift des Herm F. W. Eipen in Ham—
burg. Oberreglerungsrat Thome empfahl die Veranſtaltung regel:
mähiger zufammenbängender Vorträge über den Mihbraud der
Fremdwörter und teilte mit, dab der Eijenbahnminifter bemüht
fei, die Fremdwörter fo weit wie möglich im gefamten Gebiete
feiner Verwaltung auszjumerzen.
Köln. Die Hauptverfammlung im Januar wurde durch einen
Vortrag des Oberlehrers Dr. Blümſchein über den Wert und
die Bedeutung der WMundarten eingeleitet, worauf die
Herren Bed, Hönig, Dornheim und Grimme mundartliche
Dichtungen vortrugen.
Leipa in Böhmen Am Januar fand in Verbindung mit
dem BWagnerverein eine Hans Sachs-Feier ftatt, bei der an den
Vortrag des Profeffors Tragl über den —— die Werke
und die Bedeutung des Dichters ſich eine Vorleſung mehrerer
Dichtungen von Hans Sachs, ſowie muſilaliſche Darbietungen
ans Wagners Meiſterſingern ſchloſſen. — Seit dem Beftchen des
Smweigvereins find bei jeder Jahresveriammlung Borträge gehalten
worden. 1894 ſprach Brofefior Tragl über die Leipaer Fami—
fiennamen. Im abgelaufenen Bereinsjahre wurden abermals
fämtliche Vereine der Stadt und ihrer Umgebung fowie alle Schul:
leitungen des Bezirks aufgefordert, dem Fremdwörterunweſen zu
jteuern, Das Verdeutfchumgsbüdjlein >» Das Vereinsivefen « wurde
\ unentgeltlich verbreitet, und ſchon zeigen fid) deutlich ſehr erfreuliche
67
—* in allen öffentlihen Berichten aus den Vereinen und
Schulen.
Linza.d. D. Nach einem Vortrage des Profeſſors Dr. Franz
Thalmayr über Goethe in den Alpen in der Hauptverjammt-
fung vom 16.1. eritattete der Obmann Profejior Ostar Langer
den Thärigkeitsbericht und legte dem Ausſchuſſe insbelondere an
dad Herz, den Geichäftsfhildern und den Strahenbenennungen
jeine Auſmerkſamkeit zu widmen. Zum Schluſſe fand Neuwahl des
Vorſtandes statt. Profefjor Yanger erflärte, den Vorſitz nieder-
legen zu müſſen, worauf ihm unter lebhaften Beifalle der An—
wejenden der Dank für feine aufopfernde, fünfjährige Thätigfeit
im Dienfte des Sprachvereins ausgejproden wurde,
Lübed. Der zweite gemeinjame deutiche Abend des Kolonial—
vereins, des deutſchen Sprachvereins umd des deutſchen Schul—
bereind wurde am 16. Jan. abgehalten. Der Borfigende des Kolo—
nialverein®, Nontreadmirala. D. Kühne, eröffnete ihn mit einer
warmen patriotiichen Aniprache. Dann fpradı der Spradwereinävor-
figende, Oberlehrer Schumann, über die Begriffe Fremdwort
und Lehnwort. Als Hauptfennzeichen stellte er die Betonung bin,
von der auch die Geitaltung der Nebenfilben mehr oder weniger
geregelt werde, und wies als Muſter germaniicer Betonung |
auf die englifhe Sprache hin. Im Anſchluß verdas Dr. Zillich
den befannten Aufruf der Hamburger Beichäftshäufer als wert:
volles Beichen für den Fortgang der Sprachbewegung. Den
zweiten Vortrag hielt darauf Oberingenieur Neiche über Deutich- |
Südwejtafrifa,
Marburg a.d. D. In der Verſammlung am 16.12. v. J.
ſprach Profefjor Joſef Meifel über Kürze und Bündigkeit
des Ausdrudes. Ausgehend von dem Ausipruche des Dichters
Milton, daß nur jenes Neid; geblüht habe, deſſen Bürger ihre
Sprache liebten und rein erhielten, bedauerte er, daß die Mein:
heit unferer Sprache durch zablloje Fremdwörter getrübt werde
und die Einfachheit des Ausdrudes dem Schwulſte gewichen jei,
und forderte zur Rücklehr zur Einfachheit und Natürlichkeit auf,
An der Hand zahlreicher Beifpiele geihelte er das fogenannte
Tintendeutich, namentlich die Ausdrüce »beziehungsmeije«, »died-
bezüglihe, »betreffend«, »vermittelit«, »angefichtö«, »feitens«,
»zu Gehör bringen⸗, »zum Bortrage bringen« uſw. Schließlich
fahte er den Anhalt jeines Vortrages in folgenden Worten zu-
fammen: »Und was du ſprichſt — ſei wahr, das Wahre — jei
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgaug. 1895. Rr. 3.
68
keitsberichte ergiebt ſich, daß die Zahl der Mitglieder 53 beträgt.
Die Bereinszeitichrift iſt in verſchiedenen Gaftkäufern ausgelegt,
und für die Bücherei find mehrere Werte angeichafft worden.
Das Vereinsleben hat einen regeren Aufſchwung genommen,
indem regelmäßig in der erjten Hälfte eines jeden Monats eine
Sitzung abgebalten wurde, Belondere Beachtung wurde den Speiſe
farten in den Gaſthäuſern geſchenkt. Zum Schluſſe berichtete der
Borfigende ausführlich über feine Beitrebungen zur Verbeſſerung
der Straßennamen und Straäaßenſchilder (vergl. Heitichrift IX,
Sp. 188/9; 217 bis 224; X, 31 bis 35). Der bisherige Vor—
ftand wurde wiedergewählt.
Prüm i. d. Eifel, In der eriten Bereinsfibung verbreitete
ſich Profeflor Dr. Hermes über die Geſchichte und die Jiele des
Sprachvereins. Da der erite Abend vorzugsweiſe dazu dienen
jollte, dem jungen Verein die Wege zu zeigen, die er zu wandeln
hat, io verlas der Königl. Kreisichulinipeftor Klaule eine Reibe
von Vorträgen, die im den verfchiedenen Vereinen gehalten worden
find, worauf erörtert wurde, wie die Sipungen für den Zweck des
Bereins fruchtbar zu neitalten ſeien. Zum Schluß bradıte der
Vorſißende ein Hoch auf das langjährige und eifrige Mitglied des
a. d. Sprachvereins, Bergwerfsleiter Jahariä, aus.
Natibor Am 18.1. bielt Oberlebrer Reinitz einen Ror-
trag über ein isländiſches Dichterleben aus dem zehnten
Jahrhundert. Der Bortragende behandelte zunächſt die hobe
Bedeutung der altnordiichen Litteratur für die Kenntnis des
deutschen Altertums, jprach dann von dem qanz einzigen Werte
der isländischen Saga und erzählte zulept die riihrende Lebens:
geichichte des Stalden Gunnlaug Schlangenzunge und feiner Ge:
liebten Helga.
Stuttgart. Der Erörterungsabend am 28.1. war zumächit
der Beſprechung mehrerer neuer, das Gebiet des Sprachvereins
berührender Bücher gewidmet, jodann hielt der Vorjigende Pro:
‘ feffor Karl Erbe einen Vortrag über die Namen der Apoitel
auch Mar, das Klare jei auch richtig, das Richtige — ſei ger |
wichtig! Salt’ dich von fremden Tande rein. Es lebe der Deutiche
Spradiverein!«e Den Beichluf des Abends bildete eine Reihe von
mufitalifchen Vorträgen. — Am 9.1. hielt Proſeſſor Robert
|
Spiller vor einer zahlreichen Zubörerihaft einen Vortrag über |
Emanuel Geibel, in dem er, den Lebenslauf des Dichters ver- |
folgend, die in den einzelnen Zeitabſchnitten entitandenen Inriichen
und dramatifchen Werfe einer gründlichen Beiprehung, gewürzt
mit einzelnen Anführungen aus den Gedichten, umterzog. Auf
die Beantwortung einiger jbrachlicher Anfragen durch den Vor-
fipenden Dr, Mally und Profeffor Stodmaier folgten mufifas
liſche Darbietungen.
Marienwerder. In der Sipung des Zweigvereins am
20. Dezember machte zunächſt der erite Vorjikende, Gymnaſial—
direftor Dr. Brods, geichäftlibe Mitteilungen, u. a. daß der
Freiherr von Buddenbrod-Dttlau, Mitglied des Reichstags
und des Haufes der Abgeordneten, in den Vorſtand des Zweig—
verein eingetreten ift. Sodann hielt Oberlehrer Karehnke einen
Bortrag über Sprichwörtliche Redensarten im deutihen
Bolldmunde — In der Sitzung am 1.2. erjtattete der Vor—
figende den Thätigfeitsbericht, aus dem fich ergab, daß der Zweig—
verein, troßdem er erſt furze Zeit beiteht, erfreulicherweiſe ſchon
111 Mitglieder zäblt. Auf den Kafienbericht des Schaßmeiſters, Ver—
waltumgsgerichtsdireltors a. D. v. Kehler, erfolgte die Wiederwahl
des geſamten bisherigen Borftandes durch Zuruf. Sodann machte
der Vorfigende befonders aufmertfiam auf das Vorgehen der Ham:
burger Handelöherren im Sinne unferer Bereinsbeitrebungen. |
Das Buch von F. W. Eisen fol für die Vereinsbücherei ans
geihafit, die befonders gedrudte Einleitung in 10 Abzügen gekauft
und ın den faufmänniichen reifen unſerer Stadt verteilt werden.
Endlich hielt der Schriftführer Dr. Maydorn einen Vortrag über
Familiennamen der Deuticen.
Neuruppin. Aus dem vom Roripenden Profejior Martin
Stier in der Hauptverfammlung am 14. 1. eritatteten Thätig-
im Stuttgarter Ndrchbucde, der vor allem einen Begriff von
dem jtaunenswerten Formenreichtum unſerer Sprade gab. An
einem belichig gewählten altdeutichen Namen (Bernhard) zeigte
der Medner, welhe Menge von Wandlungen ein joldher erfahren
hat, Das Gleiche gilt von den Namen der Apoftel und der
übrigen Heiligen nichtdeutſchen Urſprungs, von denen eine ganze
Neihe im Stuttgarter Adreßbuch vertreten ift und die eine zahl:
reihe Sippſchaft durch Mbleitungen, Werfürzungen, neue Zu—
fammenziehungen uſw. erzeugt haben. Das beſte Beiſpiel dafür
bietet der Name » Fokannes-, von dem fich neben dem Urnamen
die Formen finden: Kohn, Ran, Jann, Jahnle, Zähnig, Janke.
Janz, Jäniſch, Jeniſch, Johannſon, Hohner, Janzer, Hannes,
Henniß, Henſe, Henze, Hänſel, Hensle, Henſing. Henſinger,
Henſeler, Hensler, Henßlen, Henſiler, Henzler, Hanne, Hänni,
Hammann, Hanke, Hanner, Henning, Henninger, Junghans.,
Elſenhans, Schollian (der Sohn eines Scholl) u.a.m. Sehr reich
ift auch die Sippſchaft von »Jakob⸗. Es ergiebt ſich, daß etwa
580 Stuttgarter familien ihre Mamen auf Apoſtel zurüdzuführen
haben. — Als Babe des Vereins wurde den Erſchienenen Albert
Heinges Schrift Gut Deutich« überreicht.
Trier. Nach einem Bortrage des Stabibibliothefars Dr. Keufs
jer über fehler im engliſch-deutſchen Spradiverlehr, in
dem auf die Wichtigkeit der Erlernung fremder Spradyen für die
Erfenntnis der eigenen hingewieſen und zahlreiche Beiſpiele
von falichen Überfepungen angeführt wurden, entroflte der Vor:
| fipende Brofefior Dr. van Hofis cine Mufterfarte von unmög—
lichem Franzöiiich, das noch immer im Deutjchen gebraucht wird:
partout (jtatt absolument), parterre (jt. rez-de-chaussee), bel-
etage (ft. premier etage), appartement (ft. commodite), rouleau
(ft. rideau), eoupe (ft. compartiment), couvert (ft. enveloppe),
portier (jt. eoncierge) uf. Beſonders tadelntwert feier die
weiblichen Wörter auf age, die im Franzöſiſchen männlich find,
wenn ſie dort überhaupt vorhanden. UÜberhaupt nicht franzöſiſch
find Wörter wie »blamage, renommage, dupage« uw. Aus
den fonitigen Beſprechungen jei erwähnt, dak die von einem Mit-
gliede befürwortete Ableitung des Familiennamens Meier (Meyer,
Maier, Mayer ulm.) von »Mäher« ſtatt von dem lateiniſchen
maior durch den Siegelring eines andern Mitgliedes, welcher das
alte Familienwappen mit Ahren und Senien zeigte, beftätigt zu
‚ werden jchien.
69
Wien. Die Leitung des Zweigvereines jucht feit geraumer
eit unter anderem aud) durch das geichriebene Wort zu wirken,
Sie behandelt nämlich von Zeit zu Zeit im Fragelajten eines
weitverbreiteten Zageblattes in allgemeinverftändlic gehaltenen
Aufjägcben ſprachliche Fragen, insbejondere aber Spradjiehler,
die häufig im Dejterreich begangen werden; ferner iſt auf Ver—
anlafjung der Leitung ſchon miederholt von Mitgliedern des
Vereines in größeren Auffägen der fprachliche Zuſtand des Schilder-
und Ankündigungsweiens erörtert worden. — Es iſt beabjichtigt,
diefe Thätigfeit immer mehr auszjudehnen, und dabei leitet der
Gedante, daß jo die Abfichten des Vereines befjer verfolgt werden,
als z.B. durch Abhalten von Vorträgen, deren Beranitaltung
durch die Verhältnifie der Großſtadt ohnehin ſchwer gemacht ift,
die aber vor allem doch nur von Mitgliedern des Vereines bejucht
werden und alfo zur Verbreitung des Vereintgedantens eigentlich
wenig beitragen.
Brieflaſten.
Herrn Robert 9... ., Prag. Die Zeitſchrift hat die ſo—
genannte Puttlamerſche Rechtichreibung angenommen, und dems
nad) hätte allerdings in der von Ahnen angezogenen Stelle (»das
häufigjte wird wahricheinliche ujw.) das Wort »häufigites groß
geichrieben werden müſſen, da die Regel bejagt, daß jubitantiviic
gebrauchte Eigenfchaftswörter nur dann Nein zu ſchreiben jcien,
wenn ein eben voraufgegangenes oder ein nadjolgendes Haupt:
wort zu ergänzen ilt.
Herm Gymnaſialdir. Dr. R. S. . ., Duisburg. Sie teilen
uns gütigjt folgende Außerung des Prof. von Wilamowitz⸗ Möllen-
dorf in Göttingen mit: »bimmlifche Lebenstraft«, »auſtraliſche
Bilanzenwelte, »geiunder Menichenveritand«, »griechiiche Götter-
lchre« find wohl verftattet, und Die »reitende Artilleriefajernes,
der »lederne Handichuhmacher« find ganz ſprachgemäß, mögen die
Pedanten es nicht veritehen und in ihrem papiernen Deutich
durch Reitende-Artillerie-Kaſerne erſetzen.« — Der a. d. Sprad):
verein braucht ſich das nicht zu Herzen zu nehmen; denn jolde
papiernen Bindejtriche find nicht jeine Sad. Aber mit Ihnen
find wir natürlich völlig darin einverftanden, daß die von W. be-
liebten Beijpiele eben nicht über einen Leiſten zu ichlagen find,
fondern jich von jelbjt nach dem in der Stichr. IV, 114; IX, 227,
beionders aber IX, 148 ff. Dargelegten gründlich untericheiden.
Tod würden Sie das dem gelehrten Herrn wohl vergeblich klar
zu machen ſuchen, der fich einer in griechiſcher Rede üblichen,
dort aljo berechtigten, uns aber unerträglichen Wendung zu Licbe
(nämlich ftatt »die Fluren meines Yanbdese zu jagen: »meine Fluren
des Landes«), zu dem allgemeinen Sage verjteigt: eine fleftierende
Sprache habe faum anders verfahren fünnen! Und das joll nun
der »lederne Handichuhmadhere beweiien. — Nufrichtigen Dant!
Herrn Dr. 9... ., Neuern. Ihre Anfrage, was die Wörter
swählen« und sabwählen« bei der Heuernte zu bedeuten haben,
ließe fich vielleicht mit größerer Sicherheit beantworten, wenn
mitgeteilt wäre, wo, d. h. in welcher Landſchaft dieje Wörter ges
braucht werden. Vermutlich liegt aber bier das niederdeutſche
welen = wellen, trodnen (Xübben- Walther, Mittelniederd.
Wibch. (1885), 570%; Bremifch: Niederfächfiiches Wibch. V (1771),
224) vor. Die Zuſammenſetzung verzeichnet F. B. Weber, Allg.
Zeitſchrift des allgemeinen dentfhen Sprahvereins. X. Yabraang. 1895. Nr. 3,
70
deutiches terminologiiches, öÖfonomiiches Yerifon und Idiotilon,
Supplementbeit (1844), 3°: »abwählen im Medlenburgiihen
— »oberwärts, windtroden werden«, von liegenden Früchten
gelagt.« P. Pietſch.
Frl. A. PB... Cochem. Die von Ihnen freundlichſt zum
Erjap für »Allee« vorgeichlagenen Wörter »Baummeg« und
»Baumjtrahee finden fh in allen Berdeutichungswörterbüchern.
Beſſere Ausſicht auf Erfolg hat wohl Ihr Vorſchlag, die Wege
nad) der Art der Bäume »Lindenwege, »Pappelſtraße« uw.
zu benennen.
Herm &%,..., Freiberg. Meine Darlegung auf Spalte
22/3 d. J. bejchäftigte fid) gemäh der gejtellten Frage nur mit
dem einfachen »Worte, die Jujammenjehungen wurden
dabei nidyt in Betracht gezogen. Sie haben gewih recht, wenn
Sie meinen, daß »Spridwortee weniger üblich ift als »Sprid)-
wörter«, doch findet ſich eritered bei Goethe. Bei den Zuſam—
menjegungen mit »Wort« ijt das Schwanfen in den Mehrbeits-
formen begretilichermweile noch ftärter als bei dem einfachen »Wort«,
doch jcheint wörter im allgemeinen bevorzugt zu werden. Nicht
nur, daß grammatiiche Ausdrüde wohl immer wörter haben:
Eigenſchafts⸗, frages, fürs, Beitwörter, jondern -wörter greijt
auch in das Gebiet von worte über. So am entjciedenjten bei
Spridywörter, jo jerner wenn man Kraftwörter, Macht wörter
(Wieland, David Strauß) jagt oder Friedrich Rückert von ⸗Rede—
ſpißen und Stichwörterne fpricht. Hier könnte nur eine genaue
Unterjuhung auf itatiftiicher Grumdlage zu ficheren Ergebnifien
' führen. Bielleicht ergeben die Häufigfeitsunterfuchungen der Steno-
graphen aud) etwas für diefe Frage. F
Pietſch.
Herrn J. O. . . . Homburg. Daß nicht mur im Sein
handel, ſondern auch im großen Geſchäftsverklehr eine Unzahl von
überflüfjigen Fremdwörtern gebraucht wird, dürfte durch die
Schriften von F. W. Eipen neuerdings wieder Hargeitellt fein.
Der von Ihnen angeführte Fall, da ein bedeutendes Saus » F. und
‚ Söhnee fih nadı Franfreich als >». et Filse, nad England
» 7%. and Sons« unterzeichnet, iſt allerdings ein trauriges Zeichen
von Mangel an nationalem Selbitgefühl. Es wäre wünjchen&=
wert, da die Namen von Kaufleuten, die jo verfahren, an den
Pranger gejtellt würden. Wir bedauern daher, daß Sie unter
lajien haben, uns die Firma zu nennen.
Henn Dr. B. . . . Halle Das Wort »Entlobnunge«
(ZJeitwort »entlohnen«) für ⸗Honorar des Arztes«, das, wie Sie
mitteilen, jept oft im ärztlihen Verkehr gebraucht wird, findet
fi) in den Berbeutihungsbüchern nicht. Es kann aud wohl
faum als eine gute Neubildung (die in den 70er Jahren auf:
tauchte) bezeichner werden, obgleich rein fprachlich dagegen nichts
einzuwenden it. — Die Borjilbe »ent« drüdt nadı Grimm
1) ein gelindes »gegen« und »wider« aus, ohne den im Seite
wort liegenden Begriff aufzuheben (sentgelten, entblöhen, ent
balten«), 2) den ginn (»entbrennen, entjchlafen, entroflen«),
3) eine Trennung (ab, davon, los, mweg«) und wird ganz
privativ (»entlleiden, entbinden, entkräften, entjagens). Wir
haben hiernach feine Beranlafjung, in »entlohnen« das sent«
lediglich privativ aufzufafien (gleich »ablohnen«); vielmehr iſt ihm
bier wohl der Sinn von »ent« in »entgelten« beizulegen, aljo
»Entlohnunge gleich) » Belohnung für«. Sollte »&ebühren« oder
»Vergiitunge« nicht auch bejjer jein als » Bezahlung «?
Wir empfingen
an außerordentliden Gaben
je 100 Dart
von Herrn Raufmann Karl Shmig in Elberfeld, Ehrenförderer
des Vereins (der Schmik hat nunmehr dem Bereine jchon
1000 Mark zugemwiejen); von einem Herrn in München, deſſen
Namen wir nicht befannt geben dürfen, zur Förderung der von
Henn FW. Eigen in Hamburg aufgenommenen Beitrebungen
zur Verbeſſerung der faufmännichen Geſchäftsſprache; —
je 10 Gulden ö. W.
von der Stadtgemeinde in Krems a. d. Donau und dem
Zweigverein Marburg a. d. Drau; —
Geſchaftlicher Ceil.
10 Mart
von Herrn Konſul H. Mangels in Aſuncion (Paraguay); —
an erhöhten Jahresbeiträgen für 1894
je 5 Marf
von Herm Kaufmann E. P. Kupfer in Weſterhüſen a. d. Elbe
und Herrn Kaufmann Schneider in Salble a. d. Elbe; —
je 4 Mart
von der Kol. Bibliothet in Berlin und Herm Gumnafialprofefior
Friedrih Mayer in Landau (Balz); —
an erböbten Jabresbeiträgen für 1895
je 20 Marl
von Seiner Durchlaucht dem Herrn Erbprinzen zu Fürſten—
71
Zeitfährift des allgemeinen deutſchen Spradvereins,
X. Jahrgang. 1895. Nr. 3. 72
berg in Donauefchingen, der Handelsfammer in Lübeck und
Frau R. Schwetichke in Halle a. d. Saale; —
je 10 Dart
von Herm Dr. Emil Bönifh in Wien, dem Verein für
Erdkunde in Eonderähaufen, Herrn €. Recht in Groß = Lichter:
felde und dem Vollsbildungsverein in Friedberg (Heſſen); —
3 Rubel
von Herrn Wirklichen Staatsrat Richard Boigt in Nieihin
(Rußland); — |
je 6 Marl
von Herm Rentner W. Stavenhagen in Reimar, Herm freis |
herren von Biel in Kalthorſt bei Daſſow i. M. umd Herrn
Rendant A. Richter in Gera; — |
je 5 Mart
von Herm Kaufmann Th. Heyſe in St. Peteräburg, Sekretär
Joſef Wiedermann in Graz, Fräulein Margarete Helle
in Stettin, Neltor Goedecke in Stadthagen, dem Kgl. Preuß.
Gefandten Herm Freiherrn von Thielmann in Münden, |
Herm H. Warnede in Heiligenfelde, Herrn Lehrer U. Koll—
mann in Eisleben, Herm E. Drieje in Guben, Herm Karl
Hammer in Guben, Herrn Konrad von Wiſer in Wien,
dem Turnverein in Deuben bei Dresden, Herrn Kaufmann
Herm. Schneider in Salbfe a. d. Elbe, Herm Geheimen Juftize
rat Liebmann in Jena, Herrn Arditet Fritz Dunkel in
Bremen, Herm Oberſt Schöning in VBromberg, Herm Ren—
dant Lenzich in Arnewalde, Herrn Ingenieur Fr. Sperl in
Tarvid (Deiterr.), Herrn Sem.» Dirig. R. Waeber in Brieg
(Bez. Breslau), Herm Dr. Bender in Hlningen, Herrn Dr. med.
Schrader in Gera, Herm Direltor Dr. B. Brudner in Amſee
(Bojen), rau von Graevenig in Stuttgart, Herm Franz |
Knauth in St. Petersburg, Herrn Schulrat F. Mübhlmann |
in Berlin, Herm Profeſſor Finke in Danzig, Herm Kaufmann
C. P. Kupfer in Weſterhüſen a. d. Elbe, dem Turnverein
in Kreuzburg (D.-Schlei.) und dem Turnklub Friedrichſtadt
in Dresden; —
je 4 Marl
von Herm Öymnafialprofefjor Friedr. Mayer in Landau (Pfalz),
Herm Rojtrat Bodemann in Erfurt, rau Johanna Bath
in Berlin, Herrn Hauptmann Taeglihsbed in Groß-Lichter—
felde, Herrn Oberitleutnant von Lengerke in Marburg (Bez
Kafiel), Herrn Reichsbankaſſiſtent Heinrich Kriesmann in
Hanau, Herrn Dr. med. Haedide in Leipzig, Herrn Bahnver-
walter Linnebach in Schaffhauſen, Herrn Ingenieur Woelfer
in Berlin, Herm Stadtpfarrer Kübel im Ansbach (Bayern) und
Herrn Ingenieur Friedrid Müller in Schalte i. W.
Außerdem haben fünf Mitglieder des Vorjtandes ganz oder
teilweife auf Neifegebühren in einer Gejamthöhe von
295,65 Marf
verzichtet. |
Urt und Drudiadhen für die Wereinsleitung |
Borfigenden,
find an ben
Oberftleutnant a.D. Dr. Mar ans in ®erlin @.10, |
Margaretenftra
Bir jagen allen diefen hochgeehrten Gönnern des Sprach—
vereins für ihre Gaben unjeren beten Dant.
Wir bitten unjere geehrten Mitglieder, ſoweit dies noch nicht
geihehen ijt, den
Jahresbeitrag für 1895
baldigit an die Schapmeifter ihrer Zweigvereine (die unmittelbaren
Mitglieder an den Schatmeifter des Gefamtvereins) abzuführen.
Unter Berweifung auf Beitimmung 2 der Gejhäftsordnung
des a. d. Spradjvereind erinnern wir daran, daß die Zweigver—
‚ eine in den eriten drei Monaten jedes Jahres
die Zahl ihrer Mitglieder und die Namen ihrer geihäfts-
führenden Vorſtandsbeamten
dem Unterzeichneten mitzuteilen haben.
Ferner bitten wir die geehrten Vorjtände der Zweigvereine,
bei etwaigen
Ortswechſel von Mitgliedern
dies forwie den neuen Wohnort dem unterzeichneten WVorfipen-
den gefälligit anzuzeigen, damit das weiter Erforderliche geichehen
könne.
Im Namen des Gejamtvorjtandes
Dr. Mar Jähne.
Herr Paul Zemke in Stettin bat an die Vorjtände der
Zweigvereine eine Umdrudfarte verfandt mit vier verichiedenen
Anfragen, welche ſich auf die Geichäftsführung unferer Zeitichrift
beziehen. — Da diefe Geſchäfteführung dem Ausſchuſſe und dem
Gejamtvorjtande, ſowie der Hauptverfammlung, nicht aber den
einzelnen Zweigvereinen oder einzelnen Bereindmitgliedern unter:
jtellt ijt, jo dürfen wir wohl die Erwartung hegen, daß die Bor-
‚ fände der Zweigvereine die AJumutung des Herm Paul Zemle
abgelehnt haben.
Für den ftändigen Ausſchuß
Dr. Mar Zähne.
Ein neuer Zweigverein ift in Bielefeld begründet worden.
Für das Hildebrand- Denkmal find mir ferner zugegangen:
3 Mark von Herm Apotheler Hildebrandt in Braunjchmweig,
20 Marl vom Zweigverein Münden durd den Schriftführer
Herrn Dr. grande. — Ich habe dieje 23 Mark zufammen mit
den auf Spalte 40 der vorigen Nummer angezeigten 20 Mart,
aljo 43 Dart, dem Schapmeilter des Geſamtvereins, Herm
E. Ernft, zur gefälligen Weiterbeförderung an den Dentmals-
ausſchuß in Leipzig übermittelt.
Friedrid ——
* Beipjenbungen und Beitrittserflärungen
Serlagekutpändter ans Ernft in Berlin W.al,
beimitraße 90,
Briefe und Drudiacen fir die 2 find an dem Herausgebet, Oberlehrer Friedrlch ren in Berlin R.®. 38, Altonaer Steahe 3,
zu richten
Brlejk und Zufendungen für die Willenichaltligen Beihefte an Profeffor Dr. Bauı Pletſch, Berlin W.DO, Mopitraße 12,
Die Jahrgänge 1896 — 1893 der Beitichrift werden gegen Einfendung won
16 Di. an den Echagmeifter toftenfrei übermittelt; 1856/87 allein = 4 Mt., |
1858 bis 188 allein — je 2 Mt. |
Aufrufe, Satzungen und einzelne Aummern der Seitichrift, zum See
der Ausbreitung und Forderung des Bereineh, fteben bei dem Worfigenden
unentgeltlich zur Verfügung. |
Bür die Leitung verantwortlich Iriedeig Wappenhbans, Berlin. — Verlag des allgemeinen deistichen Sprachdereins Räte & & &.), Berlin.
Die Verdeutihungsbüder: I. Die Speifetarte (2. verb. Aufl. 30 Bf.)
1. Der Handel (2. fee verm. Aufl, 60 Pf.), IIL Das bäustihe und
gelelifichaftlihe Leben (iO Bf), IV, Das deutſche Ramenbüd+
fein (60 BE.) amd V. Die Amtsiprade (GO Pf.) find den Serren Ferde
Hirt & Sohn in Leipzig in Berlag gegeben worden und ausihliek«
lic von Dielen durch den Buchhandel zu erhalten.
Drud der Buchdruderel des Waiſenhauſes in Halle a. d. ©.
5 Deitleh vilt a
aligemeinen’deuffehen Spracjveseins
Begrünoͤel von Serman Riegel.
Im Auftrage ‚des Vorſtandes herausgegeben von Sriedrich Wappenhans.
Die Beitfchrift hanın auch durch den Buchhandel oder die Poſt zu
3 Mk. jährlicy bezogen werden. — Anzeigenannahme durd den Schatgmeifter
Eberhard Ernft, Beriin W. 41, Milhelmjtr. ®. — Auflage 15 000.
Diefe Seitſchrift ericheint jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und mwird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Sprachvereins unent:
geitlich geliefert (Satzung 24).
Dem Fürſten Bismard
dem Meifter der Deutſchen Sprade.
eis Mann des Willens und der That,
Gemwaltig bift Du auch als Mann des Wortes;
Sum Dort gefchmiedet wurde uns Dein Rat
Der Schlüffel unfres Tlibelungenhortes.
Der Pfeil, den Deiner Lippe Bogen ſchoß,
Traf unf're Seinde jcharf durch Sleifch und Knochen;
Dolksgößen, die des Beifalls Dunft umfloß,
Dor Deinem Wort find fie in Schutt gebrochen.
Und unfer Daterland, das ach fo lang,
Laut überfchrien von Weſten, Oſten, Süden,
Schier jchon verjchüchtert war und zögernd, bang
Das klare Deutjch umgangen und gemieden —
Du haft der Mlutterfprache alte Macht,
Die jchwertlicht:helle, ihm zurückgegeben;
In heilgen Donnertönen ftieg die Pracht
Der deutichen Sprache neuverjüngt ins Leben.
Aufhorchend laufchten alle Dölker ftill
Der Rede Deutjchlands, als es rief: »Es mwerdel«
Und fieh: es ward! Und Deutichland ſprach: »Ich will!«
Und feinem Willen beugte fich die Erde.
So haft Du uns zum höchiten Sprachgebrauch
In großer Seit erzogen und begeiftert, —
Nun jpend uns heut noch Deines Segens Hauch,
Daß unjer Dolk die Sprache dauernd meiltert!
Nar Jähns,
Auf den Dorfchlag feines ftändigen Ausfchuffes hat der Gefamtvorftand des allgemeinen deutichen
Sprachvereins beichloffen,
Seine Durchlaucht
Sen Fürften Htto von Bismard
an Defjen achtzigftem Geburtstage zum Ehrenmitgliede des allgemeinen deutiben Sprachvereins zu ernennen.
Dem Manne, der die Sehnfucht unferer Däter erfüllte, indem er mit unvergleichlicher Weisheit
und Willenskraft dem großen Kaiſer Wilhelm I. den Weg bahnte zur Einigung der Bauptmaffe der
deutfchen Stämme und zur Wiederberitellung des Reiches, und der dadurch unferem Volke das Selbſt—
vertrauen zurücgab, auf dem die gedeihliche Entwickelung auch unferes Dereins beruht,
dem Manne, defjen Rat und Chatkraft es ermöglichte, die Elbherzogtiimer und Eljaß- Lothringen
dem Reiche zurückzuerobern, und diefe teueren Lande dadurch dem deutjchen Sprachgebiete dauernd ficherte,
dem ftolzdeutichen Manne, der unfere fo lange zurückgedrängte Mutterfprabe in den Weltvertehr
der Staatsmänner eingeführt und ihr dadurch einen Geltungsbereich gewonnen hat, größer als ihn irgend
welche noch jo eifrige Einzelbeftrebung zu erlangen vermödhte,
dem ſprachgewaltigſten Redner unferes Volkes, der auch da, wo er, der Jugendgermohnheit fol:
gend, gar manches Sremdmwort jpricht, feine Rede doch allezeit mit deutſchem Sinne füllte und mit ftarkem
deutfchen Kerzichlag lenkte, fo daß die Welt wiederklang von deutichem Geift, deutſchem Gemüt und
deutfchen Gedanken —
Ihm gilt diefe einftimmige Ernennung zum Ehrenmitgliede des allgemeinen deutfchen Sprach—
vereins, durch die der Derein zugleich fich ſelbſt zu ehren glaubt.
Der Gelamtvorftand des allgemeinen deutiben Sprahvereins.
Dr. Mar Jäbns, Oberftleutnant a. D, zu Berlin, Dorfigender,
Bugo Bäpe, Geheimer Rat a. D. zu Dresden, Stellvertreter des Vorfitenden.
Dr. Paul Pieti, Profeffor an der Univerfität Greifswald, 3. 5. zu Berlin, Schriftführer.
Otto Sarrazin, Geheimer Baurat im kgl. preuß. Minifterium der öffentlichen Arbeiten, zu Sriedenau,
Stellvertreter des Schriftführers.
Eberhard Ernft, Derlagsbuchhändler zu Berlin, Schagmeifter und Geichäftsführer,
Wilhelm Launbardt, Geheimer Regierungsrat und Profeffor der technifchen Kochichule zu Hannover,
Beifiter des ftändiaen Ausjchufies.
Dr. Günther A. Saalfeld, Gnmnafial-Oberlehrer zu Blankenburg am Harz, Beifiger des ftändigen
Ausſchuſſes.
Univerſitätsprofeſſor Dr. Otto Behaghel, Gichen. — Oberpräſident Dr. R. v. Bennigſen, Hannover. — Univerfitätsprofeffor
Dr. Ostar Brenner, Würzburg. — Landgerichtsrat Rarl Bruns, Torgau. — Wirkl. Geheimer Rat Sreiherr v. Gramm:
Burgdorf, Bevollmädhtigter zum Bundesrate, Berlin. — Aonrektor Profeffor Dr. Bermann Dunger, Dresden. — Profefior
Rarl Erbe, Stuttgart. — Schriftiteller Martin Greif, München. — Dr. jur. Sr. Dammader, Reihstagsabgeordneter, Berlin.
— cChriſtian Rraft Erbprinz zu Bobenlobe- Öhringen auf Slawentzitz, Oberft- Kämmerer Sr. Majeftät des Aaifers und
Königs. — Archivrat Dr. Ludwig Reller, Münſter i. W. — Profejfor Dr. Serdinand Rhull, Graz. — Univerfitätsprofeiior
Dr. Sriedrih Riuge, Sreiburg i. Br. — Geheimer Oberregierungsrat Dr. Röpfe, Berlin. — Geheimer Kofrat Dr. Wilb. Cauier,
Stuttgart. — Bibliothekar Dr. Edward Lobmeyer, Kafjel. — Karl Magnus, Bankherr in Braunſchweig. — Eifenbahn-
dirchtions«Präfident v. Müblenfels, Oldenburg. — Oberftudienrat Dr. Prefiel, Heilbronn. — Mufeumsdirektor Profeſſor
Dr. Derman Riegel, Begründer und Ehrenmitglied des allgemeinen deutfchen Sprachvereins, Braunfchmeig. — Geheimer
und Ober-Baurat Rüppell, Köln. — Profefior Dr. Daniel Sanders, Altftrelig. — Oberlandesgerichtsrat Scheerbartb, Köln. —
Regierungs» und Schulrat Schiefer, Osnabrük. — Rarl Sedlat, Schriftleiter, Wien. — Auguftin Trapet, Koblenz. —
Univerfitätsprofeffjor Dr. Wadernell, Innsbruck.
77 Seitihrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Ar. 4. 78
Was den allgemeinen deutfchen Spradhverein berechtigt, ja verpflichtet, die fiebzehnte feiner Satzungen auf den Sürften
Bismarck anzumenden, ift in der Erklärung des Gejamtvorftandes ausgeiprochen. Den Dereinsgenoffen und den Sreunden
unfrer Sache braucht auch nicht dargelegt zu werden, daß die zweite unfrer Satungen, melche Parteilofigkeit auf ftaat-
lihem, kirchlihem und gejellichaftlichem Gebiete vorichreibt, unfrer Ehrung des Sürften Bismarck nicht entgegenfteht; mit
Gegnern aber wie die, die am 23. März den Sürften Bismarck als »untrennbares Ganzes in dem Sinne erhlärten, daf
für fie die Sonne wegen der darin vorhandenen oder darin gejehenen Slechen ſchwarz und kalt ſei — mit diejen ift nicht
zu rechten. Wir beanfpruchen für uns nichts als das Recht der Treue, troß der Sonnenflechen nicht zu vergeffen,
mie viel Licht und Wärme diefe Sonne unferm nationalen Keben durch Jahrzehnte gefpendet hat, und das Recht der
Liebe, uns jeht, wo ihr Tag zur Neige geht, deffen zu freuen, daß fie uns doch noch leuchtet. Das kann uns weder
Satung 2 noch irgend ein Gegner wehren, denn jenes Licht und jene Wärme ift auch der Nutterfprache zu gute gehom-
men. Als NMehrer unfres Polkstums, unfres Spradgebietes und Sprahreihtums muß auch der grimmigfte
Gegner den Sürften Bismark anerkennen; ift ja doch aud Martin Luthers Sprachgemwalt und ſprachgeſchichtliches Derdienft
von denen anerkannt worden, denen fein Lebenswerk Ketzerei heißt, und ein hatholifcher Aönig hat dem Mlarmorbilde
£uthers in der Walhalla bei Regensburg einen Platz angemwiefen. Der Mutterfprache Ausbreitung, Erhaltung und Erhebung
ift das Siel unferes Dereins; in diefem Siele können fich alle zufammenfinden, die Deutfche heißen. Wir midmen dieſe
Mummer unfrer Seitfchrift ausfchließlih unferm großen Ehrenmitgliede. "Wenn die Adnige baun, haben die Kärrner
zu thun” Die murzelechte Araft der deutfchen Rede Bismarks in ihren Quellen und Mitteln zu erforfchen, ift
eine bedeutfame Aufgabe deutfcher MWiffenfchaft: Vorarbeiten und Beiträge zu ihrer Köfung wollen die vier Aufſätze
fein, die mir hier darbieten. Die man aber nicht erwarten darf, daß gleich beim erſten Brunnengraben ganz klares
und trinkbares Maffer zu Tage komme, darauf vielmehr erit gerechnet werden darf, wenn der Brunnen gefaßt ift, jo kann
auch eine erfte wiffenfchaftliche Bearbeitung nicht überall nur runde, ſchön dargelegte Ergebniffe liefern, fondern wird die
ermittelten Thatfachen in den Dorderarund ftellen müffen. So mögen denn diefe vier Abhandlungen vielleicht manchem
als für den weiten Mreis unferer Dereinsgenoffen zu "wiffenschaftlich” erfcheinen. Ganz mar das eben nicht zu vermeiden.
Mir hoffen, daß fie recht vielen willkommen fein werden.
Paul Pietid.
Der bildlibe Ausdrud in den Anſprachen des
Sürſten Bismard.
Don Profeffor Dr. Hugo Blümner in Zürich.
Das Erfcheinen von Beinrih v. Pofhingers Bud
Die Anfprachen des Sürften Bismarck. 1848 —1894« ermög-
liht mir, als einen Nachtrag zu meinem Buche »Der bild
liche Ausdruck in den Reden des Sürjten Bismarck«, Leipzig
1891, und zu der Abhandlung «Der bildliche Ausdruck in |
den Briefen des Sürſten Bismarck« (in der Jeitjchrift
Euphorion I (1894), 5. 590 u. 771) an diefer Stelle auch
aus den Anfprachen des Nedegemaltigen eine ähnliche
Blütenlefe zu geben. Iſt auch hier der Stoff ein ganz anderer —
anftatt der großen politischen Rede vor Abgeordnetenhaus oder
Reichstag die viel vertraulichere Anſprache vor einem größeren
oder kleineren Areife von Befuchern, von Buldigern und Der:
ehrern —, fo fällt doch diefe glänzendfte Seite der Beredtfam:-
heit Bismarchs, fein Reichtum, feine Mannigfaltigkeit und
Eigenartigkeit im bildlihen Ausdruc in diefen Anſprachen
nicht minder fcharf und deutlich in die Augen. Denn das Bild,
und zwar das klar herausgearbeitete, greifbare und bezeich-
nende Bild ift die Seele in Bismarcks Sprache und Stil; un
erfhöpflich ift hier feine urwüchfige Erfindungsgabe, und wenn
wir ihn auch mit einer gerwiffen Vorliebe namentlich zu einigen
beftimmten Gebieten der Bilderfpradhe immer wieder zurüdı
kehren fehen, fo weiß er doch auch da jtets wieder dem Bilde
eine neue Seite abzugeminnen. Don diefer Sülle des Aus:
druchs, von der Mannigfaltigkeit der Gebiete, auf denen
fih Bismards Bilderfprache bewegt, vermag daher aud
ihon die kleine Auswahl, die wir im folgenden aus feinen
Anfprachen herausheben*), einen ausreichenden Begriff zu
geben. Doch fei vorher noch bemerkt, daß auf den Wort»
laut in der Regel kein Derlaß ift. Diefe Anfprachen, die
*) Außer den Anſprachen find auch einige von Poſchinger nicht mit |
geteilte Unterredungen benutzt, die der Sürft mit Bejuchern hatte und über
die in den Stitungen berichtet war.
oft unter freiem Himmel fjtattgefunden haben, find vielfach
nur aus der Erinnerung der Suhörer niedergefchrieben, und
auch wo ftenographifhe Aufnahme ftattgefunden hat, iſt
dies doch nicht mit der Sorgfalt gefchehen, wie bei den von
den Aammerftenographen aufgenommenen und vor dem Drudı
noch durchgefehenen parlamentarifchen Reden. Die Quellen
der Pofchingerfhen Sammlung find meift Seitungsberichte;
und mie ftark diefe oft untereinander abweichen, davon will
ich weiter unten ein Beijpiel anführen, das für andere die
nen möge.
Aus den in unferer Bilderfprache häufigen Dergleichen, die
vom menfchlichen Körper hergenommen find, wähle ich
hier nur einen aus. Gegenüber einer Abordnung aus dem
Sürftentum Eippe bedauerte der Sürft die geringe Teilnahme
der einzelnen Eandtage an der nationalen Arbeit und fagte
(8. Juli 93): »infolgedeffen durchdringt das nationale Ge
fühl nicht alle Poren, alle Adern in dem Maße, wie ich
gehofft hatte,... das Blut konzentriert ſich jegt in Kopf
und Berz, in Bundestag und Reichstag.«
Sehr glücklich und eigenartig pflegt Bismard in feinen
der Samilie entnommenen Bildern zu fein. So ift unge
' mein pafjend der Sat (18. Aug. 93): »1Dir Deutjche find wie
ein Ehepaar; wenn alles ruhig und ftill ift, zankt man
fi wohl ein wenig; wenn aber ein Nachbar fich einmifcht,
fällt Mann und Srau vereint über ihn her;« und als er
von der Unmöglichkeit ſprach, bald nach feiner Entlaffung
nah Berlin zu gehen, verdeutlichte er dies folgendermaßen
(2. Mai 91): »Ich hoffe, von Ihnen hat niemand die
ſchlimme Erfahrung felbft gemacht, mit feiner gefchiedenen
Srau unverföhnt unter einem Dache zu wohnen. Ahnlich
iſt das Wiederſehen mit geſchiedenen Sreunden.«
Reichhaltig ſind in den Reden wie in den Briefen die
Gleichniſſe von Bauwerken oder vom Kaufe und feinen
Teilen. Einiges dahin Gehörige bieten auch die Anfpradhen;
fo wenn es von den deutfchen Aleinftaaten heißt (8. Juli
9), fie bildeten >gemwiffermaßen den Mörtel zwifchen den
79
Quaderne; oder von der Bürokratie (21. Juli 98): »Das
bureaukratifhe Simmermwerk ift jo konftruiert, daß es
ein Bolzbau ift, kein Granitbau. Darauf können wir nicht
fiher bauen.e Sehr hübſch und befcheiden kennzeichnete
er feine Derdienfte um die Schaffung des Deutjchen Reiches
(18. April 71): »Es ift mir darauf angekommen, alle Glie
der Deutjchlands in einem Raum zu haben und dann die
Thür zuzumachen.« In den Reden werden, mit einer oft
Seitibrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1805. fr. 4.
gebrauchten Wendung, die Dardanellen mehrfah als der
»Schlüffel des Bosporus bezeichnet; eigenartiger ift die
Außerung (Darzin, Okt. 92): » Sür die deutfchen Intereffen
hann es im Grunde gleichgültig fein, ob. Rußland eines
Tages den Schlüffel zu den Dardanellen in die Tafche ftecht.«
Wenige Beifpiele nur find vom Bausrat anzuführen.
Bei Befprehung feiner Bemühungen um Erhaltung des
Sriedens fagte der damals noh im Amte befindliche
Reihshanzler (1. April 89): ⸗»Wenn auch hie und da ein
Reifen an dem Saſſe fpringt, fo ift es mir bisher doch
noh immer gelungen, einen neuen anzulegen, und ich be
trachte die Erhaltung des Sriedens als die Kauptaufgabe
für den Reſt meines ELebens«; und indem er die Einigkeit
als befles Mittel dazu bezeichnete, bediente er ſich der Wen
dung (10. Juli 92): » Bleiben wir einig, fo find wir ein
ſchwerer Alot inmitten Europas, den niemand anfaflen
kann, ohne fich die Singer zu quetfchen.«
Treffende, meift humorvolle Bilder pflegt Bismarck von
der Kleidung zu entnehmen. Einer mweitpreußiichen Depw
tation empfiehlt er (23. Sept. 94): »fih die polnischen Be
ftrebungen und Sympathien auch nit bis an den Mantel
kommen zu laffen, viel weniger bis ins Herz hinein;« in
einem gefchichtlichen Rückblicke heißt es (11. Aug. 93): »Ein
Blick auf jede alte Karte vor 1800 mit den vielen Reichs«
dörfern, Reichsjtaaten, Reichsfchlöffern zeigt, wohin diefe
Meigung zum Serreißen des Ganzen führte; jeder wollte von |
dem Mantel der kaiferlihen Mation einen Setzen ſich
aneignen.e Einer Abordnung der Siegel und Kalkbrennerei⸗
befiter jet er die Vorteile, die namentlich diejfe Baugewerbe
von der Erhaltung des Sriedens haben, mit den Worten aus:
einander (21. Mai 91): »Ob die Induftrie Mugen davon
hat, dafür vermag gerade Ihr Gemwerbezweig Seugnis abzu—
legen, denn wenn es einem gut acht, dann wird ihm der
Rod leicht zu eng, under läßt ſich einen neuen machen.«
Eine Abordnung aus den 1866 einverleibten Ländern tröftete
er mit der Bemerkung (Aug. 66): »Preußen ift gleich einer
wollenen Jade, in der man fih auch anfänglich höchft
unbehaglich findet, fobald man fich aber an fie gemöhnt
hat, ift fie fehr angenehm und wird bald als große Wohl-
that empfunden.e Wenn aber, nach den Berichten der ZSei—
tungen, Bismarck bei einer Unterredung (29, Okt. 92) vom
Major Wißmann die Auferung gethan haben foll, derfelbe
fei »mit tadellofer weißer Weite aus Afrika zurüchkgekom⸗—
men«, fo hat der Berichterftatter fich mwahrfcheinlich verhört;
der Sürft wird » weißer Wäſche« gefagt haben, d. h. mit reinen
Ssänden und gutem Gewiſſen. Endlich fei aus diefem Gebiet
noch angeführt (23. Aug. 90): »Das, mas in Seitungen
über mich fteht, berührt mich nicht, das ift mir gleichgültig,
das it Staub, den die Bürfte abwiicht.«
Auch von Speife und Trank find ein paar Beifpiele
anzuführen. So in Bezug auf den unruhigen Machbar im
Weften (10. Juli 92): »Ich glaube, daß der Srieden fich
auch ferner erhalten läßt, felbft mern im Meften auch ein
mal der Topf überkochen follter, was freilich etwas
80
hoffnungsvoller lautet, als die angeblich einen Monat früher
in Wien gethane Außerung: »Der Arieg mit Srankreich
mag unausmweichlich fein. Es handelt fi da immer darum,
daß der Mann ſich dort findet, der das Pulver in das
Waffer fhüttet, damit es aufihäume.e Befonders an
ziehend aber ift die feine Seichnung des Unterjchiedes
zwijchen dem deutfchen und franzöfiichen Nationalcharakter
(21. Dez. 90): »Die Deutfchen find ganz famoſe Eeute, aber
jeder hat eine halbe Slafche Wein zu wenig. Er muß
erft künfilih in Sug gebracht werden; er hat Anregung
und Anfeuerung nötig. Der Stanzofe feinerfeits hat diefe
halbe Slaſche fchon, und deshalb, wenn man auch nur
wenig zugießt, fo ift es gleich zu viel.«
Aus dem Gebiete der Schule und Wiſſenſchaft ift ein
Bild hervorzuheben, deſſen ſich der Sürft gern bedient, wenn
er feine Sreude ber die allgemeine Anerkennung der Der
dienfte des aus dem Staatzdienfte Geſchiedenen ausſprechen
will; nämlich (1. April 91): »MTir ift zu Mute wie einem
Schüler, der ein gutes Zeugnis heimgebradht hate, und
ganz entſprechend (24. Juni 92): »Ich habe das Gefühl
‚ eines Primaners, der mit einem guten Abiturientenzeug:
nis abgeht.« Don bildliher Anwendung wiffenichaftlidher
Aunftausdrüde ift zu verzeichnen (24. Juni 92): > Die Be
ftrebungen, eine große Nation zu werden, waren vorhanden,
als ich geboren wurde, fie bethätigten ſich zur Seit der
Steiheitskriege und wurden galvanifiert und belebt durch
die Bewegungen von 1830 und 1848«, und (20. April 9):
» Ic zweifle nicht daran, daß dieje Derfaffung, welche fich
anknüpft an hiſtoriſch Gemordenes oder, wie der Geologe
fagt, an gewachſenen Boden, ihre Proben auch ferner
beſtehen wird. «
Dom Sechten, Reiten und Shmwimmen, körperlichen
Übungen, denen Bismarc gern feine Gleichniffe entlehnt,
haben wir auch hier Beifpiele zu verzeichnen. Das erfte,
auf feine vielfachen Gegner bezüglich, lautet (1. April 9:
»Dazu kommt noch, daß ich in meinem Leben gar viel
fechten mußte, und die Gegner mollen immer nur die
Biebe zählen, die fie erhalten, nicht aber diejenigen,
welche fie austeilen.e Ausführlicher behandelt ift ein
Gleichnis von den MWettrennen (dien, Juni 92): »Was kant
denn ein Staatsmann thun? Er muß die Arieasgefahr
kommen fehen und fie verhindern. Es ift wie bei der Steeple-
Chafe. Man muß mwiffen, wie das Terrain ift, auf dem
man fich bewegt, ob man auf Sumpf» oder auf feiten Boden
kommt. Man muß die Erfahrung haben, ob man die Araft
hat, ein Bindernis zu nehmen, und ob der Graben nicht zu
breit ift, um fiber ihn hinmeqzufegen.« Ein Seitenftüc zu
dem geflügelten Worte ⸗Helfen Sie Deutfchland in den Sattel«
ift die Außerung über die Stärkung der monarchiſchen
Stellung in Preußen (29. NTärz 94): » Ich habe dem monar
chiſchen Reiter in den Sattel geholfen, vielleicht war die
Hilfe zu lebhaft im Eindruce des Kampfes«; ebenfo findet
eine bekannte briefliche Auferung des Jahres 1862: »Tor
dem Mlinifterium habe ich geradezu Surcht, wie vor kalten
Bader, ihr Seitenftüc in der Äußerung (Varzin, Okt. M
»Das [die Oppofition gegen die Regierung] iſt eine fatale
Rolle für mich, und ich habe eine Scheu davor, mic frühet.
als ich noch in offenem Waſſer badete, wenn id auf
dem Sprungbrett ftand.«
Bilder vom Wagen, von der Eifenbahn, vom Reiſen
überhaupt liebt Bismardı auch fonft; hierher gehört die
| Anwendung einer bekannten fprichmwörtlichen Redensatt
8
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
X. Jahrgang. 1895. Ur. 4. 82
(1. Juli 94): »Das war eine Seit, wo ebenſo viel Pferde | Die Noten, die ich gefchrieben, haben auf einem materielleren
hinter den Wagen als vor den Wagen gejpannt waren;
dabei ham man nicht vorwärts.
zerriffen murde, das war die deutjche Nation«; ferner
die Außerung (Mien, Juni 92): »Wenn einmal ein fal—
fhes Geleife eingefhlagen ift, dann ift die Lage
fhmierig. Sortmährend mich auf Mebengeleifen bewegen
und immer auszumeidhen, ift überhaupt nicht meine Sache.«
Endlih der eigentümliche, aber bezeichnende Ausfpruch
(18. Jan. 92): »Um Politik kümmere id mich nicht mehr;
es geht mir wie einem Wanderer im Schnee, er fängt
allmählich an, zu erftarren, er finkt nieder und die Schnee:
flochen bedecken ihn. Es ift ein angenehmes Luftgefühl.
So erjtarre auch ich allmählich; mein Intereffe an der Poli.
tik ſchwindet, aber ich fühle mich wohl dabei.«
Sehr gern entlehnt Bismarck feine Bilder von gemiffen
Gemwerben oder aus der Technik. Dom »Schmieden« der
deutjchen Einheit oder vom »Guß« derfelben ift in den
Reden mande Stelle zu finden; ebenfo bieten ihm die
Anjprachen vielfady Gelegenheit zu entjprechenden Bildern.
So fagt er von der Thätigheit der deutfchen Univerfitäten
in den dreißiger Jahren (10. Aug. 91): »Die Slamme,
die fie unterhielten, war leuchtend und hell, aber fie reichte
nicht aus, die Bruchitüce des Daterlandes durch Schmelzen
zum einheitlichen Guffe zu bringen.« Und in verwandten
Bilde (31. Juli 92): »Das zerfchlagene Eifen der alt
preußijchen Monarchie [1806] wurde unter dem ſchweren
und ſchmerzlichen Kammer zu dem Stahl gejchmiedet, der
1813 die Stemdherrfchaft mit fcharfer Elafticität zurück⸗
fchleuderte. « Ähnlich von der Scyaffung des neuen Reiches
(24. Juni 92): »Gott hat uns fo geführt, daß in jenem
Werdegange — mie man im Norden jagt — alle Dölher,
ftämme mit deutfcher treuer Araft mit auf den Ambos
zugeichlagen haben, auf dem die Einheit gefchmiedet
murde;« und ein andermal (31. März 94): »Die Maffe zur
deutjchen Einigkeit war flüffig und gußbereit. Ich habe
gethan, was ich konnte, ohne Menſchenfurcht und ohne
Selbftfucht, daß der Guß rafch, ficher und glücklich vollzogen
wurde.« An die in den Reden fehr häufigen Bilder vom Na-
fchinenwefen erinnert uns die Äußerung in der den Mitgliedern
des Schriftftellertages gehaltenen Anſprache (1. Juli 94): » Mein
Leben ift hier mehr der Erinnerung und der Befchaulichkeit
gewidmet als der Beteiligung an dem Rädermwerke der
Welt, an der [dem?] die meiften von Ihnen mit der Seder
und mit der Preſſe arbeiten, fchieben, vielleicht auch hem«
mens; und der modernen Technik des Telegraphenmweiens
find zwei freilih auch fonft heutzutage üblich gewordene
Wendungen entlehnt. Die Auferung (Wien, Juni 92): » Der
Sehler der jetjigen Politik der Regierung befteht darin, daß
der Draht, welcher uns mit Rußlans verknüpft, abgerifjen
wurde, Und ob er wieder anzuknüpfen ift, vermag ich nicht
zu fagen«, und die Bemerkung über Boulanger (30, Okt, 92):
»Er brauchte nur auf den Anopf zu drüden, jo war
er Kerrjcher Srankreichs.«
Der Sürft liebt es, bei feinen Anſprachen an Dereine,
Abordnungen uſw. an Beruf oder jonftige Beichäftigung
feiner Befucher anzuknüpfen. So lag für ihn bei einem
Befuche des fränkiichen Sängerbundes die Beziehung auf
die Mufik nahe, und er benugte fie in folgender Weiſe
(19. Juli 92): »Die Politik hat ja eine mäßige Derwandt.
ſchaft zur Mufik in dem Bejtreben, Barmonie herzuiftellen,
und auch Noten hat man in der Politik genug zu jchreiben.
Gebiete,
Was aber gezerrt und |
als dem der Mufik, Accorde herzuftellen, und
diefe, wo fie vorhanden waren, zu erhalten gehabt. Denn
meine Arbeit als fomponift und Motenfchreiber in deutſchen
Angelegenheiten gelungen ift, dann ift mein Cebenszweck er-
füllt.e Ein anderes mufikalifches Bild bietet die Außerung
(8. Juli 93): ⸗»Ich hatte mir bei der Aufftellung der Der
faffung ein reicheres Örchefter der Mitwirkung in den
nationalen Dingen gedacht, als es ſich bisher bethätigt hat.«
Auh ans Theater knüpft er gern an. In einer Rede
(29. Jan. 86) ſprach er davon, »die Oppofition möge doch
einmal das Stück auf der Bühne weiter fpielen, er felbit
mwolle ins Parkett gehen und zufehen und klatſchen oder
ziſchen.« Wie eigentümlich berührt uns, daß dies nachher
eingetroffen und Bismarck felbft, bald nach feiner Entlaf-
fung (23. Juni 90), fih in ganz ähnlicher Wendung dar-
über ausfpricht: » Ich befinde mich etwa in der Lage des
Sürften Metternich, welchem ich mich fonft nicht vergleichen
möchte und dem ich nicht nachahmen will. Aber er fagte,
daß er von der Bühne in das Parterre hinabgeftiegen
fei- Und in diefer Lage befinde ich mic; jet auch. Es
giebt Menjchen, viele Menfchen, welche mir das nicht gön-
nen wollen; aber jeder, der ein Parterrebillet gelöft hat,
hat doch das Recht der Aritik- Er muß dasfelbe nur mit
Anftand gebrauchen und nicht mit der fchrillen Pfeifes; und
kürzer ein anderes Mal (19. Dez. 91): »Ich habe früher
auf der Bühne der großen Welt geftanden und bin jetzt
zurückgetreten in den Sufchauerraum, ohne auf eine Aritik,
wie jeder andere Zufchauer, zu verzichten.«e Hier fei aud)
eine Äußerung aus einer Unterredung beigefügt (Okt. 92):
»Rußland... handelt mit Srankreich, wie Don Juan mit
einer neuen Schönen.e Bismarc liebt gerade diefen Der-
gleich und hat ihn mehrfach in feinen Briefen angewandt.
Bezeichnend ift auch (26. April 94): »Ein Reichskanzler,
der nicht auf die Autorität des preußifchen Staatsminifte
riums geftütt iſt, ſchwebt mit der feinigen in der Luft
wie ein Seiltänger.«
Befonders treffende Bilder weiß Bismark von je in der
Landmwirtfchaft und den dazu gehörigen Gebieten zu fin»
den, So jagt er von den an das polnifche Anfiedlungsgefet
gehnüpften Erwartungen (23. Sept. 94): » Man mollte forort
fhon am Donnerstag die Srüchte von dem ſehen, was am
Montag gefät war«; und vom polnifchen Bauer (16. Sept. 9):
»Er wird fich doch jagen, da dann wieder, wie der Bauer
zu jagen pflegt, für ihn ein >naffes Jahre bevorfichen
würde, wenn der Adel wieder zur Regierung käme. Humo⸗
riſtiſch ift die Auferung (29. Oft. 92) von den »diplomatifchen
Bädjelmafchinen, die imftande waren, mit der größten
Wucht über alles zu fchreiben, was man von ihnen ver
langte«; treuherzig befcheiden eine andere (Sebr. 92): »Das
müfjen mir die Leute doch eigentlich laſſen, daß ich ein
pflichyitveues Arbeitspferd war und an meine Bequem:
lichkeit immer verdammt wenig dachte.« Und fchalkhaft
macht er jchmeizerifchen Befuchern die Motwendigheit des
fArieges vom Jahre 1866 klar (24. Aug. 90): »Micht wahr,
meine Berren, zwei Stiere in einer Kerde, das geht
nicht, da muß gerauft werden, Nicht minder gern mählt
er feine Bilder von der Jagd; fo fagt er von den früheren
auf die Einigung Deutichlands gerichteten Beftrebungen
(24. Juli 92): »Die erften Derfuche, um als Jäger zu
reden, brannten von der Pfannes; und in Bezug darauf,
daß es galt, hierfür den richtigen Augenblick abzupaffen
>
83
(30. Juli 92): »Ich bin von früh auf Jäger und Sifcher ge
mejen, und das Abwarten des rechten Moments ift in bei«
den Situationen die Regel gewefen, die ich auf die Politik
übertragen habe. Ic habe oft lange auf dem Anjtande
geftanden und habe mich von Injekten umjchwärmen und
zeritechen laſſen, che ich zum Schuß kam.«
Ebenfalls häufig und fehr treffend find die Bilder vom
Waffen, und Ariegsmwejen, mag es fih nun um ein
kurzes, ſprechendes Bild handeln, das mit wenig Worten
die Lage zeichnet, wie (8. Mai 03): »die ausmärtigen
Hänkereien und das beftändig mit zwei gejpannten
Pijtolen auf dem Poften Stehen«, oder um ein ausgeführt
tes Gleichnis (16. Sept. 94): »Ehe man zur Sturmattace
vorgeht, müffen erft die parlamentarifchen Parteien ſich
überlegen, ob man dem fortjchrittlichen Nebenmann oder
dem Reaktionär auch helfen foll; ebenfo, wenn wir unter
dem Trommelfchlag des Sturmmarfches vorgehen, müfjen
wir an der nationalen Grenze alle Parteiunterfchiede ver
geffen und eine gefchloffene Phalang bilden, innerhalb deren
der fortjchrittliche Speer dem Seinde entgegengehalten wird,
gleichwie der reaktionäre oder abfolutiftifche.e Bismweilen
greift Bismark da, anjtatt in allgemeine Derhältnifie, in
ganz befondere, perfönliche oder gejchichtliche hinein. So
kennzeichnet er die Umtriebe und Kämpfe, mit denen er als
Minifter und Reichskanzler zu thun hatte, in folgender
Weife (3. Mat 94): »1Denn die Sranzofen auf uns jchoffen,
jo war uns das felbftverftändlich, und wird man vermuns
det, fo geht man ins Lazarett. Wenn aber hinter uns aus
dem Gliede auf uns gejchoffen wird, das ift eine andere
Sache. Mir ift das in der Politik mitunter paffiert.e Und
wenn er in feinen parlamentarifchen Reden Elſaß ; Lothringen
öfters als das Glacis Deutjchlands gegen Srankreich bes
zeichnet hat, fo erklärt er im felben Bilde die Motwendigheit
des Paßzwangs (21. Dez. 90): »1Die im gewöhnlichen Leben
auf einem Glacis nur folhe Bäume geduldet werden dür—
fen, die in militärifcher Beziehung unbedenklich find, jo hat
auch die deutfche Regierung in nationaler Beziehung jchlieh-
lih nicht mehr dulden können, dab in Eljaß- Lothringen
fchlieglich alles von Srankreich aus überwuchert worden ift.«
Dom Seewejen entlehnt der Sürft befonders gern die
allgemein geläufigen Bilder vom Staatsfchiff und vom Steuer.
So (23. Aug. 90): »1denn ih vom Steuer habe zurücktreten
müffen, fo mwird dadurch die Koffnung nie erſchüttert, daß
das deutjche Mationaljchiff denjelben Kurs, wie früher, ein
halten mwerde«, und (24. Juni 92): »Der Einzelne kann den
Strom der Seit nicht herfiellen, nicht einmal lenken, er kann
das Steuer des Staatsjhiffes nur nad feiter Über
zeugung führen.«*) Einen feemännijchen Ausdruck haben
wir auch (20. April 94): »Immerhin find die Schmwierig-
keiten, denen wir entgegengehen, jo groß, daß fie uns ger
bieterifjch die Notwendigkeit nahe legen, mie der Seemann
fagt, uns klar zum Gefecht zu halten.e — Das Bild vom
Ballajt gebrauchen wir in der Regel in der Bedeutung des
Ssernmnifjes, und in diefem Sinne braucht es auch Bismarck
bisweilen; aber für gewöhnlich wendet er dies Bild in
anderem Sinne an, nämlich in dem einer notwendigen, für
den ruhigen Gang des Schiffes bedeutfamen Bejchwerung-
So in den Reden (24. Jan. 65; 24. Jar. 82), und cbenjo
in neueren Anfprachen, wie (1. Mai 89): »Sür unfer Staats»
*) In anderer Überlieferung lautete der Musfprudh: > Der einzelne, mie
ih, kann den Strom nicht lenken, die Welle nicht regieren, er kann ſich
nur von ihr tragen laflen, kann das Schiff nur ſteuern.«
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1805. Ar. 4.
84
ſchiff haben wir an den monarchiſchen Einrichtungen gleich⸗
jam den eine ruhige Sahrt verbürgenden, vor dem lmkip-
pen ſchützenden Ballaft«, oder menn er (20. April 94) die
Minifter mit ihren Räten als den »Ballaft in unferem
Reichsſchiffe⸗ bezeichnet, infofern der Reichskanzler ohne
dieſes Bleibende »nichts als ein KLuftgebilde« ift.
Endlich können hier noch aus fonftigen Berufen oder
Standesverhältnifien ein paar Beifpiele angeführt werden.
Prädtig heißt es mit Bezug auf die dem Reiche fo verderb-
lihen Sraktionszmwifte (2. Mai 91): »Da möchte ih gerne
als friedenftiftender Gemeindediener dazmifchen jprin«
gen;« witzig und bezeichnend die Außerung (Darzin, Okt. 92):
sich habe nie, wie gewiffe Leute, behauptet, in einem be
fonderen Geheimratsverhältnis zu unferem lieben Berr
gott zu ftehen.e Und zu dem alten Wort vom »Blut und
Eifen« führt uns der treffende Dergleih aus jüngfter Seit
zurüc (16. Sept. 94): »Ein einig Volk ift in merkmürdig
kurzer Seit gejchaffen; es ift das der Beweis, daß die ärzt-
lihe Aur, welche angewendet wurde, wenn auch mit Blut
und Eifen, nur ein Geſchwür, das längft reif war, auf
gefchnitten hat und uns ein neues Behagen und MWohlbefin-
den gejchaffen hat.«
Wir haben nun nach dieien meift dem Leben entlehnten
Bildern noch einige andere Quellen der Bismarchjchen Der
gleiche zu berühren, die der Krtteratur oder der Matur angehören.
Es find das Gebiete, auf denen feine fhöpferifche Bilderfpradhe
nicht minder zu Saufe ift. Die Reden find daran fehr reich;
auch die Anfprachen bieten etliche Beifpiele. So ein bibli—
fhes Bild (31. Juli 92): ⸗»Man muß nur dem lieben Gott
Seit laſſen, feine deutfche Nation durch die Wüſte zu
führen, und die Ankunft in dem gelobten Kande, in dem
mir uns zu befinden glauben, abmwarten«, und eine Bibel-
ftelle zu künftigen Lehrern gefprochen (10, Mai 94): >Alfo
mödhte ich Ihnen nur ans ferz legen: fahren Sie jäuberlic)
mit dem finaben Abjalom und feien Sie freundlich und
wohlmwollend.« Ein mythologiſches Bild, das freilich Ge—
meingut ift, finden wir im folgenden (20. April 92): » Die
Bedeutung des Reichskanzleramts in unferer Politik im Der-
hältniffe zu Preußen ift gedacht wie etma in jenem Beifpiele
aus der griechiſchen Mythologie diejenige von Antacus,
der aus der Berührung mit der vaterländijchen Erde immer
neue Aräfte ſog, und den Kerhules in die Luft heben und
ifolieren mußte, um ihn zu erwürgen.« Unter den Sabeln
mit tiefem Sinn liebt der Stürft ganz befonders die vom
Wanderer, der Sonne und dem Winde, Er führte fie in
mehreren Reden an (30. Jan, 72, 21. April 87), und in
hübjcher Anwendung hielt er fie den Söglingen des Wei—
marer £ehrerjfeminars als Mahnung für ihren künftigen
Beruf vor (12. Juli 91): »Dergeffen Sie auch nicht das Mär
chen von der Sonne ımd dem Wind, melde wetten, mer
zuerft dem Wanderer den Mantel abzmwingen wird. Nicht
dem ftarken Sturm, aber den milden Sonnenftrahlen ift es
gelungen.« Auf einen alten Shmwank deutet das Scherzwort
(Sebr. 92): »es ift mir ein bischen ergangen wie den vier»
zehn Mothelfern, die dem Reiter eben von der einen Seite
heraufgeholfen hatten — da fiel er auf der andern Seite
herunter«; und auf eine Sage die Auferung (26. April 4):
Es hie früher, daf die Derfaffung mir perfönlich auf den
Leib gefchnitten jet und daß ich, wie jener Danziger Uhr:
| madher, der einzige fei, der die Uhr im Gang halten könne.s
Auch an Anführungen und Bildern aus deutjchen und
aus fremden Dichtungen fehlt es nicht. So haben mir
85
Heitihrift des allgemeinen deutihen Spradvereins. X. Jahrgang. 1805. Ur. 4.
86
Schiller (21. Dez. 90): »Später ift es mein Beftreben ge
wejen, die Ede von Weißenburg zu erringen, welche ſich
wie ein Stachel ins deutjche Sleiſch ſchob, wo der Geßler—
hut ftand, vor dem Deutfchland feine Reverenz machen
mußte«; und (21. Aug. 93): > Jede Sraktion hatte diejelben
Befürchtungen, und wenn ich daran denke, jo erinnere ich
mih an eine Scene aus Schillers Wallenſtein: „Willſt
dus nicht, jo thuts der Peſtaluzzl's Serner Shahefpeare
(3. Mai 94): » Ich habe das Gefühl der Derftimmung, wenn
man mich verdächtigt, wieder in die amtliche Stellung ein:
treten zu wollen. Es erinnert mich das an Samlet, der,
nad dem Grund feiner Verſtimmung gefragt, als Kronprinz
antwortet: ‚Es fehlt mir an Beförderung‘s; und in Bezug
auf etwaige Rüdkehr nach Berlin (Sebr. 92): >» Ih würde
erfcheinen wie Banquos Geift an Macbeths Tifch, und
mancher alte Sreund hat ohnehin fchon ein böjes Gemiffen
mir gegenüber.«e Endlich Nloliere (12, Dez. 91): »Sür heute
möchte ich nur jagen: nondum meridies. Wenn ich jet nach
Berlin käme und ſpräche für den Schuß der Landmirtfchaft,
fo würde man fagen: Vous &tes orfövre, Monsieur, und meine
Bedenken für interejfiert halten.s
Auf dem Gebiete der Geſchichte macht Bismardı be:
fonders gern Gebrauch von der hiftorifchen Anekdote, fei es
nun eine allgemein bekannte, mie die vom »gordijchen Knoten«,
die zwar auch allgemein fprichwörtlich iſt, der aber eine
neue Seite abgewonnen wird in der Bismardhfchen Äußerung
(24. Juni 92): »1Denn nach 1866 das deutfche Reich ſchon her:
geftellt worden wäre, fo hätte es auf viele unferer Eandsleute
doch den Eindruck einer Gewaltthat gemacht, und der Bür—
gerhrieg als einziges Mittel zur Löfung des gordifchen
Anotens unferer gefchichtlich überkommenen Uneinigkeit
mürde trübe Ausbliche in die Sukunft verftattet haben. Aber
daß wir alle vereint haben mithelfen können, ift die Bürg-
fchaft der Dauer. Dollkommen ift ja nichts auf dieier Welt,
und wir werden immer noh Smwirnsfäden zu löfen haben,
aber doch nur Smwirnsfädens; oder fei es, daß er an irgend
welchen minder bekannten Dorgang anknüpft, wie (Darzin,
Okt. 92): >» In folhen Situationen muß ich immer an die
Gefhichte von dem Bataillon denken, das 1848 mit den
Barrikadenleuten fraternifierte, Großes Erftaunen. Plötz-
lich wurde dem Aommandeur eine Meldung gebracht, und
fofort hieß es: So, Ainder, nun haben wir wieder Patronen,
nun geht's los!« Überhaupt greift er gern und mit humor
auf perfönliche Erinnerungen zurück, daran Bild und Gleich
nis anhnüpfend, 3.8. (8. April Zi): »Man betreibt feitens
der Öppofition die fchleunige Revifion und Abänderung der
neuen deutfchen Verfaſſung. Das kommt mir vor, wie
meine Idee als Anabe, wo ih in dem Garten meines
Daters Sichten gepflanzt hatte, welche mir zu lanafam ge
wachfen waren, Da habe ich die Wurzeln der Pflänzchen
unterfuchen wollen, habe einzelne Pflanzen herausgeriffen
und dann wieder eingepflanzt, natürlich find diefe Pflanzen
eingegangens; und der Scherz (Darzin, Okt. 92): »Bei uns
möchte man jet am liebften überall die and im Spiel
haben und nur ja nicht allein bleiben. Das erinnert mich
an ein Bausmädchen, das meiner Stau den Dienft kündigte
mit der Motivierung: "An allem kann ich mir gewöhnen,
nur an dem Einfamen nicht‘. «
Andere Bilder führen uns zur Matur, zu Tieren und
Pflanzen. So (8. Juli 93): >» Meine Befürchtung und Sorge
für die Zukunft ift die, daß das nationale Bewußtſein er
fticht wird in den Umfchlingungen der Boa conftrictor der
Bureaukratie«; ferner (18. Jan. 92): » Mit der Politik geht
es, wie mit allen menfchlichen Leidenfchaften, fie nehmen
die Band, wenn man den Singer giebt, und wie ftärkere
Raubfifche die ſchwächeren frefien, fo läßt auch die ftärkfte
unter den Meiqungen die andern nicht aufkommen.« So:
dann mit Bezug auf die Maßregel des Paßzwanges in
Elſaß · Lothringen (21. Dez. 90): » Ich habe nur die Wurzeln
der franzöfiichen Überwucherung in Paris abfchneiden wollen;
die Sweige wären, des treibenden Saftes beraubt, dann
ſchon von jelbft abgeftorben und nicht mehr im ftande ge»
weſen, den Grenzwall zu überrankene; und ſchön fagt er
von fich ſelbſt (25. Juni 92): »Es ift mir vergönnt geweſen,
meinen Mamen in die Rinde der deutfchen Eiche einzu.
fchneiden zu dauernder Erinnerung.
Seltener find die Bilder aus der übrigen Natur, auch
minder eigenartig und meift unjerem üblichen Bilderfchaße ent-
nommen, wie (12. Dez. 91): » Am Himmel der Induftrie
bildet das Siegener Land ein helles Sternbild«; ferner
(21. Mai 68): »Die kurze Seit unferes Beifammenfeins ift
fchnell vergangen, wie ein Srühlingstag; möge denn
die Nachwirkung fein, wie die des Srühlings auf die künf-
tige Seit«; oder (24. Aug. 90): > Das ift ein Ding wie eine
MTebelmwand; wenn man fi ihr nähert, um fie zu faffen,
weicht fie zurüc und man greift ins KLeere.«e fAäufiger und
‚ eigentümlicher dagegen find die Gleichniffe von Meer und
Strom, von Boden und Gelände. Die Reden bieten
dafür zahlreiche Belege; aus den Anfprachen gehört hierher
(29. NTärz 1894): » Der frühere Gegenſatz zwifchen den Rhein⸗
landen und den alten preußifchen Provinzen war noch in
den dreißiger Jahren lebendig, und die beiden verfchieden.
artigen Ströme des preußifchen Staatslebens floffen neben
einander, ohme fich zu vermifchen, wie Rhein und Main
bei ihrer Vereinigung, wo man das Waſſer beider Stüffe
noch lange getrennt erkennen kanns; ſodann (21. Juli 93): »Ich
bin überhaupt nicht der Meinung, daß die Begeifterung, die
uns mit den fechziger und fichziger Jahren in die Einheit ge
tragen hat, in der Gefamtheit des Dolkes vermindert fei; fie iſt
nur in ihrer äußern Mahrnehmbarkeit vermindert; ich möchte
fagen: der Ranal, in den fie ftrömt, ift fchmäler geworden ;«
und (15. März 92): »Boffentlih wird uns ein Wellen,
ihlag, wie der damals, der alles auf und nieder und alles
hin und her fchob, in Zukunft nicht mehr treffen.e Dom
Gelände (2. Mai 91): »Wenn ich glaube, daf das Vater
land mit feiner Politik vor einem Sumpfe fteht, der
beſſer vermieden wird, und ich kenne den Sumpf, und die
andern irren fich über die Bejchaffenheit des Terrains, jo
ift es Verrat, wenn ich fchweiges; und (16. Sept. 9): »Es
ift doch ein, wenn auch langjamer Sortjchritt zu verzeich-
nen, mit Rückjchritten, als wenn man einen fandigen
Berg hinaufjteigt oder in der Lava des Dejuv einherjchreitet.
Oft gleitet man wieder zurück, aber im ganzen kommt man
doch vormärts.«
Wie in den oben angeführten Sufammenitellungen über
den bildlichen Ausdruck in Bismards Reden und Briefen,
fo mögen auch hier zum Schluß ein paar Beifpiele folgen
von der Art, wie Bismardk, an gegebene Bilder anknüpfend,
diefelben feftzuhalten und meiterzuführen liebt. Das zeigt
ſich 3. B. in der eigenartigen Behandlung der Sprichwörter,
wovon wir in dem Büchlein über die Reden eine große Sahl
von Belegen beigebradyt haben, So wendet Bismardk das
Sprichwort: » Jeder weiß am beften, wo ihn den Schuh
drückte, von dem er überhaupt fehr gern und in mili
87
Sorm Gebrauch macht (vgl. die Reden 25. Mai 71; 1. Mai 72;
21. Mov. 74; 15. März 84), auf die Burcaukratie an, indem
er (12. Dez. 91) von den Geheimräten fpricht, als von
»Serren, die der Schuh nicht drückt, den fie für den Suß
der Induftrie zurechtfchneiden«, und jpäter bemerkt: »Die
Schmerzen, wenn die neuen Stiefel erft angezogen find, werden
folgen.«e In den parlamentarifchen Reden hat Bismark fehr
oft in der Art, wie er das von einem Vorredner gebrauchte Bild
weiter führte oderneu verwendete, feinedemandtheitund Schlag:
fertigkeit erwiefen. Inden Anfprachen oben liegt nur ein der
artiges Beifpiel vor. Als ihn ein Braunfchmeiger Derein in
plattdeutfcher Rede begrüßt (20. Nov. 91) und ihn dabei mit
einer Eiche vergleicht, unter deren Sweigen fich die deutiche
Nation zufammengefunden habe, ermwidert er, er müſſe ſich
freilich felbft fagen, »daf das von der Eiche Gefagte bei mir
nicht mehr zutrifft, ich bin alt und pollfoor — Sie kennen
den forftmännifchen Ausdruck für zapftrochen — und meine
körperlichen Sähigkeiten, als Landmann in öffentlichen Sachen
mitzwovirken, fühle ich weſentlich vermindert.«
Daß Bismarcks Sprache, in feinen Reden wie in feinen
Briefen, dereinft Gegenftand miffenfchaftlicher Behandlung
werden wird, bezweifle ich keinen Augenblick. Einftmweilen
find dafür die Baufteine zufammenzutragen, und als einen
folchen befcheidenen Beitrag zur künftigen zufammenfaflen-
den Würdigung der Sprahe Bismardks, der zugleich zu
ähnlihen Sufammenftellungen für andere Gebiete derjelben
anregen möge, möchte ich diefe kleine Arbeit aufgefaßt wiſſen.
Sürſt Bismard und das Sremdwort.
Don Dr. Otto Enon in Dresden.
Als am 30. März 1815 Goethes Drama > Des Epimenides
Erwachen« zum eriten Male in Berlin aufgeführt wurde,
wurde der fremde Name des Titels vom Berliner Dolks-
mit in die Worte umgewandelt: >» I wie meenen Sie des?«
Liegt hier zweifellos auch bewußte Parodie zu Grunde, fo
zeigt uns diefes Verfahren doch den Standpunkt, den das
Dolk von jeher fremden Wörtern und Namen gegenüber eins
genommen hat. Es lehnte fie ab oder holte fie fich durch
eine Volksetnmologie naiver oder witziger Art in feine
Kreiſe herein. Wenn in manche Mundart Sremdmörter in
nicht geringer Sahl herabgefickert find, fo bemweift das nur,
daß das Volk gern die höheren Stände nahahmt; von Baus
aus ift aber das Volk allem Sremden abhold und ruht ficher
und feit auf dem Keimifchen. Die gelehrte Bildung und der
Weltverkehr find vielmehr die alleinigen Quellen der Sremd»
mwörternot, und wir müffen hierbei noch den Unterfchied
machen, ob jemand aus eigner gelehrter Lektüre oder aus
wirklichem Verkehr mit fremden Völkern unmittelbar ein
Stemdwort in jeinen Sprachgebrauch einführt oder ob er
nur die überlieferten anwendet.
In Bismarchs Sprache fehen wir den Einfluß der ge
Ichrten und insbefondere auch der politiſchen Bildung ſowie |
des .diplomatifchen WDeltverkehrs fih nachdrücklich geltend
machen. Iſt doch eine große Sahl von Sremdmwörtern mit
dem politifchen Leben unauflöslich verbunden. Mir können
die Sremdmwörter, die Bismarck gebraucht, in drei
Alaffen teilen: 1. das politifche, 2. das gefellfchaft-
liche, 3. das gelehrte Sremdwort.
Als politifch bezeichnen wir Sremdmwörter wie die fol,
genden: Debatte, Dehlaration, Patent, Majorität, repräfen:
dividuum (89 ff.) ufw.
58
tieren, Sraktion, Sinanzen, Revolution, Periodizität, Petition,
emanieren, Gouvernement, Pofition, Dotum, Landtagskom:
miffarius, Initiative, Amendement, Tribüne (Rede vom
1. Juni 1847; Korft Aohl, Die politiihen Reden des Sürften
Bismard, hiftorifch.hritifche Gefamtausgabe I, 1—1T);
Emanzipation, Paragraph, Aommunift, Theorie, praktifche
Momente, Edikt, Bureaukratie, appellieren, Dispofitionsredt,
Aorporierung, Aorporation (Reden I, 22—31) ufm.*) Die
politifchen Sremdmwörter finden ſich zum weitaus größten
Teile bereits in den Gefekesvorlagen, über die verhandelt
mwird, ebenfo werden fie von den übrigen Rednern ausnahmz
los gebraudt, fo daß noch heute faft alle diefe politischen
Sremdmwörter in den parlamentarifchen Verhandlungen üblich
find und auch wohl fchmerlich verfchmwinden werden. Diele
davon wuchſen erft nad 1866 und 1870 aus dem politischen
£eben hervor, 3.3. Septennat, Aternat, Sozialdemokratie,
nationalliberal, Kolonialpolitik, Aulturkampf, Invaliditäts-
geſetz, Arnplorepublikaner der Sortfchrittspartei, Revanche
pour Sadowa, le feu sacrd de la revanche, Arbeiterbataillone
orientalifche Kriſen, Centrumspartei, Polonifierung um.
Ebenfomenig unterfcheidet fih Bismarck hinfichtlich des ge⸗
fellfchaftlihen Sremdmwortes von dem üblichen Sprady
gebrauch der damaligen Seit, Gefellihaftlihe Sremd—
wörter nennen wir Wörter wie die folgenden: proteftieren
(Reden I, 7), dihtieren, Intereffen, Tendenz, Motiv (I, 9),
Solidität, faktiſch, Konzeſſion, Inkonfequenz, authentiſch,
unartikuliert, Parallele, Saktum (J, 11 ff.), intelligent,
charakterifieren, Eriftenz, realifieren, Spnmpathie, Mobiliar
(I, 21 ff.), notorifch, gravierend (I, 65 ff.), Injurie, genieren
(68), imponieren. infultieren, Konftabler, Ilufion, In
Schon bei diefen beiden Gruppen
von Sremdwörtern, die der große Staatsmann ebenfo oft
anwendet wie andere Redner der Seit, findet fich doch
zwifchen Bismarck und ihnen ein Unterfchied im de
| brauche darin, daß er fih das Sremdwort durdhaus
in feine frifche, urfprüngliche und bilderreiche Aus:
drucsmeife hereinholt. Als der Abgeordnete v. Vincke
ihm antediluvianifche Anfhauungen vorgeworfen hatte,
antwortete er: »/Das den antediluvianifchen Standpunkt
betrifft, auf dem ich ftchen foll, fo ift es derfelbe, auf welchem
der geehrte Abgeordnete vor etwa vier Wochen und vor noch
kürzerer Seit felbit ftand. Mag er eine innere Sündflut
erlebt haben, die feine bisherigen Anfchauungen fortge
ſpült hat, an mir ift fie vorübergegangen, ich bin mir treu
geblieben. Mein antediluvianifcher Standpunkt ift mir noch
ebenjo lieb als das Aſyl in der Arche Noah, in welcher der
' verehrte Abgeordnete feine Anfichten jet unterzubringen
ſucht.« (I, 96).
Dem Abgeordneten v. Becherath, der am
T. Sept. 1849 in der preußiſchen zweiten Kammer mit Bezug
auf Bismarck gefagt hatte: »Das große deutfche Daterland
muß auch einen verlorenen Sohn haben«, ermiderte Bis
marc: »Der verehrte Redner hat mich nachher einen ver-
lornen Sohn Deutjchlands genannt. Ich glaube, daß dieſe
Bemerkung eine hoͤchſt perfönliche ift. Meine Herren! Mein
Vaterhaus ift Preußen, und ich habe mein Vaterhaus noch
nicht verlaffen und werde es nicht verlaffen. Ich weiß
N Aus Mangel an Raum hönnen hier meine umfangreichen Beleg
Sammlungen für das erite Auftreten jedes einzelnen politifchen, gefenjchaft:
lichen und gelehrten Sremdwortes in den Heden Bismardıs nicht mit zum
Abdruch kommen,
89
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. X. Jabrgang. 1895. Ar. 4.
90
nicht, ob die Wiege des Kern Berichterftatters ebenfalls
in Preußen geftanden hat, und follte dies nicht der Sall fein,
fo muß ich ihm fagen, daf er noch gar hein Daterhaus hat,
es alfo auch nicht verlaffen kann. Su dem feinigen”) ift
man noch bei Legung des erften Sundaments, vielleicht
erſt beim Steinfprengen begriffen. Sat aber feine Wiege
mwirklih auch in diefem Vaterhaus geftanden, dann iſt er
der verlorene Sohn, und ich hoffe, daf er von feiner außer:
häuslichen iönllifhen Beſchäftigung bald in fein Daterhaus
zurückkehren werde« (I, 117f.). »Das Wort .konititutio.
nell«, jagt Bismarck in der Rede vom 24. Sept. 1849, »ift eines
der Stichwörter, die in neuefter Zeit das Vorrecht haben,
an die Stelle jeden Grundes fich einzuftellen. Wo Gründe
fehlen, stellt zur rechten Seit das Wort fich ein.**) Wo
es fih um fo durchgreifende Anordnungen handelt, follte
man doch wohl fragen, ob fie gerecht oder ungerecht, ver
nünftig oder unverninftig, für Preußen nütlich oder fchäd»
lih find. Darnach fragt aber niemand; man fragt nur,
ob fie für konftitutionell gelten. Aber über die Bedeutung
diejes Wortes werden Sie jelten zwei Menjchen einig finden,
jeder befchuldigt feinen Gegner des falfchen Konftitutionalis»
mus, und eine authentifche Interpretation fehlt.« (I, 121.
122). Am 17. April 1850 äußerte Bismardı: »MDir dürften
nach einer Erfahrung von zwei Jahren fo manchen unter
uns haben, der vor der Revolution fein Licht fo heil leucy
ten und jo fcharf auf die Mißbräuche des Staatsgebäudes,
in welchem er eben wohnte, fallen lieh, daß dasjelbe jchlieh-
lich in Brand geriet, und der ſich überzeugt haben dürfte,
daf die Tendenz der Gejegebung, welche lediglich den Schutz
der Verſchwörer gegen die Obrigkeit im Auge hat, auf die
Dauer nicht haltbar ift; fo wie die Männer des koniti-
tutionellen Rütli von Keppenheim***) fich überzeugt
haben werden, daß die Slamme, melche fie liebten und für
mwohlthätig mwärmend hielten, fie ſelbſt verbrannt haben
würde, wenn nicht das kalte Eifen der Reaktion
Löfchend dazmifchen ging. Ich möchte Sie alfo bitten, meine
Berren, alles zu thun, was nach den vorliegenden Anträgen,
von denen ich bedaure, daß fie nicht noch weiter gehen, in
Ihrer Macht fteht, damit diefer Blafebalg der Demo,
khratie nicht in den Bänden verbleibe, um die fiohlen unter
der Afche anzublafen. ...... Ich will die Demokratie nicht
gerade das Reich der Geifter nennen, aber die Geiiter, die
verneinen, gehören ihr, und wie leicht davon ein Reich auf:
zurigen ift, F) werden mir noch erleben, mag es auch augen-
blichlich ruhig ſcheinen.“ »Möge in der preußifchen Sinany
verwaltung, fagt er ein anderes Mal, niemals das kon-
ftitutionelle Sprichwort zur Richtichnur dienen: Apres
nous le deluge« (I, 199). »JIch fürchte«, jagt er am
15, April 1850, »daf der Eindruck der feiterkeit noch da»
durch verftärht werden könnte, wenn wider Erwarten, ob»
gleih die Derfammlung in ihrem Befchluffe der Derfaffung
ihre volle und unbedingte Genehmigung erteilt hat, dennoch
von den jetzt verbundenen Staaten noch mehrere das Ile,
*) nämlich zu dem »großen deutichen Vaterland «.
**) Das erinnert an Herm. Dungers jpätere Ummandlung des näm:
liden Sauitwortes (Goethes Sauit I, 3): » Denn eben, wo Begriffe fehlen,
fteitt fih zur rechten Zeit ein Sremdmwort ein.«
+") 50 nennt er die Derfammlung von Liberalen aller deutichen Länder, |
die am 10. Okt. 1847 zu heppenheim abgehalten wurde und die Dolhzver
tretung beim Bunde zum Gegenitand der Beratung hatte,
F) » Leicht aufzurigen ift das Neich der Geifter.« Jungfrau v, Orleans,
Prol. 2, Auftr.
oder um mit dem Abgeordneten von Arefeld (v. Beckerath)
zu fprechen, das um fie gejchlungene Band deutfcher
Bruderlicbe zerreißen follten, wenn dennoch beifpielsweife in
den beiden Beffen es der konftitutionellen Staatsma-
ſchine troß der höchſten Anfpannung der etwa noch nicht
erkalteten Srankfurter Dämpfe nicht gelänge, das Ventil
fürftlichen MWiderfpruchs in die Luft zu fprengen« (I, 231).
In einer andern Rede behlagt er, »daf wir auf den Eeib
der deutichen Einheit den fadenfcheinigen Rock einer fran-
zöfiihen Ronftitution ziehen« (I, 235). Bei der Beratung
über die Adrefie an den König, die 1850 als Antwort auf
die Thronrede eingereicht werden und harte Angriffe gegen
die Regierung enthalten follte, jagte Bismardt, der die preu-
Biiche Politik verteidigte: ⸗Jede Srage der Adrefje, welche
die auswärtige Politik berührt, birgt Krieg oder Srieden in
ihrem Schoße; und meine Berren, welchen Arieg? Acinen
Seldzug einzelner Regimenter nah Schleswig oder Baden,
heine militärifche Promenade durch unruhige Provinzen,
fondern einen Krieg im großen Nlaßftabe gegen zwei unter
den drei großen Aontinentalmächten, während die dritte
beuteluftig an unferer Grenze rüftet und jehr mohl weiß,
daß im Dome zu Aöln das Aleinod zu finden ift, welches
geeignet wäre, die franzöfifche Revolution zu fchließen und
die dortigen Machthaber zu befeftigen, nämlich die fran-
zöſiſche Aaiferkrone« (I, 264). Die damals geplante Union
nennt er »ein zwitterhaftes Produkt furchtſamer Herrſchaft
und zahmer Revolution« (1, 274), und er warnt davor, »im
Namen der deutfchen Einheit auf die parlamentarifche
Union hinzudrängen« (I, 273). Ein anderes Mal äußert
er: »Die preußiiche Ehre befteht nach meiner Überzeugung
nicht darin, daß Preußen überall in Deutfchland den Don
Quirote fpiele für gekränkte Kammercelebritäten, welche
ihre lokale Verfaffung für gefährdet halten.« So weiß
er das Sremdiwort zu fehlagender Darlequng feiner politis
Shen Grundanfhauungen zu benuten, wenn er fagt: »Die
einzig geſunde Grundlage eines großen Staates ift der ftaat-
liche Egoismus und nicht die Romantike« (1, 264). Ebenjo
kurz und treffend ift es, wenn er bemerkt: »Der Weg, zwi»
fchen Regierungen Bejchwerden zu erledigen, ift der der
dDiplomatifchen Aorrefpondenz, nicht der der öffent
lihen Deklamation« (III, 127). Das »bureaukratijche
Elements ftellt er in einer andern Rede ſehr bezeichnend
»einer lebendigen, mit dem Dolk in unterbrochener Wechſel ⸗
wirkung ftehenden Volksvertretung« gegenüber (IV, 98).
Ein hübfches Wortfpiel ift es, wenn Bismard fagt: »Bei
uns regiert der König felbft, die Minifter redigieren wohl,
was der Aönig befohlen hat, aber fie regieren nicht«
(IX, 220). Ein anderes Mal jagt er: »Der Kerr Abgeord-
nete hat ein gegen mich gerichtetes, oder doch von ihm auf
mich direht angemendetes Urteil des Dr, Stahl angeführt,
in welchem er das, was mir jet thun, eine unverftändige
Reaktion nennt. Ich mill darüber nicht weiter mit ihm
rechten, ich will nur fagen, daß die Reaktion immer eine
Solge der Aktion tft: wie die Aktion ift, jo wird auch die
Reahtion fein; wie man in den Wald hinein fchreit, jo
fchreit es wieder heraus; gegen eine verftändige Aktion
wird auch nur eine verftändige Reaktion erfolgen können«
(2. Juni 1865, II, 372), Id habe viele hundert Beifpiele
diefer Art aus jämtlichen zwölf Bänden der Reden Bismardıs,
ſowie aus feinen Briefen gefammelt; ih muß mich hier
auf die angeführten Andeutungen befchränken, die aber
3
91
fhon hinreichend darlegen, in welcher Weiſe Bismarck
das Sremdwort verwendet. Ich denke jedoch, daß dies eine
Art ift, die alle, die nicht gerade Beifjfporne der Sprad)
reinigung find, geift» und gefchmadwoll finden werden.
Dazu kommt, daß man damals einen Aampf gegen Sremd»
wörter, wie heute, nicht kannte, ferner daß alle ſprachlichen
Wendungen, die Bismarck gebraucht, unmittelbar im Drange
des Augenblicdis, in lebhafter, oft leidenſchaftlicher Verband.
lung über große politifche Sragen entjtanden find, fehr oft
völlig aus dem Steareife, und daß uns doch heute noch, wenn
wir uns öffentlich in freier Rede ergehen, oft zunächſt das
Stemdwort in den Mund kommt und die deutiche Wendung
erjt hinterher einfällt, obwohl wir heute im Gebrauche
von DVerdeutihungen doch ſchon eine ganz leidliche Übung
befiten. Endlich ift aber der größte Teil der Sremdmwörter,
die Bismarck verwendet, überhaupt durch die Bewegungen
der Seit ihm zugetragen worden, und mir jehen in vielen
feiner Sremdmwörter ficd geradezu die Seitgeſchichte ſpiegeln.
So wird 3. B. das Wort fozial zum eritenmale von ihm
gebraucht in der Rede vom 21. März 1849, wo er von der
Beratung »über die Grundlagen unferer fozialen und poli«
tifchen Suftände« fpricht (I, 70). Erit im Jahre 1865 bei
der Verhandlung über die Bittfchrift der Waldenburger Weber,
wo Bismard in fo großartiger Weiſe ausführt, daß der
Schuß der Armut eine Aufgabe des preußifchen König
tums ſei, taucht das Wort, aber immer noch vereinzelt,
wieder bei ihm auf (II, 316), bis es dann vom Jahre
1876 an (Rede vom 9. Sebr. 1876, VI. 348 ff.) nebſt den
Worten Sozialismus, Sozialift, Sozialdemokratie
bis zu feiner Entlafjung 1890, wobei ja gerade die foziale
Stage eine Rolle fpielte, unausgefeßt auf der Tagesordnung
bleibt und überaus oft vorkommt. Das Wort Konflikt
findet ſich bei ihm zum erjtenmale in der Rede vom 24, Sept.
1549, beherrjcht dann in den Jahren 1862—1866 geradezu
die parlamentarifchen Verhandlungen, verichwindet aber
nach den Ereigniffen von 1866 und 1870 vollftändig aus den
Reden der Abgeordneten und Regierungsvertreter; höchitens
daß es dann und mann noch einmal als Erinnerung an
einen ſchweren Seitabfchnitt der politifchen Entwictelung
von Bismarck gebraucht wird,
der übrigens von gemwiffenlofen Wahlmachern dazu benußt
wurde, daß man den Keuten vorredete, jeder Soldat folle
künftighin fieben Jahre dienen (ein Beweis, wie gefährlich
Stemdwörter werden können), kommt zum erftenmale ganz
vereinzelt vor in den Jahren 1874 und 1880, da aber nicht
bei Bismard; bei diefem erjcheint er erit in Verbindung
mit den Worten Aternat und Triennat in feiner Rede vom
11. Jan. 1887 (XII, 223). Urſprünglich gebrauchte Bis
march dafür lieber die Ausdrücte »fiebenjährige Periode«,
» Bewilligung auf fieben Jahres; daher kommt es, daß wir
das Wort bei ihm jo fpät finden, obwohl es jeit dem 25. Nov.
1886 in Prejfe und Parlament geradezu beherrjchend auftrat;
kam es dody jogar in der Mote vor, die Papit Leo XIII.
am 3. Jan. 1887 an den apojtolifchen Muntius di Pietro
in München durch den SKardinalftaatsfehretär Jacobini |
ergehen lie: » Der Heilige Dater wünjcht, dab das Centrum |
die Dorlage des militärischen Septennats in jeder dem:
jelben möglichen MWeife begünftige.« A
mit den Worten annektieren, Annerion u.a, Aus den
angeführten Beifpielen geht wohl zur Genüge hervor, daß
fih in den Wörtern die großen geiftigen, wirtfchaftlichen
Der Ausdruck Septennat,
Ahnlich verhält es fih |
| nicht Citate find, die dem klaſſiſch Gebildeten an ſich ge
Seitichrift des allgemeinen deutichen Spradvereins. i X. Jahrgang. 1895. fir. 4.
92
und politifchen Bewegungen der Völker niederjchlagen, daß
nicht die Menjchen, fondern die Dinge die Worte prägen,
und daß auch hier, wie überall im Leben, die Dinge mädy
tiger find als die Menjchen. Indem Bismarck diefe Wörter
in geiftvoller und urfprünglicdyer Weiſe in feinen Wortſchatz
übernimmt, zeigt er fich zugleich wieder als der Mann der
Thatfachhen, der nicht nur in feinen Bandlungen, fondern auch
in feiner Nusdruchsmweife den Derlauf der Dinge und Ereig-
niffe mit einer Wahrheit ohnegleichen mwiederfpiegelt.
Außer den beiden Gruppen von Sremdwörtern, die wir
bisher behandelt haben, findet ſich aber bei Bismarck noch
eine dritte Gruppe, die aus feiner Beherrſchung der gelehr-
ten Litteratur und der internationalen Derkehrsiprachen her:
vorgeht und von ihm entweder im Unterſchied von den
meiften andern Rednern gebraucht oder in vielen Sällen
jelbftändig in unfere Sprache eingeführt wird. Dieje dritte
Gruppe bezeichnen wir als das gelehrte Sremdmwort.
Im Gegenfatz zu den vorigen beiden Gruppen jehen wir in
diefem Sremdmorte häufig die Gegenwirkung des Menſchen
gegen die Dinge, die jelbftändig in den Gang der Entwiche
lung hineingeworfenen Worte, obwohl diefe doch auch wieder
von Thatjachen, 3. B. von dem Bildungsgange, der Lektüre
und der Ummelt (dem Milieu) des Menfchen abhängig find.
Du diefen gelehrten Sremdmörtern rechnen wir beiſpielsweiſe
folgende, die bei Bismardı vorkommen und oft noch als
unmittelbare Anführungen (Litate) erjcheinen, oder mwenig:
ftens in der Mitte zwischen Sremdwort und Anführung ftehen:
querelle allemande (Reden I, 92), Sie find en demeure ge:
fegt zu reden (II, 383), responaa prudentum (III, 21),
expressis verbis (III, 60, 435), à prendre ou ü laisser (III,
112), ignorantia legis (II, 135), Amplifieation (IV, 162),
compte-rendu (IV, 206), do ut des (1V, 235), d@mangeaison
ſd. i. Gelüft) nach KHändeln (VI, 344), à tour de röle (VII,
145), ü huis clos die Sigungen halten (d. i. bei geſchloſſenen
Thüren, VII, 572) ufw.
Gegen dieſe ungemöhnlicheren 1Dendungen und Sremd»
wörter richteten die Gegner Bismarcks, die jelbjt ihren Stil
hinreichend mit Sremdwörtern durchfegten, ihre Angriffe, als
Bismarck im Jahre 1862 eben Mlinifter geworden und in
der Kommiflionsfigung vom 30. Sept. 1862 gegen die Auf:
faffung, als ftche dem Abgeordnetenhaufe ein einjeitiges
Bewilligungsrecht zu, aufgetreten war. Die Aölnifche Sei
tung fchrieb darüber am 2. Okt. 1862: » Je länger der
Minifter (Bismarck) fprah — und er ſprach, wenn aud)
ftoßmweife und oft abgebrochen, doch fließend, ſprach alfo in
kurzer Seit mancherlei — defto ſchärfer trat der Gegenfat
hervor zwijchen der ernten, fachlichen Art, mit der bisher
gerade die Budgetkommiffion die Sache des Landes gefördert
hat, und zwiſchen diejem reichlich mit Sremdmwörtern ver:
zierten Geplauder — 3. B. deraillieren, indulgieren, Aako
phonie u. dergl. Ich bedaure, daf nicht Stenographen da
waren, deren Aufzeichnungen dem Lande ein getreues Bıld
diejes Vortrags geben könnten. Jedenfalls würde dann über
den Politiker Seren v. Bismard nur ein Urteil fein. Nun,
die Aurzfichtigkeit diefes hafverblendeten Gegners hat der
Verlauf der Ereigniffe längft erwiefen. Der Gebrauch der
Stemdmwörter hat der Bismardiichen Politik nichts gejchadet.
Gerade aber die ungewöhnlicheren Sremdwörter, jomeit fie
läufig find, zeugen von dem lebendigen Verkehr Bismarcks
mit Ausländern oder von feiner außerordentlich großen Be
93 Zeitibrift des allgemeinen deutihen Spracvereins. X. Jahrgang. 1895. Ur. 4. 94
lefenheit in der englifchen und franzöfifchen Kitteratur.
Ich muß mich darauf befchränken, das an wenigen Bei:
fpielen nachzumeifen. Der von Bismardt in unfere Sprache
eingeführte Ausdruch douce violenee entftammt der Aufe-
rung von Sranzofen, mit denen Bismark in Srankfurt
verkehrte. Eine ſolche franzöfifche Äußerung, die aber fpäter
fällt als das erfte Vorkommen des Ausdrucs bei ihm ſelbſt
(f. unten), hat uns Bismarck in feinen Briefen überliefert.
In einem Briefe an den Generallieutenant v. Gerlach in
Berlin aus Srankfurt, vom 2. Sebr. 1855, fchreibt Bismarck:
»Ein Sranzofe fagte mir geftern, die füdlichen Staaten würden
fih dem anfchließen, der zuerft mit Truppen bei ihnen ift,
ils e@deront A une douce violence, aussitöt qu’ils verront
deboucher nos colonnes du pont de Kehl.«*) Mir finden den
Ausdruck bei ihm zuerit in einem Schreiben vom 6. und
7. April 1852 aus Srankfurt, in dem es heifjt: »Das Be
mußtjein des Mangels an Einfluß und an Derantwortung
in Bezug auf die großen Sragen europäifcher Politik ermög-
licht hier (in Srankfurt) bei den kleinen Staaten eine mohl-
feile Tapferkeit in Behandlung derfelben, als deren errmünfch:
ter Abfchluß ihnen eine von der Pentardyie der Großmächte
angethane douce violence vorſchwebt, welche man erduldet,
ohne dem engeren Daterlande das Bemußtfein und den Ruhm
zu verkümmern, in der Dertretung des Rechtes und der
Ehre Deutfchlands nur der vis major gewichen zu fein.«**)
Darauf findet fih dann der Ausdruck wiederholt in Bis:
mars Reden, felbft noch in fipäteren Jahren, Der Aus
druct les haines inassouvies entftammt nah Bismarcks
eigenem Ausipruche (Reden VIII, 189) -einem franzöftichen
Kiftorikers, den er in einer fchlaflofen Macht las: »Il devait
suecomber au poids des haines inassouvies qui s’accumulent
sur la täte de tout ministre qui reste trop longtemps au
pouroir,« Derfchiedene folder Wendungen gehen auf das
Werk L’origine de la France contemporaine von Taine zur
rücd, das Bismardı fehr hoch ichätzte. Andere Wendungen
entftammen Shakefpeare und englifchen Schriftftellern, ein
großer Teil gehört der juriftiichen Sachwiſſenſchaft an.
Dem Sremdwörterreihtum in Bismarcks Reden und
Briefen, alfo im mündlichen und vertraulichen Stile, fteht
nun aber eine zweifellos abfichtlich durchgeführte Vermei—
dung der Sremdmwörter in den Thronreden, amt-
lichen Erklärungen und Botfchaften gegenüber, die von
Bismarck verfaßt und gegengezeichnet find. Alle dieſe Schrift:
ftüche find faft völlig frei von entbehrlichen Sremdwörtern.
Dem feierlichen und erhabenen Stile folcher weltgeſchichtlichen
Derhündigungen hielt demnach Bismard das Sremdwort
nicht für angemeffen. Aber auch ſonſt fehen wir in Bis»
mardı — es ift das ſchon eine felbitverftändliche Solge feines
Drängens auf die höchſte Alarheit in Sprache und Dar.
ftellung — ftets das Streben nah Derdeutichung oder
wenigitens genau zutreffender Erklärung fremder Aus»
drücke lebendig. So bedauert er oftmals, daf ihm im Augen:
blicke der deutiche Ausdrud fehlt. »Die Alagen, welche hier
über die Laften ausgeiprochen werden, welche die Bundesein-
richtungen auferlegen«, jagt er am 11. Dez. 1867, >haben ein
zu weites — retentissement — mir fällt im Augenblic:
*) Politiide Briefe Blsmarcks aus den Jahren 1840-1850. 4 Bünde.
Berlin, 1889-1803. 11, 108.
**) Pofchinger, Preufen im Bundestag 1851— 1859, Dokumente der königl.
preufjiichen Bundestagsgefandtichaft. 4 Bände. Leipzig, 1882 — 1584. I, 64.
kein entfprechendes deutfches Wort ein« (III, 395). In der
berühmten Rede vom 6. Sebr. 1888 kommt die Stelle vor:
Es hat ja fehr,leicht den Anfchein, als ob die Anhäufung
ruffifcher Truppen, die in der Mähe der deutichen und der
öfterreichifchen Grenzen ftattfindet, in Gegenden, wo ihre
Unterhaltung teurer und fchmwieriger ift als im Innern des
Landes, nur von der Abficht eingegeben werden könnte,
eines der Nachbarländer sans dire: gare! — mir fehlt
gerade der deutfche Ausdruck — unvorbereitet zu überfallen
und anzugreifen« (XII, 444), Z3uweilen fügt er gleich den
deutjchen Ausdruck bei. Am 15. Juni 1847 fagt er: »Ich
glaube in meinem Rechte zu fein, menn ich einen ſolchen
Staat einen chriftlichen nenne, welcher fih die Aufgabe ger
ftellt hat, die Lehre des Chriftentums zu realifieren, zu
verwirklichen« (I, 24). »Gin Unterfchied von einem Jahre
wird denn doch nicht das Deralten, Das Obfoletwerden
bewirken« äußert er am 27. Sebr, 1863 (II, 136). >Mad-
trägliche Genehmigung ftatt Indemnität heißt es in
der Rede vom 13, Okt. 1862, durch die damals von Bismarck
der Landtag gefchloffen wurde (II, 59). Nachdem er am
22. Jan. 1864 die Worte Sriedrich Wilhelms I. angeführt
hat: »Was ich ruiniere, das ift das nie pozwalam der Junker
(d. i. das Einfpruchsrecht des polnifchen Adels). Ic etabliere
die souverainetö comme un rocher de bronze« fährt er fort:
Meine Kerren! Der rocher de bronze fteht noch heute feit;
er bildet das Sundament der preußiſchen Geichichte, des
preußifchen Ruhmes, der preußifchen Großmacht und des
verfaffungsmäßigen Aönigtums! Diefen ehernen Selien
werden Sie nicht zu erfchüttern vermögen durd Ihren
Mationalverein, durch Ihre Refolution und Ihr liberum
Veto (d. i. Einfpruchsrecht)« (II, 273). In der Rede vom
22. Närz 1849 kommt die Stelle vor: »Die Begnadigung
oder die Amnejftie, oder welchen anderen Euphemismus
Sie anmenden mollen, ift ein Recht der firone= (1, 76).
Sehr klare Auseinanderfegungen giebt er wiederholt über
die Begriffe Ronftitution und konftitutionell. So fagt
er am 21. April 1849: »Ich halte das nur für konſtitu—
tionell, was verfaffungsmäßig ifl. In Preußen ift
nur das konftitutionell, was aus der preußifchen Derfaffung
hervorgeht. Mag in Belgien oder Srankreich, in Anhalt»
Defjau oder da, wo der morgenrötliche Glanz der mechlen-
burgifchen Sreiheit ftrahlt, honftitutionell fein, mas da will;
hier ift nur das konftitutionell, was auf der preußiſchen
Derfaffung beruht (I, 86 f.). Den Aonftitutionalismus be
zeichnet er als überrheinijch, als das Nefjusgewand der fran«
zöſiſchen Staatslehre, das wir uns dody nicht auf unfern
gefunden Aörper ziehen follten (I, 124 f.).
Als am 24, Sept. 1849 der Abgeordnete von Becherath
geäußert hatte, daß eine Derfaffung, die das Hecht der
Steuervermweigerung nicht enthielte, den Mamen einer Sion
ftitution nicht verdiene, erwiderte Bismarck: » Ich will ihn
nur darauf aufmerkfam machen, daß das Wort Ronftitution
bloß der franzöfifche Ausdruck für Derfaffung ift, und es
wird nur darauf ankommen, ob wir franzöfiich oder deutich
über die Sache fprechen wollen « (I, 122 f,). Don der »uns allen
fo teuren Ronftitution der Derfaffunge ſpricht er felbft
am 30. Sept. 1862 (II, 23), von einer »konftitutionellen
Derfaffung« am 24. Sept. 1849 (I, 122), immer nur unter
Sserübernahme diefer Ausdrüche von andern Rednern, welche
| die beiden Ausdrücke im Sinne Beckeraths fahten. — Den
\ Ausdruck »swajfermäßiges Gleichgewicht« braucht er in
95
Seitichrift des allgemeinen d deutihen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. (Ir. 4.
der Rede vom 12. Sebr. 1851 (I, 290). Statt Generaldebalte |
fagt er allgemeine Debatte (IV, 68). »JIc bin vorgejtern
abend bei Lefung Ihres Montagblattes, vor Sreude auf
meinem Stuhl rund um den Tiſch geritten« fchreibt er am
7. Nov. 1850 aus Reinfeld an Wagener, den Aerausgeber
der Kreuzzeitung (Bismarch - Jahrbud I, 14). Oft gebraucht
er den deutjchen Ausdruck im Wechſel mit dem fremden.
In der Rede vom 21. März 1849 heißt es: »Wir find ge
mwählt von der Majorität der MWahlmänner und diele
miederum von der Mehrheit der Urwähler« (I, 73). »Mir
leben nicht« fagt er am 29. Jan. 1863, »unter dem Regime
des allgemeinen Stimmredts, jondern unter der Berrichaft
des Königs und der Gefege« (II, 95), wobei die Seinheit
in der Wahl der Bezeichnung für eine aus dem Sranzöfi-
ſchen herübergekommene und für eine alte deutfche und
preufifche Einrichtung zu beachten iſt. »Die Aapitulation
von Langenjalza«, äußert er am 11. März 1867, »ift kein
Staatsvertrag, .... jondern eine militärifche Kon:
vention« (III, 185). Ein anderes Mal jagt er: »In Eng
land giebt es eine große Anzahl annähernd königlicher
Eriftenzen — ich will näher erläutern, was ich darunter
verfiehe — gänzlich desintereffierte Eriftenzen, die auf
diefer Melt eigentlich nichts Erhebliches zu wünfchen haben,
was fie verleiten könnte, anders als nach ihrer wohlbedach⸗
ten ruhigen Überzeugung vom Beften des Staatswohls zu
urteilen, ich will lieber jagen, befriedigter Eriftenzen,
denen der Trieb fehlt, auf dem politijchen Gebiete die Be
friedigung fozialer und finanzieller Beftrebungen zu fuchen« |
(28. März 1867, III, 250f.). Sumeilen gebraucht er Ge—
werbfleif ftatt Induftrie (II, 66, in der Rede, mit der
er den Landtag am 14. Jan. 1863 eröffnet), Einverleibung
ftatt Inkorporation (III, 57) wa. Als ſich einft bei der
Beratung der Verfaffung des Norddeutichen Bundes ein |
längerer Wortkampf darüber entjpann, ob man jtatt>Bun:
desfeldherr«e Bundespräfidium feken folle, erklärte |
fih Bismardı für das Wort Bundesfeldherr, fügte aber
hinzu: »Große Staaten, die ein Urteil darüber fällen, haben
nicht die Gemohnheit der Silbenftecherei« und: » Deraleichen
Anträge, die ich als vollitändig müßig bezeichnete, halten
uns auf, .... über diefe Srage, ob Bundesfeldherr, ob
Bundespräfidium, die doch ebenſo gleichgiltig ift, wie wenn
ich fage ‘Der Kerr Abgeordnete für Göttingen’, oder "der
Kerr Abg. Sachariae', oder "der Kerr Profeffor Sachariae',
darüber haben mir menigftens eine halbe Stunde — id
ichlage es gering an — bier geiprochen« (26. März 18607,
IIL, 230 ff.). Ich glaube, daß auch wir aus diefen Worten
die heilfame Kehre für die Sprachvereinsbemwegung ziehen
können, uns dabei niemals, wie es doch leider zuweilen ge
Ichieht, in Silbenftecherei zu verlieren.
Befonders wichtig find die Erklärungen fremder Ausdrücke,
die Bismarck häufig einfügt. In feiner Rede vom T. Sebr. 1851
erklärt er »rite vorgeladen« als »richlig vorgeladen«, was zu
gleich das »rechtzeitig« in fich begreife (1, 285). Den Begriff
- r —
Bureaukratie erläutert er in folgenden Worten: »Der Ab⸗
folutismus fällt bei uns nach den gegebenen Suftänden zur |
jammen in meiner Auffaffung mit der Idee geheimrätlicher
Allgewalt und dinkelhafter Profefiorenmweisheit hinter dem
arinen Tiſch, ein Produkt, und, ich wage zu behaupten,
ein notwendiges Produkt derjenigen preußiichen Erzichungs:
methode, die dem Individuum, melches ihren Erperimenten
auf den Önmnafien und Univerfitäten unterworfen wird, |
%
den Glauben an jede Autorität in diefer und jener Melt
nimmt und ihm nur den Glauben läßt an die eigene TDeis-
heit und Unfehlbarkeit. Diefes Produkt, die Bureau
kratie, habe ich nie geliebt« (I, 303), Als das »£ebens-
prinzip des KAonftitutionalismuse bezeichnet er »den Weg
der Aompromijfe, den Weg der gegenjeitigen Mad
giebigkeit, der gegenfeitigen Anerkennungs« (III, 100).
Dem Abgeordneten Araufe entgegnete er am 18. Juni 1847:
»Der verehrte Redner ift zum drittenmal auf dem etwas
müde gerittenen Pferde auf mich eingeiprengt, welches vorn
Nlittelalter und hinten Muttermilch heißt .... Ich erkläre
ihm daher mit Bezug auf das Mittelalter, dat; ich mid
‚ bisweilen der Sigur der Ironie bediene; es ift das eine
Redefigur, mit welcher man nicht immer das jagen will,
mas die Worte buchſtäblich bedeuten, mitunter jogar das
Gegenteil« (I, 34). In der Rede vom 9. Mai 1834 erklärt
er den Ausdruc banaufifch: »Das ift die letzte Wafife
| derer, denen alle Gründe und alle Sähigkeit, etwas zu er.
midern, ausgegangen find: man ftellt dann — verzeihen Sie
mir den Ausdruch — ein banaufiihes Gelächter an.
Banaufijch nenne ich, wenn man von der Sache, über die
man lacht, nichts verfteht. — Sie find alle klaſſiſch gebildet
genug, den Ausdruck zu verftehen, und ich möchte, dag man
diefes Banaufentum, mo man mit nichts als mit unarti
kuliertem Bohngelächter auf ernite Darlegungen antwortet,
aus unjerer gebildeten Gejellichaft entfernt« (X, 106). Aka:
demifche Vorträge überfegt er mit dem Ausdruc >»un:
praktiiche Dorträge« (IV, 12). In den Situngen des Ber.
liner Kongreffes giebt er eine eingehende Erklärung der Be
zeichnung Miliz. »Mlilize, fagte er da am 22. Juni 1878,
sift eine Truppe, welche, bei regelmäßigen Suftänden, fich
am häuslichen Sserde befindet und, bei außergewöhnlichen
Umftänden, nur auf befonderen Befehl des Souveräns zufam:
mentritt.«*) Die Wörter »offiziöse und »Reptilienprefic«
unterfucht er in der Rede vom 9, Sebruar 1876: »Es hat
heine Dummbeit gegeben, die man mir auf diefe Weiſe nicht
imputiert hat durch das einfache Wort “offiziös"
Diejer Beifatz "offiziös’ und diefe Derdächtigungen irgend
eines Dlattes, je nachdem man es gerade braucht, als eines
.er ee“
"fubventionierten’ durch das Wort "Reptilie' ift ja eine
wirkſame Bilfe in der publiziftifchen Diskuflion,
Das Wort
Reptilie, Reptilienvater, Reptilienprefje in der Meinung,
mie es gebraudyt wird, kommt mir immer vor, als wenn
Leute, die mit dem Gefete in Konflikt treten, auf die Poli»
zeit fchimpfen und fie Diebsjäger und dergleichen nennen,
Reptilie — wie entitand das Wort?“) Unter Reptilien ver
ftanden wir die Leute, die in Höhlen — bildlich gedacht —
kurz und qut in verwegener Weiſe intriguieren gegen die
Sicherheit des Staats, und man hat das num umgedreht und
nennt jetzt Reptile diejenigen, die das aufzudecen fireben.
Mit diefem Sprachgebrauch will ich nicht rechten. Es iſt ja
ganz einerlei; ich erkläre nur, dat es Neptile des auswär—
*) Poidyinger, Die Anfpraden des Sürften Bismardk 1548 — 159%,
Berlin 1805, 5, 58
**) In der Nede vom 30. Januar 1809 hatte Bismardk gefagt: » Ich bin
nicht zum Spion geboren meiner ganzen Natur nach; aber ib glaube, mir
verdienen Ihren Dank, wenn wir uns dazu hergeben, bösartige Reptilien
zu verfolgen bis in ihre Böhlen hinein, um zu beobachten, was fie treiben.«
So murde der zur Bekämpfung ftaatsfeindlicher Beftrebungen begründete
Sonds Reptilienfonds benannt. Später wurde das Wort Reptil auf
ftaatlich unterſtühte Wlätter angewandt und veränderte fo feine Bedeutung
in das Gegenteil.
97
tigen Amtes in dem Sinne, wie Gegner den Ausdruc ge:
brauchen, abfolut nicht giebt« (VI, 339).
Wie wir hier überall Bismarck bemüht fehen, auch den
fremden Ausdrücen ſtets die notwendige Klarheit zu geben,
jo finden mir ihn ftets da, wo das Sremdmwort jprad):
und begriffsvermirrend auftritt, als Gegner des Sremdwortes. |
Die »Sivilehe« nennt er am 15. Nov. 1849 einen »ſprach⸗
lihen und materiellen Gallizismuse (I, 156), und mit
Rückficht darauf fagt er: »daß gerade die Phrafe den jchönften
Schmuch einer konftitutionellen Verfaffung abgiebt, dem
Schleier vor dem Bilde von Sais vergleichbar; zerreißen Sie
ihn ganz, jo werden Sie den Augen gar mandjer, die in die
tieferen Geheimniffe des Ronftitutionalismus noch nicht ein:
geweiht find, zeigen, daß das Idol, welches wir in diefen
Räumen verehren, nicht ganz das war, welches fie hinter
dem Schleier zu finden hofften.« (I, 156) Und weiterhin äußert
er: »Die Dolkzvertretungen der leiten zwei Jahre haben uns
um diefen Ruf (nämlich ein Dolk von Denken zu fein) ge
bradht, fie haben dem enttäufchten Europa nur Überfeger
franzöfifhen Mahkulaturs, aber keine Selbftdenker ge:
zeigte (I, 161). So geht denn auch die erfte amtliche Der,
deutfchung, die wir befitien, die der Poftausdrücte,
mit auf Bismarck zurüch. In einem Briefe an Sanders
vom 24. Juli 1875 jchreibt Stephan: »Ich brauche Ihnen
nicht erſt auszufprechen, mit weldyem Intereffe ich Ihren
Brief geleien habe und wie es mich gefreut hat, aus dem:
ſelben Ihre Suftimmung zu der von mir angeitrebten Ber
feitigung der Sremdmörter, deren thunlichfte Vermeidung
ein Befehl unferes großen Reichskanzlers’ mir
überdies zur Pflicht macht, entnehmen zu dürfen.«*)
Und welches Gefühl des Dankes gegen den großen Staats»
mann erfüllt uns, wenn er den Dorwurf Windthorfts: »Sie
können mit keinem Diplomaten deuticher Sunge jprechen,
der nicht in fünf Minuten wenigſtens ſechs franzöfifche
Worte einmifcht .... ich bemerke dies, weil vielleicht der
herr Reichskanzler Deranlaffung nehmen kann, feinen Sunk-
tionären zu fagen, fie follten beſſer deutjch fprechen« mit
den einfachen, aber gerade durch den Binweis auf das That-
fächliche großen Worten zurüdkmeift: »Der Kerr Vorredner
hat über franzöfifche Redensarten von Diplomaten geſprochen.
Ich muß dabei doch mein Derdienft für mich in jeinen Augen
hervorheben; ich erjt habe die franzöfifche Sprache
aus unferer Diplomatie vertilgt: Ich habe als Ge—
fandter noh franzöfifh berichten müjjen — nidt
aus Srankfurt, aber aus Petersburg und Paris; unfere
ganze amtliche Sprache war franzöjifch, und erſt feit
1862, ſeit ih Minifter bin, ift fie deutich geworden«
(28. Nov. 1885, XI, 279). WMiederholt hat Bismard die
Auslandfucht der Deutjchen, die Machbeterei fremder Sur
ftände bekämpft; **) wir verweilen hier nur auf die Rede vom
28, Jan. 1886, in der er beklagt, daß die deutjche Sprache
in allen Ländern Plätze geräumt hat, die fie früher einnahm,
daß fie früher in den nordifchen Reichen die Geſchäftsſprache,
in Schweden wenigftens die Verſtehrsſprache geweſen jei,
daß der deutiche Buchitabendruck dort noch zum Teil
geblieben, aber von denen, die uns nicht lieb haben, be
hämpft werde, daß ein Deutfcher, der in Paris gemefen fei,
*) Abgedrudt in Mar Moltkes Deutihem Sprachwart 9, 254.
*") Keden I, 9. 10. 30 f. 123. 125. 1060. II, 80. 123, Ill, 208. 200.
IV, 131 ufw,
Seitihrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. X. Jahrgang. 1895. Ar. 4.
der Sprachverein dem großen Staatsmanne,
98
von feiner Umgebung wie ein höheres Weſen angefehen werde,
daf der Bedientenftolz auf die glänzende franzöfifche Livröe
den benachbarten Bruder Bauer, der fein Stammvermandter
und Vetter fei, mit Verachtung anche, daß ein Deutjcher,
| der nach drei Jahren aus Amerika zurückomme, immer
nur fpreche: »Bei uns drüben« oder feine Rede mit englifchen
Ausdrücken würze, daß jemand, der mit einem echt deutfchen
Namen nad Polen gehe, nachher zurückomme ein Araut-
hofer als firotomski, ein Schumann mit einem 53 ge
fchrieben, ein MWollfchläger mit einer polnifchen Ortho:
graphie ufmw., daß in einer foldhen ausländifchen Schrei«
bung eine Gefahr liege und daß fich heine andere Nation
vornehmer, gewiſſermaßen edelmännifcher dünke, wenn fie
den Mimbus des Ausländifhen um ſich habe.
So ift Bismarck allezeit der große Erzieher unferes Volkes
zu nationalem Sühlen und Denken geweſen. Ohne ihn gäbe
e5 heute keinen Spradhverein; denn allein aus der nationa:
len Gefinnung, die Bismarck begründet hat, ift er hervor-
gegangen. Mit innigem Danke naht fich daher heute auch
Was er für
unfer Volk, was er für unfere Sprache gethan, das ift groß
und herrlich und wird für alle Seiten unter uns fortwirken.,
Der Abgeordnete von Bismard als Redner.
Don Prof. Dr. Hermann Wunderlich (feidelberg).
Wohl ift es nicht die Kunſt der Rede geweſen, fondern
die Araft des Willens und der Scharfblich des Staatsmanns,
die Herz und Ohr unferes Volkes für den eifernen Aanzler
erfchloffen haben, aber mit dem Augenblicke, da ihm diefe
offen lagen, mußte auch die Empfänglichkeit wach werden
für die Wucht der Sprache, in der fih uns die Gedanken:
welt des großen Mannes mitteilt. Denn die Sprache ift ja
nicht bloß das Werkzeug, mittels deffen der Gedanke fich
freien Derkehr bahnt, fie ift nicht bloß das Gefäß, in dem
er fich niederfchlägt, fondern fie ift in vieler Kinficht das
Ergebnis und Erzeugnis der Gedankenthätigkeit felbft, ihr
eigentlicher Miederfchlag, Darum mußte die Sprache Bis
marcs anfangs ebenfo fremdartig an das Ohr feiner Seit
klingen, als die Anjchauungen, die fih in ihr verkörperten.
Ja audy heute, wo der Erfolg, der diefen Anfchauungen
zum Siege verholfen hat, auch die packenden Bilder und
die Kernſprüche des Sürften in der Volksſeele einbürgert,
giebt es immer noch Areife, die den Redekünftler in ihm
unterfchäten. Und das find meift diefelben Areife, die krampf ⸗
haft bemüht find, an der politifchen Gegnerichaft von ehe:
mals feitzuhalten. Es ift audy kein Sufall, daß eben dieje
Kreiſe auf dem Gebiete der Redehunft zwei Kräfte über
alles jhäten, die gerade an Bismarck nicht befonders aus
gebildet waren, erftens die Dollkraft der Stimme, die man
auch gerne mit dem Bruftton der Überzeugung verwechfelt,
und zweitens den eigentlichen rednerifchen Dortrag. Rechnet
man dazu noch den Umftand, dat auch das Schlagwort
landläufiger Art einem denkenden Geifte nicht fo recht zur
Derfügung fteht, fo fpigen fich nach drei Seiten die Schwierig:
keiten zu, denen Bismard im Anfang feiner rednerifchen
Thätigkeit entgegen ging. Auf diefen Anfang foll nun auch
zum diesmaligen Jubeltag ein Blick fallen, mie ja unfer
Auge am Abend fo gern in die Leuchtkraft der Sonne fchaut,
die den Tag heraufgeführt hat. Einer Morgendämmerung
99
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Ar. 4.
100
laͤßt ſich dieſer Anfang Bismarckſcher Rede vergleichen, mit | furt auf andere Weiſe fortſetzen müfſſen.« Es läßt fih nicht
fparjameren Sarbenfpielen jett das Bild ein, immer wärmer
und reicher werden die Töne, immer breiter und meiter der
Raum, den fie erfüllen. Dabei läßt fih nicht überfchen,
daß die Schwungkraft des Künſtlers früher und rafcher zur
Fsöhe ftieg, als der Blich des Staatsmanns. »Mein Dater-
haus ift Preußen, und ich habe mein Daterhaus noch nicht
verlaffen und mwerde es nicht verlaffen« fagte Bismarck am
7. September 1849°) zum Abgeordneten v. Beckerath, dem
er vorhielt, daß man für ein »deutfches« Kaus, »noch bei
£egung des erſten Sundaments, vielleicht erit beim Stein.
fprengen begriffen« fei. Reine zwei Jahre fpäter jehen wir
Bismarc auf der Sahrt nah Srankfurt, wo er als preus
Bifcher Gefandter am Bundestag in der That am »Stein-
fprengen« lebhaften Anteil genommen hat. Damit war die
rednerifche Ihätigkeit des Abgeordneten, die ihren Anfang
am 15. Mai 1847 genommen hatte, im mwefentlichen erichöpft,
wenn fie auch erjt am 30. April 1852 endgültig abſchloß.
Was uns diefe 5 Jahre nun an Reden darbieten, das
gewährt nach zwei Seiten hin Nusbeute. Allgemeiner kommt
für den Sprachforfcher in Betracht, mie fih Satzbau und
Wortgebrauch im Dienfte der Rede herausgebildet haben;
andererfeits drängt die Rede als Stilform ihre befonderen
Erjcheinungen in den Vordergrund, die ſich zu einem eigens
artigen Bilde vereinigen. In Satbau und Sormengebraud)
ergeben fih Beobachtungen, die mit Tagesfragen unferes
Sprachlebens Beziehung gewinnen, Don vornherein fällt es
auf, daß uns gerade hier im mündlichen Nustaufch der Rede
Wendungen begegnen, die man cher in der Schriftform ſuchen
würde, und für die man neuerdings die Bezeichnung » papier
ner Stile bereit hält, Auch das ift wieder eine Beobachtung,
die zur Dorficht mahnt bei der Beurteilung der Thatiachen,
die das Sprachleben bietet. Denn wenn auch die Einmir-
kung der Bücherſprache namentlih auf die Anfänge der
Bismarckſchen Rede gar nicht zu verkennen iſt, jo ent
fpringen doch andere diefer Erfcheinungen unmittelbar aus
dem Charakter des Mannes, und wieder andere erklären
fih gerade aus der Ungezwungenheit, mit der die Rede im
Reden fich bildet.
Da ift gleih das neuerdings mit Recht bekämpfte Sür:
wort welcher, deffen ftarker Verbrauch um jo mehr in die
Augen fpringt, als der Relativfag überhaupt zu den Lich:
lingswendungen gehört. Schon im eriten Sake, den Bis
marck im Kandtag geiprochen, fchlüpft auch diefes fchwer:
fällige Wort mit herein (5.7): »Ich habe mir das Wort
erbeten, um gegen eine Solgerung zu proteftieren, welche
ein geehrtes Mitglied der pommerfchen Ritterfchaft aus der
erjten Abitimmung, die heut erfolgt ift, gezogen hat.« Und
ebenfo finden wir es in der fetten Landtagsrede (5- 419):
»Ih kann noch eins anführen, nämlich, daß die eng
lichen Auriere und fonft Leute, welche Eile haben und rhein-
aufwärts... gehen, genötigt find, nach Ankunft des Danıpf.
fchiffes in Mainz Ertrapoft oder Aurierpferde zu nehmen,
nachdem fie noch das Pfeifen des abachenden Zuges gehört
haben, hinter welchem her fie dann die Reife nah Srankı
*) Die Beiipiele find der Ausgabe von 6. Aohl (Stuttgart, Lotta |
1802-96) entnommen, in der die Neden Bismardıs als Abgeordneten den
eriten Band füllen. So mißlich es freilich ift, Die Icbendige Nede aus den
Aufzeichnungen der Stenogrophen beurteilen zu mollen, jo laſſen ſich doch
auch daraus bri nötiger Dorficht gemiffe Schlüffe ziehen, In der Schreibung
find die Beifpiele dem übrigen Terte angeglichen.
leugnen, daß in jpäterer Seit das hürzere der mehr in den
Vordergrund tritt, immerhin aber enthält noch die Rede
vom 2. Mai 1871 über Elfaß-Lothringen das längere Wort
zweimal in einem Safe (V 5.56): »es iſt zu ermarten,
daß die ftarken franzöfiihen Elemente, welche im Lande
noch lange zurücbleiben werden, die mit ihren Intereffen,
Snmpathten und Erinnerungen an Sranhreich hängen, diefen
neutralen Staat, welcher immer fein Souverain fein möchte,
‚ bei einem neuen franzöfifch-deutfchen Ariege beftimmt haben
mwürden, fi Srankreich wieder anzufchliehen.«
Schon aus diefen wenigen Belegen geht hervor, mie ftark
Bismarck auch in der Rede auf ftraffe Unterordnung der
einzelnen Sätze zielt, während man an anderen Rednern
viel cher die Neigung für lockere Gefüge und für die Bei.
ordnung der Säke beobachten kann, eine Meiguna, der auch
Bismardt felbit gelegentlich im volkstümlichen Ton nachgiebt,
3. 8. (5. 290): ⸗»3Ich weiß als Landwirt, wenn der Metzger
kommt, um einen Ochjen zu kaufen, jo rechnet er mir
vor, wie viel Pfund der Ochfe hat, was das Pfund gilt,
und fagt: fo viel Steuer muß ich am Thore geben. Die
zieht er mir, dem Produzenten ab; ob er fie nahmals noch
einmal dem Aonfumenten abzicht, das weiß ich nicht.«e Da—
gegen in feiner großen Rede gegen die Srankfurter Derfaffung
(5.92) knüpft er an einen Kauptfaß nicht weniger als 6 je im
Derhältniffe der Unterordnung zum vorhergehenden Satje
ftehende Mebenfäge: »Allein es haben ſich 28 Regierungen
dafür ausgeſprochen .. 28 terrorifierte Regierungen, welche
noch an dem Nlärzfieber des vorigen Jahres krank find und
zufammen 6700000 Einwohner unter ihrem Scepter haben,
von denen aber abzurechnen find 1300000 Badenfer, da
feitens Badens eine nur bedingte Erklärung abgegeben ift,
und zwar unter der auflöfenden Bedingung, daf der Groß;
herzog ſich feine weiteren Beſchlüſſe vorbehalte, falls außer
Ofterreich noch andere Staaten dem Bunde nicht beiträten,
mas mit Sicherheit anzunehmen ift.«e Befonders mißlich
wird folche Sreigebigkeit mit Nebenſätzen, wenn dieſe fich
durcheinander fchlingen und fomit mehrere Seitwörter in
allzu nahe Nachbarjchaft geraten. Id hebe aus den zahl.
reichen Beifpielen nur eines hervor (5.86): »Die Regierung
ift dem Bejchluffe der Majorität in demjenigen Antrage des
Abg. v. Dinche, welcher cin Refultat zur Solge hatte, daß
man dem Könige raten möge, fich den Anträgen, die von
Srankfurt ausgingen, nicht zu entziehen, nachge—
kommen und mit ungewöhnlicher Eile in den Sormen.«
Sehr häufig ift hier gerade die Einkleidung eines Sat.
inhaltes in den Infinitiv mit zu geeignet jene Notlage zu
verftärken. So ift diefe Sorm 3.3. der einzig ftörende Zug
in den großartigen Bilde, mit dem Bismarck auf dem Er:
furter Parlamente den »preufifchen« Geift gegenüber dem
Abgeordneten Baffermann verteidigt, Er hatte diefen Geift
einen »Bucephalus« genannt, (5. 239) »der den gemohnten
Reiter und Kerrn mit mutiger Sreude erträgt, den unbe:
rufenen Sonntagsreiter aber mitfamt feiner ſchwarz · rot · gol⸗
denen Zäumung auf den Sand jett.e Daran knüpft er
weiter die Worte an: »Ich ſprach vom preußifchen Geiſte,
als ich den Vergleich mit dem abwerfenden Pferde machte,
von diejem Geile, den der Kerr Abgeordnete fchon in frühe
ren Jahren, und namentlich im November 1848 vergebens
verſucht hat, zu bannen, von diefem Geiſte, vor dem biegen
müſſen oder brechen die Geifter derer, welche glaubten, in
102
101 Seitichrift des allgemeinen deutiben Sprahvereins. X. Jahrgang. 1805. Ur. 4.
dem erften Schaumfpriten der Märzwellen ein Element zu | mir die Ehre angethan hat, ſich mit meiner Perfon zu be
fehen, in dem fie zu ſchwimmen vorzugsmeije be-
fähigt wären, indem fie jagen zu können glaubten:
Sei ruhig, freundlich Element.« Mit diefer Belaftung, die
durch die Infinitive in die Rede kommt, berührt fi auch
die Umschreibung des AKonjunktivs durch die Sorm würde,
von der jchon der junge Bismarck auffällig reichen Gebrauch
macht. Das Wort werden nimmt überhaupt als Bilfs
zeitwort bei ihm einen breiten Raum ein. Während das
Participium worden allerdings gerne da mwegbleibt, wo es
heute in der Schriftiprache nicht entbehrt werden kann
(3.45 »dafj wir es der Würde fchuldig find, welche in diefer
Derfammlung ftets gehandhabt ift«, vgl. 5. 49. 64. 188,
1859 u.a.) und mehr in norddeutfcher Särbung der Rede ge
legentlih fern gehalten wird, drängt fih der Infinitiv
werden auffällig vor. Bismard läßt ihn zur Umſchreibung
der zukünftigen Seitform zur Geltung kommen in Sällen, wo
wir ihm unterdrücen, 3.8. (5. 111) » Ich glaube nicht, daß
dieje Ubelftände durch demokratifche Konzeſſionen oder durch
deutjche Einheitsprojekte werden gehoben werden« und
verwendet ihn fehr gerne als Erſatzmitlel des Konjunktivs 3.3,
(5.109) :> In Bezug auf die außerpreußifchen Staaten werden
mir einig darüber fein, daß, — von der ich vorausfehen kann,
daß fie Ihnen allen bekannt jein wird.« Und fo iſt es nur
natürlich, daß dieſe Sorm auch den Konjunktiv jelbit über
flutet, vgl. (5. 111): » Sriedricy U. hätte das Gutachten nicht
gemacht; ich glaube vielmehr, daß er ſich an die hervor
ragendfte Eigentümlichkeit preußifcher Mationalität, an das
hriegerifche Element in ihr, gewandt haben würde, und
nicht ohne Erfolg, Er würde gewußt haben, daß noch
heute, wie zu den Seiten unferer Däter, der Ton der Trom-
pete, die zu den Sahnen des Landesherrn ruft, feinen Reiz
für ein preußifches Ohr nicht verloren hat.« In einem ge
wiſſen Sufammenhang mit diejer Meigung jteht eine andere,
für die fich ebenfalls die Quelle mehr in der Kitteratur als
im mündlichen Redeaustauſch nachweifen läßt, nämlich die
Dorliebe, den Inhalt ganzer Säße in einem Bauptwort auf
zufpeichern. Auch hierfür mag ein einziger Beleg genügen
(3.76): »Die Begnadigung oder die Amnejtie, oder welchen
anderen Euphemismus Sie anwenden wollen, iſt ein Recht
der Krone, defjen Weſen gerade in freier und freimilli»
ger Ausübung beiteht, wenn es überhaupt ein Recht
bleiben fol, Sorderte die Majorität diefer Derfammlung in
diefem Augenblich die Amneſtie von der Krone, fo würde
es wenig mehr als die Erfüllung einer vorläufigen
Bedingung fein, wenn die Arone darauf einginge. Das
Stellen diejer Bedingung wurde fogar von dem Redner
. . mit einer Drohung unterftügt, welche feltfam mit der
übrıgen im ganzen auf Rührung berechneten Rede kon:
traftierte; es wurde Bezug genommen auf die Aufregung,
welche in den Provinzen herrichen foll.«
Dieſen Erjcheinungen gegenüber fteht nun aber eine ganze
Reihe anderer, die in der That vielmehr aus den Grund:
bedingungen der mündlichen Sprachform herausmachien.
Stark betonte Worte wirken bei ihm mit dem Gewicht
der Betonung meift auch bejtimmend auf die Wortſtellung
ein. Selten, daf es der Betonung allein überlafien bleibt,
einem Wort die Dorherrichaft über die andern zu fihern, mie
3. 8. in der vornehmen Abwehr der Angriffe des Sreiheren
v. Vincke (3.96): »Es thut mir leid, daß ich dem eriten Teil
der Rede .. nicht habe beimohnen können, da ich höre, daß er
ichäftigen. Ich bedaure dies um jo mehr, als mir Durch diefen
Umſtand die feineren Bemerkungen in Beziehung auf meine
‘ Perfon vermutlich entgangen find.e Viel häufiger dagegen tritt
eine Umftellung der gewöhnlichen Wortfolge ein und zwar bald
in der Weiſe, daf das vollbetonte Wort voranftcht, bald fo,
daß an die erjte Stelle das Wort tritt, das die Brüce zu
dem neuen und voller betonten Worte jchlägt, vgl. (5. 114)
» Dir alle wollen, daß der preußifche Adler feine Sitlicdye
von der Memel bis zum Donnersberge jchügend und herr»
fchend ausbreite, aber frei wollen wir ihn fehen .. nicht
geftugt an den Slügeln von jener .. Beckenfchere aus Srank-
furt, von der wir fehr wohl uns erinnern, daf fie .. als
drohende Waffe gegen das Preußentum .. gefchwungen wor:
den iſt. Preußen find wir und Preußen wollen wir
bleiben.« Ahnlich (5. 178): »ſo ift den Leuten damit gar
nicht geholfen; Land haben fie und Streu brauchen fie«
und noch deutlicher (5. 218): »Es ift klar, daß ein Offizier ..
dergleichen Ausgaben nicht beftreiten kann, ohne Schulden
zu machen. Schulden foll er aber nicht machen.« Vielfach
aber ift das Gefüge eines Satzes ſchon fo angefchwellt, daß
die Tonfülle des einen Bejtandteils den Rahmen fprengt.
Aus diefem Grunde tritt in einem Beifpiel wie dem oben
angeführten (5.86) »Die Regierung ift dem Bejchluffe der
Majorität ... nachgekommen und mit ungewöhnlicher
Eile in denSormene« die betonte MWortgruppe als Tach:
trag hinter den Satz, während fie in Sällen der Sakunter
ordnung wie in (5. 113) »Diejes Dolk, meine Herrn, was
es will, das wollen wir auch mit ihm« gerne vortritt.
Alfo auch hier, wie bei den fchriftmäßigen Mendungen
der Rede flohen wir auf ſchwer belaflete Satgefüge. Es
wäre ganz verfehlt, in folcher ſchweren Belaftung an und
für fih ſchon das Aennzeichen des papiernen Stils zu er
blicken. Im Gegenteil gerade in der mündlichen Sorm, die
' unmittelbar aus der Gedankenbildung hervorgeht, drängt
fih die Wortfülle, wenn der Gedankenfluß lebhafter ftrömt.
Am Schreibtifche aber ift es leichter, nad dem Augenmaf
die Dämme zu ziehen; auf dem Standplat des Redners tritt
der Redeftrom gern über die Ufer. So fchmillt namentlich der
Relativfag, der ja gerade den Hebel daritellt, mit dem cine
neu eintretende Vorftellung in unferem Bemußtfein ältere
aufgeipeicherte Vorftellungskreife in Bewegung jeht, ge
legentlich ins Unförmliche an, meift aber findet der Redner
trotzdem ein Mittel, um dieferv Bewegung Kerr zu werden.
So finden wir (5.90): »Das dritte Übel, welches uns die
Stankfurter Derfaffung bringt, ift die jährliche Bewilligung
des Budgets. Durch diefen Paragraphen iſt es in die Bände
derjenigen Majorität, die aus dem Kottofpiel diefer
direkten Wahlen hervorgehen wird und welche nicht die
mindefte Garantie bietet, dat fie urteilsfähig oder auch nur
von autem Willen fein wird — (Sheiterkeit) in die Bände
diefer Majorität ijt es gelegt, die Staatsmafchine in
jedem Augenblick zum Stillftehen zu bringen.« Noch deut+
licher jpricht unter vielen anderen Beifpielen ein Beleg, in
dem auch die Suhörer mit Hmwijchenrufen in das Saßgefüge
eingreifen (5. 85): »Ebenfomwenig kann ich zugeben, daß die
Erklärung von 28 Regierungen, welche zufammen
6'/, Millionen oder, wie ich nachher nachweiſen will, 4-5
Millionen Unterthanen haben.» (Stimmen von der Kinken:
»Untertbanen?+) »Ja, Unterthanen (Beiterkeit) diefer Re—
gterungen, deren Minifter eilig bemüht find, ihre märz
103
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. X. Yabrgang. 1895. fr. 4.
104
errungenen Stellungen mittels der honftituierten Anarchie,
melde von Srankfurt aus dargeboten wird, unter Dady und
Sach zu bringen, (Bravo! rechts. Peiterkeit.) da, mie
gejagt, diefe Erklärungen nicht hinreichend ſchwer ins
Gewicht fallen, unfere Anfichten da zu ändern, wo es ſich
um die Zukunft Preußens handelt.«e Es ift überhaupt be
merhensmert und gehört entfchieden zum Charahterbilde des
Nannes, wie wenig er fi durch Unterbrechungen oder
Einmiürfe auch nur von dem Wortlaute deifen abdringen
ließ, was er im Sinne hatte. Nur einmal in diefen 5 Jahren
läßt der Redner auf Seichen des Mifjfallens hin von dem
Saden des Sakgefüges ab, den er angefponnen hatte (3.193):
»In einer Seit ferner, wo ſich der Staat zu arm gefühlt
hat, um in einigen andern Sragen, die uns vor kurzem be
ſchäftigt haben, den Art. 8 der Derfaffung wahr zu machen,
indem er es abgelehnt hat, diejenigen aus Staatsmitteln zu
entfchädigen, die er im ftaatlichen Intereife fi genstigt ſah,
eines Teiles ihres Eigentumes zu berauben oder in ihrem
gewerblichen Nahrungsſtande zu beeinträchtigen. — (Murren.)
Ich fürchte ferner.
Neben foldhen Bauptpunkten können einige unmichtigere
Erfcheinungen kaum zur Sprache kommen, in denen ſich
namentlih im Anfang die Unebenheit des nicht gefeilten
und geglätteten Sprechftils bemerklih macht, jo wenn fich
einzelne Worte ohne künftlerifche Abficht wiederholen. Das
zeigt fih am jtärkften in einer Rede vom 8. März 1849
(>. 64): *Es ift .. bejtritten worden, daß eine verjchiedene
Auffaffung des Geihäftsreglements ftattfindet. Was auf
diefer Stelle bisher gefprochen ift, beweiſt vollkommen, daf
eine verfchiedene Auslegung ftattfindet. In ſolchen Sällen
findet die Aushilfe der Interpretationen ftatt. Eine authen:
tifche Interpretation hat der Gefetgeber zu geben. Der
Geſetzgeber des Reglements ift diefe Derfammlung, alfo ift
fie auch berufen, im Wege der Abjtimmung die Interpre
tation zu geben.« Im allgemeinen jedoch findet fich ſelbſt
in diefer früheften Seit der Reden Bismarcks auffallend
menig von folhen Härten und NMachläffigkeiten, die man
doch gerade der Unmittelbarkeit feiner Reden vollauf zu qute
halten müßte,
Dielleicht könnte man hieher das forglofe Schwanken
zwijchen der einfachen und der zufammengejehten Seitform
der Vergangenheit ziehen, wenn die Grenzen zwifchen diefen
beiden Sormen in der zmanglofen Rede fo genau abgeitecht
wären, als uns die Grammatik glauben machen will, Die
wenig das der Sall ift, das zeigen uns auch die nord»
deutfchen Redner in der Paulskirche zu Srankfurt, und Bis
marck giebt hiefür noch fchlagendere Belege. Dem herrfchen-
den Gebrauche entjpridht es, wenn die Sormen im folgenden
Satze mit einander wechfeln: (5.9) »Es wird mir jdhmwer, |
nach einer Rede, die von jo edler Beaeifterung diktiert war, |
das Wort zu ergreifen, um eine einfache Berichtiaung von |
zubringen. Ich muß mich nochmals dagegen verwahren,
daß der geehrte Redner, der foeben die Tribiine verlaffen
hat, aus der vorgeftrigen Abjtimmung den Schluß 308,
als habe ſich die Majorität dadurch gegen die Gejekgebung
vom 9. Sebruar erklären wollen,«e Das Perfekt in diefem
terita ließe fih von der Erwägung aus, daf die handlung,
die fie zum Ausdruch bringen, entfchieden in den Augenblick
herüberwirkt, in dem Bismard das Wort ergreift, die zur
Redner, der nicht auf diefe Wirkung in der Gegenwart das
Schwergewidht legt, die einfache Sorm die nächite, mie eben
überhaupt die Entfcheidung hier ſtark von der augenblicd-
lichen Auffaffung des Einzelnen beeinflußt wird. Einem
allgemeinen Zuge feiner Mundart giebt der Redner nad,
wenn er in einem Salle wie dem folgenden an der einfachen
Sorm feithält (5. 220: »Wenn ich in der Aufregung des
Schluffess am Sonnabend verfäumte, gegen die heutige
Tagesordnung einen MWiderfpruch zu erheben, wenn ich deren
Wortlaut nicht genau geprüft habe, fo bitte ih um die Er:
laubnis, im Wege einer thatjächlihen Bemerkung die Stellung
meiner Perfon .... zu diefer Tagesordnung charakterifieren
zu dürfen.e Andererfeits fällt die zufammengefete Sorm
in einem anderen Beiſpiel auch dem füddeutfchen Ohr auf,
zumal da die Beziehung auf die Gegenwart fogar durch zeit:
liche Beftimmungen in den Bintergrund gerückt wird (3.85):
»Wir haben das erfte Mal in der Antwort auf die Thron:
rede Gelegenheit gehabt, unfere Meinung zu fagen. Nachher
haben uns zwei Anträge des Abgeordneten v. Vincke Der
anlaffung gegeben .. die Anficht der Derfammlung .., aus:
zufprechen. Seitdem iſt meines Erachtens nichts vorge
fallen «.
In der Mitte zwifchen mundartlicher Särbung und per
fönlicher Ausprägung der Rede liegt die auferordentliche
Sparjamkeit, die Bismard gegemüber den Bindemitteln des
Sates, vor allem den fogenannten Konjunktionen, bethätiat.
Während die Rede im allgemeinen und die der füddeutichen
Stämme im befonderen in diefen Sormen geradezu ſchwelgt —
und zwar um fo ergiebiger, je natürlicher die Rede klinat —
übt unfer Redner hier eine außerordentliche Surückhaltung.
Nicht nur der Gegenſatz mwird zur Erhöhung der Mirkung
in fol knappe Sorm gegofien (5. 68 »Gegen politifche
Anfichten können die Miniſter etwas erwidern, geaen Grob:
heiten ift der Antrag auf Ordnungsruf ihre einzige Waffe«
val. auch 5. 108), fondern auch andere Sakverhältniffe müſſen
fich fo durch ihr eigenes Gewicht zur Geltung bringen, vgl.
(>. 88): »Die Srankfurter Derfaffung bringt uns unter ihren
Gejchenken zuerjt das Prinzip der DVolksfouveränität, fie
trägt den Stempel derfelben offen auf der Stirn, fie erkennt
es an in der ganzen Art, wie die Srankfurter Derfammlung
uns diefe Derfaffung — ich wiirde mich, wenn ich zur Cinken
gehörte, des Ausdruces »oktronirte bedienen — fie fanktio-
niert das Prinzip der Volksfouweränität am fchlagenditen
in dem Suspenfiv-Deto des Aönigs, was der geehrte Dor:
redner Camphaufen ausführlicher entwickelt hat, als ich es
im ftande und geneigt bin, zu thun, Die Srankfurter Der
faffung veranlaßt den Aönig, feine bisher freie Arone als
£chen von der Srankfurter Derfammlung anzunehmen, und
wenn diefe Volksvertreter es dreimal befchliehen, fo hat der
König und jeder andere Sürft, der Unterthan des engeren
Bundes geworden iſt, aufgehört zu regieren. Sie bringt uns
zweitens die direkten Wahlen mit allgemeinem Stimmredt.
Denn die Wahlbezirke bleiben follen, wie fie find, jo werden
ungefähr auf einen Wahlbezirk, der zwei Abgeordnete wählen
joll, 26000 Urmäbhler im Durchfchnitt kommen. Ich frage,
‚ ob irgend einer der rechten Seite fih im ftande glaubt,
Satze ift fiher unantajtbar; aber auch für die beiden Prä |
26000 Wähler, die zerftreut in den verjchiedenen Kütten und
Bauernhöfen mohnen, parteimäßig zu organifieren. Den
fherren auf der linken Seite wird es vielleicht leichter fein.
(Bravo!) Gern räume ich ein, fie organifieren mit mehr Ge
fammengefeßte Sorm empfehlen. Dennodh war für dem ſchicklichkeit.«
105
Aus diefem ausführlichen Beifpiel, an dem fich neben
dem völligen Derzicht auf die üblichen Satbindemittel noch
manche andere Erfcheinungen belegen ließen, fällt auch
ein Streifliht auf Bismardks Stellung zur Sremdwörter ⸗
frage. Ein ftarker Derbrauh von Sremdmörtern läßt fich
bei ihm aus zwei Gründen erklären. Erftens muß er die
mit den Einrichtungen aus dem WMeften eingeführten Be
zeichnungen hinnehmen. Immerhin fett er für» Aonftitution«
gelegentlich das deutfche Wort ein (5.122/3), die »Livilche«
nennt er einen »fprachlichen und materiellen Gallicismuss
(3. 156), der »Amnefties fett er die »Begnadigung« entgegen
(5.76) und den fo viel migbrauchten Begriff der > Sumanität«
erfegt er durch die tief erfaßte Empfindung der » Menfchlich
keite. Andererjeits liebte es Bismard ſchon damals, an
den Reden feiner Gegner die jchadhaften Stellen grell dadurch
zu beleuchten, daß er fie in eigenen Gebrauch nahm, Und
hierbei ift das oben erwähnte Dort »ohtronierte nur ein
Sremdwort unter vielen. Andere Sremdmwörter drängen fich
vor allem da ein, wo Bismard in Rechts» Erörterungen fich
ergeht (vgl. 5. 11) oder wo er vom Gefellfchaftston über
mannt wird, val. 5. 29 »ruffifche Juden en masse«; 5, 76
»einzufchüchtern und ihr zu imponieren«; 5. 92 »querelle
allemande«; S. 176 »konvenierts; 5. 231 >»ridikul« ja auf
5.1% begegnet uns fogar das Wort »Tenazitäte«, Wichtiger
aber als alle diefe einzelnen Sremdmwortbelege feheint mir für
unfere Srage die Sähigkeit, die der Redner frühzeitig gewinnt,
lange Satzgefüge ohne jede fremde Anleihe aus deutichem Gut
zu fpeifen. Araft und Wucht zeichnen gerade in diefen Sällen
feine Sprache aus. Schon in der zweiten Rede, die er hält
(S. 10), tritt das zu Tage: »Es heißt meines Erachtens der
Nationalehre einen ſchlechten Dienft erweifen (miederholtes
Murren), wenn man annimmt, daf die Mißhandlung und
Erniedrigung, die die Preußen durch einen fremden Gemalt-
haber erlitten haben, nicht hinreichend geweſen jeien, ihr
Blut in MWallung zu bringen und durch den Haß aegen die
Sremdlinge alle anderen Gefühle übertäubt werden zu laffen.
.2.. Ih kann allerdings nicht in Abrede ftellen, daß ich
zu jener Seit nicht gelebt habe, und es that mir jtets auf
richtig leid, daf es mir nicht vergönnt gemwefen, an diefer
Bemwegung teil zu nehmen; ein Bedauern, das vermindert
wird durch die Aufklärung, die ich foeben über die Damalige
Bewegung empfangen habe, Ich habe immer geglaubt, daß
die Anchhtichaft, gegen die damals gekämpft wurde, im Aus»
lande gelegen habe; joeben bin ich aber belehrt worden, daß
fie im Inlande gelegen hat, und ich bin nicht ſehr dankbar
für diefe Aufklärung.
Damit find aus den Reden Bismarcks die hervorftechen:
den Hüge feiner Sprace fo ziemlich herausgehoben, obwohl
ſich freilich noch aus vielen Einzelheiten, fo namentlich auch
aus der Verwendung des Konjunktivs Zuſätze ergeben würden.
Mir müffen uns hierabereinfchränken, um unferer zweiten Auf:
gabe teilmeife gerecht zu werden und über die eigentlichen
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. fir. 4.
106
— — — —
genug, um den Blih auch nur des Gegners auf ihn zu
lenken. Mur aus einer noch dazu durch einen Druckfehler
entjtellten Bemerkung auf S. 150 (Bismack · Schõnhauſen)
erfahren wir, daß auch Bismard unter den Rednern ge
weſen: er hatte dem Abgeordneten Sperling Anknüpfungs:
punkte zu einer Rede geboten. Dagegen läßt Befeler (Er.
lebtes und Erfirebtes, Berlin 1884, 5.96) — allerdings mehr
aus fpäterer Erinnerung — die rednerifche Eigenart feines da»
maligen Gegners zulebendigerer Wirkungkommen:» Die Größe
diefes Mannes haben wir damals nicht erkannt, wenn auch
- feine hohe Begabung, feine ftreitbare Art, fein fanglanter
Witz ſich bemerkbar genug macten.« Beſeler hatte ihn im
Hauſe Manteuffels auch perfönlih kennen gelernt, »bei
welcher Gelegenheit v. Bismarck eine grammatifche Streit
frage mit Ailfe des Lerihons des jungen Manteuffels fieg-
reich ausfocht.« Wie die Sprache, fo waren auch die Aunft-
mittel der Rede für Bismarck nicht bloß ein Gebrauchs»
gegenftand, den er ohne weitere Prüfung vermwertete, fondern
eine Waffe, deren Befchaffenheit und Tragweite er eingehen
der unterfuchte. Darum laffen fich zahlreiche Bemerkungen
‚ von ihm auch über die Stilmittel der Rede aus diefer und
aus fpäterer Seit fammeln, von denen nur einige hier Er
mwähnung finden follen. Schon im erften Landtage fpricht
er fich über die von ihm mit fehneidiger Schärfe gehand—
habte Waffe der »Ironie« aus (5. 34): »Der verehrte Red»
ner ift zum drittenmal auf dem etwas müde gerittenen
Pferde auf mich eingefprengt, welches vorn Mittelalter und
hinten Muttermilch heißt. Geftern hatte ich ihm nicht ver
ftanden, heute aber habe ich mich überzeugt, daß er mich
vorgeftern nicht verftanden hat. Ich erkläre ihm daher,
mit Bezug auf das Mittelalter, daß ich mich bismeilen der
Siqur der Ironie bediene; es ift dies eine Redefigur, mit
welcher man nicht immer das fagen will, was die Worte
buchitäblich bedeuten, mitunter fogar das Gegenteil. Was
nun den Ausdruck Nluttermilch betrifft, fo räume ich gern
ein, daß ich im Seuer der Rede nicht immer die Eleganz
des Ausdrucks erreiche, welche die Rede des Abgeordneten
der jchlefiichen Landaemeinen (Araufe) harakterifiert.« In
diefen Schlußbemerkungen machte übrigens Bismardi hier
auh von dem Worte —Eleganz« ironifchen Gebrauch,
denn er zeigt fih von Anfang an als ein Seinkünftler
der Sorm, der gerade im Seuer der Rede für feine Pfeile
die haarfcharfe Spitze gewinnt. Dagegen fcheint er mit diefem
zweideutigen Lob die Auswüchſe des damaligen rednerifchen
Stils hennzeichnen zu wollen, denen er fpäternoch deut-
licher zu Leibe rückt, wenn er fagt, (5. 69): »Sie find von
dem geehrten Vorredner unterftügt worden, teils durch De
duktionen, welche mir mehr durch ihre Länge als durdy ihre
Schärfe imponiert haben, teils durch den gebräuchlichen
rhetorifhen Schmuck von Kanonen und Bajonetten, Gene:
tal Brennus und Junkerparlament.s Serner (5.110): »Ichkann
nach diefer Seite hin hein Äquivalent für unfere Opfer finden,
ich muß es deshalb Lediglich juchen in dem fchönen Bemußt-
fein, eine uneigennügige, edelmütige Politik befolat, den Ber
dürfniffen einer nationalen Wiedergeburt entſprochen, die
hiftorifche Aufgabe Preußens gelöft, den bewegenden Prinzis
pien des vorigen Jahres Rechnung getragen zu haben und
wie ſolche Ausdrücde mehr lauten, die mehr ſchön
als jharf finde (vgl. auch 5. 73, 121, 145, 156 und be
fonders 5. 231).
Auch zur »rhetorifchen« Srage fällt eine Bemerkung ab,
bei der ſchon die Deranlaffung belehrend ift. Mitglieder des
rednerifchen Mittel einen flüchtigen Überblick zu gewinnen.
Wollten wir unfer Urteil darüber aus deren Wirkung und dem
thatfächlichen Erfolg ſchöpfen, jo geben allerdings fchon die
Smifchenbemerkungen des Stenographen in feinem Berichte zu
denken. Auf den Köhepunkten rednerifcher Aunftentfaltung |
bleibt auch felten der Beifall auf der Rechten; Murren, Wider⸗
fpruch und Unruhe auf der Einken aus. Trotzdem fand ihn ein
Darjteller wie Sanm, der in feinen »Reden und Redner des
erften preußifchen vereinigten Landtags« (Berlin 1847) fo |
manche Größe zweiten Rangs verherrlicht, nicht eigenartig |
107
Seitihrift des allgemeinen deutiben Sprachvereins. X. Jahrgang. 1805. Ur. 4.
108
Eandtags hatten im März 1849 den Jahrestag der Straßen | eigenen Sache umzudeuten, war ſchon den römifchen Ned
revolten gefeiert und fih an entfprechenden Liedern beraufcht.
Den klaffenden Widerſpruch zwifchen diefer Thatfache und
fonftigen Derficherungen der Linken beleuchtet der Redner
nun befonders grell dadurch, daß er in der Mashe des Stage
ftellers Gelegenheit nimmt, die Einzelheiten breiter darzulegen
und die Perfonen unmittelbar aufs Korn zu nehmen (3.71):
» Ich möchte an die Derfammlung die Srage richten, ob viel:
leicht in unferer Mitte ſich Kerren befinden, welche... und
ob fie uns vielleicht Auskunft darüber geben können, welches
die Tnrannen find, mit deren Blut gefärbt werden ſoll.« Wie
hräftig gerade diefe Srageform hier wirkte, zeigen die Er«
mwiderungen der Betroffenen, denen Bismarc dann feiner
feits entgegnet: (5. 74) Ȇbrigens ift die fragende Redeform
in jedem Vortrage eine ganz gebräuchliche. Auffallend ift
es darum, daß ſich die Srageform als Ausdruchsmittel
lebhafter Empfindungen bei eben diefem Redner fo fpät ent
wickelt. Noch einen Monat nah jener Bemerkung läßt er
ſich diefes Mittel entgehen, das feinem Ausſpruch eine viel
eindringlichere Wirkung gefichert hätte (5. 87): » Gerade aber
aus diefem Grunde fcheint es mir der Würde der Aammer
nicht angemeffen, daß fie wiederholt Befchlüffe in einer Sache
faßt, wo es ihr an jedem rechtlichen Mittel fehlt, diefen |
Bejchlüffen Mahdruc zu geben, und wo ich nicht weiß,
was fie erwidern würde, wenn das Miniſterium .. . er⸗
klärte, daß die Minifter ihrerjeits auch manche unferer Be:
fchlüffe entfchieden mißbilligten.e Erſt in der großen Rede
über die Srankfurter Derfaffung tritt diefe Srageform unter
dem reichen Dorrat an Aunftmitteln auf, über die gerade jene
Rede gebietet. So (5.106) »denn werbürgtunsdafür, daß .. .?>;
Weiter (5. 108) »Wer find diefe Saktoren diefer Revifion?
Ein Staatenhaus mit weniger als einem Viertel Preußen«
(vgl. 5.110) und (5.112) > Der hat denn das, was in Deutſch⸗
land zu halten war, gehalten? Es war wahrlich nicht die
Stankfurter Derfaffung.«
In voller Blüte zeigt fih nun Bismards rednerifche
Eigenart fchon in der großen Staatsrede, mit der er eine
feinem eigenen Mannesgefühl nicht zufagende Politik (die
Politik von Olmütz) aus dem Smange der thatfächlichen Der
hältniffe heraus zu verteidigen unternahm, eine Verteidigung,
bei der er im Seuer der Rede gelegentlich bis zur Lobpreifung
übergriff. Gleih die Eröffnungsform ift ein Meiſterſtüch,
mie fie überhaupt bei Bismarck in diefer Seit von allem
Sormelhaften abweicht und entweder der augenblichlichen
Sadjlage knapp den Stempel aufdrüdt oder unmittelbar als
Angriffsfignal gedacht if. Am 3. Dezember 1850 begann
er (3. 261): »Der verehrte Sherr Redner, welcher vor mir
auf diefer Stelle die Sache, die uns befchäftigt, von dem
Standpunkte eines unabhängigen oder kriegerifch gefinnten
Beamten im Civildienft beleuchtet hat, (Heiterkeit auf der
Rechten) und bei deifen Rede mir in dem Augenblice der
Serſtreuung nicht vollkommen gegenmärtig blieb, ob ich mich
in der heififchen oder in der preußifchen fiammer befand —
ich jage in einem Augenblicke der Serſtreuung — war ein
geichrieben, für die Adreſſe zu jprechen.
hat gezeigt, daher... gegen die Adrefje geiprochen hat... Ich
befinde mich infofern, als der verehrte Redner gegen die
Adreffe geiprochen hat, mit ihm auf gleichem Boden,
nur aus ganz verfchiedenen Gründen.«e Dieſes nody heute
viel beliebte Mittel, die Beweisführungen des Gegners unter
dem Vorgeben vollkommener Suſtimmung im Dienfte der
nern jehr geläufig; Bismardı hat es mit vielem Glück auch
fonft verwertet, mit dem meiften Gefhich am 6. März 1849
gegenüber dem Abgeordneten Lamphaufen (S. 109). In
jener Rede für Olmütz aber fiel Bismark, gleich nadıdem
er dem Gegner diefen Sallftrich gedreht hatte, ſelbſt in die
Scylingen der Redehunft, Gerade in dem Augenblic, mo
er die unbedingte Aönigstreue des Soldaten in Gegenjah
ftellen wollte zu den Abſchwächungen, die mit der Derfaffung
in diejes Verhältnis fich einzudrängen fuchten, erlag er dem
Einfluß, den die mwohlgefügten Säße der Gegner mit der
Nacht der Gewohnheit wenigitens auf fein Gedächtnis aus
übten. In einem Atem ruft er aus: »es (das preußijche Dolk)
hat fich erhoben in treuer Anhänglichkeit an feinen König, in
treuer Anhbänglichkeit an die Derfafiung, ich wollte
fagen [Bravo und Heiterkeit von allen Seiten].« Die Geiftes,
gegenwart und die Laune des Redners ſpricht aber aus den
' Worten, mit denen er fi im dieje überrajchende Sachlage
findet: »Ich bin fehr glüdlih, wenn mir zum erftenmal
in meinem £eben das ungejuchte Glück zu teil mird, den
ungeteilten Beifall einer Kammer zu erwerben. «
Bemerkenswert ift nun die Art, in der Bismard die
ſchwere Pflicht der Derteidigung einer jo wenig volkstüm-
lichen Sache ausübt, er führt die Verteidigung durd den
Angriff, er decht durch Biebe. Die erfte Blöße, die er beim
Gegner erjpäht, iſt eine Stelle im Adreßentrurfe: » Der
Adreßentwurf nennt diefe Seit eine große; ich habe hier
nichts Großes gefunden, als perfönliche Ehrfucht, nichts
Großes, als Miftrauen, nichts Großes, als Parteihaß. Das
find drei Größen, die in meinem Urteil diefe Seit zu einer
kleinlichen ftempeln.«e Mit diefem durch die Stilmittel der
Wortwiederholung und des Gegenfages beflügelten Vorftof
ſpielt der Redner den Kampf auf das Gebiet der Gegner über.
Er beichuldigt fie leichtfertiger Kriegsluſt. Erftaunlih it
es, welche ergreifenden Bilder, welche packenden Gegenſätze
nun derjelbe Junker, der vordem jo gerne der MWaffenfreude
das Wort geredet, hier findet, um die Schrecken eines Arieges
ausjumalen: (5.265) »Es ift leicht für einen Staatsmann,
ſei es in dem Aabinette oder in der Aammer, mit dem
populären Winde in die firiegstrompete zu ftoßen und fi
dabei an feinem Aaminfeuer zu wärmen, oder von diefer
Tribine donnernde Reden zu halten und es dem Mlusketier,
der auf dem Schnee verblutet, zu überlaffen, ob fein Spftem
Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht Werden Sie dann
den Mut haben, zu dem Bauer auf der Brandjtätte feines
Ssofes, zu dem zufammengefchoffenen Krüppel, zu dem
kinderlojen Dater hinzutreten und zu jagen: Ihr habt viel
gelitten, aber freut Euch mit uns, die Unionsverfaffung if
gerettet. (NSeiterkeit.) Sreut Euch mit uns, Kaffenpflug it
nicht mehr Minifter, unfer Banrhofer regiert in Seifen.
Es wäre verlockend, an diefer Stelle abzuſchweifen, um
den Bilderreichtum und die geftaltende Kraft der Sprache
Bismards würdigen zu können. Um fo näher läge dieſe
.....
| Abfchweifung, weil zwar fchon Unterfuchungen über die
Die Erfahrung |
Stage vorliegen, dieſe aber nur die eine Seite der Sadıe
handeln. Wohl bietet auch die Ermägung des Anjchauung:
hreijes und der Lebensſphäre, denen diefe Bilder entipringen,
viel Anregung und Belehrung, aber näher noch liegt die
Stage, welchen Swecken dient folh ein Bild und welche
Bedeutung, welche Ausdehnung geminnt es unter den
anderen Stilmitteln der Rede, Nicht bloß >»die Anichaw
109
lichkeit überhaupt« ift es, die der Redner mit feinen Bildern
erftrebt, er mill vielmehr die »beftimmte Anfchauung« ein:
flößen, die er für feinen Sweck notwendig hat. Aus folcher
Abficht entipringt ein Bild, mit dem Bismard gleich nady
her (5. 269) die Streitfrage der Etappenjtraßen in Aefien
mehr verjchiebt als deutlich macht: ⸗Wir haben, — ich will
verfuchen, ganz deutlich zu fein, — die Benutung der Etappen:
ſtraßen der Eänge nach; in derfelben beläftigt es uns durch
aus nicht, wenn diefe Strafen ihrer Breite nach von irgend
jemandem überfchritten werden.« Eben diefer Abficht dienen
die meiften Bilder und Vergleiche, die Bismardk in jener
Seit anwendet, In der Rede gegen die Srankfurter Der:
faffung führt er diefe mit immer neuem Behagen als »Stüc
Papier« vor, das den »lebendigen und freien König von
Preußen, den Erben feiner Däter« (5. 113) aus dem Kerzen
des Dolkes verdrängen wolle, und in fchlagenden Gegen:
fäßen wiederholt er das Bild gleich nachher (5. 114): »Daf
fie auch noch lange Preußen bleiben werden, wenn diefes
Stück Papier vergefien fein wird, mie ein dürres Herbſt-
blatt,« Mit kühnen Vergleichen mwerden fo die Anfchaus
ungen der Gegner in eine Beleuchtung gerüct, in der fie
der Lächerlichheit anheimfallen, fo 3. B. im Derlaufe der
Rede für Olmüt (5. 275): »ein Arieg, für die Union von
Preußen geführt, könnte mich nur lebhaft an jenen Eng
länder erinnern, der ein fiegreiches Gefecht mit einer Schild-
mache bejtand, um fih in dem Schilderhaufe hängen zu
können, ein Recht, welches er fih und jedem freien Briten
vindizierte, Sollten mir troßdem dahin getrieben mer:
den, für die Idee der Union Krieg zu führen, meine Herren,
es würde nicht lange dauern, daß den Unionsmännern von
kräftigen Säuften die letzten Segen des Unionsmantels
heruntergerifien würden, und es mürde nichts übrig bleiben
als das rote Unterfutter diejes fehr leichten Aleidungs-
ftüches.e Ebenſo glüdlich ift er auch in der Umprägung
und Umdeutung von Bildern, die feine Gegner gebraucht
hatten; man vergleiche aus einer früheren Rede gegen die
Machahmung englifcher Verfaffungsformen (5. 126): »Es
wird häufig auf unjeren politifchen Bildungsprojeß das
Sprichwort angewandt: »wenn wir ſchwimmen lernen wollen,
müffen mir ins Waſſer gehen; das mag wahr fein,
aber ich fehe nicht ein, warum jemand der jchwimmen ler
nen ill, gerade da hineinfpringen foll, wo das Waſſer
am tiefiten ijt.«
Am reichiten geihmückt mit Bildern und Vergleichen zeigt
fih aber eben jene große Rede für Olmüt, und aus ihr läßt fich
eine doppelte Entwicklungsreihe diefer Stilmittel bei Bismard
gewinnen. Einmal fehen wir, wie die erften Anfänge, in denen
die Nlittel forglos aufgerafft worden waren, um fie halb
oder gar nicht ausgenüßt wieder bei Seite zu werfen, völlig
überwunden find, Micht leicht tritt ein Bild mehr in den
Gefichtskreis des Redners, ohne daf es ins Einzelne aus
geführt oder daß es menigjtens mit feinem hervorftechenden
Öuge voll verwertet wird. In zweiter Linie aber können
wir beobadıten, mie mit dem längeren Sluffe der Rede die
Bewegung rafcher wird und die Bilder ſich drängen. Mit
diefer Bewegung fteigt aber auch die Wärme und die
Schmwungkraft der Empfindungen, fo daß ſchließlich auch die
nüchterne Staatsklugheit Worte gewinnt, wie die folgenden
(5. 273): »Wenn jemand im Mamen der deutichen Einheit
auf die parlamentarifche Union hindrängt, fo möchte ich ihn
verwarnen, daß er nicht zwei Begriffe miteinander ver:
Seitihrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. fir. 4.
nn — —— —— — —— — —— —
110
wechſele, die deutſche Einheit und das Recht, auf einer
deutſchen Tribüne parlamentariſche Dorträge zu halten; für
mich liegen beide Begriffe weit auseinander, Wie aber in
der Union die deutfche Einheit gefucht werden foll, vermag
ich nicht zu verftehen; es ift eine jonderbare Einheit, die von
Kaufe aus verlangt, im Intereffe diefes Sonderbundes einft-
weilen unfere deutfchen Landsleute im Süden zu erfchießen
und zu erftechen: die die deutfche Ehre darin findet, daf der
Schwerpunkt aller deutfchen Sragen notwendig nach Warſchau
und Paris fällt (3. 277). Aber es möge jeder, der
diefen Arieg hindern konnte und es nicht that, bedenken,
daß das Blut, welches in folhem firiege vergoffen wird,
in feinem Schuldbuche fteht. Möge ihn der Stuch jedes ehr
lihen Soldaten treffen, der für eine Sache ftirbt, die er im
Herzen verdammt und verachtet .„... Aber .. follte niemand
im Lande einen foldhen Prinzipienkrieg verlangen als die
Majorität der Kammer, fo ift dies meiner Meinung nad)
kein Grund zum friege mit Ofterreich, fondern zum Kriege
mit diefer Aammer. Dann wäre es Pflicht der Räte der
Krone, fih zu erinnern, daß eine hammer leichter
mobil zu machen ijt, als eine Armee (Beiterkeit).«
Nur wenige Beifpiele konnten in diefem engen Rahmen
gegeben werden, und überdies fällt es bei Bismarchs Reden
überfchwer, von dem Inhalt weg den Blich auf die Sorm
zu bannen. Darum haben wir mit Abficht als Beifpiel vor
allem jene Rede für Olmüt verwertet; bei der die Meifter
Ichaft der Sorm in die Sinne fällt, während der Inhalt nur
dem aufklärten Auge die Süge des Manzlers weift, der bald
darauf das deutfche Reich formen follte.
Seuqniffe der Reden Bismards
zu einigen vielerörterten Fragen der deutſchen Sahlebre.
Von Dr. Theodor Matthias in ittau.
Wohl iſt gelegentlich, wie jest wieder in diefen Blättern,
den treibenden inneren Aräften der Sprachkunft unfers
gefeierten erften Kanzlers nachgefpürt worden. Wer folgte
auch nicht mit Genuß den Nachweiſen, daß es diefelbe tief
bewegte Innerlichkeit, diefelbe Schärfe der Auffaffung, die
jelbe Lebenswahrheit des Einbildungs- und Vorftellungsver-
mögens, diefelbe volks- und deutfchtümliche Urkraft war,
die den Realpolitiker die Thaten vollbringen ließ, welche
ihm heute alle quten Deutjchen in nie gefehener Eintracht
danken, und die ihn die Aunftwerke feiner freien Reden
fchaffen ließ, welche allein genügen, den Meiſter der Staats-
kunſt zugleih unter die Alaffiker unferer Sprache ein
zureihen? Die Richtigkeit diefer Schägung auch durch die
Würdigung einiger Erjcheinungen der Satzfügung in den
Reden des Sürften zu ermeifen, ift der befcheidene Sweck der
folgenden Seilen.
Am 3. Sebr. 1866 verwahrte ſich der damalige preußifche
Miniiterpräfident gegen die Anerkennung als Redner mit den
.u...
' Worten: ⸗Ich bin kein Redner .. Ic vermag nidyt, mit
Worten jpielend, auf Ihr Gefühl zu wirken, um damit That«
jachen zu verdunkeln, Meine Rede ift einfach und klar.«”)
*) II, 23,28 Aohl Die Reden werden nach der Ausgabe in 12 Bänden
von #. Aohl angeführt; den folgenden Erörterungen liegen außer umfaflen:
den allgemeinen Beobachtungen befondere Ausgählungen zu Grunde für die
hervorragenden freien Reden in Bd. II, (v. I. 1802-66); III, S.1-148
(18887); V, 1-81 (1871); VI, 29-82 (1875); IX, 1-80 (1881); XII,
15-27 (1887),
115
Seitihrift des allgemeinen deutiben Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Ar. 4.
116
feiner nächſten Parteigenoffen zu erfreuen haben» — | ftimmungen je nach ihrer Tonftärke hinter diefem Ab-
95 10: > Ih glaube« — das ift das Seitwort, bei dem die | fchluife an.
Sügung am häufigften fteht —, »m. H. das Rechenexempel
ift ganz unbeftreitbar,«e — II, 3625: ⸗Ich fee voraus,
der Kerr Juftizminifter hat fhon darauf aufmerkfam
gemadt.«e — 58 7: »Es ift mahr, es macht dies viel»
leiht den Eindrucd der Ungerechtigkeit.e — VI, 4 2:
»JIch habe geftern erklärt, ich übernehme jede Derant-
mwortung;« 14: >Ich habe gejagt, ich bedarf unbedingt
des Nusmeifungsrechtes wenigſtens in der Theorie. Beis
jpiele für diefe Sügung bei höheren Graden der Abhängig-
keit find 3.3. III, 91 13: »Was ferner die Grundrechte an«
langt, jo hoffe ich, die Herren werden jelbit aefühlt
haben, daß, wenn ich fagte, fie gehören nicht zu
meinem Reffort, ich damit andeuten wollte....« II, 227 22:
(fo) ... »könnte es uns ja willkommener fein, wenn Sie die
Anleihe ablehnten und mir daraus die Solgerung zÖgen,
dafj.... wir dem Bunde anzeigen müßten, Preußen tft
nicht in der Lage, feine Bundespflicht zu erfüllen.« V, 7038:
»Die Abftimmung ... ift mit einer ſehr großen Majorität...
erfolgt ..., jo daß ih annehmen darf, die Ratifikation
des Sriedens würde, wenn fie diefe Alaufel nicht noch
gehabt hätte, nahezu einftimmig erfolgt fein.« Einige
Beifpiele für Begehrungsfäße find: V, 41 23: »>Deshalb möchte
ich Sie bitten, taften Sie nicht den Bundesrat an.« 61 2:
»Aber ih möchte dringend bitten, fparen Sie fi... das
Urteil... noch auf.e VI, 87 28: »die fo häufig wiederholte
allgemeine Aufforderung: Schafft uns eine andere Soll,
gefegebung in Rußland, denn unfere Oitfeeprovinzen leiden
unter der jetzigen — hat an fih wenig Erfolg.e Auch für
Sragefäte noch zwei Beifpiele: VI, 39 21: »WDenn er nun
weiter fragt, wie kann das Geſetz gerechtfertigt wer"
den? jo habe ich weiter gefagt, darauf will ich hier aus
dem Stegreif nicht eingehen.e 45 1: »Ich habe allerdings...
unferen..., Dertretern den Auftrag gegeben, darüber zu be»
richten, wie ftellt fih die Bewegung in andern
Ländern, welche Nlittel gebrauchen die dortigen
Regierungen gegen diefelbe, find fie mwirfam, find
fie...
und da ift mir unter anderem von der Königlichen Botichaft
in London Bericht zugehommen.«
Es bedarf keines Ainmweifes, wie fehr diefe Sorm zur
Verdeutlihung und Alarheit beitragen muß; rüdit fie doch
das, worüber als über etwas ſchon Geäußertes, Wahr:
genommenes, Gefordertes, Gefragtes berichtet wird, noch
einmal gleichfam in die Gegenwart des Augenbliches, wo
Dur diefe Machitellung wird ganz mie im
Geipräh eine wichtige Einfhränkung, Erklärung
u. dgl. nahdrüclicher hervorgehoben oder ein durch
einen Mebenfat ausgeführtes Satglied diefem ver:
deutlihend näher gerücht.
Sür den erften Sall zunächft im Kauptfate vgl. IL,
131 4: >... jo will ih... ihn animerffam machen auf den
Preis diesfeits und jenfeits der für das menſch—
liche Auge nicht weiter kenntlihen preußifch:ruffi-
fhen Grenzlinie.e — 135 15: » Denn fie ihre... Eegitima-
tionspapiere in der Tafche haben, fo berufen fie ſich bei"
jpielsmweife darauf mit erhobener Stimme, in einer
Sprache, welche der ruffifche Beamte nicht verſteht.« V,23 24:
» Es würde alfo die Ausdehnung des Baues fih befhränten
müfen auf das jetige Bundesgrundftücd.e 82 ıe:
»deben Sie uns Straßburg, und wir werden eins jein für
alle Eventualitäten.e Denfelben Sall in Nebenſätzen
mögen folgende Stellen beleuchten: V, 52 15: »ſo lange...
muß ich befürdyten, daß mein Land überſchwemmt wird
von fremden Truppen, bevor mir der deutiche Bund
zu Hilfe kommen hann.« 59 35: »Ich glaube, daß es uns
gelingen wird, den Landsmann dort Zu gewinnen — viel:
leiht in kürzerer Seit als man jeht ermwartet.«
60 8: » Mir dürfen uns nicht fhmeicheln..., daß im Elſaß
die Derhältniffe fein werden mie in Thüringen in Bezug
auf deutſche Derhältniffe.«
Nun einige Beifpiele für den zweiten Sall:
II, 96 23: »Es kommt auf diefe Dinge weiter nit an
für die Entfcheidung der großen Sragen, die uns
bejchäftigen.e 97 10: »Ich will mid nur nach zwei Seiten
beruhigend ausiprechen, einmal das Baus der Abgeordneten
felbjt zu berubigen über das Gewicht des Rückſchla—
ges, den der innere Aonflikt auf unfere Leiftungsfähigkeit
nach aufien hin übt.« III, 143 7: »Ich führe das an, um
zu beweiſen, daß die Regierung.... nur eine gleiche Dertei«
lung von Sonne und Wind bei diefer Gelegenheit wünjct
| auch in derjenigen Arena, die nur dem Seitungslejer
mit den rechtlichen Suftänden verträglich, |
Daß die Sügung aber im ganz befonderen zur Klarheit der |
Bismardjchen Rede ihr Teil beiträgt, dürfte außer allem
Dmeifel gejtellt fein, wenn ich mitteile, daß ich in den aus«
gezählten Teilen noch 128 ſolche Sügungen angetroffen habe.
2. Den Bauptiak liebt man in der Schriftfprache durch
die Schlußftellung des zweiten Teiles der Sakausfage oder
eines andern mit dem Derbum am engften verwachienen
Satzteils abzuſchließen; ) der Abfchluß des Mebenfates wird
durch das ganze Derbum gebildet, Bismarck aber in feinen
Reden fügt gern wie einen Madhtrag*) noch einzelne Bea |
\ sSandelsverträge der letzten Tahre, welde.... geſchloſſen find, be
*) Pgl. mein Bud Sprachleben und Sprahichäden«, S. MM f.
fügung, IM, 5, 138 f,
ı ber..
) 5. Wunderlich, Unfere Umgangſprache in der Eigenart ihrer Sat |
zugänglih ift, außerhalb der parlamentarifchen
Aämpfe.« Befonders häufig werden hinmeifende Umftands
wörter zo nachgestellt: III, 145 23: »Wir haben noch in
den jüngſten Wochen traurige Erfahrungen gemacht Darüber,
daf die Parteileidenfchaft doch ſchließlich höher ftehe.«..
Il, 85 20: »Sie jagen, die.., Situation fei verihärft Dadurd,
dafj..e III, 28 15: » Ich möchte den Kerr D. bitten...., ſich
N ‚ an Se, Durdylaucht den Sürften v. Taris Zu wenden mit
die Außerung, Wahrnehmung, Sorderung, Srage erfolgte.
der Stage, ob die Ausübung des Poftregals wirklich eine
Laſt jei für den, der es befigt.e Dieje Stellung ift faft
auf jeder Seite zu belegen, oft mehrmals, und unverkennbar
dient fie ebenfo der Allarheit, wie fie eins der Mittel ift,
Scyachteleien*) zu vermeiden und die Sätze in echt deutfcher
Weife gemütlich weiter zu fpinnen.”*)
*) Es gehört denn auch zu den größten Seltenheiten, da; einmal der
artige Schachtelfähe begegnen, mie V, 35 10: »indem ih feinen Dior
würfen gegemüber,,. . die Beamten, die die deutfchen Interefien.... ver
treten, wahren muß« II, 140 1: .. »dem Spitem, welches durd die
gründet worden.« IX, 17, 28: »gäft fie fih auf die Eandmwirtichaft,
die meiften Arbeiter.... angehören, ausdehnen? Dereingele
längere Schachtelfäte finden ſich 3. 3. II, 100 10 ff, 224 21 ff.
+; Dal, Sprachleben und Sprachfchäden, 5. 350 ff.
117 Seitihrift des allgemeinen deutiben Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. fir. 4.
3. Ein einem Mebenfate paralleler oder einthat-
jählidh untergeordneter Gedanke, den eine künftliche
Periodifierung als Nebenſatz eingliedern würde, wächſt ſich
zu einem felbfländigen Sate aus, lediglich, weil das
Bedürfnis der Deutlichkeit größer it, als das der künft:
lihen Sorm des Ebenmaßes.
V,27 24: »Ein anderes, was ich überfehen habe, ift
noch der Aönigsplat, mo das Razynskiſche Haus den öſt-
lichen Teil einnimmt, und wenn diefes Baus käuflich zu
erwerben märe, fo böte fich dort ein... größerer Raum.s
68 5: »Als Sahlungsmittel ift feftgeftellt worden, daß nur
Metallgeld und Noten von fihern Banken... angenommen
werden, oder Wechſel .. . die fo gut find wie baar Geld,
und wenn fie es nicht fein follten, fo trifft der Ausfall
nit uns.« V, 80 37: »Ich habe dies nur ... gethan, weil
wir jegt den Alurs ... kennen, für die Sukunft ift das
für uns eine unbekannte Größe. 75 13: »So ift es gekommen,
daß der Mame Pruffien faft etwas Verletzendes in Srank-
reih hat, und überall, wo fie etwas Übles von uns
fagen wollen, da heißt es...« IX, 19 1: »fo ſchwebt mir da-
bei eine Organifation vor ...., mit der das Kind über
haupt nicht geboren werden kann, fondern in die muß
es erſt allmählih hineinwachſen.« 554: »Die Kerrfcher
der Stadtverwaltung find... diejenigen Herren, die ....
durch ihre Beredjamkeit die Derfammlung beherrfchen nicht
dadurch, daß fie die Stadtverordneten überzeugen, fondern
kein Parteigenoffe getraut fich gegen den Redner den
Mund aufzumachen, jeder fagt u. ſ. w.« 7O 22: »Der frühere
Eifer hatte wohl auch darin feinen Grund, daf das deutfche
Reich etwas Neues war, man hatte eine gemwiffe Weih—
nachtsfreude daran. XII, 259 7: »eine volle Reihstags-
majorität fteht hinter diefer Preife, eine Majorität, die fo
fchnell ihre Anſicht mechfelt — heute tritt hein Menich |
mehr außer dem #. Abgeordneten R. hier für Bulgarien
auf.e 267 0: » Die Herren werden mir zugeben, daß ein fieg:
reihes Srankreih ... fih damit nicht begnügt haben
würde, fondern es würde auhnoch gedacht haben...«
248 9: »50 mie wir... zmwifchen Magdeburg und Minden
liegen, war es ganz unmöglih, mir haben die Neutralität
acceptieren müffen.e VII, 103 4: »der perfönliche Wider
ftand, den der König geleiftet hat, der hat gehindert... . daß
mir einen Arieg führten, der von dem Augenblice an, wo
wir den erjten Schuß thaten, der unfrige germorden wäre, und
alle hinter und neben uns hätten eine gemiffe Erleichterung
empfunden und uns gefagt, wann es genug war.«*)
Anknüpfend an das letzte Beifpiel fei darauf hingewie—
jen, daß fih in Bismardıs Reden naturgemäß ſehr viele
von den Befonderheiten des Satzbaues finden, die
5. Wunderlich in feinem ſchon oben angezogenen Buche
als Eigentümlichkeiten der Umgangsſprache dar:
gethan hat. Dafür noch einige Beifpiele:
Da ift zunächſt das ein Abhängigkeitsverhältnis »ver
fchleiernde« und (Wunderlich 5.250), das ſich auch bei Bis |
marck eines ganz ausgedehnten Gebrauchs erfreut. Su dem
legten Beifpiele oben (VII, 1034) vgl. noh XII, 274 m:
»Bedenken Sie, welche Gefchäftslaft auf mir ruht, und für
*) Über 2 andere Sälle der Vorherrfchaft des Kauptiakes vgl. unten
Sp. 118 die Bemerkungen zu IX, 22,6 u. XII, 187,4 fomwie Sp. 119 f.
118
einen ganz gemwiffenlofen Arbeiter im Dienjt werden mich
felbft meine Gegner nicht halten.«*) j
Des wiederaufnehmenden »der« fodann, wie über
haupt der mannigfachiten Sormen der Wiederaufnahme
bedient fih Bismarck fehr oft, da er gern Swiſchenſätze ein
ſchiebt, am liebften in Bauptfaßform, durch die er die Sügung
des ganzen Satzes gleihmohl nicht mwill vermwifchen laſſen:
VI, 4434: »Diefe umfaffenden, alle Regierungen in der
Welt bekämpfenden Arbeiten der ultramontanen Partei, die
bejchäftigen ja uns in der Politik ebenfo.e IX, 74 ı7: ⸗Wenn
mwir das nicht ihun, machen wir den Leuten, die im prak«
tijchen Leben fiehn, ich meine, die irgend etwas materiell
produzieren, Handwerker, Aaufleute, Ndvokaten und Arzte
mit wirklicher Praris...., denen machen wir es ja beinahe
unmöglich, daß fie an den Sitzungen auf die Dauer teilneh-
men.« — Auch der umgekehrte Sall, die nachträgliche
Einfhränkung oder Erläuterung eines Sürmworts
durch das erftfolgende Bauptmwort fehlt nicht; jo fteht
XI, 193 ı: »M. ®., da irren fie fih, die parlamen«
tarifchen Strategene, oder 258 5: > Ich will gar nicht ein
mal behaupten, daß fie finanziell angeregt fei, diefe Be:
geifterung.«
Desgleichen dient das einfache der oder ein entiprechen
des Adverb (dabei, damit u.a.) oft dazu, einen als ſelb⸗
ftändigen Sat; vorausgefchichten Gedanken dem folgenden
Safe grammatifch einzuordnen z. B. IX, 226: »Nennen
Sie das Sozialismus oder nicht, es ift mir das ziemlich
gleichgiltig.«e XII 187 4: »MWenn die Sranzofen fo lange
mit uns Srieden halten wollen, bis wir fie angreifen, wenn
wir defjen ficher wären, dann wäre der Stiede ja für
immer gefichert.«
Endlich verbindet fih ein joldhes der, deshalb und ein
folhes und gem zum doppelten Ausdruck der Unge
zwungenheit: IX, 51 20: »Eins will ih aber noch erwäh-
nen, und (= denn) das hat mich frappiert.«e XII, 243 »:
»fo.. haben wir uns an die Meisheit und Sriedensliebe
Sr. $. des Papftes gewendet, und der hat uns vertragen. —
Ein anderes Seichen, worin ſich die Unmittelbarkeit der
Umgangsiprache verrät, ift es, wenn die Lebhaftigkeit und
Erregung einen Begriff auf die Eippen drängt, ohne daß
der Gedanke, in den er fich eingliedern joll, jchon zu Ende
gedacht wäre; er wird dann gar nidyt oder.in einem andern
Kaſus eingeordnet 5.8. III, 35 12: »Ein Ton, wie er...
gejtern und heute hier geherrſcht hat, — mir iſt nicht ber
kannt, daß in irgend einer europäifchen parlamentarijchen
Derfammlung irgend etwas Ähnliches" dagemejen ijt«,
IX,68 26: »Die Berren, wenn fie mit ihren parlamen
tariſchen Geſchäften auseinander find . . . für fie hören
die Serien dann auf. V, 251: »Die Gefahr, daf ein zu
bequemes Proviforium ſich leicht in ein Definitivum ver.
mwandle, davon iſt diefes Baus ein Beifpiel.«
Dezgleihen ift Bismard eine gewiſſe Sreiheit”*) ın
der Anfügung eines Beifages nicht fremd, die auf dejien
Sserauswachfen aus dem felbftändigen Sage beruht. V, 31 12:
sich habe zwiſchen zwei Provijorien unterichieden,
eines, das mir lieb fein follte.... für die Dauer diefer
Situng, ein zweites für die Dauer der Jahre.« VI, 58 12:
*) Dabei jet bemerkt, daß ich nur ein Zeifpiel für die Umkehr nah und
bemerht habe: V, 66, 26: »€s werden deshalb nadıträglide Ausführungs
verhandlungen ftattzufinden haben und ift Srankfurt als Ort derfelben
*) dgl. mein »Spradhleben« 5. 187. 190,
119
weil ich den jehr lebhaften Wunfch habe, daß ein Pref:
geſetz zu ftande kommt, ein Wunſch, der ſchwerlich allfeitig
geteilt wird.e 71 1: ».. das Oberhaupt einer der großen
kirchlichen Gemeinschaften, von welcher ein verhältnismäßig
kleiner Teil auch in Deutjchland wohnt, klein im Derhälts
nis zur Gefamtheit der Angehörigen der katholiihen Kirche.
Unter den Eingangs: und Übergangsformeln (Mun-
derlich, 5.23 ff.) fteht bei Bismark nun und ja obenan,
gelegentlich findet fih auh na, und damit werden hun—
dertfach ſolche breite Sormeln vermieden mie: »Wenn der
SSerr ©. gejagt hate, oder »was das anlangt, daß ...., for
3:8. IX, 15 23: »Der ferr &. hat auf die Derantwortlichkeit
des Staates ... aufmerkfam gemadht. Nun, m. ß., ich habe
das Gefühl, daß fich der Staat auch durch Unterlaffung ver:
antwortlih machen hann.«e IX, 12 16: »er hat damit ge
fchloffen, daß mein Preftige im Schwinden wäre, Ja, wenn
er Recht hätte, möchte ich fagen: Gott fei Dank!« 78 8:
Wenn die Berren Regierungsräte auf das Land kamen, ...
fo hatte man leicht den Eindruc: na, recht viel verſteht
der nicht davon.«
Gelegentlich weiß Bismardı aud; ohne Seitwort auszu:
kommen und vollends mit Unterdrückung eines ganzen Satzes
überrafchend zu wirken: V, 27 14: »Ebenfo groß ift die Ent:
fernung bei einem andern Grundftüc Ein jehr
ausgedehntes Grundftücd zwarz dort ift aber die Ent-
fernung ... Schon fo groß.« Dal. auch unten VI, 450. —
XI, 224 2: ⸗Ich habe ſchon vorher gejagt, wenn Worte
Soldaten wären —, in der Beredfamkeit ift der Kerr V.
jedem Sranzoſen überlegen.«
Bezeichnender als ſolche Sparfamkeit ift für Bismarcks
Rede freilih eine beftimmte Art der Sülle und Der:
fhmwendung, infofern er ſich oft gar nicht genug thun kann,
einen Gedanken, um ihn zu verdeutlichen und recht ein
dringlich zu machen, in zwei, drei und mehr ähnlichen oder
verichiedenen Geftalten zu wiederholen.
XII, 190 1: »Das find Worte, damit kann ich nichts
machen. Worte find keine Soldaten, und Reden find heine
Bataillone, und wenn wir den Seind im Lande haben und
wir lejen ihm diefe Reden vor, dann lacht er uns aus.«
177 22: »Man kann daraus nicht auf Rriegerifche Gelüfte
fchließen. Wir haben keine kriegeriichen Bedirfnifie, mir
gehören zu den... jaturierten Staaten, wir haben keine
Bediürfniffe, die wir durch das Schwert erkämpfen könnten.«
191 1: »Ungeachtet der Uniform, die ich trage, fällt es mir
......
Seitihrift des allgemeinen deutihen Sprahvereins. X. Jahrgang. 18098. fr. 4.
nicht ein, habe ich nicht die Unbefcheidenheit, meine Autos |
rität in dergleichen Sachen über die der (militärifchen)
Herren zu ftellen.e 214 8: » Ob Deutjchland feine Armee .... |
behalten foll,.., darüber werden wir abftimmen, darüber
werden wir mählen.«
Die letzte Stufe aufdiefem Mege bildet die für die Bis
marckſche Gedankenführung bezeichnendfte Art, oft lauter
oderdod vorherrihend Bauptfäke und faft ohne jedes
andere Bindewort als >unde aneinanderzureihen oder im
Anſchluß an einen Sauptiaß mehrere Mebenfäte nicht einen
in den andern einzufchieben, jondern an den andern anzu
auserfehen mworden.= Das Beiſpiel ift alfo genau von der Art, die
man gutheihen darf, vgl. mein Zuch »Sprachleben und Sprachſchäden«
s »öf.
zum Preife von 30 4 zu beziehen,
Verantwortlich für diefe Nummer: Profefior Dr. Paul Pteti®, Berlin. — Verlag des allgemeinen deutfchen Spradivereins (Jähms & do), Kerlin.
120
fpinnen. Selbft die Behandlung der jchwerften und erniteften
Sragen nimmt dadurch oft den Schein der locherften, unge
zmwungenften Plauderei an, ohne daf man je das Gefühl
hätte, Inhalt, Sorm und Ton entfprächen einander nicht.
Denn als Aöftlihftes hat Bismarck gewöhnlich über das
Ganze einen genialen Bumor gebreitet, aus dem Bemußt:
fein geboren, daß feine geliebten Deutjchen trot veichlicyer
Querköpfigkeit zuletzt doch immer mit ihm den rechten Weg
erkennen und gehen oder aber — gegen ihren Willen ge
führt werden müffen von einem Söheren, defien Werkzeug
er ſich fühlt.
Man vgl. VI, 45 2: »Dann über die Aampfesmeife
gegenfeitig: es iſt eigentümlich: ich bin geftern vorfichtig
und höflidh gemejen und habe niemand genannt — mie
kommen Sie dann dazu, fich alle diefe gegen die Agitation
in Irland gerichteten Außerungen jelbft und mit folcher
Empfindlichkeit und fittlichen Entrüftung anzunehmen?«e Die
V,80 3 beginnende Erörterung über die von Bismarck ausge
wirkte Schuldenfreiheit des Elſaß fließt 81 21 aljo: »Mit
allem diefem in der Tafche und mit dem fchuldenfreien Elfaß
komme ich nach Hauſe und glaubte hierüber im Intereſſe
des Elſaß zu einiger Anerkennung berechtigt zu fein, und
was mir entgegenipringt, ift die Erklärung, mir jchicken
Euch diefen Kanzler, aber leiht ihm kein Geld, wir fichen
nicht gut für ihn! Ich werde wie ein leichtfertiger Schul
denmacher dem Cande gegenüber hingeftellt!« XII, 185 » ff.:
»Das Infrageftellen der deutfchen Grenze hat angefangen,
wenn mir es rein im hiftorifchen, pragmatifchen Sufammen-
' hang auffaffen wollen, mit der Wegnahme der drei Bis
tümer Met, Toul und Derdun. Das ift eine vergeffene
Thatjache, und ich erwähne fie nur des hiftorifchen Su
fammenhanges wegen. Wir beabfichtigen weder Toul noch
Derdun wieder zu erobern, und Metz befigen wir ja. Aber
feitdem hat doch kaum eine Generation in Deutjchland ge
lebt, die nicht genötigt gemejen ift, den Degen gegen Srank-
teich zu ziehen. Und ift diefe Epoche des Grenzkampfes mit
der franzöfifchen Nation nun heute definitiv abgefchlofien,
oder ift fie es niht? Das können Sie jo wenig wiſſen mie
ih. Ich kann nur meine Vermutung dahin ausiprechen,
daf fie nicht abgeſchloſſen ift; es müßten ſich der ganze fran-
zöfifche Charakter und die ganzen Grenzverhältniſſe ändern.«
Eine bejonders lehrreiche Stelle, aber zum Abdruck viel zu
ausgedehnt, ift XII, 245 4+—248 Ende, bef. 246 » ff.
Mur einzelne Baufteine, des bin ich mir wohl bemußt,
habe ich bloßlegen können, auf denen die ſchlichte Alarheit der
Linienführung in Bismards Reden beruht; nur hinmeiien
habe ich können auf die Quelle, woraus ihre immer jugendliche
Stifche und Matürlichkeit aefhöpft ift. Unmöglich war es, in
fo engem Rahmen auch die Mittel nadyzumeifen, durch die es
der heut gefeierte Bauherr des Reiches veritanden hat, aus
folhem Stoffe auch den Aunftbau zu fchaffen, den feine
Reden bei aller Einfachheit und Urmüchfigkeit darftellen.
Dat; aber Bismardıs Rede die von ihm felbit dafür in An
fpruch genommenen Eigenschaften wirklich innewohnen, dies
dürfte fchon aus dem Gefagten einleuchten, und nicht minder
das andere, daß das fchreibfelige Jahrhundert allen Grund
hat, dem großen Kanzler heute auch für den Born der Ge
neſung zu danken, den er ihm in feinen Reden gegen die
ungefunden Wucherungen des Tintendeutfch erfchlofien hat.
Sonderabzüge dieier Nummer find durch den Schatzmeifter des Dereins, Derlagsbuchhändler Eberhard Ernft, Berlin ID. 41, MWilhelmftrafe 0,
— —2
Druckt der Buchdrucherei des MWaifenhaufes in Ballea.d 5,
X. Zahrgang Ar. 5. 1. Mai 1895.
Zeitſchrift
allgemeinen deulſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Zeitſchrift erſchelut jährlich zwdlfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wirb den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Epradivereins umentgeltlich zu 3 ME. jährlih bezogen werden. — Anzeigenannaßme durch den Schagmeijter
geliefert (Sapung 3). Eberhard Ernſt, Berlin @.41, Wilbelmitr. 90. — Auflage 14500.
* nbait: Gerichtsdeutich und Ähnliches. Von K. Bruns. (Schluß.) — Noch einmal das Fremdwort im Vollsmunde. — Ulgöpe,
Ölfopf. Bon Dr. J. €. Wülfing. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Aus den Zweigvereinen. — Brieffaften. — Geſchäftlicher Teil!
Die Beltichrift fan auch durch den Buchhandel oder die Poſt
Gerihtsdentih und Ähnliches. Klageanfprucs nicht an. Wenn man mit dem Wort » Begrün-
dunge nicht zufrieden iſt, muß man den Gedanken anders aus—
Bon K. Bruns, Landgerihtörat in Torgau. drüden. Zweifelhaft kann man bei folgenden Wörtern fein, die
Echluß.) ebenfalls von W. bekämpft werden: beſchlagnahmen (in Be—
Ein in der Gerichtsſprache viel gebrauchtes Wort iſt bedingt. | ſchlag nehmen); Strafthat (ſrafbare Handlung); Vorſtrafe,
Dan jagt m. E. ganz richtig: »die Übernahme des Grunde | yorbeitraft;”) falfche, unwahre Thatiahe. W. will als
tüds ift nad dem Kaufvertrage durch die Stadt-Ent- | Korftrafe nicht die früher ſchon erlittene Strafe gelten laffen,
jejtigung bedingt« und meint damit, daß die Entjeftigung | jondern nur einen den Anfang der neuerdings erkannten Strafe
eine Bedingung der Übernahme bilde. Wenn man num aber ausmachenden bejondern Teil davon, ebenjo wie »Naditrafe«
aus jenem Paſſwſatze den entipredenden Aktiva grammatiih | z. B, die fi an die Haft eines Landſtreichers anfchliehende Unter-
richtig bilden wollte, jo müßte diefer fo lauten: »Die Stadt: | pringumg im Arbeitshaufe fein würde (vgl. Vorſpeiſe, Nachſpeiſe).
Entfejtigung bedingt nad dem Kaufvertrage die Übers | Die »faljche Thatjache« aber, für die die »Ghrenzboten« »Un-
nahme des Grundſtücs« (d. h. ift Bedingung für). In diefer | wahrheit« verlangen, kann, jo lange fie im Strafgejepbudh feit-
aktiven Form wird aber das Wort im Sinne von »die Ber | gefegt ift, auch aus den Urteilen nicht wegbleiben; die Jufügung des
dingung bilden« kaum gebraucht, jondern man jagt vielmehr | Wortes falſch oder unwahr läßt ja ſtets ertennen, daß man es
umgekehrt: »die Übernahme bedingt die Stadt-Entfeftis | mit einem Unwirklichen zu thun hat. So fagt man auch:
gunge, d.h. erfordert (macht notwendig) die Entfeftigung, | eine Thatjache leugnen, beftreiten. Wenn es unerlaubt wäre,
wo das Wort »bedingen« offenbar eine ganz andre Bedeutung | Yon »jaljchen Thatſachen- zu reden, jo hätte man auch nicht ge:
hat. Wuſtmann erflärt dies in jeiner Erörterung der Wörter | wiſſe betrügerifche Thronanmwärter den falſchen Smerdis und
»bedingen«, »bedingt« (»Spradidummbeiten« S. 112) für die | den jalihen Waldemar nennen dirfen; denn dieje waren auch
»volljtändige Verrüdtheit« Id glaube aber, daß er hierbei die | nicht Smerdis umd Waldemar. — Die Wörter Bellagter (itatt
Beridiedenheit der beiden Bedeutungen des Wortes überficht. | Berflagter), beeidigen (itatt vereidigen) dürften ebenfalls
Wenn man bedingen im Sinne von erfordern, nötigmaden | nicht mehr zu verdrängen fein. D. nimmt (S. 45) mit Gueiſt
überhaupt zulafien will, was ich früher in diefer Zeitſchrift III, 58 | für »Beflagter« Partei, welches Wort übrigens vorläufig als
befämpft Habe, jo dürfte man fic das fo zurechtzulegen haben, | dns gefepliche gebraucht werden muß, obgleich das Geich 3. ©.
daß man das Subjelt des Sapes als perfonifizierten Gegenftand | deutſche Civilprozehordnung 88. 56, 57) daneben das Zeitwort vers
auffaht, der, wie eine lebendige Perfon, ſich etwas ausbedingt, | lagen (nicht beklagen) anwendet. (Vgl. Ztichr. VIL, 172; VEIT, 94.)
verlangt, erfordert; dann würde aber das Mittelwort der | Ron Bellagter hat man neuerdings betlagtiſch gebildet, wie
Bergangenheit pafjiv bedungen, nicht bedingt lauten. Daraus | yon Kläger Hägeriich; beides fit aber ſprachlich nicht gleich—
erflärt es fih zwar, dah man den AtivsSap: »die Übernahme | perechtigt. Bei den Wörtern Kläger und Bellagter wolle
bedingt die Entfejtigung« nicht rein äuferlid-grammatifch in | man dem beftimmten Mrtifel micht zu häufig weglaſſen. Nament-
einen Paſſivſatz: »die Entfeftigung ift durch die Übernahme bes | fich bei dem erfteren Worte entfteht dadurch oft Zweifel darüber,
dingt« verwandeln fan, daß aber die umgelehrte Faſſung: »die | ob der 1., 3. oder 4. Tall gemeint ſei (Daubeniped ©. 30). —
Übernahme ift durch die Entfeftigung bedingt« einen ganz quten Gegen den nur den Rechtsgelehrten befannten Musdrud »ein
Sinn hat, indem hier das Wort bedingt von dem Worte »Bes | Urteil abfepen« (— abfafjen) tritt ©. Bähr in den »Grenz-
bingunge oder defien Stamm » Dinge — Gerichtätag, Vertrag | hoten« auf, m. E. ohne genügenden Grund, da es aud) in andern
u. dgl. hergeleitet fein könnte. Ob ſolche Bildung fpradjlich zus | Fächern Wörter giebt, die nur diefen eigentünlich find. Mir nicht
läſſig fei, das mögen andre beurteilen. (Vgl. Heine S. 40). | zufagend find die im Gerichtäweien oft gebrauchten Wendungen:
Dod) möchte ich betonen, daß das Wort »bedingt« im leptem | „es erſchien angezeigte (ftatt angemefjen) und: »diefe Vor—
Einne den Nectögelehrten fajt unentbehrlich geworden ift. Dez
Für unſchön halte ic es, für die Hauptwörter mit ung *
ohne rechten Grund neue mit der Endung beit zu bilden, z. B. Ir gr Pa eg v — — 4 h u * ke
Bellagter erkennt die Begründetheit (ftatt Begründung) des | Urteilse, weil die Strafe erjt bei der Vollſtreckung erlitten wird.
123
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Spradvereind, X. Jahrgang. 1895. Nr. >
124
ſchrift greift hier nicht Plaß« (ftatt »ift hier nicht anwendbar «);
ic fann damit feinen rechten, den Worten jelbit zu entnehmenden
Sinn verbinden. — Über Poſten und Poſt ſ. Ztichr. VIIT, 95. —
Der Beachtung zu empfehlen ijt die Untericheidung ‘von Formen
wie Borlegung (eines Geſetzes) und Vorlage (das Geſetz felbit);
deshalb fage man Eidesauflegung, nit sauflage, Auflegung
von Steuern (die Steuer jelbit ift die Auflage), Strafvoll-
ziehung, nicht svollzug. Man unterjcheide auch: größer als,
anders als (Ungleichheit) und: ebenjo groß wie, ebenjo wie
(Gleichheit). Vgl. Heinge S. 169. Falſch iſt es zu jagen: fällt
fort (ftatt fällt weg), weil es fich um ein völliges Verſchwinden
einer Sache handelt, nicht bloß um eine Entfernung anders:
wohin, wie 3. B. in fortihiden. In dem Kopfe der Urteile
begegnet man noch oft dem Sprachfehler, daß die Parteibezeichnung
nicht richtig mitdekliniert ift, 3. B. » In Sachen der verehelichten
Häusler Anna Reh gebomen Schulze in Schmiedel Bellagten
und Berufungstlägerin« oder ⸗In Sachen der Emil Gotthard-
ſchen Eheleute zu Torgau, Bellagtes; in beiden Fällen muß es
beißen: Bellagter. Oft lieft man ſogar ftatt des Genetivs »ges
bomene (j. oben) geborne. Ebenjo ift es ganz falfch zu jchreiben:
In Sachen uſw. gegen den Bädermeifter WR. in Mühlberg, Be:
Hagter (itatt Bellagten). Vgl. Daubenſpeck ©. 46. Leider wird
auf diefe Nebenſachen von vielen gar fein Wert gelegt. — Was
die Ortsbezeichnungen in und zu betrifit, jo bevorzugen die » Örenz=
boten« das in; doc) iſt zu ganz alt und z. B. jchon im » Armen
Heinrich« gleich zu Anfang zu lejen: »dienstman was er ze
Ouwe« Ze (an dejlen Stelle jpäter zu tritt) iſt im älterer
Zeit vorwiegend, bei Ortönamen wohl ausichliehlih in Ge—
brauch, bei Voll!» und Ländernamen aud in. Wal. den Ans
fang des Nibelungenliedet: »Ez wuohs in Burgonden« uſw.
Bielleiht wollen die >&.e nur dem »in«, das aud im Vor—
drud der beutichen Poſtlarte jteht, ebenfalls jein Necht ſichern.
Nusdrüde wie: die Amtsgericdte Torgau und Eilenburg,
in denen das zu ganz fehlt, find dann zuläffig, wenn man die
Bebörden perjonifizieren will. Schlecht klingt eine Ortsbezeich—
mung wie: »zu Mottaer Weinberger, jtatt »auf den Rot—
taer ®Weinbergene, »in den R. W.« — Bei der Beitbezeich-
nung wird jetzt oft der Artikel zu Unrecht weggelaſſen; es heiht
richtig: »jeit dem 27. Dezember«, nicht »jeit 27. Dezember. —
Bu laden ift eine Partei vor den Herrn Amtsrichter; der Termin
jteht aber vor dem Herrn Amtsrichter an. Diejer läht eine
Hypothek in das Grundbuch eintragen; dann ſteht fie aber im
Grundbuche eingetragen. — Sehr häufig lieft man gedrudt: die
badenſchen Gerichte, das meiningeniche Minijterium (ftatt |
badiſchen, meiningiiche); man jagt doch auch nicht die preu-
ſßenſche Staatäregierung.
Verteidigung des Worts »Plauenfcher« ausführt, it feiner Ber-
allgemeinerung fähig. Vielmehr fan es unferer Sprade nur
zum Vorteil gereihen, wenn der Fräftigen Endſilbe iſch möglichit
viel von ihrem verlorenen Gebiete wieder gewonnen wird. Wer
⸗Halle'ſche (Halleſche) Zeitunge für beiler erklärt, als
Halliſche Zeitung, weil in erjterer form die Genauigkeit der
Namenjcreibung zur Geltung fomme, der gerät, namentlich mit
jeinem Mpojtropb, fofort in Verlegenheit, wenn er das Eigen:
ihaftswort ohne Hauptwort und Artifel verwenden will. Man
fann doch nur schreiben: » Diejer Brauch ift alt:halliiche, nicht:
⸗alt-halleſch⸗ oder gar »alt-halle'jcde. Darum verwende
man auch diefelbe Form, wenn man dem Mrtitel oder ein
Hauptwort dazu ſetzt, aljo: »das ijt halliſcher Brauche, »das
halliſche Stadtrehte. Bon bier aus bis zu der Erkenntnis
durchzudringen, daß es auch richtiger ift, -Goethiſches Wedichte, |
Was Dunger Ztichr. VII, 135 zur |
nicht ⸗·Goethe'ſches Wedicht zu druden, iſt leicht. Marcher
Altenmenſch twird freilich dazu den Kopf fchütteln, wenn er ſolche
Wörter ohne Apoſtroph ſchreiben foll; er blättre aber einmal
in alten Urkunden, und er wird finden, dal; dies unfern Alt:
vordern gar feine Not gemacht hat.
Als fehlerhaft wird gewiß jeder die folgenden NAusdrüde an:
erkennen: des Amtsgerichts rat, Ajlatt Antegerihtörats), des
Architekt (Ätatt Architelten); weniger häufig fommt vor: des Prö-
fident. Auffälligerweiſe hat man in zwei Nactragsgeieben zur
deutſchen Maß-⸗ und Gewicdhtsordnung vom 11. Juli 1884 und
vom 26, April 1803 angefangen, die fremden Maß- und Ge—
wichtsbezeichnungen im 2. Fall ihres 8 zu berauben. So heit
es bier: des Meter, des Hubifmeter, des Gentimeter, des Milli:
meter, des Gramm, des Kilogramm, des Liter uſw. In dem
ältern Geſetze hatte man der Fallbiegung ihr Recht gelafien.
Der Grund der Hnderung ift nicht erſichtlich. So Tange
jene Fremdwörter bei uns in amtlihen Gebrauche find, müſſen
fie wie Lehnwörter behandelt werden. Daß wir, wie bier
ſchon dargelegt ift, unjre deutſchen Mah- und Gewichtsbezeich—
nungen bei Zahlenzufügung nicht deflinieren, giebt im übrigen
fein Recht darauf. — Wenig beachtet wird immer noch der
Unterjchied zwiſchen einmonatiger, vierwödhiger Kündigung
und monatlider, wödentliher Zinszahlung und äbnlidyen
Ausdrüden, im denen die Silbe ig die Dauer eines Zeitraums,
dagegen die Silbe lich eine Wiederholung nad) defien Ablauf be—
deutet. Die neuern Geſetze find darin ſauberer. (Bal. Ztichr. V, 191;
VI, 21.) — Bermeiden follte man die Zufammenftellung von
zwei Borwörtern in Ausdrüden wie: bei durch Vertrag be
gründeten Nechtsverhältnifien. — Eine große Rolle ſpielt im
Nechtöweien der Dritte, d. i. eine Perfon, die aufer den un:
mittelbar beteiligten beiden Bertragägenofjen in Betracht fommt.
Diefer Dritte ijt aber vielen jo mundgeläufig, daß fie ihn auch
anbringen, wo es fi) überhaupt nur um zwei Teile handeln
fann. So jollte einmal bei der Belichtigung der Leiche eines
Erhängten vom Amtsarzte der von dem Richter noch glücklich
abgefangene Satz ind Protokoll diftiert werden: »E3 find keine
Anhaltspunkte für die Schuld eines Drittene (ftatt andern) »er-
mittelte. Das Steht auf gleicher Stufe, wie das Wort lepterer,
in Füllen, in denen ein eriterer fehlt (Heinge ©. 97). — Mehr
der Beitungipracdhe als der Gerichtsſprache gehört die Bildung an:
er befennt fich nichtichuldig (anftatt: er erklärt fich für nicht:
ſchuldig, oder: er befennt fich nicht als jchuldig). — Falſch it:
er willigt darin (jtatt darein). Paubeniped ©. 30. — Weiter er:
wähne ich noch die vielfach beliebte Verwechſelung der Wörter
ablehnen und zurüdweiien. Abgelehnt wird das, was
ein Antrag will. Das geichicht dadurch, da der Antrag zus
rüdgewiejen wird. Falſch iſt alfo m. E.: »Ihr Antrag auf
Einleitung der Zwangäverjteigerung wird abgelehnt« (richtig:
»jurüdgemwiejen«); ebenfo iſt jaljch: » Die von Ahnen beantragte
Zivangäverfteigerung wird zurückgewieſen« (richtig: »abge:
lehnte). Abgelehnt wird eine Beweiserhebung durch Zurück—
weifung des Beweisantrags. — Falſch iſt die jet in unſern
Bollsvertretungen viel gebrauchte Wendung: Ich kann das nicht
unmwiderjprocen lajjen, weil widersprechen den 3. Fall regiert.
— Falſch find Ausdrüde wie: Entziebung der Wehrpflicht
(jtatt Wehrpflichtentziehung oder Verletzung der Wehrpilicht);
| koftenpflichtige Mbmweifung (dad muß umſchrieben werden):
der Streitverfündete — Litiödenunciat (jtatt Streitverfim-
dings = Gegner).
Ich beendige meine Darlequngen mit der Verficherung, daß
ih der Belehrung zugänglich) bin. Bei meinen Ausführungen
125
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 5.
126
babe ich mich auch mit jehr vielem Sileinfram beichäftigt, weil
ihm in unferer Beitfchrift noch feine genügende Beſprechung ges
wibmet war. Sehr häufig mußten die »Grenzboten« erwähnt
werden, die unter ben ſich nicht ausfchlieplid mit Spradjtunde
befafjenden Blättern wohl die einzigen find, die der Sprachbefjerung
eine befondre unausgeſetzte, ernjte Aufmertjamkeit widmen. Auch
Niegels »Hauptitiid« hat zuerjt in den »Grenzboten« Aufnahme
gefunden. — Natürlich heißt es auch hier: Prüfet alles und das
Beite behaltet.
ob einmal das Sremdwort im Vollsmunde.
Bon Frig Knirſchen ald Zeugen erzählt »Dat Plattdütjch
Sünndags-Bladd« (Bielefeld, A. Helmichs Verlag) folgende Ger
ſchichte: »Sie jollen alfo, wie Sie wiflen, ald Zeuge vernommen
werden«, jeggt dei Amtsrichter tau rip Knirſchen. »Wie ift Ihr
Borname?e Friedrich, Herr Amtsrichter.« »Bateröname?«
Anirſch.⸗ »Mlter?« »Int dreiumföftigit.« »NHonfejlion?« »Je,
Herr Amtörichter, mit dei Konfeſchon, dats jon Sat!; von Rechts—
mägen bin id jo Buer; äwerſt id heww mi dat nu tau Jehanni
entfeggt um bemiv mi up min Ollendeihl fett um heww min
Gewäſ minen Sähn äwergäben un... .« »Ach, Sie verwechjeln
da Konfefjion mit Profeffion; ich meine, was Sie glauben.
se, Herr Amtsrichter, ich glöw, de Sat ward woll gahn. Seihn
&, min Sähn iS jo 'n düchtigen Kierl, un fei, wat fin Fru nu
is, bett jo ud 'n poor Schilling Geld mitbröcht un is jo ud 'ne
reputierlich Frugensminſch . . . .« ⸗»Aber Knirſch, das kümmert
uns bier alles nicht. Ich meine...« Um dorbi fraugt hei ſich
in bei Hoor un kel finen Schriewer an, dat bei em tau Hülp
famen fül. Dei fet äwerſt ud doa un maft 'n Geficht, a8 wenn
dei Rott’ dunnern hürt. Endlich för dei Amtsrichter von Friſchen
nah: »Ich meine, welcher Kirche gehören Sie an?« »Icdh hür
nah Sietow.« Dei Amtsrichter fprüng up un lep 'n poor Mal
achter den gräunen Diih ben un ber, as 'n Löw in'n Käfig.
Taufept bögt hei fid) öwer den Diſch räwer, fef den Buern
in dei Dgen und bröllt: »Glauben Sie an Gott?« »Huding!«
ſäd Frip Knirſch um verfiert fi ganz möglich; » Herr Amtärichter,
fo'n Knäp verbidd id mi! Wo fünen Sei 'n ollen Minſchen woll
fo verfieren! — Ob id an'n leiwen Gott glöwen dauh? Hollen
Sei mi viellicht fürn Sozialdemofraten?«
Ehriftus?«e »Dat verfteibt fich!«
Luther?« »Ne, Herr Amtsrichter, den kenn id nid. Wenn
»&Hauben Sie an |
» Kennen Sie Dottor Martin |
wie eis frank find, denn gahn wie immer nah Doltor Meierne. |
Oflgöhe, Oltopf.
In feinem Bortrage über », Gedanlenloſen? Wortgebrauch und
feinen Nutzen« (Beitichrift IX. 2. Sp. 20) kommt Karl Erd—
mann auch auf das Wort Öfgöpe zu ſprechen; es heikt da: » Sie
wiffen nicht ...., dab DI in Ölgöte vielleicht nichts mit DI zu
thun bat, fondern möglicherweife ursprünglich EI lautete, alfo jenes
Wort enthält, das mit dem lateinischen alius und dem griechiſchen
ilos ftammverwandt ift und im Worte »Elend« (eig. fremdes
Land, Verbannung) ſich wiederfindet. Nach einer anderen Er-
Härung foll freilich » Olgöge« urſprünglich eine menſchliche Geftalt
jein, die als Lichtträger diente. »Wie ein Olgöpe daftehen« —
jteif, regungslos dajtehen, dumm, unbeholfen fein. Leider jagt
Erdmann nidt, von wem dieſe beiden Erklärungen herrühren;
die erjte jcheint mir nicht recht glaubhaft, mehr hat m. E. die
zweite für ſich. Die Erdmannſche Bemerkung bradjte mid; neuer:
dings dazu, mich mit diefem Ausdrude zu beichäftigen, der mid)
ſchon früher lebhaft angeregt hatte. j
Wenn id) daher im folgenden die anderen, mir befannt ges
wordenen Erflärungen zufammenftelle, jo hoffe ich dadurch dem
einen oder anderen die Anregung zu geben, noch andere, fremde
oder eigene, vielleicht aud) vollstiimliche Erflärungen diejes merk—
würdigen Wortes zu veröffentlichen.
Faft allgemein wird angenommen, dafj der zweite Zeil unferer
Bufammenjeßung das befannte Wort » Göhe« fei. Nur Andrejen
(Bollseiymologie. 3. Aufl. S. 143) meint, die Anficht verdiene den
Borzug, »daf »Göße« verderbt ſei aus dem oberdeutichen gäße,
gege, worunter teils ein Schöpfgefäh oder Krug, teil® eine Mehl:
fpeife, Art Pfannekuchen, verjtanden wird (vgl. Weinhold, Beitr. zu
e. jchlef. Wörterbuche 27°. Nugsb. Allg. Ztg. 1876. Nr. 239, Bei:
lage).e Andrejen fügt dann aber jelbjt hinzu: »An einer über-
zeugenden Vermittelung der Beziehungen ſcheint es dabei freilich
noch zu fehlen. Ich Habe nichts weiteres über diefe Erflärung
finden können.
Was nun das »Dl« angeht, jo erwähne ich zuerſt zwei
Erklärungen, die e8 nicht mit »oleum« zufammenbringen.
Dr. Muellenbad, der in feinem im biefigen Zweigvereine ges
haltenen Vortrage über » Mufäus« erwähnte, da diejer Dichter
zu den legten gehöre, die das Wort in der Schriftiprache anwenden,
hält es für möglich, das »Dl« vom ahd. üla (aus lat. olla)
»der Zopfe herzuleiten, da Zöpferwaren aus Thon hergeftellt
werben, und wahrſcheinlich auch heidnifche Gögenbilder aus Thon
gemacht worden find (val. den ⸗Koloß mit thönernen Fühen« der
Bibel, Dan. 2, 31 — 34; aud) Weish. Sal. 15, 8). So heiße
Dlgöpe nichts anderes ald Thongöpe. Man vgl. aud) Eulner
für Töpfer, Grimmſches Wörterbuh I. 817 bei Aul. — Id
glaube, daß dieje Erklärung aus lautlichen Gründen nicht mög:
lich iſt.
Add. üla zieht auch Schmeller im »Bair. Wib.« zum Ver—
gleiche heran; bei ihm heißt es bei »Dle: »1. Ein ausgehöhlter
Stamm, der ald Brunnentorb gebraucht wird .... Hentze be-
merft nach P. ©, Wagner diss. de acidulis Sichersreuthensibus
p- 8, daß man in der Gegend von Wunfiedel ein audgehauenes
Stüd Hol; noch ein Öl nenne, wovon vielleicht der Name
Olgötze. Vgl. ahd. üla, der Topf« — Bei »Ölgöge« bringt
Schmeller folgendes: », Daß ich mich micht thu überweiben und
müßt auch den Dlgöpen tragen (— unter dem Pantoffel ftehen) ‘;
Hans Sachs 1612. I. 971. 1061. ef. kölniſch mößölg, Tropf,
Dummtopf, Sclafmüge; Firmenich I. 468. 397. Was bies
fegte angeht, jo heißt es bei Hönig im »Wibch der köln. Mund-
arte: mögöflig, mürriſcher Menich. — Über den Ausdrud »den
Olgötzen tragen« Aufert ſich auch Andreſen a. a. ©. wie folgt:
» Bei älteren Schriftftellern kommt die Nedensart »den Ülgöpen
tragen«, d. h. ſchmutzige Dienjte verrichten, mehrmals vor.
Im übrigen wird wohl allgemein angenommen, daß DI lat.
oleum fei; wie das Sl aber mit dem Gögen zufammenbängt,
darüber jind die Anfichten verjchieden. — Vor allem ift hier zu
beachten, was Lexer im Grimmſchen Wörterbuche zum » Olgögen«
jagt: Olgötze, m., ein mit Ol gefalbtes oder mit Olfarben an:
geftrihenes Götzenbild. Nor dem 16. Jahrh. nicht nachweisbar
und in der Reformationszeit ald Spottwort gegen die Holzbilder
der Katholifen (Zwingli 2, 52), auch gegen die Anbeter derjelben,
fowie gegen die mit dem heiligen Ol geweihten fatholijchen Priefter
gebraucht « Pas Wort ericheint nach Lerer zur Bezeichnung
eines Göhenbildes beim Mönche Lindner ums Jahr 1530;
»auc Agricola verftcht darunter ein mit Olfarben angeftrichenes
127
hölzernes Göpenbild, kennt aber ſchon die auf einen fteifen,
dummen Menſchen angemwendete Bedeutung. — Bei Stieler heißt
es: »Olgötze statua ex ligno, lapide vel aere facta, qualis
est Petrus ete. in monte olivarum dormientis, alias ein Ol—
berger, qui etiam de negligente et somnolento dieitur.« Dann
bringt Lerer Belege für die ſprichwörtliche Medensart »dajtehen
wie ein Olgöpe.e Als zweite Bedeutung giebt er hennebergiiches
»Dlgöge für seinen Pfoiten, an dem man die Lampe aufhängt;
dazu wurden in ben erſten Zeiten des eingeführten Chriftentumes
alte abgenupte hölzerne Götzen gebraucdt.« Er vergleicht fürnt.
»Paules — Leuchterknecht. »Muf dieſen Ölgöten ſcheint fich die
Nedensart zu beziehen »den Dlgöpen tragen — niedrige, ſchmutzige
Dienite verrichten, in allem unterwürfig fein.e Die dritte Bes
deutung it nadı Lexer die in Thüringen gebräuchliche einer
figurenartig geſchnitzten Abflußröhre des Ols in den Olmühlen;
dann bringt er die Belege fir die Anwendung des Wortes durch
Luther und feine Anhänger, und ſchließlich heit e8: »5. Auch fonft
von einem eingebildeten, hochmätigen und dabei dummen Menjchen,
der Verehrung beanſprucht.« Wei Lexer finden fich dann noch die
BVeiterbildungen »Dfgöper, Olgötzerei und ölgögige nebſt Belegen.
Heyne giebt in feinem » Deutichen Wörterbuche« im weſent⸗
lichen kurz dasjelbe wie Lexer.
Wichtig ericheinen mir die Bemerkungen über »Olgöpe« in
Bordardt: Wujtmannd »Sprichwörtlihen Redensarten im
deutschen Bolfamunde« (Leipzig 1894). Dort heit e8: » Die richtige
Erklärung des Bildes, das auf einen hölzernen, ftummen Geſellen
in einem lebhaften reife angewendet wird (vgl. Syll. 73: »Corpus |
sine peetore. Ein rechter O Igög. Es iſt eine ſchöne Monftrant,
wenn nur Heiligthumb drinnen wäre.«“), geben unſere älteſten
Sammler von deutſchen Sprichwörtern und Redensarten an die
Hand. Freilich war ſchon Agricola auf dem Holzwege, als er
deutete: »Ein Stod und ein Hol, das geferbt ijt und ölgetrendt,
auf das die Farb bleibe und vom Negen nicht abgewajchen werd,
ift ein Olgöß. Götze fompt von Gott und ift etwas, das ein
Bildnu Hat om Leben, on Seele, darumb it ein Olgötze ein
Menſch, der nirgends zu nütz iſt, da weder Verftand noch Wihe |
| — mie fchen erwähnt — auch trängöge vorfommt (Schambadı,
bei ijt.e Aber Sebajtian Frank führt uns richtig mit den Worten:
»Ut hagas stas, du jteft wie ein Klotz, Dfgöz, Tielmann, Leuchter.«
Vol. Syll. 242: »Vt Bagas constitisti. Vt Bagas stas, Du
jtehft wie eim Leuchter.e Der Olgöge ift alfo eigentlich »ein ges
ichnigtes Gößenbild, das Licht jpendet, an dem das Ollicht an⸗
gebracht iit.*) Dieſe Erklärung wird beſtätigt durch eine Bemer—
fung von Schillers Schwager Reinwald in feinem hennebergiſchen
Idiotilon: » Dfgöge, urſprünglich und nod in einigen henne- |
bergiichen Gegenden ein Pfoſten, an den man die Campe auf:
hängt · umd noch deutlicher wird dieſer Pfoften in einer Angabe
von Spieh (Beitr. zu e. henneberg. Wib. S. 117. Vgl. Hilde
brand in Lyons Zeitichrift V. 203): »Olgötze, uriprünglich Be:
nennung des hölzernen, auf einem runden oder vieredigen Fuße
jtehenden, oft jchlangenförmig gewundenen Pfoſtens, an welchem
die Öllampe hängt.« Dasſelbe Ding ift vielleicht auch mod) ge:
meint in dem »Hodhzeitlied« de3 jungen Goethe:
Das Feuer in des Wächterd Händen
Wird wie ein Nachtlicht ſtill und Hein,
jedenfall® in dem niederdentjhen Wendungen: He ſteit a8 en
Lüchterpiep, as en Pichpahl (Pechvfahl). — Aber aud) das Götzen—
*) Diele letzte Erflärumg giebt aud Frau Iſabella Ungern—
Sternberg in einem Briefe an die Schriftleitung in ähnlicher
Faſſung.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang.
1895. Nr. 5. 128
| bild an fi) kann zur Bezeichnung fteifen, hölzernen Benehmens
dienen (öfter bei Grimmelshaufen, z. B. III 416: »Dah er
dort ftund mie ein geſchnitztes Bild« val. IV, 41. 191), freilich
ift es doch nicht für alle jo jeden Yugenblid mit Händen zu
greifen geweſen und hat alfo nie das Anheimelnde gehabt, wie
die Vorftellung von dem gedrechfelten Pfojten, dem ſtummen
| Hausdiener, der — zwar ein Götze, aber dod) ein guter Kobold —
als Träger des Lichtes die Stubenarbeit der Familie förderte. —
Diefe Erklärung dedt fich mit der zweiten von Erdmann gegebenen,
| und ihr giebt auch Dr. Emit Gehmlid den Vorzug vor ber
anderen, in jeinem Aufjage »Der Kobold« in der wiſſenſchaftlichen
Beilage der Leipziger Zeitung vom 8. Januar d. J.
Vorſtehendes ift der Leitung der Zeitichrift ſchon im Februar 184
eingereicht worden; nadher ift mir außer dem eben genannten
auc noch ein anderer Aufjap befannt geworben, der fich mit dem—
ſelben Gegenftande beichäftigt. Er ift von A. Plate und fteht
in der fetten Nummer der » Mitteilungen des Deutjchen Sprad:
vereind Berline von 1894. Der Berfafier geht von der doppelten
Bedeutung von DI — fettige Flüffigleit und Baumftamm (vgl
| Schmeller) und von Göße — Heiligenbild und Pioften (fo joll
es bei Hans Sachs vorfommen) aus und nimmt daher 4 Deutungs-
möglichkeiten an: 1. Baumflop. 2. Ölpfoften. 3. Hölzernes Götzen⸗
bild. 4. Mit Öl bemaltes Gößenbild, — die alle 4 für die
Nedensart «Er fteht da wie ein Olgötze verwertbar feien. Das
ift allerdings der Fall; da aber neben Ölgöge niederdeutfch Tran:
aöpe vorfommt, jo möchte ich annehmen, daß Ol nur die Be
deutung »fettige Flũſſigleit haben fann, und daher nur die zweite
und die vierte Erklärung zulafjen.
Man vgl. übrigen noch die im Kölniſchen gebräuchliche
Redensart: »Hä jteiht eſu do wie en hölze Herrgötiche — Er
fteht jo da wie ein hölzernes Herrgöttchen, was allerdings für
Plates dritte Deutung fprechen würde, wenn man als Vergleich—
punft nicht bejjer die hülflofe Lage des Gefreuzigten annehmen
will, — und anderjeits — was im Magdeburgiichen ſowie im
Holſteiniſchen gebräuchlich fein fol —: »Sik doch nicht da mie
eine alte Thranlampes; vgl. hierzu wieder, daß im Niederdeutichen
Wörterbuch 233»).
Welches nun auch die richtige Erflärung des Ausdruckes jein
mag, jedes Falles wird er urjprünglich ein ſtarr, fteif, blöde
dreinichauendes Göpenbild bezeichnet haben; daher dann der auf
Menſchen angewandte Vergleid).
Den Ausdruck »Öltopfe, namentlid die Verkleinerungsiorm
»Oftöpfchen«, wendet man in meiner Heimat Elberfeld, aber auch
hier am Rheine für ein rotes Geſicht an, fei es, daß dies von
vielem Trinken herrührt, ſei es, daß es ſich nach einmaligem
Trinlen, nach einer guten Mahlzeit oder auch nach bloßer Auf-
regung zeigt. Das einzige, was ich Über das Wort gefunden
habe, jteht in Hönigs »Wörterbud; der Kölner Mundart« (Köln
1877): »Ohllöppche, n. ein durch überreichlihen, gewohnbeits-
mäßigen Genuß von Getränfen gerötete® Geficht, auch ein in DI
‚ gefottener Meerichaumfopfe — Al Erflärung für die Nedensart
ser bat einen Olfopf« babe ich nur zweierlei gehört: 1. Sein Ge—
ficht glänzt wie mit Dt gefalbt. 2. Sein Geficht ift rot mie
euer und Flamme; bei diefer zweiten Erklärung wird alfo nur
an die PBrennbarfeit des Dfes gedadht. ch erinnere daran,
daß — mie neben OÖlgötze niederdeutſch Thrangötze ſteht — fo
auch neben Dltopf der (Stubenten-)Musdrud Thranſchädel (umd
Bierſchädel) vorfommt; man vgl. auch den Musdrud »im Thrane
feine für »betrumfen fein«,
129°
Wünfchensiwert wäre, wenn einmal feitgejtellt wirde, in wel-
chen Gegenden das Wort nocd gebräuchlich ift, und weiche Be—
deutungen damit verbunden werden,
Bonn. Dr. 3. €. Wülfing.
Rleine Mitteilungen.
Der »Deutihe Spracdverein zu Weimare, der aus hier
nicht zu erörternden Gründen ein Sonderdajein geführt hat, beſchloß
in feiner Jahresverfammlung am 13. 1. jeine Thätigfeit für die
nächſte Zukunft einzujchränfen, da er die ihm von jeinem Schirm»
bern, dem Großherzog von Sachen Weimar, gejtellte Aufgabe
im wefentlichen gelöjt habe. Aus dem Nechenichaftäberichte, den
der Vorfigende, Minijterialdireltor Dr. Kuhn, erjtattete, iſt zu
erjehen, da der Verein ſich jeit dem Jahre 1886 zehmmal ver:
fammelt bat, wobei ſechs Reden (zwei von Profefjor Friedrich
Kluge) gehalten wurden. Die günftigen Kafjenverhältniffe er—
möglichten es, fämtlichen Mitgliedern alljährlich Bücher zu jpenden,
unter welchen fih Kluge »Etymologiihes Wörterbuhe, Sarrazin
»Verbeutichungsmörterbuche, Pietſch »Der Kampf gegen die
Fremdwörtere, Wuftmann »Ullerband Sprachdummheiten« u. a.
befanden. — Die Arbeiten des Vereins auf dem Gebiete der
Spradjreinigung bilden die Grundlage für die vom Großherzogl.
Staatöminifterium, »Departement« des Kultus, herausgegebenen
Berdbeutfchungähefte 1) für die höheren Yehranjtalten, 2) für die
Behörden im allgemeinen, 3) für die Seminare und Boltsichulen.
Die übrigen Arbeiten des Bereines (Sprache der Univerjität, des
Theaterd, der Hofämter ufw.) find nicht veröffentlicht worden.
Die Zinfen des fih auf mehr ala 2000 Mark belaufenden Vereins:
vermögens jollen bis auf weiteres der Carls Wleranders Bibliothet
in Eijenady überwiefen werden. — Diefe Angaben find dei
Weimariſchen Zeitung entnommen. Warum aber der Verein auf
halben Wege ftehen bleibt, wird und dort nicht berichtet. Daß
er die in der Verſammlung gegebene Anregung des Archivars
Dr. Mitzſchke, der Vereinsthätigfeit namentlich auf dem Ges
biete der Beitungsjprache und der Sprade des Handels und
Verkehrs neue Aufgaben zu jtellen, nicht aufgenommen hat, iſt
ſehr bedauerlich, zumal die Ausſichten auf Angliederung des
Weimarifchen an den a. d. Sprachverein der beſonderen Verhält—
nifje wegen recht gering find.
— Mifbraud von bezw. In dem Buche »Die Jungfrau
von Orleans, E. rom. Tragödie von Schiller. Schulausg. 2. Aufl.
bei. von M. Everd. Berlin 1895« heit es im Vorwort: »Zu-
nächſt it der volljtändige Tert hergeitellt, wie ihm auch andere
Schulausgaben (3. B. von Dr. Wychgram bezw. Velhagen &
Klafing, von Seminardireftor Dr. Funfe bezw. Schöningh = Bader:
born, von Dr. Schäfer bezw. Cotta) meines Erachtens mit vollem
Recht unverkürzt darbieten.e Alſo demnächft vielleicht auch: Sümt-
liche Werke von Friede. Schiller bezw. Cotta uf, ?!
— Dem Vorgehen der Hamburger Handeläherren haben ſich
etwa 32 Kaufleute Elberfelds angefhloffen, indem fie am die
Berufögenofien ihrer Stadt einen Aufruf erlaffen, um biejen
die Vermeidung überflüfjiger Fremdwörter im Handeläverfehr zu
empfehlen. Es ift uns leider aus Mangel an Naum nicht mög—
lich, den trefflichen Aufruf hier abzudruden, wir bitten aber die
verehrten Vorftände der Zweigvereine nochmals dringend, Kund—
gebungen diejer Art in ihrem Wirlungskreiſe zu veranlafien.
Bücherſchau.
— Der Anteil der Keltgermanen an der europäiſchen
Bildung im Altertum. Vortrag, gehalten in dev Hauptver—⸗
fammlung des Vereins für Gefchichte und Altertumkunde zu
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind, X. Jahrgang. 1895. Nr. 5.
130
Frankfurt a. Main am 24. Januar 1895 von Martin May.
Drud von Gebr. Fey, Franfiurt a. M.
Die Thatjache, daß diejer Vortrag zum Teil durch Verſendung
an die Zweigvereine des deutichen Sprachvereins verbreitet wurde,
rechtfertigt es, an diejer Stelle eine fnappe Beſprechung zu vers
öffentlichen. So kraftvoll die Forſchungsweiſe in deutichen Yanden
ausgebildet iſt — fo weit hat fie es noch nicht gebracht, das
kindliche und lindiſche Spiel mit wifjenichaftlihen Gründen, dejien
undeutiches Weſen man mit einem undeutichen Worte » Diletten-
tiömus« genannt hat, auszurotten. Die Bölferfunde bietet für
dieſe Schwarmgeifterei einen beliebten Herentanzplag: viel und
viele hat dazu verlodt die Anthropologie, die mit Verachtung auf
Stellen alter Scwiftiteller herabiieht und dabei, jo wenig »in-
duftive wie möglich, täglich neue Vermutungen aufftellt auf Grund
ungefichteter und unglaubwiürdiger Angaben der Febtzeit, auf
Grund falicher oder höchſt ungenaner Feititellung von Mugen -
und Haarjarben, auf Grund einer durchaus jaljche Vorjtellungen
erzeugenden Schädelmefjung., Wenn dies am grünen Holze ge-
idieht und die mohlofe Überhebung naturgefchichtlicher Forſchungs
weile bis zur Verleugnung eigener »indultivere Grundjäge auf
fremdem geichichtlichen Gebiete fihrt, fan es uns nicht Wunder
nehmen, wenn gewiſſe Leute von ber » Ethnographitis« befallen
werben und wie Karl Blind u. a. die getwagteften neuen Ver—
mutungen aufitellen. Der vorliegende Vortrag will erweiſen, daß
die römische Bildung etrusliſchen, alfo feltgermanijchen Uriprunges
jei, nachdem eine frühere Schrijt des Verfaſſers- nachgewieſen « (!?)
bat, »daß die tusliſche und die umbriiche Sprache feltgermaniiche
Spraden und die Mutteripracdhen der jogenannten lateiniichen
Sprache« jeien! Die »Spracenvergleihung« (?!) zieht der Ber:
faſſer »abjichtlich« nicht heran, weil diefe »Lein geeigneter Gegen:
jtand für einen öffentlichen Vortrag fein dürftee; das Schrifttum
des Altertums iſt durch eine veriprengte Nachricht Melians ver:
treten! Es bleibt jomit für den Vortrag nur Gerede, das um
jo verderblicher erjcheint, als es irre geleiteter Vollsliebe entjpringt.
Laſſen wir diefe, die mir fonjt »Chauvinismuse genannt haben,
anderen Völlern und freuen wir ums wahrer Berdienite unſeres
Volkes. Dazu gehört auch echt wifenichaftliche Forſchung; bei
aller Hochachtung vor geiftiger Beichäftigung von Laien wollen
wir doch etwaige veröffentlichte Ergebniſſe ſolcher Laiengemüter
mit einer Warnungstafel verjehen.
Innsbrud. Nudolf von Scala.
Entgegnung.
Der in der Beitungsichan von Nr. 3 enthaltenen Anzeige
meiner Nuffäge (Sprachliche Streifzüge) ift ein Hinweis auf das
in Ep. 50/60 derſ. Nr. verurteilte Such von May zugefügt, zu
welchem ich bemerfen muß: Die von mir vorgebrahte Ansicht
halte ich für begründet, nicht weil, jondern troßdem die Wörter
auch von May behandelt find. Daß die Einwände vielfach zus
janımentreffen, liegt in der Natur der Sache. Übrigens werden
— die —— bedeutſamſten jener Wörter, wie Affe,
mt, Apfel und andere im Grimmſchen Wörterbud) im Gegen:
Iop u Kluge als nicht entlchnt dargelegt.
ochum. Auguſt Engels.
Aus den Sweigvereinen.
Bei der großen Fülle der eingelaufenen Bereinsnachrichten
und dem beſchränkten Naume diejer Nummer mußten die Berichte
ungewöhnlich ſtark gefürzt werden, was wir zu entichuldigen bitten.
Die Leitung.
Aurich. In der Rahresverfammlung vom 14. März jprad)
zunächſt Oberlehrer Ballauf über das deutſche Sprihwort,
jodann der Vorjigende, Giymnafialdireltor Prof. Dr. Heynader,
über die Schreibweije und Bedeutung der Strafennamen
Aurichs. An der Hand des Wülfingichen Fragebogens entipann
fich eine längere Erörterung, an der namentlich Heneralfuperintens
dent D. Bartels teilnahm. Die durh Dr. Wülſing gegebene
Anregung, dem fich breit machenden Unfuge in der Schreibung
der Strahennamen entgegenzutreten, wurde mit Freuden begrüßt.
Berlin-Charlottenburg In der Märzjipung las
Dr. Julius Stinde, der befannte Werjafler der Erzählungen
über Wilhelmine Buchholz, ein früheres Mitglied unferes Ger
famtvoritandes, Teile jeines unlängst erichienenen Ut'n Knich«
vor. — Am. 6. 4. gab Dr. Johannes Trojan, der Hauptleiter
—
des Kladderadatſch, Ernſtes und Heiteres aus ſeinen Dichtungen
zum beſten. Das Schatzmeiſteramt hat Herr Karl Heinemann
übernommen.
Bonn. Der Borfigende, Direktor Söhren, gab am 19. 2.
einen furzen Überblid über die hervorragenditen Sprad:
dentmäler in deutiher Mundart. Hieran jchlofien ſich
Vorträge in verjchiedenen Mundarten.
Boppard. Im feßten Winter ſprach der Vorſihende, Pro-
imnafialdireftor Dr. Menge, über den Einfluß der fremden
!itteraturen auf die deutſche der beiden leßten Jahr—
zehnte, der Schriftführer Seminarlehrer Habrid; über die Be—
deutung des Hrabanus Maurus für die altdeutiche
Litteratur, beionders die Meirit, und Seminarlehrer Strat-
mann über yremdwörter, beionders Balliciämen in der
Duisburger und anderen niederrheiniihen Mundarten,
Mit Freuden würde es der Nerein, bei dem engen Kreiſe feiner
zu Vorträgen bereiten Mitglieder, begrüßen, wenn ein fremder
ereinsgenofje, der zur Erholung in die jchöne Umgegend von
Boppard kommt, ihm einen Bortrag jpendete.
Breslau. Nah Beiprehung der Schreibung und Betonung
der Breslauer Straßennamen in der Märzfigung bielt Major
von Leutjch einen Vortrag über den Fremdwörterunfug
auf den Hauptitrafen Breslaus. Die Hauptitadt der auf
drei Seiten von polniſch und tichechiich ſprechenden Nadıbarn ein-
geichlofienen Provinz Schlefien müſſe durch richtige Anwendung
unferer Sprade auch äußerlich beweifen, daß jie eine deutiche
Stadt iſt. Nachdem die polniſche Sprache von den Geſchäfts—
ichildern größtenteils verſchwunden fei, müſſe nun ein thatträftiger
Kampf gegen die franzöſiſchen Eindringlinge gelämpft werden.
Chemnit. In der Februawerſammlung ſprach der Bor:
jigende Sculdiretor Hejie über Anzeigendeutih. Am 5.3.
hielt der Verein einen Familienabend ab, und am 27. 3. entwarf
Buchhändler Feller in jeinem Bortrage »Ein oberbayeriſcher
Bauernfalendere ein Bild von dem urwüchſigen Leben der
oberbayeriichen Dörfler.
Czernowitz. Nach Neuwahl des Borftandes, zu deſſen Ob-
mann Univerjitätäprofefjor Dr. Gartner an Stelle des jeines
hohen Alter wegen zurücdtretenden Schulrats Wolf ernannt
wurde, hielt Landesichulinipeltor Dr. Tumlirz einen Bortrag
über Einflüffe auf die Geftaltung der Sprade.
Dresden. Die Verfammlung vom 21.2. war einer Be—
iprehung des Bortrages von Dr. Schelle über die Negelung
der Rechtſchreibung (Bal. Sp. 64) gewidmet, Ein Ausſchuß
von fünf Perſonen wurde mit der BVorberatung der etwa zu
Ihuenden Schritte betraut.
Düjjeldorj. An der Hauptverfammlung vom 20. 2., die
mit der Sitzung des Bildungsvereins zufammengelegt war, hielt
Dr. Ernſt Müllenbach aus Bonn einen Vortrag über »Un—
ebrlihe Berufe und Namen in alter Zeit.«
Duisburg Am 23.2. ſprach Oberlehrer Dr. Blumſchein
aus Köln über vollstümliche Worte und Wendungen im
Lichte der Aulturgeichichte, wobei er auf das Aufkommen
des Tintendeutichh und die Entwertung alter guter Wörter bin-
wies, deren Pilege er befürwortete.
Elberfeld. Am 28. 2. veranftaltete der Verein eine gemein:
ſchaftliche Berfammlung mit dem kaufmännischen Bereine, in
weicher der Schriftführer, Herr WM. Schmig, im Anſchluſſe an
Eipens gleihnamige Schrift, aber auch auf eigene Erfahrung
geilügt, einen Vortrag über den Mifibraud der fremd:
wörter im Handel bielt, ber zur Folge hat, daß in der nächiten
Zeit von faufmännifcher Seite aus ein Aufruf an die hiefigen Hans
delsherren im Sinne Eipens erlaijen werden wird. (Val. Sp. 120.)
Freiberg i. S. Der Berein ſprach in feiner Hauptveriammts
lung zumächit feinem langjährigen Borfipenden und Gründer
Prof. Nadel, der infolge feiner Verjegung nach Dresden zum
gröjten Bedauern der Mitglieder fein Amt niederlegen muhte,
wärmſten Danf für fein uneigennügiges Wirken aus und wählte
jodann den neuen Borjtand, deiien Borjibender Cberbergrat
Menzel it. Sierauf verbreitete ſich Oberlehrer Gündel über
da8 Leben und die Berdienite Rudolf Hildebrands,
während Prof. Nachel über Hans Sadıs fprad).
Görlig. Am 10.2. hielt Dr. jur. Eulenburg einen Bor-
trag Über den Stabreim und Spuren desjelben im heus
Zeitiärift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1835. Nr. 5.
132
tigen Deutich, im dem er dad Weſen des Stabreims an
zahlreichen Beiipielen aus unferer alten Litteratur ſowie aus
Fouqucs Sigurd, Tegners Frithjofsjage und Jordans Nibelungen
veranichaulichte.
Graz. Die Hauptverfammlung am 28. 2. wurde durdh einen
Vortrag des Brof. Dr. Martinat über Sprachgefühl eröffnet.
Nach Neuwahl des Borftandes wurde eine Begutachtung der neuen
Strafprozehordnung in Bezug auf Spracreinheit und Stil an-
geregt, Sowie ein Danfichreiben an den Bürgermeifter Dr. Por-
tugall für feine lebhafte Teilnahme an den Beftrebungen des
Vereins. Fir die Vorarbeiten zur Hauptverfammlung wurde ein
größerer Feſtausſchuß eingeſetzt. — Am 10.3. wurde ein zahl:
reich bejuchter Familienabend veranjtaltet, — Am 5.4. ſprach
Prof. Dr. Khull über zwei jüngere Dichter, Guido Liit und
Otto Biriczek, die Herolde der Schönheit ded alten Quaden—
bodenö der Gaue an und zwijchen Mard und Donau und des
unvergänglichen Kriegsruhms der alten Quaden find.
Grimma i.& An dem zahlreich beſuchten Familienabend
am 16./3. hielt der Echriftführer, Seminaroberlehbrer Büjhmann,
einen Bortrag über Ziele und erfreuliche Erfoge des a. d.
Spradvereins im erſten Jahrzehnte feines Beitehens,
woran ſich die Mufführung eines Luftipiels und mundartliche
Vorträge fchlojien.
Halle. Der Verein hat durch das Dahinſcheiden des ehe—
maligen Oberlebrers und Inſpellors des Nönigl. Pädagogiums
Dr. Karl Schulz einen ſchmerzlichen Verluſt erlitten. Aus:
gezeichnet als Erzieher der Jugend, al& Gelehrter und Dichter,
batte er fidh voller Begeiiterung für alles Vaterländiiche fogleich
den Beitrebungen des Sprachvereins angeichlofien, dejien Empor:
fommen in Salle weientlich jeinen Anregungen zu verdanken ilt.
Seine eingehenden Studien auf diefem Gebiete legte er in dem
Aufjage: »Erfolgreihe Berdeutihungene (1859) nieder.
Sein Andenten wird vom Bereine allezeit in Ehren gehalten
werben.
Kaffel. Am 12.3. eröffnete das Mitglied des Geſamtvor—
jtandes Herr Auguſtin TZrapet aus Koblenz einen Unterhaltungs-
abend mit einem Rortrage über deutjhe Sprache und deuts
iches Leben.
Kempen Am 16.2. fand ein Wintervergnügen ftatt, das
durch ein vom Borfigenden, Cherlebrer Heinrich, veriahtes und
geſprochenes Gedicht eingeleitet wurde. Der günitige Erfolg des
Abends mit feinen mannigfaltigen Darbietungen ermutigte zu
einer Wiederholung am 3.3.
Koſchmin. Am 26.3, ſprach Oberlehrer Streich über bild=
fihe Ausdrüde in der deutſchen Sprade.
Köln. Am 22.3. hielt Herr Auguftin Trapet aus Koblenz
einen Vortrag über deutſche Sprache und deutiches Leben.
Leipzig. In der Sitßzung am 12. 3. fpradı Handelsfammer:
fefretär Dr. Genſel über »Anjelm v. Feuerbad als poli—
tiiher Schriititeller.«e Die Schrift Feuerbachs über Unter:
drüdung und Wiederbeireiung Europas, unmittelbar nad) der
Schlacht von Leipzig entitanden, gehört zu dem Beiten, was in
jener Zeit der ftolzeften, ſittlichen Erhebung unſeres Bolfes ge:
fchrieben iſt; aber auch in feinen anderen politiihen Schriften er:
weit ſich Anſelm v. Feuerbach als ein glühender Patriot, defjen
Andenken in Ehren zu halten als eine Pflicht der Gegenwart er-
ſcheint, und deiien Schriften zu lejen allen Gejinnumgsgenofien
nur dringend empfohlen werden fann.
Leoben. Nach Erjtattung des Jahresberichtes durch Prof.
Cafaſſo fand am 21.2. eine Hans Sachs-Feier ftatt,
Linz. Der Obmann, Prof. Dr. Thalmayr, bielt am 11.3.
einen Vortrag Über die deutſchen Spradbeitrebungen im
17. Jahrhundert, aus denen fih für den Sprachverein zwei
' Lehren ergäben, nämlih Mäßigung walten zu laffen und nicht
zu verzweiieln an der Zukunft unferer Bejtrebungen, da die Eprad;:
veiniger jelbft in jener dunklen Zeit Erfulge aufzuweiſen hatten.
Lübeck. Der am 13.3. mit dem Schulverein und der Kolonial-
gefellichaft gemeinfam veranftaftete 3. deutſche Abend brachte ır. a.
Vorträge des NHanfmanns Buchwald über die Erfolge der
belgiihen Blamen im Nampfe um ihre deutidhe Art
und Eprace und des Spradwereindvorfigenden, Oberlehrers
Schumann, über die immer mehr Boden gewinnenden Anfichten,
dak die Urheimat der Mrier nicht in Nfien, jonden im Norden
133
Zeitſchrift bes alfgemeinen beutihen Spradpvereins. x Jahrgang. 1895. Nr. 5.
ae
Europas zu juchen ſei, und daß die Germanen (und Selten) ſchon
früh eine bedeutende Bildung befeiien hätten. Im Anjchlufie
daran wurden kleinere Mitteilungen über deutjches und undentiches
Gebahren gemacht und beiprocen.
Marburga.d. Drau. Aus dem vom Vorfigenden, Dr. Mally,
am 13.2. eritatteten Jahresberichte iſt zu erieben, daß der Zweig—
verein troß feiner zahlreichen Widerfacher blüht und gedeiht, mas
leider nicht bei em übrigen Zweigen des a. d. Sprachvereins
der Fall iſt. Dies Mbiterben mancher derſelben fommt, jo
führte der Nedner aus, wohl daher, daß das Erdreich, aus
welchen die Wurzeln des Baumes Kraft und Nahrung faugen
follen, nicht mehr das gute ift, wie ehemalt, Nur das deutiche
Bolt tann einem fo großen Baume tüchtige Nahrung geben,
nicht aber da8 Gelehrtentum. Dies fcheint man in den legten
Fr beim Gelamtvorjtande nicht mehr recht zu berüdjichtigen;
auch konnte e8 für den Baum nicht von Nugen fein, dab man
feinen ftärkiten Aſt abjägte, wie es der Fall war mit der Aus—
ſchließung des größten Amweigvereins, jenes von Berlin. Gin
roßer Fehler war es auch, ſtatt den dabinfiechenden Wiener
Zweig zu kräftigen, dort einen neuen, vom a. d. Epradjverein
imabhängigen Verein zu gründen, den Spracwerein der Deutichen
in der Ojtmarl. Die Thätigleit des Gejamtvorftandes im legten
Jahre war feine weſentlich fruchtbringende. Was kann man mit
der Preisausſchreibung für eine dichteriiche Form unferes Wahl:
ipruch$*), was mit jener für jeine lünitleriche Ausihmücdung
Vorteilhaftes bezweden? — So manche von den Zweigvereinen
ausgehenden, gut gemeinten Ratſchläge wurden nicht berüdjichtigt,
jo jener, in der Beitfchrift mehr auf das volklide Bewußtſein ein-
zuwirfen und nicht zu gelehrte Abhandlungen zu pflegen**), jo
der Ratichlag, auf eine gute und reine Sprache in der Gejep-
ey Einfluß zu nehmen, in ihr die Fremdwörter auszumerzen.
Das Beitreben aller gleich jühlenden Zweigvereine ſoll es vor-
nehmlich jein, in den Gejamtvorjtand thatkräftige Männer aus
dem Bolfe zu berufen, namentlich Männer, weldye als Ber:
treter des Bolfs in feinen gelepgebenden Berfammlungen für die
Ziele unjeres Vereins wirken können. — Nach einer Anſprache
des Direftord Friich wurde darauf dem Obmann und Grinder
des Vereins, Dr. Mally, als Zeichen allfeitiger Verehrung und
Dankbarkeit für feine dem Berein und allen vaterländiichen Bes
itrebungen geleiiteten Dienfte ein Ehrengeſchenk überreicht. Zum
Schluſſe hielt Profefjor Neubauer einen Bortrag über die
Ausiprade des Schriftdeutihen. — Am 14. 3. ipradı
Herr Kordon über germanifche Götterlehre und Welt—
anihauung.
Münden In der Aprilverſammlung hielt Prof. Sachs
einen Vortrag über die Verdeutſchung der Fremdwörter in
der Tonkunſt, worin er es als ae add binitellte, alle
leicht erſetzbaren, hauptſächlich Yeitmah und Bortragsweile bes
treffenden Fremdausdrücke durch deutiche Bezeichnungen zu erjepen,
was ſchon von Robert Schumann und Richard Wagner geſchehen
fei. Eine Anzahl von Fremdwörtern aber, die ſich größtenteils
auf die musikalischen Formen beziehen, feien als allgemein gültige
Fahausdrüde beizubehalten. Der übrige Teil des Abends war
einer Ehrung des Fürſten Bismard gewidnet,
Reichenberg i. B. Nach Neuwahl des Vorftandes in der
Aprilſitzung fahte der Verein eine Neihe von Beichlüfien. Diele
betreffen die ausichliehliche Mmwendung der deutichen Schrift bei
den Beröffentlihungen des Spracdvereins, die Gründung des Dit:
marfverbandes, ein Erjuchen an den Theaterauffichtsrat um Ber:
deutjchung der in feinen Wirkungskreis fallenden Fremdwörter uſw.
Scopiheim. Der am 25.2. vom Vorjigenden, Handels—
fammerjetretär Wad, erjtattete Nahresbericht erweilt die günftige
Lage des Vereins ſowohl in Hinficht auf die Mitgliederzahl, die
ji) gehoben hat, wie auf den Kaſſenſtand.
— Straßburg i.E Inder Märzſigung verbreitete ſich zumächit
der Vorſitzende, Oberlehrer Grün, über die Ziele des Sprach—
vereins worauf Oberlehrer Dr. Lienhart einen Vortrag über
Gruß und Anrede im Eljah hielt,
) Dies Breisausichreiben tft lediglich vom Heraubgeber dieler Beitichrift,
nicht vom Okfamtvoritiande, wohl aber mit deſſen Erlaubnie weranitaltet
worden. 2.0
) Die Leitung d. 8. bat f. 8. dem Meder gebeten, ihr Sole Auffäge zu
verſchaffen, die fie auch germe veröffentiihen mwärde, Ubrigene it fie ſich nicht
bewußt, — von einigen wenigen Ausnahmen abgeichen — zu gelchrte» Abs
handlungen gebradt zu haben.
Stuttgart. Nach Verlefung der Urkunde, durd die der
Gefamtverein den Fürſten VBismard zum Ebrenmitgliede er-
nannt, hat und nad) Beiprechung der Weifejchen Schrift » Unfere
Mutterjprache uſw.« jowie der »Seograpbie der ſchwäbiſchen Mund»
arte von Prof. Fiicher erörterte die Aprilverfammlung die
Stuttgarter Strafennamen und ihre Schreibung.
—— Oberförſter Erdmann ſprach in der Märzver—
ſammlung über die deutſch-vollstümliche Richtung in der
Litteratur der Gegenwart.
Trier, Im der Sißung am 14.2. wurde der Bericht über
die Mede Fr. Kluges (Studentenfprache) verlejen, worauf ein
Mitglied zwei ins neueſte Hochdeutich übertragene Gedichte vor-
trug: Hauffs »Treue Liebes von Jean Erlanguer (vergl.
Beitichr. III, 107 » Der detachirte Rojten«) aus »Biruf a la mode.
Neuhochdeutſche Porfieen von einem immigrierten Franzoſen«,
Lahr, 1892, Scauenburg; und Schillers » Mädchen aus der
Fremdes von Friedrih van Hoffe, welches lautet:
An einem Thal bei Troglodyten Sie bradıte Krücte, die Bomone
Erichien mit jeder Arühsuson, Gedelhen keb auf anderer Flur,
Sobald die eriten Vrimeln blühten, Bonquete, gepflüct im audrer Home,
Ein ind, jdiarmanter als Mirnon. Wo produttiver die Natur.
Sie war nicht In dem Thal geboren, Und tellte jedem elne Gabe,
Ahr Nationate unbetanut, @ei’s Floras, jei’s Pomonas, aud;
And Ihnen war ihre Epur verloren, Der Jin (ing und berüreis am Stabe
Sobald fie mit » Adien!« verſchwand. Ging froh mit dem Cndenn nadı Haus.
Abr ganzes Weien hauchte Verve, illlommen waren alle &äfte;
Und Enthuftasmus wert ihr Bid, Doc naht' ein amourenies Paar,
Doc ihres noblen Alre Reſerve So reichte fie das allerbeite
Wies Anmiliarität zutück. Bouquet als Souvenir ihm bar.
— In der Märzverfammlung wurde zunächit die Bonner Um—
frage erledigt und dann der Mayſche Vortrag über den Anteil
der Keltgermanen an der europäijhen Bildung im
Altertum beiprochen, der bei den Mitgliedern verichiedenartige
Nufnahme fand. Im Anſchluſſe daran wurde eine Ausleje von
auffallenden, altfrangöfiichen Wörtern bei Wolfram von Eſchenbach
mitgeteilt. Aus Anlaß der Herleitung eines Teil$ der Familien—
namen Meyer aus dem Worte Mäher, die im Februar vor:
gebradjt und durch ein Siegel belegt worden war, bat ein Herr
aus Hannover zwei Siegel eingefandt, die den Namen in Form
von Ähren und einer Sichel verfinnbildlichen.
Wermelstirhen. Am 15.3. beſchloß der Verein, zur Er:
änzung der von ihm begründeten Vollsbücherei eine abermalige
Sammlung von Büchern und Geldipenden vorzunehmen. Hierauf
hielt caud. theol. Klapp einen Vortrag über Rufland.
Weſel. Im Winter 1894/95 fanden 3 Herrenabende und eine
Hauptverjammlung ftatt. In jenen gab Kreisphyſilus Dr. Carp
die Schilderung einer Meife nadı Jtalien; Herr van Wüllen:
Scholten erjtattete Bericht über die Hauptverfammlung zu Koblenz,
und der Vorfipende Oberlehrer Dr. Glosl jpradh über nieder
rbeinifches, bejonders Wefeler Hochdeutſch. Am der Haupt:
verſammlung hielt Gymnafiallehrer Dr. Walbe einen Vortrag
über die Dichtungen Konrad Ferdinand Meyers.
Zittau. Am 20.2. ſprach Oberlehrer Dr, Neumann über
den Kampf um die deutſche Sprade vor 150 Jahren,
wobei er den Erfolg jchilderte, den Gottſched und die Seinigen
im Nampfe für das Schriftdeutich gegen die zu Gunſten ihrer
Mundart eintretenden katholischen Shrittftener Sherdeutichlands
erzielten, zugleich aber auch den Mikerfolg der Gottichedianer
gegenüber der von der Schweiz ausgehenden und von Männern
wie Bodmer, Breitinger, Haller und Klopſtock vertretenen neuen
Auffafjung der Spradye, die die Unterſcheidung von Profa und
Dichterſprache durchgelegt hätten. — Am 20.3. ſprach Oberlehrer
Serfling über die Schreibung der Straßennamen.
Zwidau. In der Hauptverfammlung am 7. 2. ſprach Gym—
nafiallegrer Dr. Diener über folde Lehnwörter im Deutichen,
die, uriprünglich deuticher Herkunft, ins Franzöſiſche übergegangen
und von dort im fremder Geſtalt zu uns zurüdgelehrt find.
Brieflaſten.
Herrn E. W.... Hannover. Sie teilen mit, daß ein Schneider⸗
meiſter Ihrer Ztadt namens Seibel ſich in ſeinen Ankündigungen
»marchand tailleur« nennt, und daß Sie ibm geichrieben hätten,
Sie würden erjt dann wieder bei ihm arbeiten laflen, wenn er
| feinen Beruf in deutjcher Sprache angäbe. Wenn alle Kunden
\ diefes Herm das gleiche Verfahren einfchlügen, jo würde ihm
135
wohl bald das Vergnügen an feinem bischen Franzöfiih ver- |
gehen!
Mitglied, Marburg. Bellen Dant für Ihren beadhtens-
werten Vorſchlag, dad Wort Allee durd) » Baumzeile« zu erjepen.
Allerdings bezweifeln wir, daß fich »Mllee« noch verdrängen
lajjen wird.
Herm 8, in Carlsburg. Ihre Vermutung, daß »unvers
frorene aus »unverworren« entitanden fein fünnte, hat faum
eiwas für fih. Die auf Ep. 53/4 der Heitjchrift gegebene Er-
Hörung trifft gewiß das richtige.
Herm 8. v. %h...., Köln. In Vorbereitung befinden ſich
die Verdeutihungsbücer für den Apotheferberuf und die Schuls
ſprache. Das BVerdeutihungsbuch für das Bergweſen wird zus
glei; mit diefer Nummer der Zeitichrift ausgegeben.
errn A. R. .... in B. Gegen Ihre Verdeutſchung der
Fremdwörter in Wechſelvordrucken wäre an ſich nicht viel einzus
wenden, wenn Sie nicht einige Ausdrüde gänzlich unberüdjichtigt
ließen. Die Bemerkungen z. B. über den Wert oder Gegenwert
aünzlich zu umterdrücden, halten wir nicht für empfehlenäwert.
Irgend etwas jollte doc) dajtehen. — Die Hamburger » Filiale«
der Deutichen Bank überfept in dergleichen Bordruden Primas
Wechſel durch Eriten Wechſel, fie jagt nicht »zue, jondern »an«
die Verfügung. Übrigens Üt unjer Vereinsmitglied, Herr F. ®.
Eigen in Hamburg, der Verfajjer der » Fremdwörter der Handels:
iprache«, zur Beit mit einer Arbeit bejchäftigt, in der Sie auch
joldje Bordrude finden werden, die allen faufmännifcen und
Rechtsanforderungen entipredhen und felbjtverftändlich unſerer
Vereinsſache dienen. Zu weiterer Auskunft darüber hat fid Herr
Eitzen bereit erflärt.
Herrn F. ©....., Breslau. E3 unterliegt feinem Zweifel,
da man bei »foften« ebenfogut den dritten wie den vierten Fall
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Eprahvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 5.
136
anwenden, aljo jowohl »der Anzug foftet miche, ala audı »der
Anzug koſtet mir« jagen fan. Diefe Freiheit beſteht jeit
alter Zeit.
Herm Prof. Th. E,...., Tübingen. Wir freuen uns, nad
Ihrer gütigen Mitteilung fejtitellen zu fünnen, daß es in ganz;
Süddeutichland feine Chaufſeen, jondern nur Baubliinker
giebt.
—* Landgerichtsrat &....., Halle, Der in der Anzeige
des Amtsgerichts in Solingen vom 1. Febr. d. J. (Deuticher Reichs-
anzeiger vom 4. Febr.) zweimal vorfommende Ausdrud Porte-
feuiller jcheint neuejten Urfprungs zu fein. Sie haben gewih
recht mit Ihrer Frage: » Warum nennen ſich die Anmelbenden
nicht Tafhenmacher, und warum bezeichnen fie die Etuis (die
ebenfall8 in der Anzeige vortommen) nicht ald Taſchen oder
Behälter?« Das eniſprechende Wort lautet im Franzöſiſchen
portefeuilliste.
Herrn W. B....., PVitterfeld. Die Landeszeitung für das
Fürſtentum Reuß ä. 2. bat ſich durd Erfindung des Wortes Ge—
burtstäger fein Verdienſt um die deutjche Sprache erworben;
oder follte das Wort landſchaftlich im Gebrauche fein? Es jcheint
faft, als hätte die Zeitung aus Byzantinismus nicht gewagt, von
einem » Durdjlauchtigiten Geburtstagsfinde« zu jprechen.
Ham Dr. B....., Halle. Am Anfchlufie an die Darlegung
über das Wort Entlohnung in Rr.3 (Sp. 70) d. %. teilt
uns Herr Landgerihtsrat Bruns in Torgau mit, daß fich diefe
Verdeutſchung jchon in dem von ihm ee Hefte » Die
Amtsſprache ⸗ unter » honorar« findet. Sie iit aus öfterreichiichen
Kreifen vorgeichlagen, jcheint alfo namentlich in Öfterreich vor-
zutommen. Allerdings it fie in Stingls »Verdeutſchungs—
merfen für das Elternhaus (Krems a.d. D., 1888, F. Diter-
reicher)« bei »$onorar« nicht, wohl aber bei »Remumeration« zu
finden; ebenfo ijt »jalarieren« durch »entlohnene verdeuticht.
Geſchäftlicher Teil.
Für das Hildebrand-Dentmal find mir ferner zugegangen: |
10 Dart im Nuftrage des Vorſtandes des Zweigvereins Gör—
lit von dejien Schagmeiiter, Majora. D. von Miplaff; 5 Mark
von Prof, Dr. Imme in Efien, Den gütigen Gebern bejtens
danlend, teile ich mit, daß ich dieſe 15 Mark dem Schatzmeiſter
des Bejamtvereind Herm E. Ernst zur gefälligen Weiterbeförde-
rung an den Denkmalsausſchuß in Leipzig übermittelt habe.
Friedrid Wappenbans,
Dr. Bülfing in Bonn erinnert an die Musfüllung der |
Fragebogen über die Schreibung der Etrahennamen.
Die Frift zur Einfendung der Antworten wird bis zum 15. Mai |
dieſes Jahres verlängert.
Neue Zweigvereine find in Oberhanfen und Jever erjtanden.
Die Vegründung an leßterem Orte geichah im Vereine mit den
»Setrenen von Jever« durh Dr. G. A. Saalfeld unter dem
Eindrude der Bismarcktage, der eine willlommene Verſtärkung
durch unfere Bismardmummer erfuhr.
Der Ziveigverein in Saarlouis Hat ſich aufgelöft.
Dem Beſchluſſe der Koblenzer Hauptverfammlung entiprechend,
mache ic Hiermit befanmt, da; ala Prüfer der Vereinsrech—
nungen für das Jahr 1594 durch Wahl der in Koblenz bezeichs
neten Zweigvereine berufen worden find: die Herren
Brtefe und Drudiadıen für die Vereinsleitung find bis yuın 24. Mat
d. 3. an den Stellvertreter des Borfipenden,
Gebeimrat Hugo Häpe, Treiben, U.,
Eheimniper Etr. 8,
R. Kohrig, Schapmeifter des 3.8. Dresden, und Bermei-
fungsrevifor Koch vom 3.8. Kaſſel
und zu jtellvertretenden Prüfern: die Herren
Kanzleirat 8. Hoffmann, Schatzmeiſter des 3.-®. Bonn, und
Berghbaufen, jtello. Borlipender des 3.:8. Köln.
Dr. M. Jahns.
Mit diefer Nummer werben folgende Beilagen ausgegeben:
1. Das Verzeichnis der Zweigvereine nebit ihrer Mit:
gliederzahl und den geichäftsführenden Vorjtandsbeamten:
2. die Anzeigen-PBeilage;
3. Verdeutichungsbücher des allgem. deutichen Sprachvereins
VI. Das Berg: und Hüttenmweien.
. (für die Vorftände) eine Umfrage des Ziveigvereind Neu:
ruppin betreffs der Verdeutihung und Verbeſſerung der
Sejchäftsichilder;
. Verein für vereinfachte Nechtichreibung. Was wir wollen.
. eine Entgegnung des Ham Martin May, Mitgliede
des 3.8. Frankfurt a/M., auf die Beſprechung jeines
Buches » Beiträge zur Stammkunde der deuticdyen Epradıe«
durch Herrn Oberichrer Dr. Karl Scheffler in Braun:
ſchweig in Mr. 3 d. Jahrg. Sp. 58/60.
Dieje letzte Beilage ift auf Koften des Verfaſſers
hergejtellt, da fich Herr May mit der einen ihm von der Schrift:
leitung für jeine Entgegnung zur Verfügung geftellten Spalte
nicht begnügen zu fünnen glaubte. Herr Dr. Scheffler hat der
Entgegnung nicht s ———— er überläßt vielmehr den Leſern
die Enticheidung über die Nichtigkeit feiner Ausführungen in der
Märznummer d. F.
Weidiendungen und Beitrittserflärungen
‚ an den Echapmeiiter,
Berlapsbudhhändler Eberhard Ernft in Berlin W.a1.
Wilhelmftrafe W,
Briefe und Druckſachen für die Zeltſchrift find an den Gerausgcher, Oberlehrer Ariedrih Wappenbans in Berlin N. W. 3, Altonaer Straße H,
au richten.
Fir die Leitung verantwortlich Friedrich Wappenbans, Berlin. _ Verlag des allgemeinen deutichen Epradivereins Vahne & Co,), Berlin.
eu und Aufendungen fir die Wiſſenſchaftlichen Veibelte an Brofeffor Dr. Paul Pletfh, Berlin WO, Mopitraße 12,
Eruf der Buchbruderei des Waiienbanjes in Halle a. d. S.
Enftgegnung.
Die Beſprechung meines Buches: » Beiträge zur Stammkunde
der beutichen Sprache, F. W. v. Biedermann, Leipzige, ſeitens
des Herm Karl Scheffler im Märzheft diefer Zeitichrift, bedarf
zum Bejten der Leſer diejes Blattes nothivendig einer eingehenden
Berichtigung, und hoffe ich, troß der Hier gebotenen knappen
Faſſung, es jedem Lefer zu ermöglichen, über mein Buch und
jene Beurtheilung ſich ein eignes Urtheil zu bilden.
Herr Sch. beginnt mit dem Sa aus meiner Einleitung: » Die
Grundlage der Beſtrebungen des deutichen Sprachvereins bildet
die Entſcheidung der Vorfrage: Was iſt ein Fremdwort. «
Sag begleitet Herr Sch. mit der Bemertung: Was das ift,
wiffen aber unfere Spradgelehrten nicht! »Die Gefahr,
daß, aus Unkenntnis, Worte echtgermaniicher Abſtammung als
aus nichtgermanischen Sprachen entlehnt und als Fremdwörter
bezeichnet und ausgejchieden werden fünnten«, (dev Sah lautet
vollftändig:; wie dies namentlich) durch Stammiwörterbücher, wie
das Klugeſche, gefördert wird, liegt ſehr nahe;) liegt eben jehr |
nahe! (Sch!) — Da; dieje Frage eine jehr wichtige iſt, und,
wenn dies für Sprachgelehrte nicht gilt, Herr Sch. auf dieje Eigens
ichaft verzichten müßte, dürfte fich weiter unten ergeben.
Herr Sch. jährt fort: E3 gilt (in meinem Bud), möglichſt
viele Wörter ald chtgermanisch zu reiten! Bu dem
Zweck wird »fejt gehalten, daß von Entlehnung deuticher Worte
bon anderen deutihen, germaniichen und feltgermaniichen Sprachen
feine Rede fein fan, und ebenfomwenig von Entlehnung beuticher
Worte aus dem Nomanifchen, wenn das romaniſche Wort nach—
weisbar jelbft vom Germaniſchen entlchnt ift.e Hierzu Heren
Sch.'s Bemerkung: mit biefem verblüffend einfahen Grund—
jap läßt fih nun fchon viel erreichen!
Was zunächſt mein Beſtreben anlangt, möglichſt viele echt—
germanifche Wörter vor Entfremdung und Entwendung zu be
wahren, jo wird wohl fein ehrlicher, und vor allem fein ehrlicher |
deutjcher Mann, dies an ſich für unberechtigt erflären; ich meine
vielmehr, daß dies gradezu eine heilige Pflicht für jeden Deutſchen,
insbeſondere für jeden ſprachwiſſenſchaftlich thätigen deutihen Mann
ſei! Die Erklärung im folgenden Sat ift mir durch das Kl.iche
Buch geradezu aufgedrängt worden; denn in demfelben begegnet
man Entlehnungen deutfcher Wörter aus dem Althoch-, Mittel:
hoch⸗, Nieder: Deutichen und aus allen anderen germanischen Sprachen,
— als entlehnt bezeichnet, — an zahlreichen Orten! Was die Ent-
lehnung von Wörtern aus dem Mittels und Althochdeutſchen
anbelangt, fo it dies eine ganz einfache, von jedem Bebildeten
entjcheidbare Rechtsfrage, und wird, — ich bin es überzeugt, —
jeder an diefer Sache umbetheiligte Leſer mir zuftimmen, wenn ich
ſage, daß es ebenfo ſinnwidrig ift, von aus dem Althochdeutſchen
entlehnten Worten im Neuhochdeutichen zu reden, wie wenn man
ein, von feinen Vorfahren ererbtes Vermögen als ein entichnies
Gut bezeichnen würde, Wer jo etwas jagt, veritcht einfach fein
Deutsch! Mit den deutſchen Mundarten, dem Nieders
deutfchen umd den andern german. Mundarten verhält es
fi) aber gerade jo; denn die Deutjchen find fein einheitlicher
Boltjtamm, ſondern ein Gemiſch zahlreicher germanijcher Stämme
und Stammrejte und die Sprache giebt hiewon, befonders in den
Mundarten, noc deutlich Zeugniß. Wie fehr die germanifchen
Stämmte durcheinander gefchlittelt wurden, zeigt z. B. die That-
fache, daß am Beginn unferer Zeitrechnung die Langobarden im
Diefen |
jepigen Hannover, die Sachſen in Scleswig-Holftein, die Bur—
gunder in Weſtpreußen und Pommern, die Wandalen in Sachſen,
die VBojaren in Böhmen ftanden, ufw., — germ. Stämme, Die
jpäter in Stalten, Sũdfrankreich, Spanien, Mfrifa, England ufw.
erjcheinen, — und dak während der Völferwanderung ganz neue
germ. Stämme das Land durchzogen oder ſich dort niederliehen,
wozu noch die gewaltſamen Überfiedelungen der Sachſen nad) Stid-
und Wejtdeutichland unter Karl dem Großen famen. Daß hiervon
die Sprachen im jetzigen Deutſchland weſentlich berührt wurden,
zeigen zahlreihe Spuren. So findet man, beijpielweis, in
fchweizerischen und mitteldeutichen Mumdarten Worte, bie nur im
Fsländifchen noch vorfommen, und hinwieder find ganze Wortfippen
in einzelnen Mundarten verfchwunden, die in anderen erhalten
find. Ich verweife nur auf altnordiſch auka, goth. aukan, alt«
ſächſ. okian, althochd. aucken, ouhhon, ouchon, auhhon, (I. augere,
Augustus), vermehren, das nur im Bindewort auch (vgl. alt
hochd. ouh, ouch, auh) noch erhalten ift. — Alle diefe germ.
Mundarten jiehen und ftanden von jeher miteinander in innigfter
Wechjelbeziehung, und jo findet man oft in der einen Mundart
noch Worte, welche, früher allgemeingenm., in anderen aufer Ges
brauch gefommen jind. Ein folches in einer Mundart verſchwun—
denes Wort wieder neu zu beleben und zu gebrauchen, fan feine
Entlehnung genannt werden; denn es ift fein fremdes, jondern
ureigene® germ. Gut.
Die romanischen Sprachen find uranfänglich feltgermanifche
Spradien, welche während der langen römiſchen Herrfchaft in
jenen Ländern durch die lat. Schriftiprache äußerlich umgejtaltet
und mit fat. Wörtern durchjegt wurden. Auf die Römerherrichaft
folgte die allgemeine Bölfenvanderung, wo zahllofe germ. Völler
Stalien, Frankreich ujw. überzogen und dort viele Jahrhunderte
lang die Herrichaft führten; daß diejes einen fehr bedeutenden
Einfluß auf die Sprachen in diefen Ländern ausgeübt bat, it
eine anerkannte, aber noch nicht in vollitem Maß gewürdigte
Thatſache. Da jedoch jene Länder bereit? vor der allgemeinen
Völkerwanderung im Befiß der (lat.) Schrift waren, jo erftredte
ſich der neue fprachliche Einfluß mehr auf Einfuhr neuer germ.
Worte, ald auf die Äußere Gejtalt der betreffenden Landes—
Spradyen. So geſchah es denn auch bier, daß viele germ. Worte,
die ganz oder theilweis in den reingerm. Mundarten verfchtwunden,
in diefen romaniſchen Sprachen, und im Mittellat., noch erhalten
find. Die Beifpiele find zabllos; id) verweife mur auf portug.
zebro (zebra), Rind, fpan. cebra, zebra, vierbeiniges Thier, alt-
franz. toivre, Vieh, vgl. angelſächſ. tifer, altnord. tafı (tacva,
Milchthier), abd. zebar, Opferthier, d. b. reines Thier, im Gegenfaß
zu Ungeziefer, d. 5. unreines, nicht opferfähiges, ungeniehbares
Thier, uſw. ch jehe num nicht ein, warum wir dieſes uraltgerm.
Spracheigenthum, welches in den roman. Sprachen erhalten wurde,
— wie 3. B. das von Herm Sch. angezogene garderobe, — engl.
wardrobe, von goth. wardja, Wächter, Wärter, altſächſ. wardon,
behüten, bewachen, ward, Wächter, neben Garde, Garten, alt:
jächſ. gardo, Garten, gardan, einfriedigen, behüten, — und
Nobe, ſchwed. rob, engl. robe, altſächſ. girobi, Kleid, Kleidung,
robon, befleiden, — nicht gebrauchen follen, und wiejo ein ſolches
Wort als entlehntes, d. h. fremdes, nichtgermaniſches, bezeidnet
werden fann, und wieberhole, daß es fich auch hier nur um Ent:
ſcheidung einer einfachen Nechtsfrage handelt.
Das von Herm Sc. angezogene boren gebört zur germ.
Sippe bägern, baden (ſchwäb), badjen, bodien, pochen, ahd.
bozan, pozan, paozan, mbd. bochen, bozen, boczen, bocken
(mie ein Bod ftoßen), engl. box, flohen, ſchlagen, ahd. boz,
Stoß, Schlag, wovon ganze Sippen germ. und roman. Worte
abgeleitet find; boren, das auch mit Bod (f. md. W.) zue
fammenbängt, ift daher ein gut germ. und deutſches Wort.
Bon den weiter von Herm Ed). vorgeführten, von mir als
echtgerm. nachgewiejenen Wörtern, »über deren Herkunft (nad
Herrn Sch.) aud) nicht der leiſeſte Zweifel auftommen
fanne, will ich, um nicht zu weitläufig zu werden, mur die, den
Leſern dieſer Zeitichrift vielleicht am bedentlichjten erjcheinenden,
beiden Worte: Shah und Schule herausgreifen, um zu zeigen,
wie es fich mit diefer Sch. ſchen Behauptung verhält.
Über Schach jteht in Wirflichfeit nur das eine über allen
Bweifel jiher, daß alles, was über dejjen Entitehung, Herkunft
und Namen bisher berichtet und nachgejprochen wurde, Märchen
find, und daß Schady ein weithin, auch in ganz Afien verbreitetes
altes Spiel war und ift. Es giebt nun Perjonen, die zwar
genau wiſſen, wie es im alten Griechenland oder Rom aus—
geiehen Hat, die aber feine Ahnung von dem gleichzeitigen ober
ülteren Borgängen in Amer: Europa haben, und die deshalb
unfere Boreltern, die alten Neltgermanen: die Barbaren (eigentl.
die fremden), als ganz rohe Wilde betradjten; daß ſolche Perſonen
diefe, unfere Voreltern, für unfähig eradjten, ein Schachſpiel zu
erfinnen umd herzuftellen, verdenke ich ihmen nicht: fie wiflen’s
eben nicht befjer! und ebenjo, wenn fie ohne weiteres das Schad)-
ſpiel für eine zweifellos außereuropäifche Einfuhr halten. An der
Wirklichkeit aber hat Vigfufion aus alten heidnijchen altnordiſchen
Schriften nachgewieſen, daß die Nordgermanen thatjädhlich ein
uraltes, allgemein verbreitetes und ganz eigenthümliches Schach—
ipiel bejahen: altnord. tafl, tafl-bord, Brett, Breitipiel, hnefa-
tafl, jenes nord. Schachipiel, das bie ins zwölfte Jahrhundert nod)
geipielt und dann durch das ähnliche neuere Schadjipiel in Stan-
dinavien verdrängt wurde. Es hatte einige Ähnlichkeit mit dem
jeßigen Schachipiel, doch auch jo bedeutjame Unterjchiede, daß die
Selbftändigkeit des gem. Spiels nicht bezweifelt werden fann.
Es waren zwei Spieler, wie beim jegigen Schach. Das Spiel
hatte aber nur einen König (hnefi, Fürft), der unbewaffnete
Herr genannt; die Steine oder Stüde waren weiß und roth; die
weihen griffen an, die rothen veriheidigten den Herm. Es werden
Spiele mit filbernen Figuren erwähnt, auch ſolche von Walroß—
zahn. In Jeland giebt ed noch jet ein anderes eigenthümliches
Schachſpiel: das vald-skäk! — Dieje Ausführung teht in meinem
Bud unter Tafel, während betrefis derjelben — unter Shah —
auf Tafel verwieien it. Die alten Germanen fpielten aud) noch
andere Brettipiele.
Nachdem hiernach fejt ſteht, daß die Nordgermanen ſchon in beid-
niſchen Zeiten zwei verjchiedene, eigenthümliche Schachſpiele hatten,
iſt anzunehmen, daß auch die übrigen Germanen ſolche beſaßen.
Wenn von dieſen innereuropäiſchen Germanen feine zweifelfreien
Zeugen erhalten wurden, ſo kann das in den örtlichen Verhältniſſen
liegen, wie ich das in meinem Buch ausführlich erörtert habe; denn
nad den Bölferwanderungen und den folgenden geſchichtlichen
Vorgängen war das offene Binnenland ein autgeraubtes Haus;
es iſt indeh fraglich, ob das im Mittelalter in Deutichland ge
jpielte, fpäter, zum Unterfchied von dem jetigen Schach, das
2
|
|
Spiel entweder ein uralte®, allen europäifchen und aſiatiſchen
Völkern gemeinfames Spiel war, das fid mit der Zeit in den
verichiedenen Gegenden verfchieden entwidelte, oder daß derjelbe
Beweggrund, welcher in der einen Gegend ein folches Brettipiel
ſchuf, dies auch anderwärts jelbftändig bewirlt habe. Die Sans:
fritleute, welche das Spiel ebenfalld fannten, find übrigens feine
Urindier, fondern aus Mordweiten, aljo von der Grenziceide
zwifchen Europa und Ajien aus, ins Pendjab eingedrungene Er-
oberer. Liber das Wort Schach bemerkt Kluge felber: »mhd.
schach fei durch voman. Vermittlung aus dem perj. schah, König,
entnommen; dabei jei nur fonderbar, daf das hodhdeutic Wort
auf ch ſchließe, gegen roman. ce; man müfje daher wohl erneute
Eimwirfung des Duellwort®« (perj. schatrak aus janäfr. schth-
rantsch, Schachſpiel, ift doch fein Quellwort für Schach?) »an-
nchmen« Daf jelbjt Herr Kluge die Sache nicht für ficher hält,
it jeinem Freund, Herrn Sc, ganz entgangen.
Aber die Sadje verhält ficd) noch ganz anders. Tas bier an-
gezogene ital. scacco, Schad), vergleicht ſich mit altfrief. skak,
schak, althochd. scah, scach, skahch (vgl. das hiervon abgeleitete
mittellat. scachus, schacus), Raub; davon jtammt altfranz. ächer,
prov. escac, scax, comasf. scach, Raub, Dz. Wb., — nad
Kuhn gehört ed zu scacan, mit dem Begriff, andre zur Flucht
bringen (vgl. hierzu ital. scaceiare, verjagen, vertreiben); vgl.
ferner franz. echee, Schach, altfranz. echee, Raub; die ganze
roman. Sippe iſt daher vom Germ. abgeleitet! Das oben be—
ſprochene ch ſſammt von mbd. schach (alıhodyd. scach), Raub
und Schadjpiel, mbd,. schachen, rauben und ſchachſpielen. Hier—
mit erhält auch das Scadiipielwort: Schach dem König, der
Königin, das als perj. Schab, König, gar feinen Sinn giebt,
feine Bedeutung: ich nehme, raube, erobre den König ı.! Tas
perfiiche Wort Schah iſt wahricheinlich nur der Beiname cine
Fürſten und jteht wohl für Eroberer (vgl. Mebrer des Reichs —
der römiſchen Kaiſer deuticher Nation) und jtimmt dann mit germ.
‘ schach., Schach ſpiel wäre hiernach = Räuberipiel, Erobreripiel;
große Schady genannte eigenthümliche Spiel, nicht ein jolches |
überliefertes urgermanifches Spiel war? Da auch in Aſien (China,
Indien ufw.) Schachipiele (aber durchaus nicht unter diefem oder
einem ähnlichen Namen) ericeinen, jo ijt anzunehmen, daß diefes |
das altnord. Spiel mit nur einem Herrn weit entichieden auf
eriteres. Bei Abjaflung meines Buchs fannte idy dieſe Beziehungen
noch nicht jo vollitändig, weshalb ich die Bildung des Wortes auf
germ. Gebiet, — unter Bezug auf almord. skäk, Schadhipiel umd
Schächer, Räuber, und das anlautende und entiprechende skä, jchräg,
skeika, dän. skakke, jchräg gehen, jchräg ziehen, Berjegen der
Steine im Spiel x., — nur als möglich hinftellte. Nach der jetzt
fejtgeftellten Übereinſtimmung aller germ. und roman. Worte für
Schach und Naub, und aller germ. Worte für rauben und jchadh-
jpielen (vgl. ferner altnord. skaka, ſtoßen, jchlagen, ſchieben, skakka,
(zwiichen Nämpfende) ipringen, abringen), kann ein Zweifel nicht
mehr beitchen, daß Shah, als Schachſpiel und Naub ein
urgerm. und deutiches Wort iſt.
Schule, altmord. sköli. angelſächſ. skol, skolu, altbohd.
scuola, skuala, schuol, engl. school, ſchwed. skola, dän. skole,
niederländ. skool, — wurde bisher von, im Lat. und. Griech,
aber nicht in den altgerm. Sprachen bewanderten Perſonen abge:
leitet von griech. ayoAn (syeorieyw), befigen, bewohnen, anbalten,
innehaben, wiſſen, fich aufhalten, bingehen, ruhig bleiben, fich
abhalten lafien, zaudern, nichtethun, zujammen halten, in ſich
ſchließen, verweilen, bejhügen, jchirmen, — alfo ayoAn eigentl.
Nat, Anbalten, Nufenthalt x.), Ruhezeit, geichäftfreie, mühine
Zeit, Saumieligleit (als Umitandwort: mit Muſe, langiam,
zaudernd x.), Verſammlung, erit jpäter auch Verſammlung der
Lernenden, Berjammelort ſelbſt. In diejen Bedeutungen des
griech. yon und des Zeitworts oyer, finden ſich auf germ. Ges
biet der anlautenden und begrifflich entipredyenden Wörter die
Menge; val. zur Bedeutung Anfammlung, Berfammlung: altjächf.
skola, Schaar, Abtheilung, Menge (Boltmenge), engl. shoal, Schaar,
Haufe, Schwarm, Menge, skulk, Herde, Trupp, Schwan, skull,
ein Zug, Schwarm (Fiiche), vgl. niederl. schol, Schellfiſch, d. h.
Schaar:, Zug-Fiſch; zum entipred. griech. Zeitwert: engl. shoal,
nieder, scholen, wimmeln, jic) zufammendrängen, anjfammeln,
verfammeln, ſich truppweis verjammeln, aber auch: ſich mühig,
nichtsthuend herumtreiben, die Zeit todichlagen, dän. skulken, die
Arbeit verfäumen, ausbleiben, jchwänzen, mittelhochd. schulen,
altengl. skulken, engl. skulk, dän. skjule, ſchwed. skyla, niederb.,
niederl. schuylen, fid) verſtecken, verbergen, die Schule, die Arbeit
ihwänzen z., altnord. skyla, jchüten, jchirmen, verdeden, ver
bergen, verjtedten (vgl. altnord. skjöldr, Schild); zur Bedeutung
Aufenthaltort des griech. Wortes val.: altnord. skjöl, skyli,
skali, altfriej. skule, schule (fugelskule, Vogelbaus, — hütte),
ſchwed. skulle (Dadyboden), ichwed.-dän. skjul, nieder, schuil,
schuilplaats, mittelniederd. seulinge (mittelhochd. schulhus, ver-
ſtecktes, heimlichen Haus), Aufenthalt, Schub, Obdach, Hülle,
Hütte, Unterkunft, Zufluchtort, Scheune, Scyeuer x. Vgl. zum
grieh. Begriff Anſammlung noch: nhd. Scholle (Klumpen Eis,
Erde), mittelhochd. schule, schul, Anjchwellung des Zahnfleiſches xc.,
um Begriff ſchützen: altnord. skyli, sküli, Beichüger, König.
Wort und Bedeutung find daber urgerm. und deutſch.
Es ergiebt jih wohl hieraus genügend, wie es ſich mit der
unzweifelhaften Sicherheit der von Herrn Sch. angeführten Fremd⸗
worte, als foldye, verhält; denn fo, wie bei diefen beiden Worten, |
ſteht es auch bei den andern.
Herr Sc. führt dann noch einige Wörter mit ganz entftellt
aus dem Zuſammenhang gerifjenen Sägen an, um dem Leer |
darzulegen, wie »geradezu unglaublich es ſei, was dem efer«
(nicht etwa von ihm, dem Herrn Sch., jondern von mir) »mit
erftaunficher Unbeſangenheit alles zugemuthet werde. »Inter Apfel |
heit e8: die gewiß auffallende Erſcheinung, daß das Stammglied
pfel in allen germ. Spradyen als bel, phel, ball, bull, Kugel
vertreten .. wird, erweiſt das Wort ebenfalls als germanijd).«
Hierzu muß id) leider das, was Herrn Sch.'s Freund Kluge jelbit
jagt, etwas ausführlicher bringen, ſowie das, was id} dazu be—
merkte, damit der Lejer die Sachlenniniß und Ausdruckweiſe x,
deö Herrn Sc. voll würdigen fünne.
Bei Apfel führt Mt. zunächſt eine Reihe altgerm. Worte für
Apfel, Apfelbaum, aud) altgern. Orinamen auf Apfel, an und
fügt dann ganz unvermittelt bei: »Troß diejer Verbreitung über
das ganze german. Gebiet und trog der Erwähnung wilder Apfel
bäume bei Tacitus, hat die Sippe als entlehnt zu gelten
(Obſt iſt durchaus unvderwandt); doch muß die Entlehnung lange
vor Beginn unjrer Zeitrechnung jtattgefunden haben, weil das
german. p in apla —, aus vorhiſtoriſch b regelredjt durch Laut—
verſchiebung entjtanden ijt; vgl. iriſch aball, uball, fit. obulys,
ajlav. abluko, Apfel. Da nichts für indgerm. Urjprung diejer
bloß nordeuropftichen Sippe oblu — (dafür lat. malum, gried).
zndor) Iprichte (alfo, jollte man denken, ijt eine Entlehnung des
germ. Wortes ausgeſchloſſen? weit gefehlt!) »ijt Entlehnung
des Wortes anzunehmen.« (!!) »Ableitung aus dem lat.
malum Abellanum, — die campanijde Stadt Abella war
im Altertum ihrer Äpfel wegen berühmt, — iſt aus laut-
lichen und formellen Gründen bedentlih, obwohl begrifflich (vgl.
Pirfich) die Kombination anipredhend wäre. Eine andre Mög:
lichleit der Entlehnung ift bisher nicht gefundene (Hierzu
fügte ih in Klammern: Welches Unglüd für die Schule!), —
Beachtenswert iſt, daß jür Augapfel im Althodyd. apful (mie
oug-apful) allein gebraucht werden lann; vgl. angelj. aeppel,
3 —
N. (Plur. M.), engl. apple of the eye (auch eye-ball), ndf.
oog-appel. dafür altnord. ougasteinn.« Ich habe die betreffenden
Sätze Wort fir Wort aus dem Kl.ſchen Wert abgefchrieben und
nur einige Hinweije in Klammern beigefügt. Und nun frage id,
was würde Herr Sc. hierzu gejagt haben, wenn ih, — nicht
Herr Kl. — jene Ausführung gefchrieben hätte? Wäre die Sadıe
nicht jo furchtbar ernſt, handelte es fich nicht um Ehre und Eigen:
tum unfrer Mutteriprache, man könnte fich ja dariiber todlachen.
Die Abficht, diefes echtgerm. Wort als ein Fremdwort darzujtellen,
liegt bier offenfichtlih vor; aber alle Verſuche, die Entlehnung
nachzuweiſen, ſchlagen leider fehl und dennoch — »troß der Ver:
breitung über das ganze germ. Gebiet, und troß der Apfelbäume
bed Tacitus — Hat die Sippe als entlehmt zu gelten;« die Ent-
lehnung müſſe aber lange vor unfrer Zeitrechnung ftattgefunden
haben!« Bei der als Dedung bier eingeihobenen Lautverſchiebung
des germ. p in apla — wird ganz überjehen, daß Apfel altdän.
abild, neudän. aeble, abd. aphul, für affal, afol, aful (j. affol-
dera, affoltra, affultra, neben apholtra, Apfelbaum, val. affol-
trin, vom Apfelbaum) jteht, daß die angezogenen iriſchen, litaui⸗
ſchen und altjlovafiihen Worte aus Schriften jtammen, welche
mindejtens 500 Jahre jünger als die älteſten germ. Schriften find,
und wo die betreffenden Bölfer bereits in vielhundertjähriger,
innigjter Berührung mit den germaniichen Völkern gejtanden und
zahlreiche Worte aus dem Germ. aufgenommen hatten, wesbalb
biejelben als vollgüftige Zeugen an ſich ſchon nicht gelten fünnen.
Daß der Schreibweiſe, den einzelnen Buchftaben eines ſolchen
| alten, oft nur einmal beiegten Wortes, feine übergroße Bedeu:
\ tung beizulegen ift, zeigt die ganz willkürliche Schreibweiſe des
Althochdeutſchen, wo, 3.8. b, p, ph, f, v beftändig mechieln.
Und das ift ganz natürlich; denn die eriten germ. Schreiber haben
feine germ. Echule bejuchen fünnen, jondern muhten nach dem
Gefühl ſchreiben. — Aus dem geliebten Lat. und Griech,. ift dies—
mal ſchlechterdings feine Ableitung möglich, da die betreffenden
Namen nicht entfernt ähnlich find, und das rein erfundene malum
Abellauum — nad) der campaniichen Stadt Abella, das wegen
feiner Äpfel im Alterthum berühmt war (!), — nicht ins Lat. ſelbſt
Eingang fand und folglich aud) nicht ins Germ. übertragen werden
lonnte. ber das Schönfte iſt, daß aud) hier nicht weniger wie
alles, Erfindung ift, um damit ein germ. Wort zu verbächtigen;
denn es gab und giebt feine campanifche Stadt Abella, wohl aber
Abeta, womit das ganze Märchen aus iſt. Bon der Stadt
Abellinum (im Apennin) in Samnium wird aber bloß berichtet,
daß es Hafelnüffe, aber fein Wort davon, daß es Äpfel geliefert
babe. Der Schlußfag: » Eine andere Möglichteit der Entlehnung
ijt bisher nicht gefundene, iſt höchſt bezeichnend für die ganze
Richtung jenes Buchs und feines Verfafiers, — jedes Wort hierzu
fünnte die Sache nur abſchwächen. Da das an die Spipe ge:
jtellte: hat die Sippe als entlehnt zu gelten, troß der ganz
mifglüdten Beweisführung, nicht aufgehoben wird, der vorher:
gehende Sap aber eine jernere Suche nach der erklärten fremden
Herkunft von Apfel in Ausficht jtellt, blicbe hier Apfel, nad
K., ein entlehntes Wort, das zwar in allen germ. und nordiſch.
Sprachen vorfommt, von dem man aber ſchlechterdings nicht weih,
von mwannen ed entnommen fein fünnte, außer aus ſich jelbft!
Das fennzeichnet die Gegner und ihre Schule. Der Fall jteht
aber nicht vereinzelt da, umd der Leſer wir num begreifen, warum
ich 5. 3. zur Feder griff, — um mein Hausrecht zu wahren und
eine ſolche Mißhandlung ımjerer Mutteriprahe — nicht durd)
Tſchechen, Slovaken und ähnlichen Sulturvölfern Angehörige,
| von denen wir das nicht befier fernen, — jondern durch Deutſche,
‚ abzuwehren!
In meinem Buch Habe ich verfucht, troß der mißglüdten Be-
weisführung des Gegners, aber angeficht$ der angezeigten weiteren
Nachforſchung nad dem fremden Quellwort für Apfel, die germ.
Bildung des Wortes nachzuweiſen und ic fand folgende Anz
fmüpfungen: altnord. afl, Ertrag, norweg. avle, altnord, ſchwed.
afla, gebären, herorbringen, vermehren, emten; altnord. afli,
Lebmittel, Borräthe, Früchte afli, fruchtbar, apli, Ochs, Pierd,
Frucht eines Tieres, Zuwachs, apla-kälfr, -Jamb, neugebomes
Kalb, Lamm; efla, wachen, ſtark, did, werden, zunehmen, efling,
Wachsthum ujw., efni, Stoff, was allein das Wort als Frucht,
Erzeugnik uſw. ertlärt. Wegen dän. abild, abd. aphul, affol uſw.
und insbefondere wegen dem Umftand, daß in verfchiedenen gern.
Mundarten Apfel für diefen und für Augapfel ftehen fann, mußte
ich indes mit der Möglichkeit rechnen, dab der Wortjtamm im
zweiten Glied jteden fönnte; da nun Mpfel und Augapfel, ala
Semeinfames, das Runde, die Kugel, haben, fo wies ich auf
die gewiß auffallende Erſcheinung, dab das Wortglied fal, pfel,
bal, bel, bol (Bolle), bul, fol, ful, Kugel, in allen germ. Worten
in Apfel erfcheint, jo daß, wenn das zweite Glied das Stamm—
glied jein follte, auch in diefem Fall die germ. Bildung enviefen wäre,
Am Schluß von Apfel fügte ich aber in Bezug auf die Be:
handlung jenes Wortes durch Herrn Kluge bei: Angefichts dieſer
Art Sprachforichung (welche nur darauf ausgeht, möglichit viele
germ. Worte al3 fremde erfcheinen zit laffen) drängt ſich jedem
die Frage auf: Was bliebe am Lat., Griech., den roman., las
viſchen, finniichen oder irgendwelchen anderen Spradjen Eigenthim-
lich bejtehen, wenn man die Worte derfelben in gleicher Weife behans
deln würde, twie diefe Art Spracforfcher die eigne Mutteriprache?
Beijpielweis bemerkte ich noch, daß im dem Kl.ichen Buch bei
dem kurz vorhergehenden Wort Amt, das ganz unzweifelhaft ger:
manijch ift, und dejjen germaniiche Bildung Herr Kl. nicht leugnen
lann, derjelbe in folgender Weiſe fortfährt: »ein gemeingermas
bahts, Diener, begreifen läßt. Gegen den germ. Urjprung des
gall. lat. ambactus ſpricht jedoch das ausdrückliche Zeugnis des
Feſtus: ambactus apud Ennium lingua gallica servus appellatur.
(Bei (nad) Ennium wird der Diener in der galliſchen Sprache
ambactus genannt). Dazu jtimmt, daß das Wort aus dem Felt.
völlig erflärt werden kann; ambactus enthält das felt. Präfir
amb- (lat. amb-) »um«; umd ag iſt eine verbreitete Verbal-
wurzel (f. Ader) für »gehen« im Keltiſchen: alfo ambactus, Bote
(eigtl. Herumgefandter) (!!), weswegen aud) das mittellat. am-
bactia, ambactiata, »Wufttag« (ital. ambaseiata, franz. ambas-
sade, Geſandiſchaft). Bei diejer Auffafiung der fat. roman, Sippe
erübrigt für die altgerm. Sippe die Annahme keltifcher
Entiehnung und Umbildung (got. andbahts für ambahts);
jedenfalls hat die Entlehnung in vorchriftlicher Zeit jtattgefunden.«
Sch habe wörtlich abgejchrieben und bemerkte dazu im meinem
Buch: Man beachte zunüchſt, daß diefe ganze ungeheuerliche Aus-
führung auf dem Sab des Feſtus beruht. Das entjcheidende
Wort in demjelben: servus! heißt aber nichts anders, als Diener,
Stlave (genau, wie im Germaniiden); von Bote ijt darin feine
Spur und was darüber in vorjtchender Abhandlung ausgeſagt
wird, ift einfache Unterichiebung. Daß ein Stave, Diener, Dienst:
mann, auch als Vote gebraudjt werden fann, iſt jelbitverjtänd-
lich, und wenn auf fremdſprachlichent, romaniſchem Gebiet aus
diefem natürlichen Vorgang die Vedeutung Bote, Votſchaft uſw.
fich hieraus entwidelte, jo ift das für die urſprüngliche Bedeutung
von gar keinem Einfluß. Anſlatt zu jagen: das dem lat. ambat-
tus, entjprechenbe felt. gall. ambact (got. andbaht, altnord. am-
bätt, embaetti, altfächl. ambaht, angelſächſ. ambight, althochd.
ampaht ufw.) ijt ein gemeinfeltgermanifches Wort, verfieigt ſich
der Berfafier zu der weiteren Behauptung, die Entlehnung des
gall. Wortes ind German. (hier ins Both.) habe bereits in vor-
riftlicher Zeit ftattgefunden! Wo die Berührung der damals in
Gallien und Oberitalien wohnenden Gallier mit den damals in
Rußland ftehenden Gothen jtattgefunden, verjchweigt er, ujw. Es
ift erſichtlich, dak bier wieder ein Verſuch vorliegt, ein durch
und durd; germanijdyes Wort, das im Germ. in allen Be
ziehungen und in feiner ganzen Entwidelung belegt ift, als ein
vom Kelt. entlehntes zu bezeichnen. Es ändert nichts an dieſer
Abficht, da es in Wirklichkeit nad) den beiten römiihen Quellen
unmöglich ift, von einer Entlehnung eines feltifchen Wortes ins
Germanifche zu ſprechen, da ja, was dem Verjaſſer unbelannt
icheint, ein Gegenſatz zwiſchen Kelten und Germanen nach dem
zuftindigiten Zeugniß, dem der Römer, gar nicht bejteht, die
Germanen vielmehr von den Römern als ein keltiſcher Volkſtamm
bezeichnet werden. An den Husführungen in meinem Buch kann
der ärgſte Wortflauber feine Lücke finden; daher der Zom der
Gegner und für mic das Recht und die Pflicht, die geichilderte
Art der Mißhandlung unferer Mutteriprache jeitens derer, welche
am eriten berufen wären, fie zu ſchützen, aufs entſchiedenſte zurüds
zumeifen! So wie mit ben hier behandelten Worten, geht es aber
mit den allermeiften der angeblid; entlehmten durch das ganze
K.eſche Bud).
Über den von Herm Sch. gegen den Schluß feiner Aus-
führungen dem Leſer ganz umvermittelt vorgeführten Sat aus
der Einleitung zu meinem Buch: »die lateinische Sprache ijt
nichts anderes, als die (umbriich-) tuskiſche — alſo eine kelt—
germantiche Eprachee, bedauere ich für heute — unter Hinweis
‚ auf mein Buch jelbit, wo der Gegenftand gründlich behandelt ift —
nifches Wort, das fi aus got. andbahti, Amt, Dienſt, and- |
als zu weit führend, nicht weiter eingehen zu können, und will
id) darum nur lurz bemerken, daß Herr Sch. vergefjen hat, den
Leſern diejer Zeitjchrift mitzutheilen, da ıch den Nachweis zu
obigem Sat, unter Berubung des gefamten vorhandenen Ges
ſchichtſtojfs, durch Erklärung der bisher völlig unbefannten tus—
fiichen und Erläuterung der ihr verwandten umbriſchen Sprade,
aufs eingehendite erbracht habe. Ich verweiſe übrigens noch auf
meinen im Januar I. J. in der Hauptverfammlung des Franf:
furter Vereins für Gefchichte und Alterthumskunde gehaltenen Vor—
trag über: »Den Anteil der Keltgermanen an der europäiſchen
Bildung im Alterthum«, welcher in Drud gelegt und im März 1. J.
unter anderem auch an alle VBorjtände aller Zweigvereine des
deutjchen Sprachvereins verfandt wurde, in welchen ich ben gleichen
Segenftand, — in meinem Buch mehr vom fpradjlichen, Hier
vom Standpunkt der Geſchichte und Alterthumkunde aus — bes
bandelt habe.
Auf die Schlufbemerkungen des Herm Sc. gehe ich nicht
weiter ein. Ich lämpfe für eine Sache und iſt mit der fachlichen
Darftellung des Gegenitandes meine Aufgabe erfüllt. An der
Hand diefer Darlegung wird der Leſer die betreffenden Außerungen
des Herrn Sch. zu würdigen wiſſen. Mein Buch befindet ſich
feit feiner Musgabe im November 1893 bereits in fo vielen Händen,
daß mir die, von Herm Sch. angedrohte Achterklärung seitens
der (freien?) Wiſſenſchaft nur ein aufrichtiges Gefühl des Mit:
leids für diefe Art Wilfenichaft und deren Vertreter ermweden
lann. Wir leben, qlüdlicherweis, im neunzehnten Jahrbundert!
Frankfurt a. M., 5. April 1895. Martin Man.
Drut der vuchdrucerei des Waifenhaufes In alte a. d. ©.
Beilage zu Nr. 5. (X.
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Geichäftsführende Borftandtbeamte des glieder· Geihäftsfürende Vorſtandabeamte
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Eberlcehrer Bußmann, Schaymitr. Gemtnarlehrer Soif, —e
Quedlinburg . 54 Oberlehrer Dr. Sticemanı, Borf.
Gardir. Anguft Lodtmann, Wori. Mirtetichulichr. Jacodaic), Schrift.
Brofeffor E. Kuniih, Scapmftr. Ratibor . a Oberlehter I. Engemanı, Borf.
Die, Prof. Dr. Jonas, Bori, | Überichrer Reinip, Schriftf.
Rettor Dr. Balde, Schriftf. Reihenberg (83h.) 172 Magtiteaterat Dr. Mugelhaar, Borf.
Brof, Dr. Fyraıız Riedt, Lori. Scriftleiter Herlt , Schriftf.
I. Somnig, Shapmitr. "Notodi.M. - - 2 Dir. Dr. Begemann, Borf.
&ymn, »Dir.‘Dr. Duapb, Borf. A. Ruſſer, Schriftf.
Dberichter Jof. Juft, Borf. Saarbrüden . “ Dir, Dr. Leonhardt, Borf.
Prof. Alex Zragl, Schrift. Oberlehter Zarıb, Echriftf.
Diretor Dr. Wochgram, Borf. Schildberg (Poien) 12 Kreisichulinip. Eberhardt, Vorſ.
Oberlehrer Dr. Beer, ehriftf. Santor Schlange, Shyapmitr,
Brof. Sof, Blumer, Vorſ. Schopfheim (Bad) Bl Handelöfautmeriefret. W. Wal, Vorſ.
Bürgerichulichrer Hauptoogl, Schrifti. | VProturiſt W. Dite, Schrittf,
Hulttenverw. Herm. Aigner, Borf. edwerini.M. . 3 Neg.+Nat Dr. Schildt, Borf,
Rotar Dr, M Neid, Ariftf. Horitmftr. Wilhelmi, Schriftf.
Schrütleiter ©. Haricıtamp, Borf. @lawenkit
Sberlehrer Abicht, Sıhrüftf. (Ober» Ehlefien) | 106 Se. —— —— Te ia Kraft
8. 8. Realichulprof. Dr. 5. Thalmayr, Lori. | am Dobenie 8
Brof. d. Handelsat, IH. Schneller, Echriftt. | Rev. Etokioffa, Ehräftf.
Buchhdl. lebe, Borf. Sobernheim . . | 18 Dberlehret Dr. Prieſe, Vorſ.
W. Stlingenderger, Schriftf. u. Schapmitr. SonnebergiS. * ei) Diatonus Winter, Borf.
Dderl, E. Schumann, Borf. @tettin . . » 9 Br Dr. Blafendorff , Sorf.
Dr. Zillich, Schriftf. 6.» Poftlelr, a. D, Epritgmann, Sıhriftf.
Dberl. Dr, Stuodie, Borf. "@tolbere (Nbeint.) | v2 Ggmmafialichrer Dr. Hubo, Borf.
Suchttdi. J. Neumann, Schapmitr. i U. Sicher, Shapmitr.
Sanzter %. Edhardt, Lori. - @trallund . . 22 Reg.» Präf. Dr. von Arnim, Borf.
Karl Obtorfmer, Schagmitr. | Konreltor Palleste, Schriftf.
Eberf. Braun, Vor. Strnöburg |
Lebe, d. höh. Mäddich. empf, Schahm. 1. Wehpr,. | 22 Gymnaſiallehr. Dr. Meifert, Schriftf.
Strakburg i. ei. 55 Dberichrer 9. Grin, Borf.
Stadtarzt Dr. A. Mally, Vorſ. | Obrrichrer Dr. Horft, Schriftf.
@inttgart 84 | Prof, St. Erbe, Bori.
Barter Felih, Borf. | \ Buchhöle, Kurp, Schapmftr.
Rektor Schreiber, Echriftf Enlinsen - . - 2 Landrat Oberländer, Vorl.
Gumi.+Dir. Dr, Brods, Lori. Werichtsjetr. Srüntel, Schriftf.
Überichrer Dr. Maydorn, Scriftf. "zeplik (Böhmen) . 22 Fabritbeſ. Dr. Julius Shemelser, Borf.
Brof. Dr, &. v. Bueride, Vorl. ‚ Lehrer Michael Mottal, Schriftf.
Hauptichrer 3. Tammerdeich, Echriftkihrer zit . 14 | Dierl. Nalt, Borf.
u. Shapmftr, Zoramm . 86 Landger.Rat Bruns, Borf
Joſ. Rleken, Borf. | er ‘ z
RR. Wrfel, Schriftf. Zrier . 80 Brof. Dr. von SoR8, Borf.
&, Dberpoftbir. Knauf, Korf Stadibinliothelar Dr. Keuffer, Schriftf.
* "rt — . Stadtfefoetär Bomnmacher, ſtellv. Bor.
——— Rihard, Stihf. u. Shapın. oitr.» Schlefien) | 90 Ktanfın. Kari Girichet, Echapmitr.
Opuın. Eberl. Biigoff, Erifti. ‘ zübingen . 20 | Prof. Nägele, Borf
Rgl. Rreisihulinfpeit Dr. Block, Bori- "ulm (Bonaı) 1 Dr. 4. güorff, Korf,
Dee acuter. ðet.. Verden (Hanıtover) 41 Seminarlehrer Bernd, Wieſe, Vorſ.
Veromold (Weitf.) 14 Blarrer K. Engerling, Lori
Dberlchrer Dr. B. Tascorbi, Bor. 10 ngerting,, Sarı.
Erogenhändt. &, Neinhardt, Echapmiir. wii. Schrer Gore, Schijtf.
Arhiurat Dr. Slcher, Borf. Wermelöfirden . 45 Rettor Wilh, Noel, Vorl,
Dbert. Mathias Linhef, Schriftf. Ebert, Röhr, Schnilf.
Wedel. . 50 Dberf. Dr. &torl, Rorf.
Dbering, Braune, Borf. | Dbert. Hofius, Scheifif.
Schrer I. Braun, Schriftf. ' Beblar . 54 Oberl. Reuber,, Vorl.
Brot. Stier, Vorſ. Dr. Heery, Schriftf.
Dberfiabsarzt Dr. Kunow, Schriftf. Wien 76 Dr. Tominit Nolbe, Borf.
Eberlehrer Dr. TDröge, Vorſ. | Dr. Franz v. Sprung, Schriſtf.
gfm. A, Seit, Scapmiftr, Wiesbaden . 32 Sräde. Etulinip. Mintel, ftelld. Borf.
Brauereidir, I. Ludwig, Bori. ß Oderl, Spamer, jtelv. Schriſtf.
Lehrer Fr. Piitmar, Bort. Wilhelmshaven . 12 Marine» Oberpforrer Godel, Borf.
Boitmeiiter Hug. Ehmidt, Echapmiır, Buchhandler Laderwigs, Schapmiir.
€. Middendorf, Vorl. Wolfenbüttel . 24 | Qeminsrichere 9 Serp. Merl
B R ndler Stichtenoth.
Gijenb. » Dir. »Präf, v. Milhlenield, Bori. *
Hofapotheker Grerdes. Echapmite. | BWolmirdichen ” Fer erg Ei ‚ Borl.
en Siefter, Sei. \ Worbis . 15 st. Schuttat Volack, Bori.
aatsanıp. Dr. Tölter, Bor. _ | Hauptlebeer Steuer, Schriftf.
Frau A. Böjenderg, Schriftſe u. Echapmite, gein 35 | Operiehrer Braafh. Morf
Realſchuldir. Brof. Dr. Mutlı, Vorj. | Dito Tillmonns Echriftf.
Überichrer Eput, Schriftf. gerbit 68 Eberlehrer D LIESS: N
Dr. phil. Sähuller. Bor. | . Tiebrer Dr. Frverabeud. Borf.
Bileketiaun .. Oberlehrer Dir. Xüidede, Schapmitr.
enerichuliehrer Bittner, Echriftf. | gittau i. @ 100 Si *
Everfehrer Ahrens, Vorl .®. ürgermeifter Sertel, Vorſ.
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re. Dehmes, Borf. opaui.®.. 23 Cherl, ©, f i
Hoflicfet. Al. Hamel, Ecapmitr. u — os a Pr Ba Su:
VPrive⸗ Tozent an ber K. 8. deurich. Unis weibrüd % 3 Bari
„öschuit Dr. Mbetf Sauffen, Bart 8 * a asia.
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"Frichr, Reiniger, —S vor gwicau | 43 | beit. Dr. Srößner, Berl.
| Tirettor Grlittuer, Sıhriftf,
Beilage zu Nr. 5(X. . Jahrgang) der Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
verzeichnis
der
Sweigvereine des allgemeinen deutſchen Sprahvereins nebſt ihrer Mitgliederzahl
und den geihäitsführenden Vorfiandsbeamten nab den bis zum 26. April 1895 eingelaufenen Angaben.
u Meder: 1” Geicäftefühtende Vorſandebe * — Oeſchaftefuhrende Vorſiandebeamt
eder⸗ führende Vorſtandsbeamte alleder⸗ te m tandsbeamte
Brorigvereind ar | Bwelgvereins | Baht | i
Aachen uptmann a. D. Fri Berndt, Bor. edweae . . - 25 Oberlehret Sienden.
— Blirgermit. Lamberts, Shriftf. Dberl, Dr. Gartbe, Sach. u. Etapmftr.
"Amiterdam . . - 7 Dr. €. Poſer, Borf. en Ruhe) . . | 1 Ggmn.« Prof. Dr. Jmme, Borf.
Annaberg . - - 15 Dr. 3. @ildenhahn, Borf. | Buchandter Gilniher, Echriftf.
Buchbändler O. Srafer, Schapmitr. Aranfiurt (Main) 126 Dr. Santter, ori.
Arusberg (BWilien- *Areiberg (Sadıkn) | Überberprat Menzel, Vorj.
fgaftl. Bereim) . 10 Baurat Lünzner, ftellvertr. | Überichrer Gundei. Shrifif.
Brofefjor Bush, Schriftf. u. ehapmpr. Freiburg (Bela) General v. Kapbengft, Bor].
"Arnltadt. . - » 106 Prof. Dr. Groſſe, Borf. —— vos Buchhdl. Ernſt Harms, Schriftf.
Aruswalde 15 Direltor Dr. Horn, Borf. a.N,(toh:
. andelsid. Dir. Dr. Boigt, ftelv. Borf.
"Aundburg . - - * Th. Lampart Buchhandlung. — —* Line, — —
Aurichh 43 Gyımn,+ Die, Prof. Dr. Heynacher, Bori. Weil a. Et.
Boitdir. Schifter, Schrifif. (Mflrttemberg) Bräceptor Kuodel, Borf.
Barmen . . » » 43 Oberrealſchuidir. Dr. Sailer, Vorſ. Eleiwitg (Schtefien) Dberl. Dr. Arudt, Torf.
— — I. Lelthäufer, Schriftf. A "es Ingenieur Schaumtel, Schrifif.
Berlins 6 k 105 Geh. Ober» Reg.» Rat Bormanıt, Bo u Oberlehrer Uhle, Worf
Karl Heinemanı, Ehaymfir. u. Schriftf. Sörlie u 2. de, in. Schapmfır.
Bernburg . 2 Dr. 9. @ilfing, Vorſ. ray (Etchermarf) Prof. Dr. Ferd. Khutl, Bori
Bielefeld 3 Lehter A. Blomler, Borf. Buchhändler Hans Wagner, Schapmitr.
Bitterfeld 60 Direltor E. Bolgt, Borf, Greilenbera Rom.) Prof. Dr. Groſſe, Vorſ.
€. Obſt, Ehriftf. @reis. . | Km. Bar Schmidt, Borf.
Blaufenburg a. O 107 Syn. »Dderiehrer Dr. Saalfeld, Borf, Grimma . Oberichrer M. Kümmel, Lori.
Sen.» Major 5. D. Eramer, Schriftf. Sem. :Dberl. Puſchmann, Schrift.
Bodum . u) Oberfehrer Dr, &, Beyfe, Borf. Salberitadt . Prof Dr. Riemann, Borf.
Bonn. - 206 Sasbireltor H. Göhren, Borf. le (Saale Gymm.» Dir. Brof, Dr. Lorbhel;, Berj.
Dr, Wiltfing, Echriftf. m ) Buchhdi. Grager, Schapmitr,
Boppard (Rhein . 2 Brogymm.sDir. Dr. 9. Menge, Borf, mbur Oberlehrer Dr, Diſſel, Vorſ.
Sem. Lehrer Habric, Shapımfr. u. Eiriftf. | demdure Dr anti, eh ven
Braunihweig . 295 Dberpoftbir. räfe, Lori. nnoder Realgomn.: Dir. Hamdobr, Borf.
Obexiehter Bogel, ehriftf. 6. Obert, A. Steinderg. Schritf.
Vre uen 87 Dberfehrer Dr. Brenning, Borf. Heidelberg . ch. Juftizr, Keller, Vorſ.
Bredlan . 49 Brof. Dr. Wild. Neumann, Vorſ. Karl there, Rechner.
Oberftaatsamwaltsfete. A. Sühendad, Büder | Heilbronn a. R. . Oberſtudientat Nett. Dr. Vreſſel, Borf.
wart. Cberpräzeptor Eifih, Schapmitr.
Bruhlal. . . » 3 | Beof. Dr. Mag Hofner, Borf. Heilinenitadt
Albert Elſaſſer, Ecapmitr, Eichefeld Amtege richtsrat Glaſewald, Mori.
Brüfel . - 25 | Komful Wunderlich, Borf. Fabritb. 9. Bernhardt, Echapmitr.
Dr. phil. Koch, Echriftf. Helmitedt Rreitdireltor Langerjeldt, Borf.
Budmweis (Böhmen) 40 "8. 8. Gumu.«Vrof, Koclan, Borf. Lehrer 5. Hebmiih, Schriſtf. u. Echapm.
Pr 2 2 eg j "Hildeöbeim . ®rof. Flocher, Borf.
uxtehbude . tor Dr. 8. uſch, Bor.
Kämmerer Johannſen, Ehapmftr. veuenve⸗ —I——— Pe
Selle 28 Nettor K. Gartner, Borf, ‚ 320 |
| 8ehrer Säule, Sheiht. ER ER I nie Ba see
Ghemnis . - - | 9 —5 Sehe. Pr Torf. \ Ilm... 24 Dberichrer Rob. Honig, Lori.
Giernowig (Outer | LERNT Auusbrud Air) | 156 Univ.«®rof, Dr. 8. p. Scala, Worf.
en ie 9 ‚au Dr 2. Sure, Bert. | ——— af. a. phyſit. Inft. Dr. veniſchte, Schahm.
, Oymın.e Prof, Karl Wolf, Schriftf.
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Dauzig— 4 Baurnt Greidſprechet, Vorſ. | ns 8 Ba en *
Oberlehter VPaul Nible, Schrift. Kempen (Boien) . 62 Übericbrer R. Helnrich, Bori.
Darmitadt . . 18 Major a. D. m. Brof. von Pfiiter, Borf. Gymnafallehrer Rudolph, Schriftf,
| Hauptmann Zernin, Schapmitr. | gie * FE
r in (Bom.) 18 Gymnafist»Dir. Dr. Efneider, Vorf. ne 5 Oberpoſtſetretar Echmidt, Echapmitr.
zöbeln . .» . . 3 Vrof. Dr. G. Hey, Wort. Roblen . . . - 34 Erft. Staatsanw. Schumacher, Borf
Lehrer Heymer, Schriſtf Reditsanwalt Graeff, Syriftf.
Zortmund - . . 46 Oberlehrer Sartori, Borf. | Nolberg (ifien:
Dr, Overbet, Ecapmitr. fAraftt. Berein) . 10 Gomn.« Tir. Dr. Qeder, Lori
Sredden.. - . . > | Drto Graf Bipthum, Bert, | Oberl. Dr. Wed, ehriftf.
| Kohrig, Eihapınfer, | Molberg . - - - 10 Bürgermeiiter Bummert, Rori.
Duisburg . . . 112 | Gymn.«Dir. Dr. Schneider, Borf. Kolmar i.@. . . s1 Regierungss und Schulrat Renaud, Borf.
| | Buchde.« Bel, Mendelioht, Schriftf. Asclu a. ah. 20 Eher» und eh, Faurat Mäppel, Borf
Düfelderf . . - 1 Banfdir. Lucan, Bori. | Eifenb.» Selr. Erömann , Egeiftf.
C. Garnich, Schriftf. und Echapmitr Königsberg (Er.). | 91 Vollzeit» Bräfident von Brandt, Vorf.
; | ! E Voligen ⸗ Rat Schmidt, Echriftf,
@beröwalde | Prof. Dr. Zeuber, Borf. Königsbütte St.) 40 | Überlehrer Alimte, Worf
Eger (Böhmen) . bi K 8, Prof. A. Unterforcher, ori, Schrer Probaiel I, Echrifif.
| Austultant Emil Bienert, Schrifif. Rent. ...ı 2 Frof. Liefer, Bort.
Elderled . . - 155 Prof. Budruder, Bf, Aoſchmin Woien) , 2 Semluardireltot Seidrich, Vorſ.
9— Haufım. Karl Schmitz, Schriftf. | Seminarichrer Ernit, Schriſtf.
Glbingerode . . | 18 | Mollzeirat Maste, Vorſ. "Köthen (Anbalt) . I» Ecminarlehrer Hirich, Wort.
Bel den mit * verſehenen Orten fehlen genauere Angaben.
X. Jahrgang Ar. 6. 1. Juni 1895.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes —— von Friedrich Wappenhans.
Dlee Zeitſchrift erſchelnt jährlich swölfmal, zu Anfang ſedes Monats,
und wird den Mitgliedern bes allgemeinen beutihen Epradjvereins umentgeltiih | zu BE, jährlich bezogen werden, — Anzelgenannahme durch den Schahmelſter
gellefert (Sapumg 234). Eberhard Ernit, Berlin @.41, Wilhelmfr. 90. — Auflage 15000,
Inhalt: Glüchkwunſchſchreiben an Dr. von Stephan. — Zum Ymtsjubelfejte des Staatsjefretär® Dr. von Stephan. Bon Brof.
Dr. 9. Dimger. — Die Berdeutihung der Fremdwörter in umferen Jugend» und Vollsſchriften (Antrag Wermelslirchen). Bon
Wilh. Idel. — Spradliche Verhunzung hung ng Befchle in der Preſſe. Bon Dr. Ferdinand Khull. — »Laut eines in Händen
habenden Briefed.« Bon D. Streicher. Zur Nedhtiertigung. Von Fr. Jehle. — Sprachliche Mufterleiftungen. — Kleine Mit-
teilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsfchan. — Aus den Hweigvereinen. — Brieftaften. — Geihäftlicher Zeil.
Die Zeltihrlft kann auch durch den Buchhandel oder die Poſt
Der Gefamtvorftand hat Sr. Erzellenz dem Staatsjekretär des Reichspoftamtes
Herrn Dr. Seinrih von Stephan
einen in Kunſtſchrift hergeftellten Glückwunſch überfandt, der folgenden Wortlaut hat:
Seinem hochgefchäßten Ehrenmitgliede, dem Staatsjekretär des Reichspoftamts, Bern
Dr. von Stephan Erzellenz, dem thatkräftigen Bahnbrecher und Dorkämpfer deutjcher
Spracdhreinheit, bringt in dankbarer Anerkennung feiner Derdienfte um unfere Mutter
fprache zur Jubelfeier feiner 25jährigen Amtsthätigkeit die aufrichtigften Glück und
Segenswünjche dar
der allgemeine deutſche Sprachverein.
Zum Amtsjubelfefte des Stantsfeteetärs Dr. von Stephan. | an um nenbes Verbud Fir ſpatere Verſuche Def
An 26. April feierte der Staatsfefretär des Reichspoſtamts Durch die Verfügungen vom 31. Dezember 1874 und vom
Dr. von Stephan die 25. Wiedertehr des Tages, am weldem er | 27, Juni 1875 ordnete er an, daß mehr als 700 bis dahin ge-
an die Spige des deutichen Poſtweſens berufen wurde. Was er | brauchte Fremdwörter in dem dienstlichen Berfehr der Post durch
in dieſem Zeitraum für die Hebung unferes Verfehröwejensd ges beſtinunt vorgeichriebene Verdeutſchungen erfept werden follten.
leiftet hat, wie er es verftanden hat, mit weitichauendem Blide | Wer dies von dem Standpunkte der Gegenwart aus betrachtet,
alle Fortichritte der Technik und Wiſſenſchaft für fein Fach zu | kann nicht ermejjen, wie wichtig diefer Vorgang war, welche
verwerten, wie er durd Gründung und Ausgejtaltung des Welt: | güpnheit zu diefem Schritte gehörte. Wohl war in den Jahren
pojtvereind ſich ein Verdienft um die ganze Menjchheit erworben | 1870 umd 71 unter dem Eindrude des fo ſchmählich herauf:
hat, ift bei diefer Gelegenheit von allen Seiten rühmend ans heſchworenen Krieges der Ruf nach Ausmerzung alles Franzö—
erfannt worden, in beſonders ehrenvoller Weife aus allerhöchſtem ſiſchen in Sprache und Sitte überall in Deutſchland erichoflen,
Munde. wohl hatte man franzöfiiche Geſchäftsmarken und Gaſthausſchilder,
Wenn der allgemeine deutjche Spracverein den Glück- und | ja jelbjt die franzöfiiche Speijelarte verdeutſcht. Aber diefe Bes
Segenswünſchen, die von allen Seiten dem gefeierten Manne ents | geilterung war bald verraucht. Mean Hagte zwar über die Menge
gegengebradht worden find, freudig fich anjchlieht, jo geichieht das | fremder Beitandteile im Deutſchen, man erfannte an, daß damit
nicht nur deshalb, weil er ftolz ıft, im ihm fein erſtes Ehrenmits | unferer Mutterfprache unrecht geichehe; aber dies war nur eine
glied zu fehen, fondern auch weil er ihm aufrichtigen Dank fchuldet Anerkennung des Grundſatzes; in der Ausübung blieb man bei
für eine Seite jeiner Thätigfeit, welche, wenn fie aud in den dem alten Zopf und gebrauchte die Fremdwörter rubig weiter.
zahlreichen Beglüdwünjchungen und Beitungsaufjägen nicht bes | ES ging damit wie mit dem Nberglauben; jedermann verwahrt
fonder8 hervorgehoben worden ift, dennoch ein unverwelfliches | fich mit überlegenem Lächeln feierlich dagegen, als ob er fold
Blatt in dem Ehrentranze Dr. von Stephans bildet. Er hat der | Kindifches Zeug glaube, aber im einzelnen alle hält er es doc)
Sprachreinigung eine Gaſſe gebrochen, er war der erite, der | | für befier, von »dem guten Alten« nicht abzumeichen. Als die
unerjchroden und unbefümmert um Spott und Hohn mit der Be= Poſt verlangte, man folle nicht mehr refommandierte, fondern eins
feitigung entbehrlicher Fremdwörter in jenem Face Ernſt machte | geichriebene Briefe aufgeben, man folle Sendungen nicht mehr per
139
express, fondern durch Eilboten bejtellen laſſen, poste restante
folle man durch poſtlagernd erſetzen, da brad) allgemeine Empörung
gegen biefe Zumutung los. Man machte damals die Erfahrung,
die man immer machen wird, wenn man jemand zumutet, eine
ſchlechte Angewöhnung abzulegen. Der lieben Eitelteit wird es
ſchwer, jelbjt eine Heine Schwäche einzugejlehen. Statt daß man
dem Manne dankbar zujubelte, der das, wovon alle rebeten, zur
That machte, begann in der Prefje ein Heftiger Anſturm gegen
diefen neuen Übergriff der »meuerungsfüchtigen« Poftvenwaltung.
Man verſchanzte jich hinter dem Borwande, die Verdeutſchungen
jeien nicht zutreffend, fie dediten nicht den Begriff des betreffenden
Fremdwortes; es ſei eine Anmahung, daß ein einzelner Mann
der Epradje neue Wege vorjchreiben wolle. Beſonders beliebt
war der Einwurf, eine große Zahl der verdeutjchten Ausdrücke
fei »international«; dieſe dürfe man nicht anrühren, wollte man
nicht das gegenfeitige Berfländnis im Verlehr mit anderen Kultur:
völfern empfindlich jchädigen; man jolle ſich auf den höheren Stand-
punft des großen Weltverfehrs jtellen, dem gegenüber jelbjt edle
nationale Beweggründe zurüdtreten müßten.
Unermüdlid) wies der hart angegriffene Generalpoftmeiiter in
Wort und Schrift die Angrifie zurüd. Er ftellte ſeſt, daß er
rein dienſtlich durch die Neubearbeitung der Poftordnung und der
Pofidienftanweifung zu feinem Vorgehen veranlaht worden jei,
daß ihm »ein Befehl unſeres großen Reichslanzlers thunlichite Ver—
meidung von Fremdwörtern zur Pflicht gemadt« habe; die Erjap:
wörter feien leineswegs von ihm willfürlich gewählt worden,
jondern es hätten gründliche gemeinjame Beratungen im Generals
poftamt darüber ftattgefunden, Mit überlegener Sprachkenntnis
belehrte ex die Verteidiger der »internationalen« Kunſtſprache, daß
nur die Deutſchen den franzöfiichen Ausdruck refommanbdiert
gebrauchten, während die Franzoſen dafür charge jagten, die
Engländer und Ameritaner aber registered d. i. eingeichrieben;
daß nur die Deutichen das italieniſche Wort poste rostante hätten,
während der italieniidhe Ausdrud ferma in posta faute. Giner
diejer Splitterrichter, der die Mehrzahl der Rofiverdeutichungen für
»unrichtig oder ungefällig oder unnötigs erllärte, ſchloß jeine ver:
nichtende Beurteilung mit den Worten:
nächite folge eine Sprachverwirrung, eine Unzahl von Mihvers:
jtändkiffen, eine Maſſe unnötiger Arbeit der ohnedies jhon mit
Arbeit gerade genug belafteten Beamten fein.e Der Prophet er-
wies ſich als ein Lügenprophet. Raſcher, als jelbjt die begeifterten
Fremde der Sache gehofft hatten, bürgerten fi die neuen Aus—
drücte ein. Jungere Leute wiſſen jept laum mehr, was die jonder-
baren Fremdausdrücke bedeuten, die früher allgemein üblich waren.
Und doch ijt es faum 25 Jahre her, jeit man anfıng fie zu be-
jeitigen — ein Nugenblid im Leben der Spradıe.
Herr von Stephan war in der glüdlichen Lage, die Anwen—
dung deutfcher Ausdrüde jeinen Beamten anbefehlen zu lönnen.
Aber er begnügte ſich damit nicht, er juchte jie für die Sache der
Spradjyreinigung zu gewinnen, fie zu überzeugen. So bielt er
am 17. Febr. 1577 im Wifjenfchaftlicen Verein zu Berlin einen
Vortrag über die Fremdwörter, der in einer Sonderbeilage |
der Deutſchen Verlehrs-Zeitung und in anderen Blättern ab-
gedrudt wurde. Er zeigt darin eine ftaunenswerte Kenntnie
ebenfo der neueren Spraden wie der älteren deutſchen Sprache,
eine vielfeitige jpradwifienichaftliche Bildung, um die ihn mancher
Bhilolog bemeiden fünnte. In anregendem Tone, friſch, mit
guter Laune entwidelt er feine Unfichten über das Fremdwort
und umichreibt die Örenzen, innerhalb deren fi die Sprach—
veinigung zu halten habe; er warnt dringend vor allen Über:
»Fedenfalld wird bie |
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 6,
treibungen, weijt hin auf das, was bereits erreicht fei, und giebt |
—
anziehende Ausblicke auf die Geſchichte des Fremdworts und die
Eniſtehung und Fortentwicllung einzelner Wörter. Der Vortrag,
der zu dem Bejten gehört, was über die Fremdwörter geichrieben
worden iſt, ſchließt mit der auch jet noch zu beherzigenden
Mahnung: »Laſſen Sie und mit deutichem Ernſt und deutfcher
Ausdauer, eingedent unjerer Pflicht, an dem vaterländifchen Werte
entichloffen fortarbeiten: jeder an feinem Teil in dem, mas er
fpricht und fchreibt, in Haus und Beruf, im Freundesverkehr wie
in der Hindererziehung. »Suche die Mutterſprache auszubreiten«,
ruft Platen uns zu, »und glaube, daß, was nicht in der deinigen
liegt, auch nicht im Charakter der Nation liege.«“ Vom Flitter
itaate befreit wird die lichwolle Verfünderin des deutichen Geiſtes
ihre Strahlen verbreiten in alter Kraft und Herrlichkeit!«
In einem jpäteren ausführlichen Aufſahe über Sauce (Na:
tionalzeitung v. 24. März 1889) verweiſt er auf das Aitdeutiche,
die Mundarten und die jtammverwandten Spraden, namentlich
das Holländiiche, als ergiebige Fundgruben für neue Au&drüde
zum Erſatz von Fremdwörtern. Hier fpricht er ſich auch treffend
über das Weſen und die Aufgabe der jegigen Sprachbewegung
aus: »Spradreinigung — ja! Fremdmwörterbete —
es handelt ſich gar nicht darum, eine Sprache zu
bilden, jondern eine vorhandene herzuftellen, bie entjtellt
worden it... Die jegige Bewegung ijt eine allgemeine; ſie
iſt tief und nachhaltig. Eben hierdurch untericheidet fie ſich von
ihren gefcheiterten Vorgängern. Jene hatten wejentlich ein ge:
lehrtes, vein fprachliches Gepräge — feinen nationalen Charalter.
Sie beſchränkten fich auf einzelne Kreiſe — ſchon weil die Bildung
feine allgemeine war. Sie entbehrten des wirtungsvollen Hinter:
grundes weltgefchichtlicher Thaten. Die jepige Bewegung hat aber
die ganze Nation ergriffen: fie ift ein Erzeugnis des Volksgeiſtes,
naturwüchlig und fittlich berechtigt. Niemand wird dies bejtreiten;
noch weniger irgend jemand e8 ändern. Wer es etwa wollte,
der nehme jich im acht: er befommt es mit den rauen zu tbum!«
Und wie er ſprach, fo handelte er aud. Daß das neu ein:
geführte Fernſprechweſen in Deutſchland deutfche Namen er:
halten bat, iſt das ausſchließliche Verdienft des Mannes, ber
fofort mit Marem Blide die hohe Bedeutung diejer Erfindung für
den allgemeinen Verkehr erkannte. Im Jahre 1887 erlich er
eine Verordnung über Bauten der Pojtverwaltung, in ber er
vorjchreibt, dak von den Bauanſchlägen, Heichnungen uſw. alle
Fremdwörter fernzuhalten und auch techniſche Ausdrücke der deut:
ichen Sprache möglichjt anzupaſſen jeien. Eine andere Berordnung
aus dieſer Zeit verlangt dasjelbe bei den zurechtweifenden Auf-
fchriften in den Poſt- und Telegraphengebäuden, wo beiſpiels—
weile Korridor, Etage, Bortier durd) Gang, Geſchoß und Pförtner
erjegt werden folle.
Als der allgemeine deutiche Sprachverein Herrn von Stephan
auf der erjten Hauptverfammlung zu Dresden 1887 zu jeinen
Ehrenmitgliede ernannte, antwortete er auf die vorläufige Drabt-
meldung mit freundlichen Danfesworten und der Berficherung:
»An dem jchünen Ziele, an der Wiederherftellung der Reinheit
unjerer herrlihen Mutteriprache mitzuwirlen, wird mir ftetS eine
Freude jein.e Und in feinem an den Vorſtand gerichteten Schreiben
vom 29. Oft. 1857 ſchließt er an feinen Dank für die ihm zu teil
gewordene Auszeichnung die Erflärung: »Wie jhon bisher, werde
ich auch jernerhin die Thätigkeit des Vereins mit voller Aufmert
| jamfeit und Teilnahme verfolgen und feine edſen Ziele nad)
Kräften fördern helfen; e8 wird mid mit Genugthuung erfüllen,
' wenn derjelbe, wie ich zuverfichtlich hoffe, auf der betretenen Bahn
erfolgreich fortichreitet und immer neue Anhänger um feine Fahne
jammelt.«
141
Diefe Gefinnung hat Herr von Stephan jederzeit bethätigt.
Mit lebhafter Teilnahme hat er alle Fortichritte anf dem Gebiete
der Spradjreinigung verfolgt, mit freundlichen, anertennenden
Worten alle neueren Erſcheinungen begrüßt. Für alles dies ge
bührt ihm der aufrichtige Dank aller Sprachſreunde. Wenn jebt
im ganzen deutichen Wolfe, vom Saifertbrone an, das gute Mecht
unjerer Mutterſprache anerkannt wird, wenn die Regierungen und
Behörden — im Gegenfaß zu der früheren Zeit — mit gutem
Beifpiele in Vermeidung entbehrlicher Fremdwörter vorangeben, jo
iſt dies zum weientlichen Teile dem bahnbrechenden Vorgehen des
deutichen General: Pojtineifters zu verdanken.
Dresden. 9. Dunger.
Die Derdentfhung der Fremdwörter in unferen Jugend:
und Volfsihriften.
(Antrag Wermelstirdhen.)
Laßt tief uns, innig uns verjenfen
In unfrer Sprache Wunderquell!
Laßt deutſch uns fühlen, deutih uns denten
Und deutſch nur veden Mar und heikl’)
Die Pflege unſerer Mutterſprache und die Neinigung derjelben
von unnötigen fremden Beltandteilen bilden nicht ein in fich ab-
geichlofienes Biel, das ſich der allgemeine deutſche Sprachverein
gelegt hat, ſondern fie fiehen nad) Satzung eins im Dienfte des
höheren Zweckes, »das nationale Bewußtſein im deutſchen Volle
zu häftigen«, daS deutjche Volletum zu hegen und zu pflegen.
Um nun im vollen Sinne des a. d. Spradvereins wirken zu
fönnen, muß man unferes Erachtens dem Volle die Kenntnis
und das Verſtändnis folder Schriften vermitteln, in denen das
nationale Bewußlſein am veinjlen und gediegeniten zum Ausdrud
fommt, in denen die » echt deutfche Art« an leuchtenden Borbildern
gezeigt wird; und damit diefe Schriften durdjaus verjtändlid, und
zweddienlic, feien, muß man fie, wo es not thut, von Fremd—
wörtern und ausländiſchen Nebewendungen jünbern und ſolche
durch reindentiche Ausdrücke eriegen.
* Erwägungen diefer Art waren es zum Teil, welche den Zweig—
verein Wermelskirchen des a. d. Spradjvereins veranlaßten, im
Fahre 1893 in unferm Städtchen eine Voltsbüdjerei — dieſe Be:
zeihnung hat ſich bald eingebürgert — ins Leben zu vufen; der
Berwaltungsausihuß derjelben wurde beauftragt, alle entbehr-
lichen Fremdwörter in den envorbenen Schriften am Rande zu
verdeutjchen und fo unſere Vollsbücherei den Bejtrebungen des
a.d. Sprachvereins dienſtbar zu machen (Zeitichr. VIII, 175).
Die Langwierigkeit und Unzulänglichkeit dieſer Verdeutſchung
leuchtete uns jedoch bald ein und bewog uns, an den Geſamt—
vorjtand des a. d. Sprachvereins unterm 4. August 1894 folgenden
Antrag zu richten, in welchem aus wichtigen Gründen neben den
Boltsjhriften auc die Jugendichriften ins Auge aefaht find:
»Der Gejamtvoritand des a. d. Spradvereins wolle
geeignete Kräfte gewinnen, um nad und nad) die
Berdeutjhung der entbehrlichiten Fremdwörter und
ausländijhen Redensarten in unjeren gangbarjten
Jugend: und Volksſchriften zu bewerkſtelligen.«
Der Gejamtvorjtand beſchäftigte ſich auch gelegentlich der Haupt:
verjammfung zu Koblenz in feiner Sipung vom 18. Augujt 1894
mit dem Antrage Wermelstirchen und beſchloß, den unterzeichneten
Borfigenden unferes Zmweigvereins als den Urheber jenes Antrages
*) Diefe und die weiterhin angeführten Verſe find des Ver:
faſſers Gedicht Unſere Mutterfprache« (Zeitſchr. des a. d. Sp. V,
Ep. 51/82) entnommen.
Zeitfhrift dei allgemeinen deutſchen Sprachvereius. X. Jahrgang. 1895. Nr. 6.
142
zu erjuchen, »an einem von ihm auszuwählenden Mufterbeifpiele
darzulegen, in welcher Weife etwa die Behandlung einer hervor:
ragenden Jugendſchrift in feinem Sinne durchzuführen fei, und
diefen Verſuch durch einen Auſſatz in unferer Zeitichrift näher zu
erläutern.« (Beitichr. IX, 165/169.)
Ehe wir an einem Mufterbeifpiele oder, twas uns ratfamer
dünft, an Beifpielen aus mehreren einſchlägigen Schriften die ung
geeignet erjcheinende Berdeutfhung der Fremdivörter und aus—
ländiſchen Nedensarten veranichanlichen, möge es uns verftattet
fein, einige wichtige Punkte zu erörtern und dadurch die Beratung
unjeres Antrags auf der nächjten Hauptverfammlung zu erleichtern.
Was iſt unter Nugend= und Vollsſchriften zu verstehen? Was
die Jugendſchriften anlangt, jo find feine eigentlichen Schulbücher
damit gemeint, wiewohl auch dieje zum großen Teile der Reinigung
von entbehrlicyen Fremdwörtern fehr bedürfen, wie Wilhelm
Meyers Marlau in feiner verdienjtvollen Schrift » Fremdwort
und Schule⸗ (Gotha, 1587) ſchlagend nachgewieſen hat. Unter
Jugendichriften möchten wir Bücher aller Art zur Unterhaltung
und Belehrung veritanden willen, weldye nad) Anhalt und Form
für das Alter von 8 oder 9 bis etwa 16 Jahren geeignet find.
Liebesgeſchichten find felbitverftändlihh ausgeſchloſſen, treten das
gegen mit auf in den jogenannten Bollsihriften. Diefe haben
die breiteren Vollsſchichten im Auge und erftreden ſich über alle
Gebiete des Wifiens; fie umſaſſen die Haffifche Literatur (mit Aus—
wahl), Zeitichriften jchöngeiftigen und beiehrenden Inhalts, ges
ichichtliche und erdtundliche Bücher, Reiſebeſchreibungen ſowie
Velehrungen über Naturmwiffenichaften, Gewerbe und Technik. Um
dem Borwurfe engberziger Deutjchtümelei zu entgehen, bemerten
wir, dah wir Überfepungen einfchlägiger ausländiſcher Werte,
welche in reinem Deutſch abgefaht find, nicht ausſchließen möchten.
Wir denten 5. B. an Shafeipeare, Didens, Scott, Confcience,
Anderen u.a. Zuweilen decken ſich die Begriffe Jugendichriit und
Roltsihriit, oder deutlicher gefagt: der erftere Begriff geht in dem
legteren auf. Denn manche Bollsblichereien enthalten eine Menge
Jugendſchrijten, weil auch ältere Leute von einfacher Bildung und
ichlichter Denkart fih am weniger vertwidelten Erzählungen gern
erbauen. Profefior Dr. Ed. Neyer hat in feiner vortrefilicen
Schrift »Entiwidelung und Organiſation der Vollsbibliothelen ·
(Leipzig, 1893) wichtige Aufſchlüſſe fowohl über die Frage »Was
das Bot liejt« (5. 13— 20) als auch über die Benutzung der
Voltsbücereien jeitens der verjchiedenen Berufsarten gegeben.
Auch ift in diefer Hinficht ein Muffag von Arend Buchholp im
» Daheime (1594, Nr. 41) über »die ſtädtiſchen Volksbibliothelen
in Berlin« ſehr lehrreich. Die fogenannte Salonlitteratur, welche
nicht felten jchlüpfrige Dinge in ſeſſelnder Form auftifcht, iſt
natürlich auszuſchließen. Daß den Macwerten der Schund—
fitteratur, welche mit Vorliebe Näuber-, Mord: und Hinter
treppengejchichten in aufregender Schilderung vorführt, der Zulak
verjagt iſt, verjteht fich von ſelbſt. Für die Jugend= wie für die
Vollsbüchereien iſt eben das Bejte und Gediegenſte gut genug.
Sollen aber die Bücher und Schriften, welde eine gute
Schler- und Volksbücherei entgält, den Awed erfüllen, welchen
wir bei der Gründung einer ſolchen verfolgen, jollen fie das urs
eigene deutſche Wollstum Hegen und pflegen und das nationale
Bewußtſein fräftigen, jo müfjen fie durchaus einer wichtigen For—
derung genügen: fie müſſen in gutem und reinem Deutſch ges
fchrieben fein, damit fie einesteils völlig verftändlid find und
andernteils das deutſche Sprachgefühl nicht jchädigen und ver:
bilden. Viele Schriiten genügen aber diefer Forderung nicht,
fondern fie verlegen und verbilden das Sprachgefühl, find teils
weife unverjtändfich und der Erziehung zum echten Deutſchtum
143
Zeitfärift des allgemeinen deutiden Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Mr. 6.
nicht fürderlic infolge ihres zuweilen bedenklidyen Inhaltes, ihrer
aufregenden, nerventigelnden Darftellungsweife und ihrer unedlen,
verweljchten Spradje.*) Damit wir uns jedod) feiner Übertreibung
ſchuldig machen, fei zugegeben, daß mehrere echte Bollsjhrift:
jteller wie Guftav Schwab, ®. D. von Horn und Ferdinand
Schmidt, um nur einige der befanntejten zu nennen, eine Sprad)e
reden, welche dem Bolte und der Jugend durchaus verjtändlic
und von Fremdwörtern ziemlich rein gehalten ift. Bieten ja aud)
unjere großen Klaſſiler in ihren bejten Werten das reinſte Deutsch,
fo daß man jagen Könnte, die Reinheit dev Sprache entipreche in
der Negel der Güte des Inhalts.
Die Zahl der auszumerzenden Fremdwörter und ausländijchen
Nedensarten it bei den verfchiedenen Verfaſſern und bei diefen
wieder in ihren verjchiedenen Werten jehr ungleich. Bei Franz
Hoffmann oder Guftav Nierik z. V. kommt, wie und eine
Unterfuchung gelehrt hat, in der einen Erzählung nicht ein Dupend
Fremdwörter vor, wogegen eine andere ein halbes Hundert und
weit mehr aufweilt. Die Zahl der Fremdwörter hängt vielfad)
mit der bejonderen Art des behandelten Gegenstandes zuſammen
und ift auch je nad) dem Umfange der Schriften als gering oder
gro anzufehen.
Um einen ungefähren Begriff von der Menge der entbehr—
lichen Fremdwörter zu geben, welche die genaue Durchſicht von
dreißig Schriften geringeren Umfangs von Oslar Höder, Franz
Hoffmann, Guftav Nierip, Ferdinand Schmidt u. a. ergab,
führen wir diejenigen Wörter, welche mit a beginnen, in bunter
Reihe auf: Advokat, Auktion, Agent, Äquator, apportieren,
Appetit, Adoptivfohn, Aristokratie, aristokratisch, Autor,
akkordiert, Ästhetik, allegorisch, Authracit, Archesaurus,
Arabesken, Aunexe, abkonterfeien, astronomisch, Aquarium,
Abonnent, arrangieren, Atelier, Allee, Azur, Anthropologie,
armiert, atbletisch, Asketen, Atmosphäre, Audienz, Adjutant,
Attacke, Affaire, Akademie, Alarm, Armee, Allüerte, anno,
Aktien, Architektur, architektonisch, avant, artesisch, aus—
staffiert, Ambra, anatomisch, Arena, antik, Altan, Alabaster,
Auditeur, Akten, Apparat, Archiv, Arrestant, apart, absolu-
ment, Addio, Asyl, Adieu, Autorität. — Bon diejen Wörtern
famen mehrere wiederholt vor.
u Schluß folgt.)
Sprachliche Derbunzung allerhöchſter Befehle
in der Preſſe.
Anlählicd des Todes des Erzherzugs Albrecht erlich Kaiſer
Franz Joſeph einen herrlichen, in wahrhaft klaſſiſcher Sprade
gefaßten Armeebejehl, der in den meiften Tagesblättern Lift:
reichs in einer geradezu empörenden Weife Iprachlich verjtiimmelt
worden fit. Da dieje Berftümmelung fait in allen diefelbe war,
jo geht fie ficher auf eine gemeinfame Duelle (vielleicht das fos
genannte ⸗Correſpondenz⸗ Bureau?) zurüd. Weil diejer Fall
gar fo auffallend ift, verdient er öffentlich feitgenagelt zu werden.
»Unfere Fahnen jenten fich«, jo beginnt der Befehl, »der letzte
Gruß der Gefchiige ertönt für den Generalinipeftor des Heeres, |
Feldmarjhall Erzherzog Albrecht. «
leſen: » .
des Generalinfpeltor® des Heeres, des Feldmarſchalls E. A.x
Der richtige Tert fährt fort: »In jchmerzerfüllter Trauer beugen
ig die gefamte Wehrkraft und das Vaterland mit Mir und
In den Blättern ftand zu |
„ber leßte Salut der Geſchüße erdröhnt zu Ehren |
") Andere Stimmen hierüber findet der Leer in dieſer Zeit: |
Icrift Jahrgang I, ©. * und VIIL, ©. 97.
Vergl. aud; Meyer:
Markau a.a.d. ©.
144
Meinem Hanfe.« Die Zeitungen machten daraus mit unglaubs
lich dummer Änderung: »Mit ſchmerzerfüllter Trauer beugt fih
. Jamt Mir und M. H.«
Richtig:
Die Bewunderung eines
mit erfeuchtetem Geifle und
warmiühlendem Herzen, ganz
und voll dem Heere gewibmeten
inbaltsreichen Lebens; die Be
geifterung für den edlen Prinz
zen, der, getren fich ſelbſt, in
Stürmen und Gefahren niemals
wankte, der, ein fiegreicher Feld⸗
herr, die Zierde und der Stol;
Meines Heeres war; alle Ge—
fühle, welche jept nach Aus-
drud ringen: fie erflären ſich
in tiefempfundener Danfbarteit
für den Herrn der Heerſcharen,
welcher den greifen Feldmar—⸗
ſchall als einen feiner Aus-
erlejenjten bis nahe der Grenze
irdiſchen Dafeins in aller That:
fraft erhalten hatte.
Ebenſo wurde der nächſte Sap
an gar zahlreichen Stellen verböfert.
Mau leſe:
Zeitungätert:
Die Bewunderung des mit
erhbabenem Geiſte und heih
fühlendem Herzen ganz und
volllommen der Armee ge:
weihten inhaltsreichen Lebens;
die Begeijterung für den edlen
Prinzen, ber, ſich felbit ge:
treu, in Stürmen ımd Ge—
fahren nie geſchwankt, der
als fiegreider Feldherr die
Zierde und der Stolz Weiner
Armee war, umd alle jene
Gefühle, welche jegt mach Aus
drud ringen; alle dieie
äußern und ertlären ſich
in tiefgefühlter Danfbarteit
für den Herrn der Heericharen,
welcher den greifen Feldmar⸗
ſchall ala auch unter jeinen
Auserlefenen einen der
hbervorragenditen bis bei:
nahe zur äußerjten Grenze des
menſchlichen Dafeins in voll:
fommener Unverfehrtbeit
der Thatlraft erhalten hat.
In ganz ähnlicher Weile ift der Schluß verballhornt worden.
Die legte Zweigvereinsverfammlung in Graz hat daher ihr Be:
fremden über dieſe empörende Behandlung allerhöchiter Rund:
gebungen ausgedrüdt und den Unterzeicdneten als Obmann des
Zweiges beauftragt,
diefelbe in der Vereinszeitſchrift zur öffent:
lichen Kenntnis zu bringen und derartige Ungebübr aud) in fünftiq,
etwa eintretenden Füllen öffentlich zu rügen.
Graz.
Dr. Ferdinand Khull.
»Laut eines in bänden babenden Briefes.« *
Das Schwanfen einzelner Formen unjerer Zeitwörter —
aktivem und paſſivem Sinne iſt uralt.
Das eigentliche Baflıv it
unferer Spradye ſchon in graufter Vorzeit verloren gegangen. Der
Mangel wurde empfunden, und während zum Erſaßtz einerjeits
Zuſammenſetzungen mit dem allein geretteien Refte, dem Mittels
worte der Vergangenheit, entjtanden (sid bin, war, werde ge:
licbt« ujw.), geriet andererjeits die Bedeutung der zwijchen Zeit⸗
und Hauptworte innejtchenden Formen, des Infinitivs und der
Bartizipien, ins Schwanten. Aus dem Eingange des Nibelungen-
liedes find die Verſe befannt:
Bon froben FFeierzeiten, von Weinen und von Klagen,
Von fühner Reden Streiten follt ihr nun Wunder hören jagen.
Und wer »jagen« bier aktiv erlären möchte, muß doch das Paſſiv
erfennen in alltäglichen Wendungen wie: ich babe es wegſchaffen
jeben, ich babe ihn von einem Freunde abholen jehen, das Lied
habe ich von der Patti fingen hören, er hat den Aufſatz druden
laſſen, er will fich vom Pfarrer Kneipp behandeln lafjen.
*) Diefer Aufſatz ift durch die Anfrage eines Vereinsmitgliedes
über die Berechtigung der —— in Geſchäſtsbriefen zuweilen
vorlommenden Wendung veran D. L.
145
Umgetehrt begann man ſchon jeher früh nach dem Beijpiele
der intranfitiven Mittehwörter, die notwendig nur aktiv fein füns
nen, »geftorben, gelegen, gelaufen, gegangen « uſw. auch »geichlagen,
geſehen, gedient, geſchworen, vergefien, verweint« uſw. altivifd)
zu verftehen, und daher ſtammen die befannten, noch heute üblichen
Verbindungen: die gedienten Soldaten, die geichworenen Richter,
die pflichtvergeffenen Diener, verweinte Augen, d. h. »die gedient,
geichworen, vergefjen, geweint, nicht »find« natürlich, ſondern
»haben«e Dahin gehört nun aud) »der in Händen habende Briefe,
nur bier wieder umgefehrt: aktive Form und pajfiv verwendet.
Die Sprache unferer mittelalterlihen Blütezeit war nicht arm an
ähnlidyen Wendungen. Da heißt es: fahrender — ich gebe abfichtlid)
die Worte in heutiger Gejtalt — Schatz, lebende Tage und Jahre,
anjchendes Leid (das gefehen wird und werden muß), ebenſo:
fallende Sucht, jagende Weide, erſchlagende Fahrt, wachende
Arbeit, ſchlafende Zeit (wo gejagt, erſchlagen, gewacht, geſchlaſen
wird). Erſt viel ſpäter, im neuhochdeutſcher Zeit, nahm diefer
Gebrauch ftart überhand. Ans aber Hingt die »wohlgeruhende
Nacht«, die ſich noch unfere Grofväter wünschten, altmodiſch fteif,
das »handichlagende Lob« in Bofjens Luife höchſt fonderbar, und
»zumachende WHugen«, »aufhebende Händes, »efiende Waren«,
»stillende Kinder⸗ u. dergl. mehr find uns ganz unerträglich ges
worden,
Wie der zuerit erwähnte Inſinitiv mit paffivem Sinne auf
die Berbindung mit den Yeitwörtern >jchen, hören, laſſen- und
dem jeßt jeltneren »heißen« bejchränft ift und durdaus feine
treiere Berwendung erlaubt, wie auch nur beſtimmte einzelne
Mittelworte der Vergangenheit urſprünglich paffiver Form aftive
Bedeutung erhalten haben (geſchworen u. a.), jo üt das paſſive
Mittelwort der Gegenwart nur noch im fehr wenigen, meijt ur—
alten durch die Überlieferung der Jahrhunderte geſeſtigten Redens—
arten (wie »jahrende Habe«) unferem heutigen Sprachgefühle gerecht.
Die freie Anwendung beliebiger ſolcher Formen im pafjiven Sinne,
wie fie bis um die Wende unjeres Jahrhunderts jo fleihig geübt
wurde, aljo aud) »der in den Händen habende Briefe muß dems
nad) heute als veraltet und unzuläſſig bezeichnet werben.
Offenbar hat das berechtigte, auch jonft in der Spradhent:
widelung zu Tage tretende Streben nad) genauer, ſcharfer Unter
ſcheidung zu diefer Beſchränkung geführt. Aber es mag jchlieh-
lich, da zuweilen guter Wille in ähnlichen Fragen allzueifrig
richtet, das nicht unerwähnt bleiben, daß ein Kenner unferer
Spradje, wie Jakob Grimme, jene paſſiviſchen Barticipien, ohne
fie etwa halten zu wollen, doch für fprachgemäher und weniger
jchleppend erflärte, als ihre heutige Verbindung mit »zue (z.B.
»ein abzufendender Briefe), die in gewiſſen Füllen dafür eins
getreten ift.
Berlin. D. Streider.
Sur Rechtfertigung.
In den Anmerkungen zu feiner Rektoratsrede über »Die be-
richtigte Qutherbibel« (Berlin, Neutber u. Reichard, 1894) er-
wähnt Prof. Dr. U. Kamphauſen in Bonn ©. 63 den Auflag des
Unterz. über Bhil. Matty. Hahn (Heitichr. 1893, 12, Sp. 195 fi.)
mit der Bemerkung, der Unterz. fei gegen Weizjäder ungerecht,
und zwar darum, weil die Ungabe fehle, wo Hahn einfad) bei
Luiher bleibe, und weil der Unterz. eine veraltete Ausgabe von
Weizfäder benühe; ſchon auf die von 1588, die ihm vorliege,
treffe das Gegebene nicht zu. Darüber ift zu jagen:
1. Der Unterz. hat eben diejelbe Nusgabe von Weizjäders
N. T. benupt.
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind X. Jahrgang.
1895, Nr. 6. 146
2. Die Leitung der Zeitfhrift hat nicht bloß das im all:
gemeinen über Hahn Geſagie gekürzt, ſondern aud) von den Gegens
überjtellungen folcher Fälle, in denen Weizjäder ein Fremdwort,
Hahn ein deutiches Wort braucht, über 60 geftrichen. Erwähnt
fei daraus der »leßte Quadrant«; was foll ein Lefer denfen, ber
im Konverjationslerifon » Duadrant« nachſchlägt?
3. Es handelte fi) nicht um eine Bergleichung von Hahn
und Luther oder Weizfäder und Luther, fondern von Hahn und
Weizfüder, des Schwaben mit dem Franfen. Und Weizfäder
wurde, wie bemerkt, beigezogen als einer der »41 Führenden«,
von denen wir » Purijten« nicht losfommen fünnen, weil fie ihre
unnötige Verwahrung troß aller Belehrung nicht zurückgenommen
haben (vgl. wieder Zeitſchr. 1804 Sp. 145). Dean kann Weiz
jäderd Überjepung fehr hoch fchäpen und doch bedauern, daß er
den fremden Eindringlingen nicht die Thüre verichlofien hat, ja
je höher man feine Überjegung ftellt, um jo unangenehmer wird
man ſolche » Schönheitspfläfterchen« empfinden.
4. Es iſt gar nicht fo gemeint, als follten alle Verdeut—
chungen Hahns gebilligt werden, jondern es follte, wie ausdrück⸗
lid) bemerft it, nur das Andenten eines Mannes erneuert werden,
der ſich jo ernftlicd bemüht hat, deutich zu überſetzen, und das in
einer Zeit, wo in der gelehrten Welt noch der entgegengejehte
Wind wehte. Kamphauſen erwähnt ©. 27 die fogen. Erzellenzbibel,
d.h. den erjten Verſuch, die Lutheriſche Bibel in »modernem»
Zone reden zu lafien. In einer im Jahre 1756 zu Braunſchweig
gebrudten Bibel lad man nämlicd) von maſſivem Golde ftatt des
Lutherifchen von dichtem Golde, ftatt Flirften war Kommandanten
gejept, jtatt Vorrat von Speifen: Magazin, ftatt Bank: Kanapee,
itatt dem teuren Landpfleger: dem hochwohlgebornen L., ftatt auf
des Kaiſers Erlenntnis: auf Sr. Majeität E. u. dgl. Auf dem
Hintergrumde diefer fogen, Exzellengbibel, die eben ein Zeichen
ihrer Zeit war, hebt ſich Hahns Überſetzung als eine leuchtende
Erſcheinung ab, troß allen Unvollkommenheiten, Schwerfälligleiten
und Übertreibungen.
Ebingen. Fr. Jehle.
Wir haben den Bitten des Herrn Verſaſſers nachgegeben, die
obige Erklärung und ebenfo die in Beiheft VIII zu veröffentlichen,
bemerten jedoch, daß wir in Zukunſt davon abjehen müſſen, ähn—
liche Erwiderungen abzudruden, die im weſentlichen nur für den
Serale, laum aber für die Leſer der Zeitjchriit oder der Beihefte
von Belang find. BEA P. P. und F. W.
Sprachliche Muſterleiſtungen.
»Sind ſie (die Liberalen im Wiener Gemeinderat nämlich) in
der Minorität, dann müfjen fie in die Oppofition gehen, aber in
eine Oppofition, welche irreductabel, unerbittlic; und untrais
| tabelift... Wie accomodant die Herren (Elerifalen) find .. .«
(Neues Wiener Abendblatt, Nr. 91. 3. 4. 95.)
In der »Deutichen Tageszeitunge vom 24.1.1895 befindet ſich
eine Quittung über Beträge, die für den »Brandcalamitoien«
‚ Nojenkranz in Friedersdorf eingegangen find. Welch geſchmachk⸗
volles Wort!
Im Herzoglihen SHofiheater zu Braunjchweig finden noch
immer von dem Balletmeijter arrangierte »Grands divertisse-
ments dansauts« jtatt.
»In dergejtrigen Beratung des durd) Zuzichung des General:
Synodalvorjtandes erweiterten Kollegiums des Evangeliichen Ober:
Kirchenrats über die infolge der Vorgänge bei dem im Herbſt v. J.
in Bonn abgehaltenen Ferienturſus in kirchlichen Streifen ent=
117
ftandene Beunruhigung gelangte man zu dem Schlufle, daß zu:
vörderjt noch die zur Beurteilung erforderlichen thatfächlichen Unter |
‘ Spradlide Briefe
lagen der Bervolljtändigung bedürfen.«
zeiger uſw. vom 5.1.05.
Deutſcher Reichs: An:
Einen jehr undentfchen Eindrud macht ſchon in feinem Titel
dad »LentralsBaranzenblatt für Stenographen und
Maſchinenſchreiber aller Syjteme und Branuchen« Es
wimmelt in diefem Wlättchen von Fremdwörtern, die es laum
der Mühe verlohnt, alle aufzuführen; doch empfehlen wir den
Herren Stenographen, unter denen ſich doch gewiß viele Freunde
unferer Bejtrebungen befinden, entjchiedenen Einjpruch gegen eine
ſolche Sprache zu erheben.
Rleine Mitteilungen.
Slgötze. Zu Sp. 2, Jahrg. X, Nr. 5 diefer Zeitichrift.
Für die von Andrefen (Bollsetymologie. 3. Aufl. ©. 143)
vertretene Anſicht, daf ⸗Götze · verderbt ſei aus dem oberdeutjchen
gäße, gebe, worunter teils ein Schöpfgefäh oder Krug, teils
eine Mehlipeife, Art Pſannekuchen, verftanden wird (vgl. Weins
hold, Beitr. zu e. ſchleſ. Wörterbuhe 27a; Augsb. Allg. Htg-
1876. Nr. 239, Beilage), fcheint die Thatſache zu ſprechen, daß
man im oberen Teile des ſächſiſchen Erzgebirges unter » Olgöpe«
(vielleicht auch »Dlgäpe«?) eine in der Pfanne gebadene Speife
verjteht, die in der Hauptſache aus Mar geriebenen rohen Kar—
toffeln (ähnlich wie die ſogen. Thüringer Klöße) bereitet und jtatt
mit Butter mit Leinbl gefettet wird. Überhaupt wird im Erz-
gebirge friſches Leinöl bei Zubereitung der Speifen häufig und
gern Statt der koftjpieligeren Butter verwendet. 9.9.
Bücherſchau.
— Wilhelm Borchardt, Die ſprichwörtlichen Redens
arten im deutſchen Bollsmunde nach Sinn und Ur—
ſprung erläutert. In gänzlicher Neubearbeitung heraus—
gegeben von Guſt. Wuſtmann. 4 Aufl. Leipzig, Brochaus,
1894. X, 5324 S. 8%. Geh. 6.4
Als die vorliegende Auflage in unjere Hände gelangte, wurde
das Erjcheinen der fünften jchon gemeldet, gewiß ein Zeichen der
großen Anertennung, die das Buch raſch geiunden bat. Fügen
wir gleih hinzu, daß es diefe im feiner neuen Bearbeitung
durch G. Wuſtmann und jeinen Sohn Nudolf aud in vollem
Mae verdient, wie wir uns bei der Durdmufterung der Buch—
ftaben A und W fowie durch verichtedene Stichproben unter den
1277 Artikeln überzeugt haben. Die Redensarten find nämlich
nadı der alphabetijchen Reihenfolge ihrer Stidiworte aufgeführt
und jchliehlich nochmals ın einem Regiſter zufammengeftellt. Die
neueren Vorarbeiten, mit denen W. im ganzen wenig zufrieden
it, find trogdem wohl beachtet worden, darunter namentlich die
einschlägigen Artikel in dieſer Yeitfchrift und in Lyons »3. für
den deutichen Unterricht.
vom wiſſenſchaftlichen Standpunfte, hat ſich W.s häufiges Ein:
achen auf mundartliche Wendungen erwieſen ſowie fein fait regel—
mähiges Zurüclgehen auf die volfstümliche Yitteratur jeit der
Reformation und auf die Sprichwörterſammlungen von Erasmus
an. So ift dad Wert nun ein Ähnliches -Nachſchlagebuch für
den täglichen Gebrauch« geworden, wie die jich vielfach damit be
rührenden ⸗Geflügelten Wortes von Büchmann.
Boppard. Hari Menge.
Eingejandte neue Drudicdriiten.
Feitichrift zur 250 jährigen Rubelfeier des Pegneſiſchen
Blumenordens, gear. in Nürnberg am 16. Oltober 164.
Herausgegeben im Auftr. des Ordens von Th. Biſchoff u.
Aug. Schmidt. Mit vielen Abbildungen. Nürnberg, 1514,
Schrag. XVI und 5325.
Grunzel, Joſephh Dr, Entwurf einer vergleichenden
Grammatik der Altaifhen Spraden nebſt einem ver:
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Sprachvereius. x. Jahrgang. 189. Nr. 6.
Noch förderliher aber, namentlich |
148
gleihenden Wörterbuch. Leipzig, 1805, W. Friedrich
„8. 8%
Betradhtungen über Zerrüttung
der Formenlehre. Deutichlands Lehrem u. Lehrerinnen
gewidmet von einem Schüler Jalob Grimme. Darmitadt,
1801, Aigner. 2. Aufl. 845. 8°.
Haberland, Fri, Oberlehrer, Krieg im Frieden, eine ety:
mologiiche Plauderei über unjere militärijcde Ter-
minologie. Peilage zum Nahresbericht des Nealprogym:
nafiums zu Lüdenſcheid. Lüdenjcheid, 1895, W. Erone jun.
Tell. 43 ©. 8"
Berlit, Georg. Nudolf Hildebrand, ein Erinnerungs:
bild. Leipzig, 1895, B. G. Teubner, (Sonderabdrud aus
den Neuen Jahrbüchern für Hafj. Philol. u. Pädagogit, Jahrg.
1894, Heft XII. Mebit einer Beilage zur Geſchichte des
deutichen Wörterbuchs der Brüder Grimm.)
Beitichrift für Deutſche Sprade. Herausgegeben v. Prof.
Dr. Daniel Sanders. Paderbom 1805. Ferdinand Schö—
. mingb. Sahrgang VIII, Heft 12; Jabra. IX, Heft 1 u. 2.
Das zwanzigfte Jahrhundert. Jahrgang 5. Heft 6—8.
Berlin, 1895. Füftenöder.
Süddeutſche Blätter für höhere Unterrichtsanftalten.
—— von Karl Erbe. Stuttgart, 1805. III. Jahrg.
Heft 3-8. (Heft 4: Alte deutjhe Wörter u. Wortformen
in der Schule, von Oberl. Dr. K. Franke: Heft 5: Zur
Berteidigung I. H. Campes, von K. Erbe; Heft 6: Goethes
Götz und die Fremdwörter, von Prof. Reſtle; Heft 7: Bes
tracdhtungen über die zu Städtenamen gehörigen Ableitungen
auf er und ifch von Prof. Erbe.)
Katholische Zeitſchrift für Erziehung und Unterridt.
Düſſeldorf, 1895. 44. Jahrg. 3.,4. u. 5. Heft nebit Veibeiten.
Alldeutiche Blätter Mitteilungen des Alldeutihen Berban:
des. Berlin, 1805. Nr. S-- 22,
Der Deutihe Bolfsbote. Seitichrift der deutfchnationalen
Partei in Böhmen. Prag. 5. Jahrgang, Nr. 5— 10.
Mitteilungen des Deutſchen Spradvereins Berlin.
Herausgegeb. v. Vorſtande. 1894, Nr. 9/10, 1595, Nr. 1—3.
Die Mila, Wochenblatt für die alademiſche Welt. München,
1505, Vobach. I. Jahrg. Wr. 1.
Lyon, Dr. Otto, Bismards Reden und Briefe nebit einer
Darjtellung des Lebens und der Sprache Bismards. Für
Schule und Haus herausgegeben und bearbeitet von —.
Leipzig, 1805, Teubner. lu. 2436. $% geb. 2M.
Allgäuer, 8, Bergleidendes Bor- und Taufnamen-
büchlein. Riedlingen, Wrichiche Buchhandlung. 45 S. $.
Riehl, W. H., Yand und Leute. Schulausgabe mit An:
merkungen. Stuttgart, Cottaſche Buchhandlung. 176 S. 8".
Mähliß, I. Friedrich, Die Schreden der deutſchen Sprade.
Borjchläge zur vernünftigen Imgeftaltung und Vereinfachung
des Deutichen zum Bwed feiner leichteren Erlernung und
Ausbreitung nebſt einer Probe des vereinfachten Deutich.
Halle a.©. 1592. C. N. Kämmerer u. Ko. 236. 8%.
Seitungsihau.
Aufſätze, Beſprechungen uſw. in Zeitungen
und Zeitſchriften.
Hoffmann, H. Macht ſich gegenwärtig eine Vernachläſſigung
im Gebrauche unſerer Mutterſprache geltend? orin
beſteht fie, und wie it dieſem Übelſtande abzubelien? —
Fädagugiihe Mlätter für Lehrerbildung u. Lehrerbildungs-
anjtalten. 1895. Heitl.
Grün, Oberlehrer, Anfprache, gehalten im Aweigverein Straß—
burg. — Strafiburger Bolt 26.3. 1895.
Jänſch, Dr. Theodor, Niederdentich u. Alldeutſch. — Ham—
burg: Altonaer Vereinsbote, 1895. Nr. 12—14 (zuerit in
den Bahyreuther Blättern. Ber. tritt warm ein für die
Wiederannäherung der Niederlande an das übrige Deutid-
land, namentlich auf Fitterariichem Wege).
Blümmer, H., Die neneite Auflage der Geflügelten Worte. —
Tie Grengboten 13.2. 95.
149
Gillhoff, J. Die Tiernamen im Bolldmunde. — National s
Beitung 3.3. 95.
Soldatenſprache. — Beilage zur Zeitung » Das Volke 3. 3. 95.
Eipen, F. W., Mehripradige Wörterbüder in der Hand
des Kaufmanns. — Hamburger remdenblatt 1.3. 95.
Kunje, 9, Wutterjeelenallein, Aulturhiitoriiche Plauderei.
— Thüringer Zeitung 21.2. 9.
Mähly, J. Etwas vom fpradlihen Rhythmus. — Ber:
liner Deutsches Wochenblatt 21.3. 95.
Gillhoff, Johannes, Den leiwen Gott jin Dirmmerjahn. —
Tägliche Nundihau 27. u. 28.2. 05.
Hunziker, J. Die Spradverhältniffe der Weſtſchweiz.
— Neue Züriher Zeitung 3. u. 10.3. 95.
Der Spradh-Unterricht in den deutjchen Gymnaſten. —
Aus dem Buche: Reform oder Revolution von C. v. Mafjow.
Gothaiſche Zeitung 19. u. 21.3. 95.
Wuſtmann, Rudolf, Aus der Beichichte der deutſchen Stu—
bentenfpracde. — Die Grenzboten 21.3. 95.
Sanders, Daniel, Über die Verwendung von Frembd-
wörtern im Deutichen. — Deutſche Revue, Aprilheft 1895.
vd. Plifter-Shwaighujen, H., Niederdeutjch und Hoch—
deutſch. — Frei Deutichland. Berlin 4. 5. 95.
Badernell, Dr. 3. E., Ein neues preisgefröntes Luſt—
jpiel. (Beiprehung des Luſtſpiels: »Der neue Diener«.)
— Biener Montags: Revue 8. 4. 95.
Dehring, Prof. Rob. Walter, Über den Wert einer gründ—
lihen Erlernung der deutſchen Sprache. Vortrag
gehalten in Ohio, — Roftoder Anzeiger Wr. 104 5. 5. 95.
F. D., Die deutſche Spradhinjel Gottſchee. (Beiprechung
des gleichnamigen Wertes von Dr. A. Hauffen) — Die
Grenzboten 18. 4. 95.
Socin, U, Hermann Fiſchers Geographie der ſchwä—
biſchen Mundart. (Beiprehung.) — Neue Zürcher Zeitung
16. 4.5.
Eigen, F. W., Der Stil unjerer Gejhäftsbriefe. —
Hamburger Fremdenblatt 8. 2, 95.
v. Biifter-Schwaigbujen, H., Deutiches Wort — Volles
Hort! — Darmſtädter Tägl. Anzeiger 24. 3. 95.
Klemich, Handelsihuldireltor ©, Zur herrichenden Vor—
DEREN HAN Fehlerhafte. Leipzig. Handels-Alademie
18 und 19.
Die Schriftleitung ftellt — Leſern der Zeitſchrift
die oben aufgeführten Aufſähe ufıw, gerne leihweife zur
Berfügung. B
Aus den Sweigvereinen.
Bonn. Die Mitgliederzahl unjeres Zweigvereins ift in den
legten Wochen auf 270 gejtiegen. — Seit furzem veröffentlichen
wir alle zwei bis drei Wochen je ein Dupend Fremdwörter nebjt
Berbeutichungsvorjchlägen im » &eneralanzeiger fiir Bonn und Um:
gegend«, deſſen Herausgeber, Herr Hermann Neußer, uns zu
dieſem Zwede eine Ede jeines Blattes (Sprachecke«) zur Ver:
fügung geftellt hat. Kurze Inhaltsangaben der Bereinszeit:
Schrift bringen wir jeden Monat in einer anderen hiefigen Zeitung.
Gerade dadurch, daf immer wieder auf den Verein auf irgend
eine Weiſe hingedeutet wird, fünnen Erfolge erzielt werden. —
Den Inhaber eines bier feit vorigem Jahre beftchenden Bank—
hauſes, Herrn Louis David, machten wir in einem längeren
Schreiben darauf aufmerkſam, daß ſich die Mehrzahl der vielen
Fremdwörter in feinen Börien- Wochenberichten leicht verdeutichen
lafje, wobei wir betonten, daß wir durchaus nicht alle Fremd—
wörter verdrängen wollen. Gben wegen diejes Maßhaltens ift
Herr David jofort Mitglied geworden, und feine Berichte jind
feitdem in einem weſentlich veineren Deutſch abgefaßt. — Durch
die eifrigen Bemühungen des Hauptiehrers Förfgen ift es uns
ferner gelungen, den Befiper eines der bejuchtejten Wirtähäufer
der Stadt zum Mitgliede zu gewinnen; Herr Spindler wird
fein Haus » jur Noten Kanne«, in dem jchon feit dem Jahre 1291
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 6.
150
hat er ſchon verdeuticht, Ebenſo ift Herr Friß Klein, Beſißer
eines Gajthofes in Königswinter, unſer Mitglied geworden; er
hat uns verfprochen, jein Haus, das jept noch »Hötel Westfalia«
heißt, demnächſt in einen »Weftfäliihen Hofe zu verwandeln.
Dant gebührt den Männern, die jo der Mutterfprache zu ihrem
Rechte verhelfen!
Chemnitz. In der Sipung vom 6. 5. wurde beiprocden, wie
der Verein nach aufen wirten fünne Man beſchloß, zunächſt
für die Verdeutſchung der Speifetarten, jür die Verbeflerung der
Firmenſchilder und der Heitungsanzeigen zu wirkten, Gumnafials
lehrer Prof. Dr. Johnſon, der nadı Plauen gezogen, wurde
zum Ehrenmitgliede des Vereins ernannt.
Ezernowig. Am 10.4. ſprach Prof. Karl Wolf über die
Sprachrichtigkeit in dem klirzlich zum erjtenmale herausgegebenen
Gzernowiger Wohnungsanzeiger von Dr, Nukbaum. Der Heraus:
2 war jelbft anwejend und erflärte fich bereit, in der nächſten
usgabe die wenigen Fehler, die ihm vorgeworfen worden, zu
verbeflern. Es handelte ſich fajt nur um die Schreibung der
Straßennamen und um die Unſitte, ſlaviſche Geſchlechtsnamen
auf -ski bei Frauen nad) polnischer Weife in -ska abzuändern.
wre machte Brof. Dr. TH. Gartner auf die Beitfchriit »Le
aitre phonetique« aufmerfjam, in der jeder Mitarbeiter in jeiner
Sprache und Ausſprache mit den Lautzeichen der a. laui⸗
gemäß ſchreibt, und zeigte, wie nüplich dieſe Schrift fir die Mit—
glieder des Sprachvereins ijt, indem jie dem Leſer die Kenntnis
der deutſchen Ausſprache in verjchiedenen Gegenden vericafft.
Dresden. Die Apriffipung wurde von dem Vorſitzenden,
Grafen Vitzthum, eröffnet mit Worten chrenden Gedenkes an
das verftorbene Mitglied Stonreftor Prof. Harid. Hierauf hielt
Dberlehrer Dr. Denede einen Vortrag Über die »Studenten
ſprache.«
Duisburg. Am 11.5. ſprach Paſtor Mämpel aus Eiſenach
* ⸗Zukunftsziele des deutſchen Geiſtes- und Stulturs
ebens.«
Hamburg. In der Maifigung berichtete Here Ottens über
das Unweſen der Fremdwörter auf Geſchäftsſchildern
und rügte dabei namentlich, die rein fremdſprachlichen Ladens
auffchriften, deren fih in Hamburg eine ganze Anzahl fünden.
Koblenz. Um 4.4. veranftaltete der Berein einen Herren—
abend im Zwillaſino, der jehr qut befucht war. Generaljuperin-
tendent D. Baur hielt einen Vortrag über »Walther von der
Vogelweide« An Stelle des nad) Poſen verzogenen Staats:
anwaltes Birkle wurde der Oberpoftdireftor Schwerd in den
ER gewählt. Die Mitgliederzahl beläuft ſich augenblidlic
auf 400,
Marienwerder. In der Sikung vom 29. 4. hielt der
Negierungeafiejjor Dr. Keidig einen Bortrag über »Sprade
und Rechte Der Aufruf des Hauptvorjtandes an die Tauj-
männifchen reife im Anſchluſſe an die Hamburger Bewegung
gegen die Fremdwörter in der Handelsſprache foll an die Mits
glieder des biefigen faufmänniichen Vereins verteilt werden, Die
verdeutjchte Speifefarte in Anjchlagsform wird auf Koſten des
Ameigvereins in 12 Nbdrüden auf Bappe aufgezogen umd an die
Sajthäufer der Stadt zum Aufhängen an geeigneter Stelle ver-
geben werben. Oberlehrer Karehnte ift durch Zuwahl in den
Boritand des Zweigvereins eingetreten. Die Anzahl der Mit-
glieder beträgt jebt 117.
Plauen. Die jeit nunmehr 6 Jahren beftehende, zum Zweig—
verein Plauen gehörige Ortögruppe Schöned i. Bontl. entwidelt
fih mehr und mehr und läht qlüdlihen Fortgang erhoffen. Seit
dem legten Bericht in Nr. 7 d. Jahrg. 1893 diejer Zeitichrift hielten
Borträge: Dialonus und Pfarrer Reuter über »Wejen, Gegenfäbe
und Körderimgsmittel wahrer Bildung unter befonderer Berücs
fihtigung der Anſichten Goethes, Leſſings u. a.e; derjelbe über
' »Donar und Odins; derfelbe über » &lauben und Wiſſen«; Bahn-
hojsvoriteher Neuhahn über »Wahre Bildung, eine Kulturauf⸗
abes; Herr Reuter Über »Deutichen Neims; Lehrer Lohſe
uber »Die Zukunft der deutſchen Spracdhes; Herr Reuter über
Urſachen und Verhütung des Untergangs deutjcher Sprachgebiete
im Nuslande.« ferner wurden Dichtungen vorgelejen und ers
Märt. Die Ortögruppe, welche gegenwärtig 47 Mitglieder zählt,
hat beichlojjen, ſich mit Beginn des neuen Vereinsjahres zu einem
eine Wirtfchaft betrieben wird, im Zukunft nicht mehr »Hötel- | felbftändigen Zweiqverein wmzugeftalten.
Restaurante, fondern ·Gaſthaus · nennen; auch feine Speifetarten |
an
Brieftaften,
Herm Profefior Tb. €, . ‚ Tübingen. Im Anſchluſſe
an die Brieflaftenbemerftung in der vorigen Nr. (Sp. 136) teilt
und Herr Profefior Brunner in Minden mit, daß im ber
bayriichen Nheinpfalz, »die doch wohl auch zu Süddeutichland ge
böre«, nicht nur der Städter, fondern auch der Bauer nur das
Wort Ehaufjee für Landjtrahe und zwar mit dem Tone auf der
erſten Silbe gebrauche. Auch glaube.er, daß in den angrenzenden
Gebietsteilen, namentlich im nördlichen Baden, derjelbe Sprad-
—— beſtehe. Jedenfalls wende ſowohl der gebildete Aichaffen-
urger als der Bauer in der Nähe von Nihaffenburg nur
Ehaufiee an.
Herrn Guſtav G.. Cleve. Sie ſchreiben: »Sollte in
der Hauptverfammlung des 3.8, Freiberg i. ©. der Oberlehrer
G. ſich gg über . . . verbreitet haben, während #rofejior
N. über... ſprach, fo Tann die Aufmerkiamfeit der Zuhörer
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachverelus. X. Jahrgang. 189. Nr. 6.
152
doch wohl nur eine geteilte geweſen fein. — Es fcheint Ihnen
unbefannt zu fein, dah dad Bindewort während feinetwegs
bloß zum Ausdrude der GHleichzeitigleit gebraucht twird, jondern
auch eine blohe Gegenüberftellung bezeichnen kann. Jar Spott it
demnach) wohl ſchwerlich berechtigt, wenn auch zuzugeben it, daß
es in dem vorliegenden Falle angemefjener geweſen wäre, eine
»darauf ſprach« zu fchreiben.
Herrn W. P.. Bitterfeld. Betreffs des Wortes Ge—
burtstäger (vergl. Brieffaften Ep. 136 der legten Nr.) erfahren
twir durch ein Greizer Mitglied, daß dieſes Wort echt greizeriſch
und dort in aller Munde ki.
Herrn 9. v. Burgenbach. Beiten Danf für Ihre Berdeut:
ſchungsvorſchlüge, die wir einem Sachverftändigen vorgelegt baben.
Diefer jtimmt Ihnen meijlens nicht bei, weshalb wir auf eine
Veröffentlichung verzichten müſſen. Falls Sie bie Begründung
des = Begutachters fennen zu lernen wünſchen, bitten wir
um Angabe Ihres Wohnorts.
Geihäftliher Teil.
Das Aufanmentreffen des V. — ——
tages in Wien mit unferer urſprünglich für den 21. und 22, Juli
geplanten Hauptverfammlung in Graz hat es als —
erſcheinen laſſen, die letztere um einen Tag früher anzuberaumen,
um auf dieſe Weiſe den Beſuch beider Verſammlungen zu ermög—
lichen, Demgemäh bat der Sejamtvoritand in ſeiner Sihung am
26. Mai d. X. folgende
Vorläufige Tagesordnung
für die Hauptverfammlung zu Graz
ſeſtgeſtellt.
19. Juli, Freitag abends 8 Uhr Begrüßung der Gäſte in den
Annenjälen.
20. Juli, Sonnabend 8 Uhr früh gemeinfamer Morgenlaffee.
9'/, Upr geihäftlihe Sipung im Katbausfaale.
1. Bericht fiber die Vereinsthätigkeit.
2. Bericht der Nedinungsprüfer.
3. Wahlen neuer Necdnungsprüfer.
4. Borlegung des Voranſchlages.
5. Vorbereitung der Wahlen zum Gefamtvorjtande.
2 Uhr umgezwungenes Mittagsmahl auf dem Schlohberne.
4'/, Uhr Ausflug nad Judendorf.
21. Inli, Sonntag 8 Uhr früh gemeinfamer Morgentaffee.
9 Uhr zweite Geſchäftsſißung im Nathanfe.
1. Bollziehtung der Wahlen zum Geſamworſtande.
2. Beſprechung über den Ort der nädjten Hauptverfamm-
lung.
3. Erledigung etwaiger Anträge.
11 Uhr Öffentliche Eipung, Feftvortrag des Herrn Profefiors
Dr. Dinger im Ritterfaale.
1 Uhr Feſteſſen im Nedoutenjaale.
4* Uhr Abfahrt nad Leoben; 8 Uhr abends Begrüßung
durch den dortigen Zweigberein.
22, Juli, Montag 6* Abfahrt nach Station Eijenerz.
Ausflug ins Gebirge,
Berghauſe.
Von dort
gemeinſames Mittagsmahl im
7 Uhr abends Nüdfahrt nach Leoben. (Der Ausflug nad
Leoben findet nur bei ichönem Wetter jtatt; die Koſten
dafür find abgejondert von dem Feitbeitrage einzugieben.)
Auf den legten Hauptverfammlungen unfere® Vereins ijt eine
erhebliche Zahl von Aweiqvereinen überhaupt nicht vertreten ge:
weſen. Diefer unerfreulihe Umjtand hat jeinen Grund jedenfalls
hauptjächlicd) darin, daß die Vereine nicht über hinreichende Mittel
verfügen, um eigene Vertreter zu entjenden. Die Übertragung
der Stimmen auf die Abgeordneten anderer Zweigvereine aber,
weldye früher der Vorſtand vermittelt bat, wird dadurch erſchwert,
dafs nicht im voraus befannt ijt, welche Zweigbereine eigene Ber:
freter entfenden werden. Die Vermittelung des Geſamtvorſtandes
für Stimmenübertragungen ift nach Saßung 21 verboten.
Um nun Übertragungen an Zweigvereine zu er-
leichtern, erfucht der Sejamtvorjtand die Jweigvereine,
fih recht bald über die etwaige Entjendung eigener
Bertreter jhlüffig zu maden und ibm bierüber Nadı:
richt zu geben. Die Namen der vertretenen Vereine werden
alsdann im der Feitjchrift für Juli abgedrudt werden,
Für den Gejamtvoritand
Dr. Dar Jähns.
Am 30. April d. J. iſt Guſtav Freytag in Wiesbaden ge
ftorben. Ein großer Schriftjteller, aus defien Werten vornchmite
nationale Denkungsart fpricht, und ein Meifter der deutichen
Sprache ift mit ihm dahingegangen.
Wir werden jein Andenken ** einen Nachruf ehren.
Die Sabtzungen des a. d. Spradwvereins find jept in Eden:
| Schrift neugedrudt worden und lünnen von dem Geſchäftsführer
Herrn Berlagebuchhändler Ernst, Berlin ®., Wilhelmftr. 90 bes
zogen werden.
Mit diefer Nummer wird das
VIII. Wiſſenſchaftliche Beiheft
ausgegeben.
Briefe und — — für die Verrins leitung
find an den Borfipenden
Oseritientmant a. D. Dr. Mar . in Berlin W. 10,
Margareteniten
Beldjendungen und Weitrittserflärungen
an ben — —
— ——— arte —— in Berlin W.al,
EN)
Briefe und Druediachen für die Sektichrift find an ben Serausgeber, lol Briedrid — tn Berlin R.W.33, Altonaer Eirabe 3,
Bern und Zufendungen file die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profeilor Dr. Baut Pletih, Berlin W.30, Mopfiraße 12,
zu richten.
dur die Leitung derantworuich Brledrid Wappenbans, Berlin. — Berlag des allgemeinen beutidhen Epradpereins (Fähns 18 & ),. Bertin.
Drud der Buchdrucerel des Walſenhauſes in Halle a.d, ©,
X. Jahrgang Nr. 7/8.
1. Sufi 1895.
Beitfgri
allgemeinen deutfcjen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Zeitſchrift ericheint jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitglicbern des allgemeinen deutichen Spracvereind unentgeltlich
gelichert (Sapung 4).
nhalt: Zum Gedächtniſſe Guſtav Freytags. Bon Oskar Streicher. — Joh. Gottlieb Fichte.
erdeutihung der Fremdwörter in unferen Jugend- und Vollsſchriften (Antrag Wermelsfirden).
Die
Bon der Ausmerzung der Fremdwörter im Leben und in ber Schule.
beutichungen.
deutichen Sprachvereins. Bon H. Muthefius.
vereinen. — Brieſtaſten. — Geſchäftlicher Teil.
— Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsſchau.
Die Zeliſchrift kaun auch durch den Buchhandel oder die Bolt
zu ME. jährlich bezogen werden, — Unzelgenannahme durch den Schapmelfter
N) Eberhard Ernit, Berlin W.41, Wilhelmfr. 0, — Auflage 15000,
Bon Theodor Matthiad, —
Bon Wild. Idel. (Schluß). —
— Zwei neue Preisausjchreiben für Ver:
Bon Friedrich Wappenhand. — Unfer Wahlſpruch in dichterifcher Faſſung. Bon 3.8. — Die Wahljpruchtafel des
Bon Eaalfeld.
— Aus den Zweig:
Diefe Nummer gilt für die Monate Juli und Auguft.
Nr. 9 wird im September erſcheinen.
Sum Gedähtnifie Guſtav Sreptags.
Als vor einigen Monaten die jchredlicdhe Hunde fam von dem
ungebeuern Unglüde der „Elbe“ und berichtet wurde, wie der tapfere
Kapitän von Göſſel angeſichts der graufigen Gewißheit, in ben
nüchſten Nugenbliden von der gurgelnden Tiefe hinabgeſchlungen
zu werden, ohne eine Miene zu verziehen auf feinem Poſten ges
jtanden, wortlos den achtungsvollen Gruß des engliſchen Lotſen
erwidernd: wem hätte da bei dem niederdrückenden Schmerze nicht
auch der warme Stolz die Seele erhoben, als ſei ein ſolcher Tod
doch nicht bloß Verluſt für einzelne und fürs Ganze, ſondern in
gewiſſem Betracht ein Gewinn, ja als habe auch er einen Anteil
an dem Gewinn, daß wieder einmal gezeigt worden iſt: ſo ſtirbt
ein deutſcher Mann! Daß wir jeht, ob im Norden unſeres Bater:
landes zu Haufe, als engere Landsleute des Helden, ob weit
entfernt von ihm im Süden, alle gleihmäßig ſolches Hochgefühl
mitenpfinden, ift zunächſt gewiß die Wirkung der legten Groß:
that unferes Volles, die zur Wiederaufrichtung des Neiches führte,
aber dak wir es mit fo tief innerlihem Cinvernehmen und zu—
gleich mit ſolchem Berjtändnis für unſere innerlich nie unter
brochene Zujammengehörigfeit thun, das verdanten wir unter |
allen am meiften dem jüngjt von und abgejchiedenen Manne,
dem bier ein Opfer des Dankes gebradjt werden joll, Guſtav
Freytag.
Zufällig, doch leicht verjtändlich ift mir feine Lebensarbeit in
Verbindung getreten mit dem Tode des tapferen Seemannes.
Damals nämlich, als von dieſem überall in der Friſche der Empfin-
dung mit warmer Begeijterung geredet wurde, begegnete es, daß
in einem Kreiſe nicht ein Wideripruch, aber ein Einfpruch laut
wurde, als jei von folder Handlung gar nicht fo viel Aufhebens
zu machen; der Dann habe ja nur gethan, was er mußte; habe
auch gar nicht anders handeln fünnen. Die Worte famen von
einer Frau umd wurden nad Frauenart vorgebradht, aber fie
waren offenbar Widerhall eines männlichen Urteils, und diejes,
ih lann es micht leugnen, verbußte zuerſt andere und mid). |
Denn unjere Wärme ruhte doc auf der Hariten Empfindung |
ihred guten Rechts. Aber im Nachdenken darüber fiel mir von |
denſelben Jahren,
den » Bildern aus der deutſchen Vergangenheit« eine ähnliche Ge—
Ichichte ein, und was &, Freytag davan als feine Meinung ger
Mmüpft hat, ſchien mir das hier fcheinbar Widerftreitende recht
zu verbinden. Es ift die Bejchichte auch eines Hamburger Scjifis-
bauptmannes, aber aus alter Zeit, der, wie dort in einer »traus
rigen Zeitung aus Gadir« zu leſen, fein gutes Schiff während
fünfftündigen Brandes troß der Bitten ſelbſt feines Sohnes nicht
verlafien, fondern darauf den Tod gefunden hat. Das aber ift
Guſtav Freytags Urteil über diefe That: .
»Wir freuen und, daß ber Admiral feinen Eid hielt. Die
Ehre feines Berufes forderte feinen Tod, und er ftarb. Denn
es iſt beſſer, daß einmal ein tüchtiger Mann, der fich wohl noch
retten könnte, mit jeinem guten Schiffe untergehe, als dab dem
feefahrenden Volle in Todesgefahbr das Vorbild ausdauernder
Kraft fehle. Er jtarb, wie dem Seemanne ziemt, ſchweigſam und
‚ falt, den eigenen Sohn wies er furz ab, feine ganze Seele war
bei feinem Amt. — Möge der deutſche Bürger nie fo weit
fommen, dah er die That des Mannes für etwas Seltenes und
Unerhörtes halte. Auch im VBinnenlande find feit ibm viele
Hunderte friedlicher Bürger geftorben, weil fie bis zum äußerten
uud darüber ihre Schuldigfeit thaten, Seelforger bei der Seuche,
Grzte im Lazarett, hilfreiche Handarbeiter in Feuersgefahr. Und
wir hoffen, daß der Leſer annehme, dergleichen gebühre ſich und
jei bei uns in Ordnung.
Und doch hebt ſich unfer Herz bei dem Bedanfen, wie in
in welchen Strahburg jo ſchmählich verloren
ging, ein Landsmann gerade jo empfand, wie wir empfinden
follen, daß nämlich da nicht viel zu erftaunen ift, und auch fein
großes Gejchrei und Winfeln zu erheben ift, wenn einer für feine
Pflicht ſtirbt. Und wer das Meer befährt, und wer die See
nie raufchen hörte, beide jollen jein Gedächtnis ehren. Der
Deutihe war nad) 1648 jehr heruntergefommen, aber er vers
diente doch ein beſſeres Leben, denn er verftand noch für eine
Idee zu ſterben.«
Dieje Stelle ift für Wefen und Bedeutung Guftav Freytags in
mehrfacher Hinsicht höchſt bezeichnend. Das Denkmal, das der
ipanische König jenem deutjchen Helden Berend Jacob Carpfanger
155
aufrichtete, war vergangen, und in ben alten Ehronifen und Stadt:
archiven fchlummerten wirkungslos die vergilbten Blätter fo gut
wie vergeijen, wenn auch etwa in der oder jener Sammlung für
die Heimatlandichaft abgedrudt. Aber G. Freytag Hat fie er=
wedt und das Gedächtnis der tapferen That dem ganzen deutichen
Volfe gegeben, ja als ZTriebfraft zu gleicher Tüchtigleit in feine
Seele gelegt durd) die Mittel feiner Darftellung und dadurd),
daß er ſolches Verhalten aufgezeigt hat als eine Äußerung des
innerften Sternes deutfcher Eigenart, der in der Wandlung der
Zeiten, in der Verfchiedenheit der Landichaften und äuferen
Lebensftellungen ſich immer gleich geblieben iſt.
Wohl hat er uns aud in den „Bildern“, wie in den „Ahnen“
ausgezeichnete Schilderungen hodygeborner Männer und der großen
Ereignifje unjerer Gedichte gegeben, von Karl dem Großen, von
den Kaifern der Kreuzzüge und den Fürſten der Neformation bis
zu Friedrich dem Großen und über die Beireiungäfriege hinaus,
Aber der Hauptwert und Hauptzwed feiner Arbeit ift, in ben
Darftellungen de3 Heinen Lebens den treibenden Kräften des
grohen nachzuſpüren. Wie e8 in den Seelen unferer fronmen
Heidenväter ausgejehen habe, ald man ihnen den neuen Glauben
zubrachte, wie das Wanderleben auf den Charakter der Germanen
eingewirft, weshalb und wie unjerem Volle das grohartige Wert
der Befiedelung des Oſtens gelungen fei, wie das Yeben ber
Deutichen durch die Kreuzfahrten umd die neue Verbindung mit
dem Morgenlande umgeftaltet worden, wie man in den Burgen
und Städten und Dörfern feine Tage dahinlebte, wie das Kriegs—
volt in dem verjchiedenen Zeiten zum Wolfe jtand, wie fich die
deutjche Eigemwilligteit in den Zwang von allerlei Genofjens
ſchaſten gefunden babe: diefe und ähnliche Fragen aus allen Beit-
altern befchäftigen ihm, und ex fucht fie zu beantworten,
Und wie den waderen Seemannstod durd die anjpruchsloje
Berichterftattung des Zeitgenofjen, jo hat er gelernt immer Dinge
und Menjcden mit den Mugen ihrer Zeit zu jehen und und
in den Stand gejeßt, es ihm nachzuthun. Das war ein frucht⸗
barer Gedanke, daß er für feine »geſchichtlichen Liebhabereien«
aus den Chroniſten des Mittelalters zuſammentrug, was fie etwa
über die Zuſtände, Leiden und Freuden der Kleinen Leute ans
deuten, dann aber, nad) eigenem Berichte alter Neigung und dem
Beiipiele jammelfroher Männer folgend, dad Nufgefundene durch
eine Sammlung alter Flugſchriften und fliegender Blätter bis
zum Beginne ber neuen Litteratur fortführte.
Bweierlei freudige Erkenntnis erwuchs ihm jelbjt aus dieſem
Forſchen und Sammeln und trieb, als belebende Kraft, ihm die
ganze Seele jüllend, feine fhönften Werte hervor, verlich ihnen
ihren edeljten Wert. Die erjte jpricht er jelbjt jo aus: »Unſer
Gemittsleben, die Weile, wie wir die Welt in unſere Seelen aufs
nehmen und abfpiegeln, unjere charakteritiihen Neigungen und
Schwächen, unfer Idealismus, auch die Grumdlage unferer Sitte
find, jo gut wie der Goldſchatß unferer Sprache, ein Familien-
erbe der Germanen des Tacitus, ein Erbe, welches mit unwider—
jtehlicher Gewalt uns allen Gemüt, Bedanken, Erfindung im
Biwange deutichen Lebens ausbildet... . . und deöhalb find wir
in Wahrheit die Nachlommen jener Alten, und wer von ihnen
berichtet, Spricht von unfern Ahnen.« Und die zweite war, um
wieder mit feinen Worten zu reden, dab ihm »bejchieden wurde,
hoch von deutiher Natur zu denfen.«
Wenn er dazujept: »den Schein zu verachten«, fo hat er jelbit
uns nicht verhalten, dab er vordem ſich audı hatte täuschen laſſen.
Denn nad jeinem Belenntnis hatte der Dichter troß angeborner
Abneigung gegen das franzöfifhe Wejen des jogenannten Jung:
deutſchlands doch in der grohen Verachtung vaterländiicher Klein—
156
ftanterei und dem erlangen aus den Schranken heimiſcher
Sitte und Sittlichfeit hinauszutreten, wie es in feinem Schaufpiele
»Balentine« das Wort führt, die eigene Gebundenheit an die
ungejunde Zeitrihtung verraten.
Nun aber entdedt er mit Achtung hinter jcheinbar Heinlichem
Thun und Treiben der Kleinen den erniten, großen Sinn, den
wertvollen Untergrund. Er verzeichnet aufmertiam z. B. die lange
künstliche Vorſage des Schmiedegefellen, die dod) dem Handwerl
einjt Mittel geweſen ift, deutſche Arbeit und Art durd Heimat
und Fremde zu tragen, fie dort zu bereichern, ja durch fie weite
Streden fremden Landes zu erobern, für den einzelnen aber
Mittel zur Bewahrung von Zucht, Ehrbarfeit und Ordnung und
eine jtarle Stüge, die igm das Bewuhtiein der Zugehörigleit zu
einer Gemeinſchaft gab und erhielt.
In Bürger: und Bauernſtand fieht er den unverwüſtlichen
Urboden der ſich immer verjüngenden Lebenskraft des deutichen
Volkes, er beobachtet die gebliebene VBauernart mit Wohlbehagen
beim großen Karl und Martin Luther und hat über dieje immer-
währende Erneuerung des Volles durch auffteigenden friichen Saft
von unten im einem bejonderen Abſchnitte feiner » Bilder« aus—
führlid gehandelt. So laufen alle feine Daritellungen in Abficht
und Wirkung darauf hinaus, allen Gliedern des Volles die
taufend Fäden erfcheinen zu lajjen, die den Einzelnen mit feinen
Beitgenofjen verbinden und die ihn rüdwärts anfnüpfen an die
fange wecjelvolle Geſchichte jeiner und ihrer Vorjahren.
Die Jugendzeit feiner Eltern, die Zeit der Fremdherrſchaft
und Befreiung, wo das ganze Volf in allen jeinen Teilen von
denfelben, den edeljten Empfindungen bewegt und jo feiner Aus
fammengebörigleit inne wurde, erichien ihm darum troß der un:
erhörten allgemeinen Leiden dennoch reich geſegnet, vor glüd-
licheren, bequemeren Zeitläufen ohne folde Einmütigfeit. Denn
oft hat fich ja im Laufe unſerer Geichichte eine Kluft aufgetban
zwijchen oben und unten, zumal wenn fremdes in breitem Strome
Eingang gefunden: zuerit da vom Hofe der Ottonen aus, erfolg:
reicher als dur Karls Bemühungen, lateiniihe Sprache und
Dichtung zur Berdrängung heimiſcher Roheit und Ürmlichleit
angerufen wurde, danad) zur Zeit der ritterlichen Gejellichaft, die
ihre geichraubten Verkehrsſormen und die armjeligen Stoffe ihrer
Epen auf Kojten edleren Heimatgqutes aus dem Weiten übernabm
und geringicäßig die dörperheit von igren Thüren verwies, dann
als der vornehme Humanismus über die Alpen fam, endlich in
den kläglichen Zeiten des großen Krieges, da freilich aller eigene
Wert erjtorben ichien, aber aud in unjeren Tagen, wo nadı
unenvartet berrlihen Siegen die von den Erfindungen des
Sahrhundert® verwandelte Erwerbsihätigfeit ein Füllhorn äußerer
Güter über unjer Yand ausgeſchüttet hat, aber in beumrubigen-
der Ungleichheit. Wenn nun in dieſer Zeit zerjegender Selbit-
fucht oben und unten, jchroffer Abſchließung und bitteren Haſſes
doch gerade in der breiten Mittelichicht der gebildeten Stände —
wir haben fajt täglich Zeugnifie davon — Berftändnis und Zeil-
nahme für die Geringen im Lande mehr und mehr zunimmt, jo
wird man darin nicht mit Anrecht einen jegensreichen Gewinn
auch von G. Freytags Lebensarbeit erfennen dürfen.
Bei der Beobachtung des deutſchen Sinnes und Gemuͤtes in
Borzeit und Gegenwart war er fo glüdlich, im eigenen Gemüte,
das aufbraufender Leidenfchaftlichkeit nicht fähig war, aber auch
davon nicht getrübt wurde, ters mitſchwingende Saiten vernehmen
zu können; im Heinen wenn er z. B. die Behaglichleit und Sinnig—
feit der Borfahren belauichte, wie fie vom lieben Brote, vom
guten Schiffe redeten, wie fie den Bertehr der Menfchen unter
einander mit feierlich freundlichen Formeln durdzogen, das Ver—
157
hältnis auch zu den Tieren, beionders den Vögeln, traulich
fahten; denn da vermittelte ihm die eigene zärtliche Liebe zu den
Sängern feines Gartens das Verjtändnid. Wenn er aber über
die geheimnisvolle Bernüpfung des Einzelnen mit den Vorjahren
nachdachte, jo fam ihm zu jtatten, da er felbjt auf jeine Eltern
und Boreltern zufrieden und gern zurückſchauen durfte und konnte.
Aus jolher inneren Übereinftimmung entiprang ihm die innige
Teilnahme an Zeiten, Menſchen und Zujtänden, die er befchrieb,
die große Fähigkeit fih darein, der Gegenwart vergeſſend, ganz
zu verienfen, und das iſt's, was feinem Stil Einfachheit, Wahr:
baftigleit und Kraft und einen eben nur aus der volljtändigen
Hingabe flichenden inneren Einklang verleiht und in den Schriften
eines Mannes, der doc) ein Bierteljahrhundert unter den Kour-
naliften war, nirgend, wie 3.8. fo oft bei der geiftreichen Art
Wilhelm Scherers, das Gefühl auffommen läßt, als fei dem
Schreiber nicht der Gegenſtand, fondern die Darjtellung daupt⸗
fadhe.
Freilich der echten, rohen, deutſchen Natur des Mannes iſt
auch fein irdijches Geſchick ein freundlicher Behüter geweſen. Durch
hinreichenden Wohlftand biieb ihm erjpart, ſich ums liebe Brot
widerwilligem Dienjte zu beugen; als man dem jungen Privats
dozenten zu Breslau geringe Schwierigfeit bereitete, ſehle er der
Fakultät leichtherzig den Stuhl vor die Thür, und der Schaufpiel-
dichter lehrte ſpäterhin dem Gewaltigen des Theaters, der ihm
Bedingungen machen wollte, kurzum den Niüden. Uber die Haupt-
ſache war doch, daß fein Welen von Haus aus eben geſund und
heiter war. Es bewahrte ihn vor hränllihem Weltichmerz, bielt
ihn in der Politit von fchranfenlojem Begehren fern, lieh ihn bes
gangenen Irrtum erfennen und überwinden, wie dem Könige
Wilhelm gegenüber in der Frage der Heeresbermehrung.
Er halte dann das große Glück, daß feine Lebenserfahrungen
mit den Ergebniffen jeiner Forihung zuſammenſtimmten, daß die
Ziele feines Strebens mehr als erreicht wurden. Die Vorzüge
deutichen Weiens, wie fie ich feiner liebevollen Betrachtung der
Vorzeit erjhloffen hatten, fand er auch im Leben der Gegenwart
wieder: fo lieh ihn der Umgang mit den Gliedern eines Hand-
werfervereind, den er im Frühjahr 1848 zu Dresden fammelte
und leitete, vielfach und lebhaft erfahren, »wie gutherzig und ats
hänglich die Seelen in diefen Kreifen des Volles jind«, und daf
ihm folchen Glauben aud) feine jpätere Enttäufchung geraubt hat,
bezeugt eine launige Äußerung in jeinen » Erinnerungen: »Wenn
ein himmlischer Bädeler, einer der wohlbewanderten Engel, welche
dort oben die Merlwürdigleiten der Erde verzeichnen, ſich herab:
laffen wollte, ein Menſchenlind durch die Strafen deuticher Städte
und Landichaften zu führen, jo würde ihm der Arm wehe thun
von vielem Hinzeigen auf die Häufer, in denen bei und gute und
tüchtige Menschen wohnen; es find ihrer jo viele im Yande, daß
ed nur einem Uniterblichen möglich it, fie alle zu kennen. Das
ist die bejte Habe und der wohlberechtigte Stolz der Deutichen.«
Seit jenem beivegten Jahre gab er im Bunde mit Julian
Schmidt »die Brenzboten« heraus und gehörte aljo zu den Stimm:
führern der Meinung, die auf das Nusiceiden Öftreiche aus
Deutſchland und auf die Führerjchaft Preufens zielte, und damit
ging es ihm nad) feinen Worten die jünfundzwanzig Jahre lang,
wie jedem, dem in diejer Zeit vergönnt war, thätig fich zu regen:
er »hatte den Vorteil, dab in feinem Leben etwas von dem fröh—
lien Wirken einer auffteigenden Volfskraft erfennbar ware. Was
aber das Wichtigſte ift, er empfand chen auc die Gunft diefes
Gewinnes, empfand als »höcjtes Erdenglüd, weldes dem Menjcen
bergönnt ift, als einzelner teilzuhaben an dem politiichen Fort—
jchritt des eigenen Staates, den Siegen und Erfolgen, welde
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind, X. Jahrgang.
1895. Nr. 7/8, 158
größer waren als jede Hoffnunge, Und wahrlid, von feinen ans
gelegentlichften Werten die einen in der Zeit ſolchen Aufftrebens
zu Schaffen, zum legten, den » Ahnene, Plan und Luft vom Schlacht⸗
feld bei Sedan in der Seele heim zu tragen, das ift auch hohe
Schickſalsgunſt.
Starte Vaterlandsliebe, unerſchütterliches Zutrauen zur Tüchtig—
feit unſeres Volles und darum bei höchſter Schäßung der Ver—
gangenheit freudigſte Teilnahme an Arbeit und Sieg der Gegen—
wart, das band ihm jo jeſt an das Ganze, gab ihm die warme,
herzliche, wohlthuende Pietät, das Gefühl ehrfürdhtiger Dantbar-
feit gegen Eltern und Boreltern im engen und weiteften Sinne,
den aller Überhebung fernen edlen Stolz, das geſunde, weil auf
eigner und aller Tüchtigkeit ruhende Selbitgefühl. Dieje bered)-
tigte Selbftachtung, diefer danfbare Sinn für Art und Erbteil
unjerer Väter, das Streben, fie aud rein und unverfälicht zu
erhalten, vor fremder Berderbnis und Unzier aber zu ſchützen:
das in Bezug auf die Mutterſprache ijt der Grund und Boden un-
jeres allgemeinen deutfchen Spradjvereins. Hat G. Freytag ſolche
Sefinnung zu werden und zu jtärfen gewirkt und wirkt noch dazu —
und wer wollte zweifeln, daß es feinen Schriftiteller von bleiben—
der Bedeutung unter uns giebt, der ihm darin gleichgeftellt werden
fönnte? — jo ift und bleibt er auch ein Helfer und Förderer
unjered Bundes und unferes wärmjten Danfes wert, troß feiner
Unterichrijt unter der befannten Erflärung. Daß dieſe Erklärung
überhaupt eine rechte Inbejonnenheit war, auch mander andere
befjer geihan Hätte, feine Hand davon fernzuhalten, das ift durch
zahlreiche Entgegnungen genugjam und mit reichlicher Schärfe er-
wiejen worden. Aber nachdem der Spradjverein in diefem Kampfe
einen unzweifelhaften und volljtändigen Sieg gewonnen hat, dürfen
wir ruhiger darliber urteilen und ihr für die Abwehr jchädlichen
Übereiferd von unferer guten Sache vielleicht ſogar einigen Nupen
zuertennen, Wie aber ©. Freytag troß jener Unterichrift unfere
Sache bei Durchſicht feiner Werfe ſelbſt ernſtlich und meifterbaft
geführt hat, ift von anderer Seite in diefen Blättern (IV Sp. 155)
und in der Beitjchriit für dem deutichen Unterricht (III ©. 152 fi.)
trefflich beleuchtet worden. Schwerer wiegt, was bier ausführ-
lich zu behandeln nicht am Plage ift, daß ihn die Milde feines
Wefens und die Meinung, das Deutfchtum fönne auch ganz
fremdes überwindend in ſich aufnehmen, dazu verleitet hat, in
einem anderen Streite feine Stimme zu erheben, in dem man
den Dichter von »Soll und Haben«, den Hüter deutichen Wejens,
auf Seite der Fremden zu fehen beffagen muhte.
Aber umgrenzt iſt alle, auch die höchſte Tüchtigleit und Ein—
jicht eines Mannes, und undantbar wäre es, nur das anzufehen,
worin die Entwiclung über ihn hinausführt. Denn ımidhägbar
und unvergänglich ijt das Gut, das feines Lebens Arbeit uns
bhinterlafjen, eine Schatz⸗ und Rüſtkammer, ein unverfieglicher
Geſundbrunnen deutfcher Gefinnung zu deuticher That ımd deut:
ichem Wort.
Darım Dank ihm und Ehre feinem Andenfen!
— Oskar Streicher.
Job. Gottlieb Sichte,
ein Streiter im Geiſte unfers Vereins.
Schon mancder führende Geiſt früherer Zeiten ijt im dieſen
Blättern als geiftiger Mitftreiter befdivoren worden. Gleichwohl
ift noch nicht defien gedacht, der die frage der Fremdwörter
vielleicht am innerlichiten — jo innerlich) wie nur etwa Nudolf
Hildebrand —, der fie mit dem ftärfiten Deutihbewußtjein be
handelt hat: Johann Wottlieb Fichte, der Verfafier der » Reden
an die deutiche Nation.«
159
»Deutjche Denkweife zu erneuern und zu bilden«, war feit
dem Betreten des preuhiicen Bodens im Jahre 1799 fein un—
verrüdtes Ziel. »Um dazu feine Beit zu verlieren«, ſchreibt er
am 2. Januar 1808 an den Minifter v. Beyme, -habe er dieſe
Vorlefungen ſogleich einzeln, wie fie gehalten worden, durd) den
Drud veröffentlichen laſſen wollen.e Bitter fränfte ihn daher die
Üngftlichteit der Zenſurbehörde, die das erjte ſolche Heit be-
anftandet hatte. Wer dabei etwas wagte, war ja mur er, wie er
in demſelben Briefe jchreibt: » Ich weih recht gut, was ich wage;
ich wei, daß ebenjo wie Palm ein Blei mich töten fan; aber
das ift es nicht, was ich fürchte, und für den Zweck, den ich
habe, würde ich gerne auch fterben.«
So find dieſe Neden allein durch ihr Dafein ein unvergeh-
liches Belenntnis deutichen Geiſtes; dur ihr Dajein in diefer
Form find fie aud) eine That im Geiſte unferes Vereins. Am
Winter 1807/8 im Berliner Alademiegebäude gehalten, haben fie
»im Auge gehabt die ganze deutſche Nation: und jeder Deutfche,
der noch glaubt, Glied einer Nation zu fein, der groß und edel
von ihr denft, auf fie hofft, für fie wagt, duldet und trägt, foll
durch fie Mar jehen lernen in der fo großen, jo dringenden, jo
gemeinfchaftlicen Angelegenheit der ganzen Natione, nämlich der
Nationalerziehung (XIV. Rede Anf.: S. 211 Reclam). Diefe ijt aber
nur dad Mittel zu dem von den Reden nie aus den Mugen verlorenen
Endzwecke: Erneuerung des beutjchen Volles aus eigenfter, zur
Selbitthätigfeit erwedter Kraft. Die Erziehung, zu der Fichte an-
feuern will, ſoll den fehler der bis dahin üblichen Bildung, daß
fie fih nur »auf eine geringe Minderzabl der eben darum allein
gebildet genannten Stände« bejchränfte, zu allererjt vermeiden
und die große Mehrzahl, »auf welcher das gemeine Weſen recht
eigentlich beruht, das Volle, nicht aud) vernadhläffigen, jondern
eine wirkliche »eigentümliche deutihe Nationalerzichunge«
werden (I, ©. 15).
Diefer Berechnung auf breitefte Wirkung entſpricht ebenſowohl
die thatfächliche Neinhaltung der Reden von faft allen Überflüffigen
Fremdwörtern, die auch anderen für größere reife bejtimmten
Schriften Fichtes nachzurühmen ift, als die ausdrüdliche Ab—
weifung einzelner, Noch heute liegt un® das Fremdwort nahe, ja
näher für Wendungen wie: der gejellihaftlihe Menſch, übers
finntiche Weltordnung, Dent-, Lehrgebäude, Erziehungs:,
Staatd>, Regierungss, Berwaltungs- und Bejepgebungss
kunst, Grundart, Grundregel, Folgejag, Folgemähig-
feit, Folgebeitändigfeit (Consequenz) und folgebejtändig,
das demütige Verſtummen vor Gott und Sichbeiheiden (Re-
signation), Voltsgericht (Plebiseit), Neuigteitsblätter,
Traumbilder, Sinnbild, finnbildlid, alte (antike) Bil-
dung, Rirhenverbejjerung, Bottesleugner, der vernunfts
gemäße, dervolllommene Staat, blindes Gehenlaſſen, Han—
delsunabhängigfeit, Wechſelwirkung, das Tiergeichlecht
der Biber, fünftige Geſchlechter, Bedentlichkeiten (Skrupel),
Unterrihtsgang, Schauauslegerei, Urteilerei, Klag—
dünkel (Raisonnement), Mitbewerber — nicht auf fremdes
Anſehen (Autorität) glauben — die Aufgabe der Erziehung
zum vollfommenen Menſchen durd die wirklihe Ausübung
(praktisch) löſen — ein vom Felfen zurücdtönender Nachhall —
dem Glauben die Gewähr leiften — alle Offenbarungen
(Manifestationen) des Göttlihen — eine Weltthat des deutichen
Volles — ein Mehr der Bildlichfeit u. a. Bei alledem ift Fichte
weit entfernt, jeiner Zeit ihre noch widerjtrebende deutiche Aus—
drüde durchaus aufdrängen zu wollen; das beweiſt die leiden:
ichaftlofe Art, wie er die Unvermeidlichteit des Nusdrudes Philo-
ophie beflagt: » Philofophie, wie wir dieje mit dem ausläns
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr, 7/8.
160
difhen Namen bezeichnen müjfen, da die Deutſchen ſich den
vorlängit vorgeichlagenen deutſchen Namen nicht haben gefallen
laſſen (V, ©. 66).
Auf der anderen Seite wendet er fid) freilich ſcharf gegen bie
Unwahrheit der fremden Ausdrucksweiſe (z.B. I, 9. V, 69.
Wiederholt fieht er die zwei tiefen Schäden, welche die Aus
fänderei auch in Worten verichuldet, in Bornebmthuerei, die
zur hodymütigen Trennung der Gebildeten oder es jein Wollenden
vom Bolte führt, und in Unwahrhaftigkeit, die es bis zur
Einſchwärzung dem heimiſchen Vollstum wibderjtreitender Lehren
und Anſchauungen bringt.
Bon Fremdwörtern, wie Humanität, Ropularität, Li:
beralität, Hagt er, dah fie dem Deutſchen, der feine andere
Sprache gelernt, völlig leerer Schall bleiben; nur durch den
fremden, vornehmen und wohltönenden Klang reizten jolde
unbefannten Wörter die Mufmerfjamteit und ermwedten das Vor—
urteil, »was jo hoch töne, müſſe auch etwas Hohes be:
beutene (IV, 59). An einer anderen Stelle erflärt er im Hin-
blid auf unjere in Oberitalien, Gallien und England eingewan—
derten Vorfahren die leidige Schwäche der Germanen, unter fremden
Bungen jo jchnell die eigene Sprache aufzugeben, aus dem Irr⸗
wahn, daß das mitgebrachte Heimifche barbariich und tölpiic,
das Römifche aber vomehm fei (V, 73). Dann fährt er fort:
»Diefed, gleich ala ob es eine Grundſeuche des germanijchen
Stammes wäre, fällt auch im Mutterlande den Deutichen an,
falls er nicht durd hohen Ernjt dagegen gerüftet it. Much unſern
Ohren tünt gar leicht römischer aut vornehm, auch unsern Augen
erfcheint römifche Sitte edler, dagegen das Deutihe gemein ....
So lange wir deutſch find, erfcheinen wir und’ als Männer, wie
andere aud); wenn wir halb oder aud über die Hälfte uns
deutſch reden und abjtechende Sitten und Kleidung an uns
tragen, die gar weit herzufommen jcheinen, jo dünken wir uns
vornehm; der Gipfel aber unſers Triumphes ift e®, wenn man
uns gar nicht mehr für Deutiche, fondern für Spanier oder Eng:
länder hält, je nachdem nun einer von diejen gerade am meijten
Mode iſt . . . Bon diefem allem ift nun beim Deutichen der
Hauptgrund fein Glaube an die gröhere Vornehmheit des
romanifierten Auslandes, nebit der Sucht, ebenjo vor:
nehm zu thun umd aud in Deutichland die Kluft zwiichen
ben höheren Ständen und dem Bolfe künſtlich auf:
zubauen.«
Auch wie durch Fremdwörter die Borjtellungen ge-
fäljht werden, weilt Fichte mehrfach nach; jo VI, ©. 86 an der
»aliatiich redneriſch übertreibenden Sprache- der mittelalterlichen
Kirche, namentlich aber IV, S. 59 ff. in einer eingehenden Beurtei:
lung der Schlagworte feiner Zeit, Humanität, Bopularität und Libe-
ralität. » Hätte man etwa dem Deutſchen jlatt des Wortes Humani⸗
tät das Wort Menſchlichkeit, wie jenes wörtlich) überſetzt werden
muß, ausgeiprochen, jo hätte er uns ohne weitere hiſtoriſche Erflärung
verjtanden; aber er hätte gejagt: da iſt man nicht eben viel, wenn
man ein Menjch ift und kein wildes Tier. Aljo aber, wie wohl
nie ein Römer gejagt hätte, würde der Deutiche jagen deswegen,
weil die Menfchheit überhaupt in feiner Sprache nur ein finn-
licher Beariff geblieben, niemals aber, wie bei den Römern, zum
Einnbilde eines überfinnlichen geworden (indem fie nämlich Die menſch⸗
lichen Tugenden in einem Einheitöbegriffe zujammenfahten).... Wer
nun den Deutjchen dennoch diefes fremde und römiſche Sinn-
bild künstlich in die Sprache jpielen wollte, der würde ihre fitt-
lihe Dentart offenbar berunterfiimmen, indem er ihnen als
etwas Borzüglidies und Lobenswürdiges bingäbe, was im ber
fremden Sprache auch wohl ein ſolches jein mag, was er aber nadı
161
Zeitſchrift bed allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 7/8.
162
der unaustilgbaren Natur jeiner Nationaleinbildungstraft nur faht |
alt das Belannte, bad gar nicht zu erlaffen üt.... Was ferner
das in jenen beiden (andern) Ausdrücken liegende Sinnbild eines |
geiftigen betrifft, fo liegt in der Popularität jchon urſprümglich
eine Schlechtigkeit, die durch das Verderben der Nation und ihrer |
Berfaffung in ihrem Munde zur Tugend verdreht wurde. Der
Deutiche geht in diefe Verdrehung, ſowie fie ihm nur in feiner
Sprache dargeboten wird, nimmer ein. Zur Uberjefung der
Liberalität aber dadurch, daß ein Menſch feine SHavenfeele
oder, wenn es in die neue Sitte eingeführt wird, feine Lalaien-
denfart habe, antwortet er abermals, daß aud) dies jehr wenig
gejagt heihe. Nun bat man aber noch ferner in dieje ſchon in
ihrer reinen ®eftalt bei den Nömern auf einer tiefen Stufe der
fittlichen Bildung entſtandenen . . . Sinnbilder in der Fortentwid-
kung der neulateinischen (z. B. franzöfiichen) Sprachen den Mangel
an Ernſt über die gefellichaftlihen Verhältniſſe, den des Sich—
wegwerfens, den der gemütlofen Lockerheit hineingeipielt und die-
felbe auch im die deutfche Sprache gebracht, um durch das An—
jehen des Mitertums und des Auslandes, ganz in der Stille und
ohne daß jemand fo recht deutlich merke, wovon die Nede jet, die
!eptgenannten Dinge auch unter uns in Anfehen zu bringen. Dies
ift von jeher der Zwed der Einmifhungen geweien,
zuvörderji aus der unmittelbaren Berftändlichfeit und
Beitimmtheit, die jede urjprüngliche Sprache bei fich führt,
den Hörer in Dunkel und Unverjtändlichkeit einzuhüllen;
darauf an den dadurch erregten blinden Glauben desjelben ſich
mit der nun nötig gewordenen Erklärung zu wenden, in diefer
endlich Lafter und Tugend fo durcheinander zu rühren, daß es
fein leichtes Geſchäft iſt, diejelben wieder zu fondern.e —
Fichte, der in der Gegenwart nur eine Vorftufe zu der all-
gemeinen Herrichaft des Geiftes ficht, mit der die ganze menſch—
liche Gattung einit in gleicher Weife wieder zu ihren gemeins
jamen Urſprunge zurüdtehren wird und zu deren Entwidlung
fein deutſches Voll nur der Sauerteig werden fol, will troß
folder Stellung zum Fremden umd zu den Fremdwörtern die
Einwirkung des Auslandes nimmer abweilen, und ebenfowenig
dent er daran, alle Fremdwörter mit dem Banne zu belegen.
Wie nad) feiner Nuffaffung zur Gefamtaufgabe der neuen Welt,
die wahre Religion in der Form des Chriftentums in die vor—
Handene Bildung des Altertums zu verjlöhen und dieje dadurch
zu vergeiftigen und zu heiligen, das Ausland mur die Anregung
gegeben, die Deutfchen aber erjt die rechten Schritte gethan haben
(VI, 90), fo urteilt er auch über den eigentlichen Stifter der
neuen deutjchen Whilofophie, womit er Kant meint, dal; derfelbe
durdy eine NÄußerung des Auslandes angeregt worden jei, die
inzwiſchen tiefer genommen worden, al& fie gemeint geweſen
(VI, 89). Ja VII, 94 bezeicdnet er es gradezu im ganzen »al&
das Verhältnis des Urvolles der neuen Welt (d. h. des deutjchen)
zum Fortgange der Bildung diefer Welt, daß das erftere durch
unvolljtändige und auf der Oberfläche verbleibende Bejtrebungen
des Auslandes erjt angeregt werde zu tiefern, aus feiner eignen
Mitte heraus zu entwidelnden Schöpfungen.«
Demgemäh heikt er Fremdwörter qut, die Namen undeuticher
oder foldyer Dinge find, melde die Deutichen als jelbjtverjtändlich
oder noch nicht gefannt gar nicht benannten. Den Lnterichted
zwiſcher deuticher und romaniſcher Art ertennt er z. B. V, 75
darin, daß jene in allen Dingen Fleiß und Ernſt haben und
Mithe verwenden werde, während dieſe die geiftige Beſchäftigung
mehr für ein genialiiches Spiel halte und fich im Geleite ihrer | Grunde liegen, muß auch die finnbildlihe Ausdrudsweife und
glüdlichen Natur gehen laſſe. Daher findet er, daß die dem
Deutſchen nie in gleihem Maße angebome glüdliche Natur mit
Recht mit dem ausländiſchen Namen Genius, Benialität
benannt wird. Im Anfang von XII, 179, wozu man IV, 59/60
vergleichen mag, beißt es Ähnlich: »Wir müſſen uns Charafter
anſchaffen; denn Eharalter haben und deutich fein iſt ohne Zweifel
gleichbedeutend, und die Sache hat im unſerer Sprache feinen
bejonderen Namen, weil fie eben ohne alles unjer Wifjen und
Befinnung aus unſerm Sein unmittelbar hervorgehen joll.«
Soviel über Fichtes thatlächlihet Verhalten dem Fremden
und dem Fremdwort gegenüber. In die Tiefe jeiner Auffaffung
führt und erjt ein Blick auf die inneren Gründe, die bisher mur
gejtreift werden konnten.
Sittlihe und jtaatliche Wiedergeburt follen feine Neben erzielen
an dem Wendepunfte der Menjhheitsentwidlung, ben der Zus
fammenbrudy der alten deutſchen Staaten auf dem Höhepunkte
ihrer Selbftfucht unter der Gottesgeißel Napoleon für ihm bedeutet.
Nur da aber iſt fittlihe und geiitige Wiederheritellung möglich,
wo ein Leben aus ureigenjter Kraft, aus unverfieglicher Duelle
fließt. Wo kann man jolche Beiftesurjprünglichkeit finden? Nur
bei einem Volfe, lautet feine Antwort, das bei aller Veränderung
feiner Wohnfige, bei aller Berührung mit fremden Bölfern feine
ureigene Geijtesart rein und unverborben erhalten bat, bei einem
Urvoll. Die Reden IV— VI, die dem Nachweiſe gewidmet find,
dak von den neuen Hulturvöltern allein unfer deutiches ein ſolches
fei, find daher ein wejentlicher Teil des ganzen Wertes; in ihnen
erhalten wir auch den uns bier berührenden Aufſchluß über das
Weſen der Sprade, aus dem für richte die Kraft, ja die
heilige Pilicht zu feinem thatſächlichen Verhalten erwuchs.
Im weſentlichen faßt Fichte die Sprache gleich Herder und der
heutigen auch nur in Einzelheiten weitergefommenen Spradwifjens
ſchaft als eine unmittelbare Schöpfung der Menjchennatur, des
in ihr für die Mitteilung an jeinesgleichen geitaltend wirtenden
Geiſtes, die fich nad einem Grundgeiege, nach welchem jedweder
Begriff in den Spradjwertzeugen zu diefem und feinem andern
Laut wurde, nur fo geitalten fonnte, wie fie ſich wirklich gejtaltet
bat; daher auch jeine ibm in den mannigfachſten Formen nadı-
geſprochene Äuferung, die Menichen würden weit mehr von der
Sprache, als die Sprache von den Menjchen gebildet. Daß men
die Sprachkraft der Natur gleichwohl nicht in allen Menfchen
in ein und diejelbe Geſtalt ausbricht, jondern daß es verſchiedene
Sprachen der verichiedenen Völler giebt, beruht auf den Wirkungen,
die der Himmelsſtrich, Berichiedenheit der Beihäftigung und des
Beobadtungsgebietes und andere ähnliche äußere Einflüſſe auf
die Spracdwertzeuge und die Aufeinanderfolge der Bezeichnungen
ausgeübt haben. Auch die Sprache jedes einzelnen Volles, d. h.
aller je und je unter denfelben äußeren Einflüfjen auf das Sprach—
werfzeug ſtehenden, zufammenlebenden und in fortgejeßter Mit-
teilung ihre Sprache fortbildenden Menichen, muhte das werden,
was fie geworden fjt: die durch die natürlichen Verhältniſſe des
einzelnen Bolfes mit geiepmähiger Naturnotwendigteit beſtimmte
Abart der Einen notwendigen Sprade.
Gleich notwendig wie dergejtalt die Entitchung der Sprache
it ihre Entwidelung, in der hauptſächlich zwei Stufen zu unter:
icheiden find. Auf der eriten iit jede Sprade nur Vezeichnung
der Gegenftände unmittelbar finnlicher Wahrnehmung, erjt auf
der zweiten erhebt fich das Volk zur Erſaſſung des Überfinnlichen;
aber auch zu diefer iſt es nur durch ſinnbildliche Ausdrudsweiſe
' fähig, indem es das Überfinnliche in ein finnliches Bild leider.
Da jomit allem ſprachlichen Ausdrud finnliche Vorjtellungen zu
damit die Vorftellung vom Überfinnlichen um fo reicher und be-
jtimmter fein, je umfaljender und Marer erit das finnliche Er-
163
Zeitſchrift des allgemeinen beutfhen Sprachvereius. X. Jahrgang. 1895. Nr. TR.
104
fenntnisvermögen einer Spracde ausgebildet worden ift. Wird
denn aber, fragt er gewiſſenhaft weiter, die Klarheit der Vor—
ftellungen vom Überfinnlihen nicht dadurch beeinträchtigt, daß
auf der Stufe der vorgefchrittenen geiftigen Bildung die zu Grunde
liegende jinnliche Bedeutung derfelben nicht mehr verftanden wird?
Bei ununterbrocener Stetigleit der Entwidlung nicht, antwortet
er, ſondern nur bei künftlicher Aufpfropfung fremder Beitandteile.
Den Wert jmer ununterbrochenen Fortentwidlung ſchildert er
trefflich alfo: Nach Jahrtaufenden und nach allen Veränderungen,
weiche in ihnen die äufere Erſcheinung der Sprache dieſes Boltes
erfahren bat, bleibt es immer diejelbe Eine, uriprünglich alio
ausbrechen müjjende lebendige Sprachfraft der Natur, die um-
unterbroden durch alle Bedingungen herabgeflofien ijt und in
jeder jo werden muhte, wie fie ward, am Ende derielben fo jein
mußte, wie fie jegt ijt, und im einiger Zeit alfo jein wird, wie
fie fodann müflen wird .... . Laſſet immer nach einigen Jahr—
hunderten die Nachtommen die damalige Sprache ihrer Vorfahren
nicht verftehen, weil für fie die Übergänge verloren gegangen find;
dennod; giebt es vom Anbeginn an einen ftetigen Übergang, ohne
Sprung, immer ummerflich in der Gegenwart und nur durch
Hinzufügung neuer Übergänge bemerklich gemacht und als Sprung
erfcheinend. Niemals ift ein Zeitpunkt eingetreten, da die Zeit—
genofjen aufgehört hätten fich zu veritchen, indem ihr ewiger
Vermittler und Dolmetiher die aus ihnen allen jpredjende ges
meinfame Naturkraft immerfort war und blieb (1V, 531. «
Den Unterjchied einer ſolchen ununterbrochen in veiner Eigen:
art fortgebildeten Sprache von einer andern, in die fremde Be-
ftandteile zugemifcht worden find, wie in die »meurömifcen«, die
italienische und franzöfiiche, vergleicht er dem Unterfchiede zwiſchen
Leben und Tod (IV, 62): »Nur die Deutjchen reden eine bis zu
ihrem Nusjlrömen aus der Naturfraft lebendige Sprache, die
andern Bölfer eine nur auf der Oberfläche fich regende, in der
Wurzel tote Sprache.
In mannigſachſter Weile erläutert er nun die verichiedene
Wirkung der lebendigen und der in feinem Sinne toten Sprachen:
»Die lebendige Wirtiamteit des Gedankens wird fehr befördert,
ja.... jogar notwendig gemacht durch Denlen und Bezeichnen
in einer lebendigen Sprache. Das Zeichen in der lehtten ift ſelbſt
unmittelbar lebendig umd fjinnlich und wieder darjtellend das ganze
eigene Leben und fo dasjelbe ergreifend und eingreifend in das—
felbe; mit dem Befiger einer ſolchen Sprache jpricht unmittelbar
der Geiſt und offenbart jich ibm wie ein Mann dem Manne.
Dagegen regt das Heiden einer toten Sprache unmittelbar nichts
an; um in ben lebendigen Fluß derfelben bineinzutommen, muß
man erjt hiſtoriſch erlernte Kenntniſſe aus einer abgejtorbenen
Welt ſich wiederholen und fich im eine fremde Dentart binein-
berjegen« (V, 69). Eine nähere Nusführung des legten Gedanfens '
jteht ſchon an früherer Stelle (IV, 581: »Das Höchſte, was jie
(die Verwender einer fremden Spradye) thun können, it, daß fie
das Sinnbild und die geiftige Bedeutung desjelben jich erflären
lajien, wodurd fie die flahe und tote Geſchichte einer
fremden Bildung, feineswegs aber eigene Bildung er—
halten und Bilder befommen, die für fie weder unmittelbar Har
noch auch lebenanregend find, fondern völlig... . willfürlich er-
icheinen müflen..... Für fie iſt nun durch diefen Eintritt der
bloßen Sejchichte als Erflärerin die Sprache in Abficht des ganzen
Umfreifes ihrer Sinnbildlichfeit tot, abgeſchloſſen und ihr ftetiger
Fortfluk abgebrochen; und obwohl über diefen Umkreis hinaus
fie nad) ihrer Weife und immwiefern dies von einem foldhen Aus—
gangspunfte aus möglich it, dieie Sprache wieder lebendig fort:
bilden mögen; jo bleibt doch jener Bejtandteil die Scheidewand,
an welder der uriprüngliche Ausgang der Sprache alt einer
Maturfrait aus dem Leben und die Nüdfehr der wirklichen Sprade
in das Leben ohne Ausnahme ſich bricht.«
Zuletzt feien mod; die Worte angeführt: »So fließt die geiftige
Bildung und bier insbelondere das Denfen in einer Urſache nicht
ein in das Leben, fondern es iſt jelbit Leben des alſo Dentenden.
Doch ftrebt es notwendig, aus diefem alſo denkenden
Leben einzufliehen auf anderes Leben aufer ibm md
jo auf das vorhandene allgemeine Leben und diejes
nad ji zu geitalten. Denn eben weil jenes Denten Leben
iſt, wird es gefühlt von feinem Bejiger mit innigem Woblgefallen
in feiner belebenden, vertlärenden und befreienden Kraft. Aber
jeder, dem Heil aufgegangen it im feinem Innern, will not:
wendig, daß allen andern dasjelbe Heil widerfahre, und er iſt
fo getrieben und muß arbeiten, daf die Quelle, aus der ihm jein
Wohljein aufging, auch über andere ſich verbreite. Anders
derjenige, der bloß ein fremdes Denlen als ein mög:
liches begriffen hat. So wie ihm jelber defien Inhalt weder
Wohl noch Wehe giebt, fondern nur feine Muße angenehm be:
ſchäftigt, jo fann er auch nicht glauben, daß es einem andern
wohl oder wehe mahen könne, und hält es zulept für einer:
lei woran jemand feinen Scharfjinn übe und momit er
feine mühigen Stunden ausiüllet.«
Was Fichte jo der gejamten fremden, d. b. für ihn toten
Sprache binfichtlich ihrer Wirkung jogar auf das ganze Bolt, das ihr
Träger ijt, zur Yalt legt, das gilt von den völlig unvermittelten,
dem Bolfe ungewohnten einzelnen Fremdwörtern erft recht. Sie
enthalten feine wirtlidy erlebte Anjhauung, und ihr Geiftesgebalt
greift nicht ins allgemeine Leben ein; jondern das Bolt muß
feinen Lebensgang gehen, unberührt, ja veradhtet vom den Aus—
ländern im eigenen Lande, die fih durch den Schmud aus der
Fremde über es erhaben dünten.
So wäre, hoffe ich, der Zweck der vorſtehenden Ausführungen
erreicht, die Fremdwörterfrage im Geiſte der Neden am bie
deutiche Nation zu beleuchten. Ich möchte die Leſer aber auch
angeregt baben, die Reden jelbit umd ganz zu lefen; denn
diejes Wert, wie nad Häufjers Urteil das deutſche Wolf von
Luther bis auf feine Zeit feines wieder erhalten hat, iſt vor anderen
geeignet, der großen Forderung auch unjerer Zeit Gehör zu
ichaffen, die da lautet: rüdhaltlojes Bekenntnis zum Deutichtum
allewege.
Bittau i/S. Theodor Mattbiat.
Die Derdeutihung der Fremdwörter in unferen Jugend-
und DVoltsicriften.
(Antrag ®ermelstirdhen.)
ESchluß.)
Auch ein anderes müſſen wir noch erwähnen, da es für die
von uns vorgeſchlagene Bearbeitung der Jugendſchriften von Be—
lang iſt. Berfafler hat nämlich eine größere Anzahl von Schriften
aus der Scyülerbibliothet feiner Schule von Quartanern und Ter
tianern auf Fremdwörter bin durchieben lafien, und dabei lam
das liberrafhende zu Tage, daß über 40 deutiche Ausdrücke alö
Fremdwörter aufgefchrieben murden, 3. B. ätend, Bodenlule,
Borg, Fiſchreuſe, Felleilen, Flaufen, Hageſtolz, Pilot, Schlappe,
Sumpflade, Zofe. Daraus läht ſich der Schluß ziehen, daß die
Jugendſchriftſteller nicht felten über die Köpfe ihrer Leer hinweg
reden und durch unerflärte, felten vorfommende beutjche Wörter
die Zahl der unverftandenen Ausdrücke beträchtlich vermehren.
Neben den Fremdwörtern wird man auch jelten auftretende
165
166
deutſche Bezeichnungen und Ausdrüde in den Jugendſchriften und
gewiß auch in den Volksſchriften erklären oder erjegen müſſen,
wie es z. B. in den Lejebüchern von Hopf und Paulſiek im
Anhange geſchieht.
Welche gewaltige Arbeit zur bewältigen ſein wird, wenn dem
Antrage Wermelsticchen entiprohen werden follte, möge die Auf—
zählung der befanntejten Jugend- und Bolfsichriftiteller darthun,
von welchen einige über hundert Schriften veriakt haben; wir
nennen: Willibald Alexis (WB. Häring), Berthold Auerbach,
Richard Baron, Ferdinand Bühler, Ferdinand Brunold,
Ludwig Bechſtein, ©. Chr. Dieffenbah, Emil Engelmann,
Wilhelm Fiſcher (aus Wermelsfirchen), Emil Frommel, Fr.
Gerftäder, Dtto Blaubreht, Jeremias Gotthelf, A. W.
Grube, Fr. W. Hadländer, ®. Hauff, I. P. Hebel,
W. Herchenbach, Oslar Höder, Edmund Höfer, Franz Hoff:
mann, ®. DO. von Horn, Friedrich Jacobs, Hermann Klette,
Fr. Ad. Krummader, Franz Kühn, Julius Lohmeyer,
Hermann Majius, Gujav Nierip, Wilhelm DOfterwald,
Franz Otto, Guſtav Plieninger, Wilhelm Naabe, Robert
Neinid, Frip Reuter, B. K. Nojegger, Nihard Roth, Karl
Ruf, Heinih Shaumberger, Ehriftopg von Schmid, Her-
mann Schmid, fFerdinand Schmidt, ©. H. von Schubert,
Guſtav Schwab, Karl Stöber, Julius Sturm, Narl Tanera,
Hermann Wagner, Karl Weile, Franz Wiedemann, —
ferner die Schriftjtellerinnen Iſabella Braun, Klara Gron,
Amölie Godin, Thella von Gumpert, W. Heimburg, Gle-
mentine Helm, Ludovila Hefeliel, E. Marlitt, Marie von
Nathuſius, Luiſe Pichler, Frida Schanz, Johanna Spyri,
E. Werner, Ottilie Wildermuth.
Dies Verzeichnis macht keinen Anſpruch auf Bolljtändigfeit;
unfere großen Klaſſiker find abfichtlich nicht aufgeführt. Die » Be:
fchichte der deutjchen Jugendlitterature von A. Merget, 3. Aufl,
herauögegeben von Dr. Ludwig Berthold (Berlin 1862, Blahn),
fowie der von der Gefellichaft für Verbreitung von Bolfsbildung
Herausgegebene »WMufterfatalog für Bereind-, Bolls- und
Schulbibliotheten« (Hannover- Linden, GC. Manz) geben einen Bes
griff von der Menge mehr oder minder gediegenen Lefejtoffes,
welcher der Augend und dem Wolfe geboten wird. In dem
»Mufterfataloge find weit über 3000 Schriften angegeben, von
denen etwa der dritte Teil auf Jugendſchriften entjällt. Nimmt
man nur 30 als Durchſchnitiszahl der im jedem diejer Werte zu
verdeutihenden Fremdwörter an, jo würde fich die Geſamtſumme
fchon auf 9O— 100000 belaufen, wenn nicht die geläufigften
Fremdwörter in den meijten Werfen mwiederfehrten, wodurch die
Berechnung erjchwert wird.
Wer fol nun die mühevolle und langwierige Verdeutſchungs—
arbeit übernehmen, wenn fie Überhaupt in Angriff genommen
werden fol? Die Kraft eines einzelnen Menſchen reicht für fie
nicht aus noch auch die eines Heinen Vereines, in dem ja be:
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 7/8.
|
kanntlich doch fait alle Arbeit von einigen wenigen Mitgliedern,
oft gar von einem einzigen Mitgliede bejorgt wird. (Es müßte
eine wirklich dazu berufene Genoſſenſchaft gebildet werden, um
jene Riejenarbeit zu erledigen, wenn nicht ſchon eine ſolche be—
ftände, — und das ijt der allgemeine deutiche Sprachverein.
Seine Sache ift ed, es entibricht feinen Beitrebungen, die ge
nannte Verdeutſchungsarbeit auszuführen; ja, feine Erfolge werden
dadurch erjt weitgehend und nachhaltig für die Folgezeit, was fie
aus vielen Gründen, deren Klarlegung uns zu weit führen würde,
bisher nicht waren. Bon dem älteren lebenden Geſchlechte, welches
mit der fyremdwörterei aufgewachien ift, hat man auch eine durch⸗
greifende Beſſerung keineswegs zu erwarten. Unſere Hoffmung
berubt daher auf der Jugend. Sorgt der a. d. Spracverein an
feinem Zeile dafür, daß von ihr die Fremdwörter möglichft fern
gehalten, daß alle deutſchen Bücher, welche fie in die Hand bes
fommt, von den ausländiſchen Ausdrüden gereinigt werden, fo
darf er von dem fünftigen Gejchlechte erwarten, daß es die Reins
heit der Mutterfpradje als heiliges Vermächtnis unverjehrt erhält.
Die und wünſchenswert erfcheinende Ungeübtheit der Jugend und
des fünftigen Gejclechtes im eigenen Gebrauche der Fremdwörter
braucht die Kenntnis der Bedeutung etwa vorlommender fFremd-
wörter durchaus nicht auszuſchließen: jorgt doch für ein ſolches
Verjtändnis der fremdiprachliche Umterricht in den höheren Schulen
und bie Erklärung der häufigften und unentbehrlichiten Fremd—
wörter in allen, auch in den Bolfsfchulen; fie bildet eben einen
befonderen Abſchnitt in der Lehre von der Nechtichreibung.
In der Verdeutihung unferer Jugend: und Boltsfchriften hat
der a. d. Sprachverein das bejte Unterpfand für die Erreichung
der von ihm angeftrebten Ziele. Wie ihm die Berdeutihungsarbeit
am ehejten zutommt, jo ijt fie für ihm auch am danfbarjien.
Sicher fann man es zudem einen großen Fortfchritt nennen, wenn
von der Berdeutfchung einzelner Wörter, wie fie unſere biöher
veröffentlichten Verdeutſchungs⸗ Wörterbücher aufweifen, zur Ver—
deutſchung ganzer Säge und Schriften übergegangen wird. Denn
in Wörterbüchern die bloße Übertragung einzelner Wörter außer
dem Zufammenbange mit anderen vors Auge zu führen, hat für
unfere Beitrebungen einen ähnlichen Erfolg, als wenn man zur
Erlernung einer fremden Sprache nur die Wörter einzeln, los:
gelöft aus dem lebensvollen Zufammenbange, auswendig lernen
wollte, anftatt ihre Bedeutung im Safganzen leicht und unver:
lierbar zu erfajjen und die derart eingeprägten Wörter jpäterhin
mit anderen gelernten wieder zu einem neuen lebensvollen Satz—
ganzen zu verbinden und finngemäß, aljo ſynonymiſch richtig zu
verwenden. Es thäte uns eben ein Berdeutichungsbucd not, worin
jedes Fremdwort in den verjciedenjten Wendungen und Auf
fafjungen verdeuticht vorfime!
Der Zweigverein Wermelsfirhen hat num in jeinem Antrage
den Gefamtvoritand des a. d. Spradjvereins gebeten, er möge
geeignete Kräfte gewinnen, um die erwähnte Arbeit nach und
nad) zur Ausführung zu bringen. Es iſt freilich Sache des Ge:
famtvorjtandes, wie er die betreffenden Kräfte beranzieht, und es
follte ihm dabei auch möglichjt freie Hand gelafien werden; doch
möge es uns gejtattet fein, kurz darzulegen, wie wir uns bie
Sache denten. Der Sejamtvorftand würde nach reiflicher Prüfung
eine Anzahl ihm geeignet ericheinender Perionen auswählen und
allen Zweigvereinen ein Verzeichnis derjelben behufs ergängender
Vorschläge unterbreiten. Nachdem leptere an den Gejamtvoritand
gelangt find, ſtellt diefer ein neues Verzeichnis auf und verjendet
es wieder an die iweigvereine zum Zwecke der endgültigen Wahl
des jogenannten Verdeutſchungs-Ausſchuſſes. Der Verdeut—
ſchungs-Ausſchuß wählt endlich aus feiner Mitte einen Vor—
fipenden, welcher das ganze Berdeutfchungsiwert zu leiten umd zu
regeln hat.
Der genannte Ausſchuß trifft zunächſt eine Auswahl der in
Frage kommenden Augend= und Boltsichriiten und ſetzt die Reihen—
folge feit, in welcher die Verdeutfchungsarbeit an den Werlen der
verichiedenen Berfafer jtattfinden joll. Wenn der Antrag Wermeld-
firchen von den »gangbarjten« Jugend» und Bolksfchrijten ipricht,
fo möchten wir den Begriff »gangbar« (hier im Sinne von viels
gelefen) nicht zu eng gefaßt wiſſen und nicht andere einschlägige
Schriften ausichliehen, welche viel gelefen zu werden verdienen,
aber erjt in den legten Jahren erichienen find. Wir denten bier
3 B. an die Werke von Karl Tanera, welche befonders geeignet
167
find, das nationale Bewußtſein zu fräftigen. Hinſichtlich der
»Entbehrlichleit« vieler Fremdwörter mag es verjchiedene Ansichten
geben; doch wird unferes Erachtens darüber unſchwer eine Einis
gung zu erzielen fein. Jedenfalls dürfte es ratjam fein, nicht
allzuitreng vorzugehen.
Bei der Bearbeitung der ausgewählten Schriften zieht der
Verdeutſchungs⸗ Ausſchuß alle geeigneten und verfügbaren Sräfte
der Zweigvereine in entfprechender Weife zur Mitarbeit heran,
fei es, daß alle gleichzeitig eine Schrift bearbeiten und das Er-
gebnis zur endgültigen Prüfung und Sichtung einfenden, ſei es,
daß die Zmweigvereine in Gruppen geteilt werden und die vers
ſchiedenen Gruppen verichiedene Schriften zu bearbeiten haben,
was wegen Erſparung von Koſten ratjamer erjcheint. Vielleicht
ift es noch bejier, wenn jeitens des Verdeutihungs: Ausichufies
Vorarbeiten gemacht und dieſe den Zweigvereinen zur Begut—
achtung und Abitimmung überjandt werden.
Gehen wir nun zu der Frage über: Wie foll die Werdeut:
ſchung geſchehen? Bei der Beantwortung derjelben möchten wir
vier Fälle unterfcheiden: 1. Die Verdeutihung wird als Fußnote
unter dem Text angebradit; 2. fie wird in Klammern hinter das
Fremdwort gefept; 3. das Fremdwort wird im Texte verbeuticht
und aus Achtung gegen den Verfafler in einer Fußnote angegeben;
4. die Verdeutſchung wird einfach an die Stelle des Fremdivortes
gelegt und legteres ganz audgelafien.
Die erjigenannte Art der Verdeutſchung erfcheint uns not=
wendig in den Fällen, mo das Fremdwort oder die ausländifche
Nedensart ald Fennzeichnend ſtehen bleiben muß, 3. B. bei wört: |
lich angeführter Rede, in der die Weglaflung oder Ergänzung
durch die deutjche Übertragung die Schilderung der Eigentümlich—
feit der redenden Berfon abſchwüchen und ſchüdigen würde. Hier—
bin vechnen wir beifpielsweile das Kauderwelſch des Riccaut de
la Marliniere in Lejjings » Winna von Barnheim« (4. Aufzug,
2. Auftritt), ferner mehrere Äußerungen Friedrichs des Großen
in Franz Hoffmanns »Ühre Vater und Mutter«e (Stuttgart,
Schmidt und Spring), z. B.
»Ich glaube, Er wäre beinahe ein ebenfo guter maitre de
plaisir') wie General. — — Ja, Meſſieurs), General werden
iſt nicht jo leicht wie Sie alle wijien, und darum habe ich allen
Rejpett?) vor unjerm Wirte uſw.«
) Feſlordner, Vergnügungsrat; ?) meine Herren;
) ächtung (bier ift die Überfegung am Ende überflüfig).
Diefes Beijpiel könnte auch als Muſter dienen zu der zweiten
Art, die Verdeutſchung anzubringen, nämlich der Anfügung in
Klammern hinter dem fremdländiichen Musdrude, wenn dieſer
furz it und nur ein Wort oder einige Wörter enthält. Ein anderes
Beijpiel diefer Art ſei angeführt aus den vielverbreiteten » Schwarz:
wälder Dorfgefcdichten« von Berthold Auerbach (Stuttgart 1884,
Cotta). In der Geichichte »Nach dreißig Jahren« heißt es im
zweiten Teile (»Der Tolpatſch aus Amerifae):
Wenn der Umerifaner ein Haus buildet (baut), will er auch
eine gute view (Ausſicht) haben; davon verjteht das people (Bolf)
bier nichts. (Bd. IX, S. 187.)*)
Die Anwendung dev Klammern hinter dem unentbehrlichen Fremd—
wort empfiehlt ſich aud in Erzählungen oder Beichreibungen, in
welchen ein bejtimmter Stand eine Rolle jpielt, deſſen Titel und
Benennungen nod) nicht allgemein verdeuticht find, z. B. in Schil-
derungen aus dem Soldatenleben. Da wird man gewiſſe Aus:
*) Die eingeflammerten Uberjegungen jehlen in der Urſchriſt
Beitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradhvereind X. Jahrgang. 1895. Nr. 7/8.
168
drüde wie General, Major, Regiment, Bataillon, Divifion fogar
einfach stehen lafien müfjen; es würde fich freilich empfehlen, zum
beijeren Berjtändnifie für ſolche, welche nicht gedient haben, ein
Verzeichnis von kurzen Erklärungen der betreffenden Auzdrüde
zu Anfang oder am Schlufie der Schrift anzubringen. Hierher
gehören auch die jogenannten Provinzialismen oder » Landmwörter«
(Leibniz), welche nur in gemwiffen Gauen oder Landſchaften ge:
braucht werden und der Rede eine örtliche Färbung geben. In
dem Bollsbuche »Häthi, die Großmutter von Jeremias Gott:
helf fommen z. B. die Ausdrüde > häfige (— ungehalten), »Lün-
gizit · (— Langeweile) und »läß« vor, dem in der uns vorliegenden
Ausgabe (Berlin 1889, Julius Springer) das ffremdivort »fatal«
ala Erklärung beigegeben ift.
Zu wünſchen ift ferner, daß fremdiprachlichen Wahlſprüchen
am Kopfe einzelner Kapitel oder auf dem Titelblatte die Über:
ſetzung beigefügt werde,
Drittens lann man die Verdeutſchung im Texte anbringen
und das Fremdwort, aud wenn es entbehrlich ift, aus Achtung
gegen den Verfafjer als Fußnote angeben. Wis Beifpiel wählen
wir cine Stelle aus Gottfried Kellers Roman »Der grüne
Heinrich« (Berlin, W. Herh):
Nur zwei Dinge waren mir in diefer Schule quälend und un-
heimlich uw. Das eine war die büjftere Weife des Strai-
richters!), im welcher die Schulzucht?) gehandhabt wurde. Ci
lag dies teils noch im Geiſte der alten Zeit, an deren Grenzen
wir jtanden, teils in einer befonderen ?) Qiebhaberei der Berjonen,
und jtimmtet), übel zu dem übrigen guten Ton. Es wurden
ausgefuchte peinliche und entehrende*) Strafen angewendet au
dies zarte Lebensalter, und es verging fajt fein Monat obne
feierliche Strafvollitredung®) an irgend einem armen Sünder.
(I, ©. 93.)
*) frimimaliftifche Weife; ) Schuljuftiz; *) Privatz; *) bar
monierte; ) injamierende; *) Exekution.
Die vierte und legte Form der Verdeutichung, bei welcher man
rüdjichtslos das Fremdwort ganz ausläht, jept das Einverjtändnit
des Verlegers und des Verſaſſers oder jeiner Erben voraus.
Es ſoll nun durchaus nicht gejagt werden, dab man, wenn
es irgend eine Jugend» oder Voltsichrift von Fremdwörtern zu
jäubern gilt, nur die eine oder nur die andere der angeführten
Arten der Verdeutihung anzumenden hat; nein, gewöhnlich wird
man je nach dem vortommenden Fremdworte oder der auftretenden
ausländifchen Redensart die Verdeutſchung in dieſem Falle io,
in jenem falle anders anbringen. Zu vergejien ift nicht die Gr
tlärung der felten gebrauchten deutſchen Ausdrüde, welche dem
unerfahrenen Leer leicht ald Fremdwörter ericheinen.
Wollten wir nun dem uns gewordenen Auftrage gemäh an
einer einzigen Jugendſchrift ald an einem Muſterbeiſpiele umere
Verdeutſchungsweiſe zeigen, jo würden wir in Verlegenheit geraten,
eine Scrift"zu finden, im welder alle oben angegebenen Falle
oder doc) die meiſten derjelben vortommen. Und fänden wir wirt:
lich eine jolde, dann würde zu viel Raum beanſprucht, um die
volljtändige Bearbeitung derjelben an diefem Orte vorzuführen.
Zudem glauben wir annehmen zu dürfen, daß der geneigte Yeier
nach unieren bisherigen Darlegungen kaum mehr im Zweifel über
unfere Behandlungsweife jein wird. Ob unjere Vorichläge al
gemeine Billigung finden, bleibt freilich abzuwarten.
Nehmen wir jedoch an, der a. d. Sprachverein babe ſich von
der Notwendigkeit einer Berdeutihung der fraglihen Schriften
überzeugt und in der als beiten erfannten Weije die Verdeutihung®
Die VIIL Haupfverfammlung .
des
allgemeinen deutfhen Spradvereins
zu Graz
findet am 20, und 21. Juli 1895 itatt.
SER — —
SFeft- und Tages-Ordnung.
Freitag, den 19. Juli, abends 8 Uhr: Vorfeier in den Annenjälen (gegenüber dem Bahnhofe). Begrüßung der
Säfte durch den Feſtausſchuß. — Militärfonzert. Licdervorträge des Grazer Männergejangvereins.
Sonnabend, den 20. um 8 Uhr (bei jchönem Wetter) Gemeinfamer Morgenkaffee im Stadtparte. 91/, Uhr morgens:
Erjte geihäftlihe Sitzung im Stadtratianle des Rathauſes (Hauptplap).
Tagesordnung:
1. Eröffnung und Begrüßung der Verſammlung durch den Vorſitzenden des Gejamtvereins und bon
Seiten der jteieriichen Zweigvereine.
2. Prüfung der Vollmachten. (Vol. Ausführung 1.)
3. Vorbereitung der Wahlen zum Gejamtvorjtande. (Vgl. Ausführung 2.)
4. Bericht des Vorjigenden über die Vereinsthätigkeit jeit der Koblenzer Hauptverjammlung.
5. Bericht der Nechnungsprüfer über die Rechnung des verflofjenen Gejcäftsjahres und Erteilung
der Entlajtung. (Vgl. Ausführung 3.)
6. Wahl von Prüfern der Rechnung des laufenden Geichäftsjahres.
7. Borlegung eines Boranichlages für das fommende Geſchäftsjahr.
8. Beichlußfaffung über den Antrag des Zweigvereins Wermelskirchen. (Vgl. Ausführung 4.)
2 Uhr: Gemeinjames zwanglojes Mittageffen auf dem Schloßberge. (Auffahrt mit der Drahtjeilbahn.)
4 Uhr 45 Min: Fahrt vom Südbahnhofe nad) Judendorf. Rücktehr von dort um 10 Uhr 34 Min.
Sonntag, den 21. um 8 Uhr: Gemeinfamer Morgenkaffee im Stadtparle.
9 Uhr morgens: Zweite geihäftlidhe Sitzung im Stadtratjaale.
Tagesordnung:
1. Bollziehung der Wahlen zum Gejamtvorjtande.
2. Beſprechung über den Drt der nächſten Hauptverjammlung.
3. Beſchlußfaſſung über den Antrag der Zweigvereine Darmftadt, Eger, Reichenberg und Troppau.
(Bol. Ausführung 5.)
11 Uhr vormittags: Öffentliche Situng im Ritterſaale des Landhaufes (Herrengafle).
Tagesordnung:
1. Begrüßung durch die Behörden.
2. Fejtvortrag des Heren Profeffor Dr. Dunger über »die Bereicherung des Wortichaßes unferer
Mutteriprache.
3. Verkündigung einer Preisaufgabe durch den Schriftführer, Herrn Prof. Dr. Pietſch.
1 Uhr mittags: Feftmahl im Saale des Grazer Klubs.
4 Uhr 38 Min.: Abfahrt nad) Leoben. Begrüßung der Gäjte durch den dortigen Zweigverein. (Dieje
Fahrt findet bei jedem Wetter jtatt.)
Montag, den 22. um 7 Uhr 45 Min.: bei jchönem Wetter Ansflug zum Erzberge. (Val. Ausführung 6.)
Feſtlarten werden nur an Mitglieder des allgemeinen deutichen Spradjvereins und deren Angehörige aus:
neneben. Für jedes Familienglied ift eine Karte zu löſen. Der Preis der Feſtkarte beträgt 3 Gulden oder 5 Mark.
Er fließt den Betrag der Eifenbahnfahrkarten nicht ein.
j Die Feftlarten und Schleifen (in den Farben der Steiermark) werden vom 1. bis 16. Juli bei dem Gejchäftsführer
und Zahlmeifter des Grazer Zweigvereins, Herm Buchhändler Hans Wagner in Graz (Dauptplag; im Natbaufe) ausgegeben.
Gegen Einfendung von 3 Gulden 15 Ser. (5 Mark 30 Pi.) wird die Feſtlarte ſamt Schleife poftfrei zugefandt. Sie beredjtigt zur Teil:
nahme an allen Feitveranftaltungen in Graz.
Die Teilnehmer werben gebeten, die Schleife bei allen Feitveranftaltungen zu tragen. Unerläßlich ift dies bei Benupung
der Drabtfeilbahn auf den Schlohberg und der Eifenbahn nad und von YJudendorf.
Etwaige Anfragen wegen einer Unterkunft in Graz find an Herrn Buchhändler Hans Wagner (f. o.) zu richten.
Ausführungen.
1. Da nad) Satzung 21 bei der Hauptverfammlung fein Mitglied mehr als 20 Stimmen führen darf, aber
auch feines eine Vollmacht ohne Genehmigung des Auftraggebers an andere übertragen fan, jo iſt es — um
unnötige® Hin- und SHerichreiben zu vermeiden — wünjcenswert, daß die Wollmachten, welche die Zweigbereine
ausftellen, von vornherein mit einem entiprechenden Zuſatze veriehen werden, jo daß fie etwa wie folgt lauten:
Vollmacht.
Im Auftrage des Vorſtandes des Zweigvereins erſucht der Unterzeichnete Herrn
die Vertretung des Zweigvereins bei der 8. Hauptverſammlung zu übernehmen.
Sollte das von uns durch diefe jchriftliche Vollmacht mit unferer Vertretung beauftragte Mitglied ſchon 20 Stimmen
führen, alfo nad) der 21. Sakung feine Stimme mehr annehmen dürfen,
fo bitten wir { diefe Vollmacht umgehend an den Unterzeichneten zurüdienden zu wolllen. —
dieſe Vollmacht an irgend ein anderes Mitglied zu übertragen, das an der Haupwerſammlung teilnimmt.
2. Der 6. Beſtimmung unferer Geichäftsordnung gemäß jcheidet von den 36 Mitgliedern des Geſamt—
vorjtandes jährlich der dritte Teil nach der durch die Zeit der Wahl bejtimmten Reihenfolge aus. Hiervon werden
zu Ende d. J. 1895 folgende 12 Herren betroffen:
1. Dr. Rudolf von Bennigjen, Ober: Präfident der Provinz Hannover, Ercellenz, in Hannover.
Landgerichtsrat Karl Bruns in Torgau.
Wirfliher Geheimer Rat Freiherr von Cramm-Burgdorf, Excellenz, in Berlin.
Profeſſor Karl Erbe in Stuttgart.
Geheimer Medizinalrat Dr. Friedrid von Esmarch, Univerfitätsprofeffor in Kiel.
Martin Greif, Schriftiteller in München.
Geheimer Rat Hugo Häpe in Dresden. (Stellv. Vorfigender des Gejamtvereins.)
Dr. Ferdinand Khull, Symmafialprofeffor in Graz.
9. Geheimer Ober-Negierungdrat Dr. R. Köpke, Vortrag. Rat im Kultus Minifterium in Berlin.
10. Dr. Edward Lohmeyer, Bibliothekar in Kaſſel.
11. Dr. Raul Pietſch, Univerfitätsprofeffor in Berlin. (Schriftführer des Gejamtvereins.)
12. DOberftudienrat Dr. Preſſel in Heilbronn.
Indem der Gejamtvoritand die Wiederwahl diejer Herren empfiehlt, bringt er auf Grund der Geſchäſts—
ordnung außerdem noch folgende Namen in Vorſchlag:
Profeffor Dr. Beer in Leipzig.
BolizeisPräfident von Brandt in Königsberg.
5 W. Eigen, Kaufmann in Hamburg.
Geheimer Regierungsrat Fritich in Kaſſel.
Profeſſor Friedrih Hermann in Norden.
Dr. Paul von Hoffmann=Wellenhof, Neichstagsabgeordneter in Graz.
Dr. Mally, Stadtarzt in Marburg a. d. D.
Dr. Alois Pogatſcher, Univerjitätsprofeflor in Prag.
Rojtmeiiter Schmidt in Nürnberg.
Dtto Graf Vipthum in Dresden.
. Dr. Rihard Weitbrecht in Wimpfen.
. Dr. Wülfing in Bonn,
nen mw
PN pPBmmn
— — —
*655
Einnahme.
Beitand aus dem Borjahre
1. Jahresbeiträge von 481 unmittelbaren Wit:
abo
nliedern, - - - 2
2. Beiträge von 159 Zweisnereinen
und zwar:
a. nachträglich für das Jahr 1893: ME.
Beruburg 2 ME. — Bonn 2ME. — Upernowig
1,64 Mi. — Emden 2 Mt. — Heilbronn 2 Mt.
— Konkanz ir — Binz 6,51 Mt. Liber
sw, — Prag 8,14 Mt. — Eaariouis 4 Mt.
— Troppau un gut, — Grimma 6 Mt. —
Laibach 81,77 Mt. — Innebruck 1,64 ME.)
b. für das Jahr 1894... .. >»
(Boden M Mt. — Aunaberg DOM, — Araber DM, —
Arnſtadt 196 Mi. — Wrndwalde DO ME — Aurich SSEME. —
Ballenitebt OD ME. — Barmen 100 Mt. — Berlin: Ebarlottenburg
161 Mt — Bernburg 46 MU. — Bitterfeld 74 Mt, — Manten-
bura 2O ME. — Bochum 3 Mt. — Bonn 510 Mi. — Boppard
SIME, — Braunſchweig 481,50 Mt. — Bremen 74 Mt. — Bres—⸗
lau 100 Mt. — Bruchſal 63,65 DM. — Brilffel 78 Mt. — Butte⸗
bude EM. — Celle 62 Mt. — Ehemnip 106 Mt. — Esemowig
67,16 Mt. — Tanzig 78 ME. — Darmitadt 35,50 ME. — Demmin
35 Mt. — Döbeln Fi ME, — Dortmund HKM. — Dresden 600 Mt.
— Duisburg UM — Duſſeldorf 231 Mi. — Eger 81,57 Mt
142,45
20 367,93
Eiberield 310 ME. — Elbing 22,75 Mt. — Ülbingerode 40 Mt.
Emden 36 Mt. — Eichwege 5 Mt, — Eiien 22 Mt. — Frant⸗
furt RR. WDOME. — Zrelbera US. MM. — freiburg VBr.
184 Mt. — Gablon; 130,51 Mt, — Geislingen BR. — Blei:
wip 108 Mt. — Gueſen 7a Mt. — Wörle 96 DU. — Graz
Fiat, — Greiz KIM. — Grimma RE ME. — Hannover
Sba tt. — Hamburg 33 ME. — Halle 230 Mt. — Halberftabt
gaant. — Heidelberg BEME. — Heilbronn 36 Mt. — Heiligen:
ſtadt DO ME. — Helmftene Mt. — Holsminden 152Mt, —
Homberg 4,77 Mt. — Hom TOAIME — Iglau 87,70 Mi. —
Annösbrud 227,10 Me. — Rafiel 734 ME. — Kemwen 102 Dit. —
Kiel 15H ME, — Koblenz ERO ME. — Stolberg 40 ME. — Molderg
20 Mt. — Kolmar 164,10 Mt. — Köln EI ME. — Königsberg
191 Mi, — Königshütie o mt. — KHonitanz 32 ME. — Koſchmin
Bm. — - Kütben' 34 Mt. — Strefeld 100 WI. — rem 146,61 Mt.
— Arotoſchin IEME — Laibach 40,78 Di, — Leer dOME —
Lelpa 62,30 Mt. — Lehpzig 314 Mt, — Leltmerig 65,63 Mt, —
Leoben Mal ME. — Liraniy 44 ME. — Linz, 153,58 Mt. _
Lohr IB ME — Lbel 2 — Dingdeburg 72Mt. — Mal⸗
land 360 —* — ag 104 ME. — Marburg 4,12 Mt. —
—— — — Marienwerdet 100 Mt. — Memei 685 Dit,
— Minden 1. 135 Mt. — Münden 280 Mt,
Henn. en 142 Mt. — Münfter 300 MU. — Neunkirchen
BO — Neuruppin 108 ME. — Neutitihein 49,8 Mt —
Norden 144 Mt. — Nordhausen 8 Mt. — Nürnberg TE ME. —
Dldenburg SO Mt. — Dsnabrüädtbs Mt. — Pforzheim 39,80 Mt.
— Pirna 56 M. — Plauen H6 Mt. — Plön dAME. — Bofen
14,5 Mt. — Potsdam DOM. — Prag 112 ME. — Queb⸗
Unburg 108 Mi. — Natibor 186 ME. — Reicenberg 33,43 ME.
Rofiod 44 Mt. — Enarbriden 1365 Mt. — Saarlouis ME. —
Scildberg 4 Mt. — Schopfheim 64 Mt. — Schwerin BE RE. —
Slawenpig 180ME. — Sobernheim 40,05 Rt. — Sonneberg 76 ME.
— Stettin 178 Mt. — Stolberg 8 Mt. — Stolp iR. 60,54 Mit.
— Etraljund 57,80 Mt. — Straßburg VE. 114 ME. — Sturtgart
178 ME, — Sulingen HIME. — Teplig 149,84 Mi, — Tilfte 34 ME
3* sm. — Trier 160 ME, — Troppau 143,55 Ri. —
ge 23 mr — Um HM — Verden 64 DE. — Versmold
Rt. — Wermeletirchen GO Mi. — Weſel 155 ME. — Wehlar
Too met. — Bien 192,5 Mt. — Wiesbaden 62 Mt. — Wilhelms»
baven 19,80 Mt, — Wolfenbilttel 64 ME. — Wolmireleben SO At.
Borbls DARE, — Beig HOME. — Berbft 195 ME, — Bittau LOLEME,
_ Bihopan 40,06 Inf, _ —e samt. — gieidan 76 ME.)
- Geichenfe - - -
. Für berfanfte druaſachen
An Zinſen:
525,50
175,80
a. vom Vermögen . Dit.
b. von vorübergehend angelegtem Gelde
An Verſchiedenem
3. Überſicht der Rechnung für das Jahr 1894.
GT
3384 84
1902.00
20 510.38
1145 35
771 78
|
70130
4456
25 460 21
I. Seihäftsführung:
a. Schreibhülfe . mt. 1540,35
b. Bolt und Fradtn -» -» - > 1344,39
2. Bücherei - - -
3. Hanptverfemmiung un Vorftandsfigungen
4. Zeitſchrift:
a. Schriftſold Mt. 2 457,02
b. Papier, Drud und Berfendung» 7022,11
5. Wiffenichaftlihe Beibefte:
a. Schriftjold mt. 1384,00
b. Papier md Drud. . . „ _» 2008,43
6. Drudiachen für die Bewegung - - = + +»
7. Reiſen für die Beweauun 00.
n
: Berihiedenes - . - -
Demnad) Hafenbeitand, Bantguthaben mb bar,
zum Übertrage in die Rechnung von 1895
/
/
/
Ausgabe.
9479
25 46021
Nachweiſung des in Stantöpapieren angelegten Vereinspermögens:
5 Stüd 3°/,°/, Deutjche Reichsanleihe Lit. B. Nr. 35491/95 je 2000 Mt... . 10000 Mt.
1» 3,9%, preuß. — Staatsanleihe Lit. B. Nr. 21710 . . . er 2000 »
Gb» 3, 8 > Lit. D. Nr. 328349/54 je 500 Mt. 3000 »
Zujanmen 15000 Mt.
— ng des allgemeinen deutfhen Spradvereins
ax Jähns
u :
Eberhard Ernfi.
Schatzmeiſter und Gejchäftsführer.
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4. Antrag des Zweigvereins Wermelskirchen.
„Der Gejamtvoritand des allgemeinen deutſchen Sprachvereins wolle geeignete Kräfte gewinnen, um nad und nad
die Verdeutfchung der entbehrlichen Fremdwörter und ausländischen Redensarten in unjeren gangbarjten Jugend:
und Vollsſchriften zu bewerlitelligen.”
5. Gemeinjchaftliher Antrag der Zweigbereine Darmftadt, Eger, Reihenberg und Troppan.
$3 der Sapungen des allgemeinen deutihen Spracdvereins bat fürderhin wie folgt zu lauten:
„Der Verein hält mit aller Strenge den Grundjaß befonnenen Mafihaltens aufrecht und verwirft alle Übertreibungen.
Die Frage der Nechtihreibung jchlieht der Berein zunächſt von feiner Thätigleit aus.
Alle wie immmer gearteten Beröffentlihungen des allgemeinen deutfhen Spradvereins
haben in deutſcher Druck-beziehungsweiſe Schreibichrift zu erfolgen.“
Für den Fall der Ablehnung bdiefes Antrages ftellen die vier Zweigvereine folgenden Antrag auf Abänderung
ber Gejhäfttordnung:
$ 24 der Geichäftsordnung des allgemeinen deutſchen Spradjvereins hat fürderhin wie folgt zu lauten:
„Alle wie immer gearteten Berdffentlihungen des allgemeinen deutihen Sprachvereins
haben in deutiher Drud- beziehungsweile Schreibſchrift zu erfolgen. — Im übrigen gelten die
bisherigen Gewohnheiten.“
Für den Fall der Ablehnung, beider vorjtehender Anträge ftellt der Zweigverein Reichenberg und Um:
gebung nod folgenden Sonderantrag:
Da der Hauptvorjtand des allgemeinen deutſchen Sprachvereins im neuerer Zeit oft willtürlich und ohne
zwingenden Grund von der früheren Gepflogenheit alleinigen Gebrauches deutfcher Präge abging, wird er von
der zu Graz tagenden Hauptverfammlung beauftragt, ſich bei allen, wie immer gearteten Veröffentlichungen des
Geſamtvereins, wie des Gefamtvorftandes ausſchließlich nur deutjcher Präge zu bedienen und lateinifchen Drud
hödjtens bei Fremdwörtern zu gebrauchen.
6. Ausflug zum Erzberge.
Montag, den 22, Juli früh 7 Uhr 55 Min.: Fahrt auf der Vordernberger Bergbahn nad Brebichl. 9 Uhr
15 Min.: Abfahrt von Prebich! mit der Erzbahn nah Wismath. Bon dort Wanderung zum Berghauie
(”/, Stunden ohne Steigung; mit Bejteigung der Spite des Erzbergs 1'/, Stunde). Beſichtigung des Tagbaues
Gemeinjames Mittagsmahl (Gedech: 1 Gulden). Um 3 Uhr: Abjtieg nad Eijenerz für ſolche Teilnehmer,
die Über Hieflau oder das Gefäufe nach Oberöſterreich reifen;') nad) Wismath für diejenigen, melde nach
Leoben zurüdfahren. ?)
Wer den Ausflug auf den Erzberg mitzumachen gefonnen ift, wird gebeten, dies bis ſpäteſtens zum
Abende des 19. Juli (1O Uhr) brieflich oder (bei der Worfeier) mündlich) dem Obmann des Grazer 3.:8. Herm
Dr. Ferdinand Khull (Wielandgaffe 2) oder dem Obmann des Feſtausſchuſſes, Herm Univerfitätsprofefior
Dr. Julius Hratter (Humboldjtr. 3) befannt zu geben.
1) Abfahrt von Eijenerz nah Hieflau nadım. 5 Uhr 17 Min. oder 8 Uhr abends. (Gepäd muß von
° Leoben bis Eifenerz oder Hiellau vorausgeichicdt werden.)
2) Bon Wismath mit Rutſchhunden durch den Erzberg nad) Prebichl. Ankunft in Leoben S'/, Uhr abends.
(Etwaige Inderungen der Abfahrtözeiten werden an Ort und Stelle mitgeteilt.)
169
arbeit an einer Anzahl jener Schriften ausgeführt, fo fragt es fich,
wie fie nupbar gemacht werden fol. Nach unferer Meinung würde
alsdann der Geſamtvorſtand oder der Verdeutſchungs-Ausſchuß,
wenn Werte ſchon verjtorbener Schriftiteller in Frage kommen, —
und diefe empfichlt es fich zuerit in Angriff zu nehmen — ſich
an den betreffenden Verleger und an die Erben des Berfafiers
wenden mit dev Bitte, die gemachten Verdeutſchungen in ber
nächiten neuen Auflage zu verwerten. Handelt es fich um Werte
noch lebender Echriftjteller, jo wäre biefen gegenüber dasjelbe
Verfahren einzufchlagen und die weitere Bitte hinzuzufügen, bei
neuen Werten die fremden Wörter und Ausdrüde nach Thunlich—
feit auszuichließen. Daß diefe Berhandlungen in jehr zarter Weile
geführt werden müſſen und ſtellenweiſe tiplich fein fönnen, wollen
wir uns nicht verhehlen. Indeſſen haben jchon etliche Schriftiteller,
u.a. Guſtav Freytag, in neuen Auflagen ihrer Werte die ent
behrlichen Fremdwörter durch deutjche Ausdrücke erjegt, was gewiß
rühmend anzuerkennen tft, wie es auch Berlagshandlungen giebt,
welche den von ihnen beichäftigten Schriftitellern die möglichite
Vermeidung der Fremdwörter zur Pflicht machen. Noch ift der
Fall ins Auge zu ſaſſen, daf ein Werl (30 Jahre nach dem Tode
des Verſaſſers) freigegeben iſt. Da könnte der a. d. Spradverein
die Herausgabe einer neuen, ſprachlich gereinigten Auflage ver—
anlafien oder jelbjt in die Hand nehmen und dadurch jowohl feine
Beitrebungen unmittelbar fördern al$ auch ſich eine ergiebige neue
Einnahmequelle verihafjen. In Beziehung auf Zeitfchriften und
Tagesblätter mu es mit der Bitte an die Schriftleitung fein
Bewenden haben, die Fremdwörter thunlichit fernzuhalten.
Wir find zu Ende gelangt mit unjeren Vorichlägen, melde
dem Wunſche des Gefamtvorjtandes gemäß » zunächt in unverbind-
licher Weiſe im Sreife unjerer Bereinsmitglieder erwogen, durch:
dacht und dadurch der Reife entgegengeführt werden mögen«, wie
uns der Vorfitende des a. d. Spradjereins Dr. Mar Jähns
nad) Überfendung unjeres Antrages ſchrieb. Sie auszuführen ift
gewiß feine leichte Sache; man wird uns beiftimmen, wenn wir
jie eine Riejenarbeit nennen im Hinblid auf die gewaltige Menge
der ſprachlich zu reinigenden Schriftwerle. Aber fie wird unferes
Erachtens gleichwohl in abjehbarer Zeit zu bewältigen fein, wenn
alle tauglien und verfügbaren Kräfte des a. d, Sprachvereins
fih in den Dienft der guten Sache ftellen oder zur Mitarbeit
gewonnen werden.
Was wird nun der Erfolg der glüdlicd ausgeführten Ver—
deutichung der Fremdwörter in allen hervorragenden Jugend
und Bollsichriften fein? Welchen Einfluß werden die fprachlich |
gejäuberten Schriften in Zukunft auf ihre Lejer ausüben? Wir |
glauben antworten zu dürfen: Wie die betreffenden Schriften in
der Form deutſcher geworden find, werden fie auch vorteilhafter
auf das Sprachgefühl des Leſers einwirken und ihm einen
gegen ehemals wertvolleven, weil unvermifchten und unverfälichten |
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 7/8,
Schatz deutſcher Sprachgebilde überliefern. Der Leſer wird bei
der Einfleidung eigener Gedanten das Spraclleid dem gewonnenen
Spradhichage entnehmen und jicd in Wort und Schrift einer
reinen, Maren, echtdeutichen Ausdrucksweiſe befleipigen. Neben
jeinem Sprachgefühl wird fein Geſchmack derart gebildet werden,
daß er an den Erzeugniffen der Schundlitteratur nicht nur feinen
Gefallen findet, ſondern daf fie ihn abftohen, ja aneleln. Schon
jet ftellt Profefior Neyer in feiner oben erwähnten Schrift
(S. 18) die erfreuliche Thatſache ſeſt, »daß fat ausnahmslos
Werle ohne tieferen Gehalt fih troß Reklame (Anpreifung) nur
furze Zeit halten.« Künftig werden ſolche Machwerle noch weniger |
Liebhaber finden und wird ſich — das hoffen wir — unſere Bor-
ausjagung erfüllen: |
170
Dann flieht die Füge, die Gemeinheit,
Die fremdes Wort ald Mantel fucht,
Und mit der Mutterjpradye Neinheit
Kehrt wieder alte deutihe Zucht.
Es dürfte im ganzen von der Verdeutfchung der Jugend - und
Vollsſchriften eine Stärfung des deutihen Vollstumes, eine
Kräftigung des nationalen Bewuhtjeins zu erwarten fein.
Ohne die beftändige Unterftügung durd die Erzieher von jung
und alt, ohne die Mitwirtung der mahgebenden Perſönlichkeiten
in Familie und Schule, in der Kirche und vielleicht auch im Heere
werden indes alle Bemühungen des a. d. Spradjvereins eitel jein.
Bon der Familie befonders, in deren Schoße das Heine Menſchen—
find, und zwar mamentlid) durd die Mutter, mit den Saupts
gebitden der Mutterjprache befannt gemadjt wird in einem Alter
desjelben, wo die Beeinflufjung am größten und ungehenmteften
und das geiftige Wachſstum am bedeutendften if, — von der
Familie darf man vielleicht und möchten wir am meijten für
unjere Bejtrebungen erhoffen.*) Zudem nehmen wir die Reinigung
der deutſchen Schulblicher von entbehrlichen Fremdwörtern als Vor-
ausjegung und als eine Notwendigfeit an, welcher bald entjprochen
wird.“) Endlich ſei der Tagesprefie nicht vergefjen, ohne deren
Mithilfe alle unfere Arbeit nur den halben Erfolg haben würde.
Jeder redliche Mitarbeiter joll und willtlommen fein, denn nur
durch die (noch mehr zur wedende) allgemeine Teilnahme und die
alljeitige Förderung der guten Sadje fann das uns vorſchwebende
Ziel erreicht werden.
Die Erfüllung unſerer Hoffnungen und Wünſche wird aller-
dings der Zukunft vorbehalten bleiben, da die jeige Jugend
herangewachſen und zum echten Deutſchtum herangebildet fein wird.
Da werden treu die Mütter hüten
Der deutschen Rede heil'gen Laut,
Da werden reine Geiftesblüten
Das Volt entzüden, das fie haut.
Bon fremdem Flilter rein erhalten
Bleibt unſer heimiſch Sprachgewand,
Die deutſche Muſe nur wird walten
Alüberall im deutſchen Sand.
Wermelskirchen. Wilhelm Idel.
Man vergl. den Aufſatz »Der a. d. Sprachverein und die
deutſchen Mütter« von Joſeſ Wichner, Zeitſchr. I, 166 — 171.
*) Wie wir nachträglich erfahren, iſt im dieſer Hinſicht ſchon
ein Verſuch gemacht worden, indem der oben genannte Lehrer
Meyers Marfau in Duisburg im Auftrage des rheinijchen
| Provinziallehrervereind und in Berbindung mit den Ameiqver-
' bünden desjelben über 50 Bücher und Schriften für Schüler und
Lehrer auf ihren Fremdwörtergehalt unterfucdht hat. Nur find die
Ergebnifje diefer Unterfuchungen nicht in der von uns geplanten
Weiſe verwertet, d. b. den Verfafjern oder Verlegern zur Berüd-
fihtigung bei neuen Auflagen jener Bücher unterbreitet worden,
fondern der Voritand des rheinischen PBrovinziallebrervereind hat
jie dem Verlagsbuchhändler Anders (Helmichs Buchhandlung) in
Bielefeld behuſs Drurdlegung zur Verfügung geftellt, und im Auf-
trage des leßteven bat fie Neltor W. Bartholomäus in
Hamm i. W., in Gemeinfchaft mit dem dortigen Gymnaſialdireltor
C. Schmelzer, unter Benupung ber befannteften vorhandenen
Wörterbücher zu einem neuen » Berdbeutfchungs= Wörterbudy« ver-
arbeitet. So haben wir freilich ein Wörterbuc, mehr, und zwar
ein recht empfehlenswertes, aber die unterfuchten Schulbücher und
Schriften erjcheinen, vielleicht mit vereinzelten Ausnahmen, nadı
wie vor in unverbeutjchter Geſtalt weiter.
+++, Im Unfange diefes Auflabes (ogl. Sp. 141 d. v. Ar. 3.7
v. u.) muß es ftatt »entbehrlichiten« heigen »entbehrlichen.«
171
Don der Ausmerzung der Sremdwörter im Leben
und in der Schule.
Die von H. I. Müller herausgegebene Beitichrift für das
Gymnafialweien enthält in der Januarnummer 1895 einen Leits
aufjag vom Geheimen Regierungsrat Dr. I. Lattmann in Göt-
tingen, überſchrieben:
Stüdweije oder endgültige Reform der Rechtſchreibung?
Seht uns num auch jagungsgemäh die Nechtichreibungsirage
grunbjäglih an diefer Stelle nichts an, fo find immerhin einige
Stellen auf S. 7/8 der genannten Abhandlung im höchiten Grade
für uns beachtenswert, weil fie wieder einmal zeigen, daß die vom
a. d. Sprachverein vertretene Bewegung doch eine höchſt erfreuliche
Berbreitung gefunden hat. Es heißt dort:
»Zuletzt nun das wilde Kapitel von den Fremdwörtern.
Mit Recht hat man Anſtoß daran geſunden, daß in einer Zeit,
wo das Streben, den übermähigen Gebrauch von Fremdwörtern
einzufcränten, jo lebhaft erwacht ift, die Negeln der deutichen
Rechtichreibung jo ausführliche Anweiſungen zu deren Screibung |
geben. Es ift ja wahr, dak fie den Schreibenden oft große
Verlegenheiten bereiten; aud das fanı man bedauern, daß
unjere Sprache die Kraft verloren bat, ſolche Fremdwörter, |
deren Aufnahme nicht wohl zu umgehen ift, zu affimifieren, ein-
zubürgern. Aber beides ftammt aus einem fehr ſchäßenswerten
Grundfage, der dem Deutjchen im Fleiſch und Blut liegt, und
den unjere älteren Grammatifer als den zweiten Grundſatz mit
an die Spike ftellten. Sie jagten nicht nur: » Schreibe, wie du
richtig ſprichſt (und gaben damit dem Saße einen volfstümlichen |
Ausdrud), fondern auch: » Nichte dich aber auch nach der Abjtam-
mung. Diefem Safe ift e8 zu danfen, daß in unferem Volle
troß des fo ausgedehnten Eindringens von Fremdwörtern dens
nod) das Bewußtſein, was echt deutjches (oder alteingebürgertes)
Wort und was Fremdwort ift, im wejentlichen jehr feit fich er—
halten hat, und daß uns notwendig erjcheint, das Fremdwort
feiner Abjtammung nad) Tenntlic zu machen und es nicht im |
Und da nun die Erlernung von |
deutiche Umſchrift zu jeßen.
Fremdſprachen bei uns eine fehr ausgedehnte ift, To ftellt man
auch die Anforderung, daß jeder, der mit der Feder zu thun
bat, die Fremdwörter richtig zu ſchreiben wiſſe Die
Hegel für die Fremdwörter follte alſo heißen: ein jeder ſchreibe
jie jo, wie er es verjteht; ijt ihm aus jeiner Kenntnis fremder
Sprachen ihr Urjprung befannt, jo möge er jie danach ſchreiben
und in Zweifelöfällen ein Fremdwörterbuch benußen, wo nicht,
fo fchreibe er, wie er es mit deutichen Wörtern gewohnt ift, jo
gut oder ſchlecht es geht nach feinem Gehör oder feiner Mus:
ſprache. Dabei müfjen wir es uns aber gänzlich abgewöhnen,
in Bildungsdüntel es lächerlich zu finden, wenn ein gewöhns
liher Mann Schoſſee, Awanremang, Battaljon u. dgl.
ſchreibt; er handelt ganz recht, nur wir gebildeten Deut:
ihen müfjfen uns jhämen, daß wir ibm ſolche Auf-
gaben ftellen.
Befreien wir ibn aber davon und laifen im praf-
tiſchen Leben nur ſolche Fremdwörter ftchn, die wir
nicht erſeßen können, fo wird gerade in der Volks—
ſprache die alte Kraft wieder erwaden, das nötige
Fremdwort umzuſchmelzen«
Wir dürfen mit dem lebten Sape um jo mehr einverftanden
fein, als darin die weile Mäßigung unferer ganzen Bewegung
ſchlagend gefenngeichnet iſt. Halten wir dieſe Rußerung mit der
amtlichen Verordnung (5. 19 der Lehrpläne und Lehraufgaben
Zeitfhrift des allgemeinen beutfhen Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 7/8.
2 172
für die höheren Schulen nebit Erläuterungen und Ausführungs-
bejtimmungen. Berlin 1892. Her) zufammen:
» Fremdwörter, für welde gute deutſche Ausdrücke
vorhanden find, die den vollen Begrijfsinhaflt und
sumfang deden, jollen ausgemerzt werdene —
jo wird uns felbft die unmittelbar a. a. O. folgende AZujap-
bejtimmung:
Indeſſen iit gerade in diefem Punkte ein verftändiges Maß—
halten geboten, um nicht der Willtür Thür und Thor zu öffnen« —
nicht irre machen können, zumal als Schlußſaß fi) daran an-
ſchließt:
»Es empfiehlt ſich, an jeder Schule dafür beſtimmte Normen
aufzuitellen.«
Damit ijt diefe wichtige Angelegenheit, wofür der Regierung zu
danten iſt, in Fluß gebracht worden; vielleicht wird die ‚reits
ftellung der Borjchriften, nach denen die Fremdwortfrage in ber
höheren Schule zu löſen iſt, doch auch ein wenig beeinflußt durch
das gejunde Beifpiel des allgemeinen deutjchen Spradvereins.
Blanfenburg (Harz). Saalfeld.
3wei neue Preisausichreiben für Verdeutibungen.
Wir find in der erfreulichen Lage, Mitteilung von zwei Preis:
\ ausfchreiben zu maden, von denen das erfte durch die »Alis
gemeine Nusjtellung für Sport, Spiel und Turnene
(Berlin, im ehemaligen Neich$tagsgebäude) veranjtaltet wird und
»Die Verdeutihung der Fremdausdrücke aufdem
Gebiete des Sports, Spiels und Turnens, falls in
lepterem noch jolde vorhandene
zum Biele bat,
1. Preis „4 300, II. Preis „4 200, IH. Preis A 100.
Die Arbeiten find bis zum 15. Anguft d. 3. bei dem Bor:
itande (Leipziger Str. 4, Berlin W.) einzureichen.
Freisrichter find außer dem Vorſtande der Ausftellung:
1. der deutihe Spracdverein Berlin,
2. Prof. Dr. Daniel Sanders, Alt- Strefik,
3. Prof. Dr. Weiſe, Eifenberg, ©. =.
Da die beiden leptgenannten Herren Mitglieder des a. d.
Spradvereins find, jo bat diefer der an ibn ergangenen Auf:
forderung, al$ Gefanttverein am Preisgerichte teilzunehmen, nicht
\ Folge gegeben. Der Unterzeichnete bat jedoch den Vorſißenden
der Ausitellung, Dr. W. Gebhardt, zunäcit um Verlängerung
der für die Einfendung der Arbeiten bejtimmten Friſt
bis zum 1. Dezember d. J. gebeten und dann um Aufftellung
einer Lifte der Fremdausdrüde in den vericdhiedenen
Gebieten des Sports ujw. Die Berüdfichtigung beider
Bitten iſt bereitwilligit zugelagt worden, und jo erjuchen wir die
Mitglieder, die ji an dem Wettbewerbe zu beteiligen wünfchen, ſich
wegen Überlajjung der Lifte an den Unterzeichneten (3. 3. Zeblen-
| dorf bei Berlin, Ahornſtraße 6) zu wenden.
Das zweite Preisausſchreiben ift zum Teil durch eine Be—
merkung der Schriftleitung in den » Spradhlichen Mujterleiitungen «
der Ar. 6d. J. (Sp. 147) Über das »EentralsBacanzenblatt
für Stenograpben und Maſchinenſchreiber aller Syiteme
und Brandens hervorgerufen. Die Redaktion jchreibt auf Seite 4
\ der Wr. 23 vom 11. Juni d. J., fie fei durch eine Reihe von Zu—
ſchriften ſowie eine »Notiz« unferer Zeitſchriſt (ſ. 0.) veranlaft
worden, der Trage der Berdeutfchung des Kopfes ihres Blattes
näherzutreten. Nach Abdruck unferer Bemerkung in der Yunis
| nummer fährt fie fort:
173
»Abgejehen davon, daß das Organ eines jo hervorragenden
Vereins jeine Sache auch ohne die in der Bezeihnung » Blättchen «
wohl liegen ſollende Verächtlichmachung (!)*) unferer Zeitung zu
vertreten in der Yage gewejen wäre, find wir weit davon ents |
jernt, den in obiger Notiz liegenden Gedanken nicht anzuerkennen,
vielmehr find wir in Würdigung desjelben vor Erjdeinen des
Blattes eifrig bemüht gemwejen, eine deutiche Benennung zu finden,
die furz genug und treffend iſt, zugleid) aber auch nicht »fremd ·
ericheint.
Warum ftatt » Gentral- Bacanzenblatte nicht » Allgemeiner
Stellenanzeiger«? jo fragte 5. B. der Rundſchauer einer ſehr bes
kannten ftenographiichen »Illuſtrierten Zeitung. — Weil unferer
Ansicht nach der Begriff »allgemein« ſich weder mit »central«
det, das Blatt aber in der That der Mittelpunft ber Etellen-
vermittelung, an den jämtliche bezügl. Angebote und Nachfragen
gelangen, fein ſoll, noch das Wort » Stellenanzeiger« zutreffend
ift, da das Blatt nicht nur freie Stellen anzeigt, jondern aud)
Angebote von Arbeitöträften bringt. So haben unfere Erwägungen
auch dahin geführt, zw jchreiben »— für Stenographen und
Majcinenfchreiber aller Syiteme und Branchen«, und nicht
saller Schulen und Beichäftszweige«, meil das Wort »Scule«,
d. h. die Manier der Erlernung und Ausübung auf das Maſchinen—
ichreiben wohl nicht angewendet werden kann, während Brandje
u. E. nicht immer mit »Gefchäftszweig« überjegt werden fan,
ebenfo wie »Nabatt« ein bezeichnenderer Ausdrud iſt, als das
Wort »Nahlahe, dem wir in der Anzeigenbeilage obengenannter
Zeitichrift als Überjegung bierfür begegnen.
Die übrigen im Kopfe unferes Blattes enthaltenen Fremd—
wörter würden wir ohne weiteres verdeutjcht baben, wenn wir
und damit nicht in einen auffälligen Gegenſatz zu dem übrigen
Inhalt desfelben gebracht hätten, der ja, da er entiprediend dem
Worte Buffon’s: »le style c'est !’homme möme« auch die geiltige
Frühigteit und die jubjektive Eigentümlichkeit des betreffenden Ver—
faſſers widerfpiegeln joll, im Urtert abgedrudt werden muh.
Um unfer Anterefie an dem den oben erwähnten Zufchriften
und genannter Notiz zu Grunde liegenden Gedanlen zu betbätigen,
wollen wir uns bierdurd bereit erflären, einen allgemeinen Wett-
bewerb zu eröffnen und einen
Preis von 20 Mart
für die fürzefte und die Begriffe am beiten dedende Berdeutichung
unfere® volitändigen Beitungstopfes auszujeßen. Diejer Betrag
wird gegen Überlieferung des Materials durch Vermittelung des
allgem, deutichen Sprachvereins auf jeden Fall an denjenigen zur
Auszahlung gelangen, welcher nach dem Urteil dreier auf unjere
Bitte vom genannten Bereine zu beauftragenden Herren die befte
Überjepung geliefert hat, und foll auf
30 Mart
erhöht werden, wenn der Betrefiende nachweiſt, daß er z. 3 einem
Stenographen:Bereine als Mitglied angehört.
Wir bitten, mit einem Kennworte veriehene Einjendungen,
welche von der verjchloffenen Adreſſe des Urhebers, aufien mit
demjelben Kennworte bezeichnet, begleitet fein müſſen, bis zum
31. Auguſt d. J. an die Adreſſe der Unterzeichneten gelangen zu
fafien. Das Ergebnis wird veröffentlicht werden.
Die Redaktion des Gentral-Bacanzenblattes
für Stenographen ufw.«
(Georg Steffens, Hannover, Balenberger Strafe la.)
Über den nicht überall einwandfreien Stil der obigen Aus-
führungen wollen wir in Anbetracht der guten Abjicht des Ver—
*) War nicht beabfichtigt! D. 2.
Zeitfhrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. TR.
174
fafiers nicht weiter jprechen. Daß diefer ſich aber für verpflichtet
hält, jelber überjlüifige Fremdwörter zu gebrauchen, weil die Ein.
jender feiner Anzeigen die& thum, jcheint uns doc) etwas jtarf,
As ob man überhaupt bei einen Watte, dejien Anbalt lediglich
aus Anzeigen von Leuten der verichiedenften >»geijtigen Fäbigfeiten
und fubjeltiven Eigentümlichleiten« befteht, von einem einheitlichen
Stile reden fünnte!
Berlin. Friedrich Wappenhank.
Unser Wabliprub in dichteriſcher Saflung.
Bei der lebhaften Anteilnahme, die feinerzeit das Preitaus-
ausfchreiben der Schriitleitung für die befte dichteriiche Faſſung
unjeres Wahlſpruches unter den Lejern gefunden hat, ſcheint es
angezeigt, eine Anzahl der Einjendungen, und zwar, foweit diejes
gejtattet worden ift, mit den Namen der Berfafjer zu veröffent-
lien. Wir enthalten uns eines Urteils über den dichterischen
Wert der Sprüche.
Einmiltta ihwört dem Fremdwort Fehde!
Nur deutiches Wort jchmüdt deutſche Rede.
Rudolf Moiz;, Darmitadt.
Profefjor Dr. van Hoffs ſchlug dazu folgende Fafiung vor:
Unniüpem Fremdwort Fehde,
Deutſch fei des Deutichen Rede.
1 und bleibe, Deutiches Volt, iprich deutiches Wort,
prich umd ſchreibe Teines Welens Bild und Hort.
Wilh. Seibt, Berlin. C. Schumann, Lübed,
Rad gutem Deutſch ftets trachte, Der deutschen Sprache reihen Schah
Das fremde Wort verachte! Brauch, Deutiher, ftets in Wort und
K. Becker, Elberfeld, Cap!
ZT. Alimann, Berlin.
Kein Fremdwort braucht ein deutſcher Mann
Ar das, was deutich er jagen fann,
E. Funt, Lilbed,
Saba ift undeutſches Wort in deutſchem Sauſe geiprodien.
cutſcher, was Tu auch fprichht, ſag' es, wenn's möglich ift, deutſch.
Erid Muhſam, Lübed,
Bor fremden Wort nlnm DI in act,
Sprich reines Deutſch, doch mit Bedadıt.
W. D., Leipzig.
Deutich ſoll Deine Mede fein,
Fremde orte Ichränte ein,
Edel Ift nur das, was rein.
Nar Bär, Stettin.
rt
Deutlich
Thut's Deine Mutterſprach' allein,
So lab die fremden Broden fein.
®laubit etwa gar, daß höher jtcht,
er jelber bat und bettein geht?
RW, Benjel, Dresden.
Deutiche Art und deutſches Wort gei von fremdem Prunt bewahrt
Heg’ und pflege Immerfort ! eutjches Wort und deutiche Art.
W. Idel, Wermelsfirchen. Boul Hagen, Luͤbech
Sei beilifien allerorts Wil Du ein muter Deuticher fein,
Echten, rediten, deutſchen Worts! So ſprich auch Deine Sprache rein.
C. Iſentrahe, Bonn. €. G., Düffelderf.
Herr Peter Rofegger hat uns auf einen im » Heimgarten«
veröffentlichen Spruch aufmertfam gemacht, der freilich aufer Be-
ziehung zu unſerm Breisausfchreiben jteht, den wir aber gerne
bier abdruden, Er lautet:
Deutihe Eprade.
Saat das deutiche Wort es fein,
Traun, fo lak das fremde fein.
Schlicht und wahr, kurz und Mar,
Deutſche Eprade wunderbar.
Wir möchten die Heine Sammlung nicht beichliehen, ohne den
Humor zu Wort fommen zu laffen, der beabjichtigt fich in den
folgenden Berfen Dr. Iſenkrahes äußert:
fremde Bolabel Ter Motion Bas gallicihiich
Klingt milerabel ; Baht nur ein Ton Und barbariſtiſch
Prinzipiell Schön und amd, Lautet, das wird
Num Raturell Der endbogen. Berhorreschert
Unfreiwillige Komik liegt jedenfall® in den Zeilen:
Wo deutieher Ausdrud Dir zur Sand,
Brauch Fremdwort nie Im deutſchen Land!
Da's nun an Wörtern nie gebricht,
Gebrauche auch ein Fremdwort nicht !
Hierfür hat einer der Herren Preisrichter jcherzweife befür-
wortet einzufeßen:
Wo's nulcht an deutſchem Wort aebricht,
Webrauche mie fein Aremdiort nicht!
175
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Epradvereins. X. Jahrgaug. 1895. Nr. 7/8. 176
Die Wabhlipructafel des deutſchen Spradvereins.
Unjere Wahlipruchtafel, das Ergebnis ded im vorigen Jahre |
ftattgefundenen Wettbeiwerbes und vom Preisgericht aus 115 eins
gelaujenen Arbeiten ausgewählt, ift nunmehr ın Bervielfältigungen
an alle Zweigvereine gelangt und wird bald dasjenige Merkmal |
fein, das vom deutichen Spracverein am bdeutlichiten an die Ober-
fläche der großen Öffentlichteit gelangt. Iſt es doc ihr gwech,
durch augenfälligen Anruf des deutfchen Sprachgewiſſens den Be:
jtrebungen des Vereins neue Freunde zu werben. Es ſcheint
daher wohl am Plage, an diejer Stelle auf ihren inhaltlichen
und fünftleriichen Wert etwas näher einzugehen, um jo mehr,
ald es fi Hier, wie dies faum anders möglid war, um eine
finnbildlihe Darftellung Handelt, jolhe Darftellungen aber in der
Regel eine gewiſſe Mehrdeutigkeit mit fich bringen und daher
wohl eine Erklärung erwünſcht erjcheinen laffen. Der Künſiler
vermag eben im folchen Füllen mur durch Gleichniſſe, Beiſpiele
oder Erinnerung an Sagen, Mythen oder allgemein befannte
geihichtlihe Vorgänge andeutungsweife ſich auszudrüden, ein
Verfahren, das den Sinn des Gewollten nie ganz zu deden im
ftande fein wird. Wie verjchieden kann nicht die Art der Ber:
finnbildlihungen fein, die derfelbe Gedanle bei verichiedenen
Künftlern findet! Die 115 Entwürfe des Wettbewerbes boten in
diefer Beziehung ein buntes Bild der mannigfachſten Verſuche.
Wie jollte der Sinn unferes Wahlipruches dargeliellt werden? |
Der Gedanfe der Belämpfung des Fremdwortes im bejonderen,
wie follte man ihn ſinnbildlich vertörpen? Viele Entwürfe
fuchten das Verneinende, das in ihm ausgelprodyen liegt, bar:
zuftellen als Kampf gegen den Fremdling, ald Ausrottung des
Unftrautes, als Vernichtung des Feindes. Wie immer aber in
der Kunst erwies ſich der Gedanke des Thätigen, des Bejahenden
lebensträftiger al$ der de& Berneinenden. Glüdlicher waren daher
folche Entwürfe, die den Verjuc machten, ftatt der Bekämpfung
des Fremdwortes die Liebe zum deutichen Ausdrud, den Reich—
tum der Mutterjpracdhe, die Kraft des Deutichtums zu betonen.
Zu diefer Art von Entwürfen zählt der preisgekrönte. Die
Frauengeitalt rechts, mit offenem Saar, wie wir uns unfere
germanijchen mütterlihen Borfahren denten, und in ein faltens
reiches, an mittelalterliche deutjche Tracht erinnerndes Gewand
gekleidet, joll die deutjche Erziehung verförpern. Sie belehrt einen |
|
|
vor ihr ftehenden Züngling über die deutiche Sprache, worauf ein
Buch, das fie in der Linfen hält, hindeutet. Mit der Rechten
zeigt fie nad) oben, auf eimen fich weit verziweigenden, im reichem
Blütenſchmuck prangenden Baum, die deutſche Sprache darjtellend.
Sie zeigt ihm mahnend diejen Reichtum in feiner herrlichen
Friſche und Schönheit. Der Jüngling folgt ihrer Bewegung mit
aufmerktiamem Blide. Doc zeigt feine Bewaffnung jowie die
ganze Haltung feines jpannträftigen, geichmeidigen Körpers, daß
er keineswegs der Ruhe hingegeben, vielmehr vollbereit iſt, im
nächſten Augenblide den Speer zu züden, falls Angriffe von
außen dies erheifchen. Die Bewegung nad) oben, die der Künſtler
in die beiden Gejtalten und den Baum gelegt hat, führen das
Auge des Beſchauers auf die den Wahlipruch tragende Tafel.
Zu beiden Seiten der unteren Tafel weilen Leier und Eule auf
die deutiche Sprache als Dichter- und Belchrtenipradhe bin. Kin
Band von kräftigen Eichenblättern umfäumt als Sinnbild deutfcher
Treue und Freitigfeit dad Ganze.
Soviel über den Inhalt der Tafel. Was die Darjtellung an-
betrifft, fo fällt an ihr die jchöne Gruppierung der Mafien bei
außerſter Einfachheit und Durchſichtigleit der Anordnung vorteil |
baft auf. Dabei ift in richtiger Weife eine ſtrenge Linienzeihnung
‚mit Verziht auf Schattengebung, wie fie etwa die Malerei ans
itrebt, eingehalten, im Sinne eben eines weithin erfennbaren, als
einfaches Umrihbild wirkenden Wandanſchlages. Die dunkle Aus-
füllung des Hintergrundes hilft dabet die Zeichnung jcharf und
deutlich herausgeben. An der ganzen Art der darjtellenden Be:
handlung hat der Künſtler jene Wege eingejhlagen, die neuere
DOrnamenttünftler, namentlich auch die jegt in England berrichende
Schule, mit foviel Glück betreten haben. Bei anmutiger Be-
wegung eine gewifje Strenge in der Zeichnung, die Beſchränkung
auf die reine Linie, welche ihrerjeit® wieder zu einer beftimmten
Art von Stilifierung der Wirklichkeit zwingt, eine reiche Entfaltung
von ſchmückendem Blätter- und Blütenmwert, das find einige der
Merkmale, die fie kennzeichnen.
Möge die Tafel allerortS jenen Anklang finden, der ihrem
Urbeber, dem Maler E. Schröder, beim Preisgerichte zum Siege
verhalf, vor allem aber möge fie im vollen Umfange das bes
wirken, was mit ihr beabfichtigt war: durd eine gute künſtleriſche
Leiftung aud in diefer Form den Geiſt des deutichen Sprach
verein® zur Erjheinung zu bringen und jeinen Beftrebungen
weite Anerlennung und vermehrte Teilnahme im Volke verichaffen
zu belfen.
Berlin. 9. Mutheſius.
Rleine Mitteilungen.
— Infer um die Verdeutihung der Handelsipradhe fo ver-
dientes Mitglied Herr F. W. Eigen in Hamburg beabjichtigt,
unter der Bezeichnung ⸗Deutſche Handelsbriefe« einen
Briefiteller für Kaufleute
herauszugeben, der mit Vermeidung aller entbebrlichen Fremd⸗
wörter eine Sammlung der wichtigiten im Handel vortommen:
den Schriftjtüde (Briefe, Vordrude ufw.) bringen ſoll. Er bittet
in einem an bie Interzeichner des befannten Aufrufs (vgl.
Sp. 15 d. 3.) gerichteten Schreiben ihm faufmännijche Schrift-
ftüde aller Art, eigene oder fremde, Briefvorlagen,
Kladden, Entwürfe zu überlaffen und erflärt germe auch
bloße Winte, Quellenangaben, ſowie Meinungsäukerungen ent⸗
gegenzunehmen. — Wir legen unfern faufmännifchen Mitgliedern
die Unterjtügung diejes zweifellos auch unjerer Sache dienenden
Unternehmens aufs mwärmite and Herz.
— Die Nr. 8 (1894) der Dabeimbeilage für Hausmufit bringt
folgende erfreuliche Empfehlung: Miniatures pour Piano par
Edouard Schütt. Op. 30. Das Heft, »feine vornehme Kam—
mermufil«, umfafie, jo werden wir belehrt, fieben Klavierjtüde:
Prelude, Aveu, Papillons, Cantabile, Barcarolle, Cantique d’amour
und Impromptu Finale, und entzüct fügt dann der Schreiber hinzu,
das Prelude jei ein lebhaft bewegtes Tonftüd im Charalter der poes
tiihen Etude, Aveu atme in einer langen, warmen Melodie voll
zärtliher Empfindung, die Papillons flatterten mit fchimmernden
Schmetterlingsilügeln dahin; und weiter in dieſem Tone. Alles
gut und fchön: mag eim recht guter Mufifante fein, der trefiliche
Herr Monsieur Edouard. Er ift aber auch — Und die Zeitung
mit dem traulich deutschen Namen oder ſchon Schütt® Verleger, Herr
Fr. Kifiner in Leipzig, das wir doch wohl in Deutichland zu fuchen
haben, hätte es uns erjbaren fünnen, ihm das jagen zu müſſen.
B. D. Sir.
— In der Situng des preußiſchen Herrenhauſes vom 28. März
d. J. bemüngelte der Oberbürgermeiſter Strud mann beim Etat des
Bureaus für das Staatsminiſterium das Ubermaß von fremd:
wörtern und von Schreibewert in den Minifterien und in der
Selbjtverwaltung. Die bloße Fortlafjung der langen Titulaturen
177
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 78.
178
und fonjtigen Prädikate würde allein ſchon eine Menge Beamte
überflüfig macden. Leider fei dieſer alte Zopf vor wenigen
Jahren allen Interbehörden aufs neue eingejchärft werden, Auch
mit dem Unfug der »ergebenjt, gehorſamſt, hochachtungsvoll« ufw.
müjje aufgeräumt werden. Dem Ausrufe »Sehr richtig!«, der
auf diefe Worte aus der Mitte des Haufes ertönte, können wir
uns nur auf das lebhafteite anichliehen.
— Wie leicht Mihverftändnifje durch Überflüffige Verwendung
von Fremdwörtern entjtehen fünnen, zeigt wieder einmal ein
Amifchenfall in einer Verſammlung des Bundes der Landwirte
zu Elbing. Einer der Redner meinte, da er vdn der Errichtung
eines Eiswehrs bei Piedel nichts halte, fondern die Koupie—
rung der Nogat für zwedmäßiger erachte. Bon verfchiebenen
Seiten wurden darauf Zurufe laut: »Nein, zumachen wollen
wir die Nogat!« Der Rednereglaubte fich erſt verhört zu haben,
und als ſich die Zurufe ermeuerten, Märte er das Mißſverſtändnis
dahin auf, daß Houpieren und Zumachen datfelbe ſei. Die
Elbinger Zeitung, der wir dieſe lehrreiche Meine Geſchichte ent-
nehmen, bemerft dazu ganz ridytig: » Bemühen wir uns alfo, im
Verkehr mit unferen deutſchen Brüdern jo viel als möglich deutich
zu ſprechen unter Vermeidung aller frembdipracdlihen Broden,
die recht gut durch deutjche Musdrücde- erfept werden fünnen.«
Bücherſchau.
— Die Wiſſenſchaft und ihre Sprache. Eine zeitgemäße
Abhandlung von Prof. K. Hullmann, Großherzoglich olden—
burgiſcher Oberlehrer der Mathemalik z. D. Leipzig, Hirt & Sohn.
1894. 40 ©. 8°.
Der durch mehrere phyſikaliſche Schriften befannte Verfaſſer
legt diefer Abhandlung folgende beiden Säte zu Grunde: »Die
deutiche Sprache ſei dem deutichen Gelehrten, was die gricchiiche
Sprache den griechischen, die rümifche den römischen Gelehrten
eweſen ift« und: » Die wahre Wifenfchaftlichfeit beitcht in Ätrenger
F ofgerichtigteit der Gedanken und im flaren, einfachen Ausdrud
derfelben«. Demgemäh tritt ev mit großer Wärme für eine Ber-
deutjchung der unnötigen wiflenichaftlihen Fremdwörter ein und
untersucht eine große Anzahl folder Wörter aus den Gebieten
der Marhematif, der Natur- und der Erdfunde auf ihre Ver:
deutichungsfähigleit. Außer älteren, ſchon mehr oder weniger ges
bräuchlihen Eriagwörtern, die er annimmt, bietet er eine Reihe
neuer Borjchläge, die, ſoweit ich es beurteilen kann, meist jachlich
zutreffend und ſcharſſinnig erdacht find, aber wohl nur zum Zeil
auf allgemeinere Zuitimmung vedjnen dürften, weil der Berfafier
mitunter zu fühn zu Werte gegangen ift und den Sprachgebraud,,
zum Zeil auch die Sprachgeſeße nicht immer gebührend berüde
fichtigt hat. So erſcheinen »Nebened« und »Segened« für
» Traprz« und »Barallelogramm (©. 26), »Enthalts für » Quo⸗
tient« (S. 13), »gleihverhäftlic« für -harmoniſch« (geteilt)
(S. 23) jehr gervagtt Mit Necht fieht der Berfafler einen Haupt⸗
vorzug wiljenichaftliher Fachausdrücke in der Kürze, Wiederholt
aber hat er ſich verleiten laſſen, ſchon beitebende, qute umd Mare
Ausdrüde nur um der Kürze willen durch geluchte oder undeutliche
Neubildungen zu verdrängen. So ſchlägt er für »Kennziffer«
(= Eharafteriftit) Kennung⸗ vor (S. 15), für »gleichgerichtet«
(= parallel) »gleihridhtig«e (S. 22), für »verhältnismähige
(= proportional) »verhältlich« und für »Berhältnisgleichung «
(— Broportion) »Berhaltungs (S. 17). Noch bedenklicher ift
es aber, wenn er die »Stongruenz« »lIbereinheit« und gar bie
sfongruenten« Dreiede »übereine« (!} nennt (S. 25). Das ers
innert doch zu jehr an das zue Fenſter und die faputen Schuhe.
Bei der Schöpfung neuer Fachauedrücke kann der Fachmann des
Sprachlenners nicht entbehren. Ohne Grund wird die Schreibung
»grade« ve »gerade« für falic ertlärt (S. 18); wir jagen
auch »glaube, gleich, bleiben« u. a.; auch hängt » gerade» (vom
Zahlen) nicht mit »geraten« zufammen, fondern gehört zu »Mede«
(gotifch rabjö — Zahl). Wenn » Summand« nur »in der Endung
undentich« genannt wird (5.13), jo it das mindejtens ſehr
ungenau, wenn auc >» Summer als Lehnwort anzuichen it. So
ließen ſich noch mande Ausjtelungen im einzelnen macen, auch
die Schreibart des Verfaffers läßt nicht felten an Flüffigfeit und
Deutlichleit zu wünſchen übrig, man ftöht auf Wörter wie
» Befferwerdunge (S. 7) u. dgl. Aber ich will nicht mit einem
Tadel jchliehen, fondern lieber noch einmal betonen, da wir es
hier mit einer im ganzen ſehr verdienftlihen Schrift zu thun
haben, die von einer warmen Liebe zu deutjcher Sprade und
deutichem Wefen durchdrungen ift und der guten Sache hoffentlich
recht viel Nupen ſtiften wird.
Braunſchweig. Karl Scheffler.
— J. Leithäuſer, Gallieismen in niederdeutſchen
Mundarten. Beilage zum Jahresber. des Realgymn. Barmen,
I. 1801, 32 S. 4°, II. 189%, 356. 4°. In Komm. Leipzig,
Tod. Je 14
2. erörtert in beiden Abhandlungen zunächſt die geichicht-
lichen Urſachen, warum fo viele Gallicismen oder, wie man nad)
F. Polles Vorſchlag richtiger jagen jollte, Gallismen gerade in
die niederrheinischen Mundarten eingedrungen, alſo vollstümlich
geworden find. Dann führt er nach der Buchjtabenfolge die
einzelnen Eindringlinge auf mit Grundform und u Be-
deutung in der Weile, daß I. durch II. ergänzt wird. ei ber
ſonſt überall bemerfbaren Sorgjalt und Sachkenninis fällt es
umſomehr auf, daß II. S.5 das als naſſauiſch —— aber
auch ſonſt bekannte heister auf frz. hötro zurüdgeführt wird,
was doch eine völlige Umfehrung der Sachlage iſt.
Boppard. Karl Menge.
Eingejandte neue Drudichriften.
Kaufmann, Karl, Proſeſſor, Etyumologifhes Wörterbud
der deutſchen Sprache nad; eigenen neuen Forſchungen.
Halle a. S. Ehrhardt Karras' Verlag. 1893. VIII u. 421 ©.
5. 12 ME (Beiprocden auf Spalte 58/59 d. Jahrg.)
Bartholomäus, Wilhelm, Neltor, Berdbeutihungs- Wörter:
bud. Unter Mitwirtung von €. Schmelzer, Gymnafial
direltor. Bielefeld. A. Helmichs Buchhandlung. VIII u. 2106.
8%, Geb. 4 Mt.
Lienhard, Frih, Lieder eines Elfäflers Berlin. Hans
Küjtenöder. 1805. 88 S. Geh. 1 Mt. .
Zittau und ſeine Umgebung Zittau. Drudv. W. Böhm. 316.
(In diefem trefflich ausgeitatteten, mit hübſchen und ge—
ichmadvoll angeordneten Abbildungen verjehenen Druchheſt,
macht ſich die jprachreinigende Hand unferes verdienten Mit-
gliedes Dr. Theodor Matthias in erfreulicher Weije bemerf:
bar. Befonders wohlthuend wirft die zwanglofe und maß:
volle Art, in der bier Fremdwörter erfept find. Möchten doc)
alle unjere Freunde einen gleichen Einfluß auch auf ſolche
Beröffentlichungen geltend machen, an denen fie nicht uns
mittelbar beteiligt find.)
Gehrke, Elfe, Schneewittden und Sandmann. Beliebte
deutiche Vollsmärchen verbunden zu einem Stüd für jung
und alt, in fieben Bildern vorgeführt und dramatifiert. Als
Manujftript gedrudt ufw. Duisburg a. Rh. 1895. 84 ©.
Arminius, Wilhelm, Am Schatten der Ludwigseiche.
Erzählungen über Fürst Ludwig von Anhalt: Köthen. Köthen
i. A. Paul Dinnhaupt. 1895. 71 S. 8
Seiler, Friedrih, Die Entwidelung der deutſchen Aultur
im Spiegel des deutihen Lehnmwortes. 1. Die Zeit
bis zur Einführung des Chriftentums. Halle a. S. Bud):
handlung des Waifenhaufes. 1595. 99 S. Geh. 1,50 Mt.
Derf., Die Heimat der Indogermanen. Hamburg. Ver—
lagsanitalt und Druderei N.-®. (vorm. I. F. Richter). 1894.
36 ©. 8",
Kaeding, F. W., Über die Häufigkeitsunterfuhungen
der deutſchen Sprache. Vortrag. Sonderabdrud aus
dem Magazin für Stenographie. 1895.
{Wir haben vor kurzem (val. 1504 Sp. 227) die Bildung
»bdeuticher Spradjverein« verteidigt; die Bezeichnung » Häufig:
feitsunterfuchungen der deutjchen Spradie« jcheint ung aber
recht bedentlih. Durch Zufügung des Wortes sine wäre ber
ſich unmilllürlich aufdrängende Doppelfinn vermieden worden;
bejier wäre es wohl, von der »Interfuchung der Häufigleit
deuticher Wörter« zu jprecen.)
179
Entgegnung.
Mein Bortrag über den » Anteil der Keltgermanen an ber
europäifchen Bildung im Aitertume hat in Nr. 5 diefer Zeitichrift
von Herrn R. von Scala eine Beurteilung erfahren, die id) als
eine zutreffende nicht anerlennen fann. Sn der Bortrag ſich be—
reits im Befip zahlreicher Leſer befindet, fo genügt es wohl, auf
eine einzige Stelle jener Beurteilung binzumweifen, um den Be-
weis hierfür zu erbringen.
Herr v. ©. jchreibt über den Vortrag: »Das Schrifttum des
Altertums ifte (d. b. nur) »durc eine verfprengte Nachricht des
Nelian vertreten. Es bleibt jomit für den Vortrag nur Gerede. —
Man vergleiche hiermit das, was auf S. 4, 5, 6 u, 12 des Vortrags
steht, wo — neben Aelian — auf Herodot, Fabius Pietor, Cäſar,
Strabo, Dio Caſſius, Livius und Dyoniios [fo], und außerdem
auf die Erklärung des gewiß jadhkundigen Dr. Georges (Berfafier
des großen latein, Wörterbuchs) und auf die, mit meinen Anfichten
gleichlaufenden Arbeiten des Prof. und Rektors K. D. Hillmann
verwiejen ift.
Angeſichts diefer Angaben wäre zu erwarten geweien, daß der
Benrteiler derjelben den Beweis der angeblihen Unrichtigkeit
meiner Anfichten nicht etwa durch Behauptungen voritchend ges
lennzeichneter Art, jondern »in echtwifienichaftlicher Weile«, durch
Beibringung eines gleichwertigen, genenteiligen Geſchichtſtoſſs ers
weifen würde. Herr v. ©. bat nichts derart geihan. Ich über—
laſſe es hiernach den Leſern, zu entjcheiden, weiche der beiden in
Nede jtehenden ng fie vorziehen.
Frankfurt a/M. im Mai 1895. Martin May.
Herr Univerfitätsprofeffor Dr. von Scala in Innsbruck, dem
wir Kenntnis von der obigen Entgegnung gegeben haben, enthält
ſich eines weiteren, ihm völlig nuplos ericheinenden Eingehens
daranf. Wir ſchließen damit endgiltig die Erörterung über die
Schriften des Herm M. May. Die Scyriftleitung.
Aus den Smweigvereinen.
Breslau. Unſerm Bmweigvereine ift vom biefigen Magiitrate
zu unferer großen freude ein Schreiben zugegangen, in dem wir
mit Nüdjicht darauf, dab fich in unferer Stadt noch vielfach die
Bezeichnung ⸗Gaſſe« erhalten hat, von manden Seiten aber eine
Erjepung durch den vornehmer Hingenden Ausdruch »Strahe«
gewünfct wird, um Auskunft über unjere Beurteilung dieſer
beiden Wörter erfucht werden. Dabei ſpricht der Magiftrat feine
Geneigtheit aus, das gute alte deutjche Wort Safe, ſoweit es
möglich ift, beizubehalten, da es beijer Minge und fich bequemer
ausſpreche als das allerdings längit eingebürgerte Fremdwort
Strafe und auch feinerjeit® als »vornehm« bezeichnet werden
dürfe. Unſer Verein iſt diefer Auffaſſung des Magiſtrats un:
ummunden beigetreten, beabjichtigt aber in einem umfafjenden
Bortrage das Verhältnis der beiden Ausdrücke zu einander zu
beleuchten und erbittet fich daher von den andern Zweigvereinen
Mitteilungen an den Vorſihenden, Profeffor Wilh. Neumann,
Kronprinzenftrafe 54, über den Gebrauch der Bezeichnung
Gaſſe ſowie über das Verhalten der Bevöfferung, damit durch
ausreichende Belege feitgeftellt werden fünne, ob die Beibehaltung
des alten Wortes aud) hier, an der Grenze des Deutichen Reiches,
einwandfrei oder geradezu erwünscht jei.
Gzernowig. Am 25. Mai hielt Prof. Dr. Oswald von
Bingerle einen Vortrag über Schrift: und Boltsiprade
Zirols im Mittelalter. Er beſprach zuerſt die Beiedelungen
Tirols, dann griff er einige Spracherſcheinungen heraus, um art
ihnen zu Een wie ſehr nadı dem Zeugniſſe der jchriftlichen
Dentmale im Laufe des Mittelalters die Schriftſprache und
wie wenig nad) den alten mundartlihen und mundartlic gefärbten
Aufzeichnungen die Mundarten Tirols Anderungen unterworfen
waren. Zum Schluſſe ſprach er den Wunjd aus, dak ſich der
Spradyverein und insbejondere auch der Zweigverein Bukowina
mit der Erforſchung der lebenden deutichen Mundarten beſaſſe.
Elberfeld. Die Abendunterhaltung des Vereins am 15. Juni »
wurde durch muſikaliſche Vorträge des Fräulein Eliſe Hoffmann
und der Herren Lohe ımd Weber eingeleitet. Daran ſchloß
fi) ein Mahl, bei dem der Borfigende Prof. Buchrucker auf
den Berein jprach, und Lehrer Fimmen Vorträge in plattdeut
iher Mundart hielt. Das Feſt hat dem Verein eine Anzahl
neuer Mitglieder zugeführt.
Frankfurt aM. An der Sikung am 7. Juni wurde an
Stelle des Stadtjhulrats Bornemann, der wegen Überbürdung
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. X. Jabrgang. 189. Nr. TS,
180
mit anderen Gefchäften die Wiederwahl ablehnte, zum eriten Bor:
fipenden Dr. E. Gantter erwählt, der auch mit der Be
des Vereins in Graz betraut wurde. Hierauf hielt Herr Martin
May einen Vortrag Über Fremdwort und Lehnmwort. Zum
Schluſſe legte Dr. Bonfid eine Geſeßſammlung für die Yand-
ſchaft Davos vor, die nicht nur in rechtlicher, fondern auch it
iprachlicher Hinſicht manderlei Eigentümlichteiten bietet.
Halle a. S. Am 15. Mai bielt Gymmafialdireltor Dr, Loth:
holz einen Vortrag Über die Spradye Goethes.
Leoben. An zwei gejelligen Abenden hat der Verein alle
deutſchen Mundarten zum Bortrage gebradt. Am 16. April ſprach
Profeffor A. Cafaſſo über den Imfang und die Bedeutung
der mundartifhen Dichtung, woran fich zahlreiche Borträge
in allemanniicher, plattdeuticher und andern Wundarten iclojien.
Am 18. Mai verbreitete fich der Obmann, Herr Hermann Yigner,
über die Ziele des deutjchen Sprachvereins. Hierauf be-
ſprach Oberinfpeltor Kürfchner die Beziehungen der Mufit
zur Sprade, und zum Schlufie men wieder Dialeftdichtungen
zum Bortrage. — Der Ausſchuß hat an das Abgeordnetenhaus
und das Handeldminijterium Eingaben wegen ſprachlicher Reini:
gung eines Gefepentwurfes gerichtet, durch den » Beitimmungen
zum Schupe gegen Übervorteilung in Bezug auf Uuantität und
Dualität im Warenverfehres getroffen werden. Der Ausſchuß
bittet in feinen Eingaben, für Detailbandel, Quantität umd
Dualität die deutichen Wörter KHleinhandel, Menge und
Beschaffenheit einzufepen.
Nürnberg Der Vorſtand des Zweigvereins ſcheut feine
Mühe, um bier die gute Sache möglichit zu fördern, und hat auch
in Bezug auf die Sprachreinigung mande Erfolge erzielt. Tro
dem aber will es nicht gelingen, die jehr geringe Anzahl der
Mitglieder zu erhöhen; eine dringende Aufforderung zum Beitritt,
die in den geleieniten Nürnberger Blättern veröffentlicht wurde,
it leider aud) erfolglos geblieben.
Bricjtalten,
Herm Ir. R. . . . Dresden. Der Nusdrud Hajenbrot,
den Sie aus der Gegend von Kaſſel kennen (vgl. auch Vilmar,
Idiotikon von Kurhefien, S. 152), iſt im diefer Bedeutung (»übrig
gebliebene Wegzehrung, die nadı der Heimfehr des Baters von
den Kindern als etwas beionderes gern gegefien wird«) z. B. auch
in der Wetterau und weiter öſtlich z. ®. in der Mark vorhanden.
(Danneil, Wörterb. der altmärkiich-plattdeutichen Mda. (1859),
Sp. 77», fügt noch Hinzu, man gebe das betreffende den Kindern
mit den Worten: dat beff id Haoſn afjangt. Herr Oberit-
feutnant Dr. M. Jähns befundete das Wort Hafenbrot als ein
ibm aus feiner Berliner Kinderzeit woblbelanntes). Auf Heſſen
weiit wohl die Bemerkung in den Kinder- und Hausmärchen der
Brüder Grimm (1512, Anbang S. LVIII), SHafenbrot nenne man
frifches Brot aus neuem Nom und man jage von ihm, daß der
Haje es im Walde gebaden habe. Der aus dem Walde auf:
jteigende Nebel it der Rauch aus dem Ofen der Hafen; man
jagt dann, die Hajen baden Küchlein, Brot, Eier. Letztere Auf:
jaſſung ift weit verbreitet (vgl. Grimm Wörterb. 4, 2, 527 um
Schweiz. Idiotilon II, 1667) und hängt mit der elbiſchen Natur
des Hafen zufammen. Auch zu den Tieren gehört der Haie, in
deren Geftalt der Bollsglaube die Korndämonen Heidet (Mann:
hardt, die Kormdämeonen, S. 1; Derf., Myth. Forſchungen S. 29).
Daher bezeichnet Hajenbrot auch das jog. Mutterforn (Mann:
bardt, Roggenwolf und Noggenbund, ©. 73), wird aber auch alö
Bezeichnung noch anderer Pflanzen gebraucht. Pritzel und Jeſſen,
die deutichen Vollsnamen der Bilanzen (1582/54), geben Haſen
brot auch unter Briza media; Luzula campestris; Luzula pilosa.
Bei der Luzula werden, wie es jcheint, die von Kindern wegen
ihres Sühen Beichmades gern gegeſſenen Blütenköpfchen und Samen
Hajenbrot genannt. Das bolländiihe Kaaſenbrot, das Sie
erwähnen, könnte, wenn es überhaupt mit unſerm Worte etwas
zu thun bat, eine vollsetymologiiche Ummwandlung von Hajen:
brot jein. Es wäre wünſchenswert, wenn Bereinsgenofien, die
über Berbreitung und Bedeutung des Wortes SHajenbrot
etwas weiteres beibringen fünnen, died der Scdmiftleitung mit
teilen wollten. r
sem E. F. . . . Prag. Wir danfen Ihnen für die Ans
erfennung des Nacdrudes (Sie jagen: Energie) und der Aus
dauer, mit der der Spradjverein die unnötigen Fremdwörter be
181
fümpft, fönnen aber auf Ihren freundl. Vorſchlag, diefe »auch
gem löbliche Sache« zu verlafien und lieber die Ausſchreitungen
der Rechtſchreibung zu befümpfen, natürlich nicht eingehen,
weil die Rechtſchreibung jagungsgemäh; von dem Arbeitsgebiete
des Sprachvereind ausgeichlofien iſt. Sie jchreiben: »Wenn ein
Blatt wie das "Magazin f.d.%." eine Ortographie [jo!] einführt,
die weder eine etbymologische [jo] noch auch phonetiſche Berech—
tigung haben [fo] verwant, Träne, bewuft, verhaft’ uf, fchreibt,
fo jollte man das oft und mit der nötigen Kennzeichnung an den
Pranger jtellene — dadurch erſcheint Ihre Berechtigung über ety⸗
mologijche und phonetijche Vereditigung einer Orthographie mits
zureden in einem etwas zweifelhaften Lichte.
Herrn Archidialonus B. Hoffmann, Pirna. Nach der Herkunft
von Orts- und Perjonennamen läht ſich ebenſo leicht fragen wie
ſchwer antworten. Daß alle die von Ihnen aus verjdiedenen
deutichen Gegenden zufammengeitellten ran in Ortsnamen einerlei
Grundlage haben, ijt unmwahricheintich, aber nicht ganz unmöglid).
Bei Ortsnamen mangelt jedoch ohne Kenntnis der älteren Namens
formen jede Grundlage, ich enthalte mid) darıım eines Dentungs-
verjuches gänzlid). ur Dinfichtlid Pirna will ich bemerfen,
daß die Annahme einer flavijchen Herkunft wohl das meiſte für
ſich hat. — Die pirnaiſchen Ranniger, Ronniger, Nonader
dürfen fich jedenfalls deſſen getröften, dak ihre Namen mit rana,
Froſch' nichts zu thun haben.
als gute Deutiche ſich nicht gefallen zu laſſen. Für die Erklärung
aber giebt es wie gewöhnlich mehrere Möglichkeiten. In Ronader |
wird man wohl kaum einen alten Rünwadar (vgl. Odowadar), |
eher einen Mann aus dem Monad (vgl. bair. ronach, ein
Ort wo Baumftämme liegen. Schmeller, bair. Web. ® II, 116;
wohl nicht Orts= Sondern Flurname) fehen dürfen. — ———
wird ſchwerlich auf einen alten Nabanger, Nanger oder Nas
ganger, Nanger zurücdgehen, viel eher dürfte ihm ein Nantes
ger zu Örunde liegen. — Nonniger iſt möglicherweije nur eine
lautliche Zwillingsſorm zu Nanniger, kann aber auch auf Rinis
ger zurüdgehen. Größere, wenn auch nicht völlıge Sicherheit ließe
ſich vielleicht gewinnen, wenn man wüßte, ob diefe Namen alt:
einheimijch in Pirna find oder ob fie jüngeren Einwanderern an—
gehören, ferner wie im allgemeinen die Fan Familiennamen
gebildet find, welche Bildungsweiſe überwiegt und welche Laut:
übergänge der dortigen Mundart bejonders eigentümlich jind uſw.
Über diefe unficheren Seiten der Namenertlärung vgl. 8. G. An:
drefen: Sonfurrenzen i. d. Erflärung ber deutjchen Geſchlechts—
namen. Heilbronn 1883. Über die Bedeutung der als mögliche
Srundformen von Nanniger, Nonniger angejepten altdeutſchen
Namen vgl. die Einleitung zu dem von unſerm Bereine berauss
gegebenen Namenbüchlein. P. P
Herrn Dr. W. B. . .., Eiſenach. Die Frage der Er—
ſetzung des Wortes adieu durch ein deutſches iſt in dieſer Zeit:
ſchrift ſchon mehrfach behandelt worden. Der Vorſchlag, daſür
»Mit Gott!« zu fagen, erſcheint uns nicht ausſichtsvoll. Dieſe
Anjicht vertritt auch ein Auffap von Dr. Saalfeld, den wir
hoffen, bald veröffentlichen zu fünnen.
Herm Prof, Dr. €, .. ., Tübingen. Nah der Mit:
teilung eines Frankfurter Mitgliedes it das Wort Chaujiee
(prih Schöfiee) aud in Frankfurt a. Main nod gang und gäbe.
Der NAitjrankfurter jagt (nad) derielben Angabe): »Er wohnt auf
der Mainzer oder Bodenheimer Chauffee« im Gegenſatze zur
»M. und B. Gaß., wofür die amtlıhen Bezeichnungen allerdings
fängit »Landitraie« und »Straße« find.
Herin 8.9... ., Ludwigsluſt. Daß ein Mann, der
feiner amtlihen Stellung wegen vor allen dazu berufen it, die
Sprachrichtigleit zu pflegen, in einer Anzeige den Schnitzer macht, |
beehren ) Schaftlichen Erörterungen in Bereinen entichieden werden kann.
zu fagen: »Die Verlobung unjerer Tochter
Soldye Herleitung brauden Sie |
Beitfhrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. x. Jahrgang. 1895. Nr. 7/8.
182
jich« würde uns unglaublich dünfen, wenn wir die Anzeige nicht
gedrudt vor und hätten.
Herrn W. P. ..., Bitterfeld. Der Zujchrift eines Leip-
ziger Mitglieds entnehmen wir, daß das Wort Geburtstäger,
nebit jeiner weiblichen Ergänzung auf»ine, im ganzen Königreiche
Sachſen unbeftrittener Bejtandteil der Umgangs: und Schrifts
ſprache ijt.
Hem 9.0... ., Frankfurt a M. Dem Unfuge ber
Deutjchverleugnung in Firmenfchildern kann nur dadurch gejtewert
werden, da die ſchuldigen Geichäfte an den Pranger geitellt
werden. Wir danfen ihnen verbindlichit für Ihre Mitteilung
über das Haus Kissner fröres, Exportin Posamenterie,
dem fih in Berlin (Leipziger Etr. 95) die Herren M. Ulmo,
Sylvain & Edouard Löb sucers. mit ihren lainages, soieries
nebft hautes nouveautös, fowie ebendort (Martgratenftrafe 62),
Busse's Liberty Haus (aljo halb deutſch halb englijch) und The
St. Pauli Breweries Company, Limited in Bremen würdig ans
ichließen. Selbjt wenn die leßtgenannte Geſellſchaft aus Eng—
ländern bejtehen jollte, jo ijt ihr Name fiir Deutichland durchaus
unpafjend. Wir werden diefer Art von Leuten feine Ruhe laſſen
bitten alle Leſer der Zeitjchrift um Mitteilung ähnlicher Vor:
ommmiſſe.
Herrn Prof. Dr. St...., Düſſeldorf. Der Einſpruch,
den Sie gegen Friedrich Kluges Ausführungen in dem Auf:
jage »Zu den Spraddummheiten« (vgl. Sp. 29—31 d. 5%.) ers
heben, fam leider zu fpät, um abgedrudt werden zu können, ba
Profefjor Theodor Gartner bereits im VII. Wiſſ. Beibefte
©. 116,8 ungefähr in Ihrem Sinne das Wort ergriffen hat.
Allerdings beihäftigen Sie ſich mehr mit der Frage, ob das
Mehrhens-—s im Niederdeutichen, wo es unzweifelhaft vorhanden,
urfprünglich ift oder nicht. Darauf kommt es aber in der Meinungs-
' verichiedenheit zwifchen Wuſtmann und Kluge doch wohl nicht an,
und nur eine eingehende Unterſuchung Wönnte darüber Klarheit
ſchaffjen. Sclichlih fommen Sie, wie auch Prof. Gartner, zu
dem Ergebnifje, dat das Mehrzahl-s im burſchikoſen und vers
traulichen Stile zuzulaſſen jei.
Ham L. 5... ., Lübed. Sie halten die Wendung: »ich
tann das nicht unwiderſprochen lafjen« (vgl. Nr. 5 Sp. 124
d. 3.) im Gegenfage zu K. Bruns, dem Berfafler des Aufſatzes
» Serichtsdeutiche, *. richtig und fragen nach unſerer Meinung
darüber. Wir find ganz Ihrer Anſicht und ſchließen uns dabei
den Ausführungen von Theod. Matthias »Sprachleben und Epradj-
ſchüden⸗ ©. 204) an. GSelbft der font jo ſtrenge Herausgeber
der »Grenzboten⸗ hat in Nr. 44 (Jahrg. 1892 ©. 200) den Aus:
druck »ummideriprochene Thatjache« nicht beanjtandet. Herr Bruns
erllärt ims übrigens, er bemängle nicht die Nichtigleit von »das«,
fondern die Nichtigkeit von »unmwiderjprodene«, ganz abgejehen
von deſſen Verbindung mit »laffene und einem davon abhängigen
Attujativ. Widerſprechen regiere den 3. Fall (ic; widerjpreche
dem), jo daß die Bildung der Leideform befannten Beichräntungen
unterliege. Unwiderfproden fet alſo ebenfo falidh wie un—
geboljen und ungeſchadet in Sähen wie; »Ich fonnte ihn
nicht ungeholfen (ohne Hilfe) laflens; »er ift aus dem Kampfe un
gejchadet (unbeſchädigth hervorgegangen.« Indeſſen (un) wider-
ſprochen bat ſich Anerkennung verſchafft, wobei ihm wohl zu gute
lam, daß die ältere Sprache widerſprechen mit dem 4. Falle ver:
band. Wo ein gleiches mit helfen der Fall war, hat auch (um)s
eholfen einst gegolten; vgl. Grimm, Wibch. IV, 2 954. — Ob
ich der Spradverein jemals auf das gefährliche Gebiet der Recht:
ichreibung begeben wird, iſt zweifelhaft, Wir wollen es nicht
hoffen, da u. E. dieje Frage nur durd eine aus Fachmännern
zuſammengeſehte Neichsbehörde, nicht aber durch die meijt leiden—
Geſchäftlicher Teil.
Aufruf.
Das Ungllid, welches Laibach durd; das Erdbeben be-
troffen hat, ftellt ſich nach den amtlichen Erhebungen als nod)
viel größer heraus, als ed anfangs geichäßt wurde, und hat ind
befondere auch viele deutfche Einwohner jener Stadt ſchwer ge-
jchädigt. Der Obmann unferes dortigen Zweigvereins fpricht mir
die Bitte aus, die Mitglieder des a. d. Sprachverein® zur Linz
derung der Not der armen deutſchen Bürger Laibachs aufzufordern.
Ich tomme dem gem nad) und bitte, die Gaben für diefen Zweck
unmittelbar an den Obmann des Zweigvereins, Herm Dr. Fr.
Niedt, Laibach, Auerspergplag 4, einjenden zu wollen.
Dr. Mar Jähns.
|
N
Zeitſqchrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 7/8.
184
Der Gefamtvorftand hat in ber Sitzung vom 26. Mai 1895
den Dichter
Peter Rojegger
in Graz als jein Mitglied zugewählt. Herr Roſegger hat bie
Wahl danfend angenommen. — Werner beſchloß der Vorſtand,
ben Leiter unſerer Zeitfchrift, Herrn Oberlehrer Wappenhans,
ein für allemal zu den Sihungen des Ausſchuſſes und des Ge—
famtvorjtandes einzuladen.
Der Zweigverein Bruchſal hat fid) aufgelöft.
Leben gerufen wurbe der Zweigverein Fleneburg.
Wieder ind
Unter Verweiſung auf meine Mitteilung in der Juninummer
(Spalte 152) madıe ic) den geehrten Zweigvereinen befannt, daß
bisher 16 Ameiqvereine die Entjendung jelbitändiger Vertreter
nach Graz angekündigt haben, nämlic
Berlin-Eharlottenburg: Herr Oberlehrer Wappenhans.
Bonn: Herr Amtsrichter Landau aus Lennep.
Chemnip: (noch unbejtimmt ver.)
Braunschweig: Herr Oberlehrer Dr. Scheffler.
Dresden: Herr Geheimer Nat Häpe.
Franlfurt a M.: Herr Dr. Gantter.
Hannover: Herr Profefior Schäfer.
Kajfel: (mod unbeftimmt wer.) .
Koblenz: Herr Erjier Staatsanwalt Shumader.
» Rechtsanwalt Gräff.
Köln: Herr Oberlandesgericdtsrat Scheerbarth.
Laibadı: Herr Lehrer I. Schmidt.
» Dr, Goltſch, Beamter der Univ. - Bibl. Graz.
Miünjter: Herr Privatdozent Dr. Dreicer.
Potsdam: Herr Boitrat Dr. Dehms.
Natibor: Herr Oberlehrer Reinip.
Troppau: Herr Guſtav Scinoller.
Bittau: Herr Oberlehrer Dr. Matthias. |
Bon Mitgliedern des Gefamtvorftandes werden außer den ſchon
genannten Herren Häpe und Sceerbarth in der daupwer⸗
ſammlung beſtimmt erſcheinen:
Herr Profeſſor Dr. Dunger, Dresden.
Oberjtleutnant Dr. Jähns, Berlin.
Profeſſor Dr. Khull, Graz.
Geh. Regierungsrat Prof. Launhardt, Hannover.
Dr. Eduard Lohmeyer, Bibliothefar, Kaffel.
Präfident von Mühlenfels, Oldenburg.
Brofefior Dr. Pietſch, Berlin.
Dr. &. Saalfeld, Oberlehrer, Blantenburg a. Harz.
Jeder der genannten Herren kann 20 Stimmen übernehmen,
und ich bitte die Zweigvereine, ſich wegen ihrer Vertretung mit |
einem von ihnen in Verbindung jegen zu wollen.
Dr. Mar Jähns.
|
Bir empfingen
an außerordentliden Gaben
8 Marl von Zweigvereine Wolmirsleben; —
Briefe und Druckſachen file die Vereinsleitung
find am den Borfipenden
Dberitleutnant a. D. Dr. Mar an In Berlin W. 10
Margaretenſtra
6. Juli.
an erhöhten Jabresbeiträgen für 1895
je 10 Markt von Herrn Fabrikbeſitzer Grünfeld- Landshut,
Herrn Dtto Leonhard: Blafewig; —
je 6 Marf von Herrn v. Hanfemann-Pempowo, Herm
Major Albredyt-Mep, Herrn Prem, -Leut. v. Mihaltowäti-
Schöneberg, Herm Amtsrichter Eiche: Annaberg; —
je 5 Marf von Herm N. Reijer: Mühlheim a. d. R., Herm
Poſtinſpeltor Schem mel⸗ Düffeldorf, Herrn Oberamtmann Groob⸗
Überlingen, Herrn Herm. Heiberg-Schleswig, Herrn Landmeſſer
Mühlenhardt-Charlotienburg, Herrn C. Röders-Soltau, Herm
Baurat Drewitz- Angermünde, Herrn Dr. Homburg-Bodhorn,
Herrn Dito Traum-Hamburg, Herrn Konſul Mangels: Aſſun—⸗
cion, Herrn Wiedemann: Apolda; —
je 4 Marl von Herrn Rudolf Trott- Berlin, Herm Roftjetretär
D. Lehmann: Dresden, Königl. Universität Berlin, Herm
Herm. Vogel-Leipzig, Herrn Geh. Nat Dr. Abegg: Berlin,
Herrn Dr. Hammader- Berlin, Heren Ob.» Laz.-Inip. Hauſa—
dowsti-Najtatt.
Außerdem haben vier Mitglieder des Gefamtvoritandes ganz
oder teilweife auf ihmen zuitehende Gebühren im Gejamtbetrage
von 102,30 Mark verzichtet.
Allen freundlichen Gebern jagen mir für ihre Gaben beiten
Dant,
Die perehrlihen Zweigvereine und die verehrten unmittelbaren
Mitglieder bitten wir, ſoweit diefes noch nicht gefchehen ift, den
Jahresbeitrag für 1895
nunmehr recht bald an den Schagmeiiter des Geſamwereins ab-
führen zu wollen (fiehe die Nr. 8 und 12 der Sagungen).
Im Namen des Gejamtvorjtandes
Dr. Mar Jähns.
Dieſer Nummer — die Felt: und Tagesordnung für
die Hauptverfammlung in Graz nebjt der Rechnungs—
legung für das Jahr 1894 njw. bei.
Die Königliche Gifenbafn- Direftion Berlin teilt uns joeben
auf Anfrage mit: Sonderzüge zu ermäßigten Preifen
werben abgelafien werden:
1. von Berlin nah Münden, Lindau, Kufftein, Salzburg
und Reichenhall am 5., 6. und 13. Juli (über Halle (Saale)
und Probiizella).
2. von Berlin, Leipzig und Dresden nad) Wien am 15. Zuli
(über Tetichen : Znaim).
3. von Berlin über Breslau und DOderberg nad Wien am
Wir veröffentlihen diefe Bekanntmachung in der Meinung,
daß Befucher der vom 19. Juli ab tagenden Grazer Hauptvers
ſammlung vielleicht von diejen Verfehrserleichterungen Gebrauch
machen werden. Die Preisermäfigung findet derartig Statt, daß
für den einfachen Preis Beiörderung bin und zurück geletitet wird.
Genaue Jugüberfichten verfenden die FahrfartensAusgabeftellen.
Im NAuftrage des ftändigen Ausſchuſſes
Dr. Günther Saalfeld.
———— und Beitrittöerflärungen
an ben Scha
Bertasskunbändier Eberhard Ernft in Berlin W.al,
Wilhelmſtra he W,
Briefe — ——— e find an den Herausgeber, Oberlehrer Friedrich Bappenbans, ;. 9. Beblendorf bei Berlin, Whoruitrakie 6,
anche und Bufendungen fir die Wiſſenſchaftlichen Beibefte an Proſeſſor Dr. Baul Bletich, Berlin W.30, Mopftraße 12,
Ar die Leltung verantwortlich Grledbrid BWappenbans, Berlin. _ Berlag deb allgemeinen Veuticen Eyradpereins (didus und Ginft), Pr
Drud der Bucdruderel des Watlenhanies in Halle a.d, ©.
X. Jahrgang Ar. 9.
1. September 1895.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Heitfehrift erſchelnt jährtih swölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutlichen Sprachverelns unentgelttih |
geliefert (Sapung a).
Juhalt:
I
Bericht über die VIII. Hauptverfammlung am 20. und 21, Juli 1895.
Die Zeltfhrift kann auch durch den Buchhandel ober bie Poſt
zu 3 DE, jährlich bezogen werden, — Anzeigenannahme durch den Schatzmeiſter
Eberhard Ernit, Berlin W.41, Wilhelmfr. MW. — Auflage 15500.
Geihäftliher Teil.
Bericht über die VIII. Bauptverfammtlung
am 20, und 21. Juli 1805.
Die ordentliche Hauptverfammlung des Jahres 1895 fand zu
Graz in der Steiermark ſtatt. Am Abende des 19. Juli (Frei-
tag) ging ihr eine Worfeier in dem Baumgarten der Annenfäle
voraus, zu der fich die Feitgäfte aus allen deutihen Gauen ſter—
reichs und des deutichen Reiches zahlreich eingefunden hatten und
die durch die Gegenwart holder Frauen und Jungfrauen eine be-
fonders anmutige Weihe erhielt. Much viele Einwohner von Graz
gaben durd ihr Erſcheinen die Teilnahme fund, welche jie der
Sache des deutfchen Spracvereins entgegenbringen.
tretenden wurden dichteriiche Willlommgrühe von Karl Gawalowsti
und Aurel Polzer in Graz überreicht, und nad) einigen einleitens
den Mufilvorträgen der Kapelle des 47. ka k. Infanterieregiments
nahm der Univerfitätsprofefior Dr. Kratter als Obmann des
Feſtausſchuſſes das Wort, um die Gäjte willlommen zu heiken.
Seiner warm empjundenen Rede antwortete der Vorfigende des
Geſamwereins, Dr. Jähns, mit fröhlihem Danf, und dieſer
Austausch nicht nur höflicher jondern von Herzen fommender Be-
grühungen fand in der großen Verſammlung den lebhafteiten
Wiederhall. Ihre frohe Begeifterung wuchs nocd bei den Vor:
träügen des Grazer Männergefangvereins und eines auserlejenen
Duartetts, ſodaß dieſe Vorfeier jedem Anweſenden eine höchſt
angenehme Erinnerung bleiben wird. Der Geiſt aber, der alles
trug und bewegte, kam trefflich zum Ausdruck in dem vom Vor—
fißenden verlejenen Drahtgruße des 3. V. Bonn:
Süd auf zum Werte! Deutjches Wort,
Des deutſchen Volkes Stolz und Hort,
Vom Fremden frei ſolls wie der Rhein,
Klar wie der Schnee der Alpen fein!
Am Sonnabend, dem 20. Juli, um 9'/, Uhr morgens ers
öffnete der Borfigende, Oberftleutnant Dr. Mar Nähns die erite
neihäftlihe Sitzung, welche in dem ſchönen Stadtratiaale bes
Rathauſes jtattfand. Nach den einleitenden Worten des Vorſitzen—
den wurden die Erſchienenen noch einmal von den drei ſteie—
rifhen Bweigvereinen willfommen geheihen. Im Namen von
Graz ſprach Direftor Trunk, der dafür danfte, daß troß ber
vom Mittelpunkte Deutichlands weit entiernten Lage der Stadt
Graz ſich eine jo große Zahl von Bereinsgenofien eingefunden
Den Eins |
babe. Im Namen von Leoben lud Dr. Aſcher wiederholt zum
Beſuche des dortigen Zweigvereines und des merhvürdigen Erz-
berges ein, und im Namen des älteſten fteierischen Jweiqvereins,
Marburg, verband Dr. Mally mit feinem Dante für die Wahl
von Graz als Si der Hauptverfammlung ernſte Mahnungen zur
Einigkeit, »Bliden Sie« jo rief er aus »auf die anderen Völler
in unſerem gemiſchtiprachigen Kaiferreiche und Sie werden finden,
daß die Ungarn, die Gzechen, die Slovenen, welche lepteren mit
uns die grüne Steiermark bewohnen und unferer Sprache jo viel
verdanten, die von ihnen erreichten Vorteile nur dadurch ge—
wonnen haben, daß bei ihnen der Wille des Einzelnen fich ftets
dem der Geſamtheit unterordnete. Möge auch in unferm deutichen
Volle Einigkeit einfehren; möge nur das unternommen werden,
was zum Wohle unferes Volkes und unferer geliebten Mutter-
iprache dient!« — Der Vorſitzende dankte den drei Rednern und
teilte dann eine Reihe von Begrükungen mit, die der Tagung
jugegangen waren, z. T. von foldhen Genoffenichaften oder eins
zelnen Herren, die am Erſcheinen verhindert waren und ihrem
Bedauern darüber Ausdrud gaben, Es waren das ein Schreiben
und ein Drahibrief des Bundes der Deutſchen in Böhmen,
ein ſolches des eriten Bürgermeiſters von Graz, Dr. Bortugall,
eind des Dberlandesgerictspräfidenten Grafen Gleisbad,
Erzellenz, ein Drahtgruß des Schatzmeiſters Eberhard Ernit
und ein Brief des gejeierten Dichters der Steiermart, Peter
Nofegger, den fein zarter Geſundheitszuſtand in Krieglach
zurückhielt. Aus diefem ſchönen Briefe ſei es geitattet, hier fol-
gende Worte anzuführen:
»Wie fünmt ich teilmahmlos abjeits jtehn, wenn der große
Verein, der fih zum Beſchützer der deutſchen Sprache gemacht
hat, mein engere® Heimatland erwählt, um in ihm feinen Ehren—
tag zu halten, für mues Wirken ſich zu rüſten und aud im
Alpenvolfe das Gefühl für die Schönheit und Bedeutung der
deutichen Mutterfprache zu träjtigen! Nicht ale ob ih im der
Sprache als folder unſere nationale Weſenheit erblidte; die
deutsche Sprache allein macht noch feinen Deutjchen; aber fie ift
das Mittel, um die deutichen Eigenjhaften und Zugenden zum
Ausdrud zu bringen. ine veine, gefällige, freimürige Sprache
wirft auch zurück auf den Charakter des Sprechenden; fie trägt
dazu bei, daß er felbft rein, gefällig und freimütig fei. — Darum
balte ich die Pflege unſerer Mutteriprache für fo wichtig und einen
Berein, der mit begeijterter Liebe dieſe Pilege bejorgt, für fo
verdienftlich. Darum aud) jchäge ich die Größe der Auszeichnung,
die mir zu Teil geworden ijt, als vor Kurzem der allg. deutiche
Epradjverein mich zu feinem Borftandsmitgliede gewählt hat.«
187
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Spradvereine. x Jahrgang. 1895. Nr 9.
188
Der Vorfigende leitete nun die Prüfung der Vollmachten und
die Vorbereitung der Neuwahlen zum Borjtand ein. Auf feinen
Vorſchlag erklärte die Verſammlung ſich dankbar damit ein—
verjtanden, daß, wie in früheren Jahren, der geichäftstundige
Gymnafials Oberlegrer Dr. Günther Saalfeld- Blantenburg
die Leitung eines zu dieſem Zwed von ihm zu wählenden
Prüfungs: und Wahl: Ausicufjes übernehme. In dieſen Aus—
ſchuß einzutreten, hatten die Güte: Präfident v. Mühlen
fel3 = Oldenburg und Oberlehrer Wappenhans : Berlin. —
Dr. Saalfeld fegte das Verfahren, weldes von den Ber:
treiern, den Wählen und dem Ausſchuſſe innezuhalten jei,
genau auseinander, und während es begonnen wurde, erjtattete
der Borjigende, Dr. Dar Jähns, jeinen Jahresbericht. Diefer
lautete:
» Das Bereinsjahr, welches jeit der ſchönen Haupwerſammlung
in Koblenz; verronnen ift, war vorzugsweile der Sammlung und
Wiederherjtellung des Vereins gewidmet. In welchem Maße
dieſe gelang, zeigt der Umftand, daß die Zahl der Mitglieder
um genau ein Siebentel des Beitandes vom Jahre 1804 ans
gewachſen iſt. Sie betrug im vorigen Auguſt 11500; jept beläuft
fie ſich auf 13150, worunter 627 unmittelbare Mitglieder. Eine
Zunahme von 1650 Mitgliedern in 11 Monaten darf
wohl als ein höchſt erjreulihes Ergebnis bezeichnet
werden, umjomehr als die berechtigten Anſprüche der Hand in
Hand mit ums gehenden anderen vaterländiichen Vereine: des
Schulvereins, des alldeutihen Verbandes und des Schupvereins
für die Deutichen in den Djtmarten natürlich auch viele Kräfte in
Anjprudy nehmen. Dabei darf es nicht auffallen, daß dod)
wieder einige Ziveigvereine eingegangen find; denn das hat, jo
lange der Verein bejteht, immerdar jtattgefunden, und die Lücken
find wie jegt durdy neue Zweigvereine geidlofien worden. Wohl
aber mag es befremden, dab zu dem aujgelöften Vereinen ıwie im
vorigen Jahre Pofen jo diesmal Gneſen gehört, aljo wieder
eine der Hauptjtädte der in ihrem Deutihtum unmittels
bar bedrohten Grenzlandſchaften. Dort follte man doc
ſchon durch die Thomer Anſprache Sr. Majejtät des Deutjchen
Kaiferd aus der Läjjigfeit und Trägheit emporgerüttelt jein!
Fragt man nad) den Urſachen einer ſolchen Gleicdygültigteit, jo er—
hält man wohl die Antwort: »a, wir haben zu viel zu thun
mit dem wirtſchaftlichen Schuß des Deutſchtums in unjerer Pro—
vinz; zunädjt fommt es darauf an, deutſch leben zu lönnen,
dann erjt darauf, unſere Spracde edel und jauber zu reden.«
Meine Herren, in ſolcher Äußerung offenbart ſich doc) eine gewiſſe
Engperzigleit, ein Mangel an freiem Blid. Gewiß, jeder
Deutjche in dem Lande um Nepe und Warthe hat teilzunehmen
an dem Hug und kraftvoll begonnenen Sampje zum Schuß des
Deutſchtums in den Oftmarfen; aber darum joll er das Ringen
nad) Reinheit und Schönheit jeiner Mutterjprache keineswegs auf-
geben; nur wenn er gut deutſch jpricht, demft er auch gut deutſch.
Je mehr er diefem rein geiftigen Ziele nahhängt, um jo ficherer
wird ihm der Sieg aud in dem Kampf ums Dajein werden;
denn in jedem Kriege fiegt, wenn nicht jofort, jo doh am Ende
der, dem ein wirtlich ideales Streben die Seele füllt und das
Biel verllärt. — Dieſe Mahnung gilt auch für die Deutſchen
Ofterreihslingarns, mehr als 10 Millionen Voltsgenoſſen,
welche, wenn jie in unjerm Geſamtvereine mit den Reichsdeutſchen
zu gleichem Verhältnis vertreten wären, ungefähr 2600 Mitglieder
jtellen müßten, während fie in Wirklichleit nur etwa 650 Köpfe
zählen, d. h. noch nicht einmal ein Drittel der Mitgliederzahl
allein der preußiichen Rheinprovinz. — Es iſt unjer innigiter
Wunſch, daß die diesmalige, auf jteieriichem Boden tagende Haupt:
— — — —— —— — —
verſammlung dazu beitragen möge, dies entſchiedene Mißverhältnis
zu bejeitigen.
Außer in Gnejen find auch noch in Brid, Ballenjtedt, Emden,
Müplgaufen, Neutitihein, Elbing, Saarlouis und Bruchſal unfere
Zweigvereine erlofchen. Neugegründet wurden deren Dagegen zu
Straßburg in Weitpreufen, Mülheim a. Rh., Prüm, Bielefeld,
Oberhaufen, ever, Flensburg, Nudoljtadt und Trarbach, iv
daß die Zahl der Zweigvereine alles in allem fi nur um eins
vermehrt hat. Die Steigerung der Mitgliederzahl entipringt alio
einer inneren Erjtarfung der Zweigvereine.
»Wie im vorigen Jahre, jo habe ich auch in diefem der Er-
nennung eines Ehrenmitgliedes zu gedenken. Galt fie
damals dem Stifter umjeres Vereines, fo gilt fie diesmal dem
Begründer des Deutichen Neiches, dem Fürſten Otto von
Bismard, deſſen unvergleicylihen Verdienjten um das deutſche
Volt und mit ihm um die deutſche Sprade wir eine dreifache
Nummer unjerer Zeitichrift gewidmer haben, welche unjer Schrift:
führer Paul Bietih im Berein mit Hugo Blümner, Otto Lyon,
Hermann Wunderlid) und Theodor Matthias hergeſtellt hat. Die
darin abgedrudte Urkunde der GEhrenmitgliedichaft iſt, vornehm
ausgeltattet, dem Fürſten auf feinen Wunſch durd die oil
überiendet worden, da fein Befinden ihm leider die Notwendigteit
auferlegte, die Zabl der perſönlichen Empfänge einzuicränten.
»Einem anderen Ehrenmitgliede unjeres Vereines, dem Staatt-
jefretär des Reichspoftantes, Dr. von Stephan, durften wir zu
feinem fünfundzwanzigjährigen Dienjtjubelfeite ebenfalls mit einem
tünjtleriich gehaltenen Glückwunſchſchreiben und einem Aufſatze Her
mann Dungers in der Juninummer unjem Dank darbringen
für die fo überaus wichtige Förderung, welche diejer der ganzen
Belt teuere Staatsmann der Reinigung unjerer Mutterſprache
von fremder Wucherung vorbildlich und nachhaltig hat angedeiben
lajjen.
» Der jländige Ausſchuß trat im Berichtsjahre viermal, der
Gejamtvorjtand dreimal zur Sihung zuſammen.
»Aus der Reihe unferer Borjtandsmitglieder riß im Herbite
v. J. der Tod den unvergehlihen Forſcher und Lehrer Rudolf
Hildebrand, eine der Zierden deutfcher Sprachwiſſenſchaft, ein
warmes treues Herz, dem die Liebe zu unſerm Bulle eingeboren
war. Sein Gedächtnis hat Julius Sahr in der Januarnummer
unjerer Zeitjchrift gefeiert. Dem großen Gelehrten folgte nur
allzubald ein ausgezeichneter Mitftrebender nad: Prof. Dr. Franz
Kern, Direftor des Köllniſchen Gymnafiums zu Berlin, der Bor:
zügliches für die Hebung des deutjchen Unterrichts geleiitet hat.
»Auher den Huldigungen, welche die Zeitſchrift des al-
gemeinen deutſchen Sprachvereins unſern gejeierten Ehrenmit⸗
gliedern oder unſern dahingeſchiedenen Vorſtandsgenoſſen dar
brachte, hat ſie mehrere fejjelnde wiſſenſchaftliche Aufjäge ver
öffentlicht. Fünf davon hebe ich beionders hervor: *Spradrein:
heit und Spradyreinigung, geichichtlich betrachtet" von Friedrich
Kluge, ‘Fremdwörter und Kermwörter bei Muſäus' von Ernit
Muellenbad, "Zum Gedächtniſſe Guſtav Freytags' von Dis
far Streicher, ‘Joh. Gottl. Fichte von Theodor Matthiat
und ‘Gericditsdeutih” von Karl Bruns, Lehtere Abhandlung
bildet jhon den Übergang zu den rein thatſächliche Ziele verfolgen:
den oder den unmittelbaren Bereinsangelegenheiten zugewen—
deten Nuflägen, welche den Hauptinhalt dev Zeitichrift ausmachen.
Dahin gehören Martin Stiers ausführlicher Bericht * über die Ber-
deutſchung und Berbefjerung der Geſchäftsſchilder', Otto Mardhs
Vortrag über die Verdeutſchung der Fremdwörter im Bühnen
wejen’, mannigfaltige Mitteilungen über Spradjjünden, über
Screibung und Verdeutfhung von Straßennamen, der Bericht
189
über die Koblenzer Hauptverfammlung, die geſchäftlichen Mit:
teilungen des Borftandes, Maydorns Berechnung der verhältnis:
mähigen Größe unferer Jweigvereine und weit über hundert Be-
richte aus dieſen jelbit, die Bücher» und Zeitungsjchau und ends
fich der Briefkaſten. Die Richtung der Zeirichrift ging alfo ganz
vornehmlich dahin, auf das volkliche Bewuhtjein einzu—
wirten, und zwar weniger durch gelehrte Abhandlungen, ala
durch bejtändiges Hinweifen auf greifbare Ziele, wie die Reinigung
der Schilder, Preisliften, Satzungen, Geihäftsauffchriften, Straßen:
nomen, des Heitungsdeutich u. dal. m. und durch Mitteilungen
über die Veftrebungen der in allen Yändern deutſcher Zunge ver:
breiteten Vereins⸗ und Befinnungsgenofien. — Willlommen wäre
es ja, wenn die Zeitjchrift zunveilen einen begeijternden, zündenden
Aufiap brächte, der eine Maſſenwirkung veripräcde; auch von
andern ift mir wohl folch ein Wunſch ausgeiprochen worden. Bat
man fie aber dann, jelbit Hand dazu anzulegen, jo weigerten fie
fich defjen. Gewiß nicht aus Trägbeit, jondern mit gutem Grunde.
Goethe jagt einmal: » Begeiftrung ift feine Häringsiware, die man
einpöfelt auf einige Jahre.« Für die große Stunde gehören
Feuerzeichen und Trompetengejchmetter; wer fie täglich verwendet,
ſtumpit Aug’ und Ohr des Volkes ab. Für den Alltag gehört
ſich jtetige fchlichte emfige Arbeit, die das Sprachgewiſſen bes
Bolfes wach hält umd ſchärft. Daß dies gelingt, beweiſt die
Menge von Einzelanfragen ſprachlichen Inhalts, die mir von den
verihiedeniten Seiten zugehen und die meijt von ben Herren
Schriftführer beantwortet werben.
» Da der Anzeiger, welcher neuerdings der Zeitjchrift beigegeben
ift, noch nicht viel (im Ganzen etwa 900 A) eingebracht hat,
jo falfen die Koſten der Beitichrift Schwer ins Gewicht und haben
die wiſſenſchaftlichen Beihefte im enge Schranken gewicjen.
Es erjchienen zwei Nummern (VII und VII. Sie enthalten
u. a. Ferdinand Khulls Neuausgabe von Grimmelshauſens
‚Deutichem Michel‘, Friedrich Hluges Abhandlung über die
deutfhen Namen der Wochentag, Richard Hodermanns
‚Univerfitätsvorlefungen in deutfcher Sprachet und Theodor
Gartners Erörterung über das Gebiet der Sprachgeſeßgebung.
»Bon den Verdeutſchungébüchern iſt das ſechſte, das über
Berg- und Hüttenwefen, ausgegeben worden. — Nicht jo
günftig ſteht es um das ſchon jeit Jahr und Tag fertig geitellte
Heft über die deutſche Schuljprade. Die Begutachter diejer
umfafjenden und forgfältigen Arbeit jtohen auf ganz ungewöhn-
tiche Schwierigkeiten, jobald fie, wie ja unerläßlich, den Geſichts—
punkt einnehmen, daß das Heft unmittelbar für die Schule brauch-
bar jein und demgemäh alio audı die volle Zuftimmung der
höchſten Unterricytsbehörden finden müfle. Bevor es dahin kommt,
wird noch einige Zeit vergehen, was jehr zu bedauern aber un:
vermeidlich iſt. — Das Verbeutihungsheit über Heilfunde und
Arzeneiwiſſenſchaft ift auf Grund der höchſt wertvollen Bor:
arbeiten des Dr. Matthäis Danzig vom Oberitabsarzt Dr. Kunow
in Neuruppin fertig geitellt worden und joll demnächſt der Be-
gutachtung eines zu diefem Zweck erwählten Ausſchuſſes unters
worfen werden. Es war mein Wunſch, daß an diefem Hefte auch
eine fübdeutiche Kraft mitarbeitete, womöglich eine ſolche aus
Diterreich, um die bier ja noch in reichem Maße vorhandenen
eigenartigen älteren Ausdrüde zur Geltung zu bringen. Au dem
Ende wandte ich mich an einen als Vereinsmitglied wie ala Arzt
gleich hervorragenden Herrn der Steiermark; aber mein Brief
blieb ohne Erfolg.
»In Vorbereitung ift ein Liederheft, das in zuſammen—
bangender Überficht die edelſten Dichtungen bieten foll, in denen
unfere Dichter die deutſche Sprache verherrlict haben, und das
190
zugleih als Unterlage für feftlihe Veranftaltungen der Zweig—
vereine dienen fann.
»Auf Verlangen des Polizei: Präfidiums in Berlin mußte der
Verlag unjerer Zeitichrift unter bejtimmten Eigennamen in das
Firmenregifter eingetragen werden. Inſolgedeſſen beſteht jet dem
Namen nad das Geſchäft ‚Zähns & Ernſt“‘, defien Abficht
es ift, num auch die Verbeutichungsheite jelbftändig zu verlegen
und in den Buchhandel zu geben, um auf diefe Weile den Bor-
teil des Vereins nad) Möglichkeit wahrzunehmen.
» Der Wettbewerb um eine augenfällige, künſtleriſch ausge—
ftattete Wahlſpruchtafel, defjen Ergebnifie Ihnen in Koblenz
vor Augen gejtellt waren, ijt von einem zu diefem Zwecke be-
rufenen Preisgericht zu qunften des Entwurfes von Karl Schröder
in Berlin entjchieden worden. Brobeabzüge davon befinden ſich
in den Händen jedes Zweigvereins, und die Julinummer bat einen
erläuternden Auflab dazu gebracht. Es lommt nun darauf ar,
mit diefer die Aufmerkſamkeit erwedenden Bildtafel werbend auf
weitere reife zu wirken, indem man fie nicht nur in den Ver—
jammfungsräumen unjerer Zweigvereine fondern namentlich auch
an öffentlichen Stellen anbringt, alfo in Gaſtzimmern, Eifenbahn-
wartefäfen und dergl. Örtlichteiten. — Ein zweiter Entwurf, der
des Rrofefford Mar Läuger in Karlsruhe, iſt ebenfalld ange—
fauft und den Zweigvereinen als Schmud der Mitgliedsfarten
empfohlen worden.
>» Mehrfach ift an den Geſamtvorſtand die Aufforderung berans
getreten, ummittelbar an die Reichs- und Staatsbehörden Denk—
jchriften und Geſuche um die Förderung unſerer deutichen Sache
zu richten. Diefe Vorſchläge find ſehr eingehend geprüft, aber
aus guten Gründen, deren Erläuterung an diejer Stelle zu weit
führen witrde, nicht befolgt worden. Wir haben es vorgezogen,
und lieber an den quten Willen der vielen unferer Sache treu
anhangenden hohen Beamten und dann an einzelne mahgebende
Körperichaften zu wenden.
»Nach Kräften bat der Verein die hoffnungerwedende Bewe—
gung unterftügt, welche durch die verbienftvolle Arbeit des Herrn
Eigen: Hamburg über die Fremdwörter ber Handelsfprade
\ in faufmänniichen Streifen hervorgerufen worden iſt. Der Eipeniche
Aufruf wurde von uns mit warmer Befürwortung dem Handels-
tage und allen Handelslammern überreicht. Am Norden, nament-
lich in Elberfeld, trat rege Teilnahme hervor; es wäre aber jehr
zu wünfchen, daß aud der Süden, insbefondere Öfterreich, ſich
an diefen wichtigen Beſtrebungen beteiligte.
Um die Kreiſe der Bolfälehrerichaft wie die der Hochſchulen
in noch weiterem Umfange als bisher für unſere Zwecke zu ge
winnen, haben wir neuerdings an die Ychrerfeminarien und
an die deutihen Univerfitäten im Reich und in Üfterreich
Aufforderungen zur Teilnahme am allgem. deutichen Sprachverein
ergehen laſſen und hoffen innigit, daß es gelingen werde, afa=
demifche Ortögruppen zu begründen; denn die Teilnahme ber
Jugend muß uns natürlid) vom allerhöchſten Werte jein.
» Den jtatiftiichen Unterfuchungen über die Häufigkeit des
Bortommens der Wörter in der deutfhen Spracde,
welche zumächit für Zwecke der Schnellichriftler ins Werk gejept
worden find, baben wir eine Geldunterſtützung zugeivendet, weil
fie mittelbar auch unferen Zweden dienen, indem fie zugleich eine
Überficht des Fremdwörterunweſens gewähren.
» Mit Freuden haben wir uns durch einen Beitrag an der Be-
gründung des Schillermufeums in Marbadı beteiligt. Solche
Hochſitze deutichen Geiſteslebens, ſolche Merkiteine deutfcher Treue
und Liebe, dergleichen wohl fein anderes Bolt in folder Zahl und
101
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Spracvereius. X. Jahrgaug. 1895. Nr. 9,
192
Würde befipt, verdienen es, mit aller Sorgfalt gepflegt zu werden.
Denn dabei handelt man im Sinne des Goetheſchen Wortes:
Haltet das Bild der Würdigen feit! Wie leuchtende Sterne
Teilte fie aus die Natur in den unendlichen Raum.
»Das Denkmal Sottfr. Aug. Bürgers, zu dejien Her—
ftellung wir im vorigen Jahre beigetragen haben, iſt am 29. Juni
auf dem Friedhofe zu Göttingen enthüllt worden. Auch in diefem
Jahre haben wir und an ähnlichen, dem Andenken unjerer Mit-
jtrebenden geweihten Unternehmungen beteiligt, Wir haben 200 Mt.
für ein wirdiges Grabdentmal Rudolf Hildebrands in Yeips |
zig bewilligt und je 100 Dit. für die Denkmäler der Gebrüder
Stüber in Straßburg und bes Fürſten Ludwig von Anhalt
in Köthen.
Männer, deren Wirken als Dichter, Sagenforicher und Erzieher
in der erſten Hälfte unſeres Jahrhunderts es vor allem zu
danken it, daß das Deutichtum im Elſaß nicht unterging, ſondern
im Bewuhtjein weiter Vollskreiſe als der tieffte Urgrund des Ges
mitslebens lebendig blieb. Fürſt Ludwig von Anhalt: Köthen,
einer der einfichtsvolliten Landesherren feiner Zeit, wurbe 1617
Begründer der ‚Fruchtbringenden Gejellichaft’, deren Zweck darin
bejtand, ‘die edle hochdeutſche Mutterſprache in ihrem rechten
Wefen und Stande, ohne Einmiſchung fremder, ausländijcher
Wörter aufs möglichſte und thunlichite zu erhalten und ſich dazu
ſowohl der beiten Aussprache im Neden als der reinjten Art im
Schreiben und Reimedichten zu befleihigen. Ludwig von Anhalt
war alſo der Stifter des erjten deutichen Spradjereing, und in-
dem wir ihn ehren, ehren wir uns jelbit.
»An alledem haben die Zweigvereine mittelbar ihren vollen, |
reihen Anteil. Ihre örtlide Wirtfamkeit im eigenen Kreiſe lann
natürlich, den meift geringen Mitteln entiprechend, feine fehr tief
greifende fein; aber gefehlt hat auch fie nicht, und vielfach hat fie
fogar durd die Verbindung mit gleichjtrebenden Zweigvereinen
verheijungsvoll die örtliche Beſchtünlung überwunden. Mit der
Neinigung der Aufichrijten der Geſchäftshäuſer Haben ſich, und
zwar zum Teil erfolgreich, befonders Dresden, Neuruppin, Lübechk
und Breslau beichäftigt; Berlin: Charlottenburg wendete ſich da—
neben auch noch der Spracdye der Preisfiften, Sapungen u. dgl.
zu; die Klaritellung und Berbefjerung der Strafiennamen be—
ſchäftigte namentlich Bonn, Neuruppin, Aurich und Stuttgart.
Zu günftiger Beeinfluffung der Zeitungsſprache fam uns unfer
verehrtes Vorjtandsmitglied, der Neihstagsabgeorönete Dr. Ham—
macher, mit feinem Einfluk zu Hilfe. — So viel alſo aud) noch
zu wünfchen bleibt, — wir dürfen doc, jagen: das Jahr iſt,
jowohl was die Ausbreitung des Bereins als was die erzielten
Erfolge betrifft, jedenfalls befriedigend geweſen.
»Es ijt dies um fo erfreulicyer, als der allgemeine deutiche
Spradwerein in diefem Jahre auf eine zehnjährige Thätigfeit
zuricbliden darf, und ich bedauere nur, dab ums gerade bei
diefer Hanptverfammlung der verehrte Stifter des Vereins, Pros
ſeſſor Dr. Riegel, fehlt. Genau genommen fällt aber das seit des
zehnjährigen Beftchens erjt in den September, in welchem Monate
ſich 1885 der erfte unferer Jweigvereine, der in Dresden, zufammen-
fand. Ich bitte Sie, dieſes Ereignis duch fejtliche Berfammlungen |
der Zweigvereine in der Weife feiern zu wollen, dal; dadurch die
Teilnahme der Mitglieder bejtärkt und die der Draußenfichenden
hervorgerufen werde. Wir alle aber getröiten uns angefichts dieſes
zehnjährigen Wachſens, Wirtens und Waltend einer fröhlichen
Zukunft unjeres Vereines! Wie es Ludwig von Anhalt an der
Schwelle des dreifiigjährigen Krieges gelang, treue deutſche Männer
zu einem Bunde für die Erhaltung und Erhebung unjerer lieben
Die Gebrüder Stöber find jene vaterlandstrenen |
| Sprache zu vereinigen, wie es den Brüdern Stöber gelang, unter
dem Drude der franzöſiſchen Herrichaft im linksrheiniſchen Ala—
mannenlande das deutiche Gemüt und die deutihe Sprache zu
ihügen, fo möge es auch uns gelingen, das Gefühl für Reinheit
und Schönheit unserer Mutteriprache in allen Kreiſen des Volkes
zu weden, zu erhalten und zu ſteigern. Daran haben wir nun
ein Kahrzehnt lang gearbeitet; daran, bitte ich, arbeiten Sie auch
in der Zukunft treulich fort mit und!«
Die Berfammlung beantwortete diejen Jahresbericht mit leb—
baftem Beifall, und nunmehr ging der Borjipende zum 5. Punkte
der Tagesordnung, dem Bericht der Nednungsprüfer über die
Rechnung des verflofienen Geihäftsjabres und Erteilung der
Entlaftung über.
Dr. Jähns: Wir befinden uns in der traurigen Lage, dab
unfer Schapmeifter, Herr Ernſt, krankheitshalber verhindert üt,
bier zu ericheinen, und daß aud) feiner der beiden Herren Rech—
nungsprüfer zur Hauptverjammlung fommen konnte. Sie müſſen
ſich daher damit begnügen, daß ich Ihnen eine Überſicht der
Rechnung gebe und daſ der Buchhalter des Vereins, Herr Rektor
Herrmann, Ihnen die Außerungen der Rechnungsprüſer verlieſt. —
Vergleicht man die Rechnung des Jahres 1894 mit der des
vorhergegangenen Jahres, jo ergiebt fid)
für 1593 eine Einnahme von 29649 „A,
159 „ — „ 38340 „
Diefe Verminderung von fait 1200 .M erflärt ſich aus dem
Erlahmen der Teilnahme am Berein und dem Rückgange der
Mitgliederzahl, welche als die Folgen der inneren Streitigteiten
erjcheinen und um die Jahreswende 1893/94 in dem Erlöſchen
jo vieler Zweigbereine zu Tage traten. Die auferordentliden "
Gaben nahmen um 400 .A, die Beiträge der Zweigvereine um
940.4 ab; dagegen hoben ſich die Beiträge der auferordentlichen
Mitglieder etwas, weil doc manche Glieder eingegangener Zweig:
vereine dem Befamtvereine treu blieben.
Was die Ausgaben betrifft, jo betrugen dieſe
im Nahre 1893: 26.264 4
159: 24488 „
Diefe Erſparung von 1766 „A ift grofenteil8 einer Berringe-
rung der Verwaltungstojten zu verbanten, welche 1894 etwa
1200 „4 weniger betrugen als 1893. Auch an den wiflenicaft:
lichen Beiheften wurden ungefähr 900 „A eripart. Dagegen er:
atebt fich ein Mehr der Ausgaben bezüglich der Ausfchup- und
Boritandsfigungen und der Hauptverjammlung von i. g. 750 A,
wobei jedoch nicht außer Mugen gelaffen werden darf, daß es
1593 überhaupt nod feine Musihußfigungen gab und dak 15%
dem Aweigvereine, welder die Hauptverfammlung veranjtaltet
batte, eine Beihilfe von 1000 4 gezahlt worden ift, was im
Vorjahre nicht neichehen war. — Die Heritellung der Beitichrift
bat etwa 300 4 mehr gefoftet ala im Borjahre. — Alles in
allem aber ftellt fi) der Abſchluß des Jahres 1894 um nınd
600 „A günjtiger als der des Vorjahres.
Der Vermögensbejitand des Vereines wurde auf der
Reichsbank niedergelegt und beträgt 15 000.4 in 3',,°,, Staatk
papieren.
Ich bitte nun unfern Buchhalter, die Bemerkungen der Net:
nungsprüfer zu verlefen.
Herrmann: Her Otto Koh, Schapmeifter des 3. V. Kaſſel
hatte ald Nechnungsprüfer 10 Erinnerungen gemacht. Bon dieſen
erllärt er 9 durch Berichtigungen oder Aufllärungen für erledigt.
Zur 10, Erinnerung bemerkt er, dab ſie auch nachträglich nicht
geprüft werden fonnte wegen Mangels an Belegen, dah » indes
aus den durd den Borftands-Vorfigenden, Herrn Dr. War
Jähns, mitgeteilten Auftlärungen unzweifelhaft hervorgeht, mic
etwaige Unrichtigkeiten in der Rechnung dem Vereinsvermögen
nicht zum Nachteile gereichen können. Demgemäß und mit
” 0
Bezugnahme hierauf erfenne ich meinerjeit$ die ganze Rechnung
193
nummehr als richtig an, beantrage der Kaſſenverwaltung die Ent—
laftung zu erteilen und ziehe zugleich den in dem Gutachten vom
4. Mai diejed Jahres geftellten Antrag auf Erlah einer An—
weilung für die Kaſſen- und Buchführung, da ich denfelben nicht
perfönlic, vertreten kann, hiermit zurüde,
Borfipender Dr. Jähns: Ich bemerkte Hierzu, daß es ſich bei
jenem Punkte 10 um folgenden Borgang handelt. Kerr Ernſt hat
als Schapmeiiter auch den Anhalt der laufenden Kafie jo weit
irgend möglich immer zinstragend angelegt und dadurch ſowie
durch rechtzeitigen Berfauf einen Gewinn erzielt, der zwar im
Kaſſenbuche eingetragen, aus befonderen Belegen aber nicht er—
fichtlich war. Es Handelt fi alfo lediglich um einen nicht voll
gültig nachgetviefenen Vermögenszuwachs.
Herrmann: Die Äuferung des Herm R. Kohrig, Schap:
meijterd de8 3. V. Dresden, als Rechnungsprüfer lautet: » Mit
Bezug auf die vorftehenden Erörterungen des Herm Otto Koch
erfenne auch ich die Rechnung al® richtig an und beantrage ber
Kafjenverwaltung die Entlajtung zu erteilen, unter Anerfennung
der großen Verdienſte, die ſich Herr Eberhard Ernſt durch die
Führung der Kaffe und der Bücher envorben hat.«
Landau: Im Auftrage des 3. V. Bonn erſuche id um Auf—
flärung des Punktes 8 der Rechnungsüberficht des Jahres 1894
(Berichiedenes) und um Angabe des Wehaltes der Schriftleiter.
Vorjigender Dr. Jähns giebt an der Hand des Kafienbuches
die gewünjchten Einzelangaben.
Landau: Durd) dieje Aufllärungen ijt meine Anfrage erledigt.
BrundsTorgau: Ich möchte fragen, in weldher Art und
Weiſe Sicherheit dafür gegeben it, daß das Vereinsvermögen
auch wirklic; bei der Reichsbank niedergelegt ift.
Vorfipender Dr. Jähns: Die Dinge verhalten fi) folgender-
mahen: Die Stüde ohne FZinsfcheine liegen in meiner eigenen
Banttifte auf der Reichshauptbank zu Berlin. Die Zinsicheine
befinden fich in Händen unferes Schagmeijters, des Herrn Eberhard
Emft, der alfo in der Lage it, fie zu dem betreffenden Fällig—
feitäfrijten einzulöfen. Der VBerfauf eines Papieres lann daher
nur unter beiderjeitiger Mitwirkung geichehen.
Bruns: Mir genügt diefe Erklärung, und id) beantrage
darauf hin die Genehmigung der Rechnungelegung.
Vorſihender Dr. Jähns: Wenn fonjt feine Bemerkung ges
macht wird, fo bitte ich um bie Erteilung der Entlaftung für
mich und den Schaßmeifter Herm Emft. (PBaufe) Ich stelle
feit, dab kein Widerfpruch erhoben wird, nehme alfo an, daß bie
Entlaftung erteilt ift, und danfe Ahnen dafür. — Wir fommen
nun zur Wahl der neuen Rechnungsprüfer. Nach dem Ber
ſchluſſe der Koblenzer Hauptverfammiung follen zu Rehnungss
prüfern, bezüglid deren Stellvertretern immer Mitglieder der |
nädjitgröhten Bmeigvereine gewählt werden. Demgemäh richte
id) an die Bweigvereine Braunichweig und Hannover die Bitte
ordentliche, und an die Ziweigvereine Bonn und Graz die Bitte,
ftellvertretende Rechnungsprüfer aus ihrem Schoße erwählen und
mir demnächit von dem Geſchehenen Mitteilung machen zu wollen.
Dr. Schäfer: Hannover ift erit im Worjahre davon betroffen
worden; es wäre zwedmähiger, wenn ein größerer Werhjel jtatts
fände.
Borfigender Dr. Jähns: Damals lag der Beichluß der Haupt:
verſammlung inbezug auf die innezuhaltende Meibenfolge noch
nicht vor.
große Lajt auf jich zu nehmen.
YandausBonn: Ich bitte, die Wahl des Bonner Rechnungs—
prüfers jo lange ausfegen zu dürfen, bis jeftiteht, ob wir einen
eigentlichen Brüfer oder nur einen jtellvertretenden zu jtellen haben.
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins, X. Jahrgang. 1895. Nr. 9.
Vielleicht find die Herren doch geneigt, die nicht allzus |
|
|
|
194
Dr. Zähne: Ich bitte alfo zunächſt Hannover, mic, baldigjt
über den dort gefahten Beſchluß zu benadhrichtigen. — Ich erjuche
nun Herrn Herrmann, den Vorauſchlag für das Jahr 1896
vorzutragen.
Herrmann: Die Einnahmen des Jahres
1895 haben bis jegt betragen . 23411,54.4
Rüdjtändig mit ihren Zahlungen find noch 13
Amweiqvereine, die biäher gar feinen Jahress
beitrag geleiftet haben; von ihnen jollen
eingeben .
Von 20 Bweigpereinen ſtehen die Beiträge teile
tweife aus; von ihnen ijt noch ein Eingang
zu erwarten von B
Bon unmittelbaren Mitgliedern find 42 mit ihren
Bahlungen im Nüdjtande; von ihnen ift noch
ein Betrag zu erhoffen von .
Mit diefen in Ausficht jtehenden —
glauben wir die Geſamteinnahme für dieſes
Fahr anjegen zu dürfen auf . . 35011 4A
Kommt hierzu der zn aus dem Vorjahre
mit k ; 3901,47 „
fo ergiebt jich eine Birtfaftsfunne von 28 973,0 ‚O1 A
An Ausgaben find im laufenden Jahre bis
jept geleiftet worden . . i . 15.437,56 .M
Zwar liegt erit die Hälfte des Jahres hinter
uns, doch wird die 2. Hälfte weniger Aus—
gaben bringen, al& die erjte; denn in biefe
fielen die bedeutenden Herjtellungstoften für
die Bismarcknummer und die für den Fürſten
bergeftellte Urkunde, die Beträge für Ber-
deutichungsbücher und wijjenichaftliche Beis
befte. Wir halten dafür, daß die noch zu
leiitenden Musgaben betragen werden etwa 11250,— „
Sind diefe Annahmen richtig, jo bleibt ein
Beitand für das Jahr 1896 von.
Um jicher zu gehen, möchten wir für das Jahr
1896 feine zu hohe Einnahme in Anſchlag
bringen, fondern empfeblen, fie anzuſehen mit 22000,— „
Für die Ausgaben des Jahres 1896 unterbreiten
wir folgenden Voranſchlag:
1. Allgemeine Verwaltung (Miete, Schreib:
bedarf und Poſigebühren für den Vor—
fipenden, die Schriftleitung und Geſchäfts—
850,— „
600,—
150,— ”
2285,45 „
führung) — 70,— .
2. Gehalt für den Buchhalter * Gehein-
ſchreiber (in einer Perſon vereinigt) 2000,—
3. Für die Bücherei . . 150,— „
4. Hauptverjammlung, Ausſchuß⸗ = vor
ſtandsſißzungen 300,— „
5. Reifen für die Ausbreitung dei Vereins . 300,—
6. Schriftleitung der Zeitjchrift und der wiſſen—
ichaftlihen Beiheite . 2400,— „
7. Ehrenſold für Mitarbeiter an der. Beirfchrift 1000,— „
8. Ehrenſold jür Mitarbeiter an den Beiheſten 300,— „
9. Herstellung der Beitichnät . ». TOO,
10. Herſtellung der Beibejte 1000,— „
1l. Bapier für die Drudjachen 3000,— u
12. Für unvorhergejehene Ausgaben, zur Ler-
fügung des Borfipenden und Ausſchuſſes 1 100,— „
22 000,— Ak
195
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Epradvereins.
Borfigender Dr. Jähns: Ich glaube, dak diefer Voranſchlag |
ſehr vorfichtig abgefaht iſt und bin überzeugt, daß und noch Mittel
für unvorhergejehene Ausgaben übrig bleiben werden. — Falls
fih niemand zum Worte meldet und fein Widerſpruch erfolgt,
nehme ich an, daß der Voranſchlag Ihren Beifall findet.
Dr. Saalfeld- Blankenburg: Ich bin nunmehr imjtande, bie
Lifte der Vertreter mitzuteilen. Es ijt die folgende:
Bweigerreine Stimmen Bertreter
Aachen 2 Herr Dr. Mar Jähns.
Annaberg 1 „ Rrofefior Dr. Dunger.
Berlin-Eharlotten-
burg 3 „ Dberlehrer Wappenhans.
Bielefeld 1' 5 m m
Blantenburg 3 „ Gymmai,-DOberl. Dr. Saalfeld,
Bonn 6 „ Amtörihter Yandan.
Bopparb 1 „ I. Staatsanwalt Shumader _
Braunſchweig 6 „ Ghymnaſ.-Oberl. Dr. Scheffler.
Breslau l ,„ Amtsrichter Yandau,
Gzernomwiß 1 „ Profejior Karl Wotf.
Darınjtadt 1 „ Bürgerihullehrer Arnold.
Döbeln 1 „ ®Brofefior Dr. Dunger:
Dresden 7 „ Gebeimer Hat a. D. Häpe.
Duisburg 3 „ 1. Staatsanwalt Shumader.
Düfjeldorf 3 „ Dberlandesgerichtsrat Scheerbarth. |
Eger 2 „ Bürgeriduilebrer Arnold.
Elberfeld 3 u Brofeflor Buchruder.
Efjen 3 „ Mmtsrichter Landau.
Frankfurt a. N. 3 „ Dr Gantter.
Freiberg 2 „ Brofejior Dr. Dunger.
Gablonz 2 „ Dberlehrer Dr. Matthias. |
Graz 5. Direftor Hans Trunk.
Greifenberg 1 „ LÜberlehrer Dr. Cascorbi.
Grimma 3 „ Dr Matthias. |
Halle 3 „ Dr Mar Jähne.
Hamburg 3 „ Gymmaj.: Oberl. Dr. Dijiel. |
Hannover 6 „ Brofeflor Schaeier.
beidelberg 1 „ Dr Santter.
Heilbronn 3 „ Beofeffor Dr. Dunger.
Hom 1 „ Brofefior Bolzer.
Iglau l „ Bürgerſchullehrer Arnold.
Innsbruck 3 u Vrofeſſor Dr. v. Scala,
Kajjel 8 „ Geh. Negierungsrat Fritſch
Koblenz 9 „ 1. Staatsanwalt Shumader.
Köln 5 „Oberlandesgerichtsrat Scheerbartb.
Sirefeld ı r J
Krems 2Burgerſchullehrer Arnold.
Leipa : ü z
Leipzig 4 „ Brofejlor Dr. Dunger.
Leoben 2 „ Dr. Aider Dr Gutſcher.
Liegnip 1 „ Gymmai,-Oberl. Dr. Scefiler.
Linz 2 „ Vroſeſſor Dr. Khull.
Lübechk 4. , Poſtrat Dr. Dehms. |
Magdeburg 3 „ Dr. Saalfeld.
Mainz 1 „ Vrofeſſor Dr. Khull.
Marburg a. D. 4 „ Dr Arthur Malln, Stadtart.
Marienwerder 3 „ Rekltor Herrmann.
München 3 u Dr. Frande.
Hann. Münden 2 „ Dr. Gascorbi.
Neuruppin l „ Amtsrichter Yandan.
Oldenburg 1 „ Vräſident v. Mühlenjels.
Dsnabrüd 1 „ Dr War Jähns.
‚ Ichrirt Hinlänglich befamnt.
X. Jahrgang. 1895. Nr. 9. 196
Dweigvereine Stimmen Vertreter
Plauen 3 Herr Profefjor Dr. Dunger.
| Potsdam 3 u Mojtrat Dr. Dehms.
Prag 2 „ VBürgerjcullehrer Arnold.
Prüm I „ Redteanwalt Gräff.
Ratibor 2 „ Überlehrer Reinip.
Neichenberg 3. Würgerichullehrer Arnold.
Rudoljtadt 1 „ Dr War Jähns.
Slavenpig 2. Dberlchrer Neinip.
Stettin 2 „ br Lohmeyer.
Stuttgart 2 0. Biofeflor Erbe,
Tilſit I „ Überlehrer Reinitz.
Torgau 1 „ KLandgerichtörat Bruns.
Trarbad) 1 „ Mugujtin Trapet.
Trier 2 „ Amtörichter Yandau.
Troppau 2 „ Buſtavb Schindler.
Wermelskirchen 1 „ Amtöricdter Yandau.
Weſel 2Oberlandesgerichtsrat Scheerbarth.
Wien 2 „ Dr. Ritter v. Sprung.
Zittau 3 „ Dberlebrer Dr. Matthias.
Es geht hieraus hervor,
vertreten ſind.
(E8 tritt eine halbjtündige Pauſe ein.)
Nach Wiederaufnahme der Sißung begründet der Vertreter von
daß 71 Zweigbereine mit 179 Stimmen
| Wermelsfirdhen, Amtsrichter Landau, den von diefem Zweig
vereine geitellten Antrag:
» Der Sejamtvoritand des allg. deutichen Sprachvereins wolle
geeignete Kräfte gewinnen, um nad) und nad die Verdeutichung
der entbehrlichen ‚kremdwörter und ausländiichen Redensarten in
unjeren gangbarjten Jugend und Boltsichriften zu bemerkitelligen. «
Hr. Yandau=-Bonn: „Ich darf mich kurz faſſen: denn der
von Herrn Reltor Idel geſtellte Antrag Wermelskirchen bat den
Vorftand ſchon in Koblenz bejcäftigt, und feine Begründung
iſt Ihnen allen wohl aus den legten Nummern unferer Zeit:
Seine Vorgeſchichte hängt mit der
Einrihtung der Vollsbücherei in Wermelskirchen zujammen, bei
der es ſich ergab, daß ein erheblicher Zeil der dafür ausgemwäbl-
ten Jugend- und Boltsjchriften eine Menge undeutjcher Rede
mwendungen und eine Fülle von Fremdwörtern enthält. Solcht
, Mängel find aber gerade für Volk und Jugend beſonders ſchädlich
Der Webildete hat meiſt fo viel Sprachſinn, das Schlechte aus
zuicheiden; den Leuten aus dem Bolle dagegen machen Fremd:
wörter und ungewöhnliche, oft jalihe Wendungen einen übermäls
tigenden Eindrud; gerade in ihnen glauben fie das Auszeichnende
der Sprache höherer Yebenätreije ertennen zu jollen und ahmen
fie nun gedantenlos und umverftanden nad. Ganz ähnlich liegen
die Dinge ın Bezug auf unfere Jugend. In Wermelsktirchen bat
| man nun verfucht, zu jäubern, indem man am Nande der Bücher
für jedes Fremdwort den deutichen Ausdruck angab. Was io
| örtlich) und im Kleinen geicheben, im Grofien auszuführen, ericheimt-
nun jo recht als eine unjeres Vereines würdige Aufgabe. Freilich
wäre das eine gewaltige Arbeit, die unſern Verein Jahrzehnte
lang beicäftigen, aber aud) anipornen und lebendig halten würde.
| Ich lege darım Wert auf die drei Worte ‚nach und nad" im
unjerm Anırag. Wie Herr del ſich die Ausführung denkt, dar-
über bat er in feinen Ihnen befannten Aufjägen mehrfach Winte
gegeben; perjönlid hat er mir ausgeſprochen, daß er die Behand
lungswerfe vollfommen ruhig dem Gejamtvoritande überlaſſe
Vielleicht iſt es nicht zwedmähig, einen befonderen Ausſchuß zur
Bewältigung diejer Rieſenarbeit niederzujegen. Fragt man nun,
um weiche Schriften es ſich in eriter Reihe bandeln würde, fo
197
meine ich, e3 find namentlich jene vogelfreien, deren Berfafier längit
verjtorben find und auf die fein Verleger mehr ein Sonderredt bat.
Aus ſolchen Werfen bejteht der weitaus größte Teil der Wolle:
fchriften. Bielleicht Tönnte der Spradjverein, d. h. die ehrenwerte
Firma Jähns und Ernſt, dieje Schriften gereinigt neu heraus—
geben und uns dadurd zugleich Wermügensvorteile verichaffen.
Freilich darf man Früchte nicht von heute auf morgen erwarten;
aber da wir einmal für die deutſche Sprade einitehen wollen,
dürfen wir auch vor einer jolhen Riefenarbeit nicht erichreden,
und ich bitte Sie deshalb, den Antrag anzunehmen.
Dr. Dungers Dresden: Der Geſamworſtand tft dem Antrage
mit großer Teilnahme entgegengefommen, und die warme, zum
Herzen gehende Weije, in der er eben bier vertreten worden,
muß diele Teilmabıne noch jteigern. Indes hat der Vorredner
ſchon darauf bingewieien, daß es fich dabei um eine Jahrzehnte
füllende Arbeit handelt, die auch große Aniprüce an unfere Haile
erheben mühte. Meine Herren! Es iſt ja jehr erfreulich, wenn
dem Vorſtande fo viel Vertrauen entgegengebracht wird, daß
man ihm zutraut, er werde zur Verwirklichung eines jo fchönen
Gedantens es verstehen, jede Schwierigkeit zu überwinden. Allein be
denfen Sie, daß es fich hier um nicht weniger als 30000 Schriften
bandelt, die genau durchgearbeitet werden mlühten. Won Seite
zu Seite wäre jedes Fremdwort, jede undeutſche Wendung aufs
Korn zu nebmen und zu verdeutichen. Wenn dies der Ausſchuß
geleiftet, dann ſoll er mit den betreffenden Verfaſſern Rückſprache
nehmen und jie veranlafien, die vorgejchlagenen Verbeſſerungen
anzunehmen Sa, das ijt eine böfe Geſchichte; da werden wir über:
aus oft die Antwort erhalten: eure Verdeutſchung deckt nicht meinen
Sinn; da werden wir, gerade mit beitimmten Vorſchlägen, die
Eitelteit fränlen und verdrofiene Ablehnung erzielen. Wir find
im Borjtande davon überzeugt, daß ‚Corrigieren‘ nichts nüße,
daß es beſſer fei, auf die deutihe Geſinnung der Verfaſſer
einzuwirfen und deshalb die Jugend- und Roltsichriftiteller zu
bitten, vor allen Dingen deutſch zu jchreiben, nicht aber, ihnen
ſchulmeiſterlich entqgegenzutreten und ihnen zu jagen: jo und nicht
anders habt ihr es zu machen, Erinnernd und mahnend werden
wir mehr erreichen ald mit unmittelbaren Verbeſſerungsanweiſun—
gen. Dementiprediend möchte ich, namens des Boritandes, vor:
ichlagen, den Antrag Wermelstirchen wie folgt zu faflen:
» Der Geſamtvorſtand des allgemeinen deutſchen Spradivereind
wolle geeignete Schritte thun, um nad) und nad) die Verdeutſchung
oder werigitens Erklärung der entbehrliden Fremdwörter und
ausländiichen Nedensarten in unfern Leſebüchern und gangbarjten
Jugend- und Bollsichriften herbeizuführen. «
Vorfipender Dr. Jähns: Der Gelamtvoritand hat den von
Dr. Dunger erläuterten Standpunft eingenommten, nicht nur um den
bei dem Verſuch der Einzelverbejjerung unüberwindlichen Schwierig:
keiten aus dem Wege zu geben, fondern auch auf Grund der
- Erfahrungen, die unſer Verein bald nad feiner Begründung zu
machen hatte. Sie erinnern ſich alle jener befannten Berwahrung,
welche 41 Schriftfieller gegen unfere Bejtrebungen als gegen einen
Eingriff in ihre Sprachfreiheit einlegten, Darunter waren jehr
bedeutende Perjönlichteiten, u. a. Guſtav Freytag. Und was hat
Freytag nachher gethan? Er bat bei jeder Neuauflage das be-
treffende Wert in der forgfältigiten Weife von den überflüſſigen
Fremdwörtern gereinigt! Hieraus erjeben Sie, daß jogar ein
grundjäglicher Gegner ſich der einmal gegebenen Anregung nicht
zu entziehen vermochte und ihr im enticheidenden Augenblicke, aller
dings ganz freiwillig und ohne irgend eine bindende Vorſchrift,
Folge gab. So künnen wir denn wohl auch bofjen, dadurch, daß
wir den Berfajjern vielgebrauchter Volls-, Schul- und Jugend»
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind X. Jahrgang. 1895. Nr. 9,
198
werte unjere Geſichtspunkte vortragen und an® Herz legen, ähnliche
Erfolge zu erzielen. Wenn wir fie für unfere Meinung gewinnen,
wenn fie ernſtlich ſuchen, jo werden fie auch finden; die gewünſchten
BVerdeutfchungen werden ſich einitellen. Dies gilt von den Lebenden.
Den Werten der Toten gegenüber baben wir jedoch eine andere
Aufgabe. Da jcheint mir ein rüdfichtslofes Vorgehen unfererjeits
durd) „gereinigte: Neuausgaben keineswegs geboten, ja nicht eins
mal erlaubt. Unfern Vorgängern in Kunjt und Wiſſenſchaft haben
wir mit Bietät — wie joll ich deutich jagen? — mit Andacht zu
begegnen; wir haben die Sprade ihrer Zeit, die der Ausdrud
| ihrer Kultur war, zu ehren; wir dürfen fie nicht willkürlich ändern;
wir können nichts anderes thun, alö fie erklären, alio durch Ans
merlungen unter dem Wortlaute die einzelnen Wörter und Wen-
dungen in unfer heutiges bejieres Deutſch übertragen. — Und fo
möchte ich Ihnen den Antrag Wermelfirchen in der von Dr. Dunger
vorgetragenen ®ejtalt empfehlen; es ift die, weldyer der Geſamt⸗
| vorjland beipflichtet.
Dr. Matthias Zittau: Auch der Zittauer 3.8. bringt dem
Antrage Wermelstirchen warme Teilnahme entgegen. Daß aber
der Gejamtverein gereinigte Meuausgaben alter Jugend- und
Voltsichriften jelbit verlegen ſoll, ſcheint mir doc) ein bedenflicher
Vorſchlag zu fein. Dem, was meine Vorredner gejagt, ſtimme
ich daher im Wefentlihen zu; nur möchte ich noch darauf aufmerf-
fam machen, daß es micht mur gilt, ich mit den Verfaſſern in
Berbindung zu jegen, fondern auch mit den Verlegern, den Buch—
händlern. Dieje wirde man freilich am beiten gewinnen, wenn
man ihnen zufichern könnte, daß die gereinigte Auflage von fo
und jo viel Mitgliedern des Sprachvereins gefauft werden würde.
Übrigens läht ſich dergleichen auch ohne viel Aufbeben® durchſetzen,
und da darf ich wohl von einer perſönlichen Erfahrung ſprechen.
Ad Hatte den Auftrag, Riehls „Naturgefchichte des Volls‘ als
Sculausgabe zu bearbeiten. Um dabei nun unjere Grundjäße
zur Geltung zu brimgen, ficherte ich mir zunächſt die Zuftimmung
der Buchhandlung und ging dann friſch ans Wert. Jept find die
beiden eriten Bände erichienen und niemand hat gegen meine Vers
beutichungen etwas eingewendet, auch der verehrte Berfafler nicht.
Ebenjo weiß id), daß' die in fächjiihen Mittelichulen jehr ver:
breiteten Döbelner Lejebücher, welche eine Menge fremder Aus—
drüde aufwiefen, in der zweiten Auflage durchweg gereinigt
worben find.
v. Mühlenfels- Oldenburg: So lebhaft ich den Antrag
Wermelskirchen anertenne, jo glaube doch auch ich nicht, daß wir
den Scrijtitellem irgend welche Vorſchriften machen dürfen, wie
fie zu jchreiben hätten. Die Wahl des Ausdruds müfjen wir
ihnen durchaus überlafien; es fehlt an einem zuitändigen Gericht
in diefen Dingen; wir jelbjt formen uns dod nicht für ein folches
erflären; wir find fein Sprach: Nreopag. Doch nur dann, wenn
wir ein ſolcher wären, dürften wir den Dichtern und Schiftjtellern
Borichriften machen. Gewinnen wir dagegen ihren quten Willen,
fo machen wir fie zu unfem Mitarbeitern, und auf dieſem Wege
fann Wichtiges und Großes erreicht werden.
Scha efer-Hannover: Offenbar bliden die beiden Anträge:
der urjprüngliche von Wermelstirchen und der des Geſamtvorſtandes
nad) verjchiedenen Richtungen. Jener nad rüdwärts, diefer nach
vorwärts. Der Antrag Wermelskirchen bezwedt, den vorhandenen
Sumpf auszuihöpfen, der des Vorftandes will den weiteren Bus
fluß zu ihm hindern. Welcher ijt nun. zweckmäßiger? Berjuchen
wir es, den Sumpf auszjutrodnen, während ihm immer neue
Quellen zujtrömen, jo wird es nicht gelingen; die Mrbeit wäre
endlos wie die des Kammergerichtes im alten deutichen Meiche,
Schließen wir dagegen neuen Zufluß aus, jo wird es bejjer werden.
199 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprahvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 9, 200
Sch ſelbſt bin Verleger und gehöre zu den Werlegern eines fehr | auf fich zu nehmen. Was das Verhältnis zu den Schrifitellemn
verbreiteten Leſebuches, dejien neue Auflage wir ohne Weiteres | betrifft, fo möchte ich doch dem Vorſchlage entgegentreten, dah
fremdiwörterfrei hergeitellt haben. Wenden wir uns aljo an | man ihnen blof allgemeine Borjtellungen macht. Man jolte
BVerfajjer und Verleger im Sinne des Vorjtandsantrages; dann ihnen wenigitens immer mahnende Beijpiele aus ihren Schriften
wird der Antrag Wermelsfirchen ſich nad) und nach von jelbit vorführen. Im Übrigen bin ich für den Antrag des Geſamt
erledigen. | vorjtandes, bei dem freilich alles auf die Ausführung antommt.
Arnold-Meichenberg: Ih lann mich kurz faflen, da der Dr. Dungers Dresden: Was die Ausführung anlangt, \o
Vorredner ſchon alles das angedeutet hat, was ich jagen wollte. | brauchen wir den Schriftitellern gegenüber gewiß wicht grob zu
Das Wichtigſte, was wir zu thun haben, ift, neue Sprachfünden | werden. Man wird das wohl zuweilen und auch ich, obgleich ic
zu verhüten. Und da hat man jein Augenmerk noch auf einen bes | ein höflidyer Sachſe bin (Heiterleit) und obwohl ich weiß, daß man
fonderen Punkt zu richten. Eigentlihe ‚Jugendichriften‘ werden | mit Höflichkeit weiter fommt als mit Grobheit, bin wohl ſchon
heutzutage lange nicht mehr fo viel geleſen wie früher. Weit | grob geworben. Ach freie mich über den Gang, den die Beiprechung
mehr im Bordergrumde jtehen die ‚Jugendzeitungen‘. An fie | genommen hat, und glaube, daß wenn der Antrag des Gejamt:
gilt es heranzutreten. ÄÖſterreichs „Deutihe Jugend‘, ein im | vorftandes angenommen wird, wir ſchließlich dasſelbe erreichen
Reichenberg herausgegebenes Blatt, erſcheint in einer Auflage von | werden, was Wermelskirchen will. Nur daß uns die jahrzehnte:
14000 recht bedeutenden Heften. Sie verbreiten fi über ganz | lange mühjelige Durcharbeitung jeder einzelnen Schrift eripart
Dfterreich und Deutichland und üben alfo großen Einfluß aus. | wird, ein Verfahren, gegen das ich mic) unbedingt erklären muß
Ich habe mic; bereits an einen der Herausgeber mit der Bitte | Wir find Herm Idel ſehr dankbar für feine gründliche Vorberei:
gewendet, mir zu veriprechen, daß er die Fremdwörter ausmerzen | tung der Sadje; für deren Durchführung aber empfehle ich den
und danach trachten werde, nur reines Deutich zu jchreiben, und | Antrag des Geſamtvorſtandes.
er hat mic beauftragt, bier in diefer geebrten Berjammlung eben Dr. Frandes Münden: Auch der 3.:B. Münden jtebt auf
jene Erklärung abzugeben. (Beifall.) Ebenjo wäre gegenüber | diefem Standpunkte. ch meine aber, daß der Vorſtand fich nicht
den anderen in Diterreich und im Deutſchen Neich erjcheinenden | nur an die Schriftjteller und Verleger jondern auch an jeine
Jugendzeitichriften zu verfahren, von denen ich mich anheijhig | Zweigvereine wenden jollte, um fie zu eigenem Vorgehen im Sinne
made, dem Borjtande ein Berzeihnis zu liefern. Außer den | des Antrags anzufpornen. Wenn wir übrigens die neuerdings
Jugendſchriften haben wir nım die jog. ‚Bildungsicriften‘, die | erjdjienenen Schriften zur Hand nehmen, jo werden wir mit Be
leider oft ſtarl mit fremden Stoff durdhiegt find. Ach fand z. B. | friedigung jehen, welch ein Fortſchritt fih da in unferm Sinne
in einem Aufſatz von nur 100 Zeilen 88 Fremdwörter. Als ih | gegen die Zeit vor 10 oder gar 20 Jahren vollzogen bat. Gewij
aber den Urheber zur Rede jtellte, befam ich eine jlegelhafte Ant: | fommt das nicht allein auf Rechnung des deutjchen Sprach
wort. Dennod mühten wir auch die Veröffentlichungen der Bils | vereint; aber er hat unzweifelhaft viel dazu beigetragen, und dus
dungsvereine in den Kreis unſerer Thätigfeit ziehen; denn gerade | ſoll uns in unjeren Beltrebungen beftätigen. Wielleicht wäre es
die fiir niedere Vollsſchichten berechnete Kot muß jo rein wie | angemefjen, wenn der Borjtand von Zeit zu Zeit dem Zweig—
irgend möglidy fein. vereinen durch Fräftige Nundichreiben das Gewiſſen jchärfte.
Zandau-Bonn: Ach pflihte den Herren Vorrednern voll- Vorfipender Dr. Jähns: Ich danfe dem Herrn Borredner
fommen bei und danfe für ihre Ausführungen, möchte aber den | für feinen Hinweis auf die Zweigvereine. In der That darf der
Untrag Wermelslirchen doch vor dem Borwurfe in Schuß nehmen, | Gejamtvoritand fich nicht verheblen, dab im Fall der Annahme
daß er nur an die Vergangenheit denle und nicht für die Gegen | feines eigenen Antrags die Aufgabe, welche er zu löfen hat, ſich
wart jorge. Much fein Urheber will ja die Berfaffer und Ber- | für ihn felbjt jchwieriger geitaltet, als wenn der urjprüngliche Ans
leger heranziehen. Was aber die Vergangenheit betrifft, jo muß | trag Wermelstichen angenommen wird. Leßteren Falls fält bie
id) den bisherigen Äußerungen entgegenhalten, daß im großen | Wrbeit einem Sonderausſchuſſe zu; eriteren Falls hat der Vorſtand
und ganzen noch immer ältere Werte als Lejejtoff der Jugend | jie felbjt zu leiften. Ihm aber gehören nur wenige eigentliche
vorherrichen; es fit zum überwiegenden Maße ganz dasjelbe, | Schulmänner an; jeine meijten Mitglieder jtehen der Schule und
was uns vor 20, 30 Jahren in die Hand gegeben wurde. Die | ihren für die Frage jo wichtigen Beziehungen ebenjo fremd gegen:
Schäden diefer Schriften können wir nicht befeitigen, wenn wir | über wie ich jelbjt. Unter diefen Umftänden bat der Boritand
uns nur an die Verfaffer der Gegenwart und Zukunft halten. | allerdings Veranlafjung, die Zmweigvereine und namentlich die zu
Arnold-Reichenberg: Schon jept beitehen Bejtrebungen, die | ihnen gehörigen Schulmänner recht dringend um nachdrüdlice
neu erjcheinenden Jugendzeitichriften planmäßiger Beurteilung zu | Unterjtügung zu bitten, damit wir den Hebel überall am der
unterziehen, weniger jreilih nadı der jprachlichen als nad der | richtigen Stelle anjepen.
ſittlich- erziehenden Seite. In der Jugendſchrift ‚Warte‘ 5. B. Buchruder- Elberfeld: Zuerſt hatte ich die Empfindung, als
wird eine ſolche Beurteilung vorgenommen und zwar in der Weife, | wolle der Vorſtand dem Antrage Wermelskirchen, wie man zu
daß Bereine in verichiedenen Orten des deutſchen Neihes, Ber- | fagen pflegt, ein Begräbnis erfter Klaſſe bereiten, und bin dann
eine, die meiit aus Lehrern bejtehen, die große Arbeit unter ſich angenehm enttäufcht worden. Sch kenne die Verhältniſſe der
teilen und, jo weit ich ſehe, in einer Weiſe leiften, die eine gewiſſe Schlülerbibliotheten ganz genau und fann aus meiner eigenen
Gewähr für Unparteilichteit und Nichtigkeit bietet. Ein ähnliches | Familie ein Beifpiel anführen, wie die in den dort vorhandenen
Unternehmen iſt der „Verein zur Reform der weiblichen Jugend» | Büchern vorfommenden Fremdwörter jich ſchädlich bei den jungen
lettũre*, der auch eine Zeitjchrijt, die Loſen Blätter* herausgiebt. | Lejern einniften. Much die neuen Bücherſammlungen der Schulen
An dieje Beitrebungen fünnte man vielleicht anknüpfen und die | beitehen bis zur Hälfte, ja biß zu zwei Dritteln noch aus Werten
leitenden Stellen eriucdhen, ihr Augenmerk ganz bejonder® auch von Leuten, die weit über 30 Jahre tot find. Wenn dieſe Bücher
auf das ſprachliche Weſen neu ericheinender Schriften zu richten. | nicht gereinigt werden follen, jo werden fie nach 10 Jahren ebenio
Schumacher-Koblenz: Mir will e8 jcheinen, daf der Sprach- ausjehen und ebenfo wirken wie jet. Die Pietät jpielt dabei
verein wenig Beranlafjung habe, die Heinhaltung der Zeitichriften | feine Wolle; es handelt fich nicht um Herder, Goethe, Schiller
201
fondern um Campe, Hoffmann, Huber u. dgl. Verfaſſer. Ihre
Reinigung ericheint mir ſehr wünjcenswert.
Erbe-Stuttgart: Das Neinigen der alten Bücher ift eine |
überaus bedenkliche Sache. Wenn mir da anfangen, die Fremd—
wörter hinaus zu werfen, jo merfen Andere anderes hinaus,
was eben ihnen anjtößig ericheint. Damit haben fie jogar jchon
begonnen, Beiſpielsweiſe heit 8 in Guſtav Schwabs Gedicht
‚Das Mahl zu Heidelberg‘:
Bon Württemberg und Baden
Die Herren zogen aus;
Von Mep des Biſchofs Gnaden
Vergak das Gotteshaus,
Die legten Zeilen find einem zartfühlenden Herausgeber bedentlich
gewejen, und fie lauten in einem mir befannten Leſebuche:
Der Gäſte, viel geladen,
Die zogen nit hinaus.
Ja, meine Herren, wenn nun jeder jo nad feinem Sinne ver-
fährt, was wird dann aus unjerer älteren Litteratur? Bewahren
wir ihr gegenüber die und geziemende pietätvolle Zuridhaltung,
an der ed niemand weniger mangeln lafien darj als gerade der
deutihe Epradjverein!
Dr. Saalfeld Blanfenburg: Ich jtimme durchaus den Dar:
legungen Dr. Dungers zu. Treten wir an die Verfaſſer jelbjt
mit Wohlwollen, Schonung und Xiebenswürdigfeit heran, und
wir werden fie gewinnen. Das weih ih aus Erfahrung.
den jchon von Dr. Jähns erwähnten Einundvierzig‘, die fich
gegen und audgeiproden hatten, gehörte auch ber Freiherr
von Lilieneron. Als nun in Schleswig ein Aweigverein ge—
gründet werden follte, hörte diefer Herr meinen Vortrag und jtellte
fi) dann nicht nur nicht feinblich zur Sache, fondern trat öffent:
lich auf und dankte dafür, daß ihm Gelegenheit gegeben werde,
feinen früheren Irrtum wieder qut zu machen.
Dr. Mally: Marburg: Ic möchte nur noch darauf aufmerk—
ſam machen, daß es ſich nicht bloß um die Befeitigung von
Fremdwörtern handelt, fondern auch um die Ausicheidung uns
deutfcher Wendungen. Zu den in Öfterreich befonder& verbreiteten
Schriften gebört die ‚Bartenlaube‘, und zu meinem Bedauern
muß ich fejtitellen, daß dies jehr geichäßte Blatt fich in neueſter
Beit zuweilen einer entſetzlichen Schreibweije bedient, zumal in
Nomanen und Novellen. Es fommt da u. a. vor: »Ich bin ge
gangen in das Hause — »Xd habe gelefen ein Buch« u. dgl. m.
Ich möchte daher bitten, daß der Geſamtvorſtand den Werleger
der Sartenlaube auf diefen Mißſtand hinweiſe und ihn bitte, feinen
Mitarbeitern ans Herz zu legen, unjere Sprache nicht zu vers
derben.
Borfigender Dr. Jähns: Wenn nicht nod) neue Geſichtspunkte
einzunehmen find, möchte ich vorichlagen, die Erörterung zu
ſchliehen. . . . Da niemand mehr das Wort verlangt, fo jtelle
ic zunächſt den urjprünglichen Antrag Wermelstichen zur Ab:
jtimmung.
Landau-Bonn: Ich glaube im Intereſſe des 3.:B. Wer-
melsfirchen zu handeln, wenn ich feinen Antrag zu Guniten der
vom Gefamtvorjtande vorgeichlagenen Faſſung zurüdziehe.
Vorfipender Dr. Jähns: Dann bringe ich den Antrag des
Gejamtvorjtandes zur Abſtimmung.
Diefer Antrag wird einftimmig angenommen.
|
Arnold-Reichenberg: Ach wünſche noch eine furze Mitteilung |
zu machen. Wir beabfichtigen in ſterreich unfere Ziveigvereine
zu einem „Dftmarkverbande* zuiammenzufchließen. Unſer Haupt-
beweggrund ijt der, den öjterreichlichen Vereinen es zu ermögs
lichen, als eine Geſamtlörperſchaft, ala Bauverband der Oftmart,
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind X. Jahrgang. 1895. Nr. 9,
Bu
202
| an bie faiferlichen Behörden heranzutreten. Ach bitte daher dies
' jenigen Herren, welde bier ald Vertreter öſterreichiſcher Zweig:
vereine anweſend find, nad Schluß der Sikung noch zu einer
Beſprechung bier zu bleiben. Zehn Zweigvereine haben fich bereits
zum Beitritt gemeldet.
Borfipender Dr. Jähns: Bevor ich die Situng ſchließe, habe
ich noch zwei Danfespflichten zu erfüllen. Schon Profeſſor Erbe
hat auf die herzliche Haltung hingewieſen, mit der uns das
„Grazer Tageblatt‘ begrüßt bat, und dafiir gedankt. Ach möchte
diefen Dank auf die gefamte Grazer Preife ausdehnen! —
| Ferner bitte ich, angeſichts der Thatſache, daß unfer Verein nun—
mehr zehn Jahre lang beſteht, mid) zu bevollmächtigen, dem
Stifter desfelben, Herm Profeſſor Dr. Riegel, Gruß und Glüd:
wunjc der Hauptverſammlung zu fenden.
Die Berfammlung erflärt ſich damit freudig einverftanden.
Schluß der Sißung 1 Uhr 5 Minuten.
Der größte Teil der Teilnehmer fand ſich zu zwangloiem
Mable auf dem Sclohberge wieder zufammen und unternahm
dann einen Ausflug nach dem ſchön gelegenen Judendorf und
der es fiberragenden herrlichen gotischen Kapelle Maria: Straf:
engel.
Am Sonntag den 21. Zuli eröffnete der Borfipende bald nad)
9 Uhr im Stadtratfanle die zweite Gefhäftsfisung, indem er zur
Abgabe der Stimmzettel für die Vorſtandswahl aufforbderte. Sie
wurden von dem Borfipenden des Wahlausſchuſſes, Dr. Saalfeld,
in Empfang genommen und geprüft.
Vorfigender Dr. Zähne: Meine Herren! Es ift mir heut
Morgen folgendes Schreiben Sr. Durdjlaucht des Fürften von
Biämard, unferes Ehrenmitgliedes, zugegangen:
Seiner Hochwohlgeboren Herrn Oberjtleutnant Dr. Max Jähns.
Friedrichsruh, den 17. Juli 1895.
Die Mitgliedſchaft des allgemeinen deutichen Spradvereins
und die Mnertennung, welche Euer Hochwohlgeboren und die
Herren des Vereins mir in der beftätigenden Urkunde ausge:
ſprochen haben, bedeutet für mich eine befondere Auszeichnung.
Ach bitte Sie, meinen verbindliählten Dank und zugleich den
Nusdrud meines Bedauerns entgegenzunehmen, daß mein Ge—
fundheitszuftand jeßt nicht günstig genug iſt, die Herren zum
Bejuche zu bitten und meinen Dant perjünlich zu wiederholen.
v. Bismard.
Die Mitteilung diejes Schreibens wurde von der Berfamms
lung mit jtürmifchem Beifall aufgenommen.
Sedlal:Rien: Als vor 10 Jahren der Aufruf des Stifters
unjere® Vereines in die Welt hinausklatterte, trug er auch die
Unterjchrift manches gut deutich gefinnten Mannes aus Dfterreich.
Einer davon, Aurelius Bolzer, weilt heut in unjerer Mitte
und hat ums vorgeitern durch ein ſchönes Gedicht über , Deutich-
heit‘ begrüßt umd erfreut; andere find dabingeichieden, und zu
diejen gehört Robert Hamerling, der große öjterreichifche Dichter,
defien bier zu gedenken eine Ehrenpflicht ift. Diejenigen, welche
es geitern vorzogen, jtatt fid) an dem Nusfluge zu beteiligen,
jenes Waldthal aufzusuchen, wo Hamerling jein Leben aushauchte,
haben jener Ehrenpflicht genügt; ich möchte Sie aber bitten, auch
von Vereinswegen fih noch an diefer Huldigung zu beteiligen,
indem Sie fih zu Hamerlings Gedächtnis von Ihren Eigen er:
' heben. (Dies geichieht unter berzlichem Heilruf.)
Borfigender Dr. Jähns: Der nächte Gegenſtand der Tages:
ordnung ijt die Beſprechung Über den Ort der Hanptverfammlung
203
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Sprachvertius. X. Jabrgaug. 1895. Nr. 9.
204
im Jahre 1896. Wird uns in diefer Hinficht aus der Berjamm-
lung felbit ein Vorſchlag entgegengebradt ?
SchindlersTroppau: Der 3.:®B. Troppau, der bereits
ſchriftlich an den Geſamworſtand eine betreffende Einladung er-
geben lieh, hat mic, beauftragt, diefe hier mündlich zu wieder:
holen. Ich darf Sie verfihern, daß die Hauptveriammlung mit
großer Freude in Troppau aufgenommen werden würde, daß der
Zweigverein alles thun würde, was in feinen Kräften ſteht, um
Ihnen den Aufenthalt angenehm zu machen, und da auch die
jchlefiichen Berge jo mande Schönbeit aufzuweiſen haben.
Vorfigender Dr. Jähns: Ich bin aufrichtig dankbar für diefe
freundliche Einladung; aber ich vermag fie wicht ohne Weiteres
anzunehmen, ba im Öefantvoritande Bedenten obwalten, zweimal
hintereinander auf öfterreichiichem Boden zu tagen. Wir behalten
uns aljo die endgiltige Enticheidung vor, und ich gebe nun über
zu dem leßten Punkte der Tagesordnung, zu dem Antrage, den
in feiner am meiften durchgreifenden Faſſung einer Satzungs—
änderung die vier Zweigvereine Darmitadt, Eger, Reicheuberg
und Troppan gemeinschaftlich geitellt haben. Da aber auch die
beiden Neben, bezgl. Unteranträge, deren leßten Reichen—
berg allein vertritt, auf das innigite mit dem Sauptantrage
zufammenhangen, jo bin ich geneigt, die allgemeine Erörterung
in der Werfe anzunehmen und zuzulaflen, daß fie fid) auf alle
drei Anträge zugleich erjtredt. Der gemeinichaftlidhe Antrag
ber vier Zweigvereine lautet:
8. 3 der Satzungen des allgemeinen deutichen Spradjvereins bat
fürderbin wie folgt zu lauten:
» Der Verein hält mit aller Strenge den Grundſaß beionnenen
Mafbaltens aufrecht und verwirit alle Übertreibungen.
Die Frage der Rechtſchreibung jchlieht der Verein zunächſt von
feiner Thätigteit aus.
Alle wie immer gqearteten Beröffentlihungen des allgemeinen
deutichen Spradyvereins haben in deutfcher Druck⸗ beziehungsweiſe
Schreibfchrift zu erfolgen. «
Für den Fall der Ablehnung diefes Antrages ftellen die vier
Aweigvereine folgenden Antrag auf Abänderung der Ges
Ihäftsordnung:
$. 24 der Geſchäftsordnung des allgemeinen deutichen Sprach—
vereins hat fürderbin wie folgt zu lauten:
»Alle wie immer gearteten Veröffentlichungen des allgemeinen
deutfchen Spradjvereins haben’ in deuticher Druck- beziehungsweiſe
Schreibichrift zu erfolgen. — Im übrigen gelten die bisherigen | eigen iſt.
Gewohnheiten. «
Für den Fall der Ablehnung beider vorftehender Anträge teilt
der Zweigverein Reichenberg und Umgebung noch folgenden
Sonderantrag:
»Da der Hauptvorftand des allgemeinen deutſchen Spradvereins
in neuerer Zeit oft willfürlic; und ohne zwingenden Grund von
der früheren Gepflogenheit alleinigen Gebrauches deuticher Präge
abging, wird er von der zu Graz tagenden Hauptverlammlung
beauftragt, ſich bei allen, wie immer gearteten Veröffentlichungen
des Gejamtvereins wie des Geſamworſtandes ausſchließlich nur
deutſcher Präge zu bedienen und lateiniſchen Druck höchſtens bei
Fremdwörtern zu gebraudyen.«
Arnolde Keidyenberg: Ich will den Antrag zunächſt rein
jachlicd) begründen; mein freund Polzer wird dann dejien natio-
male Seite beleuchten. Seit Beginn der Thätigfeit des Sprach—
vereins erjchienen alle feine Veröffentlichungen lediglich in deuticher
Präge; erit in den legten Jahren änderte ſich dies, nicht ohne
daß es ſofort Gegenlundgebungen bervorrief. Der Neichenberger
Zweigverein iſt man von der Anſicht ausgegangen, daß die Mit—
glieder des allg. deutſchen Sprachvereins eben auf Grund des
früher bejtandenen Zustandes ausichliehlichen Gebrauches deuticher
Präge dem Bereine beigetreten find, und daß dadurd, dak man
ohne zwingenden Grund von jenem Brauche abging, die Sapungen |
‚ die Seele der Nation zu neuem Leben entzündele.
verlegt worden feien. Indem wir die Wiederherftellung der
triprünglichen Haltung verlangen, vertreten wir, jo zu jagen,
das foniervative Element; wir wollen da® wahren, was mir
von Anfang an bejahen. Es ift richtig: im Verein jind nicht
nur Deuticichriftler fondern audı Lateinichriitler vertreten; Diele
baben aber nicht von vornherein die Erklärung abgegeben, daß
fie aud) ihre Veitrebungen durchgeführt willen wollten, Junen zu
Liebe von dem ausſchließlichen Gebrauche deuticher Präge abzugeben,
batte, meiner Anficht nach, der Borjtand kein Recht. Abjak 24 unserer
Seihäftsordnung lautet: » m übrigen gelten die biöherigen Ge—
wohnheiten.« Die bröherige Gewohnheit war aber die, lediglich
deutichen Drud anzuwenden. Die Anderung diefer Gewohnheit
iſt alſo willfürlih. Wir wollen nichts anderes, als den uriprüng-
lichen Zuſtand wiederheritellen. Es fällt uns nicht ein, bier
den Streit um die Schriftfrage ausfechten zu wollen. Wer wie
ih in der Ditmark lebt und fümpft, der kennt den Wert der
deutſchen Schrift für die nationale Sade; fie iſt für uns eine
Säule des Deutihtums. Ach bitte Sie daher, unferen Antrag
wohlwollend zu beurteilen und ihn anzunehmen.
Polzer-Graz: Ich habe hier die erjte Nummer der Zeitſchriſt
des allg. deutihen Sprachvereins vom 1. April 1886. Da heißt e8:
»Der Verein iſt ins Yeben getreten, um das nationale Ber
wuhtiein im deutfchen Bolle zu kräftigen.
Er will das ipradjliche Gewiſſen im Volle fhärien und weden,
damit wir dahin gelangen möchten, daß jeder Deutiche, im berech
tigten Stolge auf jeine Mutterjprache, eine Ehre darein ſetze, deuric
zu reden und zu fchreiben, — deunich möglichſt rein und möglicit
gut... Unſere Sprache iit zu Anfang dieſes Jahrhunderts, ala
das taufendjährige Reich in Scherben ging und die alten Staaten
auägelöfct wurden, als unfer nationales Daſein völlig in Frage
itand umd die Fremden umjeren Boden graufam überjluteren, das
\ legte Band geweſen, welches uns noch zuiammenbielt, — ja nicht
allein zufammenbielt, nein, als form, in der die Werfe unserer
großen Dichter und Weiſen gerade damals Gejtalt annahmen,
Und iit es
nun anjtändig und ſchickllich im diefes unichägbare und edeljte Gut
de& deutſchen Volfes fortwährend fremde Lappen einzufliden, als
wäre e& ein Hanswurſtenkleid?«
An dies legte Wort rüpfe ih an. Auch unfere Schnift iſt,
troß all Ihres Kopficüttelns, deutſch, und wenn jie gleich
uriprünglich aus der lateinifchen entitand, jo weit fie doch jenes
edfige, morrige, ſcharflantige Weien auf, das dem deutichen Volle
Wenn wır heut auch anfangen, uns der Lateinjchrift
zu bedienen, fo werden wir doch früher oder jpäter zur Eckenſchrift
zurüdfehren. Zur Begründung des Antrages bedarf es nicht
vieler Worte; er erjcheint ſchon dadurch genügend unterjtüpt, daß
Fürſt Bismarck, unjer Ehrenmitglied, dejjen Begrükungsichreiben
wir beute empfingen, auf demjelben Standpunkte fteht wie wir,
daß ihm nichts verhaßter ift als ein Brief in Lateinfchrift oder
ein Buch in Lateindrud. Darin ſpricht ſich unzweifelhaft aus,
daß Seiner Durchlaucht die deutiche Schrift als ein weientliches
Stüd der deutichen Bollseigenart erjcheint. Ach unterjtüge alio
den Antrag Neichenberg namens des 3.8, Hom und im eigenen
Namen auf das Bejte. (Pauſe.)
Borfipender Dr. Zähne: Herr Twrdy hat fih zum Worte
gemeldet.
Twrdy-Reichenberg: Ich möchte doch wünjchen, daß vorher
einer von den Yateinichriftiern ſpreche.
Dr. Lohmeyer-Kaſſel: Meine Herren! Wenn von den vor:
gebrachten nationalen Gründen audı nur einer, meiner Weimung
nach, wirklich zuträfe, jo wäre ich der erfte, der dem Lateinichriit-
verein, den ich mit meinem verjtorbenen Freunde, Dr. Frice,
vor 10 Jahren ins Leben gerufen habe, den Rüden fehrte und
den gemeinjam verfahten Aufruf zerriſſe. Denn ich bin in erjter
205
Reihe immer Deutjcher, erit in zweiter, dritter umd vierter Reihe
Parteimann, ohne irgend ein Gebiet auszunehmen, weder das
der Religion nod das der Politit oder dad der Schriftfrage. —
Es ift vorher hier eine Hutorität gegen uns aufgeführt worden:
Fürſt Bismard, den gewih niemand höher ehrt als ich. Geſtatten
Sie aber auch mir, Mutoritäten anzuführen und zwar Fach—
männer auf diejem Gebiet. (Huf: der Fürſt it groß geworden,
ohne Fahmann zu fein.) Es giebt faum einen Mann, der fo
ihm jo nachzuempfinden verjtand, wie Jalob Grimm, umd diefer
nennt die Eckenſchriſft ungeſtalt und häßlich und beflagt es,
daß man fie fälſchlich als »deutjche bezeichne. Er iſt ein ent-
fchiedener Anhänger der Einheits- d. h. der lateinifchen Schrift. |
Das Gleiche gilt von Jo. Biltor v. Scheffel und von Felix Dahn,
und ſolche Namen bemweijen wohl, daß bier von einer nationalen
frage gar feine Mede fein kann. Dieſen Geſichtspunkt wünſche
ih alfo im Anterefje des Spradjvereins ganz auszuiceiden. —
Die heute hier verteilte Drudichriit des 3.8. Neihenberg enthält
den Sak: »Bei der Leidenjchaftlichteit, mit der Deutjchs und
Lateinſchriftler ihre Anfichten vertreten, ſtehen dem Epradwereine
ſchwere Kämpfe in Ausficht!« Sehr richtig, das wäre der Frall,
wenn nicht eben unfere Satzungen die Scrijtfrage aus dem
Kreiie unferer Aufgaben ausſchieden. Hüten wir uns daber, fie
hineinzutragen; fie bat mit unſerm Zwecke nichts zu thun, und
wir müſſen uns vertragen. Ich bitte Sie dringend: wiederholen
Sie nidyt das auf Heinem Gebiete, was auf großem unſerem
Volke ſchon oft jo unendlichen Schaden gebradıt bat. Kalten wir
uns an das, mas ums gemeinjam ift, nicht an das, was und
trennt. Wie viel großartiger wäre noch die Weltitellung der
Deutichen, wenn ihre Sonderfudht fie nicht immer gegeneinander
geführt hätte! Ach achte die Beitrebungen der Deutichidwiftler;
ich) bin überzeugt, daß fie von den reiniten und edeijten Beweg—
gründen geleitet werden. Aber ich erwarte, dah man unjeren
Bejtrebungen mit der gleichen Adytung begegne, da man aud)
auf Ihrer Seite die ſchönſte Tugend unferes Volles üben werde,
die Gerechtigkeit! Die Behandlung der Schriftfrage, wie fie
unfere Beröffentlichungen aufweiſen, entipricdt dem thatfächlich in
Deutichland dermalen beſtehenden Zuſtande der Zweiichriftigfeit.
Der eine kämpft fiir den Alleingebrauch der Mundichriit, der
andere für den der Edenjchnit; beide aber jind gleich gute
Deutiche. Dabei lafien Sie e& bewenden! (Wiederbolte Heilwufe.)
NArnold-Meichenberg: Auch ich fFünnte noch Autoritäten ins
Treffen führen: den General» Bojtmeijter v. Stephan, den Schrift:
fteller Roſegger und manden Anderen. Bedeutende Schüler
Grimms, die an der Forſſeßzung feines Wörterbuches arbeiten,
wie namentlich Mori; Henne, baben ſich gegen die Aufſaſſung
des Altmeiſters erflärt. — Wir betrachten das Deutichtum alt
eine Summe von Eigenichaften und Berhätigungen,
wie die Spradye auch die Schrift gehört, Wer die deutiche Schrift
nicht in unjerm Sinne behandelt, der iſt in unfern Mugen nid
vollwertig! (Rufe: O! O1) Wir haben aus der Geſchichte gelernt,
daß die niedrigite und erbärmlichite Tugend der Deutichen allezeit |
die war, das Fremde dem Heimiſchen vorzuziehen. Ammer waren
wir jolhe Dummtöpfe, uns jelbit ins Fleiſch zu jchmeiden und
unſere Eigenart den Thremden zum Opfer zu bringen. Bleiben
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. 2. . Jahrgaug.
1895. Nr. 9. 206
Ein Bertreter*): Eine Erörterung der Schriitgattungsfrage, wie
die, im welche wir geraten find, widerſpricht unferen Satzungen
und daher haben wir fie auch bier und jegt zu umterlafien. Hören
wir den Vorjchlag des Vorftandes, der gewiß von nationaler und
verjögnlicher Geſinnung getragen fein -wird.
Dr. Diffel- Hamburg: Reichenberg behauptet, daß in der An-
wendung der Lateinfchrift eine Übertretung der Sapungen liege.
‚ Meine Herren, diefer Anficht find wir durchaus nicht. Die Sapungen
aus dem Geiſte des deutichen Volles heraus zu empfinden und
fchreiben über die anzuwendende Schriftgattung nicht das minbejte
vor; fie laſſen in diefer Hinficht völlig freie Hand. Übrigens hat
ju denen |
wir dabei, jo wird auch unſer Spracdwverein bald fein Entgegens |
kommen mebr finden und überflüfiig werden. — Übrigens handelt |
es fi hier in der That nicht darum, zu enticheiden, ob Yatein-
fchrift oder Deutichichrift, Sondern um die Frage, ob der Vorſtand
bereditigt war, in den legten Jahren die Lateinſchrift einzuführen,
und dieje Frage verneinen wir ganz beitimmt.
der Gebrauch lateiniſcher Buchſtaben doc; nur in jo beicheidenem
Maße ftattgefunden, daß fiir Niemand. ein Grund zur Entrüjtung
vorliegt. Als vor zwei Jahren die neuen Saßungen mit Rund—
ichrift gedrudt worden waren und in einer Berliner Ausſchuß—
ſihung mitgeteilt wurde, daß dagegen Bedenfen laut geworden
feien, da beichlo man jojort, die Sapungen daneben auch nod)
in Edenichrift drucken zu lafjen, damit Jedermann nad jeinem
Wunſche befriedigt werden könne. Weshalb aber diejenigen, die
die Lateinſchrift vorziehen, nicht auch befriedigt werden follen, das
vermag ich nicht einzujeben. Ach habe noch nicht Zeit gefunden,
die Flugſchrift des Meichenberger 3.8. vollftändig zu lefen; wenn
aber darin, wie ich jehe, Hermann v. Pfiſter-Schwaighuſen als
Nutorität angeführt wird, jo kann ich nur jagen, das ift durchaus
feine wijjenichaftliche Autorität.
Schumacher-Koblenz: Erft vor kurzer Zeit hat unfer Verein
eine Kriſis überftanden, die auch heute noch nicht ganz verwunden
iſt. Sept wird num wieder eine Streitfrage bereingeworfen, welche
leicht abermals einen Wii herbeiführen kann. Wermeiden wir
doch das! Vermeiden wir jede Leidenichaftlichfeit! Nennen wir
doch nicht gleich jeden, der nicht unserer Meinung iſt, einen Wer:
räter an unjerer Sadıe! Das ijt ein Unglüd für die Deutichen!
Eben darum gewinnen andere Nationen das Übergewicht über
ung, weil fie zuianmenhalten, weil fie es verftchen, jich der
Mehrheit unterzuordnen. Wegen unjeres Mangeld an Disziplin
gewinnen ums ſelbſt die Heinen Slovenen Vorteile ab. Bon
beiden gegneriichen Seiten find Autoritäten ind Feld geführt
worden. a, das beweiſt doch eben nur, dak wirklich zwei Strö—
mungen vorhanden find Sind wir denn die Einzigen, weldye
die Edenichrift gebraucht haben, und haben wir fie von jeher
gebraucht!? Keinesweges. Noc zu Anfang diefes Jahrhunderts
baben ſich ibrer auch die Holländer, Standinavier, ja die Czechen
bedient, und mie dieſe Völler fie aufgegeben haben, jo beſteht
offenbar jet auch in Deutſchland die Neigung, ſich ihrer zu ent—
ledigen. ch perfünlich jchreibe mit deutichen Schriftzeichen; aber
ich babe doc auch Verſtändnis für die Beitrebungen der Latein:
ichriftler, jchon aus dem Grunde, weil der Gebrauch der Ecken—
ſchrift es unſern Bolfsgenoffen im Ausland thatfächlich erſchwert,
ihr Bollstum aufrechtzuerbalten. Der Brief eines im Afrika
lebenden Deutjchen, dem ich jüngſt las, jpricht dies deutlich aus.
Er hebt hervor, daß man dort jrob jein müjje, wenn die Kinder
werigitens ein Alphabet lernten; das künne aber nur das latei—
nifche fein; deutich gedructe Zeitungen vermöchten fie nicht zu
leſen, und dadurch entfremdeten fie fich dem Deutſchuum. Meine
Herren! Es ijt gejagt worden, die deutiche Sprache allein mache
noch nicht den Deutichen; die deutjche Schrift allein ficherlich noch
weit weniger! Sind eiwa die Engländer, die Amerifaner keine
eigenartigen Wölfer, weil fie feine eigenartige Schrift befipen?
Tas Bolfsbewußtiein hat mit der Schrift gar nichts zu thun;
*) Der Name fehlt leider im kurzichriftlichen Aerichte wie viele
‚ andere, die nadı Moglichkeit aus der Erinnerung erjegt worden find.
207
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Sptachverelus. X. Jahrgang. 1895. Nr. 9.
208
es wurzelt wejentlich in der Sprache. — Alio vermeiden Sie ben
Streit, und vor allem, machen Sie dem, der in dieſer Frage
nicht auf Ihrem Standpunft jtebt, nicht den unerhörten Vorwurf,
er fei ein minder guter Deutjcher. Laſſen wir jeden fchreiben,
wie er es gewohnt it und wie er es für zmedmähig hält.
\
ein nationales Kennzeichen erbliden, und daß es ihnen daher er
winjcht fein mag, alles, was von ihrem Ktreiſe ausgeht oder was
ihm zuflicht, im deutſcher Bräge zu befommen. Dazu bietet ji
nun eine vorzügliche Gelegenheit. Ich bin über Ihre gejtrigen
| Verhandlungen noch nicht vollftändig unterrichtet. Sie haben be
BrundsTorgau: Als Mitglied des Vorftandes weiß id, |
daß dieſer gegenüber dem Antrage von Reichenberg jeinerjeits
einen anderen einzubringen beabfichtigte; davon haben wir aber
bisher noch nichts gehört.
Borjigender Dr. Jähns: Wenn ich davon nichts verlauten
lieh, jo geichah es in Nüdficht auf den Gang der Verhandlung,
der fid) anders gejtaltete, al® vorausjuiehen war. Das beredte
Schweigen, mit dem die beiden erſten Reden der Herren An:
tragiteller aufgenommen wurden, ließ mid) allerdings anfangs
hoffen, dab uns heut die Erörterung Über Für und Wider der
beiden Schriftgattungen erfpart bleiben würde. Nachdem dann
aber Herr Twrdy die Lateinichriftler unmittelbar zur Erwiderung
herauägefordert und Herr Lohmeyer ihm entgegnet hatte, mochte
ich dieſe Auseinanderfegungen durch einen bloß Hinhaltenden Antrag
nicht mehr abjchneiden. Ich will aber dieſe Darlegungen meiner:
ſeits nicht weiterführen und lediglich auf die Frage eingehen,
ob das Verhalten des Vorjtandes ſatzungsgemäß war oder nicht,
und ob durch dies Berhalten das Intereſſe der Deutichicriftler
in irgend einer Weije verleft worden ift oder micht. In diejer
Hinficht habe ich folgendes zu bemerfen. Die Haltung der Zeits
ſchrift und der mwillenichaftlihen Beibefte inbezug auf die
Schriftfrage war, bevor fie in die neue Verwaltung übergingen,
genau diejelbe wie jept, und fie iſt auch nicht einmal vorüber:
gehend geändert worden. Nach wie vor wird die Zeitfchrift mit
Edenichrift gedrudt; nad) wie vor bleibt es den Verfaſſern der
Abhandlungen für die wiſſenſchaftlichen Beihefte überlafien, ob
fie diefelben in Edenichrift oder in Nundichrift jepen laſſen wollen;
denn das feptere ijt im manchen Füllen aus inneren Gründen
notwendig, namentlich dam, wenn alt= oder mittelhochdeutſche
Anführungen größeren Umfangs zu maden find, und daher hatte
Schon mein Borgänger, Prof. Riegel, dies Verfahren eingeführt.
Die einzige Abweihung von der überfommenen Haltung, welche
wir und überhaupt erlaubt haben, beitand darin, daß wir die
- neuen Saßungen und den umgearbeiteten Aufruf in runder
Präge druden hefjen. Das geſchah obne jeden Neben= und Hinter-
gedanken lediglich) deshalb, weil die Buchhandlung unferes neuen
Scyapmeifters, das grohe Verlagsgeichäft von Wilh. Ernſt u. Sohn,
überhaupt fajt ausſchließlich lateinische Buchitaben verwendet. Erſt
die Art, wie die Neuerung aufgenommen wurde, belehrte mic)
darliber, da jie andern nicht jo ganz gleichailtig erichten wie
mir ſelbſt. Bon der einen Seite ging mir der Ausdrud lebhafter
Befriedigung zu; von der entgegengefegten Seite wurden Bedenten,
ja Einiprud) erhoben. Sobald ich von leßterem Kenntnis erhielt,
ordnete ih an, dab die Satzungen umd der Aufruf auch mit
Edenſchrift gedruct werden follten, damit, wie der alte Fritz
fagte, „jeder nach feiner Façon jelig werden fünne‘. Die Sadıe
liegt demnach wie folgt: Die Zeitjchrijt ericheint lediglich in deuticher
Prüge; fiir die Aufſfähe der Beihefte beftimmt der Berfajler, ob
fie mit Edenfchrijt oder mit Rundichrift zu jeßen jeien; Saßungen
und Aufrufe kann jeder Zweigverein in der ihm zufanenden Schrift:
gattung beziehen. Ich glaube, daß diefer Zuftand jo unanfecht—
bar parteilos it, wie man es nur irgend verlangen kann; er
jtimmt vollfommen mit den Satzungen überein, und ich beantrage,
ihn beftehen zu laſſen. Zugleich erkenne ich aber aud) an, daß
bie öfterreichiichen Zweigvereine, wenigitens die, welche in unmittel-
barem Kampfe mit jlaviihen Nachbarn jtehen, in der Edenjchrift
ſchloſſen oder doch den Beichluß vorbereitet, einen öfterreichiichen
Sauverband herzuftellen. Da fünnen Sie ja in Ihre Sapungen
aufnehmen, dah der Schriftverfebr innerhalb des Dftmartverbandes
ſich ausschließlich deutſcher Präge zu bedienen habe. Ich glaube
nicht, daf der Gejamtvorjtand an einer jolcdhen inneren Bejtimmung
irgend welchen Anſtoß nehmen würde Sie haben dann JIhrer
eigenen Freiheit eine Scrante gezogen. Das ift Ihr Recht.
Darüber hinaus aber geht es nicht. Wenn Sie die freiheit der
Anderen beichränten wollen, jo werden Sie natürlih auf Wider-
ftand flohen, der den Verſuch einer jolhen Vergewaltigung vereitelt.
Dr. Dehms-Potsdam: Ich möchte zunächſt Herrn Arnold
fragen, auf welcher Quelle es beruht, wenn er ben Generalpoſt⸗
meifter v. Stephan ald Gegner der Yateinfchrift bezeichnet. In der
Reichäpoftverwaltung herricht entichieden die AZweilchriftigleit. —
Meine Herren! Der Vorwurf der Xeibenjchaftlichteit, den die
Neichenberger Abhandlung nicht nur den Deutichichriftlern madht,
fondern den fie auch auf die Lateinjchriftler ausdehnt, muß von
diejen zurücdgemwiejen werden. Mit welchem Recht, das können
Sie daraus erjehen, dab feiner von uns nach den Reden der
Herrn Armold und Polzer das Wort ergriff, und erſt ald Herr
Twrdy den bejtimmten Wunſch ausſprach, dab ein Lateinjchriftier
erwidere, Herr Lohmeyer den Kampf aufnahm. An der That
haben es die Anhänger der Einbeitsichrift nicht nötig, leidens
ſchaftlich zu werden; fie fühlen fi) des Sieges in der Zukunft
vollfommen fiher; fie impfen überhaupt nur, um die Herbei—
führung des unzweifelhaften Sieges zu beſchleunigen. Wir fühlen
uns als Träger eines Hulturfortichrittes. Die Dinge liegen gerade
wie bei der Einführung des metriihen Mahes und Gewichtes, die
im Jahre 1869 für den 1. Januar 1871 bejchlojien war. Zu
dieſem Zeitpunkt fianden wir dann im Kriege mit Frankreich,
und da gab es denn Leute, die die Annahme des ‚frangöfiichen*
Maßes und Gewichtes für ein Vaterlandsverbrechen ertlärten,
Als ob wir das metriihe Syitem den Franzoſen zu Liebe gewählt
hätten! Über das Geſchrei diejer Leute ift man zur Tagesordnung
übergegangen. — Bon der höchſten Stelle des deutjchen Reiches
it das Wort gefallen: ‚Wir leben im Zeitalter des Bertehrs!‘
Die Edenichrift aber bildet ein Verkehrshindernis, umd das ift
der Hauptgrund, weshalb wir jie befämpfen.
Dr. Maliy- Marburg: Ich bin jelbit Mitglied des deutjchen
Scwijtvereins; tropdem muß id) meine gejtrigen Worte wieder:
holen, und es bedauern, daß wir ſolche Streitfragen in den Verein
tragen. Unjere fremdipradhigen Staatsgenofjen werden mit Hohn:
lächeln berüber bliden und fpottend jagen: „Da jeht ibr die
deutiche Einigkeit‘!
Borfipender Dr. Jähne: Es it Schluß der Verhandlung
beantragt . . . Er ift angenommen. — Ich erteile daher mur
noch den Herren Antragjielleın das Wort.
Twrdy-Reichenberg: Wir haben es ja gewußt, daß wir bier
einen ſchweren Stand haben würden. Es wird hier wenige Herren
geben, die nicht eine Univerfität oder Hochſchule bejucht hätten.
Dieje alle haben jid) natürlidy in die Lateinfchrift hineingelebt,
und jo jtchen wir einer großen Mafje von Lateinjchrijtlern gegen:
über. Als ich den Reichenberger Zweiqverein begründet Hatte,
zählten wir über 350 Mitglieder, und das jchnelle Erreichen dieier
großen Zahl beruhte darauf, daß wir glaubten, der deutiche Sprad)-
verein jei weſentlich ein nationaler Verein. Statt defien finden
209
wir in der Zeitfchrift lauter gelehrte Abhandlungen, die niemand
verſteht. (Widerjpruch.) Infolgedeſſen find wir bis auf 150 Mit:
glieder gefunten, und wenn wir unbefriedigt nadı Haufe kommen,
jo hege ich Zweifel an dem Fortbejtand des 3.8. Reichenberg.
Wir jtreiten nicht um den Borrang der Schriitgattungen; wir
verlangen nur, daß das urjprünglice Herlommen wieder her-
geftellt werde.
ArnoldsReihenberg: Wie viel Wert dem Herlommen im
Berein beigelegt wird, geht aus der 24. Beitimmung der Geſchäfts—
ordnung hervor: ‚Im Übrigen gelten die bisherigen Gewohn—
beiten.“ Wir erachten die Einführung der Lateinichrift als einen
Berfto gegen Abjap 2 unferer 3. Sapung ‚Die Fragen ber
Rechtichreibung und Schriftgattung ſchließt der Verein zunächſt
von feiner Thätigkeit aus‘. Indem die Lateinichrift eingeführt
wurde, haben die Lateinjchriftler einen Erfolg errungen, den
wieder rüdgängig zu machen, unfer Antrag bezwedt. Dies Ver—
langen iſt unjer gutes Recht.
BVorfigender Dr. Zähne: Daß das Verlangen Ihr gutes
Recht ift, unterliegt feinem Zweifel; ich glaube aber, daß das
Bemwilligen ein Unrecht wäre. Sie fprechen immer von „Eins
führung* der Lateinjchrift, während es ſich doch nur um deren
‚Zulaſſung‘ handelt, und zwar nicht einmal in die Heitfchrift,
fondern nur in einige Heinere Veröffentlihungen, welche überdies
daneben auch noch im deutſcher Präge bergeftellt werden. Dieje
‚Zulaffung‘ aber ift der Ausdruck jener reinen Barteilofigkeit
in Saden der Schriftgattung, tie fie uns unfere 3. Sapung
zur Pflicht macht. Es ift mir vollftändig unverjtändlich, wie ſich
die vier antragftellenden Bereine beeinträchtigt fühlen können
dadurch, daß fie zwar felbjt alles in der von ihnen bevorzugten
Edenjchrift erhalten, dak aber andere Vereine, welche die Rund—
jchrift vorziehen, einige Veröffentlichungen, ihrem Wunſch ent:
iprechend, in Rundſchrift empfangen. Ich vermag mir dies ſonder⸗
bare Schaufpiel nur aus einem ganz einfeitigen Belchrungseifer
zu erflären, der die freiheit der anderen zu Gunſten einer
perjönlichen Liebhaberei beeinträdhtigen will. Etwas Ähnliches
klingt aus der Außerung bervor, die unfer verehrte Vorftande:
mitglied, Peter Nofegger, brieflic; zur Sache gethan hat, und die
ih Ihnen nicht vorenthalten will. Roſegger jagt:
»Auf das Entſchiedenſte erfläre ich mic, für den alleinigen
Sebraud der deutichen Drudichrift. Wenn uns von vielen Seiten
die zahlreihen Zweckmäßigleiten und Vorteile der Lateinfchrift ans
gerühmt werden, jo antworte ich: Mein Grund, warum ich an
der alten deutjchen Druckſchrift feithalte, ift, weil ich fie liebe.
Die Yateinjchrift ift mir zuwider, fie lann mir ein Bud) verleiden.
Diefe Abneigung babe ich ſchon von meiner Kiudheit her, und
die Liebe zur deutjchen Schrift ift feit meiner Jugend in mir.
Es wird bei anderen auch jo fein. Und gerade weil dieſe Liebe
zur deutichen Drudjchrift eigentlich) ohne praftiichen rund ift und
doch beiteht, gerade damit beweiſt fie ibre Echtheit. Wenn die
Yateinler jagen, diefe Schrift ſei gar nicht deutich, ſo antworte
ich: Sie tft deutſch, und zwar darum, weil fie dem Deutſchen
ans Herz gewachſen ijt. Andere Gründe für fie brauch ich nicht. «
Meine Herren! Dieje warmen Worte, deren Innigleit gewiß
jeder herausfühlt, befagen am Ende doch nichts anderes als: Ich
wünſche den alleinigen Gebrauch der deutichen Schrift weil — es
mir jo beliebt‘. Ein folder Wunſch it ja auch gerechtfertigt, ein
jolcher Anſpruch aber nit. Forderungen diejer Art müſſen wir
vielmehr aus Gründen der Billigteit und Gerechtigkeit auf Grund
unferer Sapungen ablehnen. Ich ftelle daher folgenden Antrag:
» Die Hauptverfammlung erflärt den gegenwärtigen Zultand
der Schriftanwendung im Verein für einwandfrei und beharrt jetzt
wie früher binfichtlic der Scriftgattungsfrage im unbedingter
Barteilojigteit.«
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. X Jahrgang. 1895. Nr. 9. 210
Ich jchreite nunmehr zur Abſtimmung über den Hauptantrag
ber Zweigvereine Darmjtadt, Eger, Neichenberg und Troppau.
Er lautet: (Vgl. Sp. 203). — Wenn fein Wideriprud laut wird,
glaube ich, daß die Abjtimmung durch einfahe Handaufgebung
ftattfinden kann.
Arnold: Reichenberg: Ich beantrage namentliche Abftimmung.
(Es ftimmen 70 Zweigvereine mit 176 Stimmen. Der An-
trag wird mit 159 Stimmen gegen 17 Stimmen abgelehnt. *)
Dr. Maliy: Marburg: Ich möchte bemerken, daß aus biefer
Abſtimmung feineswegs Schlüſſe auf die Zugehörigkeit zu den
Lateins oder Deutichjchriftlern gezogen werden dürfen. Ich jelbit
bin ein ganz entichiedener Anhänger der deutſchen Schrift; im
vorliegenden Falle aber mußte ich den Heichenberger Antrag abs
lehnen.
Vorſißender Dr. Jähns: Ich fchreite nun zur Nbftimmung
über den Unterantrag der vier Vereine und glaube, daß, nach—
dem der Horizont jo geklärt ijt, die Abjtimmung jept durd) Hands
aufgeben erfolgen fanı. Der Antrag lautet: (Bol. Sp. 203).
(Der Antrag wird mit derfelben Mehrheit wie der vorherige
abgelehnt.)
Endlich Handelt es ſich um den Sonderantrag Neichenberg.
(Derjelbe wird mit gleiher Mehrheit abgelehnt.)
Es fragt ſich nun, ob Sie noch Wert darauf legen, Über den
Antrag des Geſamtvorſtandes abzuſtimmen; ich beitehe nicht darauf;
die bisherigen Abſtimmungen bilden ja bereits die wertvollite Ver—
trauenserklärung für uns... . Ich ziche alfo meinen Antrag
zurück und hoffe, daß die Zweigvereine, die in der Minderheit
geblieben find, davon überzeugt fein werden, daß eine andere
Entſcheidung gar nicht möglich war, weil fie dem &erechtigfeitös
gefühl der Berfammlung entiprad).
Dr. Gantter- Frankfurt: Nach Erledigung der Tagesordnung
babe ich noch eine Aurze, doch wichtige Frage an den Vorſtand
zu richten. Giebt es ein Mittel, um die MWiedervereinigung des
Berliner Sprachvereins mit unferm Hauptverein herbeizuführen;
oder anders, vielleicht jachgemäker ausgedrüdt: Inter welchen
Bedingungen würde der Gefamtvorjtand dem Antrage des Ber:
liner Spradivereins um Wiederaufnahme in den a. d. Sprach—
verein Folge geben? — Ich enthalte mich jeder weiteren Aus—
führung. Wir wünfchen wohl alle, daß der nächite Jahresbericht
ein jo erfreuliches Ereignis verzeichnen könnte.
Vorfigender Dr. Jähns: Der Gejamtvorjiand teilt den eben
ausgeiprochenen Wunſch aufridtig und von Herzen, und die
Möglichkeit, ihm zu erfüllen, ift gegeben, jobald der ehemalige
Zweiqverein Berlin die Bedingung erfüllt, die auf der Kaſſeler
Hauptverfammlung vom Gejamtvorjtande als Borausjegung des
BVerbleibens der Berliner im Gejamtverein gejtellt worden war,
und deren bedauerliche Ablehnung dann zur Ausichliehung durch den
Beſchluß der Hauptverfammlung führte. Dieje Bedingung beitand
darin, daß ſich der Berliner Verein einen neuen Vorjtand wählte,
welcher feinen der Männer enthielte, die in dem peinlihen Streite
zwijchen Berlin und dem Borjtande eine hervorragende Rolle
geipielt hatten. — Ach habe über den Wiedereintritt von Alt—
Berlin bereits um die Jahresiwende 93/04 und dann wieder im
Herbite vorigen Jahres mit hervorragenden Mitgliedern jenes
Vereins vertraulich verhandelt, und wenn ich auch nicht in der
Lage bin, die betreffenden Herren zu nennen, jo darf ich doch
wohl jagen, daß fie, ganz ebenfo wie ich jelbit, von der Vorauds
Außer den vier antragjtellenden Amweigvereinen ſtimmten
für den Antrag nur Sablonz, Horn, Iglau, Krems, Leipa und
Prag. Bon den vertretenen öfterreichifchen Zweigvereinen ſtimmten
' gegen ihn: Gzernowig, Graz, Innsbruch, Marburg und Wien,
211
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. X. Jahrgang. 1895. Nr. 9. J
21
ſehung ausgingen, daß die Erfüllung der in der Hauptverfamm: | Hodichule Prof. Bart! uſw. — Dr. Jähns teilte mit, daß ber
lung geitellten Bedingung unerläßliche Borausfepung des Wieder:
eintritts von Alt» Berlin fei. In der That: ohne dieje Erfüllung ers
ichiene die Wiederaufnahme des ausgefchlofienen Vereins ja geradezu
wie eine Berhöhnung der Hauptverjammlung, und wer wollte
eine ſolche bedingungsloje Aufnahme dem Hauptvorftande zumuten,
dem nach umjerer 14. Sapung ja das unbedingte Recht zuſteht,
den Beitritt nicht genchmer Perjünlichfeiten oder Körperſchaften
abzulehnen!? — Der Rüdtritt jener Schürer und Führer bes
Streites war durch den Wechfel im Geſamtvorſiß des a. d. Sprach⸗
vereins, der als Borbild dienen fonnte, ſehr erleichtert, und
daraufhin hofiten auch die mit mir verhandelnden Herren von
Alt: Berlin, ibn herbeiführen zu fünnen. Aber fie täuichten ſich,
und dementiprechend ift zu meinem tiefen Bedauern augenblicklich
noch gar feine Ausficht auf Wiedervereinigung vorhanden.
Frandes Münden: Der 3.:8. Münden ift der Meinung,
dah der Spracdverein ſich auf die Dauer der wichtigen Frage der
Neditihreibung nicht entziehen dürfe, und bittet, für die nächite
Hauptverlammlung dafür zwei Berichterjtatter beftimmen zu wollen,
bie die Angelegenheit gehörig vorbereiten und dann zum Vortrage
bringen.
Vorfigender Dr. Jähns: Ach werde diefe Anregung des
Münchener Zweigvereind im Gefamtvorjtande zur Beratung ftellen.
Dr. Gantter- Frankfurt a. M.: Sechrte Herren! Bir jtehen
am Scluffe unſerer geihäftlihen Sipungen, und Sie wiſſen be-
reits, daß ich diefe Gelegenheit gern ergreife, um die Geſinnungen
zufammenzufaffen, die und, unbeſchadet perfönlicher Meinungs-
verjchiedenheiten, alle erfüllen, wenn wir auf die Arbeit des ver:
gangenen Jahres zurüdbliden. Auch heut haben wir, nadı
deutfcher Art, wieder wacker gejtritten; auch diesmal aber hat
uns die Gejchäftsleitung kräftige Beweiſe dafiir gegeben, daß fie
es verjtebe, das Schifflein des Sprachvereins aud durch hoch—
gehende Wogen zu ſteuern. Wir danken dem verehrten Vor—
ſihenden, Herrn Dr. Jähns, und zwar nicht nur für ſeine
unparteiifche Leitung der Verhandlungen fondern auch für die
Führung der mühevollen Verwaltung und für feinen muſter—
giltigen Gejchäftsbericht, der in engem Rahmen ein Mares Bild
davon entrollte, wie viel fich jelbit mit bejcheidenen Mitteln dazu
beitragen läßt, dab wir Deutiche bleiben und mehr und mehr
werden das, was wir fein follen: ein einig Volt von Brüdern.
Wir jchliehen in diefen Dank den an die Mitglieder des Geſamt—
vorftandes ein, die auch unter jchwierigen Verhältniſſen unferen
Sweden und Bielen eifrig nachgeitrebt haben, und wir vertrauen,
da die heutigen Ergänzungswahlen wieder Männer ergeben
werden, die das Ruder mit gleicher Kraft und Sicherheit führen.
(Lebhaite, wiederholte Heilrufe.)
Borfigender Dr. Jähns: Im Namen des Gefamtvorftandes
und im eigenen Namen danke ich von ganzem Herzen für diele
anerfennenden Worte und fir Ihre Zurufe. Das Ergebnis der
Wahlen, das noch nicht fejtiteht, wird am Schluß der Feſtver—
fammlung mitgeteilt werden. Ich ſchließe hiermit die Sitzung.
Um ?/,12 Uhr eröffnete Oberjtleutnant Dr. M. Jähns die
Feſtſizung, welche in dem ſchönen Nitterfanle des Landhauſes
ftattiand und an der fih eine zahlreiche vornehme Geſellſchaft
beteiligte. Erjchienen waren u. a, der Yandeshauptmann Edmund
Graf Attems, der Vizepräfident des DOberlandesgerichtes Hofrat
Klimbacher, der Bürgermeijters Stellvertreter Alegander toller,
die Statthaltereiräte Dr. Lauterer und Dr. Netroliczka, die
Reichstagsabgeordneten Ferd. Ludwig und Dr. v, Hofmanıt=
Wellenhof, Ober: Baurat Maurus, der Nektor der technischen
Stellvertreter des Statthalter, Graf Chorinsty, ber Sorpe:
Kommandant F.-3.:M. Freiherr v. Neinländer und ber
Rektor Magnificus der Grazer Univerjität, Hofrat Dr. Roller,
fchriftlich ihrem Bedauern Ausdrud gegeben hätten, der Sihung
fern bleiben zu müſſen. Dann bielt der Landeshauptmann
Graf Attems an die Feitgäite eine Begrüßungsanſprache, in
welcher er fie namens des Landes herzlich willlommen hieß und
die Hoffnung ausſprach, daß fie recht freundlihe Eindrüde mit
nadı Haufe nehmen möchten. Am Namen der Hauptitadt Graz
begrüßte Herr Koller die Erjdiienenen und hob hervor, daß die
bdeutiche Stadt Graz um fo gröhere freude über die Anweſenheit
des Sprachvereins empfinde, als es ihren Bürgern gegenwärtig
nur jelten gegönnt ſei, sich zu freuen. Gern richte man ſich
an den nationalen Bejtrebungen de3 a. d. Spradjvereind auf.
Namens der Grazer ‚Concordia‘ ſprach der failerl. Rat Dr. Franz
Biftler und verjicherte, daß die Tagesichriftiteller den Beſtre—
bungen des Sprachvereins lebhafte Teilnahme entgegenbrädhten.
Allerdings feien fich die ‚Journalüten‘ vieler Sprachſünden wohl
bewußt; fie jeien jedoch einigermaßen durch die Haſt ihrer Tages:
arbeit entſchuldigt. Sicherlich bejeele fie der gute Wille, im Sinne
des Sprachvereins zu ſchreiben, und wie er ſelbſt, jeien wohl alle
von dem Werte der vaterländijchen Beſtrebungen des Vereines
überzeugt, dem er Erjtarfung und Wachsſtum winiche zum Nußen
und zur Ehre des deutichen Bollstums. — Der Borfigende,
Dr. Mar Jühns, dankte namens des Vereins für dieje ehren
vollen Begrühungen und den überaus gajtfreundlichen Empfang
und jchilderte in einem furzen gejchichtlichen Rückblick die deutiche
Sendung der Stadt ımd Feſte Graz von den Yeiten an, da fi
die Burg des weißen Pantherd als ein Bollwerk der Oſtmarl den
Nvaren und Magyharen entgegenftellte, zu den Tagen, da von
bier die Begründung und Bemannung der Militärgrenze gegen
die Türken ausging und bis zu jemer glorreichen Berteidigung
des Schloßberges gegen die Franzofen durch Major Hader im
Jahre 1809.
Nunmehr bejtieg Profeffor Dr. Hermann Dunger- Dresden
die Rednerbühne und hielt jeine eitrede über »Die Bereiche—
rung des Wortſchaßes unferer Mutterſprache«, welde
mit dem größten Anteil angehört umd mit überaus lebhaftem Bei:
fall aufgenommen wurde. Gie wird im Oftober d. 3. in ben
wiſſenſchaftlichen Beiheiten veröffentlicht werden.
Hierauf verkündete der erjte Schriftführer des Vereins, Unis
verjität&profefjor Dr. Paul Bietich, die vom a. d. Sprachverein
ausgejchriebene Preidaufgabe: Deutſche Bilanzennamen für
die deutſche Schule.
Der für unjere Jugend jo wichtige und anziehende Unterricht
in der Pflanzenkunde wird durch die unverftändlichen und darum
ſchwer zu lermenden lateinischen Benennungen jehr beeinträchtigt.
Dem Verlangen nad) deutichen Pilanzennamen für die deutſche
Jugend steht die Schwierigkeit entgegen, daß es eine einheitliche
deutiche Pilanzenbezeichnung nicht giebt. Wie die fleijige Sammlung
von Priegel und Jeſſen (die deutichen Bollsnamen der Bilanzen,
Hannover 1832) zeigt, weichen die Pflanzenbenennungen in den
verichiedenen Gegenden deutichen Gebietes wejentlich von einander
ab; Für manche Bilanzen giebt e8 mebr als hundert verſchiedene
Namen. E3 ſoll alfo unterfucht werden, wie diefem Übelitande
abzubelien fei, auf welchem Wege wir — vielleicht mit Unter
ſtüßung des allgemeinen deutichen Sprachvereins — zu einer
einheitlihen deutichen Namengebung gelangen fünnen, joweit es
das Bedürfnis der Schule erfordert — denn die Hunitipradhe der
Wiſſenſchaſt joll felbitverjtändlich nicht angetaftet werden. Nament:
lich wäre in Betracht zu ziehen, welche Bilanzen dabei in Frage
fommen, und nach welden Grumdiäßen eine Auswahl aus den
vorhandenen deutfchen Namen zu treffen fei. Das Hauptgewidt
213
ift dabei weniger auf eine erichöpfende Wortlifte zu legen, als
auf eine gründliche und zugleic gut lesbare anregende Erörterun
der ganzen Frage. Die Preisarbeiten find mit einen Babliprud
zu verjehen und bis Ende 1896 an den Vorjtand des Wereins
einzufenden. Beizufügen ift ein verſchloſſener Brief mit demſelben
Kennworte, welcher den Namen des Verfafiers enthält. Für die
beiten Bearbeitungen der Aufgabe find zwei Preiſe im Betrage
von 600 und von 400 Mark ausgefept.
Endlich brachte der Gymmafialoberlehrer Dr. Bünther Saal-
feld das Ergebnis der Ergänzungswahlen zum Gejamtvorftande
zur Berlefung. Die 71 vertretenen Zweigvereine haben 179 Stim—
men abgegeben. Wiedergewählt wurden:
mit 179 Stimmen: Geheimer Nat Hugo Häpe- Dresden,
I aa Dr. Paul Pietſch—
rlın.
„ 16 * Profeſſor Dr. Ferdinand Khull⸗-Graz.
ze 105 = Se. Errellenz; Rudolf von Bennigien,
Oberpräfident der Provinz Hannover,
Geh. Ober: Regierungsrat Dr. R. Köpke—
Berlin.
Profeſſor Karl Erbe-Gtuttgart.
„ 166 pr Ober: Studienrat Dr. Prejjel- Heilbronn.
„ 158 Bibliothefar Dr. Edward Lohmeyer—
Kajjel.
„ 127 e Se. Excellenz Freiherr v. Cramm-Burg-
‚dorf: Berlin, Herzog. Braunſchweigiſcher
Bevollmächigter zum Bundesrate.
117 = Zandgerihtsrat Karl Bruns: Torgau.
2 90
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. v. Esmarch—
Kiel,
Neugemwählt wurde mit 163 Stimmen:
der Neichötagsabgeordnete Dr. Baul Hofmann von Wellen-
boj=&raz (Wien.
Außerdem erhielten Stimmen:
je 68 der Dichter Martin Greif- Müncen und der Kaufmann
Eipenspamburg, 41 der Stadtarzt Dr. Mallys Marburg a. Dr.,
26 Dr. Bülfing-Bonn, 14 Brofefjor Aurel Polzer: Graz,
9 Scyulrat Dr. Hohmeder: Münden, je 8 Guymnafialoberlehrer
Dr. Beer: Leipzig und Geh. Regierungsrat Fritſch-Kaſſel,
3Otto Graf Biptbums Dresden, je 1 Mgl. Bojtmeifter Schmidt:
Nürnberg, Profeſſor Stier: Neuruppin und Dr. Richard Weits
bredt= Wimpfen.
Der Borfigende ſchloß hierauf die Feſtverſammlung.
Um 1 Uhr begann im Saale des Grazer Klubs das Feitmahl,
an dem fich weit über 100 Perjonen beteiligten. Wis Ehrengäjte
waren erjcienen die Herren Statthaltereiräte Dr. Franz Ruter
v. Zautner, Dr. Eugen Netoliczta und Dr. Aug. Schnedig, Reichs:
ratsabgeordneter Dr. Paul Hofmann von Wellenhof, PVicebürgers
meijter Alerander Koller, der Rektor der Techniſchen Hochſchule
Sofef Bartl, Oberpoftrat Moriz Felicetti v. Liebenfel u. a. Die
Schevenhüller unter der Leitung ihres Sapellmeijters Fridrich.
Den erjten Trinfjpruch brachte der Borfigende des a. d. Sprach⸗
vereins, DOberftleutnant Dr. Max Zähns aus Berlin. Er
fnüpjte an ein Wort Goethes an, das Den hoch leben läßt,
‚der Leben jhafit‘, und gab ein Bild der Perſönlichkeit Kaiſer
Franz Joſefs, dejien Herrſcherugenden und Pilichtgefühl er als
Vorbild deutiher Männer pries. Während die Kapelle die
öſterreichiſche Voltshymme fpielte, erhoben fich, begeijtert in das
Hoch einjtimmend, alle von den Sipen.
Auf die Worte von Jähns bezugnehmend, jprady der nächſte
MNedner, Dr. v. Derichatta, Namens des Grazer Ausſchuſſes,
von der Blut: und Stammesverwandtichaft der Deutjchen beider
Reiche und erhob jein Glas auf das Wohl des Wächters und
üters der Macht des deutjchen Volkes, auf den Friedensfüriten
aifer Wilhelm 11. Die Berfammlung fiel jubelnd in das Hoch
ein, und die Stapelle jpielte die preufifche Hymne, Dieſe Huldigungen
wurden telegraphiid an die betreffenden Hofftellen nadı Wien und
Berlin gemeldet, und aus der Kabinetsfanzlei Sr. k. und k. apojto-
Beitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 9.
' Ferner bradjten noch Trintiprüche aus:
Zafelmufit bejorgte die Kapelle des 7. Infanterieregiments Graf | ter:
214
lichen Majeftät ging noch an demſelben Tage aus dem nahen
Jichl die Antwort ein:
»GSeine Majejtät danlen für die von den Feſtgenoſſen des
deutſchen Sprachvereins dargebrachte patriotiſche Huldigung.«
Im Namen der Stadt Graz ergriff nun Vicebürgermeiſter
Koller das Wort. Er berief ſich auf feine Rede in der Teil:
figung; würdigte die Beitrebungen des Sprachvereins im allge—
meinen und hob hervor, wie die Gemeinde Graz den Anregungen
des heimmjchen Zweigvereins jchon wichtige Berigti ungen der
Strafenbezeihnung zu danken habe; er verjicherte, ch nad) und
nach noch manches in diejem Sinne verbejjert werden würde.
Medner gedachte aud) des im Morgenblatt der » Tagespojt« ent:
haltenen Aufjages von Roſegger »Unſere Mutteripradhe«, führte
einige Stellen daraus an und ſchloß mit einem Hoch auf die an—
wejenden Mitglieder des deutichen Sprachvereins. — Als Vertreter
des Zweigvereins der Stadt Wien betonte Ruter von Sprung,
daß die deutiche Sprache die Beihätigung der Brüderlichleit bedeute
zwijchen dem deutſchen und dem deurſch- öjterreichijchen Wolfe und
brachte ein va aus auf das unvergängliche Band zwiſchen Nord
und Süd, Oſt umd Weit. — Herr TrapetsKoblenz jprach in
humorvoller Rede von dem Zeitpunkte, an dem der deutſche
Spradjverein nicht mehr notwendig fein werde, der Zeit nämlich,
da diefer das ganze deutjche Volk umſaſſen werde als das beite
Band, das die Reichsdeutſchen mit ihren öſterreichiſchen Brüdern
verbinde, Redner trank auf Deutjchöfterreid und auf Graz. —
Staatsanwalt Schumacher-Koblenz verglid) feine Heimat und die
von grünen Reben umträngte Moſel mit der grünen Steiermart;
von jeher habe ſich der Rheinlünder ganz bejonderd zum Süd-
deutichen hingezogen gefühlt. Er lief eine ihwungvollen Worte
ausklingen in ein Hoc auf das deutſch- öſterreichiſche Bündnis. —
Dr. Gütſcher-Leoben bejprad) in längerer formjchöner Nede die
Beziehungen des Spradwereins zur Wiſſenſchaft und Litteratur
und trant auf die Männer der Feder und der Wiſſenſchaft.
Nunmehr erhob jich abermals der Borjigende des Sejamtvereins,
Dr. Dar Zähns, um dem Trejtausichuffe, welcher die Ber:
ſammlung in Graz vorbereitet hatte, im Namen aller Vereins:
genojjen zu danfen. (Er ging dabei von den Sprüchen der Grazien
im 2. Teil des Fauſt aus, die jo anmutig vom Empfangen und
' vom Danten handeln, und endete mit einem Hoch auf Vroſeſſor
Dr. Khull und jein Haus. — Einen wahren Beifallsjturm ers
wedte der Gemeinderat Dr. Gödl, als er Gruß und Heil dem
Neden Siegfried zurief, der den Franzmann niedergeworfen, dem
Schöpjer des Dreibundes, dem eifernen Kanzler und Ehrenmit:
gliede des Spradjereins, Fürften Bismard. — In überaus herz:
lichen Worten feierte der Yandesbibliothetar Brofejior Dr. Hans
Bwiedined Edler v. Südenhorjt den Vorfipenden des Sprad)-
vereins, Dr. Mar Jähns, deſſen Leitungen und Verdienite als
Geſchichtsſchreiber und Geſchichtsſorſcher er warm bervorhob.
Seine Geſchichte der Schlacht von Sadowa jei das befte Wert
diefer Art und werde auc von öfterreihiichen Militärs gerne
elejen. Die Pracht der Sprache wetteifere mit ihrer Einfachheit.
In Jähns finde ſich die Bemeinjamteit der Feder und des Schwertes
glücklich verförpert und feine perjünlihe Haltung und Yiebens-
würdigteit bejähige ihn in feltener Weiſe zur Leitung eines großen
Vereins, Ihm zur Ehre und zum Ruhme erhebe er jein Glas, —
rofejjor Dr. Jul. Frats
auf die lieben Frauen, Profefjior Dr. Wild. Gurlitt⸗
Graz auf den Feſtredner Profeſſor nd Prafident v. Mühs
lenfels= Oldenburg auf die Steiermart, Dr. Saalfeld: Blanten:
burg auf den Dichter Roſegger, Proſeſſor Erbe- Stuttgart auf
den Zweigverein Marburg und endlich Frau Johanna Leidl—
Marburg in einer finnigen geijtvollen Wendung auf ein Wiederjehen.
Es würde über den Rahmen unferer Aufgabe hinausgehen,
wenn wir auch noch den Beſuch der Fejtgenofjen in Yeoben und
den am Montag den 22. unternommenen Ausflug zum Erzberge
jhildern wollten. Nur der herzlichſte Dank ſei dem Zweigvereine
Leoben dargebradjt für die wahrhaft innige Aufnahme, welche
feine Angehörigen den zum großen Teil aus dem Norden Deutiche
lands jtammenden Mitgliedern entgegenbraditen, und für die aus:
gezeichnet umfichtige Weije, in der fie den Gebirgsansflug vorbe-
reitet hatten und leiteten. Allen Teilnehmern werden die in
Hodjiteiermart verlebten Stunden dauernd eine liebe Erinne-
rung bleiben.
215
Am Freitag, den 19. Juli fand in Graz eine
Sitzung des Gefamtvoritandes
ftatt. Den Borfig führte Dr. Mar Jähns. Anweſend waren;
Prof. Dr. Brenner, Landgerihtärat Bruns, Prof. Dr. Dun:
ger, Prof. Erbe, Geheimer Nat Häpe, Prof. Dr. Khull,
Geh. Neg.- Nat Launhardt, Biblioth. Dr. Lohmeyer, Prüfi-
dent v. Mühlenfels, Brof. Dr. Pietſch, Oberlehrer Dr. Saal-
feld, Oberlandesgerichtsrat Scheerbarth, Schriftleiter Sedlak,
Auguftin Trapet und der Schriftleiter Oberlehrer Bappenhans.
Der Vorſitzende teilte einen Brief Sr. Durdjlaudt des Erb:
prinzen von Hohenlohe mit, in welchem dieſer feinem Be-
dauern Ausdruck giebt, der Sihung fern bleiben zu müffen, und
verlas dann folgendes Schreiben des Staatsjelretärd Dr. von
Stephan:
Berlin W., 21. Juni 1895.
Dem Geſamworſtande des allg. deutfchen Sprachvereins
fühle ich mic; zu lebhaftem Dante verpflichtet für das freund⸗
liche Gedenlen, mit dem ich anlählid) der Vollendung einer
Anübrigen Arntöthätigkeit in meiner jegigen Stellung durch
ül —— des ſinn ⸗ und geſchmackvollen Glückwunſches, ſowie
der Juni-Nummer der Vereins-Zeitſchrift beehtt worden bin,
Ihre zweifade Kundgebung nimmt unter den mannigfachen
mir bei dieſem Anlaſſe zu teil gewordenen Zeichen der Teil-
nahme eine bedeutſame Stelle ein und hat mir aufric)tige
Freude bereitet.
Der allg. deutfche Spradwerein fann demnächſt auf fein
zehnjähriges Beſtehen zurüdbliden. In diefer kurzen Spanne
Zeit hat er fich durch ſein Wirlen — perfer et ohdura —
raſch zu einem Sammelpunftte der auf die Neinheit unferer
Mutteripradhe gerichteten Beitrebungen herausgeſtaltet und der
edlen nationalen Bewegung bleibenden Rückhalt geichaffen.
Bon fo berufener Seite meine beicheidene Thätigfeit an unferm
gemeinfamen Werte anerfannt zu fehen, gereicht mir zu be—
fonderer Genugthuung. Seien Sie überzeugt, daß meine
wärmjte Teilnahme ebenfo wie biäher dem weiteren Gedeihen
des Vereins zugewendet bleiben wird.
Zum Schluß darf ich bitten, auch Herrn Profefior Dunger
in Dresden, dem altbewährten tapjeren Vorlämpfer diefer edlen
deutichen Bejtrebungen für feinen vortrefflichen Artikel meinen
verbindlichjten Dank übermitteln zu wollen.
v. Stephan.
Der Borjtand nahm von diefem Schreiben mit großer freude
und Dankbarkeit Kenntnis,
Demnächſt gab der Vorfipende eine Überjicht der Entwide:
lung und der Kaffenverhältnijje des Vereins und eröffnete dann
eine Beſprechung des Antrages Wermelslirchen und jpäter der
Anträge Darmitadt- Eger Reichenberg⸗ Troppau, aus der fich die
Stellung des Borftandes zu diefen Vorfchlägen ergab.
Nunmehr berichtete Dr. Dunger über die Preisaufgabe und
machte Borjchläge wegen der Breife jelbit und wegen der Preis—
richter, die von der Verſammlung angenommen wurden.
Dr. Saalfeld jepte den Gedanfen eines Liederbeftes für
Spradvereinszwede auseinander, der ſchon in der legten Vor—
jtandsfigung Anklang gefunden hatte. Seht wurde Dr. Saal:
feld mit deſſen Durchführung betraut und die Herren Dunger,
Fähns, Lohmener und Bierich gebeten, ihn zu unterftüßen.
Dr. Dunger berichtet dann über den Antrag eines Herm
Dietrich in Züri, der in eingehender Weiſe die Borteile dar= "
J
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvertins. X. Jahrgaug. 1895. Nr. 9. 216
zulegen ſucht, welche aus der Bejtellung eines ‚Spracwarts‘
hervorgehen würden. Defien Aufgabe folle darin befichen, jih
mit allen auf ſprachlichem Gebiete führenden Männern in Ber-
bindung zu feßen, von allen einichlagenden Schriften genaue
Kenntnis zu nehmen, die verichiedenen Mundarten zu vergleichen
und jährlich ein Vollsbuch herauszugeben, das ſich durch muiter:
gültige Sprache hervorthue. Der Berichterjtatter ift der Meinung,
daß es feinen Menfchen gebe, welcher einer ſolchen Riefenaufgabe
gewachien jei, und der Vorſtand ſchließt ſich diefer Auffaſſung
an und lehnt den Antrag ab.
Herr Wappenhans macht Mitteilungen über das Preis-
ausichreiben des Wentral-Bacanzenblattes‘ (vgl. Sp. 1723).
Der Borftand ift nicht gewillt, fich amtlih an dem Preisgeridht
zu beteiligen.
Dr. Dunger beridıtet über die Vollendung der Handicrit
des Verdeutſchungsheftes für Heilfunde. Der Vorſtand beſchließt,
fein Mitglied, Herm Ghrt. Prof. Dr. v. Esmarch zu erfuchen,
die Beurteilung desjelben zu übernehmen oder eine geeignete
Rerjönlichkeit dafür zu bezeichnen. Zunächſt wird das Heft als
Handſchrift gedrudt.
Hr. Bruns erjucht um Megelung der Zus und Abgangs-
foften bei Neiien für Vereinäzwede, Es wird beichlojien, der
nüchſten Hauptverfammlung eine Erläuterung des Abſchnitis 9
der Seichäftsordnung zur Gutheißung vorzulegen.
Auf Vorſchlag von Prof. Erbe beichließt der Borjtand, den
Zweigvereinen die wijjenichaftlichen Beiheite und die Berdeutihungs-
hefte zunächjt immer nur in bejchränkter Anzahl zugeben zu
lafien und ihnen frei zu ftellen, mehr zu fordern, falls ſich Mit:
glieder melden, die fie zu haben wünſchen.
Infolge einer Anfrage Dr. Lohmeyers erflärt der Vorſitzende,
daß die Angelegenheit des Rutenbergichen Vermächtniſſes noch
nicht weiter vorgeichritten jei.
Zuletzt findet eine Vorbeiprehung wegen Ort und Zeit der
nädjten Hauptverfammlung ftatt.
In Guben ijt ein neuer Zweigverein begründet worden.
Das jtudentiihe Corps »Borufjiae in Bonn ift dem a. d.
Sprachvereine beigetreten.
Die neue Wahlſpruchtafel fann von den unmittelbaren
Mitgliedern von dem Schagmeilter, Verlagsbuchhändler Eber:
hard Ernſt, Berlin W. 41, Wilhelmftrage 90, bezogen werden.
Die Lifte der Fremdausdrücke im Sportweien, bie
den Teilnehmern an dem PBreisausjchreiben der Ausitellung
für Sport, Spiel und Turnen (vgl. Sp. 172 d. v. Nr.) zur Ber-
fügung geitellt werden follte, ift der Schriftleitung leider immer
noch nicht zugegangen.
Die zahlreichen feit Ende Juli d. 3. eingelaufenen ſprachlichen
Anfragen konnten wegen Raummangeld in diefer Nummer nicht
beantwortet werben.
Briefe und Brudiaden für die Vereinsteitung
And an ben Borfigenden,
Dberftleutnant a. D. Dr. Mar Zähne in Berlin @. 10,
Margaretenitrabe 16,
Geldiendungen und Beltrittderflärungen
an ben —
erlagsbuchhandler Eberhard Ernft im Berlin W.41,
Bilhelmftrahe 90,
Briefe und Drudiachen file die Seitfchrift find an den Herausgeber, Oberichrer Friedrich Mappenbans in Berlin R.W, 33, Altonaer Strafe 4,
zu ri
lee und Bufendungen für die Wiſſenſchaſtlichen Beihefte an Profeffor Dr. Paul Ptetſch, Berlin ®.30, Mopitrahe 12,
Hr die Leitung verantwortlich drie drid Bappenbans, Beritm. — Berlag des allgemeinen deutichen Eprampereind (Zähne und und En), , Berlin.
Drud der Buchdruckerel bes Watjenhanfes in Halle a. d. ©.
X. Jaßrgang Ar. 10. Oktober 1895.
Zeritſchrift
allgemeinen deutfchen Spradjvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes —— von Friedrich Wappenhans.
Diefe Zeitihrtft erſchelnt jähetteh nodlfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird ben Mitgliedern des allgemeinen deutihen Eprachvereins unentgeltlich
geliefert (Sapung 24).
nbalt: An unjere Sprache. Gedicht von Felix Dahn. — Zur Geſchichte der Fremdwörter in der deutſchen Muſil. Ion
E. Witting. — »&uten Tag! — nicht: Adieule Bon Saalfeld. — Die Geſchichtsſorſcher und der deutiche Sprachverein. Bon E. G
— Sprechſaal. — Sprach iche —— — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsſchau. — Aus den Zweig⸗
vereinen. — Brieflaſten. — Geſchäftlicher Tei
Die Beltfchrift farm auch durch den Buchhandel ober bie Voſt
zu ME. jährlich bezogen werben, — Anzelgenannahme durch den Echapmeifter
Eberhard Ernit, Berlin W.al, Wilbelmfte. 90, — Auflage 16500,
An unjere Sprade.‘)
Wohl ſchmückt did), Mutter reih an Schöne, Da warb in deutihem Laut geſprochen
fo mandyen Liedes Ehrenreis, der Zauberſpruch der neuen Zeit.
Und deine jangestundgen Söhne Tief griffeft du, o große Mutter,
wetteifern dir zu Lob und Preis: in deines Reichtums Königshort
Drum nicht um deinen Ruhm zu mehren, Und reichteft dem gemwaltgen Quther
nur zu willfahren eignem Drang, das Schwert des Siege: das deutiche Wort!
Erheb auch ich zu deinen Ehren Lebendig raufchten nun die Pſalmen,
den danferfüllten Lobgejang. jo herrlich, wie fie David jang,
O ihr voll Kraft und voller Milde, Ein Haud vom Jordan und den Palmen
die ihr die Seele hebt und beugt. flog alles deutſche Land entlang,
Ihr edlen deutichen Klanggebilde, Und Worten, aller Wunden Labe,
aus Schönheit und aus Ernit gezeugt: die fen des Heilands Lippe jprad,
Gleich wie der Strom aus Felſenſchranken Sann jeßt der blonde deutſche Knabe
brecht ihr aus tieſer Bruſt hervor am Schoße ſeiner Mutter nad).
Und tragt im Schwunge den Gedanfen Und als aufs neu, nad) dumpfen Zeiten,
gleich; einem Flügelroß empor. ſcholl ungeſtüm der freiheit Ruf,
Ihr —*8* ſort ſeit grauen Zeiten, Seh ich ein Paar gewaltig ſchreiten,
und wo ein groß Verhängnis naht, das im Geſang die Freiheit ſchuf.
Bo fid) in der Geſchichte Schreiten Nachdem fchon mancher ſchlichter, ftiller
vollendet eine Riefenthat, das tote Wort zu weden rang,
Da, ob fie Mage, ob frohlode, Kam jener Königliche Schiller
ſchlägt fie, die beides herrlich fann, mit edelſtolzem Heldengang:
Da ſchlägt wie eine Schidfalsglode Wie einen Saifermantel prächti
die deutiche Sprache mächtig an. wirft er die Sprache um fich ber,
Der Römer hörte jcheu ihr Brauſen, | Bei jedem Schritte raufcht fie mächtig,
da fi) jein Stern geneigt zu Fall: von Wohllaut und von Fülle ſchwer.
Er hat mit todeöbangem Graufen | Und mit der Zauberkraft des Schönen,
ein Sturmgeheul genannt den Schall. die alle Herzen bannt und zwingt,
Und als der Hunne ward bezwungen | Laßt Goethe goldne Weile tönen,
und als die Bottesgeikel brad), | dak Erd und Himmel wiederllingt:
Da Hang das Lied der Nibelungen Er zürnt — die Elemente braufen,
wie Schwerterichlag auf Schilden nad). | er lacht — es tlingt wie Glockenerz,
Und es verkehrte ſich in Jammer Er träumt — und ahnungsvolles Grauſen
der Sara genen Stolz und Spott, beſchleicht das hingegebne Herz.
Als auf ihr ⸗Allah« Karl der Hammer O tönet fort, ihr heilgen Zungen,
entgegenrief: »Und mit uns Gott!« darin mein Bolt frohlodt und Hagt,
Und da vollendet bis zur Binnen Du Saitenipiel, nie ausgellungen,
des Mittelalters jtolzer Dom, du Rätjel, niemals ausgejagt.
Als —— Orgel rauſchte drinnen Und wo die Ruheſtatt ſich wähle
des deutichen Sanges vollen Strom: im fernen Land ein deutſcher Schritt,
Da hör ich eure Harfen beide Er trage treu wie feine Seele
und hundert andre ruft ihr wadı, der Heimat edle Sprade mit:
Herr Walther von der Bogelweide, | Sie geht mit uns im Bug der Heere,
Herr Wolfram du von Eſchenbach. fie geht mit uns im Wanbderzelt,
Bald war der reiche Bau zerbrochen, Und bauet jenjeit blauer Meere
dem Moder jhien die Welt geweiht: uns eine neue deutjche Welt. Felix Dahn.
9 22 Ge di deſſen Wiedergabe wir unſern Vereinsgenoſſen eine befondere freude zu bereiten glauben, ift von dem Berfafier am Schluſſe feiner
Mede vor — ienjrigen 4 Yauptveriammlung bes A. D. Ecdulvereins zur Erhaltung des Deutichtums im Auslande geiprodyen worden. Wir entmchmen es ber
Jultnummer ungen des genannten Wereins, D. 2.
219
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sptachvereins. X. Jahrgaug. 1895. Nr. 10,
220
Sur Geſchichte der Sremdwörter in der deutihen Mufik.
Nod; bis in das 17, Kahrhundert hinein galt der Tonfag für
den Kirchengeſang als die einzige Kunſtmuſik. Die Texte zu den
gottesdienftlichen Handlungen zeigten zugleich auch die Yeitmahe
der Tonftüde an, die jpäter bei der Inſtrumentalmuſik befonders
durch Worte angegeben werden mußten. Die Inſtrumentaliſten
bildeten damals eine Urt gewerblicher Zunft, wurden aber als
»fahrende Leute« behandelt. Gleichwohl müſſen unter ihnen jür
die Kunſt begabte und jtrebfame Männer geweſen fein, da es
unter den Mufitern Gebrauch ward, aus Mangel an Mufifalien,
Kirchengefänge zur eigenen Belehrung und Unterhaltung auf In—
ftrumenten auszuführen. Dies hatte dann zur Folge, daß der
bochangefehene Tonjeger Giov. Gabrieli (1557 — 1615) auch Mufit-
ftüde für Inftrumente ſchrieb. Ein ſolches Muſitſtück nannte man
Sonata ($langjtüd), im Gegenſatze zu Cantata (Singftüd), Mit
diefen Verſuchen wuchs der Eifer der Muſiker, die num ftrebten,
ihre Bahn zu erweitern. Die einfache Gliederung der Tanzmuſil—
jtüde, die ihnen befannt war, benupten fie zunächſt, um Mufit-
ftüde in diefen Formen zu jchreiben, und jo entitanden: Giguen,
Sarabanden, Gavotten u.v.a. Eine Sammlung folder Tänze
nannten die Staliener Partita; als aber die Franzoſen anfıngen
ſich diefer Form zu bemächtigen, führten fie das Wort Suite da:
für ein. Die Deutjchen nahmen beide Benennungen in Gebraud).
Die Namen der Tänze galten als Bezeihnung für Charalter und
Zeitmaß der Tonftüde, ohne daß dieje ala Tanzmuſik betrachtet
wurden; fo konnte der Künjtler bei ihrem VBortrage feiner Gemüts—
ſtimmung freieren auf laffen. Hieraus ergab ſich bald die Not-
wendigfeit, dem ausibenden Mufifer die von dem Tonſetzer ge:
winjchten Abweichungen von dem Tanzzeitmaf; durch Eigenicafts-
wörter wie: largo, adagio, vivace, presto u. a, anzuzeigen.
Hätte fich diefer Vorgang in Deutichland zugetragen, fo
wären dieje Bezeichnungen auch der deutichen Sprache entnommen
worden; da er ſich aber in Jtalien vollzog, fo iſt es ja felbit-
verſtündlich, daß die Staliener, die zu der Zeit die blübendjte
Kunftentwidelung berangebildet hatten, ihre Sprache damit ver-
banden. Weil nun zu jener Zeit die italieniſche Muſik, als die
anerfanntefte, fich in der ganzen Welt verbreitete, jo erlangten
auch ihre Zeitmaß- und Bortragsbezeidinungen als Fremdwörter
überall eine Art von Bürgerrecht. Deutichland Hatte zwar ſchon
mehrere ausermählte Tonkünftler hervorgebracht,*) allein fie blieben,
mit Ausnahme von Seb. Badı (1685 —1750), durdy ihren Studien:
gang von Italien abhängig und ſchrieben nad) italienischen Muftern.
Sebajtian Bad, der nur das Allernotwendigite von den Fremd—
wörtern anwendete und deſſen Werte noch heute die gröhten Künſt—
ler aller Völker mit Ehrfurdt und Bewunderung erfüllen, fand
bei feinen Beitgenofjen feine feiner Größe entiprechende Beachtung.
Das nachfolgende Geſchlecht vergaß ihn fogar. Gleichwohl iſt er
als der erjte, und im wahren Zinne des Wortes, als der be-
deutendſte deutſche Tonſeßer zu betrachten, und Mendelsjohn
(1509 — 1847) hat das große Berdienit, ihm nach langer Ber-
geiienbeit wieder eingeführt zu haben.
Haydn (1732— 1809), dem die deutſche Mufit mehr zu vers
danfen hat, ald man gemeinhin annimmt, war doch von der
italienifchen Kunſt abhängig, bejonders in den Berzierungsgruppen,
*) Biber, Heinr. Joh. (1644— 1704), ausgezeichneter Violin⸗
virtuos und Komponiſt, wurde von dem Kaiſer Yeopold I. geadelt.
Dann die drei großen 8. Schütz, Heinr. (1555 —1072), Schein
(1586 — 1630) und Sceidt (1557 — 1654), die für die Kunſt
bedeutungsvolle Männer und würdige Borgänger Seb. Badıs
waren u. a.
obgleich er auch hierin fich bis zu einer felbjtändigen Eigenart
ausbildete. Mozart (1756— 1791) Hatte ſich zwar feinen, ihm
eigenen Stil geicaffen und wird aud darin für immer bewun—
derungswürdig bleiben, doch ftand er durch feine Wirkjamfeit für
das Theater mitten im Italieniſchen und zwar derart, dab, als
er Haydn die ihm gewidmeten Streichquartette fandte, er eine
jeitenlange Widmung in italienischer Spradye beizulegen für nötig
eradhtete: fo verwachſen war zu jener Zeit noch dieje Spradye mit
unjerer Mufif, Erft mit Beethoven (1770— 1827) iſt deutiche
Mufit als ſolche zu allgemeiner Anertennung gefommen. Hätte
er, den ein grofdeutiches Weſen befeelte, num am Anfang jeiner
Wirkfamteit die Fremdwörter alle durch deutiche erjegt, jo wäre
es vielleicht mit der Zeit gelungen, die italieniihe Sprache aus
der deutichen Mufit zu verdrängen, da die machtvollen Erſchei—
nungen feiner immer höher ftrebenden Werte gebietenden Einfluß
genug auch in diefer Beziehung ausgeübt haben würden. Allein
er folgte dem allgemeinen Zuge der Zeit und verwendete bie
Fremdwörter, da er an die oben erwähnte Möglichleit ja nicht
denfen konnte. Als aber jein deutiches Empfinden anfing, ſich
dagegen aufzulehnen, war es zu fpät, damit zu beginnen, denn
die Schwärmerei jür italienische Mufit, die Roſſini (1792 — 1868)
duch feine Werte zu der Zeit in Deutichland angefadht hatte, und
die durch das Auftreten von Donizetti (17971848) und Bellini
(1801— 1835) immer neuen Antrieb erhielt, war den Deutjchen
Mufitbeitrebungen durchaus ungünftig.
Die franzöfifchen Tonfeger find, in Bezug auf die Fremdwörter,
immer bejonnen geblieben, denn obſchon fie dem allgemeinen Zuge
ber Zeit folgten und die von den Jtalienern gut gewählten Wörter
in Gebrauch nahmen, benußten fie doch jede Gelegenheit, audı
franzöfiihe Wörter und Säge mit anzuwenden. GSelbit Italiener,
die in Frankreich leben, achten diejes Verfahren und abmen es
nadı, den Franzoſen zu Gefallen. Noch ein in jüngiter Zeit
gedrucdtes Mufitftüd von einem namhaften Staliener, Antonio
Bazzini, jeit 1573 Lehrer am Konfervatorium zu Mailand, der
von 18552 — 64 in Paris lebte, zeigt abwechſelnd franzöfiiche und
italieniſche Angaben für das Zeitmaß und den Vortrag ange
wendet. Daß die Franzojen aber aud ein deutiches Wort auf-
nehmen, jobald fie es nicht richtig Überjegen fünnen, beweiit das
Wort »Liede; denn da jie chanson oder air nicht paſſend fanden,
fo entichlofien fie ſich, dieje echt deutiche Gefangsgattung >le lied«
zu nennen. Ms num im Dentichland die mahloje Verzückung
für italienische Muſik fih etwas abgekühlt hatte, etwa um 1840,
verfuchten wohl einige deutiche Tonjeger unſere Sprache für die
verschiedenen Bezeichnungen in der Mufif einzuführen; allein fie
gingen zu beitig damit vor, da jie alles Beftehende der Art auf
einmal befeitigen wollten. So war um dieje Zeit ein größeres
Mufititül von A. B. Marx (1799— 1866), dem berühmten
Mufittheoretifer, im Handel, in dem fein einziges Fremdwort
vorfam; erescendo und decrescendo hatte er ganz vortrefflich
mit ans und abjchwellend überjegt.*) Der Komponiſt Marz
fdeint ganz und gar vergefien zu fein. Doch noch vor ihm bat
es bedeutende Mufiter gegeben, die in ihren Werfen den Ber:
ſuch machten, wenigitens die Zeitbeſtimmungen deutich anzu
zeigen, wie Sig. Neutomm (1778— 1858), ein Schüler Handnt,
der in feinem 97. Palm ftatt lento langſam, ftatt maestoso
feierlich u. a. m. jagt. Allein die große Zahl der Mufiktreibenden
hatte fein Berjtändnis dafür, da der Einfluß der Urheber dieies
Verfahrens ſich nicht gebieterifch genug zeigte; und Muſikalien
*) Yeider war es mir nicht möglich, dieſes Wert aufzutreiben,
jo daß ich nur dieſes Beifpiel aus der Erinnerung anführen fanr.
2*
221
verleger find erjt recht gegen jede Veränderung in biefer Bes
siehung, da ihr Geſchäft mit dem Wuslande, wie fie jagen,
darumter leiden würde. Indes bezeidmete Nobert Schumann
(1810— 56) Zeitmaß und Charakter feiner Tonftüde deutſch,
behielt aber die italienifhen Bortragsbezeichnungen bei, wie
p. f. crese., dim. u. a., fodann noch sempre, molto, solo und
äbnliche Wörter. Seine »Slindericenen«, geichrieben 1838, Stüde
für das Pianoforte, find, mit Bezug auf den Gegenitand diejes
Aufſatzes, eine eigenartige Eridjeinung, denn fein Zeitmaß ift
hierin angegeben, fondern die Überfchriften: »Von fremden Län—
dern und Menſchen — Haſche-Mann — bittendes Kind« u.a.m.
follen den Charakter der Stüde anzeigen, nach dem das Zeitmaß
zu nehmen ilt. Seine übrigen Werfe für Pianoforte find mit
wenigen Musnahmen wie Introduction oder Allegro appassio-
nato oder Concert- Allegro alle deutſch bezeichnet, jo in » Bunte
Blätter (gefchr. 1839): Mr. 1 Nicht jchmell mit Innigleit, Rr. 2
Sehr raid ufw. Ebenfo in den Werfen jür großes Orcheſter.
Indes beginnt » Das Paradies und die Peri« mit einem Allegro,
dem ein Andantino mit dem Zuſatz »nach und mach jchneller«
folgt. Alle übrigen Zeitmahe find dann deutſch angegeben.
Statt a due ſchreibt er »geteilt« und zuweilen ftatt ff »mit
großer Kraft«. Auch dies Verfahren fand noch wenig Nad}:
ahmung. Noch jei bemerft, daß Schumann fich auch unter feinen
Berufägenoffen lebhaft für die Anwendung des Deutichen in der
Mufit verwendete. Denn in einer Künſtlerverſammlumg, im
August 1847 in Leipzig, wurde ein Wunfch Sc.s, der felbit
nicht anmeiend fein Fonnte, verlefen, »man müge doc} deutiche
Titel auf Mufifalien einführen«; denn damals waren die Titel
zumeijt franzöſiſch. In Paris, wo im Winter 1853 die Duver:
ture zu Manfred von Schumann in der Sociöte Sainte Cöeile zur
Aufführung fommen jollte, lehnten die Muſiler ihre Mitwirkung
ab, weil fie Bemerkungen wie: Klarinette in B; Hörner in Es
(ftatt Clarinette en Si bömoll, Cors en Mi bömoll) u. a. nicht
lefen konnten, vielmehr nicht lefen wollten; denn die franzöfiichen
Mufiter, jowie die Mufifalienverleger find zu allen Zeiten gegen
Einführung ausländiiher Mufitwerfe gewejen, beionders gegen
deutiche. Die hartnädigen Kämpfe um Glud, Beethoven und
Wagner find Zeuge deilen. Die Duverture von Schumann gab
bier nur die Beranlafjung, den lang verbaltenen Groll gegen die
allzu deutjche Spielordnung der Mudfifgefellichaft laut werden zu
laffen. Die deutihen Mufiter find weniger fcharf und nie fo ge—
bäffig, wie ihre franzöfiihen Fachgenoſſen im Verhalten gegen
das Eindringen ausländiicher Kunſtwerle und lieben es alle nur
mögliden Fremdwörter in den von ihnen veranftalteten Aus—
gaben alter Muſikſtücke anzubringen. Beſonders in den or:
tragdbezeichnungen lafjen fie das Licht ihrer Bildung durch
Fremdwörter jehr oft allzu Heil feuchten und gehen damit über
die Grenze bdefien, was der urſprüngliche Berfaffer hat fagen
wollen. Wenn indes ſolche Bezeichnungen zur Erleichterung des
Bortrages für Mufikliebhaber, die keine eigene Auffaſſung haben,
zuweilen willlommen jein mögen, fo wäre es doch angemefiener —
schon des befjeren Berftändnifies wegen — die Herausgeber folgten
dem Beilpiele R. Schumanns und R. Wagners, die alles diefer
Art deutich bezeichneten. Allerdings find in Wagners Tann
Hänfer (geihr. 1842) noch häufig italienische Bezeichnungen zu
finden, die aber zumeilen noch einen näher bejlimmenden deutſchen
Bufap haben z. B. Andante maestoso, jehr gehalten. indes
begegnet man auch bier rein deutich aegebenem Zeitmaße. Für
das üblihe con und senza sordino, ſchreibt er »mit und ohne
Dämpfer. Von der Oper »Die Meifterfingere (geſchr. 1861)
firnd zwei Ausgaben des Klavierauszuges erſchienen. Der eine,
Zeitfhrift des allgemeinen dbeutfhen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr, 10.
nn nn ——— ——— —
222
nach der Handſchrift Wagners, mit deutſchen, der andere mit
fremdiprachlichen Erklärungen, z. B. Vorſpiel — Introduction;
ſehr mäßig bewegt — moderato; durchweg breit und gewichtig —
sempro largamente e pesante; au&drudsvoll — espressivo uſw.
Dasjelbe ijt mit den Nuszügen der Opern »Der Ring ber
Nibelungen« der Fall.
Noch jei hier bemerkt, daß z. B. die Partitur der »Wötters
dämmerung« (geichr. 1570 — 74) das Wörtchen pizzicato enthält,
während das darauffolgende col arco mit »Bogen« bezeichnet ift,
das übliche pesante durdh »jchtwer«, tenuto durch »qut gehalten«,
animato durch »etwas lebhaft⸗ u. j. w. überjept ift. Hieraus geht
hervor, daß Wagner die deutihen Wörter als eindringlicher und
bejtimmender für deutiche Mufifer betrachtete, als die meiſt mur
mechaniſch gelejenen italienischen Wörter. Aud wird niemand be-
baupten wollen, daß jedem Vortragenden ein richtiges Berjtändnis
der Fremdworte eigen fei, bejonders nicht in dem Mahe, wie fie
von den Bearbeitern angewendet werben. Hier wäre nun der
Punlt, wo eine Abjtellung des Mikbrauds mit Fremdwörtern
einzufepen hätte; denn ſobald die Verleger es begriffen haben
werden, daß es für das allgemeine Verſtändnis bejjer und für
das deutſche Gefühl befriedigender ift, wenn die Vortrags: An=
merkungen alle deutsch zu leſen find, jo werden fie dies aud) von
den Herausgebern verlangen. Hätte ſich dann diejes Verfahren
veraffgemeinert, jo würde es auch nad und nad) dahin kommen,
ohne Bejahr für die Handelögeichäfte der Verleger auc die Zeit—
mahbezeichnungen deutſch zu geben, wie es ja jchon die beiden
oben genannten großen Künſtler in ibren Werten durchgeführt haben.
Dresden. C. Witting.
- ‚Guten Tag! — nicht: Adien!«
Karl Gottfried Nadlers Gedichten in Pfälzer Mundart
(unter der Aufschrift »Fröhlich Palz, — Bott erhall's!« in
PH. Reclams Univerfalbibliothet als Nr. 3369/70 erichienen) ents
nehmen wir die nadhlichende Probe:
’3 welfch Geblüt un ſein Altmodder.
Do laiht des Büwele und lacht
Un rüft: Adda! fo wohlgemut;
Ach Gott, des will ſchun in die Welt!
's iſch Halt Franzofeblut!
Wann’s älder werd, der Haane Kerl,
3 iſch aam ſchun angicht, wie's do noch geht,
Wann's aam do vorwelſcht uf Franzöſch,
Wo kaans vun uns verſchteht!
Waaß Gott, des iſch mer oft zu rund —
Meitt Mahdel kann noch heut faaft Wort —
Wie die den nor verſchtanne bot
Allaans im ganze Drt?
Ich hewwen jo doch grad jo lang,
Wie mein Kathrine weliche ghört;
Do iſch aaft Wort wie's anner geweßt,
Mic, hodder nit bedbört!
'3 haaßt als bei ung gemaaniglid:
»Der Abbel fällt mit weit vum Schtamm«;
Iſch des jo wohr, ſächt aa der Klaoñ
Yu mir ce mol: »Madammte,
223
Un hör i's erfchtmol jo e Wort,
Hol ich beim Dolter was ſor's Kind,
Bo des Franzöſch em rausporgiert*)
So noch und noch gelind.
For jeden Umſchtand uf der Welt
Waaß der jo was mar aam verfchreibt,
Der hot gewiß aach ebbes noch
Wo's welſch Geblüt vertreibt.
Wär’ dann nit jhad, wann's Büwele,
Wie's jet jo lieb und herzig iſch,
Müht ewig e Frranzöfel jeyfi,
So e welſcher Fledderwiſch?
Was ber Dichter hier die Pfälzer Großmutter aus treuem
deutfchem Herzen berausnıfen läht, hat ja den Lefern der Tägl.
Rundihau, dieſes der Verbreitung wahren Deutihtums von
jeher geöffneten Blattes, jüngft ert die Bejpredjung des Wortes
Adieu im Brieflaften der Nr. 128 und 133 aufs neue zur ernft:
lichen Erwägung gegeben. Wllein jo gut gemeint die darin ent-
haltenen Vorſchläge auch find, fo wenig dürfte ſich doch an Stelle
des welichen Adieu unfer »Mit Gott« allgemein einbürgern,
Sollte ed nicht ratfam fein, bei fo wichtigen Fragen den Blick
in ſolche Gegenden zu lenlen, wo das Bolt fich bereits in ge
funder und deshalb lebensträftiger Weije felbit geholfen hat?
Wer Süddeutichland bereift hat, wird mit dem Schreiber diejes
wohl gar manch liebes Mal feine helle Freude darüber empfunden
haben, wenn ihm nicht bloß beim Kommen, fondern auch beim
Gehen der Gruß »Guten Tag!« ertönte; ja jelbit »Buten
Nahmittag!« kann man von unferen fübdeutichen Yandsleuten
oft genug hören. Nun, da haben wir ja die prächtigjte Löſung;
denn auc in Nordbdeutichland nimmt fein Menid) daran Anſtoß,
wenn man ihm morgens und abends jowohl beim Kommen wie
beim Gehen einen guten Morgen und guten Abend bietet:
gute Nacht jelbjtverftändlich nur beim Gehen. Alſo man übers
lege, ob nicht entjprechend die Begrühung: guten Tag! folge:
richtig erſt recht ein Gruß für den Abjchiednehmenden fein müßte;
man wünjcht dem, den man verläßt, einen guten Tag! Gilt
es eine längere Trennung, einen Abichied, jo tritt ganz von felbjt
ein: Lebe wohl! Lebet wohl! an die Stelle, wobei freilich
zuzugeben iſt, dab der Ruf Leben Sie wohl! ber Herzlichteit
einigen Eintrag bereitet: da iſt das engliiche farewell und das
ſtandinaviſche fare vel, das in allen Formen gilt, bedeutend
wohlflingender. Indeſſen es giebt noch einen gewichtigen Grund,
der uns die Verdeutihung Mit Bott für alle Fülle unthunlich
erjcheinen läßt. Mit Gott!« fteht ja allerdings zu Anfang
des faufmänniichen Rechnungsbuches. Aber eben diejer ernite
Zuruf findet fi dort gewifjermahen als Inſchrift, als Mahnruf
wieder; der Kaufmann jchlägt jein Buch auf und foll jo handeln,
wie ihm das ſchöne Wort zuruft. Äühnlich entläht ein Vater
feinen Sohn, ein Lehrer feinen Schiller im feierlichen Augenblicke
mit Gott! Aber wir meinen, es darf jich daraus nicht eine jo
leicht zur Gedantenlofigleit werdende Gleichgültigleit entwideln, daß
wir jedermann zu jeder Zeit denjelben doch jo feierlichen Grup mit
auf den Weg geben follen. Das Edelmetall darf nicht in fo
Heiner Menge verbraucht werden, dab jchier eine abgegriffene
* = raudpurgiert, alio herausfäubert, herausbringt, au s—
treibt. Bol. übrigens Luther, Pjalm 66, 10: »Wie Silber
wird purgierete, fpäter >»geläuterte Purgieren ift dem
lateiniichen Zeitwort purgare entlehnt, das von purus (ven,
fledenlos) abjtammt.
Zeitfhrift des allgemeinen deutſcheu Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 10.
224
Scheidemünge daraus wird, bie nicht mehr erfennen läßt, welch
lauteres Gold darin ſtedt. Unjere mannigfachſten Vereinigungen
haben dies auch wohl erfannt, wenn fie Gut Heil! WI
Heil! u. dgl. m. angenommen haben; man denfe z. B. auch an
das bergmänniihe Glüd auf! Diefe Zurufe erjegen reichlichſt
für den Tagesgebraud; alles Undeutiche im Verlehre. In katho—
liihen Landen ertönt und wohl ein: »elobt jei Jejus
Chriftuste entgegen, dem wir mit »Jn Emigleit! Amen!s
antworten. Aber das geicieht im Gebirge feitend des Lands
voltes; ob es ſich dabei ſtets noch etwas denftt? Für den Ber:
fehr größerer Maſſen in den Städten, für den dod oft vedit
gleihhgiltigen Umgangston fann und darf en Mit Gott! nicht
allgemein eintreten, ohne uns Schaden zu bringen. Denn gerade
im Abſchiedsgruße fünnen und jollen wir auch unter Umſtänden
unfere Gefinnung ungzweideutig zum Ausdrucke bringen. Und da
ift unſere Spradye jo reich und fo mannigfaltig, daß wir unfere
Freude daran haben dinfen: Empfehle mih! — ®eborjamijter
Diener! —, unter Umftänden aber auch: Mdieu!, wenn wir
jemand zeigen wollen, wie wenig uns fein frembdartiges Weſen
gefällt, wie jehr jeine undeutiche Art oder was es ſonſt fein mag
von der unjrigen abſticht. Solch Adieu! in dem richtigen Tonjall
fann wunderbare Erfolge zeitigen.
Sanders belehrt und in feinem Fremdwörterbuche, daß jogar
Adieuchen in der Ammenſprache des vorigen Jahrhunderts üb-
lich gewejen ift; Leſſing jagt von dem aus adieu entjtandenen
Ade!, es ſei »kindifch und gemein geworden«: heutzutage gilt's
aber doch wieder gerade in der höheren Sprade und im Dichter:
munde:
»Run ade du mein lieb Heimatland«,
»Lieb Heimatland ade!«
Die Vollsiprache tennt freilich noch: Adje (Stilling 2, 125;
Adie 1, 34), Adjes (Freytag, Soll und Haben 3, 290) mit
Adies und Adies, von Ades und Alde zu guter Nacht (Uhland)
bier zu ſchweigen, denn bei der legtgenannten Form liegt ſchon
mittelhochdeutiches ade, ald& zu Grunde, was im 16. Jahrhun⸗
dert volfsüblich wurde. Kluge belehrt uns, daß feit 1616 ade,
abieu auch bereits in deutichen Zeitungen gejtanden babe.
Was die Mundarten ſonſt noch daraus gemacht haben, ift
ja befannt genug: vom nördlichen Tjüs! bis zum ſächſiſchen
Hatjeh! — es fipt aljo recht tief in unjerem Voltsleben drin
Um fo mehr Urſache haben wir gerade deshalb, die Heilung
wiederum aus dem Bolte jelbjt zu fuchen, die, wie bie obige Dar:
legung nadjweifen jollte, ja auch ſchon in einem bedeutenden
Zeile unjere® Baterlandes ganz von jelbft eingetreten ift. Und
jo wünfchen wir denn, in der Hoffnung richtig verjtanden zu fein,
unferem günftigen Lejer zum Schluſſe einen
guten Tag!
Blankenburg am Harze. Saaljeld.
Die Geſchichtsforſcher und der deutihe Spracverein.
In der Ofterwoche waren die deutichen Geſchichtsforſchet —
oder wie fie ſich undeutſch noch immer felbit nennen, Hiſtoriler —
in Frankfurt a. M. zu ihrer Jahresverſammlung zufammengetreten.
Diefe Berfammlung geftaltete ſich ganz unerwartet zu einer ebenio
deutlichen als body erjreulichen Kundgebung für den allgemeinen
deutihen Sprachverein.
In der zweiten Sipung am 19. April bildeten den Beratungs
gegenitand die Grundſätze, welche bei der Herausgabe von Urkunden
zur neueren Gejchichte zu befolgen find. Der Berichterjiatter
Dr. Stieve, Geſchichtslehrer an der Techniſchen Hochſchule zu
225
Münden, Hatte auf Grund eines Nunbdjchreibens und ber eins
gegangenen Äußerungen diefe Grundfäge in einem umfangreichen
Schriftftüde zufammengejtellt. In der Beipredjung bemerkte nun
Prof. Dr. 3. Finke (Münfter), er bedaure, da der » Referent«
— die Tagesordnung jelber ſprach von » Berichterjtatterne — ſich
auf den Standpunkt des a. d. Sprachvereins geftellt und Aus—
drüde wie Kopie, Konzept, Original durh Abſchrift, Ent-
wurf und Urjchrift erſetzt habe. Man erſchwere dadurch den
ausländiſchen Forſchern die Benügung unferer Altenſtücke.
Darauf erwiderte Prof. Stieve in jeinem Schlußworte: »Ich
bin eifriges Mitglied des allg. beutjchen Sprachvereins und halte
es für eine der wichtigjten nationalen Aufgaben, die entbehrlichen
Fremdwörter zu befeitigen, zugleich aber auch für eine willen:
ſchaftliche Pflicht. Wenn man fi bemüht, immer deutich zu
ipredien, muß man fich viel jhärfer und flarer ausdrüden,
ald wenn man fich der häufig in verichiedenen Farben jchillernden
Fremdwörter bedient. Troßdem hatte ich in meinem erſten Ent:
wurfe die Fremdwörter beibehalten, aber es wurde dagegen von
verjchiedenen Seiten mit großem Nachdruck Einſpruch erhoben.
Das hat mid nicht Überrafht; denn in den Beröffentlihungen
der preuhifchen Staatsarchive find Ausdrüde, wie id) jie in dem
vorliegenden Schriftftüde aufgenommen babe, längjt eingebürgert.
Im amtlichen Verlehr der preußiſchen Ardivverwaltungen werben
diefe deutjchen Ausdrücke ebenfall® angewendet, und auch für die
Ausländer kann ich darin keine Schwierigkeit erbliden. Wenn
einer jo viel Deutich verjteht, daß er deutjche Altenftüde benützen
kann, wird er auch diefe deutihen Ausdrüde verſtehen (Beifall
und Zuftimmung), und ich glaube, daß wir auch in Bezug auf
Klarheit und Verjtändfichfeit durch diefe deutſchen Ausdrüde etwas
gewinnen. Original bedeutet in der neueren Geſchichte doch
nicht unter allen Umftänden das, was man im Mittelalter als
Original bezeichnet. Bei einer Urkunde iſt es die echte Urkunde
im Gegenfaße zur Abichrift; aber in der neueren Geſchichte fönnen
wir damit ebenfo gut den Entwurf wie die Neinjchrift bezeichnen.
Der eigenhändige Entwurf eines Fürften für einen Brief ift doch
gewiß das Driginal; wenn wir aber den Nusdrud in der alten
Weije gebrauchen, fo werden wir mit Original nicht den Ent:
wurf, fondern die Reinſchrift verftehen. Ich war deshalb äuferjt
erfreut, al3 ich von verjchiedenen Seiten diefen Widerjprucd gegen
die Fremdwörter in der urjprünglichen Faſſung meines Entwurfs
erfuhr.«
Man erfieht hieraus, daß die vom a. d. Sprachvereine be-
folgten Grundjäpe auch in der Gelehrtenwelt mehr und mehr als
berechtigt anerkannt werden und zur Durchführung gelangen.
Frankfurt a. M. E. ©,
Sprechſaal.
Bu Haſenbrot (vgl. Ar. 7/8, Sp. 180).
Nah freundliher Mitteilung von Herrn G. Herjchel in
Koblenz iſt Hafenbrot in der erwähnten Bedeutung »übrig ge:
bliebene hrung, die den Kindern mitgebracht wird« auch
am Rhein (Bonn) befannt oder wenigſtens befannt gewejen.
Für das Fürftentum Walde bezeugt eine AZujchriit des Stand.
der Theol, Herm P. Klapp in Wermelslirchen unjer Wort mit
derjelben Bedeutung. Hier wird hinzugefügt, dab dagegen in
Elberfeld und im Bergifchen ee unbeltannt zu jein
fcheine Für Braunichweig, Wolfenbüttel und den Harz be—
fundet Herr DOberlehrer Dr. Scheffler in Braunfchmweig das
Borbandenfein ded Wortes in der nämlichen Bedeutung; das
Hajenbrot gilt als dem Hafen abgejagte Beute. — Schr viel weiter
füdlih, an die Grenze des mitteldeutichen Sprachgebietes und
ins Oberdeutſche, führen uns zwei weitere Jeugniſſe. Die Be-
deutung aber weicht ab, Haſenbrot ift zur Bezeichnung eines
wirtlihen Lederbifiens — eines —* eingebildeten) »im
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprahvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 10.
|
226
nordöjtlihen Böhmen (Trautenau)« geworden, wo ed nad) Herrn
Dr. F. Cartellieri eine Safenpaftete bezeichnet. Der Herr
Einfender knüpft daran den Borjchlag »Pajtete« in Aujammen=
jeßungen durch »Brote wiederzugeben, was nidt jo uneben
ſcheint, wenn anderd man cinmal daran bdenten jollte, das
Wort »Bajtetee, das weder Dunger noch Sarrazin aufführt,
nicht mehr als Lehnwort anzujehen, fondern als Fremdwort
befämpfen. Eine weitere Zufchrift (von Herrn Schriftleiter J. reis
finger in Troppau) bezeichnet Hajenbrot als in Niederöftreid)
gang und gäbe. Es bedeutet aber bier »jenes Brot, das man
i einem Beſuche ala Koftprobe —* betommt; es iſt all⸗
gemein üblich, davon auch für die Kinder mit nach Hauſe zu
nehmen«, denen das Haſenbrot unter allen Umſtänden ftets
beſſer jchmedt als das eigene. »Keine Anwendung findet das
Wort auf das im Safthaufe genoſſene Brot.« — Herr Oberlehrer
W. Kohlſchmidt in Kafjel meint, dab das Sp. 180 angeführte
Kaajenbrot als holländiihes Wort Kaafenbrood geicrieben
werden müfle, fofern ed »Käſe und Brot« bedeute, Kazen—
broob aber, wenn ber erite Teil Beftimmungswort zu brood
fein ſolle. Das iſt richtig, jofern es ſich um ein Ihrifthontändifches
Wort handelt. Das jchien nach der betr. Mitteilung nicht der
Fall; id) behielt daher die Schreibung bei, in der es ſich dort fand.
Paul Pietſch.
Sprahlibe Mufterleiftungen.
Der Gute eines Mitgliedes in Münfter i. W. verdanfen wir
eine reihe Sammlung von Stilblüten aus den Jahrgängen 1891
und 92 der Leipziger Mufitzeitung »Signale«, von denen einige
der ſchönſten unfern Leſern nicht vorenthalten bleiben follen;
»Die Pianiftin Frl. N., die von einer Tournee in England
zurüdgelehrt ift, bot etwa® Exquisites in einem Piano-recital,
deſſen virtuose Executirung colossal applaudirt wurde... Die
Totalleiftung wurde vom Publicum refüsirt, wenn aud) eine Heine
Publicumsfraction mit dem Applaus nicht zurüdhielt.«
»Das Specifisch -Musikalische, weldyes der Aufführung nad)
in den Händen von ald Mozartd Schwägerinnen und
andern feiner weiblihen Belanntfchaften personifieirten
Schülerinnen des Frl. ©. lag, fand Beifall.
»Reeitirend und agirend wirkten Herr X. und Frl. G. in gar
nicht übler Weile, und als jingende überhaupt figurirteu
die Damen N. M. . . ., meijt gutes Stimmmaterial aufweiſend
und ihren Aufgaben in anerkennenswerter Weiſe gewach—
fen, aber in Betreff der Intonation öfter zu wünſchen übrig
lafjend.«
»Die Kiinftler wurden durch in Hervorrufen und Zus
gabeforderungen gipfelnden Beifall anertannt.
Interessant wie es vor.allen Dingen ift, dem Verdi... .
zu begegnen, hat das beregte Stüd ſelbſt auf Beadhtung
Anjprud zumachen, indem esin Gemähheit des Stiles,
... origineller Harmonik... ein beträchtliches Quan-
tum aufmeiit.«
Diefe Beifpiele dürften genügen um den Lejern zu zeigen, in
welcher Weile in den »Signalen« unjere Spradye überhaupt
verhungt wird. Der Herausgeber des Blattes follte ſich ſchämen
ſolches Zeug aufzunehmen.
Rleine Mitteilungen.
— Aus Halle a.d. ©. erhalten wir von unferem Mitgliede,
Herm Landgerichtörat Knibbe, Mitteilung von einer neuen Kund-
gebung gegen die überjlüffigen Fremdwörter im Handeläverfehre.
Durch unfern dortigen Zweigverein angeregt, haben 32 der ger
achtetften Firmeninhaber und Angehörigen des Kaufmannſtandes
einen Nufruf*) erlajjen, der auf Koſten des Zweigvereins in nahezu
*) Den Wortlaut diejes Aufrufes jtellen wir
gerne zur Ver-
fügung. D. 2,
227
Zeitfärift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jabrgang.
1895. Nr. 10. 228
1000 Abdrücken im Bezirke der Halliſchen Handelslammer verbreitet
worden iſt. Die Unterzeichner erflären darin,
»daß fie entichlofjen find, auch ihrerfeits die Reinigung der
deutichen Sprache von unnötigen fremden Beltandteilen zu
fördern und deshalb in ihren Geſchäften zwar nicht jeden fremd-
ſprachlichen Ausdrud ftreng zu vermeiden, von dem Gebrauche
unnötiger Fremdwörter da, wo fie durd gute deutſche Aue—
drüde erjegt werden fünnen, jedoch möglichſt abzuftchen. Wir
wollen alfo Vermeidung jedes Fremdwortes für das, was
deutſch gut ausgedrüdt werden fann.«
Sie enden mit der Bitte an die Kaufmannſchaft ihrer Stadt, ſich
ihren Beftrebungen anzuicliefen. — Nad) Hamburg und Elber-
feld ift Halle jetzt die dritte Stadt, deren Handeläherren ſich unjerer
Beftrebungen thatträftig angenommen haben. Hoffentlich find wir
bald in der Lage, von weiteren Kundgebungen zu berichten.
— Dem 10. Hefte (Januar 1895) der » Zeitfchrift für deutſche
Sprache, herausgegeben von Profefior Dr. Daniel Sanders« ent:
nehmen wir die folgende Bemerkung:
»Entbehrlihe Fremdwörter: ‚Seine Schilderung, ein
Augenblid&bild, ohne Boreingenommenheit und ohne Nadı-
bejjerung‘ Nat. Ztg. 46, 457 (4. Frenzel). Hier würden Fremd-
wörterfreunde .oder (um fie nad) ihrer Weile zu bezeichnen) » ms
purijten« (d. 5. Spradymenger, Spradjverunreiniger, Sprachbejud-
ler) vielleiht geglaubt haben, nur von einer Momentphoto—
graphie ohne Netouche ſprechen zu lünnen.e
— Die » Tägliche Rundſchau«, die es fich eifrig angelegen jein
läht, den Mangel am bdeutjch= nationalen Stolze und die Be-
vorzugung des fremden, wofür fie den treffenden Nusdrud
Deutfchverleugnung gebildet hat, überall zu geißeln, jchreibt
in der Nr. 110 vom 11. Mai d. J.: » Mit Bedauern müjjen wie
feitftellen, dab auch an einer Stätte, wo man es nicht erwarten
follte, eine gewiſſe Nihtahtung deutiher Spradie zu
herrſchen ſcheint, — an einem deutjchen Fürſtenhof. Wenigitens
find, wie wir und überzeugen fonnten, die Benachrichtigungen
über Geldanweifungen an deutiche Geſchäftsleute, die der Kaſſen—
beamte der Herzogin Marie von Sachſen-Koburg-Gotha ausſtellt,
vollfommen franzöfifch gedrudt. Da heißt es oben Imfs:
Sserötaire des commandements de Son Altesse Impöriale et
Royale Madame La Duchesse Marie de Saxe Cobourg-et- Gotha,
Grande Duchesse de Russie. Unten lints jteht: Palais Edim-
bourg ä Cobourg, Allemagne. Der Text jelbit iſt franzöſiſch vor:
gedrudt (Vous envoyant ci-joint ujm.) und wird von dem Herrn |
‚Sceretaire® auch franzöſiſch ausgefüllt. Können wir ſchon von
unfenn Standpunft aus die (uns häufig zugeitellten) franzöſiſch
abgefaßten Speifezettel Fürjtlicher Feitejlen (‚Galadiners‘) nicht
billigen, jo müfjen wir über den vorjtehend angedeuteten Fall ein
noch fchärferes Urteil fällen. Seit wann wäre ein deutſcher
Untertban verpflichtet, fi von den Beamten jeiner Obrigkeit
franzöſiſch anreden zu laſſen? Außerdem findet ſolches Vor—
bild meiſt gar zu ſchnelle Nachahmung: denn was dem Hof billig
iſt, iſt dem ‚Hoflieſeranten‘ recht, und fo wird bie Verwelſchung
luſtig weiter getrieben, weil man glaubt, es gehöre zum „guten
Ton‘!e Ob ſich wohl die Engländer das gleiche Verfahren haben
gefallen laſſen?
Bücherſchau.
— Herbſt, Wilhelm Hiſtoriſches Hilfsbuh für die
oberen Klajien der Gymnaſienund Nealichulen, Heraus—
gegeben von D. Jäger. 3 Teile, 1. Nite Geſchichte. 16. Aufl.
Wiesbaden 1803. €. G. Kunzes Nachfolger. 185 S. 2. Mittel:
alter. 1893. 112 S. 3. Neuere Geſchichte. 1892, 150 ©. gr. 8.
— Muff, Chriſtian. Deutihes Lefebuh für höhere
Lebranftalten. Sedite Abteilung für Unterfefunda. Berlin.
G. Grote. 1894. VIund 3348. gar. 8.
Daß bie — der meiſten in den höheren Lehranflalten
ebrauchten Bücher noch immer nicht auf die Vermeidung oder Be—
Ktigum der überjlüijigen Fremdwörter Bedadıt nehmen, ift leider
Thatface. Ein Beiipiel mag dies bewerien: Auch in der neueiten
Auflage des (von O. Jäger beforgten) geſchichtlichen Hilfebuches von
Herbit ftören den Benuper nicht nur häufig die Ausdrüde: Modi:
fifation, Organifation, Inſtitut, Kapitulation, Bımftation, Pro:
Hamation, Emancipation u. a., fondern aud Wendungen wie
Agrargeiepgebung in Sparta; Abitimmung der Boltsveriammlung
ohne Debatte; Recht der Ephoren, die Könige zu fujpendieren;
der Martipfap” zu Athen, Hauptplag für den Detailverlauf.
Noch hübicher klingt: Ein Kriegszug der Meder endet 610 mit
einer Diplomatiihen Aftion (I, 37). Noch größere Sorglofig:
keit im Ausdrucke zeigt ſich im 3. Zeile. Dort liejt man: die
eventuelle Erbfolge in Schleswig (141), die Injtitutionen
fungierten regelmähig (142), Venetien war cediert (150) und
endlich gar: bie Türkei, von Nukland brutalijiert, wird auf:
recht erhalten durch die Allianz der Wejtmächte. —
Gtüdlicherweije mehren ſich aber auch die Anzeichen, daß bie
rausgeber neuer Bücher mehr Wert auf Sprachreinbeit legen.
So find in dem bei &. Grote erichienenen 6. Teile des Deuticen
Leiebuchs von Chr. Muff die Grundſähe des Sprachvereins be:
folgt. Der Herausgeber belennt fich ausdrüdlich dazu, indem er
in der Vorrede jagt: »Die Fremdwörter find jo viel als
möglid ausgemerzt und durch deutiche Ausdrüce erjept
worden. Nur da, wo durch ihre Tilgung die Eigentümlichleit
der Sprache und die perfönliche Färbung verwiſcht worden wäre,
oder wo Sich feine entiprechende Berdeutihung finden lich, babe
ich fie notgedrungen beibehalten.« Ja noch mehr: Aus dem Bude
von Heußner: »Unſere Mutteriprahe und ihre Pflege« ift der
Abichnitt, welcher die Aufnahme der Fremdwörter behandelt,
aufgenommen und damit den Lehrem Gelegenheit gegeben, im
deutichen Unterricht auf diefen fo wichtigen, aber bisher in ber
Schule vernachläſſigten Gegenitand einzugeben.
Stettin. Blajendorfi.
Seitungsihau.
Nufläge, Beiprehungen uw. in Zeitungen
und Beitichriften.
v. Blifter-Schwaighufen, Die Beutid, bie welſch. — Frei—
Deutſchland 20. 7.95 und 29. 7. 95. «Über die Schrift:
frage.)
Einige — mögen den Ton dieſer Ausführungen kenn—
zeichnen: >. . planmäßige Befehdung heimiſchet
Schrift uſw. "Das find Berfechtungen und Angriffe, die
einen — ob nun bewuhter oder etwa unbewuhter Mahen
geübten Hochverrat an reinem Deutichtume darftellen.«
— »Tie heurige Hauptverfammlung des Allgemeinen deut:
Then Spradvereines, die zu Graz tagte, hat ſich mahrlic
bei einer hochwichtigen Frage unjeres auf ſchier jedem Ge
biete gefährdeten Voltstumes als durchaus undeutſch ge
artet in ihrer Mehrheit erwieſen. Bei der Gründung haue
dieſer Verein in ganz richtiger Erlenntnis erflärt, man dürfe
deutiche Sprache doch nicht in welſchem Sewande einber
geben laſſen! — und heute wollte man das nicht, bei dringend
gebotener Mahnung, mehr Wort haben, verleugnete Deutic-
tum und eigenen Uriprung«e Wir müjjen auf das Ent:
———— dagegen a. einlegen, daß der
Vorligende unfere® Parmjtädter Zweigpereint
bier den a. d. Spradverein als »in jeiner Mebr:
beit durchaus undeutfch geartete bezeichnet. — Der
zweite Borwurf beruht auf einer Verdrehung der Thatiachen.
Das »weliche Gewand«, in dem der a. d. Spradiwerein die
deutihe Sprache nicht länger hat einhergehen lafjen wollen,
find die Fremdwörter und fremden Wendungen. Zur frage
der Schriftgattung hat der Verein weder bei feiner Gründung
noch ipäter je eine grundſätzliche Stellung eingenommen.
Der Borwurf des Mangels an ————— iſt
daher völlig unbegründet. D.
229
Kunomwäti, A. v., Kurzſchrift und Sprade. — Die Örenz-
boten 16. 5. 95.
Imme, Unjere Bornamen. — Rheimiſch-Weſtfäliſche Zeitung
3. 2. 95.
Derj., Unfere alten deutſchen Berfonennamen nad) ihrer
nationalen Eigenart und ihren Hauptunterſchieden.
Rheiniſch⸗ Weftfälifche Zeitung 12.5. 95.
Spiro, &., Die Pilihten gegen die Mutteriprade. —
Beitfchrift f. lateinf. höhere Schulen, VI. Jahrg-, 8. u. 9. Heft.
Die Schriftleitung ftellt den Leiern der Zeitichrift
die oben aufgeführten Aufjäge ufw. gerne leihweife zur
Verfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Bonn. Geit unferem Tepten Berichte (Sp. 149) iſt unſere
Mitgliederzahl von 270 auf 280 geiliegen. — Die Be-
iprehung von Spradfehlern in der Dffentlichfeit hat
ſich wieder einmal bewährt: Bellagte ſich da einer im » Spred)-
jaal« des Generals Anzeigers darüber, daß am Remager Bahnhofe
unter den Schildern der Neuenahrer Gaſthöſe ich eins befinde
mit der Auffchrift: »Wor Hotel En ageuren wird geiwarnt«,
was Mißwerſtändnis und nachherige Seiterteit eines Ausländers
hervorgerufen habe. Da der Spradjverein ala Mothelfer ange:
rufen wurde, antwortete unier Schriftführer in einem längeren
»Eingefandte, in dem er fchliehlich verichiedene Verdeutſchungs—
vorichläge machte. Wenige Tage darauf berichtete dann der erjte
Einjender, dab am Memager Bahnhof ein neues Schild ange-
bracht worden jei mit der vorgefchlagenen Inſchrift: »Bor Gaſt—
bofs=-Anwerbern wird gemwarnte — Als die »Kaiſer—
halle« kürzlich an einen neuen Befiker, Herrn Julius Grasnick,
überging, hat ſich diefer beftimmen lafen, dad Wort » Nejtaurant«
durch ein deutiches zu erfeßen; fein Schild trägt die Aufichrijt:
»Bierhaus zur Kaijerhalle«.
Marburg a.d. D. Au Ehren des nach Graz überſiedelnden
Ausſchußmitgliedes, Stadtichulinipettors Profefjor Neubauer,
fand am 14.8. eine zahlreich beſuchte Abſchiedsfeier ftatt, bei
der der Vorjigende Dr. Mally der Verdienste gedachte, die fich
der Scheidende ald Schriftwart des Vereins und in jeiner amt—
lichen Eigenfchaft um unſere Sache erworben hat,
Münfter i. W. Der Vorſitzende des Minjterer Zweigvereins
Staatsardhivar Archivrat Dr. Yudwig Heller ift ale Geheimer
Staatsardyivar nad) Berlin verfegt worden. So jehr wir uns
fiber feine Beförderung freuen, fo Kor bedauern wir dad Scheiden
des um unserm
mehr hat der Rrivatdozent für deutiche Sprache und deutiches
Schrifttum Dr. Karl Drejcher den Vorjig in ‚unferm Zweig—
vereine übernommen.
Rudolftadt. Der Zweigverein Keilhau i. Th. war nad)
dreijährigem Bejtehen teils infolge ürtliher Berhälmifie, teils
dur die Wirren im Gejamtvereine mit Ende des Jahres 1893
eingegangen. Nur ein Meines Häuflein, das zur Bildung eines
Bweigvereines nicht ausreichte, vertrat noch die Beftrebungen des
a. d. Spracdwereind. Mit dem Beginne diejes Jahres regte ſich
neues Leben. Durch kräftige Unterjtügung des Gefamtvereins
und durch rühriges Werben einiger hiefiger Herren gelang es, er
freufiche Teilnahme zu weden. Nach manderlei Borberatungen
fonnte dann am 11. September der Aweiqverein unter dem Namen
Rudoljtadt, und zwar gleich mit 19 Mitgliedern, wieder ins
Leben treten. Es wurden gewählt als
Möller in Eichfeld bei Rudoljtadt, ala Schriftwart Dr. phil.
Herthum und ald Schagmeifter Nechtsanwalt Wedel in Rubdol-
ftadt. Die Ausfichten auf weiteres Wachſen find günſtig.
Brieftaften.
H H. O. ... Frankfurt a. M. Weshalb die könig—
lichen Hoflieſeranten B. Sprengel in Hannover eins ihrer Er-
zeugnifje bei jonft deutichen Bezeichnungen »chocolat de Milan«
nennen, ift uns unerfindlih. Der Gteichmähigfeit halber follten
fie fi) dann auch »fournisseurs de Sa Majestö« uf. betiteln,
wie dies ja verjchiedene Geſchäftshäuſer gerne thun, z. B. Tren
und Nugliſch in Berlin (vgl. Sp. 64, Jahrg. 1894 d. 8.).
Zweigverein jebr verdienten Herrn von uns. Nun-
orfipender Piarrer |
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sptachvereius. X. Jahrgang. 1895. Nr. 10,
230
Herm Nudolf Mol, Darmitadt. Schade, dak Ihre dich—
teriſche Faſſung unferes Wahlipruces:
Fremdem Worte feinen Platz,
Beut uns deutfches Vollerſaß!
uns erſt jo lange nad Beendigung des Wettbewerbes bes
fannt wird.
Herm Hauptmann N... ., Mördingen. Bon der großen
Zahl der uns zugehenden age die ihrer verwilderten
Spradje wegen Seranlafjung zu herber Rüge geben, hebt ſich die
des Herm Johann Friedrich Bod, Hojlieferanten von Militärs
Aus ruſtungsſtüclen in Berlin C,, Brüderitrafe 12, wohltuend ab.
Da lieft man nicht von Renovierungen, jondern » Emeuerungen«;
jtatt Reparaturen heißt es »Ausbeſſerungen, ftatt Specialität
» Sonderzweige, und jelbft das jonjt unentbegrliche A ift vermieden.
Der Schneider, der Ihnen » Militär- breeches« (— Dienftreithojen)
angeboten hat, follte fich ein Beifpiel an Herm Bod nehmen.
Herm .., Mülbaufen i.E Ob es eine gefegliche
Handhabe giebt, um die Banque de Mulhouse, das Comptoir
d’Escompte de Mulhouse und den Crödit populaire de Mulhouse
zur Berdeutihung ihrer Firmen zu zwingen, ift uns nicht befannt.
Wünfcenswert wäre es jedenfalls, wenn man im deutjchen
Reiche Geſchäfte nötigte, ſich deutſche Namen beizulegen, vor allem
im Reichölande, wo die Eindeutihung der Bewohner durch die
überall ſich breitmachenden franzöfiihen Schilder nur gehin—
dert wird.
Herrn J. M. ... Koblenz. Ihr Spruch:
Die Sprache ſei des Geiſtes Spiegel,
Drum denle ſtets an Herman Riegel!
iſt als Scherz mit ernſtem Hintergrunde ſehr nett.
Herrn R. T. . .. Berlin. Das bureau de placement des
Herrn ©. Peteaur, Berlin N., Friedrichjtr. 115, follte fich zus
nächjt jemand fuchen, der ihm feinen Namen verdeuticht.
Herm Dr. Groos, Überlingen. Wir haben mit Freude
Kenntnis von den Verdeutichungen genommen, die durd Sie in
die Satzungen der dortigen Geſellſchaft⸗Muſeunt« eingeführt wors
den find. Es ift u. E. die ernſte Pflicht eines jeden Freundes
unjerer Sache, die Fremdwörter in den Sapungen aller anderen
Vereine, denen fie angehören, auszumerzen, wie Sie es gethan.
Es empfiehlt fich aber erjt dann vorqugeden, wenn Neudrucke ber
Satzungen veranitaltet werden, denn foften darf ja die Sprad):
reinigung bei Leibe nichts!
um W. U. . . in Braunschweig. Das Wort »niedlich«
erfreut ſich allerdings im Braunichweigiichen und Hannöverſchen
(bier und da in der form »miüdlich«) einer auferordentlichen Be-
liebtheit und Anwendungsfähigleit, der die Bewohner anderer
Gaue ſchwerlich je volle Gerechtigkeit widerfahren laſſen werben.
Troßdem ftellen wir Ihnen für den Fall, daß Sie in der Fremde
wieder einmal deswegen »gengte werden jollten, einigen Stoff zur
Verfügung, aus dem Sie ſich Berteidigungswaffen ſchmieden
mögen. Das Wort »niedlich« ftammt von einem veralteten, nur
noch mundartlichen nied (althochd. niot) mit der Bedeutung » Net:
gung zu etwas, Verlangen nad) etwas.« »Niedlich« ift danadı
das, was Verlangen oder Quft erweckt, insbejondere das, was
den Geſchmack anregt, aljo wohlſchmeckend, leder. Der weile
Sirach warnt (37, 32): »Ülberfüile dich nicht mit allerlei niedlicher
Speife.e An diefer Bedeutung kommt das Wort noch bei Wieland
vor. infolge einer Begrifigerweiterung nennt man dann in neuerer
Sprache auch Dinge »niedliche, die auf andere Sinne, insbejon-
dere das Nuge, einen angenehmen Eindrud machen, zumal durch
eine gewiſſe zierliche Kleinheit. Belege dafür finden fich bei allen
Klaſſikern. Bejonders von der Körpergeftalt und den einzelnen
Nörperteilen wird es mit Vorliebe gebraucht. In »Sabale und
Liebes wird Luiſe von der Lady gefragt: »Sind diefe Finger zur
Arbeit zu niedlih?« Mber Gocthe jpricht auch von niedlichen
Ohrringen, Schiller von niedlihen Tanzſchuhen, Wieland von
niedlichen Verſen, Goethe jogar von niedlichen Luftbarkeiten und
Komplimenten. Bor joldyen Gewährsmännern werden ihre Tadler
wohl die Waffen jtreden. Und felbjt wenn Ihnen eine Speije
auf edit Braumnjchweigiich niedlich jcdhmedt«, jo fünnen Sie ſich
getroft darauf berufen, daß darin nur eine, wenn auch unbemwuhte,
Annäherung an bie urjprüngliche Verwendung des Wortes zu
erbliden ift. Und nun zum Sclufie ein allgemeines Wort: Wir
wollen uns unfere landſchaftlichen Bejonderbeiten, wenn fie nicht
ſprachwidrig find, durd feinen Spott und Tadel nehmen laflen,
jondern verlangen, daß fie als »berechtigte Eigentümlichkeiten «
auch von anderen anerfannt werden. Ögen andere »jaubers«,
231 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 10.
232
»nett« oder »artige jagen, behalten Sie nur getroft Ihr » nieblich«
bei! Der dies jchreibt, tft auch ein — — und läßt ſich
fein »niedlih« von feinem Spötter der Welt rauben. K. S.
Herrn K. M.... in Hannover. Unzweiſelhaft kommt dem
Rorte ⸗Mittwoch« von Rechts wegen weibliches Geſchlecht zu,
weil es eine —— von »Woche« iſt. So wird es
noch in vielen Mundarten gebraucht, zuweilen auch noch in der
Schrijtſprache, z. B. bei Guſtav Freytag. Aber ſchon ſeit alter
Zeit hat das Kon nach den übrigen &odentogen auch männs
liches Geſchlecht angenommen; und dies it in der heutigen Schrift:
fprache das gewöhnliche geworden, mithin nicht mebr anzufechten.
Hier hat ſich wieder einmal die Madıt der Analogie (d. i. in
diefem Falle das Streben, begrifflih Verwandtes aud in der
rm gleich zu behandeln) jtärter erwielen als alle Vernunft und
gif. AÄhnliche Wandlungen des Geſchlechts find nicht unerhört.
»Des Nadıts« ift gebildet wie »des Tags«; in der Volleſprache
gibts auch »der Datums (wie »der Tage), »das Monat« (mie
»das Jahre). Die ſächlichen Namen der Metalle (das Gold,
das Eilber« uſw.) und anderer Stoffe haben nad) fic gezogen
»das Meifing«e (früber nur männlich), »da® Perlmutter« (als
Stoff), mundartlich auch »das Stahl, das Sand, das Auder«
u.a.m. Es heilt »die Pfefferminze«, wenn die Pflanze gemeint
ift, aber »der Piefferminze, wenn der daraus bereitete Schnaps
oder Lilör bezeichnet werden foll, ebenſo »der Himbeer, ber
Kiridhe ujw. »Der Lorbeere hat das Geſchlecht von »Baum«
angenommen, obwohl es »die Beere« beift. Nach »Roggen«
und » Weizen« fagte man früher auch »der Gerjten« (Reuter: »der
Saften«). Umgelehrt bat »die Hirſe- (früber und zum Teil noch
jebt männlich) ihr Beichlecht wohl von »Gerite« erhalten. »Der
Wurm« ift männlichen Geſchlechts, aber »das Wurm« wird bes
handelt wie »das Kind«; aud; »das Krabbe findet fich land:
ichaftlich in demſelben Sinne neben »die Hrabber. Die Zahl dieier
Beiipiele liche fi befonders aus den Mumdarten und der niederen
Umgangsipradye leicht vermehren. Bejonders häufig aber ift ein
folder analogiiher Gejchledhtswandel bei Fremdwörtern. Das
männliche lateiniſche murus bat es ſich gefallen laſſen müffen, in
ein weibliches »die Mauer« umgewandelt zu werben (mie »bdie
Bande). »Der Marmor« ift dem fächlichen marmor der Römer
entlehnt und an »Stein« angeichlofien. Lateiniich ift macula
weiblich; wir jagen aber »der Mafel«, wie »der Fled«. Wenn
wir nicht mit unferer Gelehrſamkeit prunken wollen, jagen mir
»die Tiber, die Nhone«, gerade wie »die Beer, die Elbe«, ob-
wohl beide Flufnamen bei den Anwohnern männlicyes Geſchlecht
haben ulm. 8. ©.
Geihäftliher Teil.
Preisausibreiben
des allgemeinen deutſchen Spradjvereine.
Der für unſere Jugend jo wichtige und anziehende Unterricht
in der Pflanzentunde wird dur die unverjtändlichen und
darum jchwer zu lernenden fateinifhen Benennungen ſehr beein=
trächtigt. Dem Verlangen nad deutichen Pflanzennamen für bie
deutſche Jugend fteht die Schwierigkeit entgegen, daß es eine
einheitliche deutiche Pilanzenbezeihnung nicht giebt.
Wie die fleifige Sammlung von Prigel und Jeſſen (die deut:
ichen Voltänamen der Bilanzen, Hannover 1882) zeigt, weichen
die Pflongenbenennungen in den veridiedenen Gegenden deutichen
Gebietes weientlih von einander ab; für mancde Pflanzen giebt
es mehr als hundert verjchiedene Namen.
Es folf alfo unterfucht werden, wie diefem Übel:
ftande abzubelfen jei, auf weldem Wege wir — vielleicht
mit Unterjtügung des allgemeinen deutlichen Sprachvereins —
zu einer einheitlichen deutjhen Namengebung gelangen
tönnen, joweit es das Bedürfnis der Schule erfordert — denn
die Kunſtſprache der Wiſſenſchaft ſoll ſelbſwwerſtändlich nicht an:
getaftet werden. Namentlich wäre in Betracht zu ziehen, welche
Pilanzen dabei in Frage kommen, und nad welden Grundſätzen
eine Auswahl aus den vorhandenen deutſchen Namen zu treffen
fei. Das Hauptgewicht ift dabei weniger auf eine erichöpfende
BWortlifte zu legen, al$ auf eine gründliche und zugleich gut les—
bare, anregende Erörterung der ganzen Frage.
Die Wreisarbeiten find mit einem Wahlſpruch zu verſehen
und bis Ende 1896 an den Boritand des Vereins einzujenden.
Beizufügen ift ein verichlofjener Brief mit demjelben Kennworte,
weldyer den Namen des Verfaſſers enthält.
Für die beiten Bearbeitungen der Aufgabe find zwei Preife
im Betrage von 600 und von 400 Markt ausgeſetzt worden,
Das Preirichteramt haben übernommen die Herren:
Profeſſor Dr. Behaghel in Gießen, Brofefior Dr. Drude
in Dreöden, Profefjor Dr. Dunger in Dresden, Proſeſſor Dr.
Hanjen in Gießen, Proſeſſor Dr. Bietjch in Berlin.
Der Gejamtvoritand des allgemeinen dentiden Spradivereind.
Dr. Dax Jähns, Vorſitzender.
_ Briefe und Drudiaden für die Bereinsleitung
an den Borfipenden
find penben,
Oberſtleutnant a. D. Dr. May Jäbns in Berlin @.10,
Margaretenfirabe 16,
Wir empfingen
an anßerordentlihen Gaben
232,50 M. als Berzicht eines Herm auf zuſtehenden Ehrenfold;
54 M. von Herrn Trapet, Trarbach;
an erhöhten Jahresbeiträgen für 1895
je 10M. von Herm und Frau Hand und Emma Edle zu
Querfurtb;
ie 6M. von den Bildungsvereinen in Detmold und Lemgo;
je 5 M. von Fräulen v. Bunjen, Berlin, Herm Scher—
Ing, Rotterdam, Herm Rendtorif, Stanford: Iniverfity (Kali
fornien);
4 M. von Herm Gabe, Eajtbourne (England).
Dr. Mar Jähns.
Mit diefer Nummer wird das
IX. Wiſſenſchaftliche Beiheft
ausgegeben. Infolge des Vorſtandsbeſchluſſes vom 19. Juli d. J.
(vgl. Sp. 216) gebt es den Zweigvereinen zunächſt nur in bes
ichränkter Anzahl zu. Den geehrten Borjtänden bleibt es anheim-
gejtellt, mehr zu fordern, falls ſich Mitglieder melden, die es zu
haben münidhen.
Berichtigungen.
Unter den Ep. 188 d. dv, R, aufgezäblten Zweigvereinen, die im Laufe
d. 3. neubegrimder worden find, fehlt der Zweigrereln Greifenberg i.®.
Die in den oberiten 6 Heilen der Spalte MO abgebrudten Sorte bat Land»
gerichtsrat Bruns geſprochen.
Ep. 210, Zeile 9. o. iſt ftatt Dr. Maly- Marburg als Redner anzugeben:
Brof. Buhruder, Elberfeld.
Anf Ep. 216, Beite 25 ©. 0. muß es beißen ftatt: Muf Borfchlag von Wrof.
Erbe — Auf Vorſchlag von Seren Trapet,
Geldjendungen und Beitrittserflärungen
an Schaymeilter,
logäbuchhändler Eberhard Ernft in Berlin W.al.
Wilhelmftrafe W,
Briefe und Drucfachen für Die Seitichrift find an den Keraußgeber, Oberfehrer frledrih Wappenbans In Berlin N. W. 3, Mltonaer Strahe 9,
su rich
Briefe und Aufendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Brofefjor Dr, Paul Bletih, Berlin @.30, Mopitraße 12,
ten.
- — — = ö— — —ñ— — —————— ————— ee Da Do
Für die Leitung verantwortiih: Frledrich Wappenbans, Berlin. — Berlag des allgemeinen deutichen Sprachvereins (Jähns und Ernſth, Berlin.
Drud der Buchdruderel des Wailenhaufes In Halle a.d. ©.
X. Jadrgang Ar. 11.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
1. November 1895.
Diefe Zeitfehrift erfeeint jährlich pwölfmal, u Anfang jedes Monass,
und wird ben Mitgliedern des allgemeinen beutihen Sprachvereins unentgeltlich
geltefert (Sagung 24).
Die Zeliſchrift kann auch durch ben Buchhandel oder die Poſt
zu SM. jährlich degogen wer
den, — Unzelgenannahme durch den Scagmeilter
Eberhard Ernft, Berlin @. 8, Wilbelmitr. 90. — Auflage 15000,
Inhalt: Die Entwidelung der deutichen Sprache bis auf Luther in den Grundzügen. Bon Th. Uhle. — Wierbrüde, Gier:
gaſſe.
Die Entwidelung der deutſchen Sprache bis auf Luther
in den Grundzügen.
Ein Abrih für Laien. Bon Th. Uhle in Görlig.
Die deutiche Sprache iſt befanntlic, ein Zweig des germani-
ſchen Spracdaftes, der wieder zu dem großen indogermanifjchen
Sprachſtamme gehört. Die germaniiche Grundſprache trennte fich
von dieſem ſchon in vorgeicichtliher Zeit und teilte fi) dann |
weiter in das Standinaviſche, Gotiſche und Deutſche.
Lautverſchiebung.
Vom Skandinaviſchen ſehen wir als uns zu fern ſtehend ab
und werfen zunächſt einen Blick auf das mit dieſem eine Gruppe
bildende Gotiſche, das alſo nicht etwa eine ältere Vorſtufe des
Deutichen im engeren Sinne ift, aber doch in manden Stüden
dem Althochdeutſchen gegenüber das Aitertümliche, Urſprüngliche
bewahrt hat.
Die lautlihen Unterjchiede des Gotiichen von dem Indoger—
maniſchen, das für uns durch das Griechiſche und Lateiniſche ver—
treten werden foll, liegen bejonder® auf dem Gebiete der ons
fonanten. Dieje teilt man nad) den Spracdwertzeugen, durch
welche fie vorzugsweiſe gebildet werden, 1. in Kehllaute (k, g, h),
2. in Bungenlaute (t, d, th [wie das engliiche th zu jprechen])
und 3. in Xippenlaute (p, b, f) Wenn man nun ein gotijches
Wort mit dem entjprechenden griechiichen oder lateiniſchen ver-
gleicht, jo zeigt fi in den Konjonanten im Gotiichen eine eigen-
tümliche Veränderung. Aus den Tenues (K, t, p) bed Griechiſchen
und Lateiniſchen find im Gotifchen die entjprechenden Spiranten
(h, th, f), aus den Wipiraten (gh, dh, bh) die Medien (g, d, b)
und aus den Medien die Tenues geworden.*) Dieje Vorgänge
hat Zatob Grimm entdedt und Lautverfchiebung genannt. Die
bier nicht genannten Konſonanten wie s, w, |, m, n, r find von
der Lautverichiebung unberührt geblieben.
Beiipiele:
I. I. II.
Griedh,» Bat. Gotiſch. Grich.»Lat, Gotiſch. Griech.· Lat, Gotiſch
cornu: haurn hostis : gasts ego : ik
frater: brothar misthos : mizdö edere: itan
Pater: fadar graphein: graban turba: thaurp.
) Es muß allerdings bemerlt werden, daß diefe Gefeke der
Zautverjhiebung zahlreihe Ausnahmen erleiden, die aber wieder |
gewiſſen Gejepen unterliegen. Zum Zeil gründen fie ſich auf
en Unterjchied der Betonungsverhältnifl e zwiſchen dem Indo—⸗
germaniihen und Germaniihen (Vernerſches Geſeh).
‚ angedeutet,
Gotiſchen betrachtet werden; dieſes ijt,
|
Bon Dr. I. E. Wülfing. — Sprachliche Mufterleiftungen. — Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Sejchäftlicher Teil.
Diefes aljo ift der Lautjtand des Gotifchen dem Griechiichen
und Lateinifchen gegenüber.
Die älteften Geftalten des Deutſchen im engeren Sinne find
das Althochdeutſche und das Mltniederdeutiche, dieſes in
Norddeuticland, jenes vom 8. bis zum 11. Jahrhundert in Sud⸗
und Mitteldeutichland gejprochen und darnach wieder in Ober:
Althochdeutiche,
deutſch und Fränkiſch unterjchieden. Bergleiht man nun das
aljo das Oberdeutſche und Fränliſche,
mit dem
Gotiſchen, jo zeigt ſich eine ähnliche Verſchiebung der Konſonanten
wie die vom Griechischen und Lateinischen zum Gotifchen, nur mit
noch zahlreicheren Ausnahmen.
Übrigens darf, wie ſchon oben
das Althochdeutſche nicht als die Weiterbildung des
ohne ſich fortgepflanzt
zu haben, in den Fluten der Völkerwanderung untergegangen.
Aber das Althochdeutſche ift aus einer Sprade entitanden, die im
allgemeinen auf derfelben Lautjtufe wie das Gotiihe ftand, jo
daß wir, um ein Bild der Lautverjchiebung im Althochdeutſchen
zu gewinnen,
litterariich nicht belegt iſt,
dieſes, da die Ältere Stufe unjerer Mutterſprache
mit dem Gotiſchen vergleichen müſſen.
Bei einer ſolchen Vergleichung ftellt fih nun folgendes heraus:
Gotiſch.
I. Tenuis
D. Spirant
II. Media
Gotiſch
haurn
bröthar
fadar
gasts
mizdö
graban
Althochdeutſch
— — — —
Fränkiſch Oberdeutſch
Im Anlaut Tenuis + Spirant (Affricata),
fonft meiſt bloßer Spirant.
Nur got. th in d verjchoben, fund h uns
verichoben.
unverſchoben. teilweiſe Tenuis.
Beiſpiele:
Althochdeutſch
Fränkiſch Oberdeutſch
I.
ih ih
ezzan ezzan
pfunt pfunt
dorf dorf
I.
horn horn
bruodar pruodar
fater fater
II.
gast kast, gast
miada.(?) miata, nbd. Miete
graban krapan‘, graban
235
Es hat alio das Dberdeutihe am meisten an der Lauft—
verjchiebung teilgenommen, das Fränkiſche nur teilweiſe. Das
Niederdeutiche ift faft ganz unbeteiligt geblieben.
Betonung und ihre Folgen für die Endiilben.
Ein zweiter bedeutender Unterſchied zwilden dem Germa—
niſchen und dem Indogermanifchen beruht auf der Art und Weije
der Betonung. Das Germanifche legt den Hauptton in allen
Biegungsformen und Ableitungen, die von einem Worte gebildet
werden fünnen, auf die Stammfilbe. Bir jagen: das Kind, des
Kindes, dem Kinde, das Kind, die Kinder, der Kinder, den
Kindern, die Kinder; die Griechen aber deflinierten: pais, paidös,
paidi, paida, pai; paide, paidoin; paides, paidon, paisi, paidas,
paides. Wir jagen: Kindlein, Kindchen, der Grieche paidion; wir
jagen: kindlich, findiich, der Grieche paidnös, paidne, paidnön; |
wir jagen: die Kindheit, der Grieche: paidia, Wir jagen: ich
liebe, wir lieben, ber Lateiner: ämo, amämus, wir jagen: id)
liebte, wir liebten, der Zateiner: amäbam, amabämus, wir jagen:
die Liebe, der Liebe, der Lateiner: ämor, amöris, wir jagen:
liebenswürdig, der Lateiner: amäbilis.
Wir ſehen aljo, im Griechiichen und Lateinischen verſchiebt
ſich fortwährend der Hauptton, im Deutichen bleibt er immer*)
auf der Stammjilbe, und fo verhielt fich die Sache auch ſchon
in den ältejten germanifchen Spraden, wie im Gotijhen und
Althochdeutichen.
Die Art der Betonung im Germaniichen ift nun von großer
Bedeutung für feine ganze lautliche Entwidelung gewejen.
Die altgermanifhen Mumdarten zeidyneten ſich vor unjrer
jegigen Sprache ähnlid den altklaſſiſchen Sprachen durch einen
großen Reichtum volltönender Biegungsendungen aus. So lautet
3 2. im Sotifchen die Dellination von giba, die Gabe:
Einz.: giba, gibös, gibai, giba.
Mehrz.: gibös, gibö, giböm, gibös.
Im Althochdeutſchen:
Ein;.: geba, gebä, gebu, geba.
Mehrz.: gebä, gebönö, geböm, gebä.**)
Das Präteritum vom gotifchen salbön, jalben, lautete: sal-
böda, salbödös, salböda, salbödädum, salbödöduth, salbödädun.
Im Althochdeutichen: salpöta, salpötös, salpöta, salpö-
tumös, salpötut, salpötun.
In all diefen Formen liegt der Hauptton aljo auf der Stamm:
filbe. Diejer Umſtand hat nun die Folge gehabt, daß die Biegungs- |
endungen allmählich; verfümmerten; die ganze Kraft der Sprad)-
wertzeuge fammelte fid) eben auf der Stammſilbe, und es blieb
zulegt nicht mehr genug übrig, um die Endungen in ihrer ganzen
Klangfülle zu erhalten. Die Vokale wurden fast alle zu tonlofem e |
abgeihmwächt. Diejenige Sprachſtuſe nun, in der uns die Biegungs-
formen zum erjten Male in diejer Gejtalt entgegentreten, nennt
man dad Mittelhochdeutiche. Hier lautet die Deklination von
gebe, die Gabe, folgendermaßen:
Einz3.: gebe, gebe,
Mehrz.: gebe, geben,
gebe.
gebe.
gebe,
geben,
*) Nur mit wenigen Ausnahmen wie luthörisch und lebendig.
Die abweichende Betonung von lepterem iſt aber noch jebr jung
und entjtammt der Schreibjtube und Schule, die die Silbe ben ger
waltfam von der Verſchrumpfung zu m retten wollten.
für lebendig iſt ſchon aus dem frühen Mittelalter bezeugt, und
lebendig fam noch vor 150 Jahren in der gebildeten Bürgeripradye
Leipzigs vor; im Nieberdeutfchen find löwendig und lewig noch
beute erhalten.
»*) Die - über den Volalen bezeichnen nicht die Tonftelle,
fondern die Länge der Volale.
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Spradpvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 11.
Lemdig |
236
i Das Präteritum von salben: salbete, salbetest, salbete, sal-
beten, salbetet, salbeten.
Auf dieſer Abſchwächung der Vokale in den Nebenfilben in:
folge des Haupttons ber eriten Silbe beruht es auch im vielen
Fällen, daf die Herkunft eines Wortes nur der Sprachkundige
zu ermitteln vermag. Hierzu folgende Beiipiele:
hiu tagu (d. h. an diefem Tage), hiutu, hiute, heute,
hin järu (d. h. in diefem Jahre), hiuru, hiure, heuer.
hinaht (d. h. in diefer [auch letzter) Nacht), hineht, hinet,
hint, hinte, heint,
Nber bei der bloßen Schwächung der vollen Biegungs- und
Ableitungsvofale zu tonlojem e blieb es in vielen Fällen nicht,
jondern dieſes fiel nach r und 1 mit vorauägehendem furzen Stamnt:
' vofale und nad) den Ableitungsfilben er, el und en; bald gan;
aus. 3.8. hieß es nicht mehr kiles (des Federkiels), jondent
kils, nicht mehr neren (erretten, unjer »nähren«) ſondern nem,
nicht die lüteren (die Lauteren), ſondern die lütern, nicht die
gevangenen, fondern die gevangen (n).
Umlaut.
Ohne Kenntnis der früheren Geitalt der Nebenfilben märe
ed in vielen Fällen auch nicht möglich, den fogenannten Um:
laut zu erflären. Diefer iſt ein weiteres Merkmal der fort:
ichreitenden Entwidelung, dad im Mittelhochdeutichen d. b. dem
Hochdeutſch nad) dem Jahre 1100 durddringt. Man veriteht
darunter befanntlich die Trübung von betonten a, 0, u und au
zu ä, ö, ü und Au. Diele ift verurſacht durch ein im der
unbetonten Silbe folgendes i, wie wir noch heute an Bei
ipielen wie kraft — kräftig, Rom — römiih, Nubm —
rühmlich, Bauer — bäuriſch jehen. Oft aber ift jept das
i zu e abgeichwächt oder ganz weggefallen und daher die Urjſache
ber Trübung nicht mehr erfichtlih, wie in Kraft — Kräfte,
mochte — möchte, ſchönen — ſchön, Haus — Häufer.
Das Althochdeutihe aber gewährt einen ganz Maren Einblid in
den Werdegang der umgelauteten Formen: kraft — krafti,
mohta — mohti, scöonan — scöni, hüs (jpäter Haus) — hüsir
(ipäter Häuſer). Wir fehen, in den altbochdeutichen Formen iit
nod das i der Endiilbe vorhanden, welches den Umlaut des
Stammvokals hervorbrachte. Bemerft jei übrigens, daß aud) dat
Umlautsgeſetz manche Ausnahmen erleidet, auf die bier einzugeben
| aber zu weit führen würde.
Dehnung der Stammijilbe.
Das bisher PDargelegte liegt bereit® in der Blütezeit dei
Mittelhochdeutichen, alſo etwa zwifchen 1150 und 1250, als eime
vollendete Thatſache vor.
Aber der ſtets auf der Stammfilbe ruhende Hauptton hat im
weiteren Berlaufe der Sprachentwidelung nod eine andere folge
gehabt.
Noch das ältere Mittelbochdertich iſt jehr reich an Wörtern
mit furzer Stammfilbe, was der ganzen Sprache eine große Ans
mut und Sprungfraft verleiht; aber der einjeitig auf der Stamm:
jilbe laſtende Wortton drüdte diefe gleihjam allmählich durd
jeine Schwere breit, und an Stelle der alten Kürzen treten daher
bis etwa zum Jahre 1500 faft durchweg Längen, die der ganzen
Sprache den Stempel einer gewifjen Breitipurigfeit und Scner:
fälligleit aufdrüden.
Für tragen, jagen, klagen, sagen, wagen, laden, adel,
waten, haben, graben, rabe, stap, ar, schar, gewar, art,
| bart, pflegen, leben, streben, weben, rebe, vater heiht &*
nun trägen, jägen, klägen, sägen, wägen, läden, ädel, wäten,
237
biben, gräben, räbe, stäp, är, schär, gewär, ürt, bärt,
pflögen uſw.
Die Verlängerung der Silben war übrigens nicht ohne Nad)-
teil für die Deutlichleit des Ausdruds; denn zwiſchen
manchen mittelhochdeutichen Wörtern hatte es im Klange keinen
andern Unterjcied gegeben als einzig und allein die Länge
des Stammvotald. Solche Wörter waren z.B. wagen (currus) und
wägen (audere), ferner malen (molere) und mälen (pingere),
win (unbegründete Meinung, bloße Vermutung) und wän (er
mangelnd, jehlend). Bei leterem Worte rächt fich die eingetretene
Berlängerung in der auffälligiten Weife. In dem Worte » Wahn
finn« vermuthet der Unkundige regelmähig das Wort wän, das
alſo eine unbegründete Meinung, eine bloße Vermutung be
beutet, und doc iſt es das alte, aber eben verlängerte wan mit
der Bedeutung »ermangelnd, fehlend«. Das Wort würde alio,
wenn die erjte Silbe nicht verlängert wäre, wansion lauten, und
dann wäre feine Bedeutung ganz Mar, man würde es ſtets richtig
als »fehlenden, mangelnden Berjtand« verftehen.
Umgefehrt iſt allerdings auch in einigen Fällen Verkürzung
eines langen Stammvofals eingetreten, meijt durch folgende Doppel-
fonfonanz veranlaft. So wurde aus brähte, bräht brachte, ges
bracht, aus dähte, gedäht dachte, gedadjt, aus andäht Andacht,
aus täht Docht, aus kläfter after, aus kräpfe Krapfen. Die
Bahl diefer Verkürzungen aber verſchwindet gegen die Menge der
Verlängerungen.
Berluft und Erfap.
Zu der Schwerfälligfeit der deutichen Sprache auf den jpäte-
ren Entiwidelungsftufen trugen aber auch Veränderungen in der
Konjugatiou bei. Das Botiihe hatte noch ein Medium, das zus
gleich als Paſſivum gebraucht wurde. Es hieß z. B. von niman,
nehmen, nimada, nimaza, nimada, nimanda, nimanda, nimanda.
Schon im Althodhdeutichen aber wurde das Paſſivum durch das
Hilfszeitiwort »werden« mit dem Mittelmort der Vergangenheit,
wie heute, gebildet (aljo: ich werde genommen).
Noch das Mittelhochdeutiche hatte eine jehr kurze und dabei
doch jehr wirtfame Perfeltform, Sie wurde durd Vorjepung der
Silbe ge vor das Amperfeftum gebildet. Alſo man jagte: ich
gesach, ich genam, ich gelag. Aber ſchon ums Jahr 1400 ijt
diefes Perjelt in der Hauptſache aufgegeben, obgleich es jelbit bei
Luther noch vereinzelt vortommt, und man bildete die Form num
mit haben oder sein und dem Mittelwort (alio: ich habe gejehen,
ich bin gegangen ujw.). Ein einheitlihes Futurum bat es im
Germanifchen niemals gegeben. Im Gotijchen wie auch im älteren
Deutjch wird das Präjens dafür angewendet, das aus dem Zus
jammenhange ald Futurum gedeutet werden muß. Im Hoch—
deutjchen aber wird frühe skulan, soln (d. h. fchuldig jein oder
müpfjen) mit dem Infinitiv bes Verbs dazu verwendet (alio: ich ſoll
arbeiten).*) Dieje Futurform fann man in zweifacher Weije
deuten 1. als »es iſt meine Pflicht, das und das zu thun« oder
2. »e$ ift mir vom Scidjal, von der Norme der Zukunſt, be—
ftimmt, das und das zu thun.e Die Norne der Zukunft hieß
felbjt Skuld von skulan — follen. Erſt ſeit dem 15. Jahr—
hundert wird das Futurum mit werden und dem Anfinitiv (ur
fprünglich dem Mittehvort der Gegenwart) gebildet, welche form
zwar nicht länger, al® die mit »jollen« gebildete, aber doch bei
weitem nicht jo finnvoll umd tief wie dieje ift.
*) Wie noch heute im Engliihen und Niederländiichen jomwie
in der Sprache des nordmweitlihen Deutichlands +Nh foll ein
Glas Waſſer haben« für »ich wille Karl V. zum Landgrafen
Philipp von Heſſen: »Welle, ich sall iu leren lachen!e).
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprahvereind. X. Jahraang. 1895. Nr. 11.
238
Vokalwandel.
Wie der auf der Stammſilbe ausfclieflich ruhende Wortton
des Deutfhen einerjeitd die Volale in den Wbleitungs= und
Biegungsilben verfümmern lich, jo wirkte er andrerjeits erhaltend
auf den Volal der Stammfilbe. Er iſt es, der unfrer Sprade
den Ablaut,'d. h. den bereits in der indogermaniichen Urſprache
vorhandenen Wechjel des Stammvofals fo reichlich erhalten hat,
daß er uns bis heute nod in den 6 Arten der jtarfen Konju—
gation deutlich vorliegt:
1. binde, band, gebunden (finne, jann, gefonnen),
2. jtehle, ſtahl, geitohlen, flechte, flocht, geflochten,
3. gebe, gab, gegeben (bitte, bat, gebeten; liege, lag, gelegen),
4. trage, trug, getragen (ſchwöre, ſchwur, geſchworen; hebe,
bob, gehoben),
. leide, litt, gelitten (mewde, mied, gemieden),
6. biege, bag, gebogen (lüge, log, gelogen; jaufe, foff, ge—
foffen u. a.).*)
Diefer reiche Wechſel der Stammvofafe, auf dem nad) Jakob
Grimm Wohllaut und zutrauliche Gewalt unſrer Mede beruhen,
ijt übrigens nicht auf die Unterjheidung der Gegenwart und Ver—
gangenbeit bejchräntt, jondern jpielt in der Wortbildung überhaupt
eine große Rolle, wenn fih auch, bejonders in der heutigen Ge—
ftalt der Sprache, eine allgemeine Bejtimmung des Wertes der
einzelnen Ablautjtufe ſchwer dürfte finden laſſen. Aber man vers
gleiche mit einander:
Binde, Band, Bund. — Trinker, Trank, Trunk. — nehmen,
Annahme, Vernunft. — brechen, Brade, Bruch, Broden. —
geben, Gabe, Gift. — bewegen, Wagen, gewogen (günjtig ges
finnt). — Fahrt, Furt. — Graben, Grube. — zeihen, bezich—
tigen. — weiſen, Wihz. — lehren (got.: Jaisjan — urjprünglic)
auf den Weg bringen), lernen Geleije, Liit. — treiben, Trieb,
Zriit. — biegen, Bogen, Bügel. — bieten, Bote, Büttel (ums
gelantet aus butil). — fieh, Seuche, Sucht. — ihliehen, Schloß,
Schluß. — hauen, Dieb.
Für leide, meide in der 5. Ablautäreihe hieß es im mıhd. lide,
mide, für faufe in der 6. aber süfe, Dagegen aber heit es
ihon mbd. geleis und houwen, wo ou denjelben oder einen ähn—
lichen Laut bezeichnet wie unfer au. Wir haben in den erſtge—
nannten Wörtern Beilpiele fir denjenigen Sautwandel, ber in
geſchichtlicher Zeit anbebend ſich wie faum ein anderer fajt über
das ganze hochdeutiche Gebiet verbreitet hat und zu einem der
wichtigſten Stennzeichen des fchriftiprachlichen Botalismus ges
un
*) Dazır kommt noch eine 7. Klafje von Zeitwörtern, deren
Lautwandel freilich jeine beiondere Geichichte hat, aber doch aud)
durch diefe Vorliebe unſrer Sprade für den Ablaut jo ungejtört
bewahrt worden ift: es find die urfprünglich im Präteritum mit
Silbenverdoppelung (Neduplikation) behafteten Zeitwörter. Diefe
Neduplifation, die befanntlihb auch im Griechiſchen und teilmeife
auch im Lateinischen perfettbildend auftritt, Tiegt im Gotifchen
nod) ganz deutlich vor (halda [ich halte], haihald [ich hielt);
haita ich heiße], haihait [ich ieh]; slöpa [ich chlafe)], saizlöp
lich fchlief] ufw.), verichrumpft aber bereits im Althochdeutfchen
(haihald wird zu bialt, haibait zu hiaz, saizlöp zu sliaf ulm.)
und klingt mittelbochdeutich mur noch in der diphthongiichen Aus—
ſprache von hielt, hiez, slief ufw. nah. Am Neuhochdeutichen
beiteht das ie bloß in der Schreibung fort, aber auch mit Aus:
nahmen (fing, bing, ging, die alio vom geſchichtlichen Stand-
punft mit io gejchrieben werden müßten). Andrerſeits darf einen
die Schreibung des Präteritums mit je nicht verleiten, jedes davon
betroffene Zeitwort für urfprünglich reduplizierend zu halten,
twie z.B. meiden, bleiben, jchmweigen u.a. Wohl aber gehören zu
diefer Art von Zeitwörtern außer den ſchon angeführten falle (fiel,
gefallen), laſſe (lieh, gelafien), blafe (blies, geblajen), vufe (rief,
gerufen), laufe (lief, gelaufen) u. a.
239
worden ift. Es hat fich aljo altes ĩ zu ei, altes ü zu au, altes iu
(geiprochen ü) zu eu (äu) gewandelt. Wie lide, mide zu leide,
meibe, jo wurbe isen’zu Eijen, side zu Seide, wise zu weiſe ufw.;
wie süfe zu faufe, fo wurde hüs: Haus, müs: Maus, lüter: lauter,
tübe: Taube; mie liuge zu lüge jo wurbe hiuser: Häufer,
miuse: Mäufe, liute: Leute, hiute: heute, Neben diefen neuent-
ftandenen ei, au bleiben aber die fon im mhd. vorhandenen ei, au
{geichrieben meiſt ou) beftehen, und wie alfo dem uhd. Beleife,
bauen ſchon mihd. geleis, hou(w)en, fo ftand dem nhd. Stein,
Bein, meinen ufw. ein mbd. stein, bein, meinen ufw.; dem np.
Baum, Auge, Glaube uſw. ein mhd. boum, ouge, geloube uſw.
gegenüber. In der nhd. Schriftiprade find die jüngeren ei und
au mit ben älteren zujammengefallen. Welches Urjprungs aber ein
neuhochdeutſches ei oder au ült, läht fich, 5. B. in Mitteldeutichland,
leicht aus der Musiprache des Volls erfennen. Das alte ei zieht
fie nämlich ftet3 in 6, das altem ou entjpredyende au in Ö zus
fammen, während die aus altem und ü entftandenen ei und au
unverändert bleiben. +» Das Bolt Mitteldeutichlands ſpricht alio
Stön, Bön, mönen (putare) und Böm, Öge, Glöbe, aber ge-
deihen, meiden, Eisen und braun, Haus, lauter (nicht gedöhen,
möden, fsen oder brön, Hös, löter).
Man fieht aljo, daß die Mundarten bes Volks nichts
Bufälliges und Willtürliches find, fondern ftrengen
ſprachlichen Geſeßen folgen.
Konſonantverbindungen mit s als Anlaut.
Aud auf eine fonfonantifche Erſcheinung möge nod) hingewieſen
fein. Das Althochdeutſche und Mittelhochdeutſche hatte die anlau=
tenden Konfonantverbindungen sk, sl, sm, sn, sw, sp, st. Es
bieß alfo skeiden, slagen, smelzen, sniden, swinımen, spalten,
stein. Dafür fagte man aber im Hocdeutfchen des 15. Jahr⸗
hunderts bereits wie jegt: scheiden, schlagen, schmelzen, schnei-
den, schwimmen, schpalten, schtein, und e8 wurde diefe Wanbd-
lung auch ſchon oft durch die Schrift dargeftellt, mit Ausnahme
der Wörter mit st und sp, in denen man zwar heute noch scht
und schp fpridjt (wie in stein und spalten), die man aber troß-
dem immer nod mit st und sp jchreibt. Die Schreibung ift aljo
in diefen Wörtern der Ausſprache nicht gefolgt, und zwar vielleicht
aus folgendem Grunde: sk, sl, sm, sn, sw — bie Hlonjonant-
verbindungen, die nur im Anlaut reindeuticher Wörter ftehen,
haben fic) die jchriftliche Bezeichnung eines eintretenden Wandels in
der Ausjprache gefallen lafjen ‚*) st und sp dagegen, die auch, und
zwar jehr häufig, im Latein anlauten, ihr widerjtanden. Es
fiegt nahe genug, dafür die Gewohnheit der in jener Zeit meift
aus den Lateinſchulen hervorgegangenen und im Latein auch vor
züglich arbeitenden Schreiber verantwortlic zu maden.
Wortbiegung.
Sehr bedeutende Veränderungen ſind, und zwar beſonders
infolge der Abſchwächung der Vokale in den Nebenſilben, auch
in betreff der Unterſcheidung der Deflinationen und Konjuga-
tionen, beſonders aber bezüglich der erfteren, vorgegangen. Die
Wörter der jtarfen Deklination lauteten uriprünglich im Stamme
auf a d i umd u aus, und fo umterfchied man im Gotifchen eine
A, Ö, I und U-Delfination. Noch im Mittelhochdeutſchen find
.*) Später find durch die Lutherſche Bibelüberſetzung, die für
Niederdeutfchland das Schulbuch zur Erlernung des Hochdeutſchen
bildete, auch im die gebildete Spradye diefer Gegenden für bie
einheimifchen swin und snel die hochdeutichen Schwein und schnell
gefommen, während die anlautenden Konſonanzen in Stein, Span
u. a. infolge der lateinfreundlichen Schreibweiſe bis auf den heutigen
Tag dort jo gejprochen werben, wie man jie jchreibt.
Zeitfrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Rt. 11.
240
dieſe Unterſchiede für den Kenner wahrnehmbar; dann verſchwin⸗
den fie aber immer mehr, jo daß im Neuhochdeutſchen jedes Er:
fennungsmertmal der alten Deflinationsarten fehlt.
Auch in der ſchwachen Deklination wurden im Gotijchen und
Althochdeutſchen nach den Stämmen mehrere Klafjen unterjchieden,
die aber jpäter ebenfalls in eine zuiammenichmolzen. Dazu fam
dann nod) infolge von Analogiebildungen die Bermiſchung ftarter
und ſchwacher Dellination und führte fo einen Zuftand herbei, der
gleichbedeutend mit Verwirrung ift. Allein diefe Vorgänge ges
hören zu einem großen Teil ſchon in die Zeit nach 1500, fo daß
wir uns ein näheres Eingehen darauf bier verſagen müſſen.
Bedeutend geringer waren die Wanbdelungen in der Son:
jugation, weil die Unterjchiebe diefer nicht wie die der Deklination
bloß auf Stammesausgängen und Endungen, jondern, wenigitens
für die ſtarke Konjugation, aud) auf dem Ablaut beruhten. Troß:
dem fanden aber aud hier nicht bloß innerhalb der einzelnen
Konjugationen Veränderungen ftatt, fondern auch Vermiſchungen
ftarter und ſchwacher Biegung fommen häufig vor, und zwar meift
zu Gunſten der legteren. Noch mittelbochdeutich hieß es salze,
sielz, gesalzen; spalte, spielt, gespalten; falte, fielt, gefalten
für falge, falzte w.f.w. Cine gemijchte Konjugation gab es indes
ſchon im Gotiſchen; alle Bräterito: Präfentien gehörten dazu, d.h.
alle Zeitwörter, die ihr urjprüngliches Präteritum als Prüfens
benupen und dazu eine ſchwache Bergangenheitsform gebildet
haben (können, dürfen, follen, mögen, wifjen u. a.).
Bedeutungswandel.
Einen großen Reiz hat die Vergleichung der heutigen Be-
deutung eines Wortes mit feiner früheren. Sehr oft ftellt ſich
da ein großer Unterſchied zwiſchen Sonft und Jetzt heraus, das
Wort hat feine Bedeutung gewandelt. Aber diejer Bedeutung:
wanbel tritt nicht immer erſt im Neuhochdeutſchen auf, fondern
iſt oft auch ſchon auf den früheren Spradjitufen zu beobachten.
So bedeutete gestern, das ſchon im Mittelhochdeutichen die heutige
Bedeutung hatte, im Gotiſchen (gistra-dagis) »morgen«, ögestern
tm Althochdeutichen »Übermorgen «.
Das alt» und mittelbochdeutiche liden — leiden hatte die Be:
deutung »gehen«; ber heutige Begriff des Leidens hat ſich in dem
Worte erſt durch die Mühſale des Wanderns in alten Zeiten, bejonders
bei dem in fremdes Land (alilandi nhd. Elend), herausgebildet.
alilandi heit urfprünglich nichts anderes als »ein anderes (ver:
gleiche lat. alius, alter und griech. Moc)h Lande, und noch das
mittelhochdeutiche ellendee hat neben der heutigen Bedeutung
»unglüdlich« auch die von »fremd, verbannte. — stinken, das
ihon im Mittelhochdeutſchen die heutige Bedeutung hatte, be—
deutete noch im Alibochdeutichen bloß »ſtark riehen« alfo aud
»duften«e. Won der Nardenfalbe, mit welcher Maria in Bethanien
Jeſu Füße jalbte, heißt es bei Otfried (IV, 2, 19), daß fie »stank
in alahalba«. — Das mittelhochdeutiche losen (laufchen) bedeutete
urſprünglich »verborgen jein«; bairijch heißt laufsen heute noch
»heimlich Tauern «. — Das mittelhochdeuticdhe bür bedeutet wie umfer
heutiges »Bauer« nur den Bogelfäfig, althochdeutih aber noch
die Wohnung, das Haus überhaupt (von büwan — wohnen, bauen).
Hildebrand ließ nach dem nach ihm benannten Liede aus dem
8. Jahrhundert »elend im Lande figen prüt (die Gemahlin) in
büre«, — Unſer unbejtimmtes Fürwort man, das ſchon im Alt⸗
hochdeutſchen ericheint, bedeutete urjprünglid den Menfchen,
gleichwie aud das franzöftihe on — homme ift.
Die Haupterſcheinungen in der Entwidelung der deutjchen
Sprache bis zum 16. Jahrhundert find aljo folgende:
241
1. Bom Gotifchen zum Althochdeutſchen Hat in ähnlicher
Weile wie vom Indogermaniſchen zum Gotiichen eine Qautvers
ſchiebung stattgefunden, und zwar im Oberdeutſchen fajt
voltftändig, im Fränkiſchen nur zum Teil, im Nieder:
deutſchen faſt gar nidt.
2. Die vollen Biegungs- und Ableitungsvofale find infolge
ber einfeitigen Belaftung der Stammfilbe durch den Wortton faft
fämtlic zu tonlofem e abgeſchwächt worden, und biefes ijt zum
Teil ganz weggefallen.
3. Die Stammpofale a, o, u und au find durch barauffolgen=
des umbetontes i zu e (ä), ö, ü und Au umgelautet worden.
4. Die meiften kurzen Stammvokale der älteren Sprache
find durd den Hochton der Stammfilbe zu Längen geworben ;
nur verhältnismäßig wenig Längen haben ſich verkürzt.
5. Die umſchreibenden Paſſiv-, Perfekt: und Futurformen find
entſtanden.
6. Langes i hat ſich vom 12. Jahrhundert an in ei, langes
u in au, iu in eu (und äu) verwandelt.
7. Die Konjonantverbindungen sk, sl, sm, sn, sw, sp und
st haben ſich im Anlaut in sch, schl, schm, schn, schw, schp,
scht verwandelt, nur da bei schp und scht die Schreibung
der Ausſprache nicht aefolgt iſt.
8. Die alten Deklinationdverhältniffe find völig umgeftaltet
worden, während die Konjugation ihren früheren Zustand treuer
bewahrt hat.
So war der Sprachſtoff beſchaffen, den Luther vorfand, als
an ihm die Aufgabe herantrat, feiner Sprache eine Form zu geben,
bie allen deutihen Stämmen verjtändlich wäre. Die von ihm
gefundene Sprachform heißt befanntlich die neuhochdeutjche. Auf
deren Entjtehung, Verbreitung und Weiterentiwidelung einzus
gehen, Tiegt aber nicht mehr in dem Nahmen diejer Arbeit;
ber den erften Punkt habe ich gehandelt in der Wiſſenſchaftlichen
Beilage der Leipziger Zeitung, Jahrg. 1893, Nr. 113.*)
Gierbrüde, Giergafle.
Nachdem ich in der Dezember Wr. dv. I. (Sp. 228) über den
Erjolg meiner in der Junis Pr. (Sp. 120/1) geitellten frage nad)
der Entftehung von ⸗Vertikow«Auskunft gegeben habe, bin ich
heute in der Lage zu veröffentlichen, was mir zu der ebenda ge-
ftellten Frage über Bierbrüde und Giergaſſe mitgeteilt wor—
ben it. Dies kann bier nur im Auszug geichehen, da mir die
Leitung nur einen beichränften Raum zur Verfiigung geitellt hat.
Ausführlicher werde ich vielleicht fpäter an anderem Orte berichten,
nachdem weitere Forſchungen angejtellt find, zu demen ich neuer—
dings um Mitarbeit erfucht babe. Ach verweiſe hier auf meine
Fragen in den » Rheinischen Gefchichtsblättern« vom März d. J.
und auf die Mitteilung der darauf eingelaufenen Antworten in
der Auguft-Nummer desjelben Blattes. Allen, von denen ich
bisher Zuſchriften über die Musbrüde erhalten habe, ſei an dieſer
Stelle beitens Dank gejagt!
Ein Erflärer meint, da Biergafjen aud in Städten vorfämen,
die nicht an einem Fluſſe liegen, jo könne »Gier« doch auch nicht
eine Bedeutung haben, die aufs Waffer, den Berkehr darauf ufw,
Bezug habe. Es ei daher wohl an die uriprünglicde Bedeutung
von Ger — Speer zu denken: in der Giergaſſe hätten vielleicht
*, Dem vorftchenden Verſuche, die Hauptthatſachen der hoch—
deutichen Lautentwidelung in einem fnappen Rahmen gemein-
verftändlich darzuftellen, glaubten wir die Aufnahme nicht verfagen
u dürfen. Daß troß mancer Verbefierungen, die der Berf. auf
en ihm von verichiedenen Seiten erteilten Rat vorgenommen hat,
doch noch Mängel darin ſich finden, ift natürlich bei einem Ver—
fuche, der darauf ausgeht, zwifchen der von der Wiſſenſchaft ges
forderten Genauigkeit und Wollitändigkeit und der dem Bedürfnis
des Laien entgegenfommenden Überfichtlicyteit und Deutlichleit des
Bildes zu Gunjten ber lepteren zu vermitteln. P. Pietſch.
Zeitfhrift ded allgemeinen deutſchen Sprachvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 11.
242
ausfchliehlih die Wurfipeerträger gewohnt, und eine Gierponte
jei dann wohl eine Ponte qeweien, von der aus Gere zur Ver—
teidigung des Ufer® geworfen wurden.
Eine andere (durch Beichnungen erläuterte) Erflärung, bie
nleichfalls für beide Ausdrüde gilt, wird von einem öſterreichi—
ſchen Ingenieur gegeben. Nach ihm bedeutet gieren in der Schiffer-
ſprache »mur das kurzzeitige Echrägefahren oder Ablenken aus
dem regelrechten Saufe, wenn al&bald die frühere Richtung wieder
angenommen wird. Nimmt man an, eine Straße führe zu einem
wichtigen Punkte einer Stadt, und eine zweite, die ihren Aus—
gangspunkt in der Nähe des Nusgangspunftes jener Hauptſtraße
bat, führe in einem Bogen nad jenem wichtigen Punkte, fo
wäre für diefe zweite Strafe der Name »Bieritrafiee paſſend.
Was den Ausdruck Gierbrüde für eine in einem Bogen gebaute
Brücke betrifft, ift der Ausdruck pafjend, da die Brüde von ber
urfprünglichen Richtung, der Sehne, abweicht, Ichliehlich aber zu
ihr zurüdführt. Gierponte für fliegende Brüde erklärt ſich da—
durch, daß der Kahn oder dad Schiff wegen der Strömung des
Waflers gieren, im Bogen fahren muß.«
Was nun im einzelnen Sierbrüde angeht, fo habe ich dazu zwei
Zuſchriften erhalten, deren Urheber (Konfiitorialpräfident Freiherr
von Dörnberg in Hönigäberg i. P. und Karl Garnich in Düſſel⸗
dorf) beide das Wort ala Kehrbrüde erflären wollen, d. h. als
»Brücke, die immer wieder zurüdfehrt.« Wenn ed num aud 4. B.
beim Sclittihuhlaufen bier in Bonn heißt: »hä fa de Kiehr nit
frigge«, wenn Einer die Wendung nicht herausbringt, auch ander-
feit3: »wat maalt bä für e Kiehr«, wenn Einer im Laufe eine
iharfe Wendung, oder ein Windvogel plötzlich einen Ruck macht,
fo fann man doch nicht daran bdenfen, daß bier Kiehr ftatt Bier
(Wintel) ftehe, obgleich dem Sinne nad) fowohl Kehre wie Gehre
zu Grunde liegen fünnte. Ebenfowenig kann umgefehrt Gier-
ponte ftatt Kiehrponte ftehen, da die ——— uud Ef
bier unmöglich ift; in jenen fällen hört man deutlich E, bie
fliegende Brücke aber heift »ierponte; hinge es mit »fehren«
zufammen, oder dächte man aud nur daran, fo würde man
ficher »Stierpont« fagen; auch würde dann das holländiihe Wort
nicht gierbrug lauten fünnen, fondern es mühte feerbrug heiken.
Einen ſehr eingehenden Beitrag liefert der Marine- Ober:
pfarrer Bödel in Wilhelmshaven. Nach ibm hat die nhd. See-
mannsſprache dad Wort »gieren«, wie jo viele, aus dem Nieder:
deutfchen übernommen, und es bat verichiedene Bedeutungsab—
ftufungen. Eine ®ierbrüde ift eine Drehbrüde, fie dreht ſich um
das oberjte, veranferte Boot als feiten Mittelpunkt eines zu
benfenden Kreiſes; ihre Bahn bildet alfo eine Sehne von dieſem.
6. meint nun, die Grumdbedeutung von gotiihem gairnjan ftede
ſowohl in begehren, als in agieren — fchreien (ber hungrigen
Schweine) und in den Seemannsausdrücken leegierig und Tuvgierig;
dieſes ⸗Gierigſein ⸗ bedeute von der graden Linie abweichen; die
Gierbrücke beichreibe einen Bogen, das jet aber auch nichts andre
als »von der graben Linie abweichen«, und dies heihe eben gieren,
etwa — ab begehren. — Das Gieren der Schweine — ein Aus—
drud, über den mir auch Pfarrer Brand in Berſen bei Sögel
danfen&werte Mitteilungen gemacht bat — wird man aber dod)
wohl faum mit unjerem gieren — drehen, ablenlen zufammens
brinaen können.
Was Siergafie betrifft, jo höre ich von Oberlehrer Wald—
eyer in Bonn und von Baurat Hillenfamp in Weiel, daß es
in Paderborn eine ierd: Strafe und ein Ghierd- Thor giebt;
Beziehung auf eine Fähre ift nach der Ortlichfeit ganz und gar
ausgeichloflen. Prof. H. Finke in Minfter meint, der Name
hänge bier mit der fyamilie von Gyr (= vultur) zufammen, und
er » möchte dieje Deutung ganz allgemein als die richtige für den
Nusdrud Gier annehmen. «
Ferner ſchreibt mir Herr €. Pohlmang aus Werden a. d.
Nuhr: »In dem meitfälifchen Dorfe fire befindet ſich eine
»Gierkuhle«, ein ſehr altes Haus, welches an der Wende zweier
hoben Wauern fteht, die, unter rechtem Winkel von einander ab-
gehend, den alten Begräbnisplag um die Kirche herum von der
bedeutend tiefer belegenen Umgebung trennen. Das Haus it in
diefe Senfung fo hineingebaut, daß ein Teil der Kirchhofmauer
die Rückwand des untern Stodwerfes ausmacht. — An Bielefeld
führt eine Straße, die mit der von Weiten ber auf dem Marfte
mindenden »Oberen Strahe« einen ſcharfen Winfel bildet, von
der entgegengeſetzten Seite des Plabes aus"durd den höher ge-
legenen Teil der Stadt nach dem Sparrenberge gen Süden binauf,
die Straße heit »&ehrenmweg.« — An der Scheide der Bürgers
243
meiftereien Nade vorm Walde und Hüdeswagen (Land) macht der
Beverbach einen größeren Bogen an einer Stelle, wo die Felder
wegen eintretenber Beengung durch Berge verschwinden und einer
ichmalen Wiefenflur weichen. Das an diefem Orte liegende Ges
höft heikt Sierfenhaujen.«
Endlich wurde ich von Ingenieur Elbert in Elberfeld und
von Oberlehrer Balleste in Kattowitz (D.-©.) darauf aufmerf-
fam gemacht, daß es in Stralfund einen Biergraben giebt.
Konreftor Palleske, der Schriftführer des Straljunder Zweig—
vereind, hat mir Auskunft erteilt, die fich etwa fo zufammen-
fafien läht: In Straljund gab es bis 1890 einen Graben, der
das überichüffige Wafjer aus den die Stadt umgebenden Teichen ins
Meer führte. Er wurde allgemein »&iergraben« genannt, aber
mit Unrecht; denn nur ein kleinerer Graben hätte diefen Namen
verdient, da er zu dem großen in der Gehrung ftand, indem er
ihräge in ihn mündete.
Ich glaube, daß e8 nad all diefem kaum noch; zweifelhaft
ift, daß Gierbrüde mit dem Scifferausdrude gieren — jchräge
fahren zufammenhängt, und daß der Straljunder Giergraben —
wenn auch nur in Folge einer Verwechslung — ebenfalls von
ihräger Richtung feinen Namen hat. An Paderborn wird wohl
bei Siers- Straße ein Eigenname vorliegen, darauf jcheint das 8
hinzuweiſen; in Kierspe wird Gierfuhle wohl »Kuhle im Winfel«
bedeuten; den Gehrenweg in Bielefeld wage ich ebenjowenig zu
erflären wie @iertenhaufen. — Feitzuftellen wäre wohl aljo
nur nod, ob eben gieren (holl. geeren, nah Frand —
ſchuinſchiſchräge) liggen, loopen) mit Gehre zuſammen—
bängt und eben urfprünglid einen Wintel maden, alio
ablenten, dreben bedeutet.
Wie aber ijt es mit der Bonner Biergafie? — Nachdem ich
gejehen hatte, da im 17, Nahrhundert mehrfach die Schreibungen
Giertgaſſe und Giergafje vorlommen, jchien es mir glaubhaft, den
Namen mit der 5. Gertrud zujammenzubringen, zu deren Ehren
am Ende der Gaſſe eine Kapelle erbaut ift: aber die Abkürzung
wäre bedenklich ftart; auch neigt die Bonner Mundart dazu, d oder t
einzujchieben. — Die Schreibung Biergafje, die im vorigen Jahr:
hundert vorlommt, beruht wahriceinlid auf Verwechslung des
ſtarl verſchnörlelten Anfangsbuchitabens in einer Handichriit. —
Gutsbeſihzer Eberhard von Claer, einer der beiten Kenner der
Bonniſchen Geſchichte und Sprache, meint gerade wie ich, daß die
Giergaſſe vielleicht von ihrer ſchrägen Richtung den Namen habe;
die Sierbrüde — teilt er mir ferner mit — fei viel jpäter ent:
ſtanden als die Gaſſe, dieje könne alfo nicht nad) jener benannt
fein. Aber möglicherweife hänge ber Name doc mit gieren zu=
fammen, da an ber @iergafie, in der die Sciffergilde ihren
Wohnſitz hatte, von je her die Uberfahritelle geiwejen jei, und
die vor der Gierbrüde die Überfahrt bejorgenden Nahen und
Scalden hätten ebenfo gieren müſſen wie jept die Vrücke. Auch
die Gyrgafſe in Köln (bis fpät ins 13. Jahrhundert beitehend)
fei vielleicht wegen ihrer Lage an oder auf einem ehemaligen
Flußbette auf »gieren« zurüdzuführen; bejtätige ſich dies durch
eine anztftellende Unterſuchung, jo könne dadurch aud) der Gieren—
weg im benachbarten Keſſenich erttärt werden, denn diefes Dorf
liegt auf dem alten Mheinbett, das ſich hinter Bonn herzieht.
Bonn. Dr. J. €. Wülfing.
Zprachliche Mufterleiltungen.
>Die Frau Kronprinzefiin-Witwe, Erzherzogin Stephanie,
hatte eine duftige Toilette aus mauvefarbenem Seidenmousseline,
Taille aus Genueſer Guipure und große indeplissable (!!) Armel.
Dazu trug die hohe Frau einen großen Phantasiehut mit Coque-
licots und Cremeipigen — eine geradezu sensationelle Creation.«
(Wiener Tagblatt 4.5. 95.)
Die Kattowitzer Zeitung meldet unter dem 19. Juni d. J.,
dei ein Parijer Blatt verlange, die Minifter follten in Anklage-
zuftand verſetzt werden, »welche das Land deputiert hätten «.
(Warum jagt auch der Berichteritatter jtatt des dem Setzer wohl
unbelannten düpiert nicht » hinters Licht geführt« oder »genarrt«?)
Bei G. Schufter in Berlin ift ein Buch von Dr. J. Landss
berg erſchienen, das den Titel trägt: Die Wahriagekunft
aus der menſchlichen Geitalt.
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind X. Jahrgang.
|
1895. Nr. 11. 244
Die Hamburger freie Breffe fpricht in ihrer Nummer 754
vom 13, Juli d. J. von einem vierwödhentlichen finde, bie
Kölnifhe Zeitung vom 22. Auguſt 1805 von verunglüdten
führerlojfen Bergtouren.
Die Hreuzzeitung (Nr. 487) berichtet, dab der Geh. Ober:
regierungsrat Bormann nad) Dftafrita abreifen wird »zu einer
allerdings nur furzen Expertise über die projektirte Trace« (näm-
lich der zentralafrifaniihen Bahn). (»Unterfuchung über die ge:
plante Bahnlinie« klingt wohl zu gewöhnlich?)
Eine Bonner Zeitung berichtete kürzlich: » Das neue Agentur:
Gebäude der Köln: Düfjeldorfer Dampfſchiffahrts-Geſellſchaft am
Rheinmwerft ift jept bis zum Dach im Rohbau vollendet. Es iſt
fomit alle Ausficht vorhanden, dak der Neubau bis zum Ein:
tritt der bejjeren Nahreszeit auch) in feinen inneren Teilen fertigs
geitellt fein wird, um alsdann aus dem bisherigen be-
jhränften Raume der Agentur in die heilen und lufs
tigen Räumlichkeiten überjiedeln zu können« (®ir
empfehlen dem Verfaſſer diefer Mitteilung, den Aufſatz von
Dr. Theodor Matthias über »die Nennform mit um zu« (vgl
Jahrg. 1894 d. Zeitihr. Ep. 137— 142) recht aufmerffam durd:
zuleſen.)
— »Confiserie et Pätisserioe — Salon pour RafrAichissement
— Ötto Draeger ä Inowrazlaw — 25. Rue de Frödörie 9.
fo lautet der Aufdrud einer ums zugefandten Düte. Über die
Schmach der in dieſer Wälſchelei liegenden Deutfchverleugmung
zu veden ericheint zwecklos, dafür hat Herr — Verzeihung!
Monsieur Draeger (jprich: Dregere) dod; faum Verſtändnis;
vielleicht iſt er auch troß jeines bdeutichen Namens Pole, was
wir hoffen wollen., Daß er ſich aber in den Augen der jein
Naſchwerk faufenden Tertianer durch ſolche Sprachfehler lächerlich
machen muß, das veranlaft ihn vielleicht, ich einer Sprache zu
bedienen, die er bejjer verjteht als jein gelichtes Franzöſiſch.
Rleine Mitteilungen.
— Auf der amtlihen Kreiß-Lehrerfonferenz zu Berlinden
in der Neumarf am 19. September behandelte der wifjenichait-
liche Lehrer Döhler (ummittelbares Mitglied des a. d. Sprad;
vereins) die von der Frankfurter Regierung gejtelte Aufgabe:
Sprachſchäden und ihre Bekämpfung durch die Schule. Der Bors
tragende beſprach einige bejonders häufige Verſtöße gegen die
Spradhrichtigfeit, wies auf die Auswüchſe des papiemen Stils
hin und behandelte eingehend das Fremdwörterunweſen. Als
beſie Abhilfe bezeichnete er die Erwedung von Liebe und Be
geifterung für deutjches Weſen und deutihe Sprache durch eine
wahrhaft deutfche Erziehung. Der Bortrag wurde begeijtert auf⸗
genommen und hatte den Erfolg, daß aus der Verfammlung fo-
gleih 16 Berjonen (Geiftlihe und Lehrer) zu einem deutſchen
Spradverein Berlinden zujammtentraten, der fich zu Be
ginn des nächſten Jahres dem a. d. Spradverein anſchließen mwird.
— Durch eine beträchtlihe Neihe von Zeitungen ging jüngit
unter der UÜberſchrift »—Das Höchſte der Spradreinigung«
folgende Mitteilung: » Ein Konzert, welches kürzlich in St. Avold
(Lothringen) ftattiand, wurde folgendermaßen angetündigt: ‚Großes
Streichgetön, ausgeführt von der Streichbande des zweiten han—
noverihen Lanzenreiterhaufens 14 unter Leitung des königlichen
Spielwarts Herm B. Stüber‘ Nus der „Spielfolge‘ jeien nod)
' folgende Merkwürdigkeiten hervorgehoben: Schwärmerei aus ,Der
Fojtfnecht von Lonjumeau*‘ von Adam; ein Licd auf der Schnabel:
flöte mit Klappen (Klarinette) von Neibich; Wierertanz nach Ge
danfen aus dem ‚Bartier Leben‘ von Offenbach; ‚Ein Zid + Zad‘,
Durcheinander (Potpourri) von Schreiner; ‚Der Tunidhtqut‘, Eil-
245
Beitfärift des allgemeinen deutſchen Spradvereind, X. Jahrgang. 1895. Nr. 11.
246
tanz von Fauſt.« Dieſe puriſtiſche Wut, die im jchärfiten Gegenſatze
zu dem mahvollen Borgehen des Spradwereins fteht, wäre wohl
geeignet, Spott und Hohn hervorzurufen, jofern die »Spielfolge«
ernjt zu nebmen it. Daß dies vielfach geichehen, beweilen Zus
fhriften an die Schrütleitung und fpöttiiche Bemerkungen iiber
diejen »Erfolg der VBejtrebungen de3 Sprachvereins«, die fich in
gegnerijchen Blättern finden. Wir haben die Sadje von vorns
herein für einen Scherz gehalten und erfahren nun auf Erkun—
digung bei dem Mufitdirigenten des 14. Ulanenregimentes, Herm
Stüber, daß in ber That die ganze »Spielfolge« lediglich
die Ausgeburt einer heiteren Stimmung am Biertifche iſt
und j. 3. am Sonzertabend ohne Willen und ganz gegen
den Willen des Konzertgebers in einigen Abzügen unter
die Zubörer verteilt wurde, Einer diefer Abzüge wurde dann an
die »Forbacder Zeitunge gefandt, und von dort aus fand der
meijt mihverftandene Scherz jeinen Weg in andere Blätter. Herr
Stüber ift mit vollem Rechte über den Mißbrauch entrüjtet, der
hier mit feinem Namen getrieben worden tjt, zumal er ihm Zu—
ſchriften aus allen Weltgegenden mit mehr oder weniger bo&haften
Bemerkungen eingetragen hat. Der Sprachverein hat feine Berans
laffung, die Sache ernſt zu nehmen, doc) wäre es wünſchenswert,
wenn die Zeitungen, die fie erwähnt haben, nun aud) eine Ers
Härung des Thatbejtandes brächten umd unferen Einſpruch gegen
alle Übertreibungen in der Sprachreinigung verzeichneten.
— Daß man jchon vor fünfzig Jahren bei der Roftverwaltung
den Hebel anzujegen fuchte, um die deutiche Sprache von entbehrs
lichen fremden Beftandteilen zu reinigen, zeigt folgender Vorfall.
In den vierziger Jahren fand ſich eines jchönen Morgens an den
Thüren jämtlicher Arbeitsjtellen der Fürftl. Thurn- und Tarisichen
Rojtverwaltung zu Frankfurt a. M. nachfolgendes Gedicht angellebt:
Wir, die fich zum Zweck vereinigt,
Daß die Spradye werd’ gereinigt
Von des Fremdworts Mißgeſtaltung
Hier, bei diefer Pojtverwaltung,
Wollen ihr in Gutem raten,
Daß fie hüte jich vor Schaden,
Niemald nehme mehr in Mund
Folgenden pojtal'ihen Schund:
Kurs, Konzept; erjept und Manfo
Differenz, afonti, jranto,
Allegiert, cum, rejpeftive,
Rorto, penfum, erflufive,
Brogrefjion, plus, differenz,
Sinus, pro, Korrejpondenz!
Schwerer Straf’ wird fie verfallen,
Braucht fie eines von den allen!
Schredlich find und niemals jcherzen
Wir, die Fremdwörter ausmerzen!«
Das Gedicht rührte von einem Oberpojtamtsafjiitenten ber,
der ſich oft genug über den Hopfitil und die vielen Fremdwörter
ärgern mußte und deshalb auch einen befonderen Sprachreinigungs-
verein in Frankfurt a. M. gründete. Geholfen hats freilich nichts.
Die Thurn» und Taxisſche Berwaltung ging ihren Schlendrian
weiter, und ed mußte ein preufiicher Generalpojtmeifter fommen, der
mit anderem altem Schutt auch den Fremdwörterwuſt hinmwegfegte.
Bücherſchau.
— O. Weiſe, Unſere Mutterſprache, ihr Werden und
ihr Weſen. Leipzig. Teubner. 1895. IX und 252 S.
Das vorliegende Buch muß von mehr als einem Geſichtspunkte
aus beurteilt werden. Es verdanlt einem äußeren Anlaß, dem
Preisausſchreiben des deutſchen Sprachvereins, ſeine Entſtehung,
und da es, wenn auch nicht mit dem vollen Preiſe, jo doch mit
einer Ehrengabe auögezeichnet wurde, jo tritt für und die Frage
in den Vordergrund, in wie weit die Leiſtung bier dem gejtellten
Anforderungen entipriht. Schon das Preisausjchreiben des Spradh-
vereins hat zwei Richtungen gefennzeichnet, die fich in der Dar—
jtellung ebenmäßigdurdpdringen ſollen. Auf »wiſſenſchaftlichem
Bodene joll das Wert ruhen, und die Erörterung ſoll »lebendig
und anfhaulich« fein, »micht in der Form einer lehrmähigen Über:
ſicht.« Es fchein tmir nun, als ob ſich Weije den wiflenichaftlichen
Boden vor allem durd) die Fußnoten bereitet habe, in denen er
die reichhaltige Fachliteratur in der That faſt vollzählig anführt.
In der Darjtellung ſelbſt dagegen verfügt der Berfafier nicht
jelbjtändig über die Summne von Anſchauungen, Meinungen und
Wideriprücen, die in den angeführten Büchern zu Tage treten.
Vielmehr läßt ſich Weife ganz deutlich fat in jedem Abichnitt von
einem anderen Sewährämann leiten, der am bejlen dann aud)
beſonders gefennzeichnet wäre. Aus diefer Beobachtung ergiebt fich
natürlich vom wifjenjchaftlihen Standpunft aus eine ungleiche
Wertung der einzelnen Abſchnitte. ch gebe im Anzeiger der
»Indogermaniichen Forſchungen« die Belege für dieje meine
Behauptung und darf mic Hier wohl allgemeiner darauf bes
rufen. Dagegen möchte id einen anderen Punft bier herausgreifen,
der gerade für den Spradwerein von Wichtigkeit ift. Das Bud)
ijt mit Wärme geichrieben, es verrät eine geübte und gewandte
Feder, es lieſt ſich leicht und es ipricht zum Herzen. Gewiß lauter
Vorzüge! Allerdings; aber die Kehrjeite dieſer Vorzüge macht
ſich jehr deutlich bemerkbar. Der Bilderjhmud der Sprache ranft
jich gerade um die Stellen gerne, denen der Lejer eine knappe
Fafjung wünschte, umd die luftigen Vergleiche werden oft zu
Scyleiern, die uns die Thatjachen verhüllen. Es Klingt freilich
anmutig, wenn Weiſe jagt (5. 59): »So fommt alfo die Eigenart
unjeres Volles in der deutſchen Sprache Mar und unverkennbar
zum NMusdrud. Starr und jteif wie die Tanne des heimischen
Bodens, aber dabei auch weich wie die janjten Linien der zarten
Birke, knorrig umd fejt wie die Eiche des germanijchen Urwaldes,
aber auch mild wie die duftige Linde, jo ift der Deutſche, fo iſt
auch feine Spradye.« Aber mich würde ed mehr befriedigen, wenn
der Berfaffer die fnorrigen Beſtandteile unferer Spradye vor uns
hingejtellt, wenn er das Starre und Ungefügige aus alten und
neuen Sprachproben mit kecdem Finger ausgehoben hätte. Das
Feite und Milde aber wäre in der mittelhochdeutichen Dichtung
ebenjo leicht zu greifen geweſen, wie es aus der gebundenen und
ungebundenen Sprache unferer eigenen Zeit an unjer Ohr ſpricht. —
Es ift gerade bei der deutschen Sprache verhältnismähig leicht, ihre
Eigenart in wenigen Zügen zu zeicnen, ohne zu allgemeinen
Andeutungen greifen zu müfjen; nur muß man ſich vor Augen
halten, daß eine Sprache nur in der Entwidlung lebt, und daß
aljo die Charakterzüge in jedem Zeitalter ſich anders jpiegeln.
Das Buch iſt num ja nicht dazu beſtimmt, den Lejer blos anzuregen,
damit er auf eigene Fauſt in den vermerkten Schriften nad Nat
und tieferer Belehrung juche, fondern die Darjtellung will dod)
durch fich jelbit ſchon ein Bild und eine Anjchauung geben. Wohl
verfieht es der Berfafier, hierfür Farbe aufzutragen und die Zeich—
nung mit fejten Strichen zu entiwerfen. Aber die Farbe ift etwas
eintönig und die fejten Striche jcheinen mir oft verzeichnet. Weile
jtellt dad Weſen unjerer Spradye ganz und gar vom Standpunft
des Verehrers dar. Gewiß fann unfere Sprache nur der richtig
erfafjen, der von der Cigenart unjeres Vollstums bis in die
Knochen hinein durchdrungen ift. Aber zu diefer Eigenart gehört
auch der ungebrodene Sinn für ungejhmeichelte Wahrheit. Und
an ſolcher unbefangenen Würdigung der Thatſachen fehlt es bei
dem Berjafjer, der überall — mit Ausnahme unferer neueſten
Spradentwidlung — nur das Beite und Lobenswerteſte von den
Bildungen unferer Sprache zu jagen weiß, der mehr als einmal
die Auftaffung nahe fommen läht, als ob unjere Altovorderen mit
vollem Bewuhtjein ihre Spracde zu einem Geſäß fich geformt
hätten, im das ihre Tugenden und nichts als ihre Tugenden
eingebettet wurden. Am bedenflichiten iſt an diefer gefühlsmäßigen
Darftellung, daß der Verfafier die Zeiten nicht auseinander hält
und daß er jomit den alten Deutſchen gerne Spradhformen und
Spradjericheinungen anrechnet, die unfere neuere Zeit erjt gebildet
bat. So führt er eine Neihe von Wörtern jüchlihen Geſchlechtes
[(Schidjal, Geihid, Verhängnis, Glüd] zum Beweiſe dafür an,
dak »die Deutichen Üüberemitimmend mit den ernjten Römern das
über den Menſchen waltende Scidjal als ſächliches Weien fajien,
während die romanischen Bölfer gleich den Griechen ihr Geſchick
in die Hände einer milden, gütiger Fee legen.« Nun haben die
—— Worte mit alleiniger Ausnahme von »Glüch« ihr Ges
ſchlecht und ihre heutige Bedeutung erjt feit verhältnismäßig kurzer
Zeit angenommen, und aud) das »Glüd« jelbit lann feinen Stamm:
baum nicht weit in das Mittelalter zurüd nadweiien, wo ihm
überdies durch) die Frauengeſtalt der »Saeldee der Rang ftreitig ge⸗
macht wird. Es ift nicht möglich, im einzelnen alle die jchiefen Aus—
führungen zubelegen, die aus folder Vernachläſſigung des Jeitenwan⸗
dels entipringen. Wer —* Nitterzeit tennt, den muß es befremden,
daß unjer Bolt »iwenig Neigung zeigt, ſich äußerlich zu verfeinern. «
Noch aufjälliger aber muß es dem Kenner des Wittelalters und
unjerer Spracdentwidlung ericheinen, wenn der Verjafier fagt
(S. 57): »Uns fommt es vor allem darauf an, ‚bieder‘ zu fein
und dies ift mit ‚derb*‘ eines Stammed«. Gewiß; aber die Bes
deutungsentiwidlung, die gerade nad) diejer Seite von dem alten
»biderbe« ausgegangen ift, ſpricht ſehr wenig für die Auffaſſung
Weiſes. Bezeichnend ift auch die Urt, wie das Wort »deutjch«
auögebeutet wird (S. 45). Die Grundbedeutung in dem eriten
Verwendungen ijt allerdings »volfSmäßige im Gegenſatz zu der
gelehrten und kirchlichen Sprache des Xatein. In dieſer Be-
nennung war aber durchaus fein Vorzug ausgeiprocden, jondern
eine bejcheidene linterordnung. Wenn ſich dann bei deutichen
Schriftitellern aus dieſem beionderen Gebraud) des Wortes eine
neue Bedeutung entwidelte, wenn der Gegenſah zwiſchen Seimats
ſprache und Kirchenſprache in einen ſolchen zwiſchen dem Zräger
diejer Spradye und den Völlern lateiniicher Zunge fid) erweiterte,
fo war dieſer ganze Bedeutungswandel doch feine bewußte That,
mit der unfere Vorjahren ein für allemal einen voltstümlichen
Zug in unjere Sprache legen wollten. Das Boltstümliche unierer
Sprache hängt gottlob an ftärferen und jejteren Fäden in unjerer |
Vollsart begründet, es braucht nicht mit der Gerwaltfamfeit der
Deutungstunft erft hineingelegt zu merden. Und das iſt ber
—— warum ich dem Buche von Weiſe mit ſo gemiſchten
pfindungen gegenüberſtehe. Dieſes Büchlein ıft ganz
ſicherlich unter den Darſtellungen, die für einen großen
Leſerkreis geſchrieben ſind, eines der beſten, der ges
diegenjten. Der Verfaſſer iſt nicht leichtjertig am ſein Wert
gegangen, er hat fich mit Ernit und Beionnenheit in dem weite
Ihichtigen Stoffe umgejehen, aber er hat viel zu viel Fremd-
artiges in diefen Stoff hineingetragen, als daß das mannigfache
Gute und Schöne, das dem Beſchauer ungejucht ſich darbietet,
immer zu Worte hätte fommen können. Scade, daß gerade nadı
diefer Seite jo wenig aus dem vortrefflihen Buche Behaghels
»die deutjche Sprache« verwertet wurde. Nachdem der Ent:
widlungsgang unjerer Spradje dort eine jo lebenswahre Schilderung
erfahren hatte, hätte jich nun das Weſen unjerer Sprade
im Spiegel der Entwidlungsgeichichte prächtig zeichnen lafjen.
Heidelberg. 9. Wunderlid).
. dem Kunſtgelehrten zu gute fommen.
— Die bildenden Künfte Surzgefahte allgemeine Sunft:
Iehre von Herman Riegel. Frankfurt a. M. Keller. 1895,
Mit Rüdjiht auf die Grundfäge und enheiten biejer
Zeitſchrift muß ich eine eingehende wiſſenſchafiliche Beſprechung
dieſes Buches, die es ſonſt recht wohl verdient hätte, mir ver—
jagen. Meine Abficht it nur, die Nufmertjamteit eines möglihit
weiten Lejertreifes auf diefe jüngfte Leiftung des verdienten Ber-
fajier® zu lenken, die jo redjt als die Hauptarbeit jeines Lebens ber
zeichnet werden fan. Erſcheint dod) der beicheidene »Grundriß der
bildenden Künfte«, der vor ungefähr 30 Jahren in die Öffentlichkeit
gelangt ift, nunmehr zu einem Werte ausgejtaltet, daS alljeitig und
erſchöpfend das Gebiet der bildenden Künſte bis auf die nachbilden⸗
den Künſte und Techniken behandelt. In drei großen Abtei
liedert ſich der reihe Stoff. In der eriten erörtert Riegel Urs
prung, Weſen und Begriff der Kunſt wie der einzelnen Künite,
ihre Eriheinungsweijen in der Flucht der Jahrhunderte bie auf
die Gegenwart, nicht ohne auch einen Blid auf die Zukunft zu
werfen und das Walten und ®irten der großen Perjönlichteiten
wie überall, jo aud) in der Kunſt, mit Recht zu betonen, endlich
die Entwidelungsitufen der Kunſt. Die zweite, umfafjendite Abs
teilung behandelt die Kunſt und die Künſtler, die dritte die Kunſt
und die Zeit. Überall treten die reichen Erfahrungen des Ber:
fafiers, jein umfangreiches Wiſſen, jeine fihere Beherrſchung des
Stoffes zu Tage. Ywar vermag ich, wie es ja nicht anders fein
fann, nicht allen Ausführungen Riegels beizupflihten, doc mus
ich mir verfagen, hier die abweichenden Punkie zu bezeichnen. Et:
twaige Ausftellungen dürften auch belanglos jein gegemüber der
Fülle von fruchtbaren An gen, die dad Buch bietet, und
welche der Theorie wie der Frans, dem ausübenden Künſtler wie
Und das ijt um jo wichtiger
in neuerer Zeit, die jo reich an »Kunftichreibereien« und jo arın
an wirklich gediegenen, ernten Leiftungen it.
Wie es bei einem Begründer des allgemeinen deutfchen Sprach⸗
bereines nicht anders zu erwarten, iſt die Sprache des Wertes
eine mujtergiltige. Abgeſehen davon, dab der Berfafjer von
Fremdwörtern nur einfn mäßigen Gebrauch macht, nur da, wo
jolche als feite Begriffe und Wendungen gleihfam Bürgerredt bei
uns erworben, habe ic) jelten ein Buch gelejen, das jo fnapp im
Ausdrucke, jo Nar und leichtverjtändlich in Anordnung und Sprade
geichrieben iſt wie das vorliegende; und das will bei diejem
jchwierigen, jo wenig durcdaderten Stoffe nicht wenig bedeuten.
Die Ausjtattung des Wertes ift gut. Die 77 mit kundiget
Hand ausgewählten Abbildungen erläutern Riegel® Ausführungen
| in vorzüglicher Weife.
Berlin. Carl Fren.
Geſchäftlicher Teil.
In der Septembernummer unjerer Zeitſchrift ift (Sp. 216)
mitgeteilt worden, da der Geſamtvorſtand in feiner am 19. Juli
zu Graz abgehaltenen Sigung beſchloſſen hatte, den Zweigvereinen
die wijjenjchaftlichen Beihefte und die Verdeutichungshefte zunächſt
immer nur in beſchränkter Anzahl zugehen zu laſſen und ihnen
frei zu Stellen, mehr zu fordern, falls fih Mitglieder melden, die
fie zu haben winjchen.
Diefe Mitteilung entſprach dem im jener Situng ſelbſt aufs
genommenen jchriftlichen Berichte und (mie fich in der nächſten
Sigung ergab) zweifellos auch der Auffafjung der in Graz zu-
gegen geweſenen Mitglieder. Nunmehr aber hat der Antrag—
jteller, Herr Trapet, dem Borjigenden jchriftlich erftärt, daß fein
Antrag fi nur auf die Verdeutſchungshefte, jedoch nicht auf die
wijjenichaftlidyen Beihefte bezogen hätte. Es mu da alfo ein Miß—
verjtändnis obgemwaltet haben, deſſen Bedeutung übrigens in—
zwifchen dadurch befeitigt worden ift, daß der Geſamworſtand am
ae a Ben ttaen für die Vereinsleitung
ähns in Berlin @.10,
Oberitieutnant a. D. Dr. Mar
Margaretenftrabe 16,
|
-
6. Otober d. J., ohme noch von ber Erklärung des Herrn Trapet
Kenntnis zu haben, den erwähnten Beihluß vom 19. Zuli, je
weit er fid) auf die Beihefte bezieht, wieder aufgehoben bat, weil
er ſachlich ſchwer ausführbar und nad) Satzung 24 auch rechtlich
anfechtbar ift.
Die wifjenfhaftlihen Beihefte werden alſo nadı wie
vor allen Mitgliedern zugeben.
Der Bejamtvorjtand dei a. db. Sprachvereins.
Dr. Mar Jähns.
Der Gefamtvorjtand erfucht diejenigen der geehrten Zweig—
bereine, welche in Hinblid auf das fommende Neujahr die Wer:
bung neuer Mitglieder beabfichtigen, alle für diefen Zweck wün—
ſchenswerten Drudjahen von unjerem Schapmeijter, Herrn Eber⸗
hard Ernſt, Berlin W. 8, Wilhelmijtr. 90, einfordern zu wollen.
Geldjendungen und Beitrittserflärungen
an den ug
lagsbubändler Eberhard Ernft in Berlin W. 8,
Wilhelmftraße
Briefe und Drudjahen für die Zeitſchrift find am den Herausgeber, Oberlehrer Friedrih Wappenbang in Berlin R.W, 33, Altonaer Strafe &,
seh und Zufendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Brofefior Dr, Baut Pletſch, Berlin @.30, Mogfteabe 12,
Für die Bettung verantwortlich: Yriedrih Wappenhand, Berlin. — Zertag des ailgemeinen deutichen Epragpereind (Jähns und Craft), Berlin. —
Drut der Bucdruterel deb Wailenfaufeh tn Halle a. d. ©.
X. Jahrgang Nr. 12. 1. Dezember 1895.
Zeitſchrift
allgemeinen deuffchen Spradjvereins,
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorftandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
5 Die gettfehrift tarcn aud) dur; ben Bucbandet Fr die Boft
zu 8 ME. jährlich bezogen werben. — HUnzeigenannahme dur den Scapmeilter
Eberhard Ernit, Berlin @.8, Wilbelmitr.@. — Auflage 15000,
Diele geitfrift erigjetnt jührfich zwötfmat,, zu Anfang jedes Monats, u
und wird ben Mitgliedern des allgemeinen deutichen Spradwereins unentgeltlich
geliefert (Sagung 24).
Inhalt: Martin Greif und Hans Sachs. Bon Julius Sahr. — Die Einweihung des Grabdentmals für Rudolf Hildebrand.
Von Julius Sahr. — Ergebnis der Umfrage wegen Schreibung von Strakennamen. Bon Dr. I. €. BWillfing. — Spredjfaal. —
Kleine Mitteilungen. — Bücherſchau. — Zeitungsichau. — Beitjchriftenihau. — Aus den Zweigvereinen. — Briejtajten.
Martin Greif und Bans Sads. borenen Bundesgenoſſen aller, die für Deutjchtum in Geſinnung
Bon Zulins Sahr in Dresden, = erg un Und ein — iſt a .. das
Bon jeher hat Martin Greif zu den Dichtern gehört, die | Fwand feiner Dichtungen, feine Sprache, fein Deutjh ift von
fi vom fitterariichen Parteigetriebe fernhielten und be ſull, feltener Friſche, Reinheit, Lebendigkeit und Gegenſtändlichteit.
Har und feit auf eigenen Wegen nad) eigenen Zielen jtrebten. Und das ijt fein Wunder, denn Martin Greif ift ein Freund,
Er ijt daher, obwohl jhon 1836 geboren, erſt verhältnismähig ein Berehrer, ein Slenner des Hans Sachs. Er hat ihn drei-
jpät und langſam befannt geworden. Dafür aber wird fein | mal dichteriſch verherrlicht; 1806, am Beginne jeiner Lauf
Name auch nicht, wie der mancher Tages: und Modegröße, als— | bahn in einem Drama, welches mir zwar nicht befannt geworden
bald wieder ind Nichts zurüdjinfen. Der Kreis von Martin | it, defien Wert und Gehalt uns aber ſicher nicht verloren gegangen,
Greifs Verehrern und Freunden wächſt jtetig; er wird, getragen jondern in feinem neuejten Hans Sad)? - Drama erhalten ift, —
von dem Aufſchwung, den unſer nationales Leben feit 1870 ges | dann 1874 bei der Weihe des Nürnberger Hans Sachs - Dentmals
nommen hat, noch viel mehr wachlen. Denn es ift nicht zu bes ) in einem köſtlichen Sprude: Zu Hans Sadjens Ehrentag
zweifeln, dab wir endlich mehr und mehr dem Deutjchtum | Gedd. 1889 ©. 316) umd endlich zur Hans Sadjs : Jubeljeier
zuftreben. Die wachſende Beliebtheit M. Greifs ift ein gutes | 1894 in einem vaterländiichen Fejtipiel in 5 Aufzügen. Es
Zeichen für ihn und für uns; ein Beweis jedenfalls, daß audy in | Mag dem ferner Stehenden übertrieben, ja vielleidht lächerlich er—
unferer vielverfhrienen Zeit gute wahrhaft gehaltvolle Dichtung | deinen, daß die Trefjlihfeit von M. Greijs Sprache mit dem
nicht unbeachtet bleibt, fondern trog der lärmenden aber jhnell | Hinweis auf jeine Freundſchaft zu dem alten Dichter begründet
wechſelnden Tageslitteratur immer tiefer im Wolle Wurzel ſchlägt. werden foll, und doc liegt hierin Wahrheit. Zwar nicht etwa in
Nachdem bereitd 1889, zum Beweiſe defien, Greifs Gedidt- | dem Sinne, daß Hans Sachs die Duelle für Martin Greifs Deutjch
fammlung zum 5. Mal in die Welt hinausgehen durfte, fann | it. Die Liebe M. Greifs zu Hans Sachs ift zunächſt ein Beweis
jetzt der Leipziger Verleger €. F. Umelang es unternehmen, dafür, dab der Dichter des 19. Jahrhunderts wünſcht, zu dem
die gefammelten Werte Greifs (in drei Bänden, Preis großen Vollsdichter des 16. Jahrhunderts in ein gewifies perſön—
12 Mark) herauszugeben. Hier werden, ald Band I, die Bedichte | liches Berhältnis zu fommen; wie verwandt müfjen beide
in 6. Auflage erjcheinen, Band II und III aber wird die zahl: ihrem Wejen, ihrer Natur, ihrem Streben nach) fein, wenn das
reichen dramatischen Werte Greifs — die Frucht M jähriger möglich ift! Und daß dies möglich ift, dafür giebt einen Beweis
Dichterarbeit — enthalten. Wenn wir an diefer Stelle einige | unfer Altmeifter Goethe, der aud vom früher Jugend bis in
von Martin Greifs Dichtungen nur mehr von der ſprachlichen fein Höchjtes Alter Hans Sachs liebte, verehrte, verherrlichte
Seite betradten, fo geſchieht es, weil aud) wir im deutſchen und — wir fommen wieder auf das ſprachliche Gebiet — aus
Sprachverein alle Urſache haben, uns diefes wachfenden Erfolges | Hand Sachſens Sprache immer wieder ſchöpfte und lernte,
innig zu freuen und nad) Kräften dafür zu wirfen, daß M. Greif | Beide Dichter fühlen ſich zum alten Nürnberger Meijter
noch viel befannter wird. Denn auch in feiner Sprache ift er | Mpradlic bingezogen, weil Hans Sachs mit feiner ganzen
ein durch und durch deuticher Mann. Sein Deutſch iſt ein fo Sprade und Anihauung aus dem Ürquell echt deutſchen
prächtige8 und herzbaftes Kerndeutſch, daß von ihm die Worte | Welens ſchöpfte: aus dem Gemüt und Geifte des deuts
Goethes auf Hans Sachs gelten: ihen Volkes. Hans Sachſens Kunſt war eine Vollskunſt,
Nichts verfindert und nichts verwißelt, jeine Sprache eine Vollsſprache: feine Negung jener großen Zeit
Nichts verzierlicht und nichts verfrigelt. mit ihrem Kämpfen und Ringen, ihrem Jauchzen und Klagen
Dichter wirken für die Sache des deutichen Spracvereind auf | blieb ihm fremd. Dies alles findet, wenn auch verjdieden
ihre Weife; von unferer geichäftigen Art zu werben, zu fämpfen, | jtark, feinen Abglanz in des Dichters Sprache. Hand Sachſens
zu predigen halten fie fih fern und dürfen es füglich thun. Dafür | Sprace iſt ein Spiegel, in dem fid) das Leben jener jung:
aber geben fie uns bichterifche Werke; dafür jtellen fie das, was | frifhen und geiftesgewaltigen Zeit verftändlicher und reiner wider
wir erjehnen, leibhaftig vor ums Hin: em zum Herzen iprechendes | ſpiegelt al& fonjtwo — das ift der tiefere Grund für die Liebe
Werk in reinem, edlem deutſchen Gewande. Sie find die ges | eines Goethe, eines Martin Greif zu Hans Sadjs. Sie fühlten,
251
Zeitſchrift des allgemeinen dbeutihen Eprapereind, X. Jahrgang.
1895. Nr. 12,
252
daß in diefer Mnorrigen, herben Sprache, die oft nach heutigen
Begriffen nichts weniger als jchmeichelnd ins Ohr klingt, in diejer
Sprache voll Erdgeruch und ftrogendem Leben — daß da all
jene echt deutichen Charakterzüge leben, die uns aud) die Geſtalten
eines Luther, eines Hutten, eines Göt von Berlichiugen fo heimifc)
und jo lieb machen, dab uns dabei warm ums Gerz wird und
wir die Gewißheit haben: Sie find Fleiſch von unſerem Fleiſche
und Blut von unſerem Blute.
Ja, dies fpradliche Antnüpfen an die Reformationszeit hat
noch einen anderen Sim. Wohin ſollte ein Herder, ein Goethe,
ein Bürger und wie fie alle heißen, fi fonft wenden, um dem
Urquell deutſchen Weſens nahe zu fommen? Die Nitterzeit mit
igrer Kunſt- und Spradhblüte war zumeift unter Schutt und
BVergefienheit vergraben. Auch lagen dieje Volls- und Nitterepen,
ebenjo die Minnelyrik, zeitlich ja noch viel weiter zurüd. Ohne:
bin hat das ganze Mitterwejen, aud wenn wir von feinen
ſchlimmſten Auswüchſen abjeben, doch etwas Undeutſches, Fremd—
artiges an ſich. Ferner ſehlte es der Ritterzeit ganz an einer
ſchmiegſamen deutſchen Proja und einem lebensvollen Drama.
Da lonnte ſich das mächtige Sehnen der deutihen Bruft in
der Reformationszeit doc) befriedigender ausiprechen! In diefer
Beit ſtand ja ſprachlich meben der Yutherbibel, den Liedern
und Gtreitfchriften des Weformators ein Hans Sachs, neben
diefem ein Fiſchart, das deutjche Boltsdrama zeigte in Faſt—
nachts⸗ und anderen Spielen verheifungsvolle Keime; neben
alledem jtand eine unerihöpflic reiche Schwant- und Erzählungs-
literatur, endlich trieb das deutiche Vollslied noch immer jeine
frijchejten und üppigiten Blüten. Welche reiche Zeit alfo ſchon
fprahlih! Was war denn für einen Goethe ſprachlich etwa aus
dem traurigen 17. Jahrhundert, dem des gröhten nationalen
Elends, zu holen, wo die Schmach der Ausländerei aud) über
unfer geliebtes Deutich hereinbrach? So ging denn der junge
Goethe auf Hans Sachs und jein Jahrhundert zuräd. Und wer
wollte beftreiten, daß der Dichter des ausgehenden 19. Jahr—
bunderts gut thut, abermals zu jenem Jungbrunnen deutichen
Weſens und deutſcher Sprache, zum Neformationszeitalter und
feinem größten dichterijchen Vertreter Hans Sachs zurüdzufehren ?
Das jcheint mir der wahre Grund der inneren und jprachlichen
Berwandtihaft auch zwiſchen Martin Greif und Hans Sachs zu
ſein. Möchte der alte deutiche Vollspoet jo nod oft eine fröhliche
Auferſtehung feiern! Möchte er noch oft aufleben in nadıgeborenen
Dichtern; aber nidjt etwa derart, daß fie ihn blind nachahmen,
nein, fondern ihm nacheifern an Reinheit und Deutjchheit der Ge—
finnung und Sprache.
Martin Greif gehört zu denen, denen dies beſchieden ward.
So ift es denn eine Freude, Greiſs Hans Sachsdichtungen zu
leſen. Aber wir dürfen freilich nicht darüber hinwegeilen, mie
wir feider nur allzufehe gewöhnt find, mit jenem flüchtigen
Augenlejen. Da werden wir ihnen nicht geredyt und bringen
uns um den Genuß! Dft it M. Greifs Sprache nicht das,
was man heute im landläufigen Sinne ſchön nennt. Wortgeſäuſel
und Schwelgen in blokem, unklare Stimmungen erwedendem
Wohlklange hat bei ihm feinen Platz. Wiederholt leſen, ver:
tiefen, verjenfen müſſen wir uns in feine Dichtungen: je häufiger
wir es thun, deito mehr Schönheiten werden uns fund, deito
mehr dringen wir vor zu der tiefen Weisheit und gereiften Lebens—
erfahrung, die der Dichter bejonders in fein Dans Sachs—
Drama von 1804 hineingelegt hat. Ach möchte glauben, daß
faum in einer anderen dramatischen Dichtung Greiis mehr von
feinem Herzblut, von feinem eigenjten Innenleben, Kümpfen und
Ningen jtedt, als in diefem Feſtſpiel. Die Sprache von Greifs
Feſtſpiel bewegt ſich in bald leichten, bald gebanfenfchweren, bald
behaglichen, meiſt vierhebigen Meimpaaren, einer Bersart, die
uns aus Goethes Fauft, feiner Legende vom Hufeiſen, feiner
| poetiihen Sendung Hans Sachſens ufw., fowie aus Sdilers
Lager Wallenfteins fo vertraut it. Die Sprache von Martin
Greifd Drama ijt in hohem Grade bilder= und gedaulenreich, fie
ift vollstümlich ſüddeutſch gefärbt, treuberzig, gemütvoll. Bir
begegnen zahlreichen Stellen, wo der Gedanfe fo golbtlar und
rein geprägt ericheint, daß joldye Verſe wert find, ohne weitere?
fleißig gelefen, genofien, gelernt werden! Sie können nur die
bejte Wirkung thun, aud im Sinne des deutichen Spradwereins;
denn wieviel ſchönes altes Spradigut, das der Wuſt ber Jahr:
hunderte dedte, tritt uns bier in Friſche und Lebendigkeit, mit
unverminderter Lebenskraft entgegen! Dichter wie Greif vermögen
auch heute jold altes Spradgut wieder als klingende Münze
unter die Leute zu bringen! Wem das ältere, marfige Deutih
vertraut ijt, oder wer mit unverkünftelten, natürlihen Sinnen an
M. Greiis Dichtungen herantritt, dem wird gar wohlig ums Ser;
bei ihren ſchlichten, tiefen, vollen Klängen; ja dem ertveden jie
in der Bruft Saiten und Regungen, die im Drang, im der Halt
der täglichen Geſchäfte nur zu oft verftummen müjjen: M. Grei
erhöht umd erhebt den Leſer! Und das thut er, weil das Ge
wand feiner Dichtungen, feine Sprache, fein zufällig angezogener
Rod, womöglich nach neueftem Zuſchnitt ift, fondern weil feine
Sprache der reine Ausdrud feines inneren Weſens ift (M. reift
Hans Sadıs 1894 ©. 7 und 8):
Kein Ieer Getön, fein mühger Schwall,
Beziehung waltend überall,
Da num des ernjten Lebens Frucht
Ihm wird zum Gleichnis ungejucht
Es fann fein Guß jo glodenrein,
Auf einen Ton geftimmter fein:
Des Höchſten Lob, des Nächſten Heil,
Sie haben einig an ihm teil.
.„re.r*
Die Einweihung des Grabdentmals für
Rudolf Bildebrand.*)
Am Sonntag den 13. Oftober 1895 mittags verfammelte fih
auf dem Hohannisfriedgofe zu Leipzig eine ftattliche Zahl von
Verehrem und freunden des am 28. Oftober 1894 verjtorbenen
Profeſſors Dr. Rudolf Hildebrand nebit defien Hinterbliebenen,
um das jeinem Andenken gewidmete Grabdentmal zu weihen. Der
Feier wohnten Vertreter der Städte Leipzig und Mündjen, Ober:
bürgermeiiter Dr. Georgi, eine ganze Reihe Univerjitätsprofefioren,
Rektor und Lehrer der Thomasihule, wo Hildebrand einjt gelemt
) Rudolf Hildebrand, der hervorragende Leipziger Lehre
der deutichen Sprache und Xitteratur, war, wie unferen Leſem
erinnerlich fein wird, ) auch ein treuer Freund der Sadıe dee
deutichen Spradjvereind. Als 1889 die 41 » Führenden« mit ihrer
Berliner Erklärung gegen unſern Berein vorgingen, da war t#
Hildebrand, der ihnen in ebenjo feiner wie wirfiamer Weije ent
gegentrat und ihre Angriffe entfräftete. Der Verein brachte dem
großen Gelehrten, der bisher dem Gejamtvorftand als Mitglie
angehört hatte, an jeinem 70. &eburtstage, d. 13. März 1594, einen
Slüdwunjch dar, deſſen Begründung und fung Hildebrand
jehr erfreute. Das Grabdentmal für den Verewigten, zu dem
auch unjer Verein einen namhaften Beitrag geipendet hatte, it
| mum geweiht worden; eine Nadyricht über die
Leſern willtommen jein.
|
|
|
|
in den Zitatenſchatz unjeres Bolfes Überzugehen.
Möchten Greiſs Hans Sachs- und andere Dichtungen rech
ter wird unſeren
*) Mau vergleiche den ihm ibmeten Nachruf » Zum Gedächtnis An:
bolf —— dieſer — 1895 Ep. 1—9. 9
253
und gelehrt hatte, fowie viele freunde und Schüler des Ber-
ewigten aus bem Lehreritande bei. Die Feier begann mit dem
Gefange des Thomanercdores, während deſſen die Hülle vom Grab:
denfmale fiel. Die Grabftätte war reich mit Blumen, Kränzen uſw.
geihmüdt; aus ihrer Mitte erhebt fich der ftattliche Denlſtein
aus dunklem fchmebifchen Granit, der an feiner Borderjeite das
Bildnis des Verewigten in Medaillonform und die Inſchrift trägt:
»Rudolf Hildebrand 1824--189. Zum Dank für deutiche
Gefinnung, Forihung und Lehre. Gewidmet von Schülern
und Fremden.e Das Bildnis iſt aus hellem, aber nicht
biendend weißem griechiihen Marmor von der Meijterhand
Karl Seffners bergeitellt, eines jungen Leipziger Bildhauers,
der zwar Hildebrand nie geſehen, aber trogdem nach Photo-
grapbien ein treffliches Wert aefchaffen hat, dem jeder, der Hilde:
brand fannte, eine aufergewöhnliche Lebendigkeit und Treue nach—
rühmen muß. Die Feitrede, mit der das ſchöne Denkmal den
Hinterbliebenen und der Stadt Leipzig übergeben wurde, hielt
Brofefior Dr. Konrad Burbach aus Halle, einer der älteften
und namhafteſten Schüler Hildebrande. Er entwarf ein trefi-
liches Bild von Hildebrands Leben, Wirken und Leiden, von
feinem Charakter, feinem Entwidelungsgang und feiner Eigens
art, die ihn dazu führte, die Philologie mit der Philoſophie, vor
allem der Ethik, dann aber ganz bejonder® mit dem Leben
zu verbinden. Dies that Hildebrand, indem er mehr al® andere
Univerjitätslehrer auf und für die Schule einwirkte. So ward
er ein Lehrer Deutichlands wie wenige feinesgleichen und hat mit
feinem echt deutſchen, ebfen, milden und im Grunde genommen
dichteriihen Wefen tiefe Spuren feines Wirkens im deutichen
Geiftesieben Hinterlajien. — Nachdem der Sohn des Verewigten
namens der Hinterbliebenen das Denkmal übernommen, in bes
wegten Worten jeinen Dant ausgeiproden und gelobt hatte, das
ſchöne Wert zu begen und zu pflegen, jchloß ein erneuter Geſang
des Thomanerchors die freier, die durch einen milden, gedämpften
Dimmel begünftigt wurde.
Dresden. Julius Sahr.
Ergebnis der Umfrage wegen Schreibung von Straßen-
namen,
Bon Dr. J. Ernft Wülfing in Bonn,
Auf meine Umfrage vom Januar d. J. babe ich 83 Antworten
erhalten. Allen, die fi der Mühe unterzogen haben, fei bier
verbindlichit Dank gejagt!
Über die 11. Frage, die ſich mit der Verdeutſchung der
Strahennamen beihäjtigt, werde ich jpäter berichten. Für einen
ausführlichen Bericht über die erjten zchn fragen hat mir
bie Leitung leider feinen Raum zur Berfügung ftellen können,
id; mu mid daher darauf beſchränlen, dad Ergebnis ganz
turz bier mitzuteilen.*)
Bon drei ———— wurden bei Beantwortung der 10. Frage
andere Einteilungen vorgefchlagen; ich babe mit Berückſichtigung
diefer VBorichläge eine neue Einteilung gemacht, die ich bier nebit
den Borjchlägen zu richtiger und einheitlicher Schreibung vorlege.
Die Straßen werden bezeichnet:
1. Durch ein einfahes Hauptwort; 4. B. Kaule. — Schrei-
bung natürlih: Ein Wort, aud) wen das Wort urjprüng:
lid) aus zweien bejteht, aber von Alters her als ein Begriff
gilt, 3. B. Sandlaule, Belderberg.
2. Durch ein Hauptwort mit davorjtehendem Verhältnis:
wort; z. B. Unter Tajchenmaher, Im Roſenthal, An der
Wachsbleiche; oder auch — wie in Strahburg i. E. — durch
aanze kurze Säße, 5. B. Brand ein End, Wo der Fuchs den
*), Der ausführliche Bericht wird in einem ber nüächiten
Hete der »Börenzboten« erjcheinen.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Epradvereine, X. Sabrgang. 1895. Nr. 12.
Enten predigt. — Screibung: Die natürliche, beim Drud
der Veifpiele hier angedeutete.
3. Durch zwei Wörter, von denen das erite ein Eigenſchafts—
wort Ir 3 B. Grüner Weg, Breite Strafe, Grimmaiſche
Straße, Metzer Platz. — Screibung nur: Zwei volljtändig
getrennte, felbjtändige Wörter.
Unterabteilung: Bezeihnungen wie Lange Bequinen-
gaſſe, Schmale Brüd-Straße, bei denen das Eigenſchaftswort
ſich auf Gaſſe, Straße uf. bezieht, nicht etiwa auf den erjten
Beitandteil der Zufammenfegung (wie z. B. in Welſchlenonnen-
Strafe). — Schreibung: Das Eigenihaftswort vollitändig
abgetrennt, die Zufammenfegung nah Maßgabe der unter +4.
verzeichneten Regeln.
4. Durch ein zufammengefeptes Wort.
a) Das beitimmende Wort iſt der Stamm eines Zeitwortes,
3 B. Schießbleiche (Zittau), Drehgafje*) (Zittau), Spül—
gaſſe (Wefel), vielleicht auch Bauſtraße (Weiel und Elber—
ſeld“). — Schreibung: Siehe d. «.
b) Das beitimmende Wort ift der Stamm eines Eigenfchaftes
twortes, 3. B. Langgafje, Neuftrahe, Hochſtraße. — Schrei—
bung: Siehe d. «.
e) Das beftimmende Wort ift ein gewöhnliched Hauptivort,
4. B. Tiergarten» Strahe, Bahnhof= Strafe, Wald- Strafe,
Sarten= Strafe ufm. — Schreibung: Siehe d. «.
d) Das bejtimmende Wort ift ein Cigenname:
«) Ein einfacher Eigenname: Karl:Strafe, Abdolf+Str.,
Bismard-Str., Schumann-Str., Franzisfaner- Str.,
Hohenzollen: Str., Wettiner: Str. (= Straße der Wet:
tiner, nicht nach Wenin). — Schreibung (für a, b, ec
und d, e}:
Entweder in einem ungetrennten ®orte, alfo: Schief-
bleiche, Langgaſſe, Tiergartenftraße, Karlſtraße;
oder in zwei durch Bindeſtrich verbundenen Wörtern,
alſo: Schieß-Bleiche, Lang-Gaſſe, Tiergarten-Straße,
Karl⸗Straße. (Dieſe Schreibung empfiehlt ſich ihrer
größeren Deutlichleit wegen namentlich auf den Straßen⸗
ichildern).
P) Ein mehrfaher Eigenname, 3. B. Karl: Anton» Strafe,
Ernit = Ludiwig- Straße, Augufta - Biltoria= Strafe (Dr. =
Fleischer: Straße). — Schreibung: Mit zwei Binde-
ſtrichen.
5. Durch ein zufammengefeptes Wort, deſſen erſter Beſtandteil
wieder aus einem Eigenſchaftewort und einem Haubtworte be—
jtebt, 3. B. Heiliggeift -Str., Heiliglreuz - Str., Gelbhirſch-Str.,
Blaunonnen-Gaſſe. — Schreibung: Am beiten wohl wie
angedeutet, damit die unangenehme Zweideutigkeit der Schrei:
bung Blaue Nonnengafje, Gelbe Hirſch-Straße uſw. um—
gangen wird.
Bas follen unsere Zweigvereine nun in ihren
Städten zu erreihen ſuchen? — Nun, zunächſt die Befol-
gg der mitgeteilten Negeln, wie auch ridtige Anwendung des
indejtriches überhaupt; giebt es doch wirklich kaum noch Schilder
irgend welcher Art, auf denen diejer Heine Unhold nicht mindejtens
einmal dajtcht, wo er nicht joll, und da nicht, wohin er gehört.
Vor allem möge auch nicht weiter geduldet werden, daß auf neuen
Strafenihildern der Bindeftrih überall unterdbrüdt wird, Zu
vermeiden juchen joll man, daß die unter 1 und 2 beiprochenen,
meist gefchichtlich und kulturgeſchichtlich wertvollen Straßenbezeich⸗
nungen (vgl. Ztichr. vom vor. Jahre Sp. 117, Abi. 3), die auch
das Bolt in feinem gefunden Sinne nod immer beibehält, will»
fürlich verändert und entitellt werden.
Aber wie follen wir ed erreihen? — Landgerichtärat
Bruns (Torgau) ſchreibt:? Es empfiehlt ſich, zur Erreichung des
Zieles, dab die Straßennamen richtig geichrieben werden, mit
den Malerinnungen und den Zeitungsleitungen in Ber
bindung zu treten. In Städten, die ſich ausdehnen, miüfien die
dort beitchenden Spradjvereine dahin wirken, daß dent Sp. 35 (1805)
aufgeftellten Grundſätzen fowie den Sp. 114— 119 (1894) bars
) »Nlte Bezeichnung einer Sadgaffe, in der man umwenden
und auf derfelben Seite hinausfahren mußte.«
) Blech: Strafe gehört wohl nicht, wie in der Eiberfelder
ntiort angegeben wird, hierher, ſondern ift aus »Strahe an
der Bleichle)« entjtanden.
gelegten entfprochen twerbe, wenn neue Strahen benannt werben.«
Das find allerdings drei wichtige und beherzigenswerte Winke.
Die Spracvereine mühten in der That die ftädtiichen Behörden
auffordern, die Annahme falſch geichriebener Schilder zu ver-
weigern; denn woher fommt der Mägliche Nüdichritt, daß vielfach
bei den älteren Schildern die Scjreibung noch richtig, bei den
neueren aber falih ill, wohl ander& als daber, daß bei den
Mafienbeftelungen folder Schilder die Screibung ber berzuitel-
lenden Aufichriften, und dann in der Fabrik ihre Herilellung
Leuten überlafjen wird, die feine genügenden Sprachkennmiſſe
dafür haben? Gut wäre auch, wenn den Fabrilen, die ſolche
Schilder herftellen, die »Regeln« zur gefl. Beachtung mitgeteilt
werden könnten.
Endlih: Was ift fchon erreiht worden?
Berichte aus Czernowiß (vgl. Ep. 150 df. Jg.) geht hervor, daß ber
Herausgeber des —* Adreßbuches ſich bereit erflärt hat, in
der nächiten Ausgabe die wenigen Fyehler, die ihm vorgeworfen
worden, zu verbeflern. — Bon Neicyenberg heißt es bei frage 1:
>Der Zweigverein R. hat gelegentlidh der Herausgabe eines neuen
Adreßbuches unter YZugrundelegung mebenitehender Beröffent:
lihungen betreffs jprachrichtigen Drudes der Strafennamen ers
folgreih Einfluß genommene — Bon Bonn haben wir jchon
f. 8. mitgeteilt, dah unser Oberbürgermeifter, der auch Mitglied
unieres Bereins it, fowie der Bürgermeijter von Poppelsdorf die
Berüdjihtigung unjerer Wünſche zugefagt haben und, wie es
fcheint, aud) ausführen. — Das ijt vorläufig wenig, beweift aber, |
daß mit dem nötigen guten Willen überhaupt etwas zu erreichen ift.
Zprechſaal.
Bitte um Verdeutſchungen!
Der Gaſtwirt »zur roten Kanne · in Bonn, Herr Peter Spindler,
bat feine Speifelarte verdeutiht. Nur zur Annahme einiger
Verbeutichungen bat er ſich nicht entichliehen fünnen, und wir
mũſſen geitehen: mit einem gewiſſen Recht. So ſagt er, feine
Gäfte würden erjtaunt fragen, ob er fein Beefiteaf habe, wenn
dieſes Wort nicht auf der Starte ſtehe; und aucd zu »Mindjtücd
(Beefiteat)«e oder »Nindfchmitte (Beefitealt« konnte er fich nicht
entichließen, da beide Ausdrüde nicht pafiend feien; er empfiehlt
nun die Verdeutfchung ⸗Lummerſchnitte«, wie er für Filet in der
That » Lummerbraten« eingeführt hat; es ift dies ein bier ganz
gebräuchlicher Ausdrud; und zwiſchen Lendenbraten — was ges
wöhnlih als Verdeutſchung von Filet vorgeichlagen wird — und
Lummerbraten ift ein großer Unterichied. Lummerſchnitte würde
das Weiche und Saftige des Beeſſteals wohl auch befier aus—
brüden als das etwas troden Hingende »Nindaftüd«e Auf einer
anderen Speifefarte ſahen wir fürzlih das Filet durch » Ochien-
mürbebraten« bezeichnet: ein etwas langer Ausdrud. — Ferner
juht Herr Spindler nad einem bezeichnenden Worte für Compote,
wenn dies, wie auf feiner Karte, ſowohl eingemadjtes als friſches,
gefochtes oder geihmortes Obſt bedeuten ſoll; die bisher vor-
geſchlagenen Ausdrüde » Eingemachtes, eingemadte Früchte, Dünft:
objt oder Dunitobit, Schmorobite und das leider zu allgemeine
nordojtdeutiche »Beilage, genügen diefen Anſprüchen nicht. —
Daß Herr ©. ſchließlich den »fauren Olguß für Mayonnaife nicht
einführen mag, lann man ihm nicht verübeln; auch hier wäre
ein jchönerer und bezeicdinenderer Ausdruck erwünscht, —
Nr. 6 Sp. 149) vorgeſchlagenen Bezeichnungen » Modewaren« und
» Modehandlung« für »Modes«, und »tüctige Arbeiterinnen« für
»perfelte Arbeiterinnen« find beanitandet worden. (Es wäre und
deutichungen veröffentlicht würden.
Unſer Mitglied, Herr Hermann Behrendt (Antiquariat und
Buchhandlung), hat ſich bereit erflärt, das Fremdwort Antiquariat
zu vermeiden, jobald ihm eim trefiender deuticher Ausdruck dafür
geboten wird. Die Bezeichnung Altbuchhündler für Antiquar, die
unfer 3. Verdeutſchungsbuch giebt (alfo Altbuchhandlung für Anti:
quariat), würde wohl mur auf Annahme redinen fünnen, wenn
fie vom Buchbändferverein gleichſam amtlich feitgeitellt würde. |
Aber: »Altbuchhandlung und Buchbhandlung«!?
Der Bonner Zweigvereinsvorſtand.
(3.9: Dr. Wilfing.)
Die Leitung d. 3. bittet um Vorfchläge zur Verdeutſchung
des Wortes actuell. j ß
Aus einem |
‚ Nailel, die reim deutich abgefaht find.
Die für unfere » Spradhede« (vgl. » Aus den Amweigvereinen« | o
256
Rleine Mitteilungen.
— Bon den Einundvierzig, welche vor ſechs Jahren die »Er-
Härunge gegen unſern Verein veröffentlicht haben, find belannt:
lid) mehrere in fid) gegangen, jollten fie e8 auch nicht Wort baben
wollen. Zu Ddiejen gehört aber niht Ostar Jäger. Zwat
zeigt die von ihm verfahte Adrefje, welche die höhere Lehrericait
Preußens dem Fürften Bismard am 8. April d. I. überreicht hat,
da er ein ziemlich reines Deutich*) fchreiben kann, wenn er will,
und daß er es will, wenn die Umſtände es gebieteriich fordern.
Sonſt aber fegt er troß der fchärfiten Zurechtweifungen, die ihm
wiederholt, auch in diefer Zeitichriit, zu teil geworden find, die
ihm bequeme Spracdymengerei unbeirrt fort, wettert jogar gelegent-
lich, 3. B. in der Zeitichrift »das humaniſtiſche Gymnaſium«, 1895
Heit 1 S. 25, gegen die »puriftiiche Modekrankheit, bei der jeft
die Geſchmackloſigleit wahre Orgien feieree. Bor kurzem nun bat
ihn ein Freund getadelt, und auf den wird er vielleicht mehr
hören. W. Schrader ſchreibt in derjelben Zeitichrift, 1895 Heft IU
S. 111, am Schluß einer Beipredung der Jägerjchen » Didatıit
und Methobit des Geichichtsunterrichts«:
»Endlich möchte ich meinem verehrten Freunde anheimgeben,
vor ber Hoffentlich bald nötigen neuen Auflage feinen Ausdrud
etwas reiner von Fremdwörtern zu halten: reproduzieren, fon-
ftruieren, orientieren, datieren, detailliert, outriert, operiert,
erperimentiert, Faltum, utilitariicher Charakter, das häufig
wiederfehrende Nepetition —, alles diejes läht fi durd
bejjer flingende deutfhe Wörter völlig klar und noch
ihärfer ausdrüden. Ich bejorge faft, daß der junge
Lehrer beim eifrigen Leſen des Buches ſich dieie Aus:
drüde felbjt aneigne und gelegentlich in den Unter:
richt übertrage, was nicht ſehr löblich jein würde.
— Ein Beifpiel von bodenlofer Spracdhmengerei findet ſich in
einer Anzeige der »Neuen freien Prejje« vom 5. Nov. d. }.,
in der es heißt:
»Vente de meubles.
Mine. M. aus Paris wünſcht wegen Überfiedelung an Privat:
Parteien jofort einen großen Teil ihrer Wohnungseinrichtung zu
verfaufen. Verläuflich find folgende Objelte: Une chambre &
eoucher mit Augehör, rideaux, edite Smyrnas und Perier
Teppiche, salle A manger, edit Meißner Service, completer
Salon mit feinen Tableaux, bronzes und objets d’art, Herren
zimmer (italienisch geichnigt), echte Ledermöbel, Hängelampe,
giraudoles, pendule et candelabres saxe, Garderobefäjten, wie
viele objets de valeur.«
In erfreufichem Gegenſatze zu dieſem abicheulfichen Sauber:
welih stehen die Ankündigungen ber Königs» Schente zu
Da heißt es: »Eine
reihe Auswahl in allen Feinſpeiſen der Jahreszeit« (ſonſt doch
Delicatessen der Saison) und »auserlefenen« Weinen (ftatt ex-
‚ quisiten), »urſprünglichen Flaſchenfüllungen eriter Gewächſe- (itatt
lieb, wenn anderswo beftehende oder mit Erfolg eingeführte Ver: |
Original- uw. Crescenzen), und auf, einer Poſtkarte des Befikers
finden wir die gut gemeinten Verſe gedrudt:
Warum du Schenfe biſt genannt?
Weil, mitten drinnen im deutichen Land
Wir leiften Verzicht auf welſchen Tand!
Die deutfche Spracde, fei ohne Sorgen,
Braucht von der Fremde nichts zu borgen;
Wem's nicht behagt, der fomme morgen!
*) Der Etil freilich it nicht mufterhaft. Zwei Miejenfäpe in
der Mitte, die fajt die Hälfte der Mdrejle ausmachen, find beim
erjten Velen und waren ficher auch beim Hören (der Berfaffer lat
die Adrefie dem Fürſten vor) faum zu überjehen,
257
Bücherſchau.
— Dr. J. W. Nagl, Deutſche Lehnwörter im Czechiſchen.
Sonderabdruck aus Stieböcks Alt-Wien III. Jahrg. Wien 1894,
Gilhofer und Ranſchburg. 518. 8°,
Es ift erklärlich, daß die Völter, die Jahrhunderte lang von
deutſcher Kultur nen waren, auch aus dem deutichen Sprad)s
ſchatz entlehnt haben; jen, 2etten, Litauer, Polen und Czechen
weijen in ihren Wörterbüchern viel deutiches Spradigut auf. Die
Ezehen wohl am meijten. Das lehrt uns recht deutlich das Büd)-
lein des Wiener Philologen W. Nagl. Derjelbe hat ſchon früher
über die » Beziehungen zwiichen dem öſterreichiſchen und dem
dechiſchen Dialeet« gehandelt (1857) und bat damals gezeigt, wie
ber Gzeche ſich das Deutſche nach Lauten und Begriffen anpaht.
In feiner neueren Arbeit zählt er die entlehnten Worte nad) Be-
griffsgruppen geordnet auf. Es ift ihrer eine große, kaum vers
mutete —* Freilich find nicht alle Herleitungen Nagls über
Zweifel erhaben; manche halte ih — ohne der ſlawiſchen Sprache
mächtig zu ſein — für entſchieden unhaltbar, ſei es wegen der
Form, fei es wegen der Bedeutung*), fei es wegen beider; bei
manchen jpricht das nächſte beite Wörterbuch, etwa der ruffiichen
Sprache, dagegen. Doch find die unzweiſelhaft entlehnten immer:
bin bei weiten in der Mehrzahl. Nagl nimmt mit Recht an,
daß ein großer Teil der in frage kommenden Wörter im leben:
digen Verkehr der unteren Stände ausgetaujcht wurde, alſo
T. in mundartlicher Form, nicht in der ichriftiprachlichen. Es
Batten aber außer der öfterreichiichen Mundart, die der Berfafier
fo ficher beherricht, die anderen Grenzmundarten etwas bejtimmter
behandelt werden müſſen. N. ſpricht oft von Entlehnung aus
dem »Morddeutichen«, aber wie kommen die Böhmen in Be:
rührung mit Norbdeutichland? N. meint wohl mitteldeutiche
Dialelte. Nur einmal, jo viel ich fehe, nimmt er bei einem
Worte, das ı ftatt des nhd. ei zeigt, an, daß es vor der nhd. Zer—
dehnung des i in ei entlehnt jein lönne, jonjt gemügt ein ſolches
i, um »norddeutiche« Herkunft zu erweifen; -en- für -in 3. B. in
lente Linfe wird einer nordd. Mundart zugewiefen; es findet ſich
im öfterreichiichen Schlefien.
An diefer Stelle wird es geflattet fein, zu rügen, daß Nagl
anz unnötiger Weife das unſchöne und kaum vihtig gebildete
vemdbwort Bhonetismus gebraucht, wo doc »Kautitande,
DEREN mindeſtens ebenfo gut und jedenfalls geläufiger
ren.
Ic hebe zum Schlufje nochmals ausdrüdlich hervor, daß Nagls
Schrift außerordentlich fleißig gearbeitet ijt und auf eigenen Bes
obachtungen beruht, daf fie anregt, auch wo fie Über die Grenzen
des Beweisbaren hinausgreift.
Würzburg. D. Brenner.
— Deynhaujen und jeine Indikationen. Feſtſchrift
bei Gelegenheit des fünfzigjährigen Jubiläums des Bades, heraus:
gegeben von den Ärzten des Bades. Öynhaufen 1895. Druck
der Ibershoffſchen Buchhandlung. 32 S. 8°.
Es find nicht die fremden Fach ausdrücke, die mid in diejer
Feſtſchrift ftohen; ich habe ſogar für Beibehaltung folcher ſchon
öfters eine Lanze gebrochen (vergl. Zeitichr. IX 69 f., Trier) und
bin der Meinung, daß befonders ber Heilfunde in diejer Hinficht
weitgehende AZugejtändnifie gemacht werden müſſen. Es fommt
mir aber jo vor, als ob Ärzte es liebten, auch ſonſt undeutſche
Ausdrüde anzuwenden und der Gemeinverftändlichteit vorfichtig
aus dem Wege zu geben. Daß diefer Eindruck durch die in Rede
ftehende Feltichrift nur verftärkt werden konnte, dürften folgende
Proben aus dem Vorworte begreiflich mad)“, das übrigens auch
in feinem Deutich auffallende Mängel zeigt:
»Wir Ärzte in Oeynhaufen haben im verjlofienen Winter eine
Anzahl Sigungen abgehalten, um die landläufigen Andifationen
für die hiefigen Kurmittel auf Grund einer Vergleichung unferer
therapeutifchen Erfahrungen zu revidieren und zu amendieren. Die
nachfolgenden Blätter find Ergebnis unferer Diskuſſion. Das:
felbe wurde von einem Redaktionstomitee abgefaht und wird fo
unferen Kollegen draußen als ein gemeinichaftlihes Elaborat, als
konzentrierter Ausdruck unferer Gefamterfahrung überreiht . . .«
»Der Hurgarten hat in Beziehung auf Ausdehnung, zierliche
Anlage, Beitand an alten, jchönen Bäumen, an Kombination
*) So vor allen tovar = Waare aus » Tagiwerl« hergeleitet,
Zeitfgrift des allgemeinen deutihen Spradvereind. X. Jahrgang. 1895. Nr. 12,
258
(Beitand an Kombination!) von Wiele, Beet, Bostett ufw. faum
einen ebenbürtigen Rivalen in den Hurorten Deutichlande, Der
Garten ift im Mittelpunkt des Murortes, bietet reinjte Luft, ans
mutigen Blick auf die Landſchaft der — *— (!), trodne, durch⸗
läffige Wege, Ruhe. Er iſt Sammelplap für diejenigen, Die
einjam (!!), und diejenigen, die gefellig leben wollen, und bietet
Raum und Behaglichteit einer Gejellichaft von Taufend (fo! joll
wohl »von Taujenden« heißen). Man findet gewiß felten eine
Er geeignete Gelegenheit (!) für den Mufenthalt im
teien ...*
»Wir finden auch im Winter alltäglich eine Reunion von Rolls
jtuhlpatienten im Kurgarten ſich unterhaltend und ihr Krank—
heitsleben verfürzend (!!!). Am Winter 1894 war ein Bade—
baus für Winterfranfe geöfjnet, wie jchon zwei Jahre vorher ein
für gleichen Zwed (!) vorhandenes elegantes Sanatorium . . .«
Fas Borwort flieht: »Deynbaufen liegt am Ende des erjten
Viertel der Eifenbahnftrede Hannover s Hamm» slöln und ift
aukerdem Station der Löhne Vienenburger Eifenbahn.« Danad
muß es in Deutichland liegen, aber aus der Sprache jeiner Ärzte
jollte man auf das Gegenteil ſchließen.
Trier. Friedrid van Hoffs.
— 8. Wolferts, Vereinfachte Amerikaniſche Buchfüh—
rung für Gewerbtreibende ind Kaufleute. Barmen,
Hugo Klein. 1894.
Vom Standpunkte des Sprachvereins ift aufs mwärmite zu
loben, daß der Berfafier ſich unnötiger Fremdwörter enthalten
bat, dabei aber Mähigung walten läht und mande, einftweilen
ſchwer zu verdeutichende Fachausdrücke beibehält, um verjtanden
zu werden. Die Daritellung am ſich ericheint nicht ganz jo rühm-
lich. So begründet jie (Seite 4) nicht, daß die » Lieferanten« für
Abzüge »belajtet« werden, wo man ihnen wohl folgerichtiger die
urfprünglichen Wertbeträge, um diefe Abzüge verkürzt, »gutbringen«
jollte. Mit anderen Worten: mangels ausreichender Erklärung
des abweichenden Verfahrens, gehörte ald Abzug »innerhalb der
Beile« nach rechts, was Herr ® lints »auswerfen« will. Seite 5
redet der Berfafler von »abgehenden« Rechnungen, wo wohl rich-
tiger »ausgehende« ftünde, als wirklicher Gegenjag von »eins«,
auch in diejem Sinne; Seite 4 hieße es befjer: Zinien auf Zah—
lungen, als: von Zahlungen. Seite 15 rechts jteht » lajten«
ftatt »Lajten«, wohl nur ein Drudjehler. Seite 52 will Herr
W. fagen: »Der Art. 29 des Handelsgefepbuches geftattet unter
Umständen, das Warenlager nur alle zwei Jahre aufzunehmen. «
Seine Fafjung »Der Art. 29 des H. G. B. geitattet nur, das
Warenlager unter Umftänden alle 2 Jahre aufzunehmen« ijt un—
Har. — Plan umd Anlage des Buches befunden Fleiß und Sach—
veritändnis. Der Verf. hat augenscheinlich gejucht, dem jchon
Wiſſenden, wie dem erjt Einzumweihenden zu dienen. Dem Be:
jprecher drängt fich dabei mur die Trage auf, ob es nicht befier
gewejen wäre, eins oder das andere allein, oder beide getrennt
zu behandeln? Sept diirfte mancher über ein Zuviel, ein anderer,
r das Buch als alleinige Einführung brauchen möchte, über das
Gegenteil Hagen. Als »vereinjadtes amerifanifche Buchführung
(für Kaufleute) wird es unter ſolchen Umjtänden feiner der beiden
Parteien ericheinen.
Hamburg. F. W. Eigen.
Eingefandte neue,Drudichriften.
Schmidlong, 3, Ortstunde und Ortänamenforihung
im Dienste der Sprachwiſſenſchaft und Geſchichte.
Unterfuchungen über deutiche Ortänamen im Anfchluß an bie
Deutung des Namens Kiſſingen. Halle. Mar Niemeyer.
1805. dm u. 93 S. 8°%. Geh. 240 M. Ä
Jahn, Friedrich, Wie befeitigt man das Wörtchen »per«
aus der Buchführung? Ein Beitrag zur Neinigung
unferer Mutteriprache. Eijen 1895. G. D. Bädeler. 22. 8".
Beh. 0,60 M.
Bornjceuer,. Guſtav, Deutjch. Cine Sammlung von faljchen
Nusdrüden, die in der deutichen Spradie vortommen, nebit
ber —— und Erklärung dieſer Fehler. Bonn 1895.
P. Hanftein. I u 194 S. Geb. 2M.
Brunner, U, Schleht Deutſch. Eine luſtige und lchrreiche
Kritil unſerer neuhochdeutihen Mundunarten. Wien und
Leipzig 1895. 5. Eifenftein u. Ko. 207 ©. 8".
263
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Spradvereins. X. Jahrgang. 1895. Nr. 12,
264
Wermelstirhen. Nach Erledigung geichäftlicher Angelegen:
beiten in der Verſammlung am 10, Oltober hielt Herr Arthur
Buddide einen Bortrag »Zur Währungsfrage«.
Trier. In der Novemberfigung wurde den Mitgliedern zu-
nächſt die neue Wahlfpruchtafel vorgelegt, die bei niemand vollen
Beifall fand. Dann wurden einzelne jpradjliche Fragen behandelt,
3 B. die Verdeutſchung von »graſſieren⸗, woſür der Vorſißende
seinreißen, überhandnehmen, überwuchern« vorſchlug. Ferner
wurde der jet viel gebrauchte Ausdrud »Stöderbriefe jtatt
»Stöderjcher Briefe oder »Brief Stöckers« getadelt, da ja ein
Stöderbrief ebenjo wenig von Stöder herzurühren braude, wie
ein Uriasbrief von Urias. Ein Mitglied berichtete über das
Bornſcheuerſche Bud ⸗òDeutſch«, das nicht ermit zu nehmen
ſei. Schließlich trug der Borjigende noch ein Sinngedicht vor,
das ich gegen die in der Blumengärtnerei überhandnehmende
— u richtet und lautet:
Der legte Blumengärtner iſt
Nun bald gewejen, weil Blumijt
Für feiner gilt — und gar Florift!
Hat erjt entwidelt der Floriſt
Sic zeitgemäh als Spezialift,
Erleben wir auch noch Roſiſt,
Veilchiſt, Nelkijt, Zulpiit, Balmiit,
Chryſanthemiſt und — andern Mit.
Briejtaften.
Herin 9. 9... ., Komotau. Im Anſchluſſe an den Saals
feldichen Aufjag »Guten Tage teilen Sie ung mit, dah man in
Oſterreich den Ausländer jofort an dem »adieu« erfennt, das
von den Einheimijchen nie gebraucht werde. Dafür jei haupt:
ſächlich · Ich habe die Ehre (ipr.: Hob' die Ehr’)« in Gebrauch,
wofür Sie im deutjchen Reiche Anhänger zu gewinnen juchen.
Uns fcheint der Ausdrud etwas zu lang zu fein. Die von Ihnen
erwähnten, freilich nidyt empfohlenen Nedensarten »Gehorjamiter
(ipr.: Geſchamſter) Diener« und ⸗Küß' die Hand, gnädige Frau«
dürjten in ihrem Uriprunge auf jlavifche Einjlüjje zurüdzurühren
fein. Der unterwirfige Sinn, der fid) darin äußert, it micht
germaniſch.
Herrn Dr. ©. 8...., Nemda. Das Wort »der Ge—
fprädee, das Sie als Erfag für die »Perfon, mit der eine
andere fpricht« (franz. interlocuteur) vorſchlagen, iſt ſprachlich
gewiß richtig gebildet (vergl. Fahrt, das Gefährt, der Gefährte
und Spiel, der Gejpiele); trogbem ſcheint es uns gewagt, ben
Bildungen dieſer Art dieje neue hinzuzufügen, weil die Ableitung
perjünlicher Begrifie von ſachlichen durch die Borfilbe »ge« mit
der Bedeutung » Teilnehmer an etwas« jept nicht mehr lebendig
it. Neue Wörter dürfen wir aber, von Zufammeniegungen
abgejehen, nur bilden, wenn die Ableitungsjilben in dem be:
treffenden Einne noch frudtbar find, wie z. 8. bei den jächlichen
verallgemeinernden Ansdrüden »Gebrumme, Gejeufz, Gejodel« |
ujw., die wir von zahllofen Zeitwörtern bilden fünnen. — Die
Mitteilung über das Deutichtum in der Dichteritadt Weimar
werden wir gerne veröffentlichen. Bielen Danf dafür.
Herrn G. Neinhardt, Hann. Münden. Wir unterbreiten
Ihre dichteriſche Faſſung unjeres Wahlſpruchs:
»Dent' deutſch und drüde deutſch dich aus!
Unnötig Fremdwort wirf hinaus!«
gerne dem Urteile der Vereinsgenoſſen.
Herrn B. . . . Berlin. Sie machen uns mit dem Geſchäſte
für Herren-Ausſtattung von Liebenthal und Lilienthal be—
fannt, das unter der Firma »Maison Anglaise« 42 Unter den
Linden » vis-A- vis Cafe Bauer « durch Cireulare jeine Collectionen
empfieblt, und das fid) durd; jeine Arrangements den eriten Ge—
ichäften feiner Brauche anzureiben bemüht.
Briefe und Drudiaden für die Bereindleitung
find an den Borfipenden,
Oberftleutnant a. D. Dr. Mar Zähne in Berlin @. 10
Margaretenitrabe 16,
Sie teilen uns ferner |
mit, daß der Laden neben der franzöfifhen Firma nur **
Schilderinſchriften (Figh- class outfitters uſw.) zeige. amit
thun Sie aber den Herren Liebenthal und Lilienthal bitter
Unrecht, denn wir haben doc nod das deutiche Wort » Über:
hemden« bei ihnen entdedt, und auch auf ihren Recdnungsvor:
druden kommen einige deutihe Wörter vor; denn es beiht dort:
»Bought of Maison Anglaise, Gentlemen’s complete outfitters
for all elimates ... ri) Hermm..., Berlin den . .« —
Allen Auslandsnarren und Deutfcverleugnern jei die Ausdrud
weije der Herren Liebenthal ımd Lilienthal zur Nachahmung
wärmftens empfohlen. Je alberner und geihmadlojer dies Affen:
tum betrieben wird, bdeito eher wird ſich der (Ekel vor ſolchem
Gebaren aller derer bemächtigen, die nur eine Spur von deutichen
Gefühle übrig haben.
Herm G. 8. ..., St. Johann. Cie wünfhen dem Aus
drude » mutterjeligallein« gegenüber dem jchriftipradylichen » mutter
feelenallein« zu jeinem Rechte zu verhelfen, indem Sie die durd)
warm empfundene Verſe unterjtügte Ertlärung geben: » Als noch
bei einem vielſach anders fühlenden Geſchlechte die Ausficht auf
die Ankunft eines jungen Erdenbürgers in der Familie eine
glüdbringende Verheißung war und die in jtiller Einjamteit
barrende Mutter mit fjeligen Gefühlen erfüllte, da fand der
deutihe Mund für diefes Glück das redite und weihereiche Wort
‚mütterfeligsallein.‘« Die Erklärung ift gewiß jehr hübſch, aber
* beſteht nicht vor der Wortſforſchung. » Wutterjeligs (oder mutter:
eelen=)allein« ift eine Verſtärkung von mutterallein d. 5. allein,
wie in der Mutter, im Mutterleibe der noch ungeborent
Mensch ift (vgl. mutterbloh, mutternadt). > Mutterfeele« iſt wie
» Muttermenic umd Menichenieele« lediglich eine Werjtärfung von
Menſch (vergl. engl. no mother's son). Wutterfeligsallein it
eine verderbte Form, die viekleicht durch eine der Ihren ähnliche
Auffaſſung entjtanden ijt.
Herrn K. M. . ., Yudwigsluft. Sie meinen, »e8 fei falid«
vom Norden »oben«, vom Süden »unten« zu jagen, da doch
die Bezeidmungen, die für das Kartenblatt gelten, fich nicht auf
geographiiche Verbättnifie übertragen ließen; Sie fönnen ſich da:
ber cinen Sag, in dem es heißt: >»Hodh oben im Norden
unieres Waterlandes« bei wirflih anſchaulicher Screibart gar
nicht denfen, 3. B. nicht bei Rudolf Hildebrand. Sie vergefien,
daß auch auf dem Globus der Norden oben ift, und daß daher
die von Ihnen gerügte Ausdrucksweiſe keineswegs der Anſchau⸗
lichfeit entbehrt, oder möchten Sie empfehlen, zu jagen: »Tief
unten am Nordpol?« Ob die Frage ſchon irgendwo behandelt
worden, und ob auch DOberdeutiche 5 reden, künnen wir Ihnen
leider nicht mitteilen. Vielleicht giebt uns einer der Leier d. 3.
darüber Ausfunft. Die Engländer und Frangojen drücken ſich
ebenjo aus wie wir.
Herrn &,, Straßburg Wir erfehen zu unjerm Bebauem
aus JIhrer freundlichen Butendung der Strafburger Neueiten
Nachrichten, dab die einzige in franzöfiicher Sprache abgefahte
Anzeige in Nr. 247 dieſes Blattes von einem Angeſtellten der
Berliner »Allgemeinen Elektrizitäts-Geſellſchaft« ber
rührt, der doch vermutlich ein Altdeutjcher ift. Der Mann bat
jedenfalls feine Ahnung von dem Berufe, den jeder ins Ehaß
eingewanderte Deutiche hat, nämlich dentihe Sprache und Ge
finnung dort wieder zu Ehren zu bringen.
Ham 9. D...., Branfurt a. Es ift uns unbegreij⸗
lich, daß Firmen wie die ung freundlichſt mitgeteilte »A. Wolf
fils successeur de l’ancienne maison A. Wolff« überhaupt in
deutiche Handelsregiiter eingetragen werden dürſen. Wir be
zweifeln, daß das Ausland deutjchen Firmen gegemüber die
gleihe Nachſicht übt.
Berichtigung.
In dem Auffape von Dr, Saalfeld »Guten Tag — Nicht Adieu« muh et
1 der legen Zeile Epalte 223 d. I. ftatt »Meiner Menges beifen: »Eeimer
Unzer.
Geldiendungen uud Beitrittoerflärungen
an den Cchapmeikter,
slagshuchhändter Eberhard Ernft in Berlin W. 8,
Wilbelmitrabe 9,
Briefe und Drudiachen für die Zeitſchrift find ar dem Herausgeber, Oberichrer Friedrich Wappenhans in Berlin N. W. 3, Ultonaer Street X,
Briefe und Bufendungen für die Willenihaftlichen Veibelte an Profefior Dr. Paul Bletich, Berlin W.30, Mopftrafe 12,
zu richten,
ö— — —
ñſ
Bir die Leumng verantwortiih: Friedrich Wappenbans, Berlin. — Berlag de allgemeinen deutichen Epradivereins (Jähns und Ernft), Berlin.
Drud der Buhbruderel des Waiſenbauſes In Halle a. d. S.
Diefer Nummer Liegt eine Anzeige dei Verlages von Robert Lug in Stuttgart ſowie eine Anzeige
des Verlages von Ferdinand Hirt u. Sohn in Yeipzig bei.
Zeitſchrift
allgemeinen deutſchen Sptachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
XI. Jahrgang.
Berlin,
Berlag des allgemeinen deutfhen Sprachvereins.
1896.
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Inhaltsverzeichnis
des Jahrgangs XI der Zeitjchrift (1896).
Die Zahlen verweifen auf die Spalten,
1. Selbſtändige Aufjäge,
a) Nah Stihworten geordnet.
Arzneimittel, BVoltstüimliche Namen der. Bon Kari Müller. 65—71.
Deutſche Sprache und deutiches Leben in ihren Wechjelbezichungen.
Bon Nuguftin Trapet. 129 — 137,
Diiteln. on Friedrih van Hofis. 24.
Erdkundlicher Eigennamen, Die Rechte der deutſchen Sprache im
Bereich. Bon Albert Heine. 209214, 225- 232.
Erwiderung. Bon J. E. Wülfing. 109/10.
Franzöfiiche Beſuchslarten. Bon 3. 142.
Franzöſiſches Urteil über die deutſche Sprache und die Fremd—
wörter, Ein. Bon Friedrich Wappenbans, 19/20.
Frauen, An die. Bon Anna Bauer. 85,86.
Fremdwörter, Die, und der gute Geihmad. Von 9. D.
Fremdwörterei, Die, der Gelehrten. Bon H. D. 145.
Seichäftsichilder, Bedeutung und Berbefierung der.
M. Stier. &
Gleim ald Anwalt —— Mutterjprache.
hans. 37/38.
Glüdwunjchtafel, Eine deutiche. Von Hermann Dunger.
Hajenbrot. Bon Paul Pieiſch, S6— SS.
Mahnung, Eine, aus der Mitte dieſes Jahrhunderts. Bon
Hans Lange. 139/40,
Monatig und wöchig, Ein Wort für. Bon Karl Scheffler. 33— 36.
—— Schriftſprache, Überblick über die Entwickelung
14445.
Von
Von Friedrich Wappen-
40/41.
der. Bon D. Weife, 97 — 104.
— Mitteilungen über. Von Johann Reuter. 140/1.
Riehl, Wilhelm Heinrich, für den deutichen Unterricht. Bon
Däfar Streicher. 43/4.
Eagungen, Verdeutichung der Sremdwörter in. Bon 9. 41/2.
Schweiz, Sprachliche Zuſtände in der. Von v. Imhoff. 137—139.
Schweizer Schriftdeutſch. Bon Rudolf Foß. 1—5.
Seemonnsſprache, Etwas von der deutſchen. Von Goedel. 81-85.
Sprachreinigender Juriſt des vorigen Jahrhunderts, Ein. Bon
Theodor Matthias. 17—19.
Strajennamen, Die Verwirrung i in der Schreibung unferer. Bon
K. Erbe. 108/9.
Straßennamen, Berdeutihung von. Bon J. E. Wülfing. 20/1.
Unfere Sprache an und, Ode von Itlopftod. 215.
Vorläufer des allgemeinen deutichen Spradjverein®, Auch ein,
Von D. Streicher. 39/40.
Wer folgt nad? Bon Ra —— —
Wo fehlt's noch? Bon C. G
Bufammenjegungen, Einiges Aber Gen Karl Scheffler. 104—108,
b) Nah Verfaffern geordnet.
Bauer, Anna, An die frauen. 85/86.
Dunger, Hermann, Die Fremdiwörterei der Gelehrten. 145;
Die Fremdwörter und der gute Gejchmad. 144,5; Eine deutſche
Glückwunſchtafel. 40/1.
Erbe, K., Die Verwirrung in der Schreibung unferer Strafen:
namen. 108/9.
Foß, — Schweizer Schriſtdeutſch. 1—5.
&., E., Wo ſehlt's noh? 45/0.
Goedel, Etwas von der deutichen Seemannsſprache. 81—85.
H., Verbennſchung der Fremdwörter in Satzungen.
van Hoffs, Friedrich, Diſteln. 24.
Heinhe, Albert, Die Rechte der deutſchen Sprache im Bereich
erdfundlicher Eigennamen. 209— 214, 225 — 232.
J., Franzöſiſche Befuchsfarten. 142.
von Imhoff, Spradliche Zuftände in der Schweiz.
Klopjtod, Unſere Sprache an uns. 215.
2}
41/2.
137 — 139.
' Militärische Fachſprache, Verdeutichungen.
Lange, Hans, Eine Mahnung aus der Mitte dieſes Jahr—
hundertö. 139/40.
Matthias, Theodor, ig iprachreinigender Juriſt des vorigen
Jahrhunderte. 17—19
Müller, Karl, Voltstümlide Namen der Arzneimittel. 65— 71.
Pietſch, Raul, Hajenbrot 86 — 88
Reuter, Johann, Mitteilungen über Peſtalozzi. 140/1.
Scheffler, Karl, Ein Wort für monatig und — 33 — 36;
* über Zuſammenſeßzungen. 101 — 108
Stier, M., Zweiter Bericht über die Berdeutichung und Ber:
befferung der Geſchäftsſchilder. 21— 24,
Streider, D., Much ein Vorläufer des allgemeinen deutſchen
Spradhvereins. 39/40; Wilhelm Heinrich Riel für den deutjchen
Unterricht. 43/4.
Trapet, Nuguftin, Deutiche —— und deutſches Leben in
ihren Wechjelbeziehungen. 129— 13
Wappenhans, Friedrich, Ein franzöfiiches Urteil über die deutſche
Sprache und die Fremdwörter. 1920; Gleim als Anwalt
unferer Mutterſprache. 37/38.
Weile, D., UÜberbiid über die Entwidelung dev neuhochdeutichen
Schriftipradhe. 97 — 104
Wiülfing, I. E. Enviderung. 109/10; Verdeutſchung von
Straßennamen. Bericht über Brof. Stierö zweite Umfrage. 20/1.
Belter, 3, Wer folgt nah? 143/4.
II. Kleine Mitteilungen.
Bremer Rolizeiverordnung. 203,
Borchardt, F. W., Franzöſiſche Anzeige.
Bromberger Eiſenbahn Direktion. 145
Bundesrat, Menu beim Feitmahl. 89,
Clique. 111.
Gorreipondenz- Karte. 202,
Deutichverleugnung (Ulrich u. Ko.).
Enregistrement. 145.
Erfolg, Auch ein Heiner. 146.
Bayriſches Juſtiz-Miniſterium, Erlaß. 46.
Franzöſiſche Anzeige, Kölniſche Zeitung. 25.
————— von Sachſen-Weimar, Schreiben an Herman Riegel.
88/9.
Häufigkeit deutſcher Wörter. 6.
Hallier, Redet deutih. 203
Heuberger, Bortrag im Grazer Lehrerverein.
Hötel- Restaurants in Bonn. 111/12.
Nuriftendeutih. 110.
Kaſſeler Zweigverein, Aufforderung zum Beitritte. 47.
Klidenmwirtichait im Vorſtande des a. d. Spradjvereins.
Lindner Geſchichte des deutichen Volles. 47,
Magiftrat von Nürnberg. 47.
Martinsitift in Fild. 147.
May, Martin, als Spradjreiniger in der Stadtverordnnetenver-
fammlung zu Frankfurt a/M. 25.
146.
152/3.
146.
79
im
25.
Dberpräfident von Bommern, Verordnung des.
25/26.
Poſſenbacherſche Buchdruclerei. 46.
Radfahrerbund, Antrag des Herrn Pichler. 170.
Reichenberger Theater, Verdeutſchungen. 233/4.
Reichenberger Zweigverein. 111.
Röper u. Meferichmidt, Fremdwörterfreie Geſchüſtsanzeige. 71/72
Rotheſche Schrift über den Kanzleiſtil. 71.
Sächſiſche Thronrede, 147.
Studentenheim in Eilli. 47.
Synodal- Striba. 89.
Zaifun. 202/3.
Teutſch, Vortrag. 25.
ZTorgauer Flugſchrift. 219.
Bereinfa_hung des Schreibwerts bei Behörden. 145/6,
Verhandlungen des Sächſiſchen Landtages. 46. en
Barenbezeihnungen, Fremdſprachliche Ausdrüde in.
Weimar, Deutihtum in der Dichterftadt. 5/6,
eg der Mutterfpradhe bei den Deutichen im Aus-
ande. 233.
11. Sprachliche Mufterleiftungen.
a) 6/7, 47/8, 72, 89/90, 112/13, 147/48.
b) Übungsfäge zur Schärfung des Spradgefühle.
215— 218, 234/5.
IV. Bücherſchau.
a) Beiprodene Druckſchriften.
Biſchoff, Th., und Aug. Schmidt, Feitichrift zur 250 jährigen
Subelfeier des Pegnefiihen Blumenordens. Bon Karl Scheffler.
51/3.
Börtiher, G., und K. Kinzel, Geſchichte der deutſchen Litteratur.
Bon G. U, Saalfeld. 50/1.
Bornſcheuer, Guftav, Deutſch. Bon Theodor Matthias. 54/5.
Bresgen, Marimilian, Krantheits- umd Behandlungsiehre der
Najenhöhle uf. Bon Friedrich Wappenhane. 26.
Brunner, A., Scledt Deutih. Bon Theodor Matthias. 55,6,
ee „F. W., ABC eines alten Börfenmenjhen. Bon DO. Klemich
13.
— Franz, Werden und Wandern unſerer Wörter, 235.
ähns, Mar, Der Vaterlandsgedanke und die deutfche Dichtung.
Bon G. U. Saalfeld. 56/7.
en, Friedrich, Die doppelte Buchführung. Bon O. Klemich.
Br Sriebril, Deutſche Studentenjprade. Bon Hermann
unger. 8
Linhoff, Mattiad, Berdeutihungsbüclein. Yon Karl Scheffler. 8.
Mählik, Friedr. Die Schreden der deutichen Spradie. Bon
Theodor Matthias. 54.
Meier, John, Halliſche Studentenſprache. Bon Hermann
Dunger. 8.
Mertes, P., Beiträge zur Lehre vom Gebrauch des Infinitivus
im Hodydeutichen. Bon Theodor Matthias. 90/1.
Münch, W., Vermiſchte Auffätze über Unterrichts ziele. Bon
Theodor Matthias. 205/86.
Reber, Joſephh, Johann Amos Komenius
und jeine Beziehung
zu den Sprachgeſellſchaften.
Bon Karl Scheffler. 53/4.
b) Eingefandte neue Druckſchriften.
9, 26/7, 57/8, 91, 150/1, 235/6.
V. Zeitungsichan.
a) Neue Auffäge, Befprehungen ufw. in Zeitungen
und Zeitjchriften.
9/10, 27/8, 58/9, 92, 113,4, 151/2, 206,7, 236/7.
b) Befprehungen von Auffägen ufm.
Beitichrift der Deutſchen Geſellſchaft für Anthropologie (Anſprache
von Dr. U. Zunz). 28.
Vorwärts. 59,
Preußiſche Jahrbücher (Münchs Aufſatz über Sprachſchönheit).
50,60,
| Freiburg i. Br.
VI. Spredjaal.
Deutichen Kindern deutſche —— 8.8. 50.
Gaſtwirtsweſen. Bon 8. B.
ntegrirender Beitandteil.
J
ngel.
Bon H.
Von Ernſt Muellenbach.
40.
17122.
Sippe — Clique. Bon Edward LYohmeyer. 218/90.
Verdeutichungsbogen für Schildermaler.
Bon M. Stier. 9.
48
Voranitellung des Genetivs uſw. Bon I. E. Wülfing. 49.
Bemerkung dazu. Bon Paul Pietſch. 49.
Boriger — Vorfipender. Von K. B. 7.
Würzburgſtraße. Bon ....d. M.
VO Aus den Zweigvereinen.
Aurich. 10. Köln. 13.
Berlin = Charlottenburg. 29, Krems. 75, 153.
60/1, 73, 92/3, 238. Laibach. 153.
Bonn. 29,61, 73,114, 172. Leipa. 153.
Boppard. 93, Leipzig. 30, 75.
Braunſchweig. 61, 73, Leoben. 30, 94, 116.
Breslau. Id, 29. Lübeck. 13, 30, 94, 154.
Chemnitz. 29, 73/4, 220, 237. Magdeburg. 13, 62, 75, M,
Gzernowig. 30, 61, 74, 114, 116, 220, 238.
220. Marburg (D.). 13, 3031,
Darmftadt. 93/4. 75/6, 116, 238.
Dresden. 11/12, 61, 74/5, 94,
114, 220, 237.
Düſſeldorf. 30.
Duisburg. 12/13, 61.
Elberfeld. 30,61, 94, 152/3,
172, 220.
Efien. 61/2, 94, 237.
Frankfurt a. M. 94, 114/15,
237/8.
Freiberg i. S. 115.
13, 75.
Sörlik. 94, 238,
Graz. 30, 62, 115, 238.
Greifenberg. 115.
Örimma. 115.
—— 30, 115.
annover. 62.
— 75, 238.
afiel. 13, 75, 220,
Kiel. 75, 115/16, 153, 220,
238
Koblenz. 30, 75, M.
Marienwerder. 13/14, 62, 94/5,
2359.
Neuruppin. 116, 154, 239
Nürnberg. 154.
Oldenbu 164.
rag. 76.
atibor. 63, 76.
Neichenberg. 95, 154/5.
Rudolitadt. 76, 155.
Stettin. 14, 63.
Straßburg. 76, 116, 155.
Stuttgart. 14, 31, 76/7,
95/6.
Sulingen. 63.
Trier. 31, 77, 96.
Troppau. 156.
BWermelstirchen. 77, 172, 239.
Weiel. 220.
Zittau. 14, 31, 77, 117.
VIII. Brieftajten.
15/6, 32, 63/4, 77-79,
221 — 223, 239/40.
11758,
156—158, 172—174,
IX. Vereinsangelegenheiten.
Außerordentlide Gaben. 79/80.
Pe von 9. Häpe. 174— 176.
Hauptverfammlung zu Oldenburg, Feſt- und Tagesdord:
nung. 125— 128, 159/60, Bericht über die. 177 202.
Jahresberidt. 162— 170.
Nachruf für Emil Rüppell. 223/4.
Sipung des Gejamtvoritandes. 96.
Überjiht der Rechnung für das Jahr 1895.
10, 79,80, 96, 176, 208, 224,
Verichiedenes.
119/20.
Verzeichnis der Zweigvereine. 121—124.
= >eitlcheitt
XI. Jahrgang fr. 1.
1. Januar 1896.
2
allgemeinen’deuffchen Sprachvereins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes RE von Friedrich Wappenhans.
Diefe geitfehrift ericheint jährlich swölfmal, zu Anfang jedes Monate,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutſchen Sprachvereins unentgeltlich
geliefert (Sapung 9).
Insalt: — Schriftdeutſch. Bon Rudolf Foß. — Kleine Mitteilungen. — Sprachliche Mufterleiftungen. — Spredhjaal. —
Bücherſchau. — Zeitungsſchau. — Aus den Bmweigvereinen. — Brieffaften. — Gejchäftliher Teil.
Schweizer Schriftdeutic.
Bon Rudolf Foß in Schöneberg.
Der Inhalt der folgenden Arbeit entipricht nicht ganz der
Überjhrift. Allerdings foll von der Betrachtung des Schweizer
Schriftdeutſch ausgegangen werden, indeſſen wird dieſe zu einer
weitergehenden Erörterung führen. Ehe ich aber der Sache felbjt
näher trete, will ich einige Ausſprüche von Johannes Böjcel
anführen, die fi im 5. Wiſſenſchaftlichen Beihefte zu diefer Zeit—
jchrift finden. Dort jagt der Verfafjer der Abhandlung ©. 198
folgendes:
Was ijt aber in der Spradıe
nennen? Sind es nicht mehr oder weniger ſubjeltive Begriffe?
Pflegt uns nicht in der Kegel das zu gefallen, was ung geläufig
ijt, das Gegenteil aber unfer Miffallen zu erregen ?«
Das find wahrhaft goldene Worte, welche zu allergrößter Bor-
ficht bei der Beurteilung ſprachlicher Erſchemungen auffordern,
bejonders wenn jolche einer lebenden und namentlich der Mutter:
ſprache angehören.
Ferner steht in derjelben Abhandlung S. 201: »Mit Necht
wird jept, insbejondere durd; Otto Schröders Verdienjt, immer
entjchiedener der Grundja geltend gemadjt, was in der Sprache
des warmen thätigen Lebens nicht vorfomme, auch aus der ge-
jchriebenen zu entſernen . . . . Nllein in Einzelgeiten wird die
Durchführung diefes Grundjages immer auf Schwierigkeiten ſtoßen.«
Diejem Grundfage wird man durchaus beiftimmen fönnen.
Wie verhält es fich aber mit dem umgelehrten falle? Wenn in
einem weiten, hochgebildeten Lande deutjcher Zunge im warmen,
thätigen Leben Ausdrüde allgemein gebräuchlich find und dann
in die Schriftwerfe, die dort erfcheinen, unbedenklich hinüber:
genommen werden, wie hat man dieje Erjcheinung zu beurteilen?
Soll man da ohne weiteres dem Ausjpruche Pöſchels S. 202 bei:
ftimmen:
fend, ift in der guten Schriftipradhe fein Raum, mögen fie num
| leicht verjtändlich jind und lange Umſchreibungen erjparen,
Die Beltfhrift kann auch dur den Buchhandel oder die Poſt
zu 83 Mt. jährlich bezogen werden. — Auzelgenannahme durch den Ecagmeifter
Eberhard Ernft, Berlin ®. 8, Wilhelmfer. w. — Auflage 15000,
Wiſſenſchaft und Litteratur gefümmert und treulich an ihrer För—
derung gearbeitet. — Vergeſſen wir nicht, wie viel Minnelieder
in der Schweiz gedichtet worden find und wie viel Minnefänger
bort gelebt haben. Darüber hat ums ja Bartich in feinem Werke
über die Schweizer ritterlihe Dichtung belehrt. Dann erinnere
ih an Megidius Tihudi, an Bodmer und Breitinger,
on Lavater und Kohannes Müller und an Gottfried
Keller und Conrad Ferdinand Meyer, der dod) allgemein
als ein Meifter des Stils gepriefen wird.
Wenn num in einer ſolchen Litteratur, die reich ift an ſchön—
wiſſenſchaftlichen und gelehrten Werfen, *Eigentümlichteiten vors
häßlich und was ſchön zu
fommen, die ſonſt in hochdeutſch geſchriebenen Büchern nicht zu
finden find, wie jollen wir und da verhalten? Gollen wir fie
nachahmen oder unbedingt abweifen? Sch möchte weder das eine
noch das andere ohne Einſchränkung thun. Einzelne Worte, die
fann
man ſich — follte id) meinen — ganz gut aneignen und damit
die Sprache bereichern, und das, was man nicht herübernehmen
will, darf man m. €. doch nicht als undeutjc bezeichnen. Es
bleibt alſo nichts weiter übrig, als das Schweizer Hochdeutich für
eine eigentümliche Art unferer Schriftiprache zu bezeichnen. Diefe
Erſcheinung würde vielleicht mit der Stellung des Amerifanijchen
zum Englijchen zu vergleichen fein.
Seit einer Reihe von Jahren habe ich gejchichtliche Werke von
Schweizer Gelehrten bejprechen müfjen und dabei öfter Gelegenheit
gefunden, die Eigentümlidjleiten in ihrem Sprachgebrauche zu er:
mwähnen. Es ijt faft feine Schrift jelbjt bedeutender Gelehrter
der Schweiz ganz frei von ſolcher Eigenart, und nicht nur dieje
‚ Schriftiteller Sprechen in landſchaftlichen Wendungen, fondern aud)
Ich
die Berfafjer von vielgeleſenen und vielgeprieſenen Romanen.
tann num nicht behaupten, dab das Verftändnis erſchwert oder
·Für Provinzialismen, jagt Wuftmann (S. 116) tref= |
aus Hannover, aus Holjtein, aus Berlin oder jonjt woher jtammen.« |
Oder jonjt woher!
biejes VBerwerfungsurteil unterjchreiben, namentlich nicht in Bezug
auf einen deutjchen Stamm, auf die deutichen Schweizer. Dieſe
Allemannen haben zwar recht oft ihre deutjchen Brüder angefeindet
und ihnen mit den Waffen in der Hand um ſchnöden, vom Aus:
lande gezahlten Soldes willen gegenübergeftanden; aber jo wenig
fie uns lieben, fo haben fie ſich doch ſtets lebhaft um die deutſche
Ich möchte doch nicht jo ganz unbedingt |
der Genuß dadurd verfümmert wurde; ich bin im Gegenteil das
durch oft zum Nachdenken und zu weiterer Forſchung angeregt
worden.
Aus der Fülle der Arbeiten, die mir vorgelegen haben, habe
ich nur einige gewählt, wie ſie mir gerade im Augenblicke zur
Hand waren, um Beiſpiele aus ihnen für dieſe Beſprechung zu
entnehmen. Es find das von C. F. Meyer die Romane Jürg
Jenatſch und der Heilige, von Meyer von Knonau, Jahr—
bücher des deutſchen Reiches Bd, II, von Haffter, Georg Je:
natich, von dv. Wyß, Geſchichte der Hiftoriographie in der Schweiz
und endlid von Wirz, Ennio Filonardi.
3 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 1. 4
Selbſtwerſtändlich find nicht alle auf gleiche Weife voll von
Abweichungen von .unjerem gewöhnlichen Schriftdeutſch. C. F.
Meyer bietet wenig dergleicdyen, wohingegen es in der Heinen
Arbeit von Wir; davon wimmelt, und zwar finden ſich in ihr
nicht nur einzelne uns fremd anmutende Worte, jondern auch
Sapbildungen, die, wie mir ſcheinen will, recht bedenklicher
Art find.
Zunädjt betradyte ich die Hauptwörter. Da finden ſich
Fremdwörter, die um fo beſſer durch deutfche Wörter erfept werden
fünnten, als jie den Sinn der betreffenden Stellen verdunfeln und
überdies aud) nod) in faljcher Bedeutung gebraucht werben.
So leſen wir bei Haffter S. 17: »Tranſit« und ©. 44:
»Tranjitjperre«; bei Wirz S. 15: »Das Ambulieren ...,
zum Zeil gefeplich verboten, war damals . . . allgemein Regel«.
Der Zuſammenhang zeigt bier, daß von einer eifrigen Bewerbung
und zwar nicht nur mit erlaubten Mitteln die Rede iſt. Da würde
man dod; »Ambieren«e cher erwarten als »Ambulieren«, denn
bewerben heißt ambire, ambulare aber jpazieren gehen.
Haffter gebraudjt mehrmals (S. 241, 302 ufw.) das Wort
»Beitage« Für uns ift dics eine ganz unverjtändliche Bezeichnung.
Aus dem Verlaufe der Erzählung ergiebt ſich, daß der Berfafier
darunter eine Heinere Verſammlung von Abgeordneten im Ber-
hältnis zu einer größeren verjteht. Wirz jagt auf ©. 87:
>... .. folche früher nie erlebte Beehrung rührte ihn zu Thrünen.«
An der Stelle wird uns der glänzende Empfang geichildert, der
einem päpftlichen Nuntius zu teil wird. Wir erjehen daraus, daß
Bechrung jo viel bedeutet wie »Ehrenbezeigung«e. Beehrung
ift ein regelmäßig gebildetes Verbalhauptwort, das die Bedeutung
des Zeitwortd »beehren« bewahrt hat. Alſo iſt gegen diejes Wort
durchaus nichts einzuwenden. Anders verhält es ſich mit dem
Hauptwort »Bernehmlajjungs, weldes Hafiter S. 226 ge
braucht. Ob died Wort im Schweizer Zuriftendeutich angewendet
wird, weiß ich nicht; der Sinn ijt zwar Mar, aber troßdem ijt
das Wort jür und ein Spradungetüm. Wir haben wohl »MAuf-
lafjung eines Grundjlüdse, aud) jagen wir: »ſie flohen mit Zurlid:
lafiung alles Gepäds«, aber ein den Zeitwörtern »auflafjen, zus
rüdlafjen« entjpredjendes »vernehmlafjen« giebt es bei uns nicht.
Gegen die von demjelben Schriftiteller S. 141 gebrauchten Aus:
drüde »Niedergelafjene« und »Aufenthalter« (»fie wollten
fie in ihren Grenzen weder als N. noch als A. dulden«), ſowie
gegen das Wort ⸗Wünſchbarkeit« (S. 245) dürfte nichts einzus
wenden fein. Ganz fremdartig iit für uns das Wort »Anjpreder«
(Wirz S. 78), defjen Bedeutung »mahnender Glänbiger« aus dem
Bufammenbange zu erfehen it. Ebenjo fremd Flingen uns bei Meyer
von Knonau »Abbrecher« (jtatt »Schädiger«), »Abſchlag« (für
»Berweigerunge) und »Hinjchied« (für »Hinjceidene). Sehr
jeltjam wirft auch die bei uns nicht gebrauchte Mehrheitsjorm
»Solde« (Rirz S. 11).
Bei den Eigenſchaftswörtern jält zunächit der ausgedehnte
Gebrauch der Nachſilbe »bar« auf, die, uriprünglich jelbjt ein
Eigenjchaftswort, mit dem lat. fero — »tragen« verwandt und deren
Bedeutung in dem Worte »fruchtbar« nody Mar zu erkennen iſt.
So finden wir das von uns heutzutage fajt nur noch mit der
verneinenden Borfilbe un= gebrauchte »fehlbar« als Hauptwort
bei Hafiter S. 63 und ©. 229 (sden Fehlbaren Borftellungen
zu machen« ujw.). Während wir »nußbar« jagen, findet ſich bei
Wyß ©. 10 »benupbar.e — Etwas fremdartig Hingt es für uns
ferner, wenn Haffter von einer »füchtigen Bearbeitung des vor-
würfigen Materiald« jpridt. Wir finden zwar hier und da
bei unferen Scriftjtellern den Musdrud »den Vorwurf diefer Ar-
beit bildete ujw., aber nie jenes Beiwort. Auch werden wir
(außer im Geſchäftsſtil) Ichwerlih »erhältlich« und ftatt »e& er
ſchienen die beiderfeitigen Kommiflarien« fagen »die beidjeitigen«,
wie Hafiter S. 368 ſich ausdrüdt. Unſerem Sprüchgebraud ge:
mäh würde das etwas ganz anderes bedeuten und wäre mit dem
Goethiſchen »beidlebige (vgl. Egmont I, 1) zu bergleichen. —
Verſtändlich ift es, wenn Hafiter S. 54 jagt: »ditie Mafregeln
hätten vom guten jein fönnen«, ebenſo wenn Meyer im » Heiligen«
das »bladhe Feld · für-Blachfeld · und Haifter S. SR die Groß⸗
zahle für » Mehrzahl« oder »groe Zahl« jet.
Bon Umjtandswörtern lieben die Schweizer Schräftiteller
ganz befonders das Wörtdhen »vorane und »ganz voran«.
Dies iſt feineswegd aus unjerer Schriftipradhe verbannt, ftebt
jedoch nicht leicht in ſolcher Verbindung wie z. B. bei Wyß ©. 8:
»diefe Denkmäler gehören allerdings der Ardäologie voran zur
Beurteilung an«. ferner lefen wir bei Hafiter X »eine bisanber
nur lüdenhaft publizierte Handichrift« und S. 55 »beim Wundes-
tag jollten jeweils einige Geiſtliche anweſend feine. Wir ge
brauchen wohl das Umſtandswort »jeweilige aber nicht dieſe
Genetivform, die nach meijtenteils oder mindeſtens gebildet if.
— Wenn wir ohne Bedenten das Umjtandswort » meijtenteils«
gelten fafjen, jo werden mir nicht viel dagegen einmwenden fönmen,
wenn Hafiter S. 75 erzählt: »die Artitel wurden meijtenorts
angenommen« Fremdartig aber mutet uns (5. 81) der Sag ah:
ser ging mit ihnen einige flatt »er ftimmte mit ihnen überein‘,
und ganz ungebräuchlich find bei uns Formen wie »innert« (Bir
©. 8) für »innerhalb«e und Zufammenjegungen wie »er hatte
Freunde in dorten«.
Was die Zeitwörter anbetrifft, jo finden wir bei Mever
(Jenatih S. 292) er »piloge jtatt »pflegte«, eine Form, die frei:
lic), wie dad Wort » Gepjlogenheit« beweift, nod nicht ganz aus
unjerer Spradje verjchwunden iſt. Auffällig ift aud das in dem:
jelben Werke zu lejende: »er tunkte die Feder ein« jtatt »er
tauchte«, während das Hauptiwort » Tunfe« für »Sauce« bei und
vielfach im Gebrauche tft. — Wenn Meyer in »ich pjloge eine
ftarfe Form bewahrt hat, jo bedient ſich Haffter (S. 280) einer
ſchwachen Form, nämlih »ausbedingte«, wo wir die jüngere
ſtarke anwenden, denn wir jagen doch ser bedang fi aus«.
Bei Gelegenbeit diefer Form muß ich eine andere Abweichung
der Schweizer Schriftipradhe erwähnen. Die bei uns geltenden
Regeln für die mit Borlapfilben verjehenen Zeitwörter werden
dort nicht anerlannt. Bei uns lautet die gewöhnliche Megel wie
folgt: Trennbare Partifeln find: ab, an, auf, aus, bei, dar, ein,
fort, heim, her, hin, mit, nad), nieder, ob und zu. Alle ſolche
Beitwörter lafjen die Partifel im verbum finitum, d. b. im In—
difativ, Konjunktiv und Imperativ abverbialiich hinter fich treten
— doch bezieht ſich das nicht auf Nebenfäge. In der Nenn:
form (Fnfinitiv) und im Mittelwort (Bartizipium) dagegen bleibt
die Partikel verbunden; aljo: ausgehen, ausgehend. Wir fagen:
»er erlannte ane, aber »anerfannt«, Haffter dagegen (S. 343) »ſie
anerfanntene, femer ©. 245 und 263: »er anerbot jid«,
was auch bei den andern Schriftjtellern mehrfach zu finden. — Eine
für uns ganz jeltiame Bildung ift das Zeilwort »verunmög-
lichen« (Haffter ©. 135 und 271). ©. 85 finden wir den af:
»In Nom war man bereits von der Mitgabe eines faiferlichen
Gejandten abgeftandene und ©. 267 den Ausdrud: »Ddie bis
ber im Felde geftandenen Truppen«e Wuſtmann giebt S. 190
zu, daß fich einige paffive Mittelwörter der Vergangenheit bei uns
jo mit aktiver Bedeutung eingebürgert haben, daß fie nicht mehr
als falfc empfunden werden, 3. B. »ein abgejagter Feind, ein
gelernter Kellner«; er giebt ferner zu, dah man in Süddeutic-
land jagt: er ijt geitanden. Wenn wir diefe Wendungen nicht ger
5 Zeitſchrift bed allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 1. 6
brauchen düyfen, fo find fie doch nicht undeutſch. Dagegen Tann
ich mir nicht erflären, warum Meyer (I. 3. 96) »beichwiegen«
ftatt »verſchwiegen anwendet. Hat er es etwa nad) dem Muss
drude »beyedte als Gegenſatz gebildet? Dann wäre freilich nicht
viel dagegen einzinvenden. Ganz qui zu verjiehen ift, wern Meyer
von Jürg Jenatſch fagt: »er befegnete ſich vor dem ſpaniſchen
Kriegsdignfter. Dies erinnert uns lebhaft an das oft gehörte
Wort: „er machte hinter oder vor ihm drei Kreuze«, als wolle
er damit den leibhaftigen »Bottjeibeiung« von fich jcheuchen. Wenn
Meyer von Anonau «erwahrene« für »bejtätigen, bewahrheiten ·
gebraucht, jo ijt das für uns unverſtändlich, ebenſo »einen bei
etwas beichlagene für »einen bei etwas betreffen«e. Und
denwoch kann ich beide Musdriüde nicht ohne weiteres verwerfen;
dag erſte Zeitwort »erwahren« wird von »twahr« abgeleitet, wie
wir mit dem Umlaut davon »bewähren« bilden, Das zweite Zeit:
port wenden wir in anderer Bedeutung an; das Bild, das der
Schweizer gebraucht, ift jedoch ebenſo richtig wie das üunfrige. Bei
Meyer (3. J.) finden wir mehrmals den hübjchen Aufdrud »jie
verritten« oder »fie waren verrittene im Sinne von »fie
waren weggeritten«.
Wenn es bei Wyß heit: »das Kollegienheft ift nachgeführt«
ftatt »machgeichrieben« worden, jo denfe man nur an »Bucd und
Rechnung führene, und man wird die Wendung nicht undeutic
nennen dürfen. Sehr vielfach finden wir bei den Echweizer Schrift:
ftellern den Musdrud: »es füllt in Betradhte So gut wie mir
ein Gegenitand in® Ange jällt oder in Betracht fommt, kann er
auch in Betracht fallen. Und wenn unfere Soldaten einige Bes
feitigungen herjtellen, warum jollen Schweizer Truppen nicht
einige Schanzen erjtellen fünnen (Hafiter S. 267)? Wir gehen
auf eine Porftellung, auf ein Begehren, auf eine Sadıe ein,
warum joll der Schweizer nicht darauf eintreten (Haffter
S. 368, 377)? Nur die Winfchbarkeit einer Sache möchten
wir nicht betreten (Hafiter S. 245). So gut wie ich mid) auf
die Reife begebe, kann ich mid; auch auf die Heimkehr be=
geben (Haffter ©. 267), und ebenfo gut wie ich auf etwas feinen
Wert lege, fann id; darauf feinen Wert jegen (Wirz S. 78),
denn ich lege oder ſetze ein Gewicht auf die Wagichale. Ob id
einen zu Ehren bringe oder wieder zu Ehren ziehe (Wir; ©. 52),
dürfte wohl, was das Bild betrifft, ganz gleichwertig jein.
Bei den meijten der betrachteten Wortbildungen haben wir
zugeben müſſen, daß fie nicht undeutſch find. Somit faſſe ich
mein Endurteil denn dahin zujammen, dab diefe Eigentümlich—
feiten des Schweizer Schriſtdeutſch nicht ohne weiteres hochmütig
abzuweiſen jeien, fondern daß man verſuchen müfje, manche von
ihnen anzunehmen und bei uns einzubürgern.*) .
Rleine Mitteilungen.
Unter der Überfchriit »Deutihtum in der Dichterſtadt
Beimare gebt uns folgende Mitteilung zu:
» Der Großherzog hat auf Vortrag des Minifteriums verfügt,
daß von jeßt an. die Älteren Serichtsfchreiber die Dienftbezeid;:
Es jei bemerkt, daß das Schweiz. > Hochdentiche auch jonjt
ſchon öfter Gegenjtand der Aufmerſamleit und Unterſuchung geweſen
ift. Mus neuerer Zeit find zu nennen: Dtto v. Greyerz, Die
neuere Sprachentwicklung i. d. deutjchen Schweiz, Zürich 1802;
und beionders Hugo Blümmer, Zum ſchweizeriſchen Schriftdeutich,
Zürich 1892, Bon diefen ijt der Verfaſſer des obigen Aufſatzes
ganz unabhängig. — Die eingangs erwähnte » weitergehende
Erörterung (über Stilfragen) hoffen wir jpäter veröffentlichen zu
fünnen. D. L.
nung Gerichts-Sekretär, die übrigen Gerichtsſchreiber Altuar
und die Gerichtsſchreibergehilſen Regiſtrator führen«
Der Einjender bemerft hierzu: »So hätte es denn das Groß—
herzogliche Minifterium glücklich fertig gebracht, daß die mit der
neuen Gerichtäverfafjung eingeführte deutjche Bezeichnung gründs
lich ausgemerzt ijt«. Und dabei hat fich der deutſche Sprach—
verein zu Weimar aufgelöft, »da er die ihm gejtellte Aufgabe im
wejentlichen gelöjt habe« (vgl. Sp. 129 d. v. Jahrg. d. 2.).
— Der PVorjipende des Arbeitsausſchuſſes zur Feititellung
der Hänfigkeit deutiher Wörter, Silben und Laute, Herr
FW. Käding, Berlin N., Hrausnidjtr. 1, teilt mit, daß die
Weiterführung des Wertes, über das im 6. Wiſſ. Beihefte und auf
Sp. 47 — 49 des Jahrg. 1895 d. 3. berichtet wurde, wegen mangeln=
der Mittel aefährdet ift. Es wäre höchſt bedauerlich, wenn das
Unternehmen jet ſcheitern jollte, wo bie ſchwierigſten Abteilungen
überwunden find, und eine gröhere Anzahl von Mitarbeitern
feine Vollendung in Jahresfriſt verbürgt. Wir unterjtügen daher
gern die Bitte des Herm Käding um Einfendung von Beiträgen
an ihn oder an den Kaſſenwart des Arbeitsausihufes, Herrn
N. Schreiber, Berlin N., Templineritr. 2.
Sprablibe Mufterleiftungen.
»Beihluf.
Nachdem der am 12. November 1892 von dem Kreisausſchuß
des Kreiſes Torgau geitellte Antrag auf Regelung der Bertretung
der Geſammtheit der Betheiligten Dritten gegenüber, bezüglich der
gemeinjchaitlihen Angelegenheiten, welche für die im $ 6 bes
Separationd : Nezejjes von Torgau, betätigt den 31. Januar 1561,
unter Nr. 1 bis 569 aufgeführten Theilnehmer des Verfahrens,
betreſſs der nach $ 8 des Mezejjes gemeinschaftlich gebliebenen
Grunditüde, ſowie der im $ 9, 10, 11 und 12 daſelbſt auf-
geführten gemeinfchaftlicen Anlagen an Straßen, Wegen, Triften,
Fußfteigen, Gräben, Brüden, Schleufen und Dämmen begründet
worden find, auf Grund des Geiehes vom 2. Mpril 1887, bes
treffend die durch ein Auseinanderjegungsverfahren begründeten
gemeinjchajtlichen Angelegenheiten, durch Einrüdung in das am
29. November 1892 ausgegebene Stüd des Sreisblattes des
Kreiſes Torgau öffentlich befannt gemacht und Einipruc dagegen
innerhalb der geitellten Ausſchließungs-Friſt von 2 Wochen
von feiner Seite erhoben iſt, jo wird hiermit die Vertretung der
vorbezeichneten gemeinjchaftlihen Angelegenheiten dem Magiſtrat
zu Torgau übertragen.
Urkundlich unter Siegel und Unterichrift.
Merjeburg, den 20. December 1392.
(Siegel)
Königlihe Generaltommiffion.
(Unterjehrift.)«
Alſo 151 Wörter oder Ziffern in einem Sage! Wir jtimmen
dem Ginjender diefes Mufters von zopfigem Stile bei, wenn er
dazu fagt:
»Es erben ſich die alten Formulare
Wie eine ew'ge Krankheit fort,
Zuweilen grenzt es fait ans Wunderbare
uſw. uſw.
Sicherlich iſt der Verfaſſer des vorſtehenden Beſchluß- Vor—
drucks nicht der, welcher ihn jetzt, wahrſcheinlich in Hundert und
mehr ähnlichen Angelegenheiten, zu vollziehen pflegt. Trotzdem
it es wohl an der Zeit, dem Zopf wenigiten ein bischen zu
fürzen. Die Mode hat jich, gottlob, geändert. «
— Durch die Güte eines Mitgliedes find wir in den Beſih
eines Siegels gelangt, das die Aufichrift trägt: » Koenigl. Württemb,
7
Hof-Banque«, Der Einfender hat unzweifelhaft recht mit feiner
Bemerkung: ». . . wenn das Eiegel einer »Königlihen«e Bant
eines deutſchen Bundesſtaates ſolche Geſchmackloſigkeiten übt
und verbreitet, ſo überſteigt dies doch das Maß alles deſſen, was
man von einzelnen »Deutfhen« Höfen an Verſündigungen gegen
das deutſche Sprachrecht zu jehen gewohnt ift.«
— In ber »Zufunfte (Nr. 18 vom 2, Febr. 1895, ©. 239)
fernen wir ein alte® Fremdwort in neuer Verwendung lennen.
Herr Franz Hermann Meiner fagt nämlich dort: -Perſönlich
intriguirte mic) dazu... .« Bequem ift es freilich, ein belichiges
frangöfisches Wort zu gebrauchen, wenn einem der richtige deutfche
Ausdruck nicht einfallen will; ob es aber auch ſchön fit? ?
Zprechſaal.
Prof. Dunger hat in ſeinem glänzenden Feſtvortrage in Graz
(vergl, wiſſenſch. Beiheit IX ©. 141) u. a. gerügt: ⸗Für Präfident‘
jagt man gut deutic Vorfigender; was hat es für einen Sinn
dafür Borfiger neu zu bilden, nur weil dadurd) drei Budıitaben
gelpart werden?« — Ich weiß nicht, ob dem Bortragenden hierbei
as Vorhandenjein des allgemeinüblichen Wortes »Beifiper«
gegenwärtig geweſen ift, möchte aber auf dieſes beſonders aufs
merffam machen. Iſt es wirklich jo ſehr zu tadeln, da man die
für manchen unſchöne Ungleihmähigleit, wonach die leitende
Perſon eines Beratungslörbers Borfigender, die andern Mitglieder
aber Beifiger heifien, zu befeitigen fucht? Ach glaube, daft gerade
diefe Nihtübereinjtimmung, nicht etwa der Umſtand, daß
Vorfigender um drei Buchſtaben länger ift, den Anſtoß zu der
Neubildung gegeben habe. ES Hingt jchleppend zu jagen: » Herr
Vorfipenders (vergl. » Herr Vorftehender« ftatt » Vorftcher«). Auch
erleichtert die Form »Borfiger« die Bildung von Zuſammen—
fepungen, 3.B. Vorſitzerwahl, Vorſitzergeſchäfte, die mit
»Borjigendere nicht gut möglich find. Soflte es nicht Gegenden
geben, wo das Wort Vorfiger feit langen Zeiten gang und
gäbe ift? Auskunft hierliber wäre wohl erwünſcht. Faſt möchte
man jened annehmen, weil in der Beitichrift Jahrg. VII Sp. 14
angegeben ift, da; das Wort »Vorfiger« dem holländiſchen Voor-
zitter (geiprochen »Borfitter«) nachgebildet fei. Allerdings wird
auch dort die Nachbildung ſchon getadelt. Mir jcheint aber, daß fie
nad) dem eingangs Betonten doch »nicht jo ganz ohne⸗ fei. Wenn
fie wirflich durchdringt, iſt ja alles in bejter Ordnung, D. fagt
felbjt, es enticheide der Erfolg, vgl. S. 141, 142 a. a. O. K. B.
Bücherſchau.
Deutſche Studentenſprache von Dr. Friedrich Kluge,
Profeſſor an der Univ. Freiburg i. B. Straßburg, 1895. Trübner.
Xu. 136 S. 8°. 2,50 Mt.
Halliihe Studentenfprade Eine Feitgabe zum zwei—
hundertjährigen Jubiläum der Univerfität Halle von Dr. Kohn
Meier, Privatdozent der deutichen Sprache und Literatur.
Halle a. d. S., 189. 1IVu. S. Niemeyer. 2,80 Mt.
Eine der liebenswürdigſten Erſcheinungen auf dem Gebiete
der deutſchen Sprachwiſſenſchaft iſt dieſe neueſte Arbeit des durch
fein muſtergültiges eiymologiſches Wörterbuch der deutſchen Sprache
befannten Gerntaniften. Streng willenihaftlih und dabei jo
gemeinverjtändlich geichrieben, da jedermann fie mit wahrem
Genufje lejen fann, wird fie in den Streifen derer bejondere
Freude bereiten, die felbjt eine fröhliche Studentenzeit verlebt
haben und num bei dem Lefen diefes anziehenden Büchlein aus den |
ſchnutrigen, jonderbaren Ausdrüden der ſtudentiſchen Kunſtſprache
alte, liebe Gejtalten der goldenen Tugend in der Grinnerung
wieder auftauchen jehen. Wer hätte fich nicht manchmal ſchon
gefragt, woher dieje närriſchen Wörter jtammen mögen? Cine
fajt erihöpfende Antwort giebt uns Kluges Buch, eine Antwort, |
bie, und zugleich ein ganzes Stück Kulturgeſchichte vor Augen
führt. Wir jeben, wie im 16. und 17. Jahrhundert die alte
lateiniiche Gelehrtenſprache, im 18. Jahrhundert das Franzöfiiche
Einfluk gewinnen, wie die Sprache der Bibel und das Notwelich
oder die Gaunerſprache viele Beiſteuern liefern, wie aber vieles
auch frei erfunden oder in fröhliher Kecheit umgeſormt, ver—
ftümmelt, in anderer Bedeutung gebraucht wird, Mancher jelts
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr.1.
ö—e—— — — — — — — —— — — —— —— — ——— — —
8
ſame Ausdruchk, der in die Schriftſprache ag en iſt, erhält
hieraus feine Erklärung, wie Grobian, Pfiffikus Luftilus, Schwach⸗
matifus oder die nad franzöfiicher Art gebildeten, aber im
Franzöfiichen felbjt nicht vortommenden Formen Blamage, Res
nommage, Spendage, malitiös, philiftrös, canaillös. Auch die
noch immer vieliah gebrauchten unihönen Bildungen Jenenier,
Hallenjer, Bothaner, Weimaraner, Hannoveraner u. a. ſſammen
aus der Stubenteniprahe. Ebenſo ift eine Anzahl von Aue:
drüden der Gaunerſprache, die zum Teil jüdiſchen Urfprumgs
find, durch Wermittelung der Burſchenſprache in das Gemein:
deutſch übergegangen, wie jhofel, molum, mogeln, foppen, bleden,
pumpen. CEigentümlich ift, wie manche Wörter in der Studenten:
ſprache eine andere Bedeutung angenommen haben; aud von
diefen find einige gemeindeutich geworden wie flott, ledern, Sneipe,
Badfiih, Spektafel, Beſen, fidel, fir, kraß. Hierzu gehört auch
notig im Sinne von gemein, ungebildet, das nichts mit Knoten
zu thun bat, jondern eigentlich gnotig zu ichreiben iſt, abzuleiten
von dem niederdeutichen ote = Genoſſe, Handwerksgeſelle. Bir
reich diefe Fachſprache ift, zeigt die höchit eigenartige Aufammen:
ftellung von Biernamen auf S. 22— 25. Der Verf. begmügt
fih aber nicht damit, in zufammenhängender, fejielnder Der:
jtellung bie —— und Entwidelung der Studentenſprache zu
behandeln, jondern fügt auch noch ein wiſſenſchaftlich höchſt wert:
volles Wörterbuch der ftudentiihen Musdrüde hinzu, in welden
er auf Grund umſaſſender Forihungen neben der Bedeutung der
Wörter auch die Zeit des Vorlommens verzeichnet.
Die Meieriche Schrift ift zwar eher erichienen, als Muget
Deutſche Studenteniprache, aber dennoch gebührt Kluge das Ber:
dienst, zuerſt die Aufmerkſamkeit der willenichaftlichen Welt auf
diejes anziehende Sprachgebiet bingelenft zu haben, durch jeinen
Vortrag im Weimariihen deutjchen Spradverein 1892, an deu
ſich auch Meier anlehnt. Doc) bietet diefer auch manche eigene
Forschungen und behandelt einiges ausführlicher, 3. B. die Gamer:
ſprache. Da er nicht wie Kluge ein Wörterbuch beifügt, fo vers
arbeitet er jeinen aus zahlreihen Quellen gefammelten Stoff zu
einer zulammenhängenden Schilderung, die gut geordnet und
friſch geichrieben iſt. Freilich müßte die Überschrift cbenfo wie bei
Kluge »Deutiche Studentenſprache- lauten; denn die Studenten:
ſprache in Halle war in der Hauptiache diefelbe wie auf den
anderen Hochſchulen. Wenn der Verf. auf S. 9 die Anſicht aus—
fpricht, daf in der Redensart »mein Geld iit fein Blech« lepteres
Wort im Sinne der Gaunerſprache gebraucht jei (Blech — Geld,
blechen — bezahlen), daß es aljo heiße »mein Geld ift fein Diebe
geb, ich habe mein Geld nicht geitohlen«, fo kann ich ihm nicht
eiftimmen; denn dieie Nedensart wird nicht bloß von Studenten,
fondern allenthalben im Bolfe gebraucht, und zwar nicht in dem
angegebenen Sinne. Vielmehr bedeutet fie: »mein Geld ift redit
und gut, ich verlange für mein qutes Geld auch qute Ware«
Blech hat alſo die gewöhnliche Bedeutung: das Geld ift von
Eilber, nicht von wertlojem Blech.
Dresden. Hermann Dunger.
— Linhoff, Mattiad. Verdeutſchungsbüchlein. Ber:
deutichung der in dem Wörterverzeichniffe des preußtichen Schul:
ichreibungsbüchleins vorkommenden entbehrlicen Fremdwörter.
Münster i. W. Aſchendorff. 1894. 32 S. 8.
Ein im ganzen brauchbares Büchlein, aber mit einiger Vor—
ficht zu benugen. Manche Berdeutichungen jcheinen mir nicht
lücklich, 3. B. Geſchützerei für Mrtillerie, Reitereifoldat
fir Kavalleriit, Hutabzeihen für Kokarde. Andere find min:
deitens recht ſchwerfällig, wie bucditabenrehnungsmähig
für algebraiih, Gewifjensfragenentiheider für Kajuit,
Arzneibereitungsfundiger für Pharmaceut, jilbenmei-
fungbetreffend für projodiich, oder gar Körperjchvorrid
tung für Stereoffop und Geradlinienbrettden für Lineal!
Ich würde auch lieber Sekte als Lehnwort anerfennen als dafür
Sonderglaubensgenofjenjchaft jagen und vollends Son:
SETSERTFERAERNDIEERIRRIFTE für Seftierer. Der Begriff
sentbehrliche it zu weit gefaht, wenn z. B. Sergeant durch
Rottmeiiter eriept wird. ine forgfältige Durcharbeitung nad
diejen Richtungen würde einer etwaigen neuen Auflage jchr zu
jtatten fommen. Schon jept aber fann das Bud) in vielen Fällen
als willtommener Natgeber dienen.
Braunjhweig. Karl Scheifler.
9 Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Spradvereind XI. Jahrgang.
Eingefandte neue Drudjchriften.
Blum, Dr. Hand, Biamardd Mahnworte an das deutſche
Bolt. Erlangen 1895. Palm u. Ente. VIII u. 180 ©.
8°. geh. 1,20 M., geb. 2. M.
Riehl, W.H., Die Familie. Schulausgabe mit einer Ein-
leitung und Anmerkungen von Dr. Th. Matthias. Gtutts
gart 1896, Kotta’jche Buchhandlung. 199 ©. U. 8°. 1,20 M.
Der Deutihe Volläbote Zeitichrift der beutichnationalen
Partei in Böhmen. Prag 1595. Nr, 11—24. (Neben feinem
mannhaften Eintreten für unfere deutichen Vollsgenoſſen in
Böhmen iſt bei diefem trefflich geleiteten Blatte auch das
von bejtem Erfolge getrönte Beltrcben nach Spracreinheit
ſehr zu loben.)
Schuchardt, Hugo, Sind unjere PBerjonennamen über-
jetbar? Graz 1895. Im Selbjtverlage. 116. 4°.
Süddeutiche Blätter für höhere Unterridtsanitalten.
Herausgegeben von Karl Erbe. Stuttgart 1895. III. Jahrg.
eft 9—13. (Heft 9: Spridwörtlide Redensarten aus dem
ittelhochdeutichen, von Th. Schauffler; Heft 13 und 14:
Kleine Bemerkungen zu der deutichen Bildungsfilbe »er« von
D. Bender; Schreibung und Ausiprache der griechischen und
durch® Griechiſche vermittelten Eigennamen im Deutjchen von
Karl Erbe; peft 15: Bericht über die Grazer Hauptverjamm:
fung des a. d. Sprachvereins.)
Rothe, Direktor im Reichsamte des Innern, Über den Kanz—
leiſtil. Erweiterter und ergänzter Vortrag. Berlin, 1896.
5. Auflage. Karl Heymanns Berlag. 35 S. 8%. 0,60 M.
(Dieje vortrefflihe Schrift ift bereits im V. Jahrg. d. 3.
Sp. 60 beiprochen und aufs wärmſte empfohlen worden.)
Hertel, 8, Thüringer Sprachſchaßz. Sammlung mund—
artliher Ausdrüde aus Thüringen nebit Einleitung, Sprad):
karte und Spradproben. Mit Unterjtügung des Thüringer
Waldvereins herausgegeben. Weimar, 1895. H. Böhlaus
Nachfolger. VII u. 2658. 8°. 4 M.
Zimmerli, Dr. J., Die deutſch-franzöſiſche Sprachgrenze
in der Schweiz. II. Zeil: Die Sprachgrenze im Mittels
lande, in den Frreiburger-, Waadtländer- und Berner- Alpen.
Bafel und Senf. H. Georg. VIII u. 164 S. Anhang XIV.
Giefeting, E, Das Fremdmwörterunwejen. Sammlung
pädagoaiiher Vorträge. Band VII, Heft 8. Bielefeld,
«U. Helmih. 266. 8° 0,50 M.
Kuß, Anton M., Wie bat ſich die Vollsſchule dem
Diafeft gegenüber zu verhalten? Ein Beitrag zur
Boltsfchulpädagegif. Bielefeld, A. Helmih. 8%. 38 ©.
Seitungsihan.
Auffäge, Beiprehungen uw. in Zeitungen
und Beitjchriften.
Das Schriftdentich im faufmänniichen Berfehr. — Ham—
burger Freie Preſſe 10. 7. 95.
Gloöl, Heinrich, Wefeler Deutich. Weſeler Zeitung. Nr. 133
bis 136. 1890.
Zur Kenntnis der deutjchen Seemannsſprache. — Words
deutjche Allgemeine Zeitung 15. 9. 95.
Hartmann, Hugo, Die deutjchen Perfonennamen —
Voſſiſche Zeitung 15. 9. 95.
Deutiche Zerjplitterung. — Freis Deutichland 27. 7. 95.
(Beichäftigt fich mit dem Beichluffe der Grazer Hauptvers
fammlung betr. der Schriftgattung.)
Kolonijation und Mutterſprache. — Deutſche Kolonials
zeitung 31. 8. 95.
Barth, &, Unjere Mutterſprache in den deutichen Ao—
lonialſchulen. — Deutiche Kolonialzeitung 14. 9. 05.
Pennſylvaniſch-Deutſch. — Mitteilungen des A. D. Schul:
vereins, Aug. = Septbr. 95.
Wie man ſich verfpricdht. — Die Grenzboten 5. 9. 95.
Scheufler, Georg, Sprachwiſſenſchaft und Äſthetit im
legten Jahrzehnt. — Internationale Litteraturberichte
4. u. 18. 9. 9.
1896. Nr. 1. 10
Das Neifen im Lichte der Sprade. — Wiſſenſch. Beilage
ber Leipziger Zeitung 22. 8. 95.
NRojegger, ®., Unfere Mutteriprade. — Tagespoft (Graz)
21.7.9. (Eine angiebende » Plaudereie, mit der der Dichter
den Spracverein in Graz begrühte.)
Berliner EIIRBERIMTBER — Braunſchweiger Tageblatt
13.11. 94.
Die deutiche Spradinfel von Iglau. — Münchener Neuejte
Nadrichten 2.12. 94.
Bropinef, Oslar, Die deutiche Rechtſchreibung der Gegen:
wart. — liber Land und Meer, Oltober 94.
N. M., Falſcher Puß am deutihen Spradgewande —
Danziger Zeitung 28.10. 94,
Erönert, Landgerichtsdireltor in Halle, Fortichritte in der
Amtsiprade der Gerichte Kölnische Zeitung 26. 7. 95.
Euphemiftifhe Redewendungen im Deutſchen. — Straf
burger Poſt 9.9. 94,
mine, Die deutijhe Bergmannsſprache. — Rheiniſch-
BWeitfäliiche Zeitung 7. 7. 9.
Die Shriftleitung ftellt den Leſern d. 8. die oben
aufgeführten hd € uſw. gerne leihmweife * Ver—
fügung, bittet aber dringend um baldige Rüchſendung.
Aus den Smweigvereinen.
Aurid. Am 25. November hielt der Marine: Oberpfarrer
Gödel aus Wilhelmshaven einen Vortrag, in dem er zumädhit
über das Biel und das Wejen des Sprachvereins aufflärte und
fich dann über die Eigenart der deutſchen Seemannsfprade
ausließ, deren wiſſenſchaftliche Erforihung jein anerfanntes Ber:
dienft iſt. Er bewies an zahlreichen Beiipielen, daß die ſcheinbar
aus dem Engliichen entlehnten, im Binnenlande ganz unbelannten
feemänniichen Ausdrücde deutichen Urſprungs und vornehmlich an
unſerer frieſiſchen Küſte heimatberechtigt, zum grofen Teile aber
ſpäter als Fremdwörter zurücgefehrt oder durch Uberſetzung ins
Hochdeutjche verduntelt jeien. — In den Vorftand wurden fir das
nächte Jahr wieder gewählt: Dr. Heynader als Vorfigender und
Generals Superintendent D. theol. Bartels, zu denen neu hinzu—
tommt Bojtdireltor Dr. Kummer ald Schrift: und Kafjenführer.
Breslau. In der jehr gut beſuchten eriten Beriammlung
des Winterhalbjahrs hielt der Vorjigende, Brojefior Dr. Neu:
mann, einen längeren Vortrag über Gafien und Straßen
in Breslau und anderwärts. Nach hırzen Andeutungen
über die äukere Veranlafiung zu feiner Erörterung gab er einen
Überbfid über die Anwendung der Bezeichnung Galle in Breslau
und in andern großen und Kleinen Städten des Deutſchen Reiches
und Dfterreih®. Daraus ging hervor, dak in unſerer Stadt,
abgeiehen von denjenigen Durchgängen, die, wie » Eijenfram und
Topftrame, weder als Gaſſen noch als Strafen bezeichnet werden,
aber zu den eriteren zu rechnen find, noch etwa ein Sechstel aller
Verkehrswege den Namen Gaffe führt, und zwar nicht bloß folche
Wege, die jchmal, kurz oder wintelig find, fondern überhaupt
Nebenftraßen. Stärfer iſt die Feindichaft gegen den Ausdruck
Safe in Berlin, wo 1885 neben 519 Straßen nur nod
23 Gaſſen vorhanden waren, fermer in Hamburg, Leipzig,
Stuttgart ımd leider jept auch in Frankfurt a. M. und in
Heinen Städten Mitteldeutichlands. Trogdem giebt e8 in Erfurt
noch eine große Menge von Heinen und frummen Wegen als
Gaſſen; ebenjo werden in Bonn (mit 22 Gaſſen), Elberfeld
(mit 11 Gafjen), Köln a.RH. (mit 103 Gaſſen und 11 Gähchen),
Straßburg i.E. und an vielen andern Orten die Gaſſen nod)
in Ehren gehalten. In Böhmen, z. B. in Neichenberg, Prag,
Bilfen, ferner in Brünn und Olmüp iſt Gaſſe die vorwiegende
Bezeichnung der Wege innerhalb der Stadt; auch in der Kaiſer—
ſtadt Wien hat man den Namen Gaſſe nicht nur im alten Werne,
fondern aud) in den chemaligen VBorjtädten in dem Umfange bei-
behalten, daf; allein umter den mit A— F anfangenden Straßen:
namen fich 267 Gaflen befinden. Beſonders bedeutfam ift bier
auch die Thatfache, daß jelbit Benennungen nad, großen Männern
der Vorzeit ald Ballen auftreten, 3. B. Dürergafie, Goethegaſſe,
Schillergaſſe. Zur Erklärung dieſes Schwankens im Gebrauche
von Gaſſe und Straße berieh ſich der Vortragende auf die ge-
ſchichtliche Entwidlung der beiden Ausdrüde und wies nach, daß
Gajje in den hochdeutſchen Mundarten des Mittelalters das
11
allein übliche Wort fir Wege in Städten und Dörfern geweſen
ſei. Sprachlich vielleicht verwandt mit dem Stamme von ver-
gejien (dem Gegenteil von erreichen), bezeichne Gaſſe die Mög—
lichkeit, ein Ziel zu erreichen, zunächſt alfo ein Loch, einen Durd)-
gang. Da das Wort ficher über die Zeit des beginnenden
tädtebaues zurüdreice, jo würde damit urfprünglich die Offnung
in der Umzäunung des Dorfes gemeint jein, die unter Umſtänden
durch eine Thür (Gatter) verichlofien wurde. Breit jeien die erjten
Verlehrswege in den Rohnplägen gewiß nicht geweſen; fpäter aber
habe man weite und enge Gaſſen umterichieden und die fchteren
auch Gäßchen, Gäßlein oder Gäſſel (z3. B. Feuergäfiel) genannt.
Neben dieſem echtdeutſchen Ausdrucke ſei das Lehnwort Straße,
von strata (via) — gepflafterter Weg, unter dem Einfluſſe der
Römer früh in Gebrauch gefommen, jo zwar, daß Strafe der
(Heer=:) Weg ſei, der durchs Land gebt und ſich vielleicht auch im
die Stadt hinein fortieht, und dak Gaſſe allerlei —* lediglich
innerhalb der Städte bezeichne. Noch im 16. Jahrhundert ſcheine
im Innern der Städte die Gaſſe der Straße gleichwertig, alſo
weder jchmäler noch klürzer geweſen zu fein. Erſt im neueſter
Zeit, feitdem ber Verkehr auch innerhalb der Städte fich bedeus
tend bob und auffallend breite Wege angelegt wurden, habe man
die Benennung Gafle nur für untergeordnete Nebenwege beibes
halten. Merkwürdigerweiſe jei nun im niederdeutichen Sprach—
gebiete der Ausdruck Gaſſe höchſt jelten, auch in Gegenden, wos
bin der unmittelbare Einfluh der Nömer nicht gereicht habe.
Wenn dennoh in mandjen Städten des MNordoitens das Wort
Gaſſe üblich fei, z. B. in Danzig, jo wäre fich das wohl aus
fpäteren Anfiedelungen der Deutſchen. Dieſe Vermutung werde
durch die Thatſache geſtüht, daß auch bei den überfeeiichen Ger—
manen, im Norden Englands, in Schottland und in ganz Stans
dinavien, das Wort Gaſſe lengliſch gate; ſchwediſch und norwegiſch
gata; däniſch gade) einen ehrenvollen Platz behaupte. Aber
auch die Redeweiſe des gewöhnlichen Lebens bezeuge, daß Gaſſe
der übliche Ausdrud für alle Wege in der Stadt und überhaupt
für die Dffentlichfeit gewejen fei, vgl. gaſſaten (mit Tateiniicher
Endung gafjatim) geben, Gaflenhauer, aflentreter, Gaſſen—
junge, Hans in allen Gaſſen, Lagergaſſe, Gaſſen laufen, Gaſſen—
ſchank w. a. Lehrreich in diefer Beziehung jei Luthers Bibelüber-
feßung, in der (3.8. 1. Moje 19; Nehemia 8, 1; Daniel 9, 25;
Matth. 22, 9; Lut. 10, 31; 11, 6: 14, 21 und 23; Apojtelg. 8;
Dfienb. 21, 21) zwilchen den Gaſſen als Wegen in der Stadt
(Strafe im Sinne von plaßartiger Enweiterung) und den Yand-
ftraßen ſcharf unterichieden werde. Dagegen habe bei dem Spradı:
gebrauch Goethes, ficherlich bei dem Schillers die Berüdjichtigung
des langes u.a. auf die Wahl des Nusdruds bejtimmend eins
gewirkt. SHiernad empfehle es fich, die Bezeichnung Gaſſe bei
Strakennamen nicht ohne Not zu ändern, unter Umftänden jogar
neu einzuführen. Das fordere die Rückſicht auf die geichichtliche
Vergangenheit der Städte, ebenjo jehr aber auch die Achtung vor
unjerer Mutterſprache, deren Reichtum wir nicht leichtfertig
fchmälern dürften.*)
Dresden. Nach Worten ehrenden Gedenkens, die der Vor—
figende, Graf Vißthum, zwei veritorbenen Mitgliedern, Herrn
Kohrig und Mufitdireftor Dittrich, widmete, ſprach Prof.
Dr. Scheifler über Friedrich Diez, den Begründer der romas
niſchen Philologie. Darauf beantwortete Oberlebrer Dr. Lyon
als Vorſitzender des ſprachwiſſjenſchaftlichen Ausſchuſſes eingegangene
Anfragen und zwar: 1. Woher ſtammt das d am Schluſſe der
Wörter niemand und jemand, das doch bei dem Worte jeder—
- mann fehlt? Dieſes von Jakob Grimm als unorganiſch bezeichnete
d ift eine ganz alte deutfche Bildung und trat ald Zungenzahn—
Plaplaut an den Zungenzahn-Naſenlauten der bequemeren Aus—
fpradhe wegen an. Bei dem Worte jedermann fehlt das d,
weil es in viel fpäterer Beit entitanden iſt, als das grammatiiche
Bewußlſein mit jeinen Negeln den natürlihen Spradwerlauf ſchon
ftörte. — 2. Gambrinus fommt ber von Jan primus, dem Herzog
von Brabant (7 1204), dem Ehrenvoriitenden der Brauergilde in
Brabant. — 3. Die Worte Kamm-, Riſt-, Speid- und Elle
griff entitammen der Tumipradje, wie fie Ludwig Jahn geichaffen
*) Für gütige Mitteilungen über den Gebrauch von »Gaſſe«
neben »Straße«,
Buchruder in Elberfeld, Fliegen in Strahburg i. E., Dr. Früh—
auf in Olmüs, Klapp in Wermelstirchen, Wirth in Frankfurt a. M.
und Dr. Rülfing in Bonn herzliden Dank Profeſſor Wilh. Neu—
mann in Breslau.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 18%. Nr. 1.
vgl. Zeitſchtiſt XS. 170, faqt den Herren
12
bat. Kamm heift jeder zinlenartig aufragende Gegenitand, in
diefem Falle die Hand mit ihren fünf Fingern (franz. ſcherzweijt
le peigne allemand genannt); Rift ift der Handrüden, die Hand:
wurzel, Speiche und Elle jind die beiden Unterarmfnocen. — 4. Die
Saloppe (bei Dresden) bat ihren Namen von dem ſlawiſchen cha-
lupa (Bretterbude), wie eine ſolche 1813 von der ruffiichen Beſatzung
an der Stelle der jegigen Saloppe als Schentbude erbaut wurde. —
5. Das althochdeutihe Wort bridil, von dem das franzöftiche Lebn-
wort le bride (der Zügel) ftammt, fommt ber von dem althob-
deutichen Thätigfeitsworte bridan (weben, verfnüpfen) und bedeutet
fomit die Berfnüpfung des Reiters mit dem Pierde. —6. Die ſchottiſche
Borfepfilbe Mac bei Eigennamen hängt zufammen mit dem gotiſchen
Worte magus (Sohn, Knabe, Züngling (vergl. Magd, Mägdlen]]);
Maepherson bedeutet alſo Sohn des Pherſon. Keltiſcher Uriprung
des Wortes ift abzulehnen. — 7. »Ei der Taufende ift eine eupbe:
miftiiche Bildung für »Ei der Teufele, ähnlich wie »Bote in
Worten wie Popbiig, Bopiaterment für Gottesblig, Gottes Sakra:
ment steht. Daus iſt der niedrigite Wurf im Würfelſpiel: zwei
mal eins. Wer »Ei der Dause fagte, verwünichte alfo fein Mit:
geſchick im Spiel. Daraus entitand » Dulund« ala Name des
Teufel$, den man gleichfalls verwünfdte. Daß das Wort Daus
auch die höchſte Karte bezeichnet, kommt von der franzöfticen
Karte ber, worin befanntlich das Ah nur ein Auge aufweiit.
Dan vergleiche englijch deuce — der Teufel. — In der Bejpredung
wurde noch im Anjchlug an die erite (Frage bingewiejen auf das
ſchleſiſche Mandl für Mann (die Erdmandin), abgeihmalt
und gewohnt, die aus den alten Eigenihaftswörtern abgejhmet
und gewohn entitanden find, auf die Wörter jett, einjt, einit:
mals, bei denen das t gleichfall& ſpäter angetreten iſt, endlich auf
das deutihe jogenannte Gerundivum ein nicht zu befahrender
Weg, entitanden aus »nicht zu befahren«. Auch Badhänd! anjtatı
Badhähnel gehört hierher.
Duisburg Die erite Verſammlung in diefem Winter er
öffnete am 26. Oftober Prof. Dr. Mehlfopf mit einer Aniprade,
in der er die Ziele des a. d. Sprachvereins darlegte und cm
Sanze für die Teilnahme der Frauen an deilen Arbeiten brad.
Hierauf hielt Herr Lehrer Broich einen Bortrag über Peter
Moſegger“, in dem er einleitend bemerkte, jeder Dichter babe
feine bejondere Art zu ſchreiben, und fein beionderes Gebiet, au:
dem er feine Stoffe wähle. Roſeggers anbeimelnde Schreibweiie
wähle ſich zu ihren Darftellungen die ſteiriſchen Albenthäler und
deiien fernige Benölferung. Abgeichlofien von der Welt der Bildung
wuchs der Bauernbub’ Peterle dort auf, follte urſprünglich »geift-
liche werden, wurde aber dann Schneiderlehrling. Bier Jahre
zog er mit feinem Lehrmeiiter vom Bauernhaus zur Tagelöbner-
bütte und umgekehrt im Gebirge umher. Auf diefem Wege
lernte er Land und Leute von Grund aus fennen, die cr umö
jo ſeſſelnd zu ſchildern veriteht. Pater Cochems »Leben Aeiu«
war in der armen Waldbauernbütte zu Alpl bei Krieglach dei
ausnahmsweiſe leſelundigen Peterles einziger Lejeftoff, nur daß
bier und da ein Kalender hinzukam. Dr. Spoboda von der
Grazer Tagespoft« sentdedte« den Volfsdichter, ihm hatte der
Schneiderlehrling einige Gedichte zugeſchick. Durch diefen Gönner
fam er nach Graz, wurde dort zumächit Buchhändlerlehrling und
durch den befannten Rudolf Falb darauf Schüler der Handel
ſchule. Rudolf Falb verdankt der berühmte Schüler die arükte
Anregung zu feiner wifjenschaftlichen Fortbildung, durch ihm vor:
zugsweiſe wurde er in die Wiſſenſchaft eingeführt. Nubert Hamer-
ling ebnete ihm die Wege zu feiner jchrüftftelleriichen Laufbahn,
er verjah feine Bauerngedichte »Zither und Hadbrette mit einer
Vorrede. »Tannenharz und Fichtennadelns, fowie » Bilder aus
dem fteirijchen Tberlande« folgten bald diefem Eritlingsmerte,
und heute iſt die Zahl der Roſeggerſchen Schriften eine jo große
geworden, daß fie kaum aufzuzählen find. Auch eine Beitichrt,
den » beimgarten«, giebt er heraus, worin er neben feinem wirh
lihen Namen auch unter dem Dednamen »Hans Malſer« feine
dichteriichen Erzeuanifie veröffentlicht. Roſegger verjtehe, ſagte
Herr Groſch, wie wenig andere Schriftfteller jein eigenes Ich dem
Seiler in einer Weile nahe zu bringen, welche dem letzteren um
ausgefept die Empfindung lebendig erhalte, der Dichter jtehe mit
*) In der Annahme, daß den Leſern d. 3. Angaben über dei
| Leben und die Werfe des gefeierten fteiriichen Dichters, der in
jeit einiger Feit zu den Mitgliedern unſeres Geſamtvorſtandes
‚ zählt, willfonmen fein werden, bringen wir einen ausführlichen
| Bericht über diefen Vortrag. D. L.
13 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 1. 14
feiner ganzen Perjon für die Grundſätze und Gefinnungen ein,
welche er im ergreifenden Beiipielen verkündige. Auf Roſegger
dürfe das Wort Sutermeijters angewendet werden: »Die Welt
ift nicht jo groß, das Herz ift nicht fo Mein, daß diejes, wenn |
Darum finder man jelbjt die |
es liebt, nicht jene ſchlöſſe ein.«
nah Inhalt und Form anfechtbaren Augenblickstinder feiner
Mufe liebenswürdig, weil fie die warme Empfindung, aus welder
fie geboren jind, voll ausjtrömen. Roſegger jei wie ein geborener
Lehrer, dem jich alles von jelbjt zur Entwidelung gejtalte, ein
echter Volfserzieber, der auch mit der Heinjten Erzählung, dem
unſcheinbarſten Bilde, das er vor unseren Augen entrofle, eine
ernjte Aufgabe verfolge. Das Beite an diejer Welt, ſage er,
feien das Familienglück und die Schönheiten der Natur. Groß—
artige Naturbilder entwerfe er in » Martin, der Mann«, in des
» Waldichulmeifters Schriiten«, »Maria im Elend«, dem »Gott-
fuchers, »Fobannes der Lieblinge, dem »Herreniepp« u. a. Schriften.
Die am vollendetjten geformte Dichtung dürfe wohl »Nafob, der
Leptee fein. Der Bortragende gab dann nod einge Proben
Mojeggericher Schreibweife zum Beften, wovon wohl des Dichters
Schilderung feines >quten Nameraden« Rudolf Falb wegen der
befannten Berjönlichteit des lepteren am meiiten angeiprochen
haben dürfte.
Freiburg i. Br. Am 21. November hielt Univerfitäts - Pro-
fefjor Dr. Weihenfels vor einer zahlreichen Zuhörerſchaft, worunter
wohl zur Hälfte Damen, einen Vortrag über Heinrih von
Kleijt und jeinen »Pringen von Homburg«.
Kafjel. Den Unterhaltungsabend am 21. Oltober eröffnete
DOberbibliotbelfar Dr, Lohmeyer mit einer Anfprache über die
Ziele des Spradwereins, worauf Piarrer Opper einen Vortrag
über die Berdienjte Martin Luthers um die deutiche |
Sprade bielt. (Den ausiührlihen Bericht der Kaſſeler Allg.
Zeitung hierüber ftellt die Schriftleitung gerne leihweiſe zur Ver—
fügung.) Es folgten mufifalijche Darbietungen, und zum Schluſſe
wurde das Luſtſpiel »Ciner muß beiraten« aufgeführt, das einen
Vorjall aus dem Leben der Gebrüder Grimm behandelt. Der
enupreiche Abend hatte eine Neihe von Beitrittsertlärungen zur
Folge, jo daß der Zweigberein mit 422 Mitgliedern jegt wohl der
ſtärkſte des Verbandes ıft.
Köln. Am 29. November ſprach Oberlebrer Dr. Blumſchein
über die Wandlung von Wortbedeutungen und wies an
zahlreichen Beilpielen nad), wie die Wörter fid) von der uriprüngs
lich finnliden Grundbedentung aus vergeiitigen und durch ihre
Wandlung vielfach die Bedeutung geichichtlicher Urkunden bejigen.
Lübeck. Der von der Ktolonialgejellihait, dem Schulverein
und dem Spradjwereine gemeinſchaftlich veranjtaltete deutiche Abend
am 27. November wurde durd eine Anſprache des Admirals
Kühne eröfinet, worin der fichtbare Aufichwung des deutichen
Nationalbewutfeins betont wurde. Hierauf jprach der Sprach—
vereinsvoriipende, Oberlehrer Schumann, über die Vereine, die
ſich die Pflege des deutichen Geiſtes angelegen jein lajien, naments
lid über den Deutihbund Friedrich Yanges, des Heraus—
gebers der » Täglichen Nundfchau«, der nach dem Grundſabe » hut
it nur, was dem Wohle des Vaterlandes diente jeine Mitglieder
als treue Brüder auf Lebenszeit zu gegenjeitiger Liebe und Achtung,
Wahrheit und gewiſſenhafter Prlihrerfüllung anhalten und fo er:
ziehend auf das ganze Volk wirken will.
wu bie In der Dezemberiipung behandelte der Vor—
figende, Oberlehrer Dr. Knoche, die deutſche Sage in Richard
a mujitaliichen Dramen.
wurde durch den Obmann Dr. Mally eröffnet, der über Die
Thätigfeit des Vereins berichtete und im ehrenden Worten des
langjährigen, nad Graz übergefiedelten Schriftführers, Profeſſor
Karl Neubauer, gedachte. — Hierauf hielt Profefior Stod=
maier einen Bortrag über das Leben und Wirken des Tiroler
Dichters Adolf Pichler, und zum Schluſſe jprach Ingenieur
Scheikl über die Thätigfeit des Schilderausſchuſſes, der leider
von den Gewerbtreibenden der Stadt wenig zu Mate gezogen
werde. Hierbei gab Dr. Mally aus einer eigenen Sammlung |
Proben falſcher Aufichrijten zum beiten.
Marienwerder. Der Borfigende, Gymmnafialdireftor Dr.
Brods, begrüßte die Berfammlung am 23. Novbr, durch Vorlefung |
eines die deutiche Sprache preifenden Gedichtes des Elſäſſer Dichters
Ludwig Adolf Stöber und beiprady jodann in einem längeren Bor-
trage die Frage: »Was erfahren wir aus der Sprade
unteren Voltes?« Der Hedner verbreitete ſich eingehend über
die Veltandteile unferes älteften Wortihages und die Folgerungen,
welche die Wilienichaft daraus für die Urgeſchichte unjeres Volfes
gezogen hat. Diveltor Dr. Maydorn, der nad) Thorn verjept iſt,
wurde in Anerfennung ferner hervorragenden Berdienite um den
Berein zum Ehrenmitgliede ernannt. — In den Borjtand traten
Senatspräfident Hafjenjtein und ala Schriftführer Oberlandes-
gerichtsrat Erler ein. — Der Berein zäblt jept 130 Mitglieder.
Stettin. Bor einer zahlreihen Zubörerichaft hielt Dr. Helbing
am 26, November einen Bortrag über die deutsche Sprache
und das Fremdwort, in dem er ein Bild des Werdeganges
unjerer Mutteriprache entwarf, die Fremdwörterei geigelte und
die Zwede des a. d. Sprachvereins darlegte.
Stuttgart. Unterm 21. September v. X. richtete der Zweig—
verein an den Gemeinderat unjerer Stadt eine Eingabe betrefis
der Straßennamen, in der er um Erhaltung der alten Flur— und
Straßennamen und um deren gleichmäßige Schreibung in allen
amtlihen Wundgebungen bat. Aus der eingehenden Begründung
der Eingabe iſt zunächſt die Bitte hervorzuheben, die Berkleine
rungsendung »Ien«, die weder altdeutich, noch ſchwäbiſch, noch
ichriftgemäh fei, durd die alte Form »lin« zu erjegen, und die
jhwäbiihe Form »le« mit der neuhochdeutſchen »leine zu bers
taujchen. Unnötige Fremdwörter fänden ſich nur in Diagonal-
ftraße, Planie und Panoramaſtraße. Ungelente Zufammenjegungen,
wie Kaiſer⸗ Wilhelm -Plag, gebe es bis jept m Stuttgart nicht,
doc; wird angelegentlichit erfucht, jolche Bildungen nicht auflommen
zu laſſen. In ſehr vielen Fällen ftimme die Screibung des
Adreßbuches, des Stadtplanes und der Straßenſchilder nicht überein.
DerBilltür der Schildermaler, namentlich ihrer jonderbaren Vorliebe
für das Schluß-—s, müſſe durd) genaue Feſtſtellung der Schreibung
aller Namen im Adreßbuche gejteuert werden. Zum Schluſſe werden
für die Schreibung zufammengeießter Namen bejtimmte Grundjäge
empfohlen, die ım weſentlichen mit den von Dr. Wülfing vor:
geichlagenen [veral. Sp. 253/55 Jahrg. 1895 d. 3.) übereinftinmen.
|Bemerfenswert find Nr. 4 und 5 diefer Grundſätze, da fie zum
Zeil in jcharfem Gegenjape zu den Auslaſſungen der Herren
v. Plifter-Schwainhufen und Moriz Heyne ftchen, die in
legter Zeit in vielen Zeitungen für das Ends, jogar bei Sedan-
tag und VBismardeicde, — aljo für Sedanstag und Biömardgeiche
eingetreten jind, Die betreffenden Girundjäge lauten: > Der erjte
Zeil der Zufammenjegung enthält fein 8, wenn der zweite mit
einem S-Laut beginnt: Nönig- Straße, Friedrich-Straße. — Dieſe
Regel entjpricht einem alten Wohllautsgefeß, das jabrhundertelang
in allen Teilen des deutihen Spradigebiets in Geltung war; man
vergleiche Königs-berg und Mönigitein, Katls-haſen und Starl=
jtadt, Friedrichs-dorf und Friedrichſtadt. Nach demſelben Gejepe
wird in⸗-Geſchichtſchreiber⸗ meiſtens das s ausgelaſſen, obgleich man
allgemein Geſchichtsforſcher ſagt. — Beginnt der zweite Beſtandteil
nicht mit einem S-Yaut, jo erhalten vorausgehende männliche
und jüchliche Gattungsnamen häufig, männliche Berfonennamen in
der Regel ein 8: Friedens-Kirche, Königs-Bad, Uhlande = Höhe,
Gerols⸗Ruhe, Leonhardis: Plap ujm. Die Niüdficht auf den Wohl-
laut veranlaßt aber auch hier nicht felten die Auslaflung des $:
Schillerhöhe, Bısmardeiche.e D. 2.) In feiner Antwort vom
5. Ottober v. J. verjpricdht der Gemeinderat von den Anregungen
des Vereins Gebrauch zu machen, erklärt aber, daß er nicht im
der Lage ei, die fremdipradjlihen Straßennamen auszumerzen,
»denn die damit verbundene Anderung der öffentlichen Bücher
wiirde in die ordnungsmähige Führung derielben eine Unficherbeit
| bringen, welche jehr bedenkliche Folgen haben Lönnte. Mit der
arburga.d. D. Die erite Winterverfammlung am 13. Nov. |
Anderung der Endfilbe »le« in »lein« fünne er fich nicht einver—
ſtanden erllären, da die Bezeichnung »le aus dem Vollsmunde
täme und ſich allgemein eingelebt habe.
Yittau. Nadhdem am 9. Dftober bei Wiederaufnahme der
Winterfipungen über die Haupwerſammlung in Graz berichtet
worden war, wurde am 16. November unter großem Andrange
und mit einem Erfolge, der ſich ſchon jegt in der Anmeldung
neuer Mitglieder ertennen läßt, das fünfjährige Beſtehen des
Zweigvereins und das zehnjährige des Vejanttvereins gefeiert.
Muſitaliſche Darbietungen und der Borirag eines von der Tochter
eines Mitgliedes gedichteten Gelübdes »an die deutiche Sprache«
leiteten das Feſt ein. Der Schriftführer, Oberlehrer Dr. Matthias,
ſprach hierauf über die Beicdhichte des a. d. Eprachvereins und des
Hweigverein®, und daran ſchloß jich die Aufführung des »neuen
Dienerse, die große Heiterfeitserfolge erzielte. Der gelungene
Familienabend endete mit einem Tanze.
15
Beitfhrift des allgemeinen beutfhen Spradvereine. xi. Jahrgang. . 1896, Nr.i..
16
Brieftaften.
Herrn Leutnant K. . . , Berlin. Sie lenten unſere Auje
mertſamteit auf das (oder die?) »Uentral American Bar«, in
Berlin im Central: Hötel, ein Speijehaus, das ſich in jprachlicher
Hinſicht würdig dem in der vorigen Nr. (Sp. 263/4) beſprochenen
»Maison Anglaise« anſchließt. Da es das »Kendez-vous der
fashionablen Fremden« jein will, jo follte der Vefiger, Herr
F. Haller, wenigitens die engliſche — beachten und
nicht » Americain Drinks« ſchreiben. »Engliſcher Roſt« iſt ihm,
wie den meiſten Wirtshaudbefigern, zu unfein, dafür fagt er
» Engliiche Grille. Hoffentlich iſt jeine »saisongemüße« Küche, Die
in »separiertene MWeinzimmern angeboten wird, beijer als jein
Deutih. Warum können fich feine Fachgenoſſen nicht entichliehen,
deutsche Anzeigen für deutiche, fremdſprachliche für die
Ausländer machen zu laſſen?
Herm Landgerichtsrat B. . . Torgau. Das Wort »Jaufe«
iſt Haviichen Urſprungs (jloven. jushina Mittagefien, mala
jushina — Veſperbrot), bezeichnet ein Kleines Zwiihenmahl
und fommt hauptjächlic in Baiern vor (vergl. Grimm). — Der
ſprichwörtliche Vergleih »Er freut jich wie ein Schneelönig«
ijt entlebnt vom Bauntönig, jenem munteren Vogel, der auch
im fältejten Winter bei und ausharrt und den man im glipern-
den Schnee fröhlid fingen hört; daher aud) jeine Bezeichnung
als Schneetönig (vergl. Bordardt, Sprichwörtliche Nedens-
arten J. Aufl. 1888). — Die Laubfäge hat ihren Namen wohl
daher, daß fie bejonders zum Ausſägen laubförmiger Zieraten
verwandt wird, — Sie empfehlen als »völlig ausreichenden Aus—
drud dejjen, was wir Spracdreiniger wollen«, den von „8. Eigen
in jeinem Buche » Fremdwörter der Handelsipradjee angewendeten
Wahliprud -KKein unnötiges Fremdwort« Dagegen wäre
einzuwenden, dab der Begriff sunnötige für viele zu unbeſtimmit
jein dürfte, während der Bereinsmahlfpruc » Kein Fremdwort für
das, was deutfch gut ausgedrüdt werden kann« oder die fürzere
Fafjung »Sein Fremdivort, wo gut deutſch reicht« andeuten, wo
das Fremdwort überflüffig it.
Herm &...., Hamburg. Wie jämmerlich es um die Sprache
der jogenannten Confectionsgejchäfte beitellt iſt, zeigt die von Ihnen
freundlichit überjandte Anzeige der Herren Nöper und Meſſer—
ſchmidt in Hamburg, JZungjernftieg 3. Die »Costumes, Jaquet-
tes, Genre und Piecen« find jchon jchlimm genug, aber nun noch
»Manteaux«! Um den Ausdruck »Alle unjere Artifel jind
engagirte zu verfichen, muß man fich jedenfalld eingehender
mit dem Kauderwelſch diejer »Branches beidyäftigt haben.
Heren M.B...., Kaflel. Daß die »Nedaction« der » Ham:
burger Nachrichten « die Annahme Ihrer Zufendung verweigert hat,
weil fie mit der ihre »unverftändlihen« Aufihriit »Schrifts
leitunge verjehen war, beweiſt nur, daß fie in jpradjlichen Din—
gen hinter ihrer Zeit zurüdgeblicben it.
Herrn Kattentidt, Herausgeber von »Jungs Deuticland
und JZung-Eljahe, Straßburg. Der Hieb, der Ihrer Zeit
fchrift in der vorigen Nummer (Sp. 259 und 60) verjegt worden
ift, muß gut geſeſſen haben; nur jo erflärt ſich der Ürger, dem
Sie in Ihrer Pojttarte Luft machen. Darum mögen Ihnen auch
die Ausdrüde »Philiſter«, »Spradfimpelei« und das edelgebildete
»Bhiliftrofitäte verziehen jein. In einer literariichen Fehde jedoch
dem Angreifer —— Beweggründe unterzuſchieben, iſt unter
anſtändigen Leuten nicht Sitte. Wir legen daher auf das ents
ſchiedenſte Berwahrung gegen diefe von Ihnen beliebte Kampfes—
weife ein. Auf Ihren perjönlichen Angriff erwidern wir, daß die
Schriftleitung um jo weniger von der Geichäftsitelle beeinflußt
fein fonnte, als die von Ihnen behauptete » Annoncenjagd« diejer
nicht erinnerlich ift; ferner, daß die Heine Beiprechung in der vori=
gen Nr. von einem Herm eingejandt worden ijt, den Sie in
einem eigenhändigen Briefe um jeine Meitarbeiterichaft erjucht
haben. Zur Sadye bemerfen wir: Wenn eine Zeitichriit — wie
die Jhre es geiban — durch ein befonderes Rundſchreiben aus—
|
pofaunt, beutihes Schrifttum und deutihe Epradıe pfle—
\ gen und fördern zu wollen, und dann fogleich ein Gedicht wie
I
ſehr häufig, wenn man fich trennt.
das in unjerer Nr. 12 gegeikelte veröffentlicht, fo ijt es geboten,
dem Herausgeber dafür auf die Finger zu Hopfen und für folde
Förderung des Deutichtums zu danfen. Daß der Berfafjer jenes
Sedichtes, Herr W. Arent, j. 3. von Herm Karl Bleibtreu als
ein neuer Pichterheros gepriejen wurde und mit feiner Samm—
lung » Moderne Diterdaraktere« die⸗jüngſt- deutſche Lyriter-
Nevolution« einleitete, giebt ihm fein Recht auf bejondere Scho—
nung und Ihnen auch nicht.
kon 6. 6...., Düfjeldorf. Das Wort »geldlich« fommt
al Umjtandewort ſchon in Jean Pauls » Fjlegeljahren« vor: ser
beichentte jie geldlich« ujw. Als Eigenſchafiswort ijt es cine
Neubildung, gegen die ſprachlich nichts einzumenden iſt und bie,
wie ums jcheinen will, ſich auch ſchon als Verdeutſchung von
pecuniär bie und da eingebürgert hat. Dagegen ftimmen wir
Ihnen bei, wenn Sie fagen, daß es fich nicht immer mit financiell
dedt. Gewiß find aud) die » Finanzen des Staates« nicht immer
feine »Geldverbältniffee. Bleiben wir alfo ruhig bei dem Fremd:
worte, wo es durch amtlichen Gebrauch einen Begriffäinalt be:
fommen bat, den wir ihm durd ein einzelnes, reindeutiches Wort
nicht geben fünnen. Sagen wir jedoch im gewöhnlichen Leben
3 B. ſtatt feine »finanziellen«, feine «Geld- oder geldlichen«
Berhältnifie.
Herm U. . . . Eger. Mit Dank nehmen wir von Abrer
Mitterlung in Bezug auf Sp. 223 ff. Kenntnis: »In Tirol jagt
man ‚Sri Gott‘ oder ‚Grün; dich) Bott‘ bei der Begegnung,
‚Vehüt Gott‘ (geiproden ‚Prüet Gott‘), „Behüt di Gott‘ bei
der Trennung. „Adieu‘ oder eine andere Form desjelben Grußes
lennt man dort nicht. Sonft jagt man bei der Begegnung: „Guten
Morgen, guten Tag, gute Nadıt.‘ Im Egerlande hört man Ade
Sonjt „Guten Tag, guten
Nachmittag, gute Nacht.“«
Dem, freundlichen ungenannten Einfender der » Berdeutichun
derjenigen Fremdwörter, welche unmittelbar und mittelbar *
das Billardſpiel Bezug haben« verbindlichſten Dank! Leider ge—
ſtatten es die Raumverhältniſſe nicht, die Zuſchrift abzudruden,
das Verzeichnis ſoll aber für die Geſamtliſte der Fremdausdrüde
im Sport» und Spielwejen mit Danf verwendet werden.
Auch den Einjendern der Sp. 255 d.v.M. erbetenen Ber:
deutſchungsvorſchläge vorläufig vielen Dank. Die Veröffent:
lihung erfolgt jpäter.
Auf die weiteren z. T. fehr ausführlichen Mitteilungen über
Berbreitung und Bedeutung des Wortes Hafenbrot (vgl. Sp. 190
u. 225 d. v. Nahrg.) gedenken wir im Zuſammenhange mit anderem
nochmals zurüdzutommen. Den Einfendern jagen wir inzwiſchen
herzlichen Dant.
Gejhäftlicer Teil.
An Bautzen und in Löbau (Sachfen) treten zu Neujahr
neubegründete Zweigvereine ins Leben.
Durch die auf der Hauptverfammlung zu Graz erfolgten Neu:
wahlen it die Zufammenjepung des Gejamtvoritandes
injofern verändert worden, als an Stelle des Dichter Martin
Greif der öjterreichiiche Reichsratsabgeordnete Dr. Paul Hof:
mann von WellenhojsGraz (Wien) getreten ift.
Der Geſamworſtand hat feinen bisherigen jftändigen Aus:
ſchuß und zwar mit unveränderter Amterverteilung wiedergemählt.
Der Sejamtvoritand des a. d. Sprachvereins.
Dr. Mar Jähns.
Briefe und Drudjiahen für die Bereinsleitung
find an den Borfigenden,
Oberſtleutnaut a. D. Dr. Mar Jühns In Berlin @.10,
Margaretenitrafe 16,
Geldiendungen und Beitrittserflärungen
an den Schagmeliter,
Verlagsbuchbändler Eberhard Eruſt in Berlin W. 5,
Wühelmftrabe %,
Briefe und Drudfahen file die Seitichrift find am den Herausgeber, Oberfehrer Frledrich Wapperhans In Berlin R. W. 28, Altonaer Straße I,
Briefe und Bufendungen für die Wiſſenſchaftlichen Veibefte an Profefjor Dr. Paul Pietſch, Berlin W.30, Mogftrafe 12
zu richten,
Für die Shriftieltung verantwortlich 3 Friedrich Wappenhans, Berlin. — Veriag des allgemeinen deutichen Epragwereind (Mlns und Em), Berlin.
Drud der Buchdruderel des Waiſenhauſes in Halle a. d. ©.
ei t f ch 4 XI. Jahrgang Ir. 2.
| 1. Sebruar 1896.
des F
aligemeinen’deuffchen Sprachuereins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Die Heltfhrift kann auch durch ben Buchhandel oder die got
zu SE, jährlich bezogen werben, — Unzeigenannabme durch den Schahmeiſter
i Eberhard Ernft, Berlin @.8, Wilhelmftr. 90. — Auflage 15000,
Diefe Zeitſchrift erichelnt jährih zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird ben Mitgliedern des allgemelnen beutichen Sprachverelns unentgeltlich
geliefert (Sapung 3.
Inhalt: Ein fprachreinigender Juriſt des vorigen Jahrhunderts. Bon TH. Matthias. — Ein franzöſiſches Urteil über die deutſche
Sprade und die Fremdwörter. Bon F. W. — Verdeutfchung von Straßennamen. Bon Ernſt Wülfing. — Zweiter Bericht über
die Verdeutſchung und Verbeſſerung der Geſchäftsſchilder. Bon M. Stier. — Diſteln. Bon Friedrich van Hoffs. — Kleine Mit:
teilungen. — Bücerjhau. — Zeitungsſchau. — Zeitſchriftenſchau. — Aus den Ziweigvereinen. — Brieffajten.
Ein ſprachreinigender Jurift des vorigen Jahrhunderts, Fe —— —— —— — und Ar: on
Faſt ift ed Sitte geworden, Kanzleis oder Juriſtendeutſch und pıei in Somber« € * GEBEN IR * »Beluſtigungen
ſchlechtes Deutſch in einem Atem zu nennen, und leicht vergift des Verſtands und wi hes«, die Profefior Schwabe, Gott:
man über einem ſolchen Schlagworte, daß gerade die Juriſten ſcheds treueſter Streitgenofje, herausgab.
um die Pflege des deutſchen Schrifttums auch zahlreiche und alte Seiner Fachwiſſenſchaft aber famen diefe Beziehungen und bie
Berdienjte aufzuweilen haben. Schon an der Scheide des Mittel- baraus gewonnenen Anregungen zu gute, indem er außer vielen
alters umd der Neuzeit fteht das 1494 erſchienene Narrenfchiff | lateiniſch geichriebenen gelehrten Fachſchriften 1763 zu Bayreuth
des Straiburger Stadtichreibers Sebaftian Brant. Der ben »Teutjhen Flavius« erjdeinen lieh, »Das ift: Boll-
eine Gründer des gefrönten Blumenordens war der rechts: | ſtündige Anleitung . . . Urthel abzufafjen, in welcher nicht allein
kundige Ratsherr Philipp Harsdörfer in Nürnberg, und zu | men angehende Urthelsiprecher und andere Richter ... ein recht:
allen Sprachgeſellſchaſten ſteilten überhaupt die Mechiägelehrten | des Ertenniniß . ... zu entwerfen: ſondern auch Amtleute,
die größte Mitgliederzahl. Ja feit der Begründung der gelehrten | Geridtöhalter ... auf eingelaufene Schreiben .. . geichidte Ant-
Dichtung durch Martin Opip wurde der.Dienft der Muſen die | Wort zu erteilen, endlich Advokaten bei rechtlihen Klagen . ..
über die Widerwärtigfeiten des Lebens erhebende Feiertagsarbeit | die Schlußbitte behörig einzurichten belehret werben. Als eim
vorzüglich für die rechtäfundigen Räte in Städten und bei lirchlichen Lexilon bequem eingerichtet.«
und weltlichen Höfen, bis fie dann gleich den Gelehrten in Schule Was das Bud) fein wollte, jagt dieſe Aufſchrift. Won feinem
und Kirche diefen Dienft der Umiterblichen um die Wende des | Inhalt fei denn auch mur auf einige Stellen hingemwiejen, die den
18. Jahrhunderts wieder ganzen Dichtern als volle Lebensauf: | Berfafier ald einen ebenjo maß- ald gejhmadvollen Borläufer
gabe überliehen. Der allgemeine deutſche Sprachverein, der auch | unferer Beſtrebungen erſcheinen laſſen.
jept eine ſtattliche Reihe feiner verdienteiten Mit- umd Bor: | In der Vorrede rühmt er ſich, » mehrere Sorgfalt angewendet
tämpfer unter den Redjtögelehrten findet, übt daher nur die Pflicht | zu haben, indem er bei der Aufammenftellung der Mufterformeln
der Gerechtigfeit aus, wenn er die Spalten feiner Zeitichrift dem | verſchiedenes aud in der Reinlichkeit des Ausdruds und
Gedächtnifie eines iprachreinigenden Juriſten des vorigen Jahr: | in der Sprade verbejjert habe. Beſonders in $ 2 der
hunderts öffnet. vorausgeſchickten, auch manche ftiliftiichen Winfe enthaltenden »alls
Es ift der 1781 als Profefjor der Nechte in Leipzig verftorbene | gemeinen Negelne verrät er fein echt deutfches Herz, das über
Hof» und Gerichtsrat Karl Ferdinand Hommel, des Kgl. die Einmengung überflüffiger Fremdmörter empört ift. Er
Polnischen und Churfürſtlich Sächſ. Oberhofgerichts zu Leipzig ſchämt ſich fajt, die Sprache in den gewöhnlichen Urtheln »teutich«
Advolat. zu nennen, da es eine ſolche Menge »unteutſcher Urthel« gebe.
Als Sohn eines Rechtsgelehrten, der felbit den Bejtrebungen | Und wenn er »einige Nedensarten anertennt, welche bereits das
der Spradjreiniger Folge gab, 1722 in Leipzig geboren, blieb | Bürgerrecht gewonnen«, jo »fränft es ihn doch, daß gute und
Hommel nicht unberührt von Gottjcheds verdienitlihen VBemüs ſehr befannte und gebräuchliche teutiche Worte ohme alle Urjache
bungen zu Gunften einer Haren, natürlichen und reinen Schreib: verſtoßen und ftatt ihrer die Blätter mit lateiniſchen beſudelt
at. Ev war er nicht mur mit der erjte bedeutende Medtd- | werden.«e Entrüftet weiit er feine Zeitgenoſſen auf die Sächſiſche
gelehrte feiner Zeit, der in die Behandlung aud) jeiner Fade | Konftitution von 1572 bin und auf Luthers Bibelüberfegung als
wiſſenſchaft Geift und Leben brachte, indem er fie mit Kritik, auf einen Beweis, »daß damals der Geſchmack der höheren
Geſchichte und Altertumstunde verband; fondern er behielt aud) | Facultäten jehr gut gewejen ſei.« Bitter jpottet er über den
einen freien Blick für alle Beſtrebungen auf dem Gebiete des | Unverftand, »dem Schäfer und Tagelöhner in Beicheiden Latein
damaligen Schrifttums und zur Belehrung und Aufflärung des | vorzufegen«, und über die Halbbildung, die es verrät, wenn
Volles. Meiht er fich doch mit den »Brutalia juris für alle | »allermeift die mit dem Latein am meijten um fidh werfen, die
Menfhentinder«e und den »Kleinen Plappereyen« dem | joldes am wenigjten verftehm, ja öfters nicht einmal orthographiſch
19
Zeitfärift des allgemeinen deutſchen Epradvereine. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 2,
zu fchreiben wiſſen.« Er beruft ſich auf das befiere Deutich der | den Novellenband AIm Zwielidt« von Sudermann
alten Schöppenftühle, auf Ehriftian v. Wolfs Vorgang auf philos
ſophiſchem Gebiet und auf Mirfämpfer unter feinen Fachgenoſſen,
wie den Kanzler v. Ludwig, den Marburger Bicelanzler Ejtor,
auf den größten Sateiner unter den Juriſten, SHeineccins, und |
‚ blesse, parfum, taille, allure, carriere, relief, bagatelle, töte-
| A-töte, rouö, frivolitö, und was im Lande Johann Maria
Farinas recht jpahbaft ift, eau de Cologne.
auf den Franzoſen Dlivier Patru; defjen Andenlen hätten feine
Landsleute, nachdem fie ihm erſt verfpottet, hinterher gefegnet
als »d’un. des premiers, qui ont introduit dans le Barreau la
puretö de la langue.« So hofft er auch von der juriſtiſchen
Formeliprache feiner Zeit, »wenn auch die zweihundertjährige
Erbjünde faft nur ein Drittel Mutterjprade daran
übrig gelafien habe«, allmählich werde fie doch in ihrer Nein-
heit wieder hergeftellt werden. Anfangs freilid, werde man, wenn
man ihm auch innerlich Recht gebe, »da man oft geichwinder zu
jchreiben als zu denten genötigt feie, e8 unmöglich finden, lange
auf Worte zu finnen und daher das erite bejte altgewohnte Fremd
wort nehmen. »Allein — fährt er fort — mit der Zeit wird man
ebenjo geihwind Teutſch als Lateinisch jehreiben fernen. Zu Bes
förderung dejjen will ich noch vorjego am Ende diefes Vorbericht
ſolchen Worten, an melde ſich der Nidhtplap jtart gewöhnt und
die in Urtheln öfters vorlommen, gut Teutſch an die Seite jeßen,
deſſen man ſich zur Zeit mit einiger Behutjamteit bes
dienen mag, weil die Ärzte das Fieber auf einmal zu
vertreiben flüglich widerraten.« Diefes »Antibarbari-
ihe Wortverzeichnis« enthält auf 36 Seiten rund SOO Fremd⸗
wörter, neben wenigen franzöfiihen lauter lateinifche mit ihrer
Verdeutſchung.
Ein Vergleich mit dem viel umfaſſenderen Verzeichnis im
unferem Berdeutihungsbudye »die Amtsſprache von K. Bruns
führt zu der Erfenntnis, daß viele der noch vor 130 Jahren
üblichen Fremdwörter auch aus der Gerichtsſprache anögeichieden
find. Diejes Schidjal der Fremdwörter, ausgeicieden und erjeht
zu werben und fo zum Teil zur Bereicherung der Mutterſprache
beizutragen, das Friedrich Aluge in feinem Vortrage auf der
Koblenzer Hauptverfammlung (Zeitichrift 1894 Mr. 10/11) den
Vereinsgenofjen als ermutigenden Troft geboten hat, hätte aber
unzweifelhaft einen langlameren Gang genommen, wenn nicht
aud vor dem Beſtehen unjerd Vereins deutjchgefinnte Männer,
oft ſchwerer und weniger ficher, gehört zu werden, für die Neins |
beit unferer Mutteriprache geftritten hätten. Daher wollen wir
dem Rechtslehrer 8. F. Hommel ein dankbares Andenten bewahren,
die Erkenntnis aber, daß er, erjt nad) der Blüte der Sprad)-
gejellichaften des 17. Jahrhundert geboren, noch über hundert
Jahre jpäter mittelbar Anregung dorther empfangen hat, beftärtt
und in der Hoffnung, daß auch die Ausſaat unſers Vereins mit
der Zeit immer reichlicher Frucht tragen werde.
Zittau. Th. Matthias,
Ein franzöliibes Urteil über die deutihe Sprache
und die Fremdwörter,
Die Pariſer Zeitung »Le Gaulois« ſchreibt in ihrer Nummer |
vom 12. April v. $.:
»Man erinnert ſich des chauviniftiihen () Kampfes, den man
in Deutichland allein zu dem Zwede unternommen bat, die jran-
zöfiichen Wörter aus jeder einer teutonischen (!) Feder entilofjenen
Schrift zu vertreiben. Die Anregung zu diefem Kriegszuge dürfte
von hober Stelle ausgegangen fein, falls es wahr it, daß am
Berliner Hofe die in unferer Sprache verfahten Speijefolgen in
Acht und Bann gethan find.
»Num jcheint e8 aber, daß diefe dem Franzöſiſchen erklärte
Fehde nicht die gewünjchten Erfolge gehabt hat. Wir haben eben
urtee
in der Urſprache gelejen, und dabei bemerten wir auf meniger
als 50 Seiten die folgenden aufs Geratewohl herauägegriffenen
Nusdrüde: A propos, bonhomme, mousquetaire, prüförenoe-
Tiſch (zur Bezeihnung des Ehrentiſches), willades, no-
» Die vielen Hundert franzöfiicher ins Deutiche übergegangener
Wörter wie amüsiert, derangiert, coquettiert... Avancen madıen
feien nur nebenher erwähnt; bemerfenswert aber it e8, daß jelbit
unfer »argote ſich bei unſern Nachbarn einbürgert, wofür bie
von Subermann gebrauchten Ausdrüde truc, gomme und Pre
mieren Zeugnis ablegen.
»Schluß daraus: Mag das Deutiche immerhin weit mehr
Wörter befipen ald das Franzöfiihe, jo it fein Reichtum do
nur bettelhaft (indigente), da es bei der ärmeren Spradye An:
| leihen madıt.«
Der Berfaffer irrt fi) in feiner Annahme, daß bie Beitre-
bungen zur Reinigung unferer Mutterſprache von »hober Stelle«
aufgegangen feien. Aber abgejehen hiervon und von dem oben
durch den Drud bervorgehobenen Berjehen, das ihm mit unter
läuft, indem er pröference-Tijdh als Ehrentiſch, ftatt als Tiſch
für das pröförence= Spiel bezeichnet, haben wir gegen jeine
Nusführungen nichts einzuwenden. Im Gegenteil, ſie jind mit
Freuden zu begrüßen, da fie vielleicht diejem oder jenem unferer
Scriftfteller die Augen über ihre Spracdhmengerei öffnen. Eine
nicht unerbebliche Anzahl der Fremdwörter in beutichen Erzäb-
lungen mag ja auf Rechnung des Beſtrebens nach genauer
Wiedergabe der in gemiffen Kreiſen üblichen Ausdrudäweije zu
fepen fein. Ob diefe Art der Naturwahrbeit eritrebenswert fei,
ift freilich ſehr fraglih; u. E, beftärft ein viel geleſener Schrift:
jteller wie Sudermann dadurd) die von ihm gejchilderten Kreije
nur in ihrer Vorliebe für die Fremdwörter. Leider aber findet
fi) in dem oben angeführten Werfe wie in allen andern Suder—
manns noch eine bedauerlic große Anzahl völlig überflüfliger
Fremdausdrücke an Stellen, für die allein der Verfafjer ver
antwortlic iſt und die feinetwegs durch die dargeitellte Ummelt
(= milieu) veranlaht find.
Berlin. F. W.
Verdeutſchung von Straßennamen.
Bericht über Brofeflor Stiers zweite Umfrage.
Bon Dr. X. Ernft Wülfing in Bonn.
Am Schluſſe meiner »lImfrage wegen der Schreibung von
Strafennamen« (Januar 1895) hatte ich auf Wunſch von Pırf.
Stier die Frage beigefügt: » Was hat der dortige Zweigverein dem
in der Februar Nummer der Zeitichrift veröffentlichten Berichte
von Prof. Stier ergänzend umd berichtigend hinzuzufügen ?« —
Nun hat Herr Stier mich gebeten, den Bericht über die 22 Ant:
worten zu verfafien, die mir zugegangen find.
Die Angabe (1895, Spalte 32 0.), dah in Met mur zwei:
iprachige Strahenichilder vorhanden feien, it dahin zu berichtigen,
daß bei Erneuerungen von Schildern die franzöfiihe Sprade ın
Wegfall fommt.
Als Verdbeutihung von ‚Bromenade* wird das ſchon
erwähnte Wort ‚Anlage‘ beionders empfohlen, daneben ‚Ring‘,
und zwar in Städten, wo die Promenade an Stelle von Treitung®
werten getreten ift, 3. B. in Köln. Ferner ‚Wall‘, das in Wolfen
büttel und Greiſswald allgemein üblih it und auch in Braun
ichweig im Bolfämunde geführt wird, z.B. Bruchwall ftatt
Bruchtborpromenade. — Ich meine, wenn fih ‚Anlage‘ oder einer
der andern vorgeichlagenen Ausdrücke gegebenen Orts nicht empfehlen
follte, jo könnte man ſolche Wege ar benennen; braudt es
denn gerade immer eine genaue und wörtliche Berdeutichung zu jein?
21 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang.
Für Allee find ‚Baummeg‘ und ‚Baumſtraße*! ober kurzweg
—— ſtatt Lindenallee vorgeſchlagen worden. Ich glaube,
zaß wir das fremde Wort Allee wohl am allerwenigſten los
werden können, weil es in Deutichland eine ganz beiondere Bes
deutung angenommen bat, die ihm im Frankreich gar nicht eignet.
du Ehaufiee wird bemerkt, daß fich in Koblenz für » Mainzer
hauffee« » Mainzer Straße« bi habe. Beſonders ems
pfoblen wird ⸗Landſtraße«, und ich meine, man fönnte diefen
Ausdrud aud) amtlich ſtatt Chaufjee einführen. Die Verwaltung
lann die einzelnen Sandftraßen ja dann noch als Kunſt-, Schotter-
oder Steinichlagitrafen unteriheiden. Für uns fommt e& darauf
an, einen treffenden Ausdrud zu haben, und da die Chauſſee
in der Regel aus der Stadt „über Land“ führt, dürfte Lande
ſtraße dad beite fein.
Statt Plantage wird in Zeit amtlich ‚Pflanzung‘ gefagt,
das wohl empfehlenawerter ift als der von Prof, Stier vorgeichlas
gene Ausdrud ‚Anpflanzung‘. Der Befiger der Hirichenplantage
in Torgau nennt auf Veranlafjung des Yandgerichtsrats Bruns
jebt feine Befigung »Kirihgarten«
Wie in Graz wird jept in Frankfurt a. M. ftatt Duni das
deutiche Wort Hai gebraucht.
Fremde Straßennamen, die erjt durch diefe zweite Umfrage
befannt werden, find: Queue de chaine (Machen), Escarpe und
Contresca (Bremen), Bellevue:&tr. (Stettin; an Stelle der
alten bezeichnenden Ball-Str.!), Generals-Steege, Pergament-Str,
und Esplanade (Wejel), Concordia-Platz, Concurrenz-Gaſſe,
Control⸗Gaſſe, Cottage⸗ Gaſſe (Wien).
Über erzielte Erfolge wird folgendes berichtet:
In Bielefeld heißt es jept ftatt » Boftpafiage« » Boltgange
In Frankfurt a. M. find die Namen »Stadtallee« und ie In
plaß« in ‚Bötheplap‘ und . Schillerplaß‘ verwandelt worden. In
Koblenz hat der »Raradeplag« dem ‚Göbenplag‘ weichen müſſen,
nnd auch das »Bappelrondels wird nach Aufitellung des Dent-
mals der Kaiferin Auguſta verſchwinden. In Reichenberg iit der
Vergnügungsort » Belvedere« in ‚Boltögarten‘ umgetauft worden.
Bon einigen Vereinen wird die Berdrängungvon Allee, Chaufjee u. a.
wenigſtens im Ausficht geftellt. Zum Schluſſe ſeien nochmals alle
iweigvereine gebeten, dafiir Sorge zu tragen, daf neben der
Schreibung von Straßennamen auf den Schildern aud) die Na-
mengebung jelbjt geregelt werde, d.h. daß möglichit die
guten alten Bezeichnungen beibehalten, die Fremd—
wörter entfernt und daß bei Neubenennungen bedeu—
tungsvolle Namen gewählt werden, die deutichen Männern,
beutjcher Geſchichte oder deuticher Sage entlehnt find.
Smeiter Bericht über die Verdeutſchung und Der:
befierung der Geibäftsicilder.*)
Auf die mit der Aprilnummer des v. J. verfandte Umfrage
des Bweigvereind Neuruppin find 25 Erwiderungen eingegangen.
Aus diefen geht hewor, dak in Braunſchweig in einem,
in Budweis in mehreren Fällen Wirts-, Geſchäfts und Hand-
werferfchilder verbeflert worden find. An Bonn haben die Ins
haberinnen eines Putzgeſchüftes die Bezeichnung »Modes« in
» Mode = Handlung « ändern lafjen. Ferner haben dort zwei Ber:
eindmitglieder auf ihren Schildern ſtatt »Screibs und Heichnen =
Materialien« jegt »Schreib- und Zeichen = Waren · ſiehen, und einer
der Hauptichildermaler jchreibt auf Beranlafjung des Schrüftjührers
in feinen Anzeigen »Werkftätte« jtatt »Atelier. Mit Nect
nimmt man in Bochum an der Auficrift »Consum« Anſtoß,
welche im Stohlengebiete für die von den gröheren Werfen eins
erichteten Verlaufsſtellen aller Berbrauchsgegenitände (Kleider -,
h= und Trinkwaren) fih häufig findet. Will man das öiter:
reichiiche Wort »Berjchleiie nicht anwenden, jo empfiehlt fich
der Ausdrud »Warenhause, den 3. B. der Beamtenverein in
Berlin für feine VBerfaufsftätte gebraucht. Oder würde vielleicht
der Arbeiter, der alles, was er braucht, eintaufen will, am
liebjten der Inſchrift »Einkaufe feine Schritte zumenden ?
In Weiel bat fich ein »Cafö du Rhin« in »Cafe am Rhein«
verwandelt. In Blauen bielt der Berein feine Situngen in
einem »Cafe Toscana« ab, jdhrieb aber im Tageblatte » Kafjee
Tostana«-. Darmnach fchrieb der Wirt jelbft »Toscana« ohne alle
*) Bol. IX Sp. 217 FH. = Wegen Raummangeld mußte diejer
Beriht an verjchiedenen Stellen gelürzt werden. D. &.
189%. Nr. 2, 22
weitere Benennung. So nennt auch in Neuruppin der Befiter
des im Stabtparfe gelegenen »Waldſchlößchens« diejes nicht mehr
Restaurant, fondern bloß Waldſchlößchen. Die Wirte tommen
uns durch Bermeidung eines Fremdwortes gerne entgegen, fürchten
aber durch Annahme des vorgeſchlagenen Erjaßwortes bei den
Gegnern der Sprachreinigung Änſtoß zu erregen. Sie wollen es
eben mit feiner Partei verderben.
Bei dem u. eines Bierhaufes in Kaſſel wurde durch
rechtzeitiges Eingreifen des Bereinsvorjtandes für » Bier-Döpöt«
»Bier-Grophbandlungs geſetzt. (An Berlin nennen fich die
Bierhändler Bierverleger. D. 2) In Rudolftadt it bei
gleicher —— wenigſtens auf die Hinterſeite des » Hötels
zum Qöwen« die Bezeichnung »Baithofe gelommen. Auch in
Linz find einige Gaſtwirte durch den Verein bewogen worben,
ftatt Hötel nun »Gafthof« am Aushängeſchilde anzubringen.
Dagegen bat der Befiter des »Wafthofes zur Bote in Plön
dem Borftande des dortigen Zweigvereind angezeigt, dab er den
Gaſthof⸗ wieder in Hötel umwandeln müfje, da die andere Be-
nennung gejchäftlih von Nachteil für ihm fei. Unglaublich, aber
wahr!
In Bonn ift dur die Einwirkung eines Vereinsmitgliedes
bewirft worden, daß beim Neuanſtrich des Grand- Hötel-Royal
wenigjtens einmal die Bezeichnung »Königlicher Hof« angebradıt
wurde. Der Beſitzer des »Hötel Westfalia« in Königswinter,
ſelbſt Mitglied des Zweigvereins Bonn, hat verſprochen, jein
Haus demnädhft in einen »Weftiälifhen Hofe zu verwandeln.
Auch Hat der Wirt des Gaſthofs » Zum goldenen Sterne in Bonn
an feinem Umbau als Hauptinjchrift die deutiche angebracht.
Wo fo viel Fremdenverkehr ift, wie am Nhein, muß in der That
ber Verein zufrieden fein, wenn nicht — wie in vielen großen
Städten — Engliſch und Franzöſiſch die Hauptaufichrift bildet
und das Deutjche untenan jteht, jondern umgefehrt. Als Mufter
wollen wir den Wirten, welche uns die herrſchende Sitte entgegen-
halten, auf den Gaſthof in Königswinter hinweiſen, der viermal
die Aufschrift »Europäifcher Hofe und nur einmal mit Meineren
Buchſtaben die franzöfiiche Überkepung bietet.
Dem Kaufmann in Planen, der über den Vorſchlag, » Reitatts
ration« durch »Bierftube« zu verdeutſchen, gelacht hat, möge mits
eteilt werden, daß ber neue Beliker der »Hailerhalle« in Bonn
iefe nicht mehr »Restaurante, jondern »Bierhaus zur Kaijer:
balle« nennt.
An Bonn, wo ſich die Bezeichnung Hötel- Restaurant immer
mehr breit macht, iſt der Beſiher eines der befieren Geſchäſts—
häuser diefer Art durch die Bemühungen des Bonner Vereins
beftimmt worden, ftatt »Hötel- Restaurant zur roten Kanne« jeßt
»Gaftbaus zur roten Kanne ⸗ zu jagen. Mus Düjfeldorf wird
geflagt, daß es dort nicht mur »Hötel-Restaurants«, jondern ſo—
gar ein »Hötel-Cafö-Restaurante gebe. Daß ein Wirt in einem
Geſpräche mit dem Schriftführer des Spradjvereins dies Wort für
unüberjepbar und unentbehrlic, erlärt hat, ift unbegreiflih. Wird
denn nicht jeder einen Gaſthof betretende Gaſt, auch ohne daß
es in dem Aushängeichilde ausdrücdlich geſagt ift, vorausfegen,
daß dort neben anderen Erfriſchungen aller Art auch Kaffee ver:
abreicht wird? Sollte es wirklich Gaſthöſe geben, in welden es
feinen Kaffee giebt? Will man aber andeuten, da bejondere
Genüſſe in bejtimmten Näumen geboten werden, warum Toll da
nicht neben einer »Bier-, oder Weinjtube« und einem »Speije-
faal« auch noch ein »Kaffeezimmer« zum Eintritt einladen?
Als Namen für Gaftwirtichaften haben ſich in Braunſchweig
die »Schenfen« (leider auch »Scänten«) zahlreich eingebürgert.
Recht lehrreich find für uns die Mitteilungen aus Böhmen. In
Budweis werden die öffentlihen Wirtſchaäften Gaſthöſe, Eins
fehrhäufer, Gafthäufer, Bierballen oder Gartenwirt—
Ichaften genannt. Bei jept bevorftehender Erneuerung eines
alten » Hötels zur filbernen Glode« hofit der Verein zuverfichtlich
für eine völlig deutiche Aufichrift eintreten zu fönnen, um jo mehr,
als die dortigen Tichechen neben ihrem »Hostinec« nicht »Hötel«,
jondern ⸗Gaſthof⸗ ſtehen haben.
Aus Leipa wird berichtet, daß ich feit dem Bahnbau Hötel
für »Gajthof« eingebürgert habe. »Gafthofe, jo heit es in dem
Berichte, »bezeichnet in ganz Deutihböhmen nod heute die größeren
Gaſthäuſer, die auch für Pferde und Wagen Unterkunft bieten.
Das Wort »Wirtshause bezeichnet namentlich Neinere Gaſthäuſer
und hat jtellenweije eine etwas veräcdhtliche Nebenbedeutung. Länd⸗
liche Gajthäufer zeigen in unferer Gegend häufig die Auffchriften
»Bierjchant«, »Gaftnahrung« oder beides zufammen, wenn Ges
23
tränfe und Speifen zu haben find. Cine ziemlich verbreitete Bes
ihnung gröherer Gefchäfte diefer Art ift auch »Gaſt- und Einkehr:
er Sie bedeutet, daß der Wirt ſowohl Speifen und Getränfe
verfaufen, als auch Fremden mit Rob und Wagen Unterkunft
geben darf.e Wenn doc) die rheinischen Wirte von den Böhmen
lernen und ihr »Hötel-Restaurant« in ⸗»Gaſt- und Eintehr-
hause verwandeln wollten!
Den Befigern eines »Hötel Bellevue« teile man mit, daß der
Name »Gajthof zum heiten Blid« in Sachſen üblich iſt.) »®.
zur ſchönen MAusfichte mutet vielleicht noch befier an. Die Frage
eines VBerichterjtatterd, wie »BahnhofäsHötele zu verdeutichen
fet, veranlaßt mid; daran zu erinnern, daß in Halle bald nad)
dem Bau der erften Eifenbahn am Bahnhof ein vornehmer »Gajt:
bof zur Eifenbahne« ſich aufthat. Warum haben wir diefen Muss
drud nicht beibehalten?
Eine Überwachung durch ſtädtiſche Behörden, wie fie in dieſer
Beitichrift wiederholt empfohlen worden ift**), jcheint noch nirgends
a In Blauen ift ein dabingehender Vereinsantrag
durch) den Oberbürgermeifter abgelehnt worden. Es wäre wünſchens⸗
wert, daß fich bie ftäbtiichen Beamten, die Mitglieder unjeres
Bereines find, iiber die Ausführbarkeit diejes Vorjchlages äußerten.
In Plauen tjt vor kurzem ein Nustunftsausichun eingerichtet
worden. Auch in Chemnitz ſoll dies geichehen. In einer Bor:
ftandsfigung des Zweigvereins Bukowina ijt beichlofien worden,
ben Czernowitzer Schildermalern unentgeltliche Auskunft beim Ob-
mann bed Zweigvereind anzubieten. Das gleiche Anerbieten ift
ben Schildermalern in Linz, Leipa, Bonn, Budweis und
Kaſſel —— worden, mit Erfolg freilich nur in Budweis.
Auf die Geicäftsinhaber ift in Weſel durch Vorträge, Be-
merkungen in den Zeitungen, Rımdichreiben mit beitimmten Bor:
Schlägen und perfönliche Rüdiprache, in Düffeldorf dur Rund—
fchreiben, in Trier mur durch allgemein gehaltene Zeitungsaufs
fäge eingewirtt worden. In Ezernomwiß hat vor einigen Kahren
Brofefior Polajchek über die fehlerhaften Aufichriften der dortigen
Geſchäfte einen Vortrag gehalten, aber aufer dem Beifalle der
anmwejenden Mitglieder und Hüfte keinen Erfolg erzielt. In Bub:
weis ijt nicht nur durch öffentliche Aufforderungen in den Beitungen,
fondern auch unmittelbar auf die Geſchäftsinhaber durch ein Mit-
glied des Ausſchuſſes eingewirkt worden, das ſich auch mit den
orftänden der Genoſſenſchaften in Verbindung ſetzte und für
zweifelhafte Fälle den Nat der Sprachwarte einzuholen bat. Die
im erſten Berichte***) gegen die Anwendung der Bordrude ge
äußerten Bedenken betätigen fich dur die Antworten aus Bonn
und Memel, »Nur mündliche oder eingehende ſchriftliche Be—
Iehrung bat ſich bewährt« (Bonn). In Henruppin find aus:
führlihe, auf Grund von Vereinsbeſchlüſſen oder wenigſtens im
Namen des Boritandes abgefahte Briefe ſtets gut aufgenommen
worden. Bordrude anzuwenden haben wir nie gewagt. In Linz
und Wermelskirchen geicah die Einwirkung auf die Geſchäfts—
inhaber ſtets perjönlich durdy mündliche Anregung und Be-
fehrung. Blauen madıt den Vorſchlag, auch die Schiifer zu der
Arbeit heranzuziehen, durch die ja die Lehrer erführen, wenn ein
neues Schild angebracht oder ein altes verbefjert würde.
Bedauerlic iſt es, daß im Breslau der Vortrag des Herm
Major Leutſch, der zeigte, daß nad) Verſchwinden der polniichen
Spradie von den Geihäftsichildern nun ein thatkräftiger Kampf
gegen die franzöfiichen Eindringlinge unternommen werden müſſe,
feine nach außen erfennbare Wirtung gehabt hat. Nicht minder
fchmerzlich ift die Thatfache, dak aus Hamburg, troß des be:
fannten Eibenjchen Aufrufes und trotz des Beſchluſſes in der
Dezemberfigung 1893, dem Mikbrauche der Fremdwörter und den
Spradjfehlern - Sejchäftsichildern entgegenzumirten, dennoch im
Juli der Borftand berichtet, daf der Verein eine befondere Thätig-
keit in der — Richtung bisher nicht ausgelübt habe und
die dortigen Berhältnifie eine ſolche einftweilen auch; wenig aus-
Zeitfhrift ded allgemeinen beutfhen Spradhvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 2.
fichtsreich erfcheinen ließen. In grohen Handeld- und Induftrie- |
ftädten, wo bie verichiedenften, vor allem aber die auf den Geld:
erwerb gerichteten Intereſſen die Leute im Atem halten und immer
wieder neue Vereine wie Pilze aus dem Voden emporicichen,
mag es ja ſchwer halten, für eine nicht fo auf der Oberfläche |
liegende und einen gewillen idealen Sinn vorausjchende Sadıe,
wie die unfere, wirklich thätige Mitarbeiter zu gewinnen. Uber
*) ®al. X. 45.
“) IX. Sp. 221.
+) IX, Sp. 222.
24
follten die Berhältniffe in ber alten Hanfaftadt wirtfich ungünjtiger
liegen als in der Reichshauptſtadt? Und doch hat Berlin auf
biefjem Gebiete, wie der »Rechenfchaftäbericht über den Berliner
Zweigverein im Jahre 1890 von Ad. Reinecke- und die »Mit-
teilungen aus dem Berl. Zweigverein 1891 —93« bezeugen, eine
fo rührige und raitlofe Thätigteit entfaltet, daf wir fie noch jeht
zum Mufter nehmen und darum jene Jahrgänge in feiner Bücherei
eines Zweigvereins fehlen follten.*) Wenn die legten Jahrgänge
fowohl der » Mitteilungen aus dem deutjchen Sprachvereine Berlin«
als auch unferer » Zeitichrift des a. d. Spradvereins« in Berfin
einen Rückgang ber auf die öffentlihen Kundgebungen gerichteten
Vereinsthätigteit erkennen lafien, fo dürfte der Grund wohl in
der für beide Teile verbängnisvollen Trennung zu fuchen ſein
Die Zweigvereine ber beiden Reichshauptſtädte find zwar audı
nicht unthätig. Berlin-Eharlottenburg hat im Dftober einen
Ausſchuß gebildet, der jich mit dem Fremdwörterunweſen auf
Schildern, Preisliften uſw. beichäftigt, und in Wien it wiederbelt
von Vereinämitgliedern in größeren Aufjä ber jpradjlice Ju;
ftand des Schilder und Ankündigungsweſens erörtert und bieie
ze. immer mehr auszjudehnen beichlofien worden. Aber
beide Bereine haben ebenfo wie Leipzig, München, Köln, Han:
nover, Königsberg, Danzig, Stettin, Barmen, Krefeld, Aachen,
Halle uw. Erwiderungen auf meine Umfrage weder im vorigen
nod) in diefem Jahre eingejandt. In diejen großen Städten tit
der Hauptjih des Übels; machen wir dort feine Eroberungen, io
fönnen unſere Bejtrebungen nicht durchgreifend wirten, denn
Kleingewehrfeuer wird feine Feſtungsmauer erihüttern.
Im Namen des Neuruppiner Zweigvereins M. Stier.
*) Unſer Zweigverein ift bereit, fie zu verleihen.
Diiteln,
Bon Friedrid van Hoffe.
I. Poeta calaureatus,
» Heut wurde einer jubdiziert
Und zu drei Jahren condentmniert,
Weil er mit falſchem Ring petihiert
Und andres noch dazu becciert.«
Großart'ges Wortipiel, feiner Wig,
Rhänomenaler Geiftesblig!
I. Guter Rat für Didter
und joldye, die ed werden wollen.
Willft du die Dichtkunft praktizieren
Und dabei Reime abbibieren,
Laß von Puriften eripieren
Dann nicht die Verba dir auf ieren,
Weil ſich mit Neimen folder Art
Flott dichten Täht! Ipriht Doktor Barbt.*)
111. Muſterſtanze.
Willſt du in welchen Formen reülfieren,
So merfe dir, was Doktor Bardt diltiert!
Nur feine Gene, Freund! Reim' iert und ieren,
Gewiß, daß fo fein Dichter echouiert!
Nie werden ſich die Hörer ennüpieren;
Im Gegenteil: das Klangſpiel amüfiert.
Auf keine andre Art entitehn jo nette
Ottave rime, Rondeaux und Sonette.
IV. Lob des Herrn Bardt.
Penſionieren — degrabdieren,
Bräparieren — rejervieren,
Concurrieren — ruinieren,
Meditieren — eruieren,
Santtionieren — fid) blamieren
Und fo weiter ieren — ieren,
Hödjit bedeutungsvoll gepaart!
Wenn ich jolche Reime jinge,
Braucht es dann noch großer Dinge,
Dich zu preifen, Dichter Bardt?
*) Bol. Sp. 31 unter Trier.
25
Rleine Mitteilungen.
Im Monat der Reichsjubelfeier bringt die Köln. Ztg. in ihrer
Nr. 7 vom 3. Januar folgende Anzeige in großem Drud:
»Corsets
Mme. Charavel de Paris
annonce son arrivee à Cologne pour le 6 Janvier.
Elle prie les dames de bien vouloir se rendre chez elle
üal’hötel Disch.«
Worüber fol man fidh da mehr wundern? Über die Unver—
frorenheit der Mme. Charavel oder über die Köln. Ztg., die eine
foldye Anzeige aufnimmt? Man bedenke nur, was gejchehen
würde, wenn eine deutſche Putzmacherin einer franzöfiichen Zeitung
eine deutiche Anzeige anböte! Sa, die lieben Deutjchen find noch
lange nicht ftolz genug!
— Bei der Berfammlung des evangelijhen Lehrers
bundes der Kirche Mugsburgiiher Konjeifion, die im
September v. 3. in Straßburg ftattfand, hielt Herr Lehrer Teutſch
aus Straßburg einen Vortrag über die »Beftrebungen der
Gegenwart zur Reinigung unferer Mutterfprades, in
dem er aufs wärmfte für die Ziele des a. d. Sprachvereins ein-
trat. Es iſt mit Freude zu begrüßen, wenn Schulmänner bei
ihren Zufammenfünften ihre Aıntsgenofien immer wieder auf die
Sprachſchäden unferer Zeit aufmerffam machen und Ratjchläge
zu deren Heilung erteilen. Denn, wie der Redner richtig hervor:
bob, hat dieje Heilung bei den Kindern einzufegen, und neben
den Eltern find die Lehrer dabei die berufenen Ärzte.
— In einer Beiprechung des vom großen Generalſtabe heraus—
gegebenen Wertes » Der Zweite ſchleſiſche Kriege jagt die Tägliche
Rundfhau vom 9. November v. 3. (Unterhaltungsbeilage):
» Befonders erfreulich fit die Thatfache, daß die Abteilung für
Kriegsgeſchichte wader auf dem von ihr betretenen Wege der Bers
deutihung der militärischen Fachſprache fortichreitet. Die beiden
bier vorliegenden Bände enthalten wieder eine Reihe von neuen
Ausdrüden, die die amtlichen militäriichen Bücher und Vorfchriften
bisher noch nicht angenommen haben. Die Abteilung tritt jomit
als nationaler Vorlümpfer auf. Es find uns aufgefallen: Stirns
feite für Front, Schiehvorrat für Munition, Brüdenboot
für Bonton, Bootbrüde für Pontonbrüde, Streifreiter für
Patrouille, Heeresſäule fiir Kolonne, ebenſo Marſchſäule,
Hochburg für Donjon oder Zitadelle, Pfahlreihe für Palli-
faden, Querwall für Traverſe, Bejtüdung für AUrmierung,
Biered für Harree. Wenn in dieſer Nichtung langſam, aber
jtetig von oben fortgetwirft wird, dann werden demmächit nur noch
die Zuriften (?) ſich des traurigen Ruhmes erfreuen, römifch= deutich
zu jprechen.«
— In der Sigung der Stadtverordneten in Franffurt a. M.
am 29. Oftober v. 3. trat Herr Martin May wie jchon früher
für die Beſtrebungen des a. d. Sprachvereins ein, indem er die
Erfegung des Fremdwortes ⸗Hydrant« durch » Zapfitelle« befür—
wortete. Einer der Stadtverordneten glaubte dies als übel ans
gebrachten Purismus bezeichnen zu müfjen, während der Vor—
figende der Verſammlung ſich auf den Standpunft des Herm
May stellte.
— Der Oberpräfident der Brovinz Pommern hat unter
dem 17. Auguſt v. J. den ihm unterjtellten Behörden und Beamten
aufgegeben, »dahin wirken zu wollen, daß Fremdwörter, deren
Begriff in ungekünjtelter Weiſe ebenſo hırz umd treffend durch
deutfche Wörter wiedergegeben werden fann, thunlich vermieden
werden. Es gilt dies namentlich auch von allen Satzungen von
Vereinen, Kaſſen und Stiftungen.e — Der Regierungspräfident
von Stettin bat diefe Verfügung unterm 15. September mit fol
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind XI. Jahrgang. 1896. Nr. 2.
26
genden Worten weitergegeben: » Was die Befeitigung der Fremd⸗
wörter anbetrifft, fo ift ſchon vor Jahren auf deren finngemähe
Übertragung in das Deutiche, beziehentlich auf gänzliches Unter:
laffen ihrer Anwendung hingewirlt worden. In der Erwartung,
daft der bißher nur teilweie ftattgehabte Erfolg bei ernſtlichem
Willen einer grumdfäplichen Wandlung weichen wird, lege ic)
dieſen Gegenftand als den Ausdruck einer zeitgemäßen Reform
allen mir unterjtellten Behörden recht warn ans Herz.«
Bücherſchau.
— Das Wert »rankheits- und Behandlungslehre
der Naſen-, Mund- und Rachenhöhle, ſowie des Kehl—
topfes und der Luftröhre«, das den um unſere Sache fo
verdienten früheren Borfipenden des Frankfurter Zweigvereins,
Dr. Marimilian Bresgen, zum Berfafjer hat, iſt im VI. Jahrg.
8.3. Sp. 169 und 170 hinſichtlich jeiner Sprache gebührend ge=
würdigt worden, Das Vorwort zu der jept erfcheinenden dritten,
umgearbeiteten und vermehrten Auflage beweift, dak der Ber:
fafier feinem Streben, ſich möglidit deutjcher Aus—
drüde zu bedienen, treu geblieben ift, troß der Anfein-
dungen, die er deöwegen erfahren hat. »Insbeſondere«, fo heißt
es in dem Vorworte, »hat das Ausland daran Anſtoß genommen
und mic, jogar des ‚Chauvinismus‘ besichtigt. Meine Antwort
auf diefe Ichtere Verdächtigung muß ich in die Aufforderung
Heiden, andere nicht hinter der eigenen Thüre zu ſuchen. Eine
internationale Wiſſenſchaft, was die Ärztlihen Kunſt—
ausdrüde betrifft, giebt es leider nit. Franzoſen und
Engländer haben ihre ganz eigenen Kunftausdrüde, an denen fie
jehr hartnädig fejthalten. Da dürfte e8 anderen Nationen wohl
auch erlaubt fein, ihrer in ihren alten Schriftitellern bereits vor:
handenen eigenen Kunſtausdrücke fich nunmehr wieder zu bedienen.
Ich habe felbit gefagt, daß ich mit manden nur einen Verſuch
machen wollte. Man wird in der dritten Auflage finden, daß
ich folche weggelaffen und bei anderen wechſelweiſe den beutfchen
und fremden Ausdruck benußt habe. i
Die Berechtigung meines Vorgehens ift unbeftreits
bar. Ich ſchreibe, wie ſich das von felbit verſteht, in eriter
Linie für meine Landsleute, wie das ja jeder Schriftiteller thut.
Seine Mutterfprache aber foll jeder möglichjt ſauber jchreiben.
Wer diefe ganze Frage in erijchöpfender Beleuchtung fehen will,
leſe nur den Auffap von Prof. Dr. Hirſchberg in Berlin (Über
die Sprache der Ärzte. Deutfche med. Wochenfchrift, 1892, Nr. 10,
©. 215). Zu Nuß umd Frommen meiner Widerjacher jei daraus
das Folgende hierher geſetzt: ‚Ich habe manche von den griechiichen
rzten gelefen. Ihre Schriften waren den Gebildeten des Volles
jo verftändlich wie möglich, d. h. joweit die Schtwierigteit des Gegen—
ftandes es zuließ. Unfere ärztlichen Schriften find den Gebildeten
unferes Bolfes jo unverftändfich wie möglid. Das ift fein
Vorteil. Je Marer die Sprache, deſto Marer der Sinn. Dejto
ichärfer die Borfchrift, deſto fiherer die Ausführung. — Die
Intensität der Kauterisation muß proportional jein der Intensität
der Blennorrhoe, heit es bei berühmten Muftern. ch rate dem
Schüler: ‚Je ftärfer die Eiterung, deſto ftärfer die Äpung.‘ Das
ift klarer und kürzer und bejeitigt den falichen Gedanfen, daß in
dem Wortgeklingel ein bejonderes Geheimnis ftede,
Kürzer, Harer und jchärfer fann man die Sucht, ſich fremder
Ausdrüde zu bedienen, wenn man in der Mutteriprache verftänd:
liche, gleichwertige beſitzt, nicht lächerlich machen. Engländer und
Franzofen haben lets aus ihrer Mutteriprache für ſie verjtänd:
lichere Ausdrüde gewählt. Weshalb joll und Deutjchen das
Gleiche verwehrt fein?«
Dem wäre nichts weiter binzuzufügen als der Wunſch, daß
die Beitrebungen Dr. Bresgens, die ja aud in dem ehemaligen
Mitgliede unieres Gefamtvorjtandes, Geheimrat Prof. Dr. Wals
deyer, einen eifrigen Bortämpfer haben, immer mehr Anklang
unter den Ärzten finden.
Berlin. F. W.
Eingeſandte neue Druckſchriften.
Fink, Dr. Julius, Das Wechſelrecht und die einſache und
doppelte Buchhaltung ufw. Graz 1895, Im Selbſt—
verfage. 6. Aufl. 107 &. 8°,
Zeitfrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereius. x. Jahrgang. 1896. Nr. 2,
28
Dad zwanzigfte Jahrhundert. V. Jahre. Heft 9—11.
Berlin 1895. Lüftenöder. VI. Jahrg. Heft 1 u. 2.
Mitteilungen des Deutihen Sprachvereins Berlin.
Herauägegeben v. Vorſtande. 1895. VI. Jahrg. Nr. d—8.
Beitfchrift für Deutfhe Sprache. Herausgegeben v. Prof.
Dr. Daniel Sanders. Paderborn 1895. Ferdinand Schü:
ningb. IX. Jahrgang. Heft 3—10.
Alldeutihe Blätter. Mitteilungen des Alldeutichen Verban—
ded. Berlin 1895. V. Jahrg. Nr. 23—52 und VI. Jahrg.
Nr. 1-4. (Die WB. enthalten zahlreiche ſeſſelnd geichriebene
Auffäge nationalen Inhaltes und verfolgen ſprachlich die Ziele
unferes Vereins. Daber ig fie ſich auch eines guten
Stiles und einer muftergiltigen Reinheit der Sprade).
Katholiihe Zeitjhrift für Erziehung und Unterricht.
sn egeben von Ad. Joſ. Küppers. Düfjeldorf 1895.
es rgang. Heft 6—12 nebſt Beilagen und 45. Jahrg.
Heft 1.
DeutihbundsMdrehbuc für Leipzig. Yeipzig, Peter Hobbing
1895. XII u. 116 ©. 12°, 0,30 M.
{Der Herausgeber ift bejtrebt, rein deutſche Geſchäfts—
bezeichnungen zu wählen, bei der völligen Durchſehung der
Handelsiprache mit Fremdwörtern eine ſchwierige Aufgabe,
die mit Geſchick gelöft ift.)
Baul, Hermann, Deutihes Wörterbud. Halle a. S. 18%.
Dar Niemeyer. I. Lieferung (N— Gebühr). ar. 8°. 160 ©.
Jede Lieferung 2M. (Bollit. in 4—5 Lief.)
Jähns, Mar, Der Vaterlandsgedanke und die deutiche
Dihtung. Ein Nüdblid bei der Feier des viertelhunderts
jährigen Beſtehens des neuen Deutjchen Neiches. Berlin
1896. Gebrd. Paetel. 199. 8°. geh. IM.
Eigen, : ®, WB C. eines alten Börſenmenſchen.
Leipzig 1896. H. Hachel. 235 ©. MH. 8%. geh. 3M.
Honjel, Friedrih, Studenten-Boejie im Mittelalter. Eine
litterar=biftorifche Studie. Bielefeld, A. Helmih. 67 ©.
ft. 8°, geh. 1. M.
Zeitungsſchau.
Aufſätze, Beſprechungen uſw. in Zeitungen
und Zeitſchriften.
Rechtſchreibung und Stil. — National-Zeitung 22. 11. 95.
Leithäuſer, J. Barmer Lolalnamen aus älterer und
neuerer Zeit. — Barmer Zeitung 11.5., 18.5., 25.5.95.
|
ee —— — — — GE
Freudenberger, Dr. M., Die Schuldentilgung im Reiche |
der Sprade. — Frankfurter Zeitung 13.12, 05.
Böhling, Dr. Beorg, Zu und über »Unſere Mutterſprache«
von Prof. Dr. O. Weiſe. — St. Petersburger Zeitung 269
bis 272. 1895.
Kelterborn, R., Über Fremdwörter. — Bafeler Nachrichten
11. 12, 95.
dremdwörterunfug und Antworten darauf. — Lothringer
Beitung 29, 11. 95 ff.
Garni, Karl, Entbehrlihe Fremdwörter in Handel
und Wandel. — Generals Anzeiger für Düſſeldorf 19. 12. 99.
Spradreinigung. — Kölniſche Vollszeitung 4. 11. 95 ff.
Repertoire und Spielplan. — Grenzboten IV Wr. 51. 19. 12.
un.
in der Bedeutung eines Verzeichnijies von Stüden, die in
einem beit. längeren Beitraume aufgeführt worden find, Als
ob ſich »Plan« nicht auch auf Vergangenes beziehen könnte!)
Hennes, €, Die deutich-amerifaniihe Sprade.
Roltsrundichau 27. 11. 95.
Beihönigende Redewendungen im Deutihen. Eine eiy-
mologiſche Plauderei. — Weſtfäliſches Vollsbl. 8. 12, 95,
Grabow, Schulrat Dr., Die muitergültige Ausiprade
des G. — Mitteilungen des deutſchen Sprachvereins Berlin,
9/10. Heft, 1895.
Orthographiſches. — Hamburger Nachrichten 6. 12. 05.
Stolge, Adolf, Frantfurter Plaudereien. Deutſche
Tageszeitung 9. 11. 95.
(Ein ſonderbarer Angriff auf das Wort » Spielplan« |
aufgeführten Mufjäge ufw. gerne leihweiſe
Franlfurt in Berliner Beleudtung (Erwiderung daran).
— Die Sonne 27. 11. 95.
Imme, Weſen und Bedeutung des Spridmwortes. —
Proben aus dem Sprichwörterſchatz des deutiden
Vollkes. Die deutſche Bergmannsſprache. —
Rheiniſch⸗Weſtfäliſche Zeitung.
Blind, Karl, Eine Sprachbewegung in der fübafri-
taniſchen Republif, — Deutiche Kolon.= Zeitung 28.12.90.
Kohmener, Edward, Die Fremdwörter in der deutſchen
Sprache. — Kafjeler Tageblatt und Anzeiger 3. 11.9.
Förfter, Prof. Dr. Baul, Die rehte Sprade des rechten
Hausarztes. — Unſer Hausarzt Nr. 5. 1896.
Rohrbadh, N, Wie fann und foll der Bolksfchullehrer
die auf Beſſerung unjerer Sprachzuſtände geric
teten Bejtrebungen der Gegenwart wirkſam unter:
ftüpgen? — Heſſiſche Schulzeitung 50. 12.12. 95., 51. 52.
Über die Verbreitung der deutihen Sprade in den
Vereinigten Staaten von Nordamerifa. — Täglich
Rundſchau 15. 6. 95.
Die deutihe Sprade in der franzöjifhen Armee —
Magdeburgiiche Zeitung 9. 7. 95.
Bajfenge, Dr, ®Gedenfe, daß Du ein Deuitſcher biit.
(Vortrag) — Dresdener Nachrichten 15. 6. 95.
Was fich Berlin erzählt. — Berliner Börjen- Courier 30. 6.%.
(Scherzbafter Bericht über den Ausflug eines eifrigen Sprach
vereinlers.)
Deutich. — Deutsche Tageszeitung 29. 6. 95.
Ortjohann, Ferd, Die Vornamen, ein Spiegelbild des
Vollsgeiftes u. derßeitrihtung. — Germania 14., 21.
u. 28.7.95.
Deutjche Familiennamen. — Täglihe Rundſchau 28.8. 9.
Schröder, Dr. Friedrih, Über den Bedeutungsmwandel
der Worte. Tägliche Rundihau 31. 7. 95.
Mehring, Sigmar, Die Zukunft unjerer Rechtſchreibung
— Berliner Tageblatt 24. 6. 95.
Die Eprenreiniger vor bericht. — Münchener Neueite Nach
richten 12. 9. 95. (Ein ſehr unterbaltender Bericht über
einen Rechtsſtreit, der durch einen übereifrigen Spradreiniger
herbeigeführt worden ift.)
Gillhoff, Job, Deutihe Handwerfälieder. — Tägliche
Rundſchau 5., 6. u. 10.9, 95.
Yogander, Ludw., Neue Schriften über unſere Mutter:
ſprache (Heinge, Weife, Schröder, Wunderlich.) — Deutichet
Wochenblatt 15. 8. 95.
Die Schriftleitung ftellt den Leſern d. 8. die oben
ur Ver
fügung, bittet aber dringend um baldige Rüdjendung-
Zeitichriftenſchau.
In dem Kurzſchriftberichte über die zweite Sitzung der im
vergangenen Sommer zu Kafjel abgebaltenen Allgemeinverfamm:
lung der » Deutichen Anthrop. Geſellſchaft- (S. 17 Nr. 10 der
Beitichrift der »Deutſchen Geſellſchaft für Antbro:
pologie ufw.«) findet fid) folgende Anſprache unferes Mitgliedes
Herrn Dr. N. Zunz vom Zweigvereine Franffurt a. M.:
Ich möchte die Nufmertjamfeit der Herren darauf Ienten,
daß es Schr im Intereſſe der Sache läge, wenn ſoviel als möglich
deutiche Worte angewendet würden; für das Werjtändnis der
ausländiichen Fachgenoſſen könnten ja die lateinifchen und grie
chiſchen Bezeichnungen beigefügt werden. Dadurch wäre manch
\ der beregten Schwierigkeiten bejeitigt und für den Yaien der Gegen:
ftand zugänglicher gemacht. Bei dem wiſſenſchaftlichen Verkehr
unter den Fachmännern werben die fremden Bezeichnungen all:
dings nicht ganz zu entbehren fein; im den für weitere Kreilt
beitimmten Schriften aber bilden fie Erichwerungen, vor demen
fo mander zurüdichredt, der Belehrung fucht und nun fmemd-
ſprachlichen Ausdrüden begegnet, deren Sinn er nicht zu deuten
vermag. Wie bezeicnend und fahlich find 5. B. die Worte: Yang
ihädel, Kurzſchädel, Langlöpfe, Nundföpte ujw., während dus
Verftändnis der dafür gebrauchten fremden Ausdrüde bei einem
großen Zeil der Lejer und Hörer läſtiges Nachſchlagen und Br-
fragen erfordert.«
29 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 2. 30
Auch an die Vertreter anderer Wiſſenſchaften möchten wir
dieje Worte richten. Ihre Beachtung würde dazu beitragen,
wiſſenſchaftliche Schriften allgemeiner verftändlih und vollstüm—
licher zu machen.
Aus den Sweigvereinen.
Berlin-Charlottenburg. In der jehr zahlreich befuchten
Berfammlung am 10. Dezbr. v. J. las der Schriftiteller Dr. Julius
Stinde einige Abichnitte aus jeinen Echriften vor und geihelte |
dabei die Sucht halbgebildeter Leute, durch den Gebrauch von
Fremdwörtern den Mangel ihrer Bildung zu verdeden. Am
weiteren Berlaufe des Abends teilte der Borjitende, Direktor
Gardemin, aus einer von dem —— empfangenen
Antivort mit, dab diefer an den Beltrebungen des Bereins leb⸗
haften Anteil nehme und einer etwaigen Eingabe betreffs Vers
deutſchung von Fremdwörtern im Verlehrsleben wohlwollend gegens
überjtehe.
Bonn. Am 18, Novbr. v. J. hielt Dr. Wülfing einen
Bortrag über Farbenbezeihnungen, wobei er den betreffenden
Abſchnitt aus Eckſteins Buche »Verftehen wir deutſch?« vorlas
und die Anfichten des Berfajiers erklärte, berichtigte umd ergänzte.
— In der Hauptverfammlung am 16. Dezbr. v. J. jpradı Dr. John |
über Zeitungsdeutſch. — Unter Hinweis auf Sp. 10/11 der
v. Mr. diefer Zeitichrift hat der Verein den Oberbürgermeiiter
gebeten, etwaigen Anträgen auf Änderungen von Gaſſennamen
feine Folge zu geben, — Un dem eriten Herrenabende im neuen
Jahre eritattete zunäcjt der Schriftführer, Dr. Wülfing, Bericht
über dad Bornſcheuerſche Bud »Deutfche, das nur mit
röhter Vorſicht zu gebrauchen fei, und dann gedachte Herr
Reuter der Berdienite Peſtalozzis um die deutſche
BL woran ſich der Vortrag mundartlider Dichtungen
chlo
Breslau. An der Januagarſitzung wurde zunächſt — wenn
auch im Widerſpruche mit den allgemeinen Sahzungen — die
Frage der Rechtſchreibung beſprochen und dabei der Nachweis
geführt, daß die Schulrechticreibung immer mehr zur Geltung
fommt. Bejonders erfreulich jei ihre Anwendung in den belieb-
tejten Vollslalendern, in der »durchgefehenene Bibel umd in den
beiden großen Wörterbüchern von Brodhaus und Meyer. Nach—
dem hierauf der Entwurf des Verdeutihungsbuches für die Heil-
tunde vorgelegt worden war, wurde von berufener Seite eine
gröhere Anzahl entbehrlicher Fremdwörter im Sprachgebrauche
des Kriegsminiſteriums nambaft gemacht, für deren Erjag durd)
ute deutiche Ausdrücke beadytenswerte Vorſchläge gemacht wurden.
amentlich finden fih in der Nangs und Quaͤrtierliſte der
Preußiſchen Armee noch immer folgende Nedeweilen: Departement
jt. Verwaltung, Central: Departement ft. Hauptitelle, Filialdepot
des Nrtilleriedepots ſt. Nebenjtelle der Artillerie = Niederlage,
Militär - Ofonomie s Departement ft. Kriegd: Spar: Verwaltung,
Techniſche Abteilung ft. Fachliche Abteilung, Medizinal- Abteilung
ft. Ärztliche Abteilung, Remontierungs: Abteilung ft. Pferdeerſatz⸗
Nbteilung, Präfides der Nemonte- Antaufs = Hommilfionen it. Bor-
figende (Borjtände) der Pierdeanfaufs- Ausihüfle, Kommiſſion ft.
Ausſchuß, Inſpeltion ft. Yeitung, Artilleries Depot: Anipektion ft.
Leitung der Artillerie: Niederlagen, Jnipeltion des Militärs Ve—
terinär= Wejens it. Hriegstierärztliche Leitung oder —— des
Kriegstierarzt: Wefens, Artillerie Konjtrufttons= Bureau ft. Artil—
lerie- Bauamt, Sontrolloffizier ſt. Aufſichtsoffizier, Juſtitiar ft.
Rechtsbeiſtand, Armee-Muſik-Inſpieient ft. Heeres- Mufil: Leiter,
Militär MNeitinjtitut ft. Kriegsreitanjtalt, fommandiert jt. beiehligt,
reſſortiert ft. unterjtellt, zur Dispofition ft. zur Verfügung, ala
suite ft. im Gefolge oder zugeteilt. — Endlich nüpfte fich eine
Beiprechung an einzelne Beobachtungen, wie über den nicht immer |
beachteten Unterjchied von hochgemut und hochgemutet, ungejtalt
und ungejtaltet, über den Erjag von interejfieren durch anmuten,
über die Berechtigung von »anerlannte« neben »erfannte an« und
»ſich jähren« neben »jährig werben.«
Dr. Richter über Gudrun und in der Haupwwerſammlung am
13. Jan. Kaufmann Burdhardt über die mutmaßliche Ent-
ftebung und Weiterbildung der Lautiprade. — Prof.
Johnſon, der von Chemnig verzogen tft, wurde zum Ehrenmits
gliede ernannt.
um das
Czernowitz. Landesihulinipeftor Dr. Karl Tumlirz bes
ſprach am 14. Dezbr. v. X. das vom Spradjvereine durch eine
Ehrengabe ausgezeichnete Wert von DO. Weile »Unjere Mutter:
ipradhe«, wobei er hauptiächlid fahmännijche Ergänzungen, Eins
ſchränkungen und Berichtigungen vorbrachte, deren der Laie bedürſe,
8 Buch mit vollem Nugen zu lefen. Nad) dem Bortrage
wurden Fragen des Brieffaftens beantwortet.
Diüffeldorf. Die FZahresverfammlung am 11. Jan. wurde
gemeinfam mit dem faufmänniichen Vereine abgehalten. Ober:
iehrer Dr. Blumſchein aus Köln jprach über die Entitehung
der Nedensarten, und im Aniclufle daran wurden die vielen
im Handel und Wandel vorflommenden Nedensarten und Fremd—
wörter erörtert und deren Mißbrauch gerügt.
Elberfeld. Der Vorſitzende Prof. Buchruder jpradı am
8. Jan. über Urfprung und Bedeutung deutſcher Redens—
arten und führte dabei die Schwierigkeit der Deutung von Nedens-
arten darauf zurüd, daß uns entiveder die früheren Sitten und
Gebräuche jowie die Gelegenheiten, an die fie antnüpfen, unbe-
fannt jeien, oder daß Umgeftaltung den urſprünglichen Sinn ver:
dunfelt hätte,
Graz. In der Eikung des Feftausichuffes für die Haupt-
verfammlung von 1895 am 7. Dezbr. v. J. berichtete der Obmann
des Ausſchuſſes, Prof. Dr. Julius Kratter, über defien Thätig-
feit und erwähnte, daß troß der Einladung an die herworragenden
Perfönlichleiten von Graz deren Teilnahme den Erwartungen
nicht entiprochen habe. — In der fid) anſchließenden Sipung des
Zweigvereins bielt Prof. Alfred Heinrich einen Vortrag über
eine deutiche Ansiedlung in Griechenland, die Ortichaft
Herafli (Herafleia) bei Athen, die im Jahre 1837 durch Otto den
Witteläbacher gegründet wurde. Zum Zeil durch eigene Schuld
der Anſiedler, aber auch infolge widriger politiiher Verhältniſſe
iſt es gelommen, daß gegenwärtig nur nod 12 Perjonen in dem
Dorfe die deutiche Sprache ſprechen.
Hamburg Nach einem ausführlichen Berichte des Bor:
fibenden, Oberlehrers Dr. Dijjel, über die Hauptverfammlung
in Graz beriet der Verein in feiner Dezemberfikung über Mittel
und Wege, um die Bejtrebungen des Vereins immer mehr in
Hamburg zu verbreiten. Es wurde beſchloſſen, da es in ber
Handelsitadt vor allem darauf anfäme, den Naufmannitand für
unjere Beitrebungen zu gewinnen, öffentliche Vorträge für Kauf—
leute zu veranstalten.
Koblenz. Direltor Dr. Menge beſprach in der Hauptver—
fammlung am 9. Dezbr. v. 3. die föniglihen Abzeihen bei
den Deutichen.
Leipzig. Am 21. Novbr. v. J. hielt Univerjitätsprofefior
Dr. Mogf über die Spradentwidlung und Spradbe:
wegung bei den nordgermaniihen Bölfern einen Vortrag,
der in einem der diesjährigen wifjenichaftl. Beiheite erſcheinen fa
Leoben. An dem Interhaltungsabende am 12, Dezbr. v. J.
ſprach Prof. Arthur Cafaſſo über Berdeutihung von Fremd—
wörtern und der Obmann, Herr Herrmann Nigner, über volfös
mundartlihe Dichtung von Franz Stelzbamer, woran
fich muſikaliſche Darbietungen ſchloſſen.
Lübel. Die biefige Handelsfammer, ein treues Glied des
Sprachvereins, die durch die ſprachliche Reinheit ihrer Veröffent-
lichungen der ganzen Kaufmannichaft ein treffliches Vorbild giebt,
hat es abgelehnt, einen Aufruf zur Unterftüßung unferer Be-
ftrebungen zu erlaffen und erwartet ein ſolches Vorgehen aus der
Mitte der Kaufmannſchaft. — Die Gefellihaft zur Förderung
gemeinnügiger Thätigkeit hat auf Antrag des Zweigbereins alle
entbehrlich jcheinenden Fremdwörter aus ihren Sapungen ver:
bannt. — Der deutſche Abend am 15. San. wurde durch eine
Anſprache des Vorjigenden, Oberlehrer® Schumann, mit einem
Hinweiſe auf die gegenwärtige Zeit der Erinnerungsfejte und die
für deutihe Männer daraus erwachſenden Pflichten eröffnet. Dann
ſprach Yandrichter Dr. Neumann über Deutſches und Rö—
mijches Recht, und daran ſchloß ſich eine Erörterung nationaler
| Angelegenheiten.
Chemnitz. In der Sitzung am 9. Dezbr. v. 3. ſprach Prof. |
Marburg a. d. Drau. In der Dezemberfigung hielt Direktor
Friid einen Bortrag über die Entwidlungsitufen der
Sprade. — Nachdem in der Kanuarfigung der Borfipende,
Dr. Mally, dem verjtorbenen Mitgliede Kaiferl. Nat Dr. M.
Neifer einen chrenden Nadıruf gewidmet hatte, ſprach die Lei-
terin des jtädtifchen Kindergartens, Fräulein Emma Rößler,
31
über ⸗Märchen und Lied«, woran ſich die VBorlefung mundarts
licher Dichtungen ſchloß.
Miüniter Nachdem an Stelle des von Münſter verzogenen
Brivatdozenten Dr. Karl Drefcher der ordentliche Brofefioe Dr.
Hugo Andreien zum Vorſitzenden gewählt worden war, wurde
der folgende Antrag des Vorſtandes einjtimmig angenommen:
>Der Amweigverein giebt ein Jahrbuch heraus. Das Jahrbuch,
das im März zu erjcheinen hat, enthält den Vorftand und das
Mitgliederverzeichnis. Die Schriftleitung des Jahrbuches wird
vom Borjtande einem Mitgliede des Zweigvereins, womöglich
einem Borftandsmitgliede, übertragen. Der Schriftleiter kann im
Einvernehmen mit dem Vorjtande auch anderes in das Jahrbuch
aufnehmen, «
Stuttgart. In der eriten Winterverfammlung am 10. Dezbr.
v. J. bericdytete der Vorſihende Prof. Karl Erbe zunäcjt über
die Eingabe des Bereins an den Gemeinderat (vgl. Ep. 14 d.
Jahrg.) und jodann über die Grazer Hauptverfammlung, wobei
er namentlid die dort behandelte Frage der Scriftgattung be—
rührte. Im Anſchluſſe daran fam es zu einer Erörterung über
die Rechtſchreibung, in der die Überzeugung ausgefproden wurde,
daß eine einheitliche Rechtſchreibung nicht zu erzielen jei, jolange
die Enticheidung bei den einzelnen Regierungen liege. Es ſei
deshalb wünſchenswert, wenn der Spradwerein mit beſtimmten
Vorſchlägen an die Megierungen heranträte,
Trier. In der Sikung am 12. Dezbr. v. I. wurde zunächſt
die Frage »Nedakteur oder Scriftleiter?« dahin beant-
wortet, dab, folange das Geſetzbuch nur den Nedalteur kenne,
beide Ausdrüde anzuwenden feien. Alsdann wurde Goethes
Verhältnis zur Spradreinigung beiprocden, wobei hervor-
gehoben wurde, daß der Dichter jelbjt Dußende von Fremdwörtern
aus feinem ⸗Götz ⸗« ausgemerzt habe, und daß es daher lächerlich
jei, dem Sprachvereine mit Goethes Sprud, » Die Spracdjreiniger«
und mit feinem neulih im Goethes Fahrbuche veröffentlichten
Proſaausſpruche gegen den pedantilchen Purismus zu Leibe zu
gehen. — Zum Schluſſe la$ der Borfipende Brof. Dr. van Hoffe
mehrere Proben aus Carl Bardts Überfegung der horazijchen
Sermonen vor. Daß diefe Überfepung zu den beiten geböre, ſei
gar feine frage; doch werde fie durch übermähigen Fremdwörter:
gebrauch (der on bei den Epifteln in diefer Zeitichrift IV Sp. 111
erügt worden ijt) in ihrem Werte weſentlich beeinträchtigt. Die
— —————— ſei ja freilich nediicher Natur und leicht geſchürzt,
es könnten ihr daher auch unnötige Fremdwörter wie Schönheit:
piläfterden wohl zu Gefichte jtehen; wenn aber 3. B. fremde
Beitwörter auf »ieren« jchodweile angewendet werden, und jogar
vorwiegend im Meim, jo fei das eine billige Reimkunſt, die
durchaus zu rũgen fei. (Vgl. die » Diiteln« von Friedrich van Hoffs
Sp. 24 diefer Nr.) — In der Berjammlung am 16. Januar madıte
der Schriftführer, Stadtbibliothelfar Dr. Keuffer, die m der
Kölniſchen Zeitung« (Nr. 860 f., 1805) von Seelmann über
den Uriprung der Wallonen vertretene Anficht zum Gegen—
itande einer Beiprehung. Es fünne, jo meinte der Bortragende,
nicht Seelmanns Abficht jein, in zwei Zeitungsauflägen den Beweis
dafür zu erbringen, daß die Wallonen von den durch Karl den
Großen ins Fräntiiche verpflanzten Sadıjenfippen abitammten.
Jedenfalld wollte er fi die Ehre der Entdedung ſichern und
verweife Daher auch auf eine Reihe bevorftebender Beröffentlichungen.
Das Ergebnis der Beipredyung war, daß Seelmanns Unterneh:
mung nicht ausſichtslos jei, daß man vorläufig jedoch über die
Sachſenfrage fein endgiltiges Urteil füllen fünne.
Zittau. Der Bortrag des Oberlehrer® Dr. Neumann über
die Yaufigper Mundart am 15. d. M. war zahlreicher beiucht
als je die nichtfeitlichen Veranstaltungen und gab reichen Anlaß zu
einer lebhaften Erörterung. Das günftige Ergebnis des Nbends |
führte zu dem Beſchluſſe, die wiſſenſchaftlichen Sipungen |
regelmäßig anzujepen und zwar immer aufden zweiten
Mittwoch jedes Monats.
Briefe und Drudfadhen für die Bereinsleitung
find an den Borfipenden,
Oberftlentnant a.D. Dr. Mar Jahns in Berlin W. 10,
Maorgaretenitrabe 16,
Zeitiärift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 2.
32
Brieftaften.
6 2. E...., Stuttgart. Die Heine — über
die Kgl. Wirttemb. Hof:»Banque« auf Sp. 6,7 d. vor. Wr. hat
alfo die beabjichtigte Wirkung gehabt. Aus dem Schreiben dei
Direktors der Bank, das fie uns freundlichjt zur Menntnisnahme
übermittelt haben, erjehen wir mit Vergnügen, daß auf deu
alten Siegelftode die Bezeichnung » Banque« in »Banf« verwandelt
worden iſt. »Gehäffige war aber der Ton jener Mitteilung nicht.
Henn M. ©...., Langenau. Sie haben unzweijelhaft
recht: »jich befindlich« ift grumdfalich, ein Eigenihaftswort lann
nicht mit einem rüdbezüglichen Fürworte verbunden werden. Der
häufige Gebrauch dieſer falihen Ausdrucksweiſe erklärt ſich durh
die ——— mit der Mittelform (Participium) von »fih
befinden«. Am einfachiten und beiten jagt man bloß » befindliche,
Herrn &,..., Eues. Eine Beiprechung des Bornſcheuer—
chen Buches » Deutliche, die binnen furzem in dieſem Wlatte
ericheinen foll, wird Ihnen zeigen, welcher Wert auf die Aus
führungen des Verfafjers zu legen iſt. Es fann nicht die Auf:
abe unjerer Zeitjchrift jein, einer Erörterung über Behauptungen
aum zu geben, die von einem »Ddurd) Sachtenntnis gänzlich
ungetrübten« Urteile zeugen.
Herrn Dr. 3. €. Wülfing, Bonn. Die Sabungen des » Ber:
eins von Gas-, Eleftricitätds und Waſſerfachmännern Rheinlande
und Weitfalend«, die Sie uns geſandt haben, zeichnen ſich durd
eine geradezu mujtergiltige Iprachliche Reinheit aus, die wohl auf
das Eingreifen des Bonner Zweigvereinsvorſihenden, Direktor
Söhren, zurüdzuführen it.
Herm Major Schneider, Agnethelm in Siebenbürgen. Ler:
bindlichſten Dank für Ihre Mitteilung, daß in Siebenbürgen
neben den Wörtern »Beifiger, Vorjteher« uſw. aud »Bor:
fiper« fowohl in der geſprochenen wie in der Schriftiprache güng
und gäbe it.
Herrn D...., Hamburg. Die »German Bottle Sen! Com-
pany Limited« hat, wie wir Ihrer gefälligen Zuichrift entnehmen,
die Ernennung zweier Bevollmächtigten in folgenden Worten durd
die Hamburger Firmenanmeldejtelle befannt gegeben: » Diejelben
(id. h. die Bevollmächtigten) jmd laut der beigebrachten Bollmadıt
ermächtigt, gemeinſchaftlich für die Geſellſchaft in Hamburg eine
Fabrik zu betreiben, melde die Auenußung von, jeitens der
Bejellichaft in Bezug auf Bottle tools, scals, scaling machines,
filling and sealing machines und andere hiermit im Zulammens
hange ſtehende Gegenſtände erworbenen und noch zu enwerbenden
Patenten bezwedt« uſw. Der Stil ift nicht ſchön, doch das ilt
hier nebenſächlich. Hervorheben wollen wir aber die Dreiſtig—
keit, die darin liegt, daß einer deutichen Behörde von einer aus
ländifchen Handelsgeſellſchaft in fremder Sprache angegeben wird,
was fie zu thun gedenfe, und andererfeits das unrühmlide
GEntgegenlommen der deutihen Behörde. Auf Ep. 264
d. v. Jahrg. war es als umbegreiflich bezeichnet worden, daß
fremdiprachliche Firmen in ein deutiches Handelsregifter überhaupt
eingetragen werden dürften. Wie wir erfahren, giebt es that:
ſächlich Feine gejegliche Handhabe, um dies zu verhindern; darum
hat der Borfipende des a. d. Spracvereins auf Anregung unjeres
| Mitgliedes, Landgerichtsrats Knibbe in Halle, am zuitändiger
Stelle einen auf entfprechende —— des Geſetzes hinzielenden
Antrag geſtellt. Die Annahme dieſes Antrages würde auch bie
Wiederkehr von Erklärungen wie der obigen unmöglich machen.
Berichtigung.
Ju dem Berichte über Die Sihung des Aweigvereins Marienwerder oxf
Ep.13 d.vor. Rr. ift der Bortrag des Borfipenden, Gomnafialbireftors Dr. Brod3,
nicht richtig bezeichnet worden. Die behandelte frage lautete: » Was erfahren
| wir aus ber Sprache Über die Urgeſchichte unſeres Volles?«
Geldfendungen und Weitrittserflärungen
an den Ecapmeiiter,
Verlagsbuchhändler Eberhard Ernit in Berlin @.$,
Wilfelmftrabe 90,
Briefe und Druckſachen für die Zeitſchrift find an den Herausgeber, Oberlebrer Friedrich Wappenhans Im Berlin N. W. 233, Altonaer Strafe 22,
Briefe und Zuſendungen fir die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profeflor Dr. Paul Pietidh, Berlin WM, Mopitrafe 12
zu richten.
F dur die Scheiftleitung derantwornich Friedrich Wappenhans, Berlin. — Werlag des allgemelnen dentſchen Spradvereins Dahnd und Ern Bertin
Drum der Buchbruderei des Walſenhauſes in Halle a.d. ©.
Feitlheiff
j 2 des 2 F
allgemeinen deutſchen Zprachvereins
Begrünodel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe geitfehrift erigjeint jährtie zwölfmal, au Anfang jedes Monats, | Die Zeltſchrift kann au durch den Buchhandel oder die Pot
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Eprachvereind unentgeltlich | zu BERE. jährlich bezogen werben. — Anzeigenannahme dur ben Echagmeilter
geliefert (Sadung 24). | Eberhard Ernft, Berlin W. 8, Wllhelmftr. 90, — Muflage 15000.
Inhalt: Ein Wort für -monatig und -wöchig. Bon Karl Scheffler. — Gleim; als Anwalt unjerer Mutteriprade. Bon
Friedrih Wappenhans. — Auch ein Vorläufer des allgemeinen deutihen Spradwvereins. Bon D. Streicher. — Eine deutiche Olüds
wunfchtafel. Bon Hermann Dunger. — Verdeutſchung der Fremdwörter in Sapungen. Bon H. — Wilhelm Heinrich Riehl für
den deutichen Unterricht. Bon Ostar Streicher. — Wo fehlt's noch? Bon E. ©. — Kleine Mitteilungen. — Sprachliche Mufter-
Pr en. = Sprecjaal. — Bücherſchau. — Zeitungsſchau. — Zeitſchriftenſchau. — Aus den Zweigvereinen. — Brieflaften. —
chäftlicher Teil.
f er : ⁊ aus der althochdeutſchen Verbindung tago-gilich — »jeder der
Ein Wort für »monatig und »wöchig. Tages; tago iſt der Genetiv der Mehrzahl, und gilich, unſer
Schon in den Jahren 1890/1 iſt in dieſen Blättern vom dem | „gleiche, bedeutete auch »jeder«, vgl. »jeglich · aus ie-gelich.
Unterſchiede zwijcden »dreimonatlich«e und »dDreimonatige, Ich will Hinzufügen, da gilich feinerjeit® ebenfalls mit dem
svierwöcdentliche und »vierwödige uſw. die Mede geweſen; oben beiprochenen lich = »Leibe« zuſammenhängt und eigentlid
von der einen Seite wurde ftrengite Scheidung verlangt, von der | Hedeutet: »einen übereinftimmenden Körper habend.« Befonders
anderen der Form »<monatig« die Dafeinsberechtigung abgeiprocdhen häufig war num von jener Verbindung der Genetiv der Zeit tago-
(vgl. Ztichre. V 191, VI21). Neuerdings ift Landgerichtsrat Bruns giliches = san jedem der Tage«, woraus dann durd Ber:
in Zorgau wieder für faubere Scheidung der beiden Endungen | einfa_hung tagoliches wurde. Aus dieſer Umftandsbeftimmung
eingetreten (X 124). Die Schriftleitung fteht auf demjelben Stand | iſt dann erjt das Eigenſchaftswort tagalich — »täglidh« er
punkte; das zeigen die ſprachlichen Mujterleiftungen der Nr. I1 | wachen. Im Althochdeutichen gab es zahlreiche derartige Bil-
d, vor. Zahrg., wo der »Hamburger Freien Preſſe⸗ ein »vierwöchent- dungen, 3. ®. rosso-lich — »jedes Roß«. Eine von diejen
liches Kind« vorgeworfen wird. Der Tadel dieſes Ausdrudes iſt ift ums noch erhalten in »männiglich«, althd. manno-gilich
aber nicht ohne Widerjpruch geblieben. Es jcheint deshalb nit | — »der Männer oder Menihen jeder« (man achte auf das
überflüffig, die ganze Frage noch einmal zu beleuchten. erhaltene g). Die Sprachgeſchichte zeigt aljo, daß mit der Bil-
Es handelt fic um die Eigenſchafts- umd Umfiandswörter, die | dung »täglich« der Begriff des »jeden Tage Wiederlehrenden
von den Zeitbegriffen »Jahr, Monat, Woche, Tag, Stundee | verbunden ift. Genau fo verhält es ſich mit »jährlich« — althd.
abgeleitet find, bejonders in Zufammenfegungen mit Zahlen, und | järo-giliches, Für die anderen Bildungen»monatlicd, wöhent-
ed unterliegt zunäcjt im allgemeinen feinem Zweifel, dab die | Lich, ſtündlich« läht fi nun zwar ein gleicher Urjprung nicht
Bildungen auf -lich eine Wiederholung der Handlung oder nachweiſen; fie find vielmehr zu einer Zeit entitanden, als das
des Geſchehens im Lauſe des angegebenen Zeitraumes bezeichnen, | Lebendige Gefühl für jene Ableitung von gilich im Erlöſchen oder
die auf sig dagegen die Dauer der Handlung während der | ganz erlofhen war. Wohl aber haben wir anzunehmen, daf
genannten Zeit. Eine »zweiftündliche eimzunehmende Arznei | stägliche und »jährlich« das maßgebende Vorbild geweſen find
ift alle zwei Stundene« zu nehmen, »halbjährliche« Zinfen | für diefe Bildungen, von denen »wöhentlich« und »monat-
find »jedes halbe Jahre zu zahlen — dagegen dauert der lich« in der mittelhodhdeutichen und »ſtündlich« in der neuhoch—
sachtftündige« Arbeitstag »acht Stundene, und der»jiebens deutichen Zeit geichaffen find. Wit der Verdunkelung der eigent:
jährige« Krieg hat »fieben Jahres gedauert. lichen Bedeutung des lich hängt die Neigung zufammen, den—
Diefe Scheidung hat einen feiten fprahgeihichtlihen Halt jelben Begriff noch einmal durch ein vorgefegte® all- auszudrüden:
an der Bedeutung der Ableitungsjilben, Die Silbe lich ift in | »alljährlich« uſw. (ganz entiprechend: »jedermänniglid«). Und
den hierher gehörigen Wörtern anders aufzufafjen als in der großen | jo find weiter gebildet: »allfonntäglid, allwinterlich, alls
Mehrheit der übrigen mit ihr gebildeten Wörter. In diejen ift | abendlich, allmädtlich« ufw.
sfidy das altdeutiche lich — »Leib, KHörper« (noch erhalten in Anders liegt es mit den Bildungen auf =ig. Was diefe Ab—
» Leichee); 3. B. bedeutet »männlich« zunäcjt »den Leibe, dann | Teitungsfilbe uriprünglid bedeutet hat, läßt ſich nicht mehr fagen.
auch »das Weien eines Mannes habend«, ebenjo »göttlich, Kind» | Die mit ihr gebildeten Eigenſchaftswörter bezeichnen eine Zu—
lich⸗ ufw. Aus dem Begriffe der Ähnlichteit entwickelt ſich die gebörigfeit oder irgend eine Beziehung zu dem Grundworte, oft
Bedeutung der Zugehörigkeit überhaupt in den mannigfaltigiten | den Bejiper: » mächtige iſt, wer Macht, »bärtige, wer einen Bart
Beziehungen, und allmählich ift der urſprüngliche Begriff jo vers | Hat; der »Langbeinige« hat lange Beine, eine »fechöfeitige« Figur
blaßt, dab die Silbe überhaupt zur Bildung von Eigenjchaftt- ſechs Seiten; eine »zweipfündige« Wurjt wiegt zwei Pfund, ein
wörtern aud Hauptwörtern dient; vgl. »häuslich, glücklich, herz⸗ »vierſtimmiges« Lied ift von vier Stimmen zu fingen. Danad)
lich⸗ ufw. Anders liegt es mit »tägliche Dies ift entfianden | ift »zweitägig, dreijährige, weiter »viermonatig, ſechs—
35 Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Mr. 3. 36
wöchig«, ebenfo »dreinäctig« da&, was »zwei Tage, brei
Jahres ufw. dauert oder jich auf einen ſolchen Zeitraum bes
sieht. In der That laſſen ſich ſchon in alter Zeit ſolche Zus
fammenjeßungen mit diefer Bedeutung nachweiſen: althd. drijärie,
mitteld. dritegec ufw., im 15. Jahrhundert dreimonatig. Am
fpäteften ericheint »wödige: Wieland fpricht von einem »dreis
wodhigen (jo!) Beifammenjein«, Goethe von einem »jed-
zehnwödhigen Aufenthalte
Indeſſen Hätte diefe Entitehungsgeichichte für und nichte
Zwingendes, wenn der Sprachgebrauch fid) ſpäter anders ent-
jhieden Hätte Sehen wir zu, wie ſich diefer zu der Scheidung
ſtellt. Zunächſt iſt (abgefehen von »=jtündlich« und »ftündige)
eine mannigfache Unficherheit im Gebrauche nicht in Mbrede zu
ftellen. Bei Stolberg wird z. B. das Andenten eines Sieges
»jährige« begangen. Doch ſolche vereinzelten Abweichungen find
auf feinen Fall zu billigen.
Anders aber ſcheint es mit den Zufammenfegungen von
»=monatige und »—wöchig« zu fein, die ſich, zumal das erite,
zeitweilig unjtreitig feiner bejonderen Beliebtheit erfreut haben.
Leifing fpricht von einer »monatlihen Reiſe«, Goethe von
einem »neunmonatlihen Kranfenlagers, Humboldt von
einem »ahtmonatlihen Aufenthaltes. Schon Friſch in
feinem Wörterbuche (1741) führt »dreimonatlidye nur mit der
Bedeutung der Daner an. Und bis in die neuefte Zeit ift bei
manchem eine ftarfe Abneigung gegen »dreimonatig« und »vier—
wöchig« vorhanden. Welche Stellung haben wir diefem Schwanten
gegenüber einzunehmen? Der Sprachgebrauch von Leſſing und
Goethe kann in folhen Dingen nicht mehr mahgebend fein. Der
Spradigebraud von heute aber fcheint jich mehr umd mehr bewußt zu
werden, wie zwedmäßig eine firenge Sonderung jener beiden
Wortflaffen ift. In gerichtlihen Yahlungsauflagen heißt es:
binnen zweiwödiger Frijte. Wie fauber die neueren Geſetze
in der Unterfcheidung jind, darüber jehe man Itſchr. VI21 und
X 124. Auch beim Militär überwiegen jegt entichieden die
sachtwödigen Übungen«. Ich gebe jedoch zu, daß der Sprach—
gebraud immer nod) ſchwanlkend ift.
der Spradjlehrer, meine ich, das Net, wo nicht die Pflicht, eine
Entſcheidung zu treffen, und zwar zu gunſten der logiſchen und
reinlichen Unteriheidung. Wäre der Spradgebraud) ganz feit,
gäbe es nur »viermonatlicdhe und nicht »viermonatige (die
Sprache zeigt ja genug ſolche Abweichungen, vgl. z. B. »ſtünd—
liche mit »wöchentlid«), fo wäre es vielleicht ſchulmeiſterliche
Engherzigleit, wollte man fünftlich die Form »=monatig « ſchaffen.
Aber fo liegt die Sache nicht, jondern beide Formen find vorhanden,
nur wird die eine von mandjen ungern gebraucht oder aud gar
nicht gefannt. Und da wollen wir doch alle recht jorgfältig fein,
beide Formen verwenden umd dem Unterſchied fein fäuberlich
beachten. Die »vierwöhentlihen Ferien« wollen wir nur
als einen unerfüllbaren Traum unferer lieben Schuljugend gelten
laſſen, und eine »vierwöcentlihe Nadhlommenjchaft«
möge Kaninchen und anderen Geſchöpfen gleicher Fruchtbarkeit
überlaſſen bleiben. Sprechen wir vielmehr von »pierwödligen
Feriene, einem »vierwödigen Kinde⸗, »zweimonatigem
Urlaube« uff.
Daß unjere Wörterbücher den ſchwankenden Zuſtänd wider:
fpiegeln, Tiegt auf der Hand. Wenn aljo im Grimmijchen Wörter:
buche z. B. eine »einmonatlihe Frifte, »dreimonatliche
Dienitzeite angeführt wird, oder wenn Heyne neben sneuns
jährig, stägig, -ftündige »neunmonatlich« zur Bezeich—
nung der Dauer bat, jo ift das für ums nicht bindend. Die
Grammatiter, die id; eingeiehen habe, bejonders Sanders und
In ſolchen Fällen aber hat
Engelien, verlangen die Beachtung des Unterſchiedes. Schon
Campe unterjcheidet zwiichen »fünfwödig«e und ⸗wöchentlich⸗
und jchreibt: »ein neunmonatiges Kind« ufwm. Wem die
Formen auf —wöchig« etwa hart erjcheinen jollten — man fann
ein ſolches Urteil nicht felten hören —, der dente an »brüdhig,
anrüchig⸗ u.a., die er doch ficher ohne Bedenken anwendet. Wem
trogdem »=wädhig» und »-monatige zu ungewohnt und feltjam
erjceinen, nun, der mag ſich mit anderen Wendungen bebelfen,
deren ja viele möglich und üblich find: »Wierwodjenferien, Urlaub
auf drei Monate, zwei Wochen altes Kind« ujm.; mur
»:monatliche und »- wöchentlich foll er in dieſer Bedeutung
vermeiden.
Wie bei ⸗»Woche« und »Monate die Formen auf =lich, jo
find bei ⸗jßFJahr« und »Tage« die Bildungen auf =ig bevorzugt.
Doch liegt die Sache bier eiwas andere. Wir jpredien von einem
»hundertjährigen Feſtes und meinen damit doch keins, das
»hundert Jahre« dauert. Deshalb verlangte Campe dafür
dad »hundertjährlide FFeite Aber ijt denn die Meinung,
daß das Feſt »alle hundert Jahre« gefeiert wird? Daran
benfen wir doch auch nicht. Wielmehr bezieht fich ein ſolches Feſt
auf den genannten Zeitraum, wir feiern die verfloffenen hundert
Jahre, und wie wir von einem »hundertjährigen Beftehen«
reden, fo nennen wir aud) die Freier eines jolhen eine hundert⸗
jährige« (oder auch »Hundertjahrfeier«e). So fpreden wir alle
von einer »fünfzigjährigen Jubeljeier«, ähnlich auch von
der »25jährigen Wiederkehr des Tages von Sedan«
uſw. (Unfinn Scheint mir dagegen zu fein, was fürzlich micht
jelten gelefen werden tonnte: »2djährige Wiederfehr der
Wiederaufrichtung des deutfhen Neichede; denn die
Wiederanfrichtung kehrt doch nicht wieder, nur der Tag, d. 5. der
Jahrestag.) AÄhnlich verhält es fich übrigens mit svierwödiger,
einmonatiger Kündigunge, die auch nidt vier Wochen
dauert, fondern fich über diejen Zeitraum eritredt. In dieſen
Fällen haben wir alfo nur fcheinbare Ausnahmen von der oben
aufgejtellten Regel zu erbliden. — Wo es ſich aber um Wieder-
holungen in Zwiſchenräumen von mehreren Jahren handelt, da
müfjen wir folgerichtig die formen auf =lic verwenden. Die
Dlympien find ein »vierjährliches Feſte zu nennen. Und
eben gegen joldye Formen jcheint eine gewiſſe Abneigung zu be
jtehen. »Zährlid, viertels, halbjährlicdh« werden ohne An-
ſtoß gebraucht; gegen »zweijährlih« uſw. ſträubt man fic.
Es empfiehlt ſich aber auch bier, die Scheidung durchzuführen
und nicht die Formen auf sig zu gebrauchen, wo es ſich um eine
Wiederholung handelt. Wer an »zweijährlid« Anſtoß nimmt,
der mag fagen, wie es allerding$ auch der herrichende Sprad:
gebrauch ift, »alle zwei Jahre«
Eine wirflihe Ausnahme endlich läht der heutige Sprad-
gebrauch bei den Mbleitungen von »Tag« zu. Das alle vier
Tage wiederlehrende Wechjelfieber (febris quartanua) beit das
»viertägige« früher wandte man bier die Form »viertäg-
lich« an, und das war befjer, und ed wäre nur zu wünſchen,
daß das gute Alte hier wiederhergeftellt würde. Ein »vier:
tägiges Fieber« follte nur ein ſolches jein, das vier Tage an:
hält. — Auch ſonſt fcheint man den Aufammenießungen mit
»täglich« feindlich gegenüber zu jtehen. So läht man ein Werf
in »vierzehntägigen Lieferungen« ericheinen. Und dech
enpfiehlt fich auch hier die Bildung auf «lich, wenn man nicht
andere Wendungen, wie »alle vierzehn Tage«, vorziebt.
Alſo zum Schluſſe: machen wir von den Nusdrudämitteln,
die uns die Sprache bietet, einen angemefjenen Gebrauch!
Braunfdhweig. Karl Scheffler.
——
37
Gleim als Anwalt unferer Mutteriprace.
In feſſelnder Weife behandelt Karl Schüddelopf in der
Voſſiſchen Zeitung (Sonntagsbeilagen vom 19. Zan., 2. u. 9. Febr.
8.53.) dad Berhältnis des Prinzen Heinrich von Preußen,
‚Bruders Friedrichs des Großen, zur deutſchen Litteratur.
Beionderd bemerkenswert ijt eim im dieſem Aufſatze zum erjten
Male veröffentlihter Briefwechfel zwifhen dem Prinzen und
Gleim, weil er den ſcharfen Gegenſatz des Dichters kenn—
zeichnet zu der weltbürgerlihen Auffafiung eines Herren, der,
am Hofe aufgewachſen und im Geifte der Mufklärung erzogen,
vom Übergewichte franzöſiſcher Sprache und Geiftesbildung über-
zeugt ift.
Auf den Vorwurf Gleims, daß Heinrich, wie fein großer
Bruder, dad Deutſche nicht liebe, ermwidert der Prinz:
N Bas die teutihe Sprache betrifft, werde Ich ihmen
mein Geſtändniß machen, indem Ich meine Gedanken weder vers
jtelle, noch in feinem Fall a Ich glaube daß alle
Sprachen gleich find, jo wie ſie die Gedanken der Menschen klar,
deutlich und wirkſam ins Licht fegen. Die Philosophen und ge-
ſchickte autores geben der Sprache worin fie ſchreiben, den Haren
und gefälligen Ausdruck, durch welchen fremde nations bewogen
werden, fie zu lernen, zu ichreiben und zu jprechen. Der Reit
punct der Geburt eines Menſchen mu von denen Vorgeiepten
beobadjtet werden; und iſt eine Sprache in der Welt welde im
ichreiben, ſprechen und leſen allgemein geworden, jo muß der
Jüngling felbige jo gut, und fait beßer als die Mutterjprache
wihen, indem e3 ein Mittel iſt, wodurd er in der ganzen Welt
forttommen lann. Zu denen Nömer Zeiten, war die Griechiſche
Sprache diejenige, welche von denen jo in der Republic etwas
olten, studirt wurde. Die Briechiiche Philosophen, Poöten und
istorienjchreiber machten daß dieje Sprache, weit vor die La—
teinjche in Nom ſelbſt studirt und gefchrieben wurde. Als aber
ein Cicero, ein Varus und nadjher ein Seneca; unter die Poeten
ein Virgil, Horaz, Perse und Juvenal; auch ein Tite Live,
ein Sueton, ein Sallustius und ein Taeitus waren, jo fam bie
Lateinſche Sprache empor. Sie ijt allgemein geweſen und als
ein wahres Süd anzujehn, wodurd die alten Kenntniße während
die finftern Seculi durchgedrungen, bin und wieder den Aber—
fauben und die Duntelheit mit welcher die Religion denen Mens
chen befallen zum Stillejchweigen gebracht, und denen Gelehrten
welche unter die nations zerjireuet waren, zum Mittel gedient; |
fih ihre Gedanken zu eröffnen. Die Jtaliänifche, auch die Spa—
nijche Sprache haben einige Zeit bey die Höfe und in großen
Städten den Vorzug gehabt, wozu die Poeten und Geſchicht—
fchreiber bejonder® aber die Italiäner als ein Ariost, ein Tasse,
ein Dante, ein Guichardin, ein Machiavel u. a. mehr am meiften
dazu beygetragen. Als aber das jogenannte Siecle de Louis XIV,
wo die franzoſiſche Sprache ——— von großen Autoren ges
fchrieben wurde, und die Madıt diefer großen Monarchie, alle
große und Heine Prinzen bewog, in Verbindung mit oder wieber
diefem Neiche zu jtebn; jo wurde die Sprache allgemein: der-
eitallt dab bis auf heutigem Zoge man jelbige jprecdhen oder
chreiben fann, in und nadı allen Europäifchen Landen. Durch
diefe angenommene Sprache entiteht eine Gemeinichaft fomohl |
unter ®elehrte als Künſtler, wie aud unter PBerionen welche
gegenfeitig ihre Gedanken durch einen Briefwechjel ſich mittheilen
wollen. Es jollte alfo nadı meinem Erachten, jeder vernümpftige
Menſch vor ein Süd ſchätzen, daß es eine Sprache gibt, die
allgemein geworden; die nicht allein an einer Nation gehört, ſon—
dern jedermann in taufend Gelegenheiten nothwendig und vor-
theilhaft fein fann. Faſt an allen Höfen werden die Unterhand—
lungen in jranzöfiicher Sprache betrieben: an allen Höfen iſt es
diejenige wodurd ein Fremder ſich geigen und unterrichten fann.
Wie unrecht würde das Land handeln welches dieje Sprache ver-
nachlähigte! Es würde jeine Gedanken in einem engern Umlauf
eingejchloßen fehn, ſchwerer mit neuern erfriichet werden die aus
fremden
Wihenicaften dienen. Biele glauben die Liebe zur Mutteriprache
jey ein Patriotismus, allein wenn man es recht betrachtet, fo iſt
es eher ein Egoismus. Ein guter Patriot fuchet nur richtige Ge—
danten und Begriffe ans Licht zu ſehen, fie deutlich und bündig
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen{Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 3.
Ländern berfommen und jtets zur Aufmunterung der |
|
38
abzufahen und feinen Nebenmenſchen zu nupen. Wird der Zweck
erreicht, jo it die Sprache gleich, welche dazu dienet. ch weiß,
daß man noc vieles über die Harmonie und über die Mühe,
welche eine nation vor der andern ſich gegeben um ihre Sprache
zu verbehern, anführen fönnte: da aber diefed auf den Geſchmack
und auf grammaticaliihe Disputen antümmt, fo laße Ich diejes
dabingejtellt. Schlüßlich muß ich nochmals geitehn, dab id
glaube, daß wenn man nunmehr die franzöfiiche Sprache gänzlich
an die Seite ſetzen wollte, man fich dadurch mehr verfinitern als
aufffären würde. Ich wünſche daß es viele Teutjche geben mag,
die ihre Sprache jo vorzüglich als Diejelben fchreiben und Ich
werde mir ſtets ein Vergnügen machen, Ihnen zu zeigen wie
jehr ich bin
Des wohlgebohrnen HErm Canonicus Gleim!
Rheinsberg d. 18t:Upril 1788. Wohlaffectionirter
Heinrid).
An den Canonicus ®leim zu Halberstadt.«
Hierauf antwortet nun Gleim in folgenden Worten:
» Halberstadt, den ten Juny 1789.
Em. Königl. Hoheit führen die franzöfiiche Feder fo aut wie
den deutſchen Degen, wer fan mit Höchfidenjelben in Streit ſich
einlaßen ? * ich, die franzöſiſche Sprache wäre die Sprache
nur der Höfe, der Geſandten und derer die an Höfen und bey
Geſandten ihr Glück zu machen Urſach hätten; die Höfe, die Ge—
fandten und diejenigen, die bey Gejandten ihr Glück zu machen
Urſach hätten, wären bey weiten ‘der Heinere Theil einer Völler—
ichaft, der gröhere bleibe zu Haufe, baue das Land, treibe Ge—
werbe; jagt ich ferner, die deutſche Sprache Hätte ſehr große
Borzüge vor den meilten europfiichen Sprachen; fie hätte Silbens
acc und alle Vortheile dejelben, wie die griechiſche Sprache,
Verje mit Silbenmaah wären Gefang; hätte der Einzige die
Deutſche Sprache jo gut wie die frangöfiiche verftanden, geliebt
nur jo mie feine Franzoſen, und in ihr geichrieben, jo hätt er
feine fieben Feinde viel leichter geichlagen, wir hätten Werke feines
Geiſtes vortreflicher, als die wir haben, weil des Menſchen Geiſt
in feiner Sprache liegt, und die umfrige die jeinige war; bie
Beiiter feines Volls hätt er erhoben zu dem feinigen, wir wären
in Europa, das läht ſich beweijen, das größte Voll gewiß ges
worden!
Sagt ich alles diefes, Ew. Königl. Hoheit fünnten alles mir
zugeben, und doch die franzöfiiche Sprache beſchützen! Zur Sprache
des Baterlandes läht ein fünfzigjähriger Abtrünniger fich nicht bes
fehren! Unſere guten deutſchen Philoſophen und Dichter dürfen
nun Schon auf uniere Fürſten ſich wicht verlafen. Meiner Mei—
nung mac iſts gut! Das Verlafen auf ſich felbit iſt doch das
Beite. Man ift, was man iſt, und darf nicht heucheln.
Em. Königl. Hoheit halten dieje Offenherzigteit einem ehrlichen
Deutichen zu Onaden; Er fegt mit derielben dem Bruder des
Einzigen id) zu Füßen, glaubt daß deutfche Medlichkeit was
beferes als franzöfiiche Höflichkeit ift, und jtirbt, in dieſem
Glauben, als
Em. Königl. Hoheit
unterthänigfter Diener
der alte Gleim.«
Der berzerquidende Freimut, das mannhafte Eintreten für
die gelichte Mutterfprache, die viel tiefere Auffafjung ihrer Be:
deutung für das Geiſtesleben des Volfes wie des einzelmen auch
größten Mannes kann gar nicht genug gerühmt werden, und jeder
gute Deutſche wird mit Freude von diefer That det wackeren
vaterländijchen Dichters vernehmen. Mber von dem Standpunfte
unjeres Vereins ift die Sprace des Briefes fchliehlich auch des-
halb beachtenswert, weil fie fich zu einer Zeit üppigiter Blüte der
Ausländerei von jedem entbehrlichen Fremdworte freihält. Und
jo fünnen wir Gleim feiern nicht nur ald den Mann, der in
treuer vaterländiiher Gefinnung der deutihen Sprache ſchlecht-
bin zum Siege über die franzöfiiche zu verhelfen bemüht war,
fondern auch als einen Schriftiteller, der durch jein Beiſpiel zu
ben Borläufern unjerer Bejtrebungen gezählt werden darf.
Berlin. Sriedrih Wappenhans,
39
Auch ein Vorläufer des allgemeinen deuticen Sprach ·
vereins.
Zum ſiebzigſten, leider letzten Geburtstage Rudolf Hildebrands,
des auch dem deutſchen Sprachvereine unvergeßlichen Meiſters, ſind
zwei Feſtſchriften erſchienen, von denen bie eine*) O. Lyon heraus:
gegeben Hat. Sie ſchließt fih am deffen befannte »Beitjchrift
für den deutſchen Unterriht« an und hat mit diefer aus⸗
drücklich als letztes Ziel das gemein, worauf auch das Streben des
allgemeinen deutihen Sprachvereins hinausfäuft: nämlich, mit
unferen Sapungen zu reden, die Kräftigung nationalen Bewußt⸗
ſeins im deutſchen Volle. Der Herausgeber ſelbſt richtet am Schluß
bes Bandes einen beherzigenswerten Mahnruf an Univerfität
und Schule, fi in diefem Streben zu vereinen. Daher berührt
von ben einumdzwanzig Arbeiten, die vorhergehen, manches auch
unfere Kreiſe, jo der ſchöne und ergreifende Aufſatz Julius Sahrs
(S. 310— 354), der den unglüdlien G. U. Bürger als Lehrer
ber deutichen Sprache darftellt.
Aber geradezu als einen Vorläufer der Sadje des allgemeinen
beutichen Spradjvereind macht uns die ausführlichite diefer Ab⸗
Handlungen (S. 208 — 297) einen Mann befannt — wir erichreden
faft bei feinem Namen —, der nad; übertriebenjier Verehrung
ebenjo mahlofe Mißachtung nod) bei Lebzeiten und lange danady
genofien hat, — den berüchtigten Leipziger Sprachmeifter Bott:
ihed. Des jungen Goethe grauſame Schilderung jteigt vor ung
auf. Aber E. Wolff hat ihm bie Gerechtigleit widerfahren laſſen,
das Werk feines Lebens ftatt einfeitig litteraturgeichichtlich oder
philoſophiſch, vielmehr ſprachgeſchichtlich zu betradjten. Und von
dieſem Gefichtspunfte aus, nicht als Dichter, nicht als Philoſoph,
fondern in feiner Bedeutung für die Geſchichte der deutſchen
Sprache aufgeſaßt, tritt der Mihachtete in ein überrafdyend
günftiges Licht, fo daß wir uns feiner durchaus nicht zu fchämen
brauchen. Denn Gottſched hat unferer Mutterfpradje gegen das
Latein im Gelehrtenkreiſe Verbreitung und Geltung verichafit
und zwar aus dem Bewuhtfein heraus, daß man Gelchriamkeit und
Wiſſenſchaft nicht durch Übung in fremder Zunge zum Geheimnis
machen und die Umftudierten, das jei den gröhten und edelften
Teil eines Volfes, faft zur »Umifjenheit der Bejtien herunter-
ftohen« dürfe.
Nicht nur feiner fpäteren Frau widerftand er, die von ihrem
Lehrmeifter gelernt hatte, daß nichts gemeiner fei, als deutiche
Briefe zu ſchreiben, dafs alle wohlgefitteten Leute franzöſiſch
ſchrieben, fondern verhehlte auch vornchmen Freunden feine Un:
äufriedenheit darüber nicht, daß unfere Fürften klaum ihre Mutter
ſprache verftänden umd in ihrer deutichen Vorliebe für alle Aus—
ländifche ſich nicht fchämten — es gebt gegen Friedrich den
Großen — Affen ihrer weftlichen Nachbarn zu fein, deren Eitel-
feit bloß durch die übermäßige Geduld und Nachſicht der Deutichen
fo hoch gejtiegen jei. Und troß folder Schärfe ward ihm der
Erfolg, jogar geborenen Franzoſen Achtung vor unſerer Mutter—⸗
ſprache einzuflößen.
Er eiferte gegen die Lächerlichleit,
Wörter vorhanden ſeien, fi fremder zur
voll nichts dagegen, gewiſſen bequemen
recht zu verftatten, beſonders wenn
Endungen oder
wo im Deutjchen gute
bedienen; hat aber ma}:
man ihnen durch deutiche
deutſche Schreibung wenigjtens heimiſches An-
jehen geben wolle. Und diefe Vemühungen find von wärmijter |
Liebe für feine Mutteriprache getragen.
+) Feitichrift zum Nebpigften Geburtstage Rudolf Hildebrande.
Mit einem Bildnifje Hildebrands, Leipzig bei Teubner. 1894,
3615. 8% 4M.
Fremdlingen das Bürger: |
Zeitfhrift des allgemeinen beutfhen Epradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 3,
40
Doch nicht nur das. Begünſtigt ſchon durch feine oftpreuktihe
Herkunft, weil die Mundart feiner Heimat infolge der Miſchung
ihrer eingewanderten Bevölferung an flart ausgeprägten Belonder:
heiten nicht reich ift, wurde er in die Stadt Leipzig verfeßt, wo
im zufammenfliehenden Verkehre von allerlei Landsleuten land:
Ichaftliche Abweichungen fich abichleifen und das Gemeinfame Heraus:
bilden mußte. Bor willfürlichem Burüdgreifen auf einen veralteten
Spradzuftand bewahrte ihn die wenn auch bejchränfte Einſich
des Rechts einer lebendigen Sprache. Und fo dazu befähigt, Hat
er ſich raſtlos beſtrebt, durch leidenſchaftliche Verfolgung aller
mundartlichen Eigenheiten, auch der oberſächſiſchen, des ⸗Rot⸗
welſchen der Kanzliſten ⸗ mit ihrem »fintemal und alldieweil«, der
franzöfifchen Redensarten der Hofleute, des lateiniſchen und grie:
chiſchen Sapbaues der Gelehrten umd Schulmeifter zur Reinbeit
einer allgemeinen Schriftfprade hindurchzudringen und ihre
Herrſchaft in Mittels und Niederbeutichland, am Rhein, in der
Balz, in Öftreih, ja fogar in der Schweiz durchzufepen. Und,
was die Hauptfache ift, fein Eifer war nicht nur groß, ſondem
hatte auch den weiteften Erfolg. Darum — in diefer Richtung —
troß feiner dichteriihen Nichtigkeit, troß feinen vielen perjönlichen
Schwächen alle Achtung dem Manne, der es für underantiwort:
lich hielt, in einer fremden Sprache beifer, als in der eigenen zu
fhreiben! Ex hat den fpäteren großen deutichen Geiſteshelden,
deren Vorläufer er jo arg verfannte, weil er fie bloß ala Sprach
meifter betrachtete, doc Waffen und Werkzeug bereitet! Geinem
geihidten und gelehrten Anwalt aber muß die Geſchichte der
deutichen Sprache dankbar fein.
Berlin. D. Streider.
Eine deutibe Glüdwunictafel.
In den erjten Tagen des vorjährigen Dezembers brachten die
Tagesblätter folgende Nachricht:
» Einen alten afademifhen Zopf bat der Senat der Univerfität
Straßburg befeitigt, indem er dem Direktor der dortigen Univerfitäts-
und Landesbibliothek, Profefior Barad, zur Einweihung des Neu:
baues eine Tabula gratulatoria in deutfcher Sprade
widmete umd fo den Beweis lieferte, daß bei gutem Willen und
entſprechendem Geſchick auch für diefe alte Form akademiſcher
Ehrung ſich unfere Mutterfpradhe recht wohl verwenden läht.
Der Wortlaut der Gratulationstafel ift folgender:
Dem PDireltor der Strahburger Univerfität3- umd Landet-
bibliothef, Herm Profeſſor Dr. Karl Auguft Barack, widmen
mit freundlicher Erinnerung an den Tag, ba er vor fünfund:
zwanzig Jahren das deutfche Volk und die ganze gebildete Welt
aufrief, für Neufhaffung einer Bücerfammlung an der ehr:
würdigen, von dem Sturm des Srieges heimgefuchten Kultur:
fätte den Grund zu legen, in dankbarer Anerkennung der
unermüdlichen Fürforge, der ordnenden Geftaltung (?), der hod-
finnigen iberafität (?), womit (?) er die reichlich zufammen-
itrömenden Schäge verwaltete und nicht nur für die wiſſen⸗
ſchaftliche Arbeit der jungen Hochſchule, fondern aud für dad
Geiſtesleben im weiten Umbkreiſe fruchtbar machte, zur herzlichen
Begrüßung bei feinem Einzuge in das neue würdige Heim, in
welchem die Bibliothek immerdar fortfahren möge, ein Stol;
unjerer Univerfität, ein Segen für unfer Land, eine Hodbun
deuticher Wifjenfchaft zu fein, die aufrihtigiten Glüd-
wünsche Rektor und Senat der Kaifer Wilhelms - Univerfität.«
Gewiß fit es mit Freuden zu begrüßen, daf die deutjche Spradie
auch auf diefem Gebiete zu Ehren kommen joll. Aber offen ge
jtanden — fit das wirklich Deutih? Das Zeitwort »wibmen« it
von dem, was gewidmet werden ſoll, und von ben Rerfonen,
nu
41 Zeitſchrift des allgemeinen dbeutihen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 3. 42
bie widmen, fo weit entfernt, da es bei der Fülle von Mittel-
gliedern, die fich dazwiſchen drängen, längjt vergeffen ift, wenn
man fich endlich bis zu den herzlichen Glückwünſchen des Rektors
und Senats bindurdhgearbeitet hat. Zwiſchen Sapausjage und
Sapgegenftand ftehen nicht weniger als 110 Worte. Etwas
anderes ift es im Lateiniichen, wo das Zeitwort zumeijt am Ende
des Cafes fteht. Da ift das feierliche congratulantur ummittels
bar vor der Unterfchrift ganz am Plage. Aber im Deutichen geht
dies nicht. Da in unferer Sprache das Zeitwort glei nad den
erjten Sapteilen folgen muß, jo dürfen wir nicht jo lange Satz—
gefüge bauen. Man hätte ſich entichliehen ſollen dasjelbe zu thun,
was bei den Überfegungen aus dem Lateiniihen und Griechiſchen
fo oft gemacht werden muß, den Riejenjag in eine Anzahl Heinerer
Sätze aufzulöfen. Alſo etiwa: »Der Direktor der Strahburger ...
Bibliothet, Here Prof. . . . Barad, hat vor 25 Jahren das deutfche
Volt... aufgerufen . . . den Grund zu legen. Seit diefer Zeit hat
er... verwaltet und... fruchtbar gemacht. Boll danfbarer Ans
ertennung dafür widmen ihm bei feinem Einzuge ... die aufs
richtigſten Glückwünſche Rektor und Senat.«
Glaubt man aber nad Art der lateinischen Glüdwunichtafel,
um größere Feierlichkeit zu erzielen, einen einzigen Saß beibehalten
zu follen, fo wird mar fich entfliehen müflen, den Sak zu
fürzen. Dies jcheint mir auch zum Wejen der deutjhen Sprache
befjer zu ſtimmen. In der vornehmen altrömiſchen Geſellſchaft
gehörte es zum feinen Tone, möglichjt viele ſchmückende Beiwörter
zu verwenden. Der Deutſche ift nicht jo übertrieben höflich; eine
fnappere Faſſung entipricht nad; unferem Gejchmade befier der
feierlichen Medeweife, wie fie hier verlangt wird. Wendungen
wie »ordniende Geſtaltung«, »hochſinnige Liberalitäte klingen eher
lateinisch als deutih. Dann fünnte die Glückwunſchtafel vielleicht
fo lauten: » Dem Direktor der... . Bibliothek, Herrn ... Barad,
der vor 25 Jahren... . aufrief und feit diefer Beit.. . verwaltete
und... fruchtbar machte, widmen bei feinem Einzug... voll danl-
barer Anerlennung feiner Berdienfte die aufrichtigiten Glückwünſche
Neftor und Senat.«
Wenn ich an der Faſſung der Straßburger deutichen Glück—
wunfchtafel Anſtoß genommen habe, fo gejchjieht dies nicht — das
kann ich verſichern — aus jchulmeifterlicher Luft am Tadeln und
Mäteln, fondern um auch an dieſem Beijpiele zu zeigen, dab man
fich bei der Übertragung aus fremden Sprachen nicht allzu eng
an die fremde Vorlage anfcliegen darf, daf man immer ber
Eigenart der Mutterſprache Rechnung tragen muß. An ſich iſt
der Vorgang der Strahburger Hochſchule mit aufrichtiger Freude
zu begrüßen: möge er recht vielfache Nachfolge finden!
Dresden. Hermann Dunger.
Verdeutſchung der Fremdwörter in Sakungen.
Der Einfluß des allg. deutjchen Sprachvereins auf öffentliche
Kundgebungen macht ſich immer mehr geltend. Bei der ſäch—
fifhen Renten-Berfiherungs-Anftalt zu Dresden wurde
im Sabre 1895 eine Umarbeitung der Anftaltsgefege nötig. Die
Vorsteher der Anjtalt, von denen drei unſerm Spradjvereine ans
gehören, find bei diefer Arbeit ganz im Sinne unſres Vereins
zu Werke gegangen ſowohl in Bezug auf Spradhreinheit als auf
Klarheit und Kürze des Ausdruds. Die erjten »Statuten« der
Anftalt von 1842 waren bereit3 1877 bei einer Meubearbeitung
von den meiften Fremdwörtern gereinigt worden. Die neuejten
» Saßungen« von 1896 aber haben gründlich aufgeräumt, nicht
allein mit den 1577 noch) übrig gebliebenen Fremdwörtern, fon-
dern aud) mit dem ſchwülſtigen Kanzleiftile, der die »Statuten«
von 1377 jo jchwerverftändlid; machte. Die 64 Drudjeiten mit
145 Paragraphen von 1842 und die 68 Drudfeiten mit 88 Bara-
graphen von 1877 find 1896 auf 32 PDrudjeiten mit 82 Paras
graphen zufammengejchmolzen. 1842 war nody zu leſen von:
» Individuene, » Mitgliederfategorien«, »qualificirten« Mitgliedern,
storrejpondirenden«e Ausihugmitgliedern, bei den »@eneralvers
fammlungen« gab es »Birilftimmene, »abjolute« und »relative«
Mehrheit, im »Skrutinium« »Wahlnotififationen«, »Avertifies
ment®«, »deponirte Effelten«, die unter den » Cours « herabgefunfen
waren, mußten »arrofirt« (verhältnismäßig erhöht) werden; es
wurde ausgeliehen auf »Hypothelen⸗, wobei »julzefive Amorti⸗—
fationen« und » Annwitäten« (Sapitaltilgung mit Nahresabzahlung)
zugelaflen waren, Mitglieder wurden »einrangirt«, es gab einen
» Gentrafausjchuß «, im » Bureau « wurde auf »prompte Erpedierung s,
bejonderd der »Mefolutionen« des » Direftoriums« gefehen, es
famen in den Anftalt3->Operationen« auch »ertraordinäre Erpe-
ditionen« vor, die Beamten beforgten die »Storrefpondenze, machten
»Ertrafte« aus den Büchern, führten ⸗Spezial-Conti«, ftellten
»fpezielle Kalftulationen« an, konnten fich gegenjeitig »vifariren«,
hatten Dienst» Inftruftionene, bejtellten -Kaution«, jtanden im
» Subordinatione unter dem »Direftorium« und bezogen » Salare«
für ihre »unktione. Bei »Difierenzen« fonnte auf Sciedäge-
ric)te »provozirte werden,. da gab cd >» Präflufivfrijten«, ⸗ſum⸗
mariſches⸗ Verfahren, Beweid- » Themata« und »=Artifel«, » Pro:
duftionstermine«, »Wublitation« und »PBurififation« des Gerichts⸗
beſcheids. A diefes Kauderwelich, ſowie die Fremdwörter: Credit,
Repartition, Normalzinsfuh, Proportion, Diepofition, eriftiren,
Subſtanz, aftive Kapitale, partieipieren, Coupons, Attejte, Num-
merfignatur, Dolumente, Neflamation, datieren, Mobdififation,
fompetent, repräfentieren, definitiv, fonftituleren, vefignieren, veftis
tuieren, Mequifition, legal, Distributionsmaßjtab, Konkurrenz,
Schema, Formular, Juſtiſikation (Richtigiprechen) der Rechnung,
Nusftellung des Liberationgjcheins (Entlaitung) und nocd einige
andere waren jchon in den »Statutene von 1877 audgemerzt
worden. Was dann noch übrig geblieben war, ift in den neuen
»Sapumgen« von 1806 vollends verſchwunden (bis auf die beiden
Amtöbenennungen: Direktor und Kontrolleur). Das » Direktorium «
heißt jetzt: Vorſtand, der »Interimsichein«: Zwiſchenſchein, der
»Nefervefondse: Nüdlagelafje, das »inferirte« Kapital: eingebrad)-
tes Kapital, der »Leibrentenfonds«: Leibrentenfajje, der »Leib:
rententarife: Leibrentenfäe, der » Regierungstommifjare: Negie-
rungsvertreter, das » Duplifate: zweite Musfertigung, das » Proto=
tolle; die Niederichrift, die »Legitimation«: der Ausweis für die
Mitglieder.*)
Recht jo; immer vorwärts! Wer folgt nad)?
Dresden. 9.
*) Um den Lejern ein Bild davon zu geben, wie die Fremd—
ausdrücke erſetzt oder vermieden wurden, teile ich auf Wunſch der
Schriftleitung die folgende Lifte mit:
Individuen — Mitglieder; Mitgliederfategorien — Alters:
Kajlen; qualificierte Mitglieder — ſtimmberechtigte M.; lorreſpon—
dierende Nusichufmitglieder giebt es nicht mehr; Generalverfamm-
fungen — Wahlverjammlungen; Virilſtimme — eine Stimme;
abjolute Mehrheit — mehr ald die Hälfte der abgegebenen
Stimmen; relative Mehrheit — die meiften Stimmen; Skru—
tinium — Wahlgang; Wahlnotififationen — Benachrichtigungen
von der Wahl; Wvertiffement — Nnfündigung; deponierte
Effeften — hinterlegte Wertpapiere; Ausleihen auf Hypotheken
— Beleihen von Grundſtücken; einrangieren — zuteilen; Gens
tralausſchuß giebt es nicht mehr; Bureau — Beicäftsitelle;
prompte Erpedierung — ſchleunige Erledigung; Refolutionen
des Direftoriums — Anordnungen des Vorftandes; Anjtalts=
Operationen = Anftaltsgeichäfte; egtraordinäre Expeditionen — bes
43
Zeitfhrift ded allgemeinen beutfden Epradvereine, XI. Jabraang. 1896. Nr. 3.
44
Wilhelm Beinrih Riehl für den deutſchen Unterricht.
In den weiteren Kreifen des Volles haben die Beitrebungen
des allgemeinen beutjchen Spradjvereins Berjtändnis und Teils
nahme ohne Zweifel zumeift dem Umjtande zu verdanten, dafı
infolge der großen politifchen und friegerifchen Erfolge unferes
Baterlandes vor 25 Jahren fi unfere nationale Selbſtachtung
aus langer Verſchüchterung und Gedrücktheit wieder aufzurichten
beginnt. Es äußert fi) ein gejunder, natürlicher Stolz, der ſeit⸗
bem dem fiegreihen Bolfe verbietet, von fremder Zunge zu ents
leihen, was es im eigenen Schae felbft befigt. Und bei manchen
mag auch der thätige Anteil an dem Sprachvereine darauf bes
ichränft bfeiben, in folder löblicher Gefinnung mehr oder minder
die Neinigung der deutfchen Sprache, wie unfere Sapungen es
ausſprechen, von unnötigen fremden Bejtandteilen fördern zu helfen.
Aber das ift nicht genug. Der Spradwerein würde faum ein
Jahrzehnt überdauert, geſchweige denn während dieſer Zeit man-
hen Widerſtand jo fiegreic, überwunden und einen fo erfreulichen
Auffhwung gewonnen haben, hätte er ſich, wie ihm zuweilen aus
Übereifung oder Übelwollen vorgeworfen worden ift, mit einer
oberflächlichen, öden, wenn auch noch jo eifrigen und guigemeinten
Fremdwörterhatz zufrieden gegeben. Aber indem er die Sprach—
reinigung nur als eine Bejonderheit in und neben der liebevollen
Pflege des Geiftes und Weſens unjerer Mutterſprache überhaupt
auffaht und alle jeine Arbeit ausdrüdlid) auf das höhere Ziel
richtet, das nationale Bewußtſein im deutichen Volfe zu vertiefen
und zu kräftigen, ſtellt er ſich mit feiner Thätigleit bewußt in
den Dienft der Bejtrebungen, die die Gegenwart unſeres Volles
fennzeichnen und je länger je mehr beherrfchen: unſer deutjches
Weſen in Kunjt, in gewijjem Sinne in der Wiſſenſchaft, bejon-
derö aber im Leben von Grund aus zu erneuern.
Vornehm jchritten unſere großen Dichter vor Hundert Jahren
über unfer heimifches Boltstum weg — nadı Hellas und Rom,
und der Blid ihrer weltbürgerlichen Beitgenofjen haftete nicht am
engen Heimatboden. Aber in den Stürmen am Anfange unjeres
Sahrhunderts bereitete fich langſam eine Wandlung. Zuerſt mehr
äußerlich bei den Romantifern, drang fie danad) tief und tiefer
ein und juchte deutjches Wejen in feiner Eigenart zumächjt zu
erforfhen und zu verjtehen. Und einer der liebenswürdigſten und
fondere Gejchäfte; Korreſpondenz — Briefwedhjel; Extralte = Aus—
züge; Spezial: Konto — befondere Rechnung; Kaltulationen — Be-
redinungen; ſich gegenfeitig vifarieren — vertreten; Jnjtruftion
== Dienflanweifung; Kaution — Gidjerheit; in Subordination
unter dem Direktorium — der Vorſtand hut Geſchäftsanweiſung
zu erteilen; Salare = Gehalte; Funktion — Amt; Differenzen
— Streiligkeiten; provozieren auf Schiedögerichte iſt erjept durch
die Wendung: Streitigkeiten follen durch Schiedsrichter entſchieden
werden; Bräflufivfriiten, jummariiches Verfahren, Beweis: The:
mata, = Artifel, Produftionstermine, Publikation, Burifitation find
entbehrlicd geworden durch den Sag: »Das Verfahren richtet ſich
nad) den Bejtimmungen im zehnten Buche der Eiwilprogekordnung
für das Deutiche Reichs; Kredit ijt entbehrlich geworden; Repar—
tition — Verteilung; Normalzinsfuß ijt entbehrlich geworden;
Proportion — Verhältnis; Dispofition — Verfügung; eriftieren
ein, dajein; Subjtanz — Vermögen, Betrag; aktıve Kapitale
verfügbare Beträge; partizipieren — teilnehmen; Coupons
— Bezugicheine; Attefte — Beſcheinigungen; Nummerfignatur,
Dokumente, Reklamation (Beſchwerde) jind entbehrlicd geworden;
Modifitation — Anderung; kompetent (zuftändig) Tommt wicht
mehr vor; repräfentieren — vertreten; definitiv (endgiltig) iſt vers
ſchwunden; fonjtituieren — bilden; rejignieren
rejtituieren erjtatten; Acquifition — Zuwendung; legal (giltig,
japungsmähig) iſt entbehrlich geworden; Distributionsmaßjtab
— Verteilung nad) Verhältnis; Konkurrenz, Schema (Mufter),
Formular (Bordrud) lommen nicht mehr vor,
austreten; |
verbientejten (Förderer biefer Wiſſenſchaft vom deutſchen Bolte,
Wilhelm Heinrich Riehl, konnte ſchon vor vierzig Jahren mit
frohem Vertrauen erkennen, daß das Geſchlecht jener Tage ans
der Fremde »fichtbarlih heimzufehren beginne in das Heiligtum
bes Haujese.
Heute aber unternimmt man den Verfuh, wie neulich Reben
unſeres gewaltigen Staatsmannes,*) jo da® Hauptwerk det eben
genannten Kenners und Sünder deutichen Yandes und Lebens
als Mittel zur Erziehung des fünftigen Geſchlechts in umfere
Schulen einzuführen. PR
In der befannten Sammlung von Schulausgaben des Cotta-
ſchen Verlages find nämlich drei Bändchen erichienen: W. H. Riehls
»Land und Leute, »Die bürgerlihe Gejellichaft« und
»Die Familie«, die alfo den drei Bänden der »Naturgejchicdte
des Volkes« entipredhen. Bon Dr. Th. Matthias, dem Ber:
fafjer des Buches »Spracdleben und Spradichäden«, beiorgt,
geben fie eine verftändige, knappe Auswahl und fördern des
Berftändnis des Ganzen durch vorausgeſchickie Überfichten des Ju—
halts in zujammenhängender Daritellung, im einzelnen durch eine
Fülle fehr verjchiedenartiger, aber auch reichhaltiger Anmerkungen.
Im Lichte des oben genommenen Gedanfenganges iſt dieſes
Unternehmen wieder ein bedeutjames Anzeichen für dem gefunden
Fortgang der auch dem Spradwereine zu Grunde liegenden Be-
twegung und daher mit Freuden zu begrüßen. Als im Vergleich
damit nebenſächlich jei hinzugefügt, daß dabei aud eine Anzahl
feither entbehrlich gewordener Fremdwörter entfernt worden find,
namentlich in den beiden leßten Bändchen, nachdem der ehrwürdige
Verfaſſer feine Einwilligung dazu nicht verjagt Hatte.
Man könnte mit dem Herausgeber bejonders inbezug auf de
Anmerkungen bei allgemeiner Zuftimmung ſelbſwerſtändlich über
mancherlei in Erörterung eintreten, würde z. B. für die Benutzung
auf höheren Schulen einzelnes für wohl entbehrlich halten. Aber
Matthias hat, wie er bervorhebt, nit bio Gymmafien im
Sinne, jondern die oberjten Stufen aller Schularten, die über
den gewöhnlichen Volks- und Fortbildungsunterricht hinaus liegen.
Andererjeitö wird die Sprache der allgemeinen Ginleitung, bie
einen Lebensabriß Richls enthält, wie die der Inhaltsuberſichten
nicht jelten auch für Gymnafialprimaner zu hoch erjcheinen. Aber
andern Leuten, die allen Schulbänten entwachien find und det
etwa einen Wegweijer zu W. H. Riehl gebrauchen könnten, wir
das wieder gerade recht fein. Ähnlich ſteht's mit dem Verzeich
nifje der Novellen Riehls, die der Herautgeber an den Schluf
feiner Einleitung zum dritten Bändchen gefept hat. Denn fitt
liche Grundgedanken und kulturgeſchichtlicher Hintergrund einer
jeden, die ein Lehrer den Schüler wohl lieber ſelbſt fuchen und
entdecken laſſen möchte, reizen, von Matthiad wohlgeordnet aui-
gereiht, vielleicht auch den und jenen außerhalb der Schule, nadı
‚ den Novellen jelbjt zu greifen, die Riehl für das Bleibendite
jeiner Werte zu halten gewillt ijt. Und mit jolder Wirkung über
den Bereich aller Schulen hinaus wäre wohl aud) der Heraus
geber herzlich einverjtanden.
Möge es ihm gelmgen, recht vielen den Weg zu Wilhelm
Heinrich Riehl zu weiſen!
Berlin.
Oslar Streider.
*) Bismarcks Neden und Briefe für Schule und Haus
Herausgegeben und bearbeitet von Dr. Otte Lyon. Leipzig, ISW.
Teubner.
45
Wo feblt’s noch? *)
Obwohl die Erkenntnis, daß dad Wirken des allg. dbeutichen
Spradjvereins ſowohl notwendig wie gut fei, zweifellos gewaltige
Fortfchritte gemacht hat, fo ftöht der Freund der Sache doch noch
jo oft auf gänzlich ober teilweife faljche Anſchauungen über die
Ziele und das Weſen des Vereins (auch bei den gebildetften
Leuten), dab eine bejfere Aufklärung darüber burd die
Preffe wirklich jchr zu wünfchen wäre. Da meint der eine, daß
wir es und zur Mufgabe gemacht hätten, auf alle Fremdwörter
unterſchledelos, gleihfam fportmähig Jagd zu maden. Ein ande:
ver bleibt aus Scheu vor dem Neuen und in der Beiorgnis,
beim Berdeutichen Ungefichidlichfeiten begehen zu fünnen, lieber
beim alten Schlendrian, der ihm jedes Kopfzerbrechen eripart,
Ein dritter endlich billigt wohl unjere Bejtrebungen, meint aber,
daß dazu ein befonderer Verein nicht nötig ſei, und murmelt
gar wohl eiwas von »Bereinsmeierei« in den Bart. . Wenn
ferner ein Schriftfteller wie Ernſt Edjtein ſogar noch vor zwei
Jahren in feiner Schrift »Verftehen wir Deutich?« die thörichte
Behauptung aufitellen fonnte, daß »in verſchiedenen deutichen
Städten der nationale Spracdfampf von Zuderbädern geleitet«
werde, jo geht aus dem allen hervor, daß troß des 10 jährigen
Beitehens unferes Spradivereins noch fehr, Sehr viele des nötigen
Berftändniffes für unfere Sache entbehren oder gar in ihrer Un—
fenntnis feines Welens darüber ſpolten. Da liegt denn die Frage
nahe, wie dem abzuheljen jei.
Als wirktiames Mittel empfiehlt ih außer Berichten über die
Verſammlungen die Beröffentlihung anziehend gejchriebes
ner Nuffäße in den befieren Tagesblättern, und zwar mühte in
diefer Richtung jeber einzelne Zweigverein an feinem Teil aufs
Härend vorgehen. Schreiber diefes hat dabei die Schriftleitungen
der an feinem Wohnort ericheinenden Hauptzeitungen durchaus
entgegentommend gefunden umd die Herausgeber ſelbſt auch zu
Mitgliedern gewonnen. — Unfere monatlich erfcheinende Zeitſchrift
fowie die fonftigen vom Vereine herausgegebenen Druckſachen ge:
langen im wejentlichen nur in die Hände der ſchon gewonnenen
Mitglieder, alſo einer verhältnismäßig Meinen Zahl von Lejern.
Überdies ift zu berüctfichtigen, daß heutzutage vielbejchäftigte Leute
oft gar nicht die Zeit finden, alles, was an Drudjhriften ins
Haus geichneit fommt, durchzuleſen oder aud nur anzuſehen.
Dagegen hält umd lieſt doch jeder, auch der allerbeichäftigtite,
wenigften® eine, feiner politiichen Richtung entiprechende, Tages:
zeitung und wird aud) wohl einem anvegend geſchriebenen, vor
allem aber nicht zu langen Auſſatze über unjere Beitrebungen
Beachtung ſchenlen, wenn er ihm dort begegnet.
In derartigen Nufjäpen mühte u. a. namentlich durch Vor—
führung von Beiſpielen aus dem täglichen Leben, wie ſie z. B.
in dem vorzüglichen Vorworte zu Sarrazins befanntem Fremd—
wörterbuche zu finden find, gezeigt werden, wie ungemein groß
der Reichtum der deutſchen Sprache ift, und daß die größere Klar—
heit umd Schönheit ſich jtets auf feiten der deutichen Ausdrucks—
weife findet. Andererſeits dürfte auch betont werden, dab bie
Spradreinigung vor den Eigennamen, Titeln, vielen Ausdrüden
der Technit und der Wiſſenſchaft Halt macht, und daß auch ſonſt
neben den beutjc gewordenen Lehnwörtern dieſer oder jener
) Es iſt ja im diefer Beitichrift ſchon mehrfach darauf bins
geiwiejen worden, wie notwendig eine immer wiederholte Auf:
Hlärung über die Ziele des Sprachvereins in der Preſſe it, doc
geben wir den obigen Ausführungen gerne Raum, weil gerade
dieje Art der Thätigfeit, namentlich bei den Aweigvereinen, gar
nicht fräftig genug gefördert werden und eine erneute Anregung
nur nüplic wirken kann. Die Scriftleitung.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 18%. Nr. 3.
Eee — — — — — — — — — — — — —— — ———
46
ſchwierigere Ausdruck fremden Urſprungs vorläufig noch bei—
zubehalten iſt.
ſturz, es muß wieder und wieder der Grundſatz hervorgehoben
werben: ⸗Kein Fremdwort für das, was deutſch gut ausgebrüdt
werben fanın.«
Düjjeldorf. C. G.
Rleine Mitteilungen.
Aus den Berhandlungen des jähfifhen Landtages ift
über zwei für unjere Sache redjt erfreuliche Vorgänge zu berichten.
In der Sihung vom 30. Januar d. J. hat die zweite Kam—
mer auf Vorſchlag des Gejepgebungsausfchufies bei $5 und $7
des Entwurfes für ein Geſetz über die ärztlichen Bezirfövereine
beichlofjen, die Wörter » Disziplinarordnung, Disziplinarverfahren,
Disziplinaritrafe und Disziplinarhofe durch die Wörter: » Ehren:
gerichtsordnung, ehrengerichtliches Berfahren, ehrengerichtliche
Strafe und Ehrengerichtshofe zu erjepen.
Ferner beſprach in bderfelben Kammer am 3. Februar d. J.
der Abgeordnete Opit bei der Erörterung über den Staatshaus-
halt, Departement (!) des Kultus, die Frage der Sprachreinigung.
Er billigte die verfuchte Meinigung der beutichen Sprade von
überflüffigen fremden Bejtandteilen, wenn fie nicht in Kleinig—
keiten ausarte, und bezeichnete eine allgemeine deutſche Recht—
ſchreibung als erjtrebenswert, ebenjo wie bejtimmte Regeln zur
Anbahnung grammatifaliiher und ſyntaltiſcher Verbeſſerungen,
wie fie z. B. Wuſtmann verfucht habe. In feiner Ermwiderung
auf die MNusführungen des Redners verwies der Staatsminifter
von Seydewit auf die Anweiſung des ſächſiſchen Regelbuches
über die Rechtſchreibung, daß Fremdwörter in den Schulen
meiitens zu vermeiden ſeien, und auf eine 1888 ergangene
Verordnung an die Direktionen der höheren Unterrichtsanftalten,
in der den Leitern und Lehrern dieſer Anftalten ans Herz gelegt
wird, durch Unterweiſung und durch eigened Beilpiel auf eine
Befeitigung der entbehrlichen und leicht erfepbaren Fremdwörter
hinzuwirlen, ohne dabei in Übertreibungen zu verfallen. Zum
Schluſſe jagt der Minifter: »Jch glaube, hieraus gebt hervor, daß
aud) das KHultusminijterium beftrebt ift, auf die Beſeitigung der
Fremdwörter hinzuwirlen. Im übrigen darf ich verfihern, daß
das KHultusminifterium auf die Pflege unferer jchönen Mutters
ſprache in den Schulen großen Wert legt und alle hierauf ges
richteten Beftrebungen zu unterftügen immer geneigt jein wird«,
— Das Königl. Bayriihe Juftizminifterium hat an
ſämtliche ihm unterſtellte Gerichte einen Erlaß gerichtet, im dem
es u. a. rügt, da die Sprache der Gerichte vielfach grammatilaliſch
und fogifch unrichtig und unklar ſei, daf fie der Gemeinverftänd:
fichteit entbehre und zu viele Fremdwörter enthalte Es
wird daher den Gerichten eine bündige, mit der Gründlichkeit
wohl zu vereinbarende Kürze empfohlen und zur Pflicht gemacht,
auf die ſprachliche Darftellung mehr Sorgfalt zu verwenden. —
Das Borgehen der bayriichen Behörde verdient von den übrigen
deutichen Juſtizminiſterlen nachgeahmt zu werden, denn daß bei
bayrifchen Gerichten allein Stil: und Sprachmängel zu bemerfen
feien, glaubt wohl fein Menſch.
— Einen geradezu empörenden Mangel an vaterländiicher Ges
finnung beweift die Poöſſenbacherſche Buhdruderei(dranz &
Mühltbaler) in München, Herzogipitalftraße 19, die es wagt,
eine Sportzeitjchrift unter dem Namen »Le Billard« erjdeinen
zu lafjen. Matürlich werden die Verleger ihre Gefinnungslofigkeit
damit zu entichuldigen juchen, dab ihr Blatt aud in Paris er
jcheine und fie aus Geichäftsrüdfichten den Titeltopf der fran-
47
3eltfäritt des allgemeinen Deutigen Gpragvereind. XI Jahrgang 1896. Mr. 3
48
zöſiſchen Ausgabe für die deutfche übernommen hätten. Es wäre
jedenfalls zwecklos, wenn wir verjuchten, Geſchäftsleuten diefer
Art ins Gewiſſen zu reden. Das müſſen die Leer jener Beit-
ſchrift thun, indem fie thatkräftig Einipruch gegen den franzöfiichen
Titel erheben, und dazu mögen diefe Zeilen fie ermahnen.
— In der Sikung des Magijtrats von Nürnberg am
14. Januar d. J. befürmwortete der Erſte Bürgermeifter Dr.
von Schuh die möglichite Vermeidung von Fremdwörtern und
in einem bejondern Falle den Erſatz des Titeld + Kontrollen «
durch ein anderes Wort, worauf die Bezeichnung »Wuffeher « ge—
wählt wurde,
— In einem mit großer Wärme verfahten Aufrufe, der von
Männern mit Namen guten nationalen Klanges aus allen Teilen
Öftreichs und des Deutſchen Reiches unterzeichnet ift, wendet
ſich ein Ausſchuß an das gefamte deutſche Voll zur Begründung
eines deutihen Studentenheims in Gilli. Belanntlich ift
vor furzem mit Hülfe der öftreihiichen Regierung in diefer
rings von Wenden umwohnten beutjchen Stadt ein jloveniiches
Gymnaſium errichtet und damit dem Deutſchtum ein fühlbarer
Schlag verjept worden. Es ift bei der Wichtigkeit, unfer Volls—
tum in Gilli zu erhalten, dringend geboten, zunächit das dortige
deutjche Gymnaſium zu fräftigen. Dies foll erreicht werden durch
Errihtung eines beutjchen Studentenheims, das armen
Schülern deutfchen Stammes billige oder unentgeltliche Unterhunft
bietet und anderweitige Unterftügung leiht. Ferner joll, falls
die Mittel reichen, ein deutſches Vereinſshaus erbaut wer-
den, das ein Sammelplag für alle Deutichen der Stadt und ihrer
Umgebung werden würde. Der Ausſchuß fordert national ges
finnte Deutſche jeder Partei auf, im reife ihrer Freunde Bei-
träge für diefen alldeutſchen Zwed zu jammeln und fie an den
Rechtsanwalt Dr. Raimund Nedermann in Graz, Her:
rengajfe Nr. 15, einzujenden. — Nus vollem Herzen unter
ftüben wir dies jchöne nationale Unternehmen und bitten die
Leer der Zeitichrift, namentlich an Bereinsabenden dafür Sam-
lungen zu veranjtalten.
— Unſer rühriger Zweigverein Kaſſel verfendet an die Be—
wohner feiner Stadt Drudichreiben, die in gewandten und zus
glei! warmen Worten den Zweck des Sprachvereins darlegen
und zum Beitritt auffordern, Solche Aufforderungen müſſen um:
ſeres Erachtens jedes Jahr wiederholt werden. Wir begrüßen
daher da8 Vorgehen der Kaſſeler mit Freuden und überjenden
den Borjtänden der übrigen weigvereine auf Wunſch geme Ab:
züge der Einladungen zur Kenntnisnahme und Nachahmung.
(Nachtrag: Ein gleihartiges Schreiben ift joeben aud) von dem
Zweigqvereine Münden erlaſſen und in 2700 Abzügen verbreitet
worden.)
— Liber Theodor Lindners Geſchichte des deutichen Volles
(2 Bände, Stuttgart 1894, 3. ©. Cottas Nachfolger) jagt Julius
Froboeſe (Sangerhaufen) in den neuen Nahrbüchern für Philo—
logie und Pädagogik (1895, Heft 11, S. 547) u. a.: »Daß ber
Veriafler mit den Fremdwörtern ſparſam umgegangen iſt, gereicht
bem Werte nur zum Vorteil. Gewagte Bilder wie ‚Endosmofe
der gegenfeitigen Eulturen‘ oder Fremdwörter wie ‚Berfatilität‘
u. dgl., die Lamprechts deutjche Geichichte, ein ſonſt fo bedeu—
tendes Werk, verungzieren, jucht man bei Yindner vergeblid,.«
Sprablibe Mufterleiltungen.
Zu der Mitteilung der ‚Lippiichen Landeszeitung‘, daß der
Bundesrath den Lippe'ſchen Antrag auf Enticheidung der dortigen
Thronfolgefrage durch das Meichögericht abgelehnt und den An—
— — — — — —— — — — —— — — — —— ——
trag Preußens, den Reichskanzler zu eriuchen, zwiſchen den jtreis |
tenden Teilen dahin zu vermitteln, daß ſich diefelben über ein
Scyiedögeridht, mit welchem auch der Lippeiche Landtag einver:
ftanden feinmühte, einigen, angenommen habe, meint die ‚Nat.- Zta.‘,
daß, wenn der Verfuch der Einigung über ein Sciedsgeridt
jcheitern follte, dann wohl nur die Entſcheidung durch Reichs:
geſetz nach Artitel 76 der Reichsverfaſſung übrig bleibe.« (Ham:
burger Nachrichten Nr. 31, 6.2.96. Beilage.)
triefenden Redewendungen ins Werk gefepten Stellenſchacher des
Mannes peinlich berührt fein.«e (Eupborion, Zeitichrift für
Literaturgeichichte III (1896) ©. 63.)
»Der »Rhein. Courier« berichtet: Wiesbaden. Wie wir
hören, bat der Kultusminiſter auf die Beichwerbe der Sirchen-
vorftände und größeren Vertretungen der drei hiefigen evan—
geliichen Gemeinden gegen den Erlaß des biefigen Conſiſtoriums,
wodurch den Geiſtlichen verboten wird, als folche im Ornate einer
religiöfen Feier am Sarge folder Perſonen, die ihre Feuer—
beitattung angeordnet haben, beizumwohnen, einen ausführlich bes
gründeten abjchlägigen Beſcheid erteilt.e (Heſſiſche Dorfzeitung
1895 Nr. 118 (1. Oftober).)
»Damit Gleichgewicht bei erhobenem Fuße jtattfindet, muß
das ftatifchhe Moment des im Hauptpunfte des Fußes angebrachten
Geſamtgewichtes des Körpers in Bezug auf die quere Are bes
erften Metatarjophalangealgelents gleich fein dem Drebungs-
moment, mit weldem die Wadenmuekulatur auf den Fuß ein-
wirkt.« (Beibl. zu d. Annal.d. Ph. u. Chem. 1805, Bo. 19,
&t.10, S. 741.) Die Erllärung iſt wiſſenſchaftlich gewiß
unanfechtbar, aber ſprachlich?
»Der zweite Entwurf deteriorirt den erften erheblich « (» Das
Scheitern der Hamburger Wohnungsreform« vom Rechtsanwalt
BertHold im Sozialpolitiien Zentralblatt 1594, III. Jahrgang
Nr. 41). »Iſt ſchlechter als« Hingt wohl nicht gelehrt genug ?
In den Beröffentlihungen des Magijtrats von Berlin wird
noch immer von Real-Sublevations-Beiträgen geiprochen.
Wäre es nicht möglich, diefes häßliche Wort zu verdeutichen?
An einer gedrudten Boftfarte Teiftet jich die Lokalgenofjen:
Ihaft Frankfurt a. M. der Allgemeinen Deutihen Kunſt—
genoſſenſchaft das ſchöne Wort die »ausjtellenwollenden
Künftler«e
Sprebiaal.
Nah dem Weifpiele des Sprachvereins Berlin, der den
Scildermalern gedrudte, mit Berdeutichungsvorichlägen veriebene
Nufiorderungsfarten zugejandt bat, hat man auch in Linz den
Schriitenmalern ein gedrudies Verzeichnis von folden richtigge-
ftellten Wörtern übermittelt, welche in Aufichriften und Anfün—
digungen befonders häufig fehlerhaft geichrieben werden.
Wie wäre es, wenn ein jolches Verzeichnis auf einem großen
Bogen gedrudt würde, um — ebenjo wie die von Dresden ent
h jehene und verbejierte Speiſe
worfene, jüngit von Staffel —
farte in Gaſſhäuſern — in jeder Werkitatt eines Firmenſchreibers
auf Pappe gezogen aufgehängt zu werben?
Es iſt begreiflich, dab die Schildererfertiger, nicht nur weil
| fie die Mühe fcheuen einen unnötigen Gang zu thun oder gar
einen Brief zu fchreiben, fondern namentlich weil fie fich ſchämen,
etwaige Unwiſſenheit offen einzugeftchen, von den Anerbietingen
der Ausfunitsansichiifie feinen Gebrauch machen in der Hofinung,
in zweiielbaiten Füllen ſelbſt das Richtige zu treffen. Aber eben
darum, weil fie vor allem beftrebt fein werden, fich feine Bloße
zu geben, it zu boffen, daß fie einen ſolchen jchriftlichen Kat-
49
gebet, twofern er ihnen nur zur Hand ift, aud) jedesmal benußen
werden.
Sollte nicht einer von den Vereinen, die auf diefem Gebiete
bereit$ Erfahrung haben, bereit fein, einen folchen Bogen her—
zuftellen, der in gleiher Weife geeignet wäre, der Verwelſchung
zu jteuern wie die Sprachrichtigkeit zu wahren?
In Preußen it den Vollsſchullehrern vorgeichrieben, als
Übungsstoff im Schönſchreiben Mufter- Rechnungen, Muiter- Duits
tungen u. dgl. m. zu benußen. Winde es ſich nicht empfehlen,
auch Mufter von Geſchäftsſchildern in gleicher Weile zu ver:
werten in der Hoffnung, daß ſolche Schönjcreibhejte ſpäter den
Schülern jelbit oder auch jofort ſchon ihren Vätern als Ratgeber
dienen ?
Die Herausgeber jolder Seite würden ohne Amweifel, fobald
ihnen ein Wint — würde, bereit ſein, ihre Sammlungen
nad dieſer Seite hin zu vervolljtändigen.
Neuruppin. M. Stier.
Allenthalben klann man jept Anzeigen oder Schilder ſehen,
durch die »Sämtliche Pfarrer Kneipp's Heilmittel«e oder »Die
vorzügliche Döring's Seife« oder auch »Die Döring's Scife« an-
gepriejen werden. Wären ſolche Verbindungen richtig, To jtände
nichts im Wege, auch au fogen: »Sämtlihe Goethes Werke«,
» Die des Sprachvereins Zeitichrifte, » Viele Bonns Bürgere u. ä.
Eher erträglich, wenn auch unſchön umd nicht zu empfehlen find
ſolche Bezeichnungen wie: »Die Profefjor Gärtnerſche Fettmilch«,
oder etwa: »Das Dr. Wuſtmannſche Buche, »Die Fürjt Bis:
marckſche Rede⸗, »Sämtlihe Piarrer Kneippſchen Heilmittel«.
Weshalb jene Sprachſehler jept jo häufig gemacht werden? Nun
wohl deshalb, weil man meint, der Name, unter dem die betr.
Ware berühmt geworden ift, müſſe unter allen Umjtänden uns
verändert bfeiben, damit nur ja feine Verwechſelung mit anderen
möglich werde; alfo dürfe es nicht heiten: >» Die vorzügliche Seife
Dörings« oder — mit dem befannten Zuſatze — »Die vorzüg:
liche Döringfche Seife mit der Enlee —, und könne es auch nicht
heißen: »Sämtliche Heilmittel des Pfarrers Kneipp« oder »S.
9. Pfarrer Aneipps« oder »Piarrer Aneipps ſ. D.«, mein —
lieber die deutiche Sprache verhungt, als fich der vermeintlichen
Gefahr ausjegen, ein weniger gutes Geſchäſt zu machen. Die
Negel, daß der vorangejtellte Genetiv ftetd als gan be-
jtimmte Kennzeichnung des dan rin Hauptwortes gilt und daher
den Artikel und andere nähere Beſtimmungen in dev Voranftellung
ausſchließt (vgl. Erdmann, Grundzüge der deutichen Syntax,
I $ 42), wird leider nicht mehr beachtet.
Bonn, Dr. J. E. Wülfing.
Wenn man auch dem Geſagten im allgemeinen beiſtimmen
darf, fo iſt doch »Die (vorzügliche) Dörings Seife« und ähnl.
nicht mit »Sämtlicde Pfarrer Kneipps Heilmittel» u. dgl. auf eine
Stufe zu ftellen; Fälle der erſteren Art find erträglich, weil hier
‚Dörings Seife‘ uſw. als Zuſammenſetzung gedacht werden fann,
was in den anderen Füllen nicht möglich iſt. Es ift in eriteren
Fügungen etwas von der Freiheit der älteren Sprache bewahrt,
die den Genetiv des artifellofen Subjt., befonders aber der Eigen-
namen, zwiichen Artifel (o. attrib. Adj.) und dazu gehöriges Haupts
wort zu ſetzen geftattete: daz (ein) mannes heil; näch richem
küneges site; die Guntheres man ufw. In den anderen Füllen
aber liegt tbatfächlicd; nur eine rohe, dem Sprachgeift widerjtrebende
Bufammentupplung vor, und es iſt nicht einzuſehen, warum die
Prof. Gärtnerſche Fettmilch erträglicher fein Tote ala Sämtliche
Pfarrer Kneipps Heilmittel, Raul Pietſch.
An umferen MNechtöurfunden ſpielt der Ausdruck »intes
grierender Beftandteil« eine nicht erfreuliche Rolle. Wie ich
mich aus äfteren Alten überzeugte, war im Anfang diefes Jahre
hundert®, wenigftens bei uns in Baden, die Bezeichnung »er=
gänzender Beftandteil« gebräuchlich, und es dürfte fich
empfehlen, diejen quten deutichen Ausdruck wieder in feine Rechte
einzufegen. Er iſt meines Erachtens jchöner und genauer als der
in Dem trefflihen Werdeutfchungsbud; »die Amtsipradie« vor-
geichlagene: »zjugehöriger oder untrennbarer Teile, und
dürfte auch deshalb den Vorzug verdienen, weil er ſchon im Ge—
brauche war und nicht erjt neu eingeführt werben muß.
Baden. H.
Zeitſqchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. XI Jahrgang. 1896. Nr. 3.
50
Deutſchen Kindern deutsche Namen!
An den meilten Gegenden Deutichlands Üben die Hebammen
(Wehmütter) einen großen Einjluh auf die Wahl der Vornamen
Neugeborner aus, namentlich in den niedern Vollsſchichten. Sollte
man diefe halb öffentlichen Perſonen nicht durd Verteilung von
Berzeihniffen deutfher Vornamen für unfere Sache ge-
winnen tünnen? Es mühten das allerdings kurze Liſten fein,
die hauptfählih nur die Namen enthalten, die noch nicht all-
zufehr unferer Kenntnis entſchwunden find. Aus den unteren
Ständen ergänzen fich fortwährend die oberen. Danadı jcheint
mir Voritehendes der Beachtung durch unfere Zweigvereine fehr
wert zu fein. Ein anderes Mittel bietet fi) in einer Anregung bei
den Herausgebern von Kalendern dar, dahingehend, daß fie
den üblichen alten Kalendernamen ein befonderes Berzeihnis
deutſcher Vornamen anfligen und in jedem Jahrgang regels
mäßig weiter abdruden. — Xeider ift ja wohl fan Husficht
dazu vorhanden, daß auch die vom Verlage des Königl. Preußiſchen
itatiitiichen Bureaus in Berlin herausgegebenen amtlichen
»Halendermaterialiene durch ein Verzeichnis deutſcher Vor—
namen ergänzt werden. Das wäre wohl das befte Mittel, diejen
Teil der Wereinsbeitrebungen zu fördern. Denn dann würden
ſicherlich alle Kalender: Berleger diejes Verzeichnis ohne weiteres
aböruden.
Torgau. KB.
Bücherſchau.
As Anhang zu den ⸗Denkmälern der älteren deutſchen Lit:
teratur für den litteraturgeichichtlichen Unterricht am höheren Lehr:
anitalten im Sinne der amtlichen Beftimmungen » herausgegeben
von Dr. Sottbold Bötticher, Oberlehrer am Lefing · Gymna ium,
und Dr. Karl Hinzel, Profefior am Grauen Kloſier zu Berlin,
it erſchienen:
Seichichte der deutschen Litteratur mit einem Ab—
riß der Geſchichte der deutihen Sprade und Metrit
bearbeitet von G. Bötticher und K. Kinzel. Halle a. S., Verlag
der Buchhandlung des Waijenhaufes. 1894. 174 ©.
Aus dieſem twaderen, auch für die weiteren Kreiſe der Ge—
bildeten (befonders in Elternbänden) recht brauchbaren Werfchen
heben wir bier befonders den Abichnitt hervor, der von der Ge—
ihichte der deutihen Sprade handelt. Schr hübſch und
lehrreich wirft die auf S. 140 ff. gegebene Zufammenstellung aus
Brig Neuters Urgeichichte Mecklenburgs, ein Stüd, das P. Roſeg—
ger anf Wunſch des Bearbeiters in das Eteirifche übertragen bat,
Reuter: Roſegger:
Ick heww in minen ganzen
Lewen nicks ſunnen, as blot
mal, as dat Harwſtmart tau
Enn was, tiwei Gröſchen up de
Sitad, wo de Penzliner Pötter
utſtunn. Ick köffte mi dorför
von Bernaskonin ne Blifedder;
min ſel Vader kreg dat tau
weiten, un ick müßt tau minen
ewigen Schimp un Schann de
Bliſedder wedder gegen de twei
Gröſchen taurũg gewen un müht
nu dörch de ganze Stadt achter
den Penzliner Pötter berlopen,
dat de Mann doch weder tau
dat Sinige fem.«
»Ih bon leppa nia nix
afundn, ausaloan amol, wia
da Hiafchtfinta*) gor ift given,
zwen Grouſchn afn Plapl, won
da PBenzlinga Hofna jein Stond
bot ghobb. Ab faf ma dafür
ban B. an Bleiftiftn; mei Boda,
tröft nabm Goud, kriagg dos
zwiſſn, und ih muas zu mein
ewigen Schimpf und Schond in
Weiftiitn wieder um die zwen
Grouſchn zrugg gebn md muas
durch die ganzi Stodt in Penz—
linga Hofna nachlaffn, daß da
Mon wieda zu fein Soch fimbb.«
*\d.i. Herbftficchtag.
Treffend ijt auch die Bemerfung auf ©. 153:
»Öegenwärtig regt ſich bei geiteigertem Nationalgefühl auch
die Teilnahme an der Mutterſprache jtärter.
Litteratur, Bolls-
ſchule, Zeitungen dienen der Verbreitung der Schriftipradhe; das
Leſebedürſnis ift ins Ungeheure gewachſen. Doch ift vor dem
Zeitungsdeutſch zu warnen. Hingegen wird aud der Volfsiprache
mit Recht wieder größere Mnimerkffamfeit geſchenkt. Mit Freude
lieft man überall Reuter, laujcht man in Berlin, in mittel und
niederbestichen Städten den oberbayriſchen Dichtungen, welche die
fog. » Mündhener« Schaufpieler aufführen, den wienerischen Dramen
| Angengrabers, den dialektifch gefärbten Voltterzählungen Roſeg—
gers u a., im welchen der fräftige Born der Vollsſprache ſprudelt.
| Der Strom der Wundarten, welcher die mündliche Rede beein:
Hußt, dient zur Belebung und Erfrifhung der Schriftiprade,
welche doch immer nur ein Aunftproduft ift, und bewahrt fie vor
Erftarrung und Bertnöcerung.«
Wichtig und beachtenswert ift beſonders die Ausführung auf
©. 159 f. (aus den vorgeſchichtlichen Verhälmiſſen):
»Man bite fich bei der Bergleihung (der indogermaniſchen
Sprachen) vor folgenden Fehlern:
a) Man fage nicht: Thür fommt aus dem griechiſchen Hua;
beide Spradyen haben vielmehr dad Wort aus ihrer ger
meinjamen Heimat mitgebracht.
Man vergleiche die Wörter nicht nad dem Klange. Worte,
die im Deutfchen und Lateiniſchen gleiche Konſonanten
haben, find nicht verwandt, alfo nicht altes deutiches Sprad):
ut, fondern es find Lehnworte wie Brief — breve,
ammer — camera, Dom — domus. Kopf ijt nicht lat.
eaput, das vielmehr zu Haupt gehört, fondern Lehnwort
aus cuppa. Solche Lehnworte hat die deutſche Sprache
früh aufgenommen und zu allen Zeiten ihren Wortſchatz
dadurch vermehrt, beionders im abd., als durch das Chriſten—
tum neue Worte für neue Begriffe (vgl. Kirche, Pfaffe,
Briefter (presbyter), Biichof, Probfi (praepositus), Schule,
Meöner (mansionarius), Mönch (monachus), Kloiter
(elaustrum), predigen (praedicare), Wette (matutina),
Veſper (vespera), Kelch (calix), Opfer (offerre), Sreuz
(crux) nötig wurden. Sie macht fie fich zu eigen, indem
fie fie mit eigenem Geſchlecht verficht und mie eigene be—
handelt (val. das Epistopat, Konſulat). Es ift pedantiſch
und zeugt von nidt genügendem Berftändnis für ſprach—
liche Vorgänge, in dieſen Worten das urjprüngliche Ge:
fchlecht wieder herftellen zu wollen.
Lehnwörter find von Fremdwörtern zu unterſcheiden.
Jene aus der Epradhe zu entfernen, iſt unmöglich, dieſe
“aber durch dentſche zu erſetzen, wo nur irgend ſolche vor
handen find, ift dringend erforderlih. Sprachreinigung
im Sinne des 17. Jahrhunderts (Trommler — Fellrahler,
Naſe — Löſchhorn) ift verfehlt. Weife Mähigung, Vor:
b
—
ſicht und durch gründliche Einſicht vertieftes Vers |
ftändnis ift wünſchenswert«
In diefem Zuſammenhange hätte eine Erwähnung des a. d.
Sprachvereins fehr nahe gelegen. Leider ift fie unterblieben,
aber mur aus Verjehen, nidıt in irgend einer Abſicht, wie die
Berfafier verfihern. Wünjchen wir, dab die 2. Auflage, die
zum Nachholen des Verſäumten Gelegenheit giebt, nicht lange |
auf fich warten laſſe.
Braunjhweig. G. A. Saalfeld.
— Feſtſchrift zur 250jährigen Jubelfeier des Pegne—
fiihen Blumenordens gegründet in Nürnberg am 16, Df-
tober 1644.
Th. Bifhoff und Aug. Schmidt. Nümberg, Joh. Yeonh.
Scrag. 189%. XVI und 532 ©. gr. 8.
— Reber, Sofeph. Johann Amos Comenius und jeine
Beziehung zu den Sprachgeſellſchaften. Denkicrift zur
Feier des vierteltaufendjährigen Beftandes des Pegneſiſchen Blumens
ordens zu Nürnberg. Leipzig, Guft. od. 1805. 61 ©. 8.
Der Jubelfeier des Pegneſiſchen Blumenordens in Nürnberg,
der als einziger üÜberlebender der alten Spradjvereine vor zwei
Jahren das Feſt feines 250 jährigen Beftchens gefeiert bat (vgl.
X 15), verdanfen wir die beiden oben verzeichneten Feitgaben.
Die erite, auf Beranlafjung des Ordens jelbjt herausgegebene iſt
ein vomehm ausgejtatteter, umfänglicher Band. Den gröften
Teil nimmt ein ein Bild von dem Leben und Wirfen des Ordens—
ftifters Georg Philipp Harsdörfer (1607 — 1055) aus der
Feder des Profefiors Theodor Biſchoff. Der angejchene Nürn—
berger Ratsherr, der vielfeitige Gelchrte und Dichter, erhält bier
eine Würdigung feiner litterariihen Thätigfeit, wie fie ihm in gleich
umfajjender und jorgfältiger Weile noch nicht zu teil geworden iſt.
Herausgegeben im Auftrage des Ordens von |
52
ftrebender und vaterlandsliebender Mann, der feine äukerft
umfaſſende Belefenheit in den Dienſt einer raftlofen Thätigleit
ftellte, um die Bildung feiner Feitgenofien zu fördern und vor
allem die deutiche Sprache zu Ehren zu bringen. Sein Wabl-
ſpruch war: »Mit Nupen erfreulihe Er jagt: »Bon Jugend
an habe ih die Wiſſenſchaft von der deutichen Sprache für die
ſchönſte, anziehendſte und müßlichite erachtet- Er wird nicht
müde, das Lob der deutichen »Haupts und SHeldenipracde« in
allen Tonarten zu fingen, beionders in feiner »Schugichrift für
die Teutiche Spracharbeit und derielben Beflifiene«.
Wie er nun als einfluhreiches Mitglied der »fructbringenden
Bejellichafte jeine Ziele verfolgt bat, wird uns vor allem an
der Sand feines lebhaften Briefwechſels mit dem Gründer ber
Gejellichait, dem Füriten Ludwig von Anhalt, ausführlih und
fehrreich dargelegt. Daß die früher immer nur beipöttelten Be—
mühungen diejer Männer durchaus nicht verloren gewejen find,
hat man ja fchen länger erfannt. Cie haben in ſchweren Zeiten
das Banner des PDeutichtums hochgehalten. Täglich gebrauchen
wir Wörter, deren Prägung auf Harsdörfer zurüdzuführen if,
wie »Beiwort, Briefwechiel, Mittelpunft, Schnerw« und noch
erwa 20 andere, Mit Unrecht belächelt wird auch, fein berühm—
tejtes Buch, »Poetiſcher Trichter, die Teutſche Dicht» und Reim:
funft, ohne Behuf der lateiniſchen Eprade, in VI Stunden ein-
zugiehen«. Das Läcerlicde liegt nur in dem Titel; das Buch
ſelbſt iſt eine kurze Poetik, natürlich nad den Begriffen und
Anforderungen der Zeit. Harsdörfer tritt damit, wie fonjt, in
die Fußſtapfen von Martin Opip und führt defien Gedanken weiter
aus; fein »Trichtere bringt unter anderem den erjten Verſuch,
die dramatiiche Dichtung und ihre Arten äjthetiich zu würdigen.
Die Lieblingsſchöpfung Harsdörfers, der Hirten oder Schäfer:
orden an der Pegnig, fpäter der ⸗Pegneſiſche Blumenorden«
genannt, wird nad Entſtehung, Zielen und Leitungen ein-
gehend gewürdigt. Mitgründer war der Meißner Johann Klai.
Eine Hauptforderung des Ordens war „Reinbehaltung der Teutichen
Sprachee, dancben Förderung der Dichtkunft. Beiondere Pflege
fand, wie jchon der Name angiebt, die Schäferdichtung, deren
zierliche Spielerei jpäter felbit auf die qeiftliche Lyrit übertragen
wurde, wo dann Chriſtus als der große Blumenhirte erichernt.
Das Üigenartigite waren ohne Zweifel Klais oratorienähnliche
geiftliche Schaufpiele, die er felber in der Kirche vortrug. Eine
gesifie weltgeichichtlihe Bedeutung erlangte der Orden, als 1649
is 1650 in Nürnberg über die Ausführung der Beitimmungen
des Weftfälifchen Friedens unterhandelt wırde. Da muhten die
Begnipichäfer, beionders Klai und der unten zu nennende Birken,
mit allen möglichen geichmadlofen Lobgedichten und breitipurigen
' allegerifchen Feſiſpielen die verichiedenen Feſtlichteiten geiftig ver:
ichönern belfen.
Ausführlich werden wir dann unterrichtet über Harsdörjers
Hauptwerl, die »Frauenzimmergeſprächſpiele«, eine Art
Konverfationälerifon, das in einer eigentümlichen Form freier Unter:
haltung alles Wiſſenswerte aus BWillenihaft und Kunſt, aus Welt:
mweisheit und Religion, aus bem Gebiete der quten Sitte und vor
allem aud) der deutjchen Sprache in bunter Mannigfaltigfeit dar:
bietet und jo ein Bild giebt von dem gefamten Kulturleben der
damaligen Zeit. Den Em dazu lieferte zum großen Teile das
ausländifche Schrifttum, aber es ift Harsdörfer gelungen, alles
Schöne und Gute in der Welt den Deutichen und bejonder& dem
» ranenzimmer« in der Mutterſprache zu erichliehen. Sie follen
‘ begreifen lernen, »daß unfere Spradie nunmehr andern Zungen,
| vieleicht weit übertriffete.
Er »war fein großer Gelehrier, nod) weniger ein großer Dichter, |
aber er ift und bleibt einer der größten deutichen Publiziſten feiner
Zeit« (©. 42). Er teilt die Fehler feines Jahrhunderts, Ober—
jlächlichkeit, Gitelfeit, Geichmacdlojigleit und ein wunderliches Ge—
mich von Phantafterei und Pedanterei; aber er war ein hoc):
an Zier, Nahdrud und Füglichteit nichts —— ſondern ſelbe
Eine zwecmäßige Auswahl aus dem
überreichen Inhalte giebt uns einen Begriff von jenem in jeiner
Weiſe bedeutenden und damals gem gelejenen Werte. Wer ſich
über defjen Anlage und Inhalt genauer unterrichten will, dem jei
die hübjche Heine Schrift von Richard Hodermann empfoblen:
»Bilder aus dem deutjchen Leben des 17. Jahrhunderts. J. Eine
vornehme Geſellſchaft · jetzt zu beziehen von der Orbdensleitung).
Sch muß es mir verjagen, auf die weitere, äußerſt umſaſſende
ſchriſtſtelleriſche Thätigleit Harsdörfers näher einzugeben. Ein bes
fonderer Abſchnitt des Buches macht uns befannt mit jeinen di
daltiich= religiöfen Werten, die ebenfo zahlreich wie vielieitig find:
Sammlungen von lehrreihen Novellen (meift dem ausländiichen
Schrifttume entnommen); von Sinnſprüchen, Parabeln, geiſt—
lichen Dichtungen ufiw. Harsdörfer war ein ganz geſchidter Erzäbler,
aber ein flüchtiger Arbeiter. Als Dichter war er weniger naiv
ichaffend als rejleftierend. Deshalb iſt fein beftes Wert die Barabel-
53
Zeitfärift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 3.
54
ſammlung Nathan und Jotham. — Der letzte Abjchnitt endlich, von
Profefior Kaſpar Nudel bearbeitet, behandelt Har&dörfers ma—
thematische naturphilofophiiche Schriften, die »ein getreues Bild der
durchſchnittlich zu ſeiner Zeit üblich gewordenen Anſchauungen«
geben. Zwei
Inhänge enthalten ein Verzeichnis der ſämtlichen
Schriften Harsdörfers (auf 15 Seiten!) und eine jehr dantenswerte |
Blumenlefe aus feinen Gedichten und Parabeln nebjt zwei geift:
lihen Liedern von Klai.
AS eine erwünſchte Ergänzung bietet uns Poſtmeiſter Auguſi
Schmidt eine an Umfang erheblich geringere, aber nicht minder
forgfältige Abhandlung über den einst hodhgefeierten Didyter Sig:
mund von Birken, genannt Betulius (1626— 1681), den
zweiten Bater des Pegnefiihen Blumenordend. Wir werden zu—
nädjt über Birtens Familie und fein wechjelvolles Leben genau
unterrichtet. Er war zeitweije in Wolfenbüttel Erzieher zweier
braunſchweigiſcher Prinzen; jpäter errichtete er im Nürnberg eine
Schule, in der er die Söhne höherer Stände in den Grundzügen ber
Staatslehre und der Dichtlunſt unterrichtete. Birken hatte einen
bedenklihen Zug zu den Großen diejer Welt. Freilich lebte er
zum großen Teile von dem Ertrage feiner Lobgedichte. Die Kriecherei
jeinen Gönnern gegenüber bat ihm denn auch die Erhebung in
den erblichen Adelitand durch den Sailer eingebradht. Sein Ehr:
geiz war verbenden mit jtolzem Selbitbewußtjein: er bedauert das
Abbandentommen einiger jeiner®edichte, weil fie dadurch der Un—
fterblichleit verlujtig gingen. Troßdem war er fein unliebenswiür—
diger Menjch, umd feine hohe Begabung jteht außer Zweiſel,
wenn fie auch von feiner Fruchtbarkeit noch übertroffen wird. Er
ichrieb eine erſtaunliche Menge von Gedichten, meijt im Schäfer
jtife, gefennzeichnet durd tändelnde Anmut und gelehrten Prunk,
zum Zeil in den fonderbarjten Formen. Eine Fülle fonftiger jchrift-
jtellerifcher Erzeugnifje wird, teilweife mit Angaben über den Ins
halt, aufgezählt. »Nach den jepigen Begriffen würde man ihn
einen begabten und gemwandten Vielſchreiber und Heimejchmied
heißen ·. Schon 1645 wurde er Mitglied, jpäter Boritcher des
Ordens, deſſen einer Hauptaufgabe, der Neiniqung der deutjchen
Sprache, er mit großem Gifer oblag. Seiner echt deutjchen Ge—
finnung giebt er wiederholt Ausdrud. Alles in allem war er ein
echtes Kind feines Jahrhunderts, in Schwächen und Vorzügen,
nicht jo bedeutend wie Harsdörfer, aber wohl dichteriich gewandter.
Ic empfehle das Bud) als einen wertvollen Beitrag zur Wür—
digung der geijtigen Bejtrebungen, insbejondere der Sprachbe=
wegung im 17. Jahrhundert. Zum Schluſſe will ich noch darauf
—— daß dem Werle zahlreiche Abbildungen beigegeben ſind,
fajt ſämmich Nachbildungen von Kupferſtichen in Haärsdörferſchen
Werten, die auch ihrerſeils zur Kennzeichnung jener merlwürdigen
Zeit nicht wenig beitragen. — —
Die Reberſche Denkſchrift macht zunächſt Mitteilungen über
des Comenius Spracdtenntnifie, inobelonbere feine Kenntnis der
deutjchen Sprade — feine Mutterſprache war befanntlich die
ijchechiſche. Wir erfahren fein Urteil über die deutiche Sprache,
die er jehr hoch ſchätzte, ſowie ein fehr veritändiges Urteil über ver-
fehlte deutſche Hexameter. Der BVerfajjer fommt damı auf Die
deutichen Sprachgeſellſchaften und auf Harsdörfer zu ſprechen, um
endlich bei dejjen literarischen Beziehungen zu Comenius eingehender
zu verweilen. Die darauf bezüglichen Stellen, in&bejondere eine
Ktritik, die Comenius an einigen Harsdörferſchen Worterflärungen
geübt hat, und einige Briefe, die er an Harsdörfer gerichtet hat,
werden uns vollftändig mitgeteilt, lateiniſch und in deutſcher liber-
fegung. Wir erfehen daraus, mit welchem Eifer Comenius die
Bejtrebungen der Spradhgejellichaften und Haredörjers Bemühungen
um die Hebung der Muiterſprache verfolgt. Endlich werden nod)
Beziehungen Comenius’ zu andern deutſchen Gelehrten erörtert. —
Leider muß gejagt werden, daß die inhaltlich anregende Schrift
in einem recht nachläſſigen Gewande ericheint, das zweifellos nicht
bloß dem Seper zur Yajt zu legen ift. So jchreibt der Verſaſſer
(Direktor der Kgl. höh. weibl. Bildungsanftalt zu Nichaffenburg)
durchweg » Dijipchen«; wir finden Bildungen wie >» geeigenichaftet«
(S. 8), »beheimatet« (S. 13), Wendungen wie »eiwas neben
etwas vermildhen« (S. 15), »die Mritit, die Gomenius über
jprachliche Ableitungen des (!) Harsdörfer übte (S. 32), »jeine
Heijen nad Italien, England, die Niederlande und Frankreich«
(S. 22), Sapfügungen wie folgende: (Comenius) »dem nod)
Goethe jeine Bewunderung vor dDiefem Sprachen- und Saden-
lehrer zollte« (S. 61), »jeıne ... VBücherfammlung fand in Wol-
fenbitttel, jeiner nunmehrigen Nefidenz, ihre Aufjtellung, die (!)
jebt zu den größten... Deutichlands zählt« (S. 22), und manches
andere: alles Dinge, die in einer Feilichrift zu Ehren einer Sprach—
gejellichaft doppelt unangenehm berühren.
Braunſchweig. Karl Scheffler.
— Die Schrecken der deutſchen Sprache. Vorſchläge
zur vernünftigen Umgeſtaltung und Vereinſachung des Deutſchen
zum Zwecd jeiner leichteren Erlernung und Ausbreitung nebjt einer
Probe des vereinfachten Deutſch. Bon J. Friedrid Mähliß.
Halle, 1892, C. U. Kämmerer & Co. 23 S. 8. 0,60 M.
— Deutſch. Eine Sammlung von falſchen Ausdrücken, die
in ber deutſchen Sprache vorkommen, nebſt der Berichtigung und
Erklärung dieſer Fehler. Bon Guftav Bornſcheuer. Bonn,
1595, P. Hanitein. XlIu 146 89. 2 M.
— Shledt Deutſch. Eine luſtige und lehrreiche Kritik
unferer nhd. Mundunarten. Bon U. Brunner Wien u. Leipzig,
1895, J. Eiſenſtein & Co. 2078. 8%. 170M.
W. H. Nicht wendet * gelegentlich gegen die ſchwarzgallige
Verurteilung der Mafienjabrifation beſonders in Novellen und
Eonaten, weil ſich darin die Allgemeinheit der Teilnahme an
diefen Kunſtformen verrate, und weil erft über diefer Vielheit die
Vollendung erwachſe. Er mag recht haben für dieſe Gebilde,
die nur dem Genuſſe dienen, dem fich nach dem befannten Sprich—
wort jeder jo niedrig fuchen mag, wie er will. Daß für beleh—
rende Bücher, deren Käuſer Wegweifer zur Wahrheit fuchen,
ein andrer Grundſatz gelten möchte, danach erregen die beiden
eriten Schriften ein bremmendes Verlangen; denn fie bedeuten
gradezu einen frevelhaften Anichlag auf das Nationalvermögen,
da ihre Käufer und Verleger — oder ihre Berfaffer? — mit
dem hineingeſteckten Gelde unendlich viel Beſſeres hätten ſchaffen
fünnen. Beide Berfafjer fommen einander gleich in der Gewalt:
thätigfeit gegen die Sprache, nur daß ih Herr Mähliß diefe
erlaubt trop ziemlicher Beherrſchung der Spradye und ihrer Ges
ſchichte, Herr Bornſcheuer vielſach aus Mangel an Berftänd-
nis für ſprachliche Dinge; nach der Vorrede hat er ja ſein Buch
auch geſchrieben infolge des Beſtrebens, ſich ſelbſt in der deut:
ſchen Sprache möglichjt weit auszubilden. «
Heren Mähliß iſt feine Zugehörigkeit zum allgemeinen Ber-
ein für vereinfachte Nechtichreibung zum Verhängnis geworben,
und da die Umjturgbeitrebungen auf dem Gebiete der Nechtichreis
bung nicht jo bald Ausjicht auf Erfolg zu haben jcheinen, wollte
er es damit wohl auf dem der Spradjlehre verſuchen. Oder muß
man es nicht jo verjtchn, wenn er von den beiden am Ende des
SHejtchens gegebenen »Broben des vereinfahten Deutſch—
die erite für das Deutſch bis zum Jahre 1950 in alter, die zweite
für das Deutſch bis zum Jahre 2000 im neuer Redhtichreibung
giebt? Hier ein paar Zeilen aus diefer Mählißſchen Berball-
hornung einiger Kapitel von W. Meijterd Lehrjahren: » Wilhelm
tretete herein. Mit welche Lebhajtigleit entgegenfliegte ſie
ihm! Mit weiches Entzüden umſchlingte er den roten Unis
form, Ddrüdte er das weile Atlasweſtchen an feinen Brujt.«
Man jieht, was er will: alle Verhältniswörter, außer einigen,
die in verichiedenem Sinne bald den 3., bald den 4. Fall nad)
jid) haben, befommen unterjchiedsfos den 4., die meijten Haupt
wörter werden männlich), und die jo umgewandelten weiblichen
erhalten als Stempelzeihen auch ein Genetiv-s (des Bruſtes);
fait alle Beitwörter werden ſchwach — er nennt es regelmäßig! —
gebildet, und jajt alle zufammengejepten bleiben untrennbar. —
Herr Bornſcheuer will nicht umftürzen, jondern nur das, was
nad) jeiner Anficht allein gut fit, der geliebten Mutterſprache rein
und unverjälict erhalten; und unleugbar hat er eine gewaltige
Fülle auch wirtlicdyer Fehler und Geſchmackloſigleiten, die heut in
der Schriftſprache namentlich der Zeitungen und Behörden ums
chen, mit rührendem Fleiß zufammengetragen. Aber ebenfo oft
Aa er gegen Windmühlen. Denn ihm jehlt nicht nur jede Kennt-
nis von der Entwicklung der Spradje, jondern auch die rechte
Schulung in der Sprache der Gegenwart. Wenn anders er wenig-
tens Dieje genofjen hätte, würde er nicht Süße anfechten wie
die: »Die Yartel der Wilden iſt Hein. Die Zeitſorm der
Gegenwart wird Prüfens genannte, »weil man nicht frage:
wejjen? fondern: welche?, weil die Gegenwart feine Zeitform
55
Zeitfhrift ded allgemeinen deutſcheu Sprachvertins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 3.
56
habe, fondern ſelbſt eine jeie (S. 89). Oder er würde von Form—
ewandteren nicht verlangen, daß fie Ihre jtatt Eure Majeität
agen, weil Eure heute die Mehrzahl von dein bedeute, und
weil mit der Mehrzahl jalih mur eine Perſon angeredet werde.
In allem Emft wird ©. 67 »dejjem, derem- der richtig aus
den Nominativ (!) gebildete Dativ genannt umd bedauert, daß
man das ebenfo richtige deſſes⸗ noch nicht wage. Dieſes
Kleid« foll gegenüber »dies Kleid«⸗ fjalih nach dem Nebeneins
ander von viel und vieles, wenig und weniges gebildet jein
und daher bejier gemieden werden, weil man jonjt mur den
Unterjchied vom Gen. diefes Kleides verwiihe (5.62). In »zu
Tode ärgern, u Rate ziehen fieht er (S. 9) einen Verſtoß gegen
die Negel, weil der von zu geiorderte Dativ nicht auch durch das
Geſchlechtswort ausgedrüdt fei, und in »beifeite jchieben« einen
gegen die andre, daß bei nur die Ruhe bezeichne, weshalb er
verlangt, »nach der Seite ſchieben? (8.7). Daß er »zu dem
Ende, am Endes verpönt, weil dadurd die allein bereditigten
Ausdrüde >zum Bwede, vielleicht« verdrängt würden (©. 16),
zeigt, daß er feinen Sinn für den Neichtum und das Abweche
lungsbedirfnis der Sprache hat, wie es die Erfenntnis des Unter:
ichiedes zwiſchen Mundart, Umgangsipradre und Schriftipradhe ver-
miſſen läht, wenn er den Musländern größere Gewifienhaftigleit im
Gebrauch unsrer Sprache nachrühmt, weil ein Einheimiſcher Bes
lehrungsversuche mit den Worten abgewieien habe: »Was, Sie
wolle mich Deutſch lerne?« (V). — Genug der Beiſpiele. Nach
©. VII des Vorwortes ijt der Verfafjer ein gewiß in Ehren grau
—— ſubalterner Gerichtsbeamter, and es wäre der höchſten
nerkennung wert, daß er als ſolcher in ſicher eifrigem Nach
lernen ſelbſt erwerben wollte, was ibm die Schule ſchuldig ges
blieben war und — leider auch heut ſchuldig bleiben wiirde: ge
nügende Belehrung über den Gebrauch der Mutteriprade. ar
darf, wer noch lernt und noch viel zu fernen Hat, ſich nicht zum
Meifter über andre ſehen, amt allenwenigiten in einem Tone,
der mit mehr Behagen als Wip dem Wuftmanns, des erjten
Aufers in dieſem Streite, nachgeahmt iſt.
Brunmers Bud verdient eine andre Würdigung, bei der
weder das Megiiter des Mitleids gezogen zu werden braudt noch
das des Scherzes, ſoviel Scherz auch in ihm jelber ſtedt; denn
es ift wirtlich, was es auf dem Titelblatte heifit: cine luſtige und
— im ganzen audı eine — lehrreiche Kritil unjerer nhd. Mund-
unarten. Nur darf man ſich durch diejen ſcherzhaften Ausdruck nicht
verleiten fafien, darin eine Behandlung der geſprochenen, Ichlecht
geiprodenen Umgangéſprache zu fuchen, fondern auch dics
Buch gilt der Schriftiprache, dem papiernen, dem Tintendentich.
it Strenge in der Sahe und Scherz in der form wird den
Unklarheiten, Biveideutigfeiten und dem ganzen Heere der andern
Sprachfehler zu Leibe gerüct, wie fie vom Wortgebrauch und der
BWortbiegung an bis zum Satzbau und Bilderſchuuck ber Mede
von den Tagesſchriftſtellern vor= und von unzähligen Sebildeten
nachgemacht werden. In der Fülle der Sprachungeheuer, die der
luſtige Pritſchmeiſter namentlih aus Zeitungen, Verhandlungs—
berichten und Sejchüftsangeigen entnimmt und geihelt, und in der
Menge fanniger eingeflochtener Geſchichten verrät ſich der gewiegte
Wiener Tagesjchriftiteller, der feinen Benofien von der Feder fein
beobachtend auf die Finger gejchen hat umd jelbit gar geſchichkt
und anziehend zu plaudern verjteht.
Ein in jeder Beziehung zuverläffiger Führer durch die Schwie
rigfeiten der Spradye ift er gleichwohl nicht, und wenn er fich
auch ausdrücklich als einen Schüler X. Minors bezeichnet.
befämpft er die Bildung Zartgefühl >als ohne genügende Ana—
logien« (S. 12); als ob es nicht aufer »Hod):« aud) »Boll-,
Selbftgefühl« gäbe und J. Grimm umſonſt von der Heimlich
feit«e der Sprache geredet hätte. Ebenſo grundfos verpönt er
ganz unbedingt die Angabe des Datums im 4. Falle (Wien,
den 6. Febr.) (S. 33), die Bildung bisherig (145), die Nomi-
native Glauben, Frieden (82) und Fügungen derart: die täg—
lihen Beobachtungen, wie tft. daß: S. 58). Gleich wenig recht
Ev
lat. »frui« und griech. »bibroskein« laufverwandt fei (138), das
heit die Ergebniffe der Sprachgeidichte dody gar zu wenig be-
adjten. Wer fo jchr gegen die Schwächung der Sprache eifert,
wie Brunner, jollte auch felbjt nicht zeichenloſe Genetive bilden,
wie »der fihere Stand der Eredit« (5.21); und zu den Re—
buſſen des Modus, wie er das 51. Kapitel überichreibt, fcheint
‚ibm felbft der Bau der Bedingungsläpe zu gehören, da er ed
giebt ihm die Sprachgeſchichte, in Umſtandébeſtimmungen, wie |
vor Ankunft, bei Beginn unbedingt das Geſchlecuswort zu |
verlangen oder in Sägen, wie »er wurde in vorgejchriebner Weiſe
gewählt und demnach geſeßmäßig Ortsvoritand« die Wiederhofung
von wurde im zweiten Gliede (04).
Niemand wird wohl auch mit ihm Zweideutigfeiten finden in
Fugungen wie: »die Anffafiung der Khilofophie Hegels« und » wenn
men ſich Holland von Süden nähert« (56); gar zu behaupten, |
daß »Schenfe« aus »Schänfe« verderbt (130) und freſſen⸗ mit
fertig bringt, 3. ®. ©. 19 zu fchreiben: »der Convenienzmenich
wäre jehr überrajcht, wenn der andere die That mit einer
Phraſe begleiten würde.«
Zittau. Th. Matthias.
— Jähns, Mar, Der Baterlandsgedanfe und die
deutihe Dichtung. Ein Küdblid bei der Feier des viertel:
hundertjährigen Beſtehens des neuen dbeutihen Reiches. Berlin,
Verlag von Gebrüder Paetel. 1896. 8%. 1998. Gch. IM.
Ein Wert, das den Begriff des Raterlandes in fo edler Eprade
erläutert und geichichtlich beleuchtet, wie das vorliegende, bat auf
eine hervorragende Beachtung auch feitens des Spradıpereins
ein volles Anrecht; jtellt fich der Verfajjer doch mit feiner licht:
vollen Auffafiung und feiner gemütwarmen Anteilnahme un-
mittelbar unter die erſte Satzung des Spradwereins, die wahre
Liebe zum Baterlande als das Höchſte und Edelſte unferes ges
famten Vorhabens zum jchönen Endzwede hat.
Nachdem die Begriffe Vaterland und Nationalgefühl im der
Einleitung abgewogen und beitimmt worden find, beginnt der
umſichtige Verſaſſer mit Dtfrieds Kriſt und weiß durch fräftige
Striche den geſchichtlichen Aufbau zu entwerjen, jo dab wir uns
alsbald mitten im Meiche des »deutſchen Michels« befinden.
»Tie Siege der Ottonen wurden unter dem Banne des heiligen
Michael erfochten, und nad) diejem friegeriichen Erzengel ward
der einzelne Deutiche auch wohl Michael teutonicus genannt;
biejer Veiname deutſcher Mihel‘, der wahrlich nichts mit der
Schlafmüge zu thun bat, iſt alfo gerade jo alt wie die Bezeich
mung der Gefamtheit des deutichen Volkes ſelbſt. „Michel* aber
heißt im Alideutſchen foviel wie ‚groß‘ oder ‚gewaltig‘. Unter
der Fahne des heiligen Erzengels gewannen die Deutjchen, früber
als irgend eine andere Nation des Mittelalters, das Bewuhtiein
einheitlichen Boltstums.« — Im böchiten Grade anregend, ja
gerade wie für unjere Tage geichrieben, wirft die Schilderung
der Entwidlung der Grundlage des Nationalbewuhtjeind durch
den allmählich entitehenden Begriff einer gemeinjamen Volks:
fprade: daraus entitanden naturgemäh jchen damals die natio-
nalen Gegenſätze zu den Slaven, den Romanen, ja zu den Dünen.
Aber der Rückſchlag blieb leider nicht aus. —
Wir müſſen often befennen, dah wir den Verfaſſer bei der
fnappen und doch im höchjten Grade eingehenden Behandlung bes
Stoffes ebenfojehr wegen jeiner gründlichen Kenntnis des Schrift
tunts wie wegen der mujtergültigen Behandlung des Gedanten:
inhaltes der zum Teil doc) vecht ſchwierigen Zeiträume bewundern.
Man möchte das vorliegende Bud) eine vaterländiiche Geichichte
des deutichen Schrifttums nennen, wie jie noch niemals ähnlich
geichrieben worden iſt. Natürlich behandelt Verfaſſer die neuere
und neuste Seit mit der nötigen größeren Ausführlichkeit: wir
fühlen mit des Vaterlandes Not, wir werden ergrifien und be
geiftert von der hochberzigen Erhebung, um die ſchwere, bange,
lange Zeit der Erwartung dann im Dichterworte Simrods noch
einmal im tiefiten Herzen zu empfinden:
»In Rom, Athen und bei den Lappen,«
»Da jpähn wir jeden Wintel aus,«
> Dieweil wir wie die Blinden tappen«
»Umher im eignen Vaterhaus.«
»Iſt das nicht cine Schmad und Scaande«
» Dem ganzen deutichen Baterlande?« .. .
Wir müjjen es uns bier leider verfagen, weitere Proben dem
Bufammenbange des gediegenen Werfes zu entnehmen, empfeblen
aber unjern Mitgliedern und Zweigvereinen das ſchöne Buch au’
das angelegentlichite, weil wir ſelbſt es empfunden haben, eine
wie bedeutjame Gabe gerade jet diefe aus lauterem Herzen heraus
geſchriebene Schrift iſt.
Wer einen Jahns jemals begeiſtert begeiſternd hat reden
hören, der glaubt ihn beim Leſen ſeiner jüngſten Schrift vor fidı
zu chen, wenn er nad) Aufzählung unjerer wichtigiten vater:
ländiichen Vereinigungen folgendermahen feinen Rückblick ſchließn
Während dieje Vereine dem Angriff auf unfere Sprachgrengen
57
getreten und mit Hilfe der Schule und der deutichen Wirts
Käch gegen Slaven, Magyaren, Jtaliener und Wallonen fechten,
ja jelbjt in fremden We Meilen, wo irgend unſre Zunge Hingt,
das deutſche Leben aufrecht zu erhalten Be; befeh) et der all:
gemeine deutſche Sprachverein die nod immer nicht völlig
überwundene Verwelſchung im Innern der Nation. An all die
jen Kämpfen nehme auch die Dichtung teil! Sie ſchreite ums
voran und trage ihr heilleuchtendes Banner in da® Gewühl unfe-
rer Gegner; fie begleite mit ihren muntren Rhythmen unſern
Schritt, wie Trommel und Pfeife das angreifende Fühnlein be—
flügeln, und immer und immer wieder umtöne uns das Lied des
alten Arndt:
»Was ift des Deutſchen Baterland!?« ...
So weit die deutiche Zunge Hingt«
»Und Bott im Himmel Lieder fingt:«
»Das ſoll es fein!«
» Das, wackrer Deuticher, nenne dein!«
»Das ganze Deutſchland joll es fein!««
Braunihweig. ®. A. Saalfeld.
Eingefandte neue Drudidriften.
Weiſe, Prof. Dr. O. Uniere Mutterſprache, ihr Werden
und ihr Wejen. Leipzig 1896. zn — ver⸗
beſſerte — — VIII u. 270 S. 8%. geb. 2
Regenhardt, E., Die deutſchen Mundarten. REN
aus den "Werten ber beiten Dichter alter ar neuer Zeit.
Berlin, C. Regenhardt. XVI u. 401 ©. 8
Vs Slugblätter. Leipzig 1896. Breittopf und Härtel.
Nr. 1—7. (Mit diefem Unternehmen will die Verlagshand—
fung, anfnüpfend an die vaterländiiche Bervegung der Zeit,
etwas den fliegenden Blättern des 16. Jahrhunderts Ghnliches
ins eben rufen.)
Pfaff, Dr. Friedrih, Deutihe Ortsnamen.
Trowitzſch und Sohn. 168. 8%. 0,10 M.
Hollaender, Prof. Dr. 2., Das Füllen der a Leipzig
1896. Arthur Felir. "Xu. 200 S. 8%. (Der Verfajier,
defien eig Eintreten für unfere —— in
dieſer Zeitſchrift bereits mehrfach gewürdigt worden iſt, lenn—
zeichnet feinen ſprachlichen Standpunkt in der Vorrede durch
die beherzigenswerten Worte: »Wenn ich auch in dieſem
Werte unnötige Fremdwörter zu vermeiden bejtrebt war, fo
hoffe ich auf die Anerfennung aller derer, die als Maßſtab
wifjenichaftlicher Bildung nicht die Anzahl fremdländiicher
Bezeichnungen, jondern Einfachheit und Klarheit des Aus—
druds anjehen und deshalb in der Zahnbeilfunde jo qut wie
in der Berkehrsiprache Fremdwörter für entbehrlich halten «.)
Brenner, Odfar, Grundzüge der geſchichtlichen Gram—
Berlin 1896.
matit der deutſchen Sprade, zugleich Erläuterungen zu
meiner mittelhochdeutichen Grammatik umd zur mittelhochs |
deutichen Verslchre mit einem Anhang: Epracdıproben. Min
chen 1996. Lindaueriche Buchhandlung (Schöpping). VIII u.
113 ©. geh. 2,40 M.
Martens, Wilhelm, Weltgeihichte. Ein Handbuch für das
deutiche Voll. Hannover 1895. Manz und Lange X u.
294 ©. geb. 10 M. (Mit Freude begrüßen wir bier ein
Werk, deſſen Verfajjer jich ganz auf den Boden des Sprad)-
vereind jtellt. Im Gegenlahe zu Oslar Jäger, deſſen
Fremdwörterfucht ja auch von feinem Freunde W. Schrader
getadelt worden ift (vgl. Sp. 256 Jahrg. 1895 diefer Beitfchr.),
vermeidet Wilhelm Martens, jcheinbar ohne ſich irgend»
welhen Zwang anzuthun, unnötige Fremdausdrücke. Mit
anerlennenswerter Mäßigung ichent er ſich jedoch nicht, fremd⸗
ſprachliche Bezeichnungen anzuwenden, die einmal feftitehen,
md demen ihr geichichtlicher Duft durch eine Verdeutſchung
genommen werben würde (4. B. » Rejtitutionsedift, Quadrupel⸗
allianz, Koalition, Sezeilionstrieg, Konzil, Demarfations:
linie, Indulgenzerflärung« ujw.). Der Stil det Werkes ift
für ein Voltsbuc durchaus geeignet: in mappen Säßen ohne
blumenreiche Wendungen erzählt der Verfajjer die geichicht-
lichen Ereignifie und vermeidet alles, was die Klarheit und
Berftändlichkeit erſchweren fönnte. Zu bedauern ijt nur feine
Abneigung gegen die Beugungsendung des dritten Falles (e).
So fagt er ftets »dem Tod, dem Bund, dem Werke, auch
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradverein®, XI. Jahrgang. 18%. Nr. 3.
| Schüddekopf, Karl,
58
ba, wo fein Selbftlaut folgt. — Auf den Inhalt des Buches
fünnen wir nicht eingehen, glauben es aber mit gutem Ge—
wiſſen Laien angelegentlichjt empfehlen zu dürfen.)
Mennell, Arthur, Bismard: Denkmal jür das deutiche
Bolt. Sikans, Berlin, London, Paris, Melbourne 1895.
The Werner Company. Bolftändig in 20 Lieferungen zu
70 Pf. 1.2. Siderumg.
Zeitungsſchau.
Auffätze uſw. in Zeitungen und Zeitſchriften.
Gartner, Theodor, Die Überſetzbarkeit der Perſonen—
namen. Vortrag. Sonderabdruck aus den »Bulowiner
Nachrichten 1896.
Prinz; Heinridh und die deutidhe
Litteratur. — Voſſiſche Zeitung 19. 1.,2. u. 9. 2. 96,
Die deutihe Sprade rg bürgerlichen Gefehbud.
Leipziger Nachrichten 14. 1. 96.
Die Entitehung und Bildung der — Familen—
namen. — Magdeburgiſche Zeitung 8. 2. 96.
Münch, Wilhelm, Gedanken . —
Preußiſche Jahrbücher, 2. Het 96
Die on Bhilofophenfprade. — Tüglide Rundſchau
11. 2. 96.
Die Schreden der deutſchen Sprade. — National Zeitung
9.2.96. (Michtet ſich gegen unförmliche Wortbildungen.)
Jaenſch, Theodor, All-Dietih und All-Deutſch. — Täg:
liche Rundichau 6. 11. u. 8. 2. 96.
C. G. Bon der deutſchen Sprade. — Düfjeldorfer Nenefte
Nachrichten 5.2. 96.
Blind, Karl, Die Sprahverwandtichaft der Buren und
ber Deutjchen. — Berliner Tageblatt 3. 2. 96
Lienhart, Dr. Hans, Gruf und Anrede im Elijah. —
Staats» Anzeiger für Württemberg 31. 1. 96.
Menges, Heinrih, Die Nufaher Bornamen. — Jahrbuch
“Für Geſchichte, Spradye und Litteratur Elſaß-Lothringens.
XI. Jahrg. 1895. ©. 77—109,
NReinede, zu; Deutiches Bollstum. — Frei: Deutjhland.
17.11. 95.
Die deutſche Sprade und die Antifemiten.
Deutjchland 1. 12. 95.
Stord, Dr. Theodor, Thüringiich oder Thüringen’sch. —
Dorizeitung 26.9. 95.
FKarpeles, Guſtav, Der Berliner Boltsdialekt. — Voſſiſche
Zeitung 7. 12. 95.
— Frei⸗
Linhoff, Mattias, Nordernei oder Norderney? — Nor—
derneyer Bade- Zeitung und Anzeiger 19. 9. 95.
Über den Gleichktlang im Deutſchen. — Neue Züricher
Beitung 13. 12. 95.
Etwas über Mundartforihung in ber Schule — Mit:
teilungen und Umfragen zur bayeriichen Volkskunde, Beilage
zur Augsburger Abendzeitung. September 1595.
Die deutiche Sprade in denhöheren Schulen des Groß—
hberzogtums Luremburg — Hamburger Nachrichten
3.8. 95.
Piltz, O, Die Sette Comuni. — Berliner Börfen Courier
29. 11. 95.
Joachim, E., Allerhband zu Mofcherofh I. — Blätter für
das Gymnaſialſchulweſen XXXI. Jahrg. S. 665 — 677.
Kraemer, Paul, Die Entitehung des Namens des Hun—
des und der Hundenamen. — Der Hunde Sport,
1. Jahrg. Nr. 6 u.7. (Wende ſich zum Schluſſe gegen die
undeutihen Hundenamen und tritt für vaterländiich klingende
Bezeichnungen ein.)
Palin, Paul, Der Kaiſertraum im deutſchen Liede —
Leipziger Zeitung 16. 1. 96.
Undeutihe Gaſthoſsnamen. — 24 Einſendungen an den
Sprechſaal des General⸗ Anzeiger für Bonn und Umgegend,
Januar und Februar 1896,
59
Scheel, Billy, Eine franzöſiſche Gefhichte ber deutſchen
Sprade. — Boffiihe Zeitung 17. 11. 95.
Berlage, U., Das Deutfchtum zu Haufe und im Muss
lande. — Braunjcweigische Landes: Zeitung 4. 1. 96.
Über voltstümliche Ableitungen von Ortsnamen zur
Bezeihnung der Ortsbewohner. — Neue Püricher
Beitung 21. 12. 95.
Heinge, Prof. Albert, Die revidierte Bibel. — Zeilſchr. f. d.
deutichen Unterricht, heraudg. von yon. 10. Jahrg. Heft 2.
Hallier, Prof. Dr. Ernſt, Redet deutih! — Die Zukunſt
11.1.96. (E3 ijt erfreulich, daß eine fo vielgelefene Zeit:
fchrift wie die ⸗Zulunft · endlich auch einmal einen Beitrag
veröffentlicht, in dem, freilid ohne Bezugnahme auf unfern
erg doch für feine Beftrebungen eine Lanze gebrochen
wird.)
Die Schriftleitung ftellt den Lejern d. 3. die oben
aufgeführten Aufſäße ufw. gerne leihweije zur Ver—
fügung, bittet aber dringend um baldige Nüdjendung.
Der »Bormwärtsd« hätte ald Hauptblatt einer Partei, die fich Für
die wahre Arbeiterpartei ausgiebt, alle Urfache, Fremdwörter
möglichft zu meiden, um von ben Mrbeitern, die durch—
gehends von fremden Sprachen nicht viel wiſſen, verftanden
zu werden, Statt deſſen gefallen ſich die Mitarbeiter des
»Borwärtde in der üblichen Spracdhmengerei der meiiten
Tageszeitungen. — Im Dftober v. J. ſprach er von einem
(angenommenen) Bismardihen Bendetta- At — will
heißen: Rachethat. Wie viele Lefer des ⸗Vorwärts« mögen
wohl italienisch verftehen? Daß vendetta befonders Blut
race bedeutet und nur in diefem Sinne als Fremdwort im
Deutfchen, wie auch im SFranzöfiichen aufgetreten ift, fcheint |
dem ⸗Vorwürts« nicht befannt zu fein; fonjt würde ihm wohl
jelber die Abgeichmadtheit jener Anwendung des Ausdrucks
eingeleuchtet haben.
Zeitſchriftenſchau.
In dem neueſten Hefte der »Preußiſchen Jahrbücher«
(Nr. 2, Bd. 83) veröffentliht W. Münd »Gedanfen über
Spradihönheite, die befonderd an zwei Stellen unfere Auf:
merkſamkeit verdienen. "
Den Gebrauch mundartliher Sprache, jagt er zunächſt, an—
fechten zu wollen, wäre ungerechtfertigt; »aber was und Deutichen
% wünſchen wäre, und worin wir entichieden hinter anderen großen |
ationen zurüdjtehen, ift, da man neben der Mundart ſich felbjt |
oder die Jugend dazu bringe, die über den Mundarten jtehende
forgfältige Gemeinſprache doch auch jprechen zu fünnen... und
da, wo Torgfättige Rede ertönen foll, die Sorgfalt nicht bloß den
Konftruftionen und etwa der Wortwahl zuzumwenden, jondern aud)
dem Lautllang, was bis jegt auf deutichen Nednerbühnen, welt
lichen oder geiitlichen, oder beim Borlejen edler Schriftwerfe, auch
an den Stätten, wo vorbildliche Rede jelbftverjtändlich fein follte,
wie in Schulen, keineswegs Regel ift, fondern Ausnahme, und
was aud) der deutſche Sprachverein noch nicht zu feinen
Zielen zu rehnen jheint.e
Und an anderer Stelle: Die Sprache des Künſtlers (Dichters,
Schriftſtellers, Nebners) iſt »viel gewaltiger und majejtätiicher,
als die Sprache, wie fie dem allgemeinen Munde vertraut iſt;
ihre Fülle (d. h. die der fünftlertichen Sprache) ift viel größer,
fie umfaht Schäße, die in die Ferne entrüdt waren, die in Ver:
gefienheit untergetaucht ſchienen, folches, was in lichteren Höhen
ſchwebt und von dort geholt jein will, oder was ſich auf dem
weiten Geſamtfelde veritedt und verloren hat, was einft unter die
Frühe getreten worden, foldes, mas zu gewichtig ift, oder auch,
was zu ftil und einfältig, um den Amweden der Alltagsrede ges
recht zu fein. Au diefen Worten findet fich folgende Anmerkung
unter dem Texte: »Eins indeijen ſchließt fie jedenfalls da nicht
ein, wo fie gute, echte, höhere Spradye jein will, nämlich das
Eigentum der Fremde,
unjere deutſche Sprache eingedrungen ift, in der höheren und zu-
mal der feierlichen Sprache hat es kaum je feine Stelle gefunden.
Und ficherlich pflegt es ſich nicht in der Höhe zu Halten. Als
vornehme Wusländer find die meiiten Fremdwörter eines Tages
mit Ehren aufgenommen worden, aber nad) und nad ſanken fie
in die Sphäre des Gemeinen (wenn nicht in die plebejiiche, dann
doch in die Käffige oder die nicht recht ernſt gemeinte Spradıe)
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 3.
|
' Bung erit ber oberdeutichen,
mundartlich beitimmt i
60
naire, an extraordinaire, an amüsiren, malträtiren, malheur,
an jaloux oder generös ujw.«
Ob und wie der Spracdverein dem erjten Gebanfen näher
treten fönnte und follte, ift nicht jo furzer Hand zu jagen; doch
ift er jorgfältiger Erwägung wert.
Die zweite Stelle aber erfüllt mit gerehtem Erftaunen: Gute
Sprache enthält jedenfalld feine Fremdwörter! Ei, ei, Her
Deibrüd, ſolche Dinge dulden Sie in Ihrer Zeitſchrift? Iſt
Ihnen dieſe Schlechtigkeit entgangen, ober iſt es ein Zeichen, daß
unjer grimmigiter Gegner feinen harten Sinn zu erweicdhen bes
ginnt? Wir wollten uns bes lepteren freuen,
Buchruder.
Elberfeld.
Dies ift faum anzunehmen, denn noch im Sanuarhefte ber
Preußiſchen Kahrbücer« d. J. jagt Prof. Delbrüd auf S. 210:
>»... Gejeß gegen die illoyale Konkurrenz (ober wie es in
dem fürchterlichen modernjten Nunftdeutich heißt ‚unlauteren Wett-
bewerb‘). . .« Wer gegen einen fo Maren und treffenden Aus—
drud wie »unlauterer Bettbewerb« zu gunften bes verſchwom⸗
menen »illoyale Konlurrenz⸗ eintritt, der muß allerdings ein
»grimmiger Gegner« unferer Bejtrebungen fein, und gegen den
werden wir, troß aller Anerkennung jeiner wifienichaftlihen Be-
deutung und aufrichtiger Wertichäpung feiner Perſönlichteit, nad
wie vor, natürlich aber nur mit jahliden Gründen, kämpfen
müjjen. Die Schriftleitung.
Aus den Sweigvereinen.
rn ee In der Hauptverfammlung am
25. San, ſprach Oberlehrer Dr. Th. Mattbiad aus Hittau
über die Mundart im Spiegel der Schriftjprade. Knapp
die Anfänge der Entwidlung unfrer Scriftipradhe beleuchtend,
wies der Bortragende nad), wie diefe unfre fogenannte neu—
hochdeutſche Sprache troß ihres Namens infolge der Einmwirs
dann aber der mittelbeutichen
Drudereien, mitteldeutfcher fürftliher Kanzleien und namentlich
durch ihren gewaltigjten Förderer, den mitteldeutichen Luther, unter
Anlehnung an die oberdeutſche Schreibung im mejentlihen auf
mitteldeuticher Grundlage aufgebaut ift. Indem jo die Grundlage
. aber auch alle Abweichungen wieder aus
mundarilichen Zuflüffen erllärt werden können, wurde zur Kenn—
zeichnung des Weſens der Schriftiprache geradezu der Satz auf⸗
geſtellt, daß an der Schriftſprache alles Mundart und
nichts bloß Mundart fei. Zur Erläuterung desſelben wurde
einerſeits an einer Reihe von Wörtern z.B. niederdeutſcher Her:
kunt (wie: Maßliebchen, munden, Ohrfeige, Nüfter, pflüden,
Pfote, Zade) gezeigt, wie von einer Mundart dargebotener Sprach⸗
ftoff in das Gepräge der Schriftiprache umgejchlagen wird, ander:
feitö wurden Neihen folder Wörter angeführt, die auch für den
Bereich der Schriftiprache ohne weiteres in ihrer reinmundartlichen
Geitaltung Geltung gewonnen haben, indem durch Handel und
Verkehr, wirtſchaftliche Beziehungen und politiidhe Berbindumgen
mit der Sache auch die Benennung bis auf die Form durdhgei
wird, jo für Heringslafe (obd. Lache), Leinlafen (obd. Lachen),
Küpe, Küper (obd. Küfer) durch den Handel Norddeutichlands,
oder für Wippe (obd. Wipfel), Kippe, Riege, Red durch die
Turnſprache des Niederdeutichen Jahn; für Kroppzeug (obd. Kropf),
Schlappe, ſchlapp (obd. ichlaff) durdı das preufsiiche Heerweien;
für oberdeutiche Wörter wie Alm, Föhn, Firm, aper, Gleticher,
Tobel durch die Erichliehung der Alpen. Immer jenen Leitiag
vor Augen, zeigte der Bortragende jodann an zahlreichen, Ticht-
voll gruppierten Beifpielen aus allen Zeilen der Sprachlehre von
der Lautbildung bis zur Sapfüqung, dat fih die Mundart im
unbewuhten Widerſchein hauptſächlich auf 4fache Weife in der
Schrijtſprache fpiegle: 1. in der Gejtaltung der Yautbilder, 2. in
der Vermehrung und Veränderung des Wortſchatzes, 3. im der
‚ Mannigjaltigleit der Sapfügungen und 4. in der Hlangfarbe der
Eo tief und breit das Fremdwort im |
Wörter und Süße. — Der Rortrag ſchloß mit der doppelten
Mahnung, einerfeits die Schriftfprache als die geijtigere Sprach
jtufe den Mundarten gegemüber, als den gemeiniamen Träger
des deutichen Geiftes rein zu halten, fie getreu zu pflegen umd
weiterzubilden, anderſeits aber die Mundarten als den Urquell
der Schriftſprache auszjunügen, damit diefe vor dem Eritarren
bewahrt bleibt und die Deutjchen innerhalb und außerhalb ber
Reichsgrenzen ſich durch maßvollen Austausch ihrer Sprachformen
hinab. Man denfe an plaisir, bouteille, an &gal, merci, ordi- | immer lebhafter als lieder einer großen Geiftesgemeinichaft fühlen
61
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind XI. Jahrgang. 1896. Nr. 3,
lernen. (Der Vortrag wird im nächiten wiſſenſchaftlichen Beihefte
veröffentlicht werden). — In den Borftand iſt Archivrat Dr. Keller |
eingetreten. Direftor Gardemin ijt zum Borfigenden, Oberlehrer |
Dr. Werner zu defien Stellvertreter, Neltor a. D. Herrmann |
zum Schapmeifter, Oberlehrer Wappenhans zum Schriftführer |
erwählt worden.
Bonn. Aufammen mit den Amweigvereinen von Boppard,
Duisburg, Düfleldorf, —— Köln, Mainz und Weſel haben
wir zwei gleidlautende Schreiben an die Düſſeldorſer und die
Kölniihe Dampfſchiffahrts⸗-Geſellſchaft abgehen lafien, im denen
wir um WVerdeutihung der Fremdwörter in der Verwaltung und
auf den Dampfern der Gejellichaften bitten. — Im Anſchluß an
einen Angriff der Örenzboten auf die Bezeichnung » Hötel- Rejtaurant
Bater Arndte, jowie an die Umtaufe des bisherigen » Hötel Brenner«
in ein »Hoͤtel Eontinental« hat ſich im Sprechſaale des General-
Anzeigerd ein Federkrieg entwidelt, im dem fich erfreulicherweiſe
namentlich einige Studenten um das Deutjchtum verdient machen.
(Vergl. »Undeutiche Gafthofänamen« unter den Aufjäpen Sp. 58.)
Braunfhweig Nachdem der ftellvertretende Vorſißende,
Banthere Magnus, in der Sipung vom 24. Januar Rechnung
elegt hatte, erjtattete Oberlehrer Dr. Schefjler Bericht über die
Deren in Graz und entwarf im Anſchluſſe daran ein
anihauliches Bild von den Unterdrüdungen, denen die Deutſchen
in Oftreich befonders in Böhmen ausgejept find. — Eine er—
beiternde Blauderei des Oberlebrers Bogel über das Wort
·Gründe find wohlfeil wte Brombeeren« beichlo den Abend.
Ezernomwip. In der Hauptverfammlung vom 2, Februar d. 5.
wurden alle Mitglieder des Borjtandes wiedergewählt. Hierauf
bielt der Obmann, Prof. Dr. Th. Gartner, zwei furze Vorträge,
Der erjte handelte von der Überjepbarteit der Perſonen—
namen und ijt durch Drud veröffentlicht worden (vgl. »Auf:
ſätze ujw.e Sp. 58 d. N.); bei dem anderen »Diesjährig und
dies bezügliches« ging der Vortragende die furze Reihe der mit
died= und jen= zufammengejepten Wörter duch, gab an, für weldye
von ihnen er Belege aus Schriftjtellern bei Grimm und Sanders
gefunden hatte, beiprach die verichiedene Art der Juſammenſetzung
diefer Wörter und fam zu dem Schluſſe, da nicht nur das jchon
oft Pa te Wort diesbezüglich zu verwerfen, jondern auch das
in Norddeutichland Jeutgutoge gebrauchte Wort diesjährig nicht
u empfehlen jei; die im Norden, oder doc) wenigjtens im äußerſten
ordoiten übliche Beſchränlung des Gebrauches von Heuer und
heurig (nämlich auf den Wein) jei als eine landichaftliche Eigen-
tümlichfeit anzufehen. Der Fragelajten bot eine reiche Aus—
beute an Anregung und Beluftigung.
Dresden. Oberlehrer Dr. Karl Müller ſprach in ber
JanuarsSikung über die vollstümlihen Namen in der
Arzneitunde, worauf Oberlehrer Zähler drei jelbjiverfahte
Erzählungen in Tyroler Mundart * (Der weſentliche In—
halt des Bortrages über die Namen der Arzneimittel wird binnen
kurzem als bejonderer Aufjag in diejer Zeitjchrift ericheinen.)
Duisburg Profeffor Riden aus Ruhrort jprad am
1. Februar über Emanuel Beibel.
Elberfeld. In der Februarverfammlung unterhielt Ober:
lehrer Dr. Jahnke feine Zuhörer durch einen Vortrag über den
Vollsdichter Peter Zirbes, der, im Jahre 1825 zu Niederfeil
im Neg.s Bez. Trier geboren und in den beicheibenlien Berbälts
nifjen aufgewachien, ſchon jrübgeitig Dichtertalent offenbarte. Dies
erwarb ihm namentlid in dem Superintendenten W. Derter zu
Sobernheim, der ald Augendichriftfteller unter dem , Namen
W. D. v. Horm befannt ift, einen Gönner. Troßdem die Ge-
dichte von Zirbes mehrere Auflagen erlebt haben, ijt der Ber:
fafler bis im jein hobes Witer hinein nicht aus bedrängter Lage
herausgelommen. Bei jeiner geringen Bildung umd feinen lüm—
merlichen Verhältnifien iſt e8 um jo mehr zu bewundern, daß er
die Spradhe jo trefjlich meiſtert und fich eine jo heitere Gefinnung
bewahrt bat, wie jie uns in feinen Gedichten wahrhaft erquidt.
Ejien. Im Anſchluſſe an das Buch von DO. Weije ſprach
der Worfigende Brofefior Dr. Amme über Wefen und
Entwidlung unjerer Mutterſprache. Das Deutide, jo
führte der Medner aus, das ſich von den verwandten Sprachen
—— hatte, ſpaltete ſich wieder in Hochdeutſch und Nieder—
eutſch. Wie dieſe weſentliche Unterſcheidungsmerkmale an ſich
tragen, ſo auch die ſich zeitlich ſolgenden Perioden des Althoch—
deutſchen, Mittelhochdeutſchen und Neuhochdeutſchen, das es
| glieder wurden wiedergewählt.
‘ Beitungsanzeigen gebrauchten Fremdwörter.
62
namentlid durd Luthers Bibelüberſetzung zuerjt zu einer einheits
lichen Schriftiprache brachte. — In der Sprache fpiegelt fich das
Weſen eines Volles; danady find nicht nur Romanen und Ger-
manen, ſondern aud Ober: und Nieberdeutfche deutlich unter:
fchieden. Unſer Wortihap anderſeits giebt uns noc heute ein
anfchauliches Bild früherer Hulturzujtände, und mit ben einzelnen
Stufen unſerer Hulturentwidlung fteht der jebesmalige Stil’ im
engiten Zuſammenhange. Co folgen aufeinander die Anſchauungs—
weiſe der Mönche, der Ritter, der Bürger, da& Eindringen der
lateinischen Bildung, fpäter der Welſchſucht, die Zeiten der Auf-
Härung, der Empfindjamleit, des Sturmes und Dranges, der
klaſſiſchen Dichtung mit ihrer Anlehnung an die Antike, endlich
der romantijchen Dichtung und der modernen Wiſſenſchaft, ſowie
des »Papieritild« unferer Tage. Aufs einzelne eingehend, bes
leuchtete Redner dann noch das innere Leben der Wörter, foweit
es in Geſchlecht und Bedeutungswandel ertennbar iſt.
Graz. In der zahlreich beſuchten Nahreshauptverfammlung
am 17. Januar entwarf zunädjit der Obmann, Brofefjor Dr. Khull,
ein Bild des Aweigvereines im Jahre 1895. Der Berfud) des
Obmanns, die faufmännifchen Kreife für die Sache des Vereins
zu gewinnen, ſcheiterte an deren Teilnahmlofigteit; dafür aber ge-
lang es, die afademifchen Kreife und eine Reihe von Lehrern der
Grazer Hochſchulen als Mitglieder zu gewinnen, außerdem ift
begründete Hoffnung vorhanden, dab in abjehbarer Zeit ein afa=
bemijcher Zweigverein in Graz ins Leben tritt. Auch zahlreiche
Lehrlörper und Lehrervereine traten dem Aweigvereine bei, jo daß
ſich defjen Mitgliederzahl von 161 auf 205 bis zum Schluſſe des
Jahres und auf 265 vom 1. Januar 1896 an gehoben hat. Der
vorgelegte Kupferſtich der Mitgliederfarte wurde von der Ver—
lammlung abfällig beurteilt, Proſeſſor Aurelius Polzer tadelte
bejonders die lateiniſchen Buchſtaben des Wahljpruches. In den
Ausſchuß wurde neu berufen Staatsanwalt Emft Steiner (an
Stelle des erkrankten Profefiors Karl Belger), die übrigen Mits
ierauf hielt der Obmann einen
geſchichtlichen Vortrag über ein Ereignis der Völkerwande—
rungszeit, und Proſeſſor Aurel. Bolzer las einen Abſchnilt
aus Guido Liſts Walkürenweihe« vor.
Hannover, Nah Neuwahl des Vorſtandes in der Januar—
‚ fipung machte der Borfipende, Direltor Ramdohr, die Mittei-
lung, daß ſich die Thätigkeit des Vereines in der nächſten Zeit
auf die folgenden Puntie richten wiirde: 1. Zujammenftelluhg
der brauchbarſten VBerdeutihungen zum allgemeinen Gebrauch aus
den Heften des Sprachvereins (die Mitteilung derjelben foll in
Form eined Vortrags und durdy die Prefie erfolgen); 2. Inan—
priffnaßme der Handelsſprache, auf Grund des Berdeutichungds
uches von Eigen; 3. Einwirlung auf die Befeitiqung der in
Zur Ausführung der
beiden legten Aufgaben wurde ein bejonderer Ausichuß eingejeßt.
Magdeburg. In Verbindung mit der Ortsgruppe des Deut-
ſchen Scyulvereins veranjtaltete der Zweigverein am 17. Januar
eine Öffentliche Feier zur Erinnerung an die Wiedererrihtung des
deutſchen Kaiſerreiches, die durch eine Anſprache des Epradwver:
re ag OberlehrerDr. Anode, eröffnet wurde. Den Mit:
telpunft des Feſtes bildete das Schauſpiel »Gejühnt«, das, von
einem der Vorftandsmitglieder für dieje Gelegenheit verfaßt, die
Begeiiterung für das deutjche Vaterland vor dem proben Kriege
und während desjelben widerfpiegelte und ebenjo mie die übrigen
Darbietungen allgemeinen Beifall bervorrief.
Marienwerder. Am der gut bejuchten Verſammlung am
14. Febr. berichtete der Borfigende, Gymnafialdiretter Dr. Brods,
über die Thätigkeit des Vereins im verfloffenen Jahre, worauf
Oberlandesgerichtsrat Erler einen Vortrag über die Sprade
des zweiten Entwurfs eines Bürgerlihen Geſeßbuchs
für das Deutſche Weich hielt. Der VBortragende gab zunächſt
eine Überficht über die Entitehungsgeicichte des Entwurjs, bes
gründete dann den Eap, daß die Spradie des Gefepgebers rein,
richtig und ſchön fein müſſe, und zeigte hierauf an zahlreichen
Beiipielen, inwieweit der Entwurf diefen Erfordernijien genüge.
Sein Gejamturteil jahte der Redner dahin zufammen, daß dies
Wert der Gelepgebung, von einigen Unvolllommenheiten abgejchen,
eine jprachliche Mufterleiftung daritelle, die geeignet fei, für unjere
geſamte Gerichts>, Amtss und Geſchäftsſprache im beiten Sinne
vorbildlich zu wirken.
Münden. Die Reihe der Wintervorträge eröffnete am
13. Dezbr. v. 3. Herr Lehrer Derel mit einem Vortrage über
63 Zeitſchrift de# allgemeinen beutihen Sprachvereius. XI. Jahrgang. 189%. Nr. 3. 64
die a des Spradhunterrihts in der Volks- | und feine »exquisiten« Speilen dem Zmweigvereine Berlin: Char
ihule Eine Art Fortfeßung dazu bildete am 10. Jan. der | fottenburg wicht zu empfehlen; denn durch eine in diejem greu—
Vortrag Brofejjor Brunners über die Pflege der Mutter- | lichen Kauderwelſch abgefahte Anpreifung jchredt er die Mitglieder
fprade in den Gymnafien. —— ab, > Ange —
Ratibor. Der Vorſitzende, Oberlehrer Reinitz, ſprach in dre Zweigverein Boun. Das fühliche Geſchlecht von »Lohn⸗ i
Januarſihung fiber Uplande Leben und feine Werte, in der Schriftipradye allgemein üblich, jojern das Wort nicht in
Stettin. In der Sitimg am 18. Februar gelangte der | feiner edleren Bedeutung (ald Vergeltung für eine That um.)
Stadthaushaltöplan von Greifenhagen zur Kenntnis der Mit: gebraucht wird. Urjprünglid ift e vorherrichenb geweſen und in
lieder, Derfelbe ift, wie jolort fejtgeftelt wurde, unter Aus— Dftdeutichland auch in der gefprodienen Sprache, wenngleich nicht
J
chluß jeglicher Fremdwörter abgefaßt worden. Das Verdienſt für rn I och ben rd ——— =
diefes nachahmenswerle Vorgehen der dortigen Stadtvertretung | Yuan erhält ie großen Wörterbücher führen übrigens fämtlid
gebührt dem Bürgermeifter Wadehn zu Greifenhagen. Möchten Gelbe Gejchlechter — Ee dürfte daher der Ausdrud er 3 Boten:
diefem Beiſpiele auch andere und größere Städte nachfolgen! : ar J
ohn«, wie er in d ordruden der u finden ijt, unans
Sulingen. In der Januarverfammlung ſprach Herr Lehrer —— ſein. en R a a
Kleine aus Rathlojen über das Bolfslied »Heil dir im Sie—
gerfranze, wobei er ausführte, dab es zwar auf dem englijchen
»Gode save the kinge beruhe, aber nicht geraden Weges von
England zu uns herübergefommen jei, fondern den Umweg über
Dänemart gemadt habe. Aus einem preußiſchen Liede jei es
dam 1870 zum deutjchen Nationalgejange geworden.
errn J. H. ... Ludig. »Euer« in »Euer Majeftät« ujm.
iſt die flerionslofe Form des befiganzeigenden Fürwortes, die zu:
nächjt nur für Nom. und Ace. gilt, in unferem falle jedod), wo
es jich um eine feierliche Formel handelt, vielſach aud im Gen.
und Dat. beibehalten wird. Es konnte dies um jo leichter ge:
ſchehen, als dieje Umſchreibung der Perſon meift durch Haupt:
wörter weiblichen Geſchlechts in der Einzahl erfolgt, Gen. Dat.
alſo »enrere lautet und fomit der Form »euer« fehr nahe fommt.
(Belanntlich wird daher umgelehrt »eurer« fir seuer< gebraucht,
vgl. 3. B. Matthias, Spradhleben und Spradidäden, S. 63/4).
Zuläjfig iſt alſo im Gen. Dat. »Euer< und »Eurer« und bei der Mehr:
beit » Gnaden⸗ »Euer« und »Euree. Auch im Nom. und Xce. iſt
Eure Mojeität« neben »Euer Majejtät« nicht anzufechten. Den
vorbherrichenden Gebrauch feitzuftellen, wird um fo ſchwieriger fein,
als die Abkürzung »Ew.« für alle Fälle angewender zu werden
pflegt. — Das Geſchlecht der umjchriebenen Gerion fann natür-
lich an »Euere nicht zum Ausdruck fommen, da diejes fi ja
allein auf das (weibl.) umſchreibende Wort bezieht. Dagegen die
Zahl fan ausgedrüdt werden, man wird wohl häufiger -Eurt
Dajeitäten« als »Euer Majeftätens jagen, wenn ein Königspaat
angeredet wird. — Über die Bedeutung des Gafjennamens » Hübel:
peint« fünnen wir Ihnen leider feine Auslunft geben. Vielleicht
iſt einer der Leſer dieſer Zeitichriit dazu in der Lage.
Herren U. und R...., Heidelberg. Bu unjerem Bedauern
fönnen wir Ihnen nicht mitteilen was die Herren %. MWaner & Eike,
Großherzogliche Hoflieferanten in Karlsruhe, Nondelplap 24, in
ihren Gejchäjtsanzeigen mit dem Ausdrude Neuheiten der unit:
induftrie in exiquitenter Auswahl« jagen wollen, da feines
der zu Nate gezogenen Wörterbücher darüber Auskunft giebt. Ber
mutlich meinen fie »exquisite, oder follten fie geſuchi haben, durch
Erfindung eines neues Fyremdwortes ihrem Namen höheren Glan;
zu verleihen? Die Herren Mayer find übrigens wenig folgerichtig:
jie jprechen von »Lustres, Candelabres, Cachepots«e und dann
von »Pendulen« und verwenden nun gar noch eine Reihe rein
deutjcher Ausdrüde. Warum denn nicht alles franzöfiih? Des
wäre doch weit nobler!
Brieftfaften,
Herr V. Ehwebly in Schwerin. Bu der von H. Dunger
auf S. 8 diefer Zeitichrift gegebenen Erklärung der Nedensart
»mein Geld ijt fein Blech« bemerken Sie, dak man in Ihrer
Heimat fage »min Geld is oot feen Blie. Dies ift eine ſchätz—
bare Beftätigung der an jener Stelle gegebenen Erklärung. Wenn
Sie aber die Vermutung aufitellen, daß leptere Wendung die
urjprüngliche fei, dak man Blech aus Blei verdreht habe, jo iſt
dem jchwerlich beizuitimmen. Denn Blech und Blei bezeichnen
in gleicher Weife das Unechte, Wertloje gegenüber der echten
Münze aus Edelmetall.
Herrn Dr. €, Franfe, Borna. Perbindlichen Dank für Ihre
Mitteilung zu der Beiprehung über »Borjipendere im Spredh= |
jaale Ep. 7 d. Jahrg., daß »Borjigere ſchon mittelhochdeutich
vorhanden it, und dab es, wie Sie im Wiſſ. Beihefte Mr. 111.
©. 104 bereit3 erwähnt haben, auch von Wieland gebraucht wird
(Bol. Ariftipp I, 43 [Hempel 7. 25, ©. 189]: »Der Voriger,
Epijtates genannt, iſt das Haupt der Nepublife).
Herrn Dr. M,...., Zittau. Wir teilen Ihre Beiriedigung
darüber, daß im neuen Reichstagshauſe nur deutſche Bezeich—
nungen für die einzelnen Teile des Gebäudes und ſeine Einrichtung
(}- F » Wandelhallen«, Kleiderablage⸗ jtatt »Barderobe« ulm.)
angewandt worden find. Daß ſich der Fehler »unentgeldlich« noch
immer auf den Auſchlägen findet, ift freilich unbegreiflich.
Herrn P. Z. . . Stettin. Nach dem uns freundlichit übers
jandten Briefumichlage zu urteilen, der den Stempel » Ketour«
trägt, icheinen die Grundſähe unferes Ehrenmitgliedes Erzellenz
von Stephan leider bei der bayriichen Poftverwaltung noch nicht
in allen Punkten Eingang gefunden zu haben. Sollte fich in
Bayern wirklich das ſchöne Wort »retour« jo eingebürgert haben,
daß jeine Erjepung durch »zurüch« gefünftelt oder gar unverjtänd-
lich erichiene? Wir möchten das bezweiſeln.
Herrn Reltor 9... ., Berlin. Der Befiper des »Cafe
Bellevue« am Nummelsburger See, Herr Paul Timm, bütte
beſſer geiban, jein > vis-A- vise der Gewerbe: Ausftellung befind:
liches » Etablissement« mit »neurenovierten« Sälen, »Verandas«
Geſchäftlicher Teil.
In Toltemit bei Elbing (Weftpreufen), in Makel (Poſen
und in Kamenz (Star. Sachſen) haben fich neue Zweigvereine
gebildet, deren Vorfigende in Tollemit Kantor Wiederhold, in
Nalel Eifenbahnbauinipeftor Weife, in Kamenz; Schuldireltor
Käbter find.
Geldfendungen und Beitrittserflärungen
Briefe umd Dru eiachen fir die Vereinsleitung
find an den Vorſidenden. an den Schapmeihter,
Operitleutnani a.D. Dr. Mar Jahns in Berlin W. 10, | Berlagäbuchhändler Eberhard Ernit in Berlin W.S,
Margarrtenjtrafe 16, | Wilhelmftrabe W,
Briefe und Drudjacden für die Zeitſchrift find an den Herausgeber, Oberlehrer Friedrich Wappenhans in Berlin N. W. 23, Altonaer Strahe 3,
ige Briefe und Zuſendungen file die Wilienihaftliden Beihefte an Profefjoe Dr. Paul Bietich, Berlin WM, Mopftraße 12
zu en.
Die Jahrgänge 1886-1895 der Zelſchrift werden gegen Einfendung von | Die Verdentihungsbüder: I. Die Speilelarte (2. verb. Aufl. 8 #..
UML, an den Schapmeiiter Loftenfrei Übermittelt; 1856,87 allein = 4 M., 1. Der Handel (2. fehr verm. Aufl. GO Pf), IH. Das häueliche uud
1888 bis 15% allein = je 2 Mt, t gejeltihafrlihe Leben (KOPF. IV. Das deutiche Namenbäd:
Aufrufe, Satzungen und einzelne Nummern der Zeitichrift, zum Zwecke tein (0 BR.), V. Die Amtssprache (0 Pf.) und VI. Das Berg-und
ber Ausbreitung und Förderung des Vereines, ſtehen bei dem Borfigenden | Süttenwehen (0 Pf.) find durch den Echapmeifter ſowle durch dem Bud
unentgeltlich zur Berfilgung, hambel zu erbalten.
= dur die Scrifuenung verantwortlich: Friedrig WBappenbans, Berlin. — Verlag des allgemeinen deutſchen Sprachvereins (Hihns und Eraft), Berlin.
Dru der Buchdruckeretr des Walſenhauſcs In Halle a.d. ©.
DZeitchri
Al. Jahrgang Ar. 4.
1. April 1896.
7
algemeinen’deuffchen Sprachueseins
Regrimdefvon Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorjtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Zeitichrift erichelmt ihrlih zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemelmen deutſchen Epracjvereins unentgeltlich
geliefert (Sadung 4).
Die Zeltſchrift kann auch durch den Buchhandel oder die Poſt I
zu SM. jährlich bezogen werben. — Ungelgenannahme durch den Schapmelfter
Eberhard Ernit, Berlin @. 8, Wilbelmfer. 90. — Auflage 15000,
0000000000200 ——— — — — — — — — — — nn — —— — — ——— —
Inhalt: Vollstümliche Namen der Arzneimittel. Bon Carl Müller. — Kleine Mitteilungen. — Sprachliche Muſterleiſtungen. —
Aus den Zweigvereinen. — Brieftaften. — Gejchäftlicher Teil.
Voltstiimlibe Namen der Arzneimittel.
Miteiner feiner Anſicht nach genügenden Kenntnisdes Lateiniſchen
und Griechiſchen tritt der »neue Lehrlinge an jeine Thätigkeit in
der Apothele heran, ſieht fih aber zunächſt den Aufichriiten der
Gefäße wie ben Kunden gegenüber verlajien genug. Jene zei—
gen wenig von dem Latein, welches er gelernt hat, dieje fprechen
fehr oft unter dem Anſchein voller Bertrautheit mit der Sache
echt lateiniſch Mingende Namen aus, die e8 aber in der Apothele
»gar nicht giebt.« Weder ben Spiritus Ablitus noch Acmonacerus,
weder Hussarius nod; Harmonium vermag er an den Flaſchen
oder im Arzneibuch ausfindig zu machen, noch weniger aber die
beutfchen Bezeichnungen, die das »dumme Volle den gewünſchten
Mitteln giebt. Was ihn allenfall3 noch außer Fragen nad) der
beabfichtigten Anwendung auf die richtige Spur führen fann, das |
ift der Klang des gehörten Wortes. Denn das Bolt kennt die
lateinijchen und beutfchen Namen zumeift nur vom Sörenfagen,
es wird alfo je nach der mundartlichen Ausſprache den ungefähren
Klang des fremden Wortes wiedergeben.
Am meiften werden noch die Endungen um und us von dem
Zateiner aus dem Bolfe fejtgehalten oder eigenmächtig angehängt.
So ijt im Astraksikus außer der Endung nichts lateinisch als die
Silbe ax, die dem Mel boraxatum entnommen iſt (deutich u. a.
als Rofahonig mit Borag verlangt). Extractum Saturni wird
zu Extractus Sancturnus, wenn nicht zu einem Extraſaturn oder
gar zu Extras Dom. Ja ſelbſt deutjche Wörter werden mit latet-
nifcher Endung verjehen: mit Juncetum beſchönigt man die Juck—
falbe. In anderen Fällen jucht man das Feinere auf französ
fiihem Pfade: Sanftorifraut beruht auf franzöſiſcher Ausſprache
ber Herba Centaurii (benannt nad dem fräuterfundigen Cen—
tauren Ehiron, deutſch Taufendgüldenkraut, als bejage der lateis
nifche Name nicht nur centum aurei, d. i. hundert Gulden, fon-
dern taufend). Die Halbbildung jpricht das Caragheenmoos als
Karajdeen aus, daraus entwidelte ſich das Koraſcheenermoos
und das Karafeenwos. Die auf frangöfiiher Betonung und Aus:
fprache fuhende Anſchlike (Angelique) führte zur Glücken- oder
Slithenmwurzel, während die deutihe Betonung die lateinijche
Angelica (Engelwurz) als Angilfen, Onegilfen, Anergulfen, Artel:
Hee erjcheinen läßt; lehterer Ausdruck wird ind Hochdeutfche übers
tragen zu Argellleinwurzel. So fann man die Wirkung deutſcher
und fremder Betonung an ein und demielben Worte wahrnehmen.
Im allgemeinen ift aber das Bejtreben erfennbar, das fremde
nad) den Bedürfniffen der deutſchen Zunge einzurichten; ja das
Volt hat bei aller Achtung vor dem Klange eine Scheu vor dem
Lautſtande des lateiniichen Wortes. Vielfach, wirkt dabei der Trieb
zu Verkürzung: Coccionella wird zu Kuhenelle, Koriander zu
Klander'), Auripigment zu Bopperment. Unbequeme Konfonanzen
werden bejeitigt durch Angleichung: Dietamnus wird zu Tiptap,
Dactylus zu Dattel, Zitwer zu Zibter, oder durch Einjchiebung eines
Votald: Natterum (Natrum). Noch wirtjamer für Umgeftaltung
des fremden Namens ift der Wunfd, ihn dburd einen bes
fannten, einheimijhen Klang zu verdeutlichen, wenn fid
auch mit dem fo entjtandenen Worte fein wirtliher Sinn ver:
binden läßt. Da erſcheint Guttapercha als Guterbergen, Päonien
als Buttententhee und Patentblätter, Cataplasma als Salteplas
ober Katerplas, die Coloquinte als Kalte Quinte, Duintappel,
' Quittenappel, Galanga als Gallerjan, Baldrian als Balderjahn,
Faltrian, Bullerjahn, Polterhannes x. Die Latwerge, ſelbſt
ſchon eine Enttellung aus electuarium (fon mittelhochdeutich
Lederwarte) wurde zu Lattwärde, Lattwerte, Ladwürge, zum
Latwergel, Flachwerk, Glattwert, Glattwürger; das Purgierpulver
zum Begehrpulver, die offizinelle Bezeichnung laxaus führt zum
Larmeier und Lariermus. Aus Morjellen wurden Mamſellen
(Windmamfellen = Mors. e. flatulentiam). Nın befannteften ift
wohl die Umdeutſchung von Unguentum, Salbe, in Umwand,
umgemwandt, angewandt, Entwendung, insbefondere des Ung.
digestivum in umgewandte Diebestieffalbe, Didenjtief, ja Degen:
ftiefel, de$ Ung. Neapolitanum in umgewandten Napoleon, bes
Ung. contra Scabiem in umgewandten Schabrian, Schabad,
Schubjad, Scharbod x. Wollftändig deutſch ift Emplastrum ges
worden in Pilafter; natürlich wollte man da auch die Beinamen
nicht rein lateiniſch laffen; jo wird das Empl. diachylon zum
doppelten Diafonuss oder Ardidiafonuspflafter und durch die
Form Driafel hindurch zum DreisJalobpflafter. Die größten
Schwierigleiten macht dem Volfe die Ausſprache des Empl. oxy-
eroceum, aber gerade am dieſem verfucht ſich die Sprachlunſt
des Volles am eifrigften. Unter Betonung der zweiten Hälfte
eroceum entjteht Kruzius⸗, Krruzifix⸗, Areuzs, Kreuzzugpflaſter,
mit dem oxy zulammen: Ochfentruzius= (in Hamburg Offentritz-),
Ochſenkrauts⸗, Ochſenkopf-, Brummocdjenpflajter (feiner Büffel:
topfpflafter); außerdem: Epskruzius, Erefrution, Nekrutenpflafter,
Hurenfruren, Accaſia- und Accidenzienpflaſſer. Aus letzterem ent
wicelte ſich Accisthorichreiberpflafter, auc) kurz Thorwartpflafter.
1) Wechſel zwifchen r und I wie in Balbier, Marmel(ftein),
Mörfel, Martel, Chilche (= Kirche), Kiefel (= tiefer) uf.
67 Zeitfhrift deö allgemeinen deutſchen Sptachvereius. XI. Jahrgang. 18%. Nr. 4. 68
Mit dem Thorwarts vereint fid das Thürbandpflafter, das ſich
aber jelbjtändig aus Derband, Theerbanb u. a. ergab, und das
Portchaiſen⸗, Poſtchaiſen⸗ und Chaifenträgerpflaiter. Welchem
Reichtum verhalf das Streben, mit dem fremden Worte fertig
zu werden, zum Dajein! Ein Wort, das Silbe für Silbe
ſchöpferiſch wirkte, iſt praecipitatum. Die erjte und Iepte Silbe
find am frudtbarften: Brüßepoetat, Blötidat, Nebrifebetad,
Brinzrapperat, Prinzipitat, Prinzipal, Prinzenſalbe, Prinzme-
talljalbe, Deputatjalbe, Prinzdeputatialbe, Potentatenialbe. Auch
die mittleren Silben eipit ſchufen neue Wörter: Fitterjalbe, Zitrach-
falbe. (Die Bieratjalbe dagegen geht zurüd auf Ungt. Cetacei.)
Daß man es aber hier nicht bloß mit Unbeholjenbeit ober
ſprachlichem Unvermögen zu thun bat, ergiebt ſich daraus, daß
das Volk nicht nur lange und fchiwierige Fremdnamen ſich auf
feine Art mundgerecht zu machen jucht, fondern fid) fogar an die
Abkürzungen biefer Namen wagt, die es beim Warten in ber
Apothete auf den Gefähen ftudiert oder in alten Rezeptbüchern
findet. Mit ihnen treibt es geradezu fein Spiel. Speclies)
Lignor(um) deutet es fic) als ſpitze Lenore, Ung(uentum) gris(eum)
als Unfengries, nitriefum) als niedrig, Terebinth(inae) als Ver-
bind (jpirituß, auch Spiritusbinde), foenieul(orum) ald Fehnkohl
(auf landſchaftlicher Ausſprache von Fenchel dagegen beruhen
Pfentſchel, Findel- und Fingelthee, vgl. Lavendel: und Lavengel:
öl). Olleum) spie[ae) erhält die Namen Spietöl, Spedöl, Epiel-
nardenöl, Spipnervenöl. Aus Tinct{ura) rob(orans) Whytt(i)
ergab ſich ein Nobert Witt, au Sem(en) Staph(is) agrliae)
Staffadrian und Steffens Körner, aus Stine(us) marin{us) natür-
lid, eine Stintmarie, aber auch eine Steljmarie, Sternd® Marie
und Stolze Marie. Der Name Marie führt aber auch noch auf
Rosmarin und Herba Marrubii zurüd. Empl. meliloti hat dem
Lottenpflafter zum Dajein verholfen (außerdem dem Motten,
Klamottens, Pernoten- und Minutenpflaiter), der volle Name
Charlotte aber entjprang der Tubera Jalapae, eine ſchmale Sophie
ben Folia Salviae (Salbei, aud raue Salbe genannt und leicht
zu dem Irrtum veranlafiend, man verlange anjtatt eines Thees
die graue Salbe, Ungt. ciner.). Auch eine feine oder faule Grete
giebt es neben dem Vielemargaretenpulver, eine Entjtellung aus
foenum graecum, wofür aud) die Abkürzung Fönugrät mit ihren
mundartlihen Verballhornungen Finnekritt umd Grinnegritt an-
geivendet werden.
Wenn übrigens das Volk jo viele Mädchennamen in der
Apothele vertreten fand, jo wird es uns nicht wundern, daf in
ihr aud) eine Altepuſſade vorfommt. Freilich gebt diefe auf Arte
bufade zurüd, ein Wort, in dem ſich noch die erfte Handfeuer—
waije, die Arlebufe, erhalten hat. Der deutjche Name Halen—
büchſe (niederl. Haalbus) fünnte in der Hadebufjade gefunden
werden, doch hat das vielgebrauchte Wundwaſſer noch eine ganze
Reihe Bezeihnungen: Arrebufate, Araunpufjade, Arkepaſſarge,
Arapejara, NArerpufiarer, Alopojalöl, Adebojade, Aderpojaune.
Mit der Belichteit eines Mittels fteigert ſich die Zahl jeiner
Namen, und jelbjt der Ausiprache nad) leichte Fremdnamen wer
ben umgedeutet, gleichſam als wollte man ſich das hochgeachtete
Mittel durch einen deutichen Namen näher bringen, als dürfe
Vielgebrauchtes fein fremdes Gewand tragen. So wird die Althees
falbe u. a. gedeutet ala Alte Ehjalbe, Altbeiljalbe, Alteſchadenſalbe,
die Aloe als Allweh, Aalefjenz, Allwine Kathrine.) Man jiebt,
bier geht das Streben des Volls noch weiter als in den früheren
1) re Stelle der Englischen Comödien und Tragödien
v. J. 1624, 3.3" macht wohl die Bedeutung dieſes Namens
Har: »Ja er fol jie kriegen, die ſchnelle Katharinen, meyne ich,
vier wochen nad) einander!« Aljo von zeteiger — purgare.
Beifpielen: e8 will nicht nur einen ähnlich Hingenden be
fannten, jfondern zugleich aud ſinnentſprechenden ober
doc jinnvollen NAusdrud. Banfnotenöl, Bergfnabenöl und
Perlmutteröl find gleich unfinnig an Stelle von Bergamottenöl, finn:
voller iſt ſchon Entſetzenspulver für Anieltenpulver, aber wirllich
treffend muß die Verdeutſchung von Herba Prunellae, Braunelle,
in Brauns und Bräumbeil eriheinen, wenn man weiß, daß das
Kraut als Heilmittel gegen die Bräune galt. Gegen Ohrenleiden
wurde angewendet die Radix Eryngii (Mannstreuwurz), daher
erflärt fi) der Name Orengelwurz: bier ijt der feidende Teil und
zugleich wohl ein helfendes Wefen bezeichnet. Mit Martertropfen
meint man Tinct. amara, vgl. das bittere Leiden, mit Aastropfen
die Asa foetida, auch Stinfajänt genannt. Hier verhalf alio die
Sache im Vereine mit dem Klange zu Ausdrüden, die man als
finnvolle Eindeutfchungen bezeichnen fan. Wohl eine der ältejten
ift Augennichts, womit das Zinforyd bezeichnet wird. Da diejes
beſonders bei Hugenleiden verwendet wird, erklärt fich der erite
Teil des deutichen Namens. Nichts aber gebt zurüd auf lat. nix,
d.h. der Schnee: als nix alba wird das Zinforyd wegen feiner
ÜHnlichteit mit Schneefloden ſchon von den Allen bezeichnet. Da
num die bei Erbipung des Zinks fortfliegenden Floden eine Ver-
bindung von nix mit Nichts nahe legten, jo nannten jchon die
Nichemijten die alba nix Weihes Nichts, Nihilum album gegen:
über dem blauen Nichts (Anutimonium crudum). Daraus flof
die vollstümliche Benennung Weißnichts jowie das Sprüchwort
Nichts ift gut für die Augen (Val. meine Bemerfung im der
Beitichr. für den deutjchen Unterricht V, 101 jowie die Ausdrüde
Hüttennicts, Drög nicht (trodemes Nichte), Drögnis (Troden-
heit), Keingeſichts, Hüttenraud)).
Nicht minder groß ift die Zahl volfstümlicher Namen, —
nicht ſowohl der Klang des fremden Ausdrucks ſchuf, als vielmehr
die Sache mit ihren Eigenfchaften, ihrer Anwendung
und Wirkung. Hier gebührt dem jchon im Althochdeutichen vor:
bandenen Quedjilber die erjte Stelle. Es ift die treffendite Über:
jeßung des Argentum vivum, jteht doc qued, quic in Urver—
wandtihajt zu virus (vgl. erquiden und Quidbom; aus dem
Dresdener Quedbrunnen holte der Storch die Kinder), und das
Wort verjinnlicht das Weſen des Gegenſtandes fait noch befier
als das griedh. Hydrargyros, d. i. Waſſer- oder Flußſilber.
Schr finnig heißt die Quedfilberialbe im Volle Getötet Qued—
füber: durch die Verbindung mit Fett wird das fo lebendige
Silber gebunden, gleihjam tot. Vielleicht denkt das Wolf bei
dieſem Ausdruck aud an die Tötung gewiſſer Lebeweſen, bie
von diejer Salbe bewirkt wird. Kat dod gerade die Scheu, das
Kind beim rechten Namen zu nennen, eine große Menge deuticher
Bezeihnungen hervorgerufen. Die einfadjte für Ung. contra
pedieulos ift graue oder blaue Salbe — wer bier für Salbe die
fonjt jo feine Pomade einjegt, wird ſchon allzudeutlih. Sogat
zu Blubutter greift der Trieb nad) Beſchönigung, ohne dabei aber
etwa an blaugejärbte Margarine zu denfen. Der graue Vivat
ift natürlich nur ironisch gemeint, denn um Arg. vivum handelt
es ſich ja nicht. Wenn aber diejelbe Salbe auch graue Wandel-
falbe heißt, ſo geht diefer Name entweder auf Ummand um.
zurüd — Unguentum wäre dann doppelt verdeutjcht, vgl. Lind-
wurm, Scaltsfnecht ujw. — oder auf Wand, d. h. Gewand (vgl.
Leinwand), giebt es doch auch die ganz unverblümte Bennenung
Gewandlausicmiere. Die jcherzende Verſchämtheit der Hand
werfäburichen wählt dafür den Namen deutiche Reichskäferſalbe,
der freilich auf eine weite Verbreitung des Übels in deutſchen
Landen jchliehen läßt; vaterländiſch gefinnte Landjtreicher greifen
lieber zur Franzofenfalbe. In höhere Kreiſe dringt das Mittel
69 Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 4. 70
als Reiter-, Ritter- und Meuterjalbe, falls hier nicht an bie
Strauchritter zu denfen ift, die jedenfall mit der Räuberſalbe
getroffen werben follen. Daß es aber auch als Militär- und
Soldatenfalbe (verhüllend Sowafalbe) bekannt ift, beruht wohl auf
einem wenig ſchönen Verhalten der Musketiere: dieje wollten die
Mustetierfalbe nicht auf ſich allein ſihen laſſen, die aber doc
nur eine Erweiterung der Muslenſalbe iſt, d. 5. ber Salbe
gegen die muscae, d. i. die fliegen; die Fliege iſt in der Kunden—
fprache die ganz unjchuldig Hingende Benennung für das Weſen,
dejien Haupteigenſchaft in derſelben Sprache aud) zu dem deut:
licheren Erſatzwort Biene und fomit zur Bienenfalbe führte. Die
muscae wurden übrigens aud) mit der befannteren Endung us
verjehen, die ald Musfus!) bezeichnete Salbe fann da leicht auch
den Mufikus in Mitleidenfhaft ziehen, der fich faum jo Leicht helfen
fann wie ber Musketier, wie der gemeine Soldat: diefer nämlich lädt
ben ihm zugejchobenen Anteil an der Salbe an eine andere Stelle ab
mit der Benennung Feldwebelſalbe; die Feldwebel aber verfolgen
gleichjam den Beſchwerdeweg weiter und nennen fie Offizierfett.
Darin braucht nichts Anftöhiges gefunden zu werden, führt doch die,
Salbe auch den allgemeinen Namen Menſchenfett gegen Ungeziefer.
Ber ſich jcheut, das leptere zu nennen, kann zur Bapageienjalbe
feine Zuflucht nehmen. Wer ftaunt nicht über dieſen Neichtum
an Namen, den der Mutterwiß des Volles in zugleich verhüllen-
der und jpottender Abficht hervorbradhte? Aber noch mehr Aus—
drüde hat es für ein Pulver, mit dem man demfelben Feinde
zujeßt. Außer mehreren ſchon bei der Salbe genannten führt
diefes Pulver die Namen graues Pulver, grauer Sand, Bulver
aus dem jchmwarzen Käſtchen, Magazinpulver, Pracherpulver
(Brader = Landtreicher), Armejünderpulver, Judenſtoff, Mön-
dene, Pfaffen-⸗, Kapuziner-⸗, Karthäuſer-, Jefuitenpulver, Beels
zebub, Franzoſen-, Ruſſen- und Kofatenpulver; aber auch Stu—
denten=, Negentens und Rendantenpulver. So bethätigt jich bei
allgemein beliebten und viel angewandten Arzneimitteln die Kraft
der Volksſprache nicht nur, indem fie Kunitausdrücde verftümmelt,
entjtellt und umbildet, jondern auch indem fie vollftändig neue
erfindet.
Dazu wirft auch nod) eine andere Neigung. De abjonderlicher
dem Volte der Name Hingt, je ſchwieriger ihm zufolge die Herftels
fung eines Mittel ericheint, um fo größere Wirkung jchreibt man
ihm zu. Wie viel Ausdrüde verdanken diefer Anfiht ihr Dafein!
Das Rolf bejteht darauf, daß ihm nur Heilung gefchafft werden
kann durch Aalquappenöl, Aalraupenöl, Schnedenöl, Schlangenöl,
Vipernöl und Ameijeneieröl — gemeint ift mit diefen unmög—
lien Ölen der Dorjchleberthran”), oder vielmehr fie werden durch
ihn erſetzt. Das feinste Erzeugnis aber glaubt man zu befommen,
wenn man Geejungferfett verlangt. Hundsjett, Hajenjett, Fgel-
fett, Otterfeit oder Hanotterjett, Kapaunenſett, Kutenfett, Kamm:
fett, Murmeltierfett, Dachefett, Biberjett, Bärenſett (auch Bar-
fett, Barchenſchmalz, Bohrenfett), womöglich von der linken
Vordertape, Eulenfett, Reiherſett, Menjchenfett, alle dieje herr:
lichen Fette werden gefordert in der Überzeugung, daf fie wirt:
lich vorhanden find, daß 3. B. das Menjcenfett auf den Ana—
tomien wirklich ausgefocdyt werde, und mander Provifor bejtärkt
1) Auch Bezeichnung des Moſchus.
2) Dem lateinijchen Namen der Seefiihe, denen wir dies
Mittel verdanken, Asellus, fommen am nädjten die Ausdrücke:
Aſchaſiſchfett, Aſchenfelt, Eſchenſeit, Häringsöl, Barsfett, was
auf den Barſch gehen künnte, wenn, es nicht vom Adebar ſtammt.
Daß der Storch ald Spender des DIE gilt, das Kinder Früftigen
foll, liegt ja nahe; in Mitteldeutichland wird fogar Storchſchnabel⸗
jett verlangt.
das Volk nod in feinem Glauben durch die frage, ob männs
liches oder weibliches gewünjdt wird — was er ihm aber in
liebendem Erbarmen reidjt, ijt Schweinefett oder Vaſeline. Solche
Ausdrüde ragen zum Teil aus einer Zeit herein, wo die Apo—
teten thatjächlich die ſeltſamſten Arzneitörper auf Lager hatten,
wie z. B. Elenöffauen!, Hechtzähne (au als Hechſenzähne noch
heute verlangt), Fuchslunge?, Bodsblut?, Fröſchlein- oder Frojch-
faihpflafter, zum Teil tragen fie den Stempel neuejter Erfindung
oder doch wenigſtens ber neuerdings vorgenommenen Meiterbils
dung, im&befondere Berftärtung älterer Namen an fi. Bon
Bittergallenmagentropfen verſpricht man ſich mehr Wirkung als
von Wloetropfen, die dod) damit gemeint find, aber mit ihrem
fremden Namen nichts fagen. Je kräftiger die Bezeichnung, um
fo jtärker ift die Wirfung eines Mittels. Der Salmiafgeift heißt
nicht nur Geijterjchmiere, fondern auch Totenweder und Totens
mucker“, und nennt man ihn Flintengeift, d. h. wohl flinten Geift,
Galoppfpiritus, fire Luft, lieg auf, Flieg in die Luft und
Ruhe nicht, fo fcheint das fo recht ein Geiſt der Neuzeit; im bie
graue Vorzeit dagegen verjegt uns das Druidenmehl, Drutenfuß-
mehl (mundartlid Trutten-, Trottens und Troddelmehl), Hexen⸗
mehl, Nixenſtaub, Pudepulver, Ziegenbartpulver und Zigeuner:
trautſamen — biefe der Geheimnisträmerei alter und vollstümlicher
Heillunſt entitammenden Ausbrüde meinen alle das Lycopodium,
den Bärlappfamen, der nod) eine ganze Reihe von Benennungen
bat nach feiner Herlunſt wie nad feinem Gebraudye, darunter
die ähnlichllingenden Einklappe oder Einkloppe, d. i. Einklopfs
pulver.
Ein folder immer noch wachſender Reichtum an treffenden
oder doch eigenartigen Ausdrüden muß dem Apotheler Achtung
einflöhen vor ber ſprachſchöpferiſchen Kraft des Volkes, er wird
daher nicht ummillig werben, wenn feine Kunden auch vor den
lateiniſchen Kunjtausdrüden nicht halt machen, fondern je mad)
ber Landſchaſt die Paftillen oder Trochisci durch Koolen, Küchel,
Nüſſe, Zeltle, Tanztnöpfe, Kreifel, Häufel, Schneden, Pfaffen,
Käpple erfepen, wenn jie Spiritus mit Geiſt, Vorgang, Vorlauf,
Vorſprung, dejtilliert durd) abgezogen verdeutfchen; er wird auch
nicht über die ⸗Dummheit« ſich entrüften, die das Volk bei der
Screibung der Arzneimittelmamen beweijt. Um nämlich vecht
ficher zu geben, um eim Mittel aud) durch Boten, namentlich
Kinder richtig zu erhalten, jchreiben viele Leute den Namen des
Gewünjcten auf mehr oder minder fragwürdige Zettel, mitunter
auch unter Erörterung des betreffenden Falles, z. B. »Bitte
ſchiclen Sie mir etwas fir Ungeziefer auf dem Kopfe, kann jo
allein nicht Herr werden.e Dadurch geivinnt der Apothefer nicht
nur einen vecht deutlichen Einblid in die trug aller gerühmten
Schulbildung doch noch ungeheuer ſchwache Fähigkeit des Volles,
ſich ſchriftlich richtig auszudrüden, fondern auch in die Sprechweiſe,
insbejondere die Ausſprache des Volles. Denn diejes jchreibt wie
es ſpricht, ohne Nüdjicht auf die eingeführte Schriftform eines
Wortes. Natürlich glänzen die Fremdnamen ganz befonders durch
Mannigfaltigkeit: Griennedetrie, Arimeterie, Grimitatri, Öremer:
datrie, Grimitaderie, Gremotetrie, Nenitatter, Datterier uſw. für
Cremor Tartari; Nebara (Rhabarber) mit Maneje, Manefiche,
1) Elendsllauenfirup oder Ejelöpfotenfaft wird durch echten
Altheejaft erieht.
2) Der Fuchslungenfaft, nordd. Luchtſam, Luftjam, toitter
Fuchs, heißt in der Apotheke Sir, liquir,, d. i. Lakripenfaft.
3) Drachenblut dagegen ſtammt vom Dradenblutbaum, dra-
caena draco, ebenſo die (männliche und weibliche) Elefantenlaus
bom Nierenbaum, Anacardia oocid.
4) Totenzahnöl oder Totenbeinstropfen find Kreofot, auch lepter
Wille genannt,
71
Manniedhge, Mancnesha (— Magnesia); Meliefe, Milliesne
(= Melisse); Dingthur; Dinktormirre (— Tet. myrrhae); Sang-
ſchamangthee, Schermönthee, Schengandemanbee (— St. Germain-
Thee); Bein Esbälfer (— Pain Expeller); Tupeldeldud, Abedillen-
dod (= Opodeldoc); Enelodendine, Dttentille (engl. Odontine),
Feſſerlingoldgrem (Bafelincoldeream = Kühlfalbe), Dudeiermafafter
(Zolayer: Malaga), Saalepp für Dücre oder Thieree und Kollerra;
fliegt oder pflichtig (— flüchtig) Linemend, Eliment, Ehlement, Ole—
mänd, Möment, Qemament; Saleziehn, Zellſienentalch, Zacerlin-
falbe (— Salieyl); Anneperlines und Invulegapulver (Antipyrin),
Sattibirin (Salipyrin), Mitrinin (Migraenin) ufw, — alle dieſe
lächerlichen Schreibweifen befunden doch nicht nur das Unvermögen
des Volles, die fremden Namen kunſtgerecht zu behandeln, fondern
auch fein unabläffiges® Streben, mit ihnen auf feine Weiſe fertig
zu werden, fie fih mundgerecht zu machen und fo umzugeftalten,
daß fie ihm wenigjtens dem Klange nad) etwas zur jagen ſcheinen.
Es will ſich das Fremde aneignen, fo jehr es ihm auch wider:
ftrebt; da ſcheut es nicht etwa in ehrfürchtiger Bewunderung zus
rüd, vielmehr behandelt e3 die fremde Form nad, den Bedürf—
niffen und forderungen feiner eigenen Sprache. Sollte hieraus
nicht der Gebildete lernen können, der ſich peinlich bemüht, Fremdes
genau in feiner Form wiederzugeben, follte nicht ber gefjunde Sinn
des Volkes, der fi im all den Berftümmelungen gegen das
Fremde auflehnt, eher Förderung verdienen ald Beratung?
Förderung daburd), daß der Mpothefer im Verkehr mit feinen
Kunden nad; Kräften deutfche Ausdrücke verwendet für feine Arznei-
mittel, fie dem Bolfe bei jeder Gelegenheit einprägt. Sollte damit
nicht der gefchäftliche Verkehr erleichtert werden, was mit ber
Beit wohl aud) der Fall fein wird, fo hätte er dod) wenigftens das
Bewuhtfein, auch an feinem Teile die Achtung vor unferer Sprache
gefördert, fprachliche Bildung im Volle verbreitet zu haben. Be-
benft er aber, daß ſich jo leicht niemand rühmen fann,
Niederfhriften der Mundart unmittelbar vom Volke
geltefert zu erhalten, jo wird er die Handſchriften
des Volkes nicht verächtlich wegwerfen, fondern jie
auffammeln und mit berrichtigen Bezeihnung des Rät-
ſelhaften verjehen gelegentlid an eine Sammelſtelle)
fenden, als Beiträge zur Erforfhung der Mundarten, und
achtet er auf die feiner Gegend eigentümlichen Ausdrüde für aller-
hand Dinge, die zu feinem Berufe in näherer oder entfernterer
Beziehung ftehen, fo kann er auch nod) einer anderen Wiffen:
ſchaft al& der feines Faches nüpen, der Erforichung unferer Sprache.
Dresden: N. Gar! Müller.
Rleine Mitteilungen.
Der preußiſche AJuftizminifter hat einem jeden
preuhifchen Gerichte einen Abzug der Schrift Rothes: Über den
Kanzleiftil (vgl. Sp. 9 d. Beitichr.) zur Kenntnisnahme und Bes
achtung zugehen laſſen. Der Minijter ftellt fich damit zu unferer
Genugthuung auf den Standpunft des Epradivereins.
— Die Schriftleitung kann über einen Heinen, aber erfreut:
lihen Erfolg berichten. Im Brieffaften der Nanuarnummer
(vgl. Sp. 15) war eine Gejchäftsanzeige der Herren Röper
und Mefferfhmidt in Hamburg, Jungſernſtieg 3 beſprochen
und das Übermaß der darin enthaltenen Fremdwörter gerügt
worden. Ein und zugehendes Drudichreiben desſelben Haufes
beweift, daß auch in dem jogenannten Konfeltionsgefchäfte eine
1) Als ſolche erbietet fih zumächit die Schriftfeitung, die den
Empfang derartiger —— in der Zeitſchrijt kurz beftätigen und
fpäter den angefammelten Stoff an eine für wiffenfchaftliche Ber:
wertung zuftändige Stelle weiter befördern würde.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradhvereind, XI. Jahrgang. 189%. Nr. 4.
72
reine Sprache möglich it. An Stelle der » Manteaur, Jaquettes,
Roben« ujw. find » Mäntel, Jacken, Kleider« uſw. getreten, und
ſelbſt »Wenre« und »Mtelierd« find den beutihen Ausdrüden
»Art« (oder Mittelart) und » Arbeitsſtuben gewichen. Wir mwün-
chen den Herren Röper und Mefjerihmidt Glüd zu ihren Ber:
beutichungen, die wohl auf den Geichäftsführer, Herm Timmer:
mann, zurüdzuführen find.
— Im 6. Hefte der »Mitteilungen des Allgemeinen
Deutihen Schrijtvereind« (Schriftleiter Mdolf Reinede) vom
1. März 1896, ©. 221 findet ſich Folgendes:
»Der Bweigverein Reihenberg des allg. deutſchen
Spradvereins hat ben Beſchluß gefaht, feine Anträge betr.
die Anwendung ausſchließlich deuticher Schriftzeichen in den Drud:
fachen des Sprachvereins, welche befanntlich auf der Grazer Haupts
verſammlung abgelehnt wurden, auf der nächſten Hauptverfamm-
lung des Spradjvereind neuerdings einzubringen, dann aber
auch eine Sapungs- Änderung in der Art zu beantragen, da
Mitgliedern des Hauptvorjtandes wohl je eine beratende und
beſchließende Stimme zufommen folle, Vertretungen des eigenen
und fremder Vereine durch Gefamtvorjtands- Mitglieder aber un:
ftatthaft feien. Man will alfo mit der bislang üblichen Bevor:
mundung des Spracdvereins durch befien Geſamtvorſtand aufs
räumen, Möge es dem Spracverein enblid gelingen, dieſe
beflagenswerte Sliden= Wirtfchaft einzuichränten.e — Wir bän-
gen dies niedriger. Ein Antrag des Zweigvereins Reichen-
berg liegt bieher nicht vor.
Sprachliche Muſterleiſtungen.
»Wir reagieren nicht auf die Effluvien journaliſtiſcher
Zankſucht⸗ (Norddeutſche Allgemeine Zeitung 24. Dezbr.
1895 [Nr. 602). Warum nicht aud) »Altercationsfudt« ?
Die Erlaſſe des Großherzoglich Medlenburgiſchen Juſtiz—
miniſteriums, wie fie in den »Amtlihen Mecklenburgiſchen An:
zeigen« erjcheinen, jeßen den Leſer durch ihre Ausdrucksweiſe in
längft vergangene Zeiten zurüd. Da wird von Retractös, Re-
vocationds, Reunions-, Reluitionss, Agnationd- und
Succejjions-Redten, legitimirten Anwälden, präcludiret,
Lehn-Proklama uſw. geiproden, und dabei find in einem Falle
35 Drudzeifen und 164 Wörter in einen einzigen Sag zufammen-
gedrängt. Wir möchten dem Großherzoglich Medienburgiichen
Juftigminifterium die befannte Schrift von Rothe, »lÜÜber den
Kanzleiftil«, zur jehr gefälligen und ſehr genauen Kenntnisnahme
aufs dringendite empfehlen.
»Gegen ben Angeklagten wird, weil er ſich im ber heutigen
Sipung einer Ungebügr ſchuldig gemacht hat, indem er ſich, nad):
dem er wiederholt zur Ruhe verwiefen und ihm ſchließlich eine
Ordnumgsftrafe angedroht war, fih ber Worte bediente,
gemäß $ ... eine Ordnungsſtrafe von 10 Mark feftgefegt« (Mus
dem Urteile eines Gewerbe-Gerichts)
u...
Im Berlage von Baumert und Ronge in Großenhain,
berauögegeben von Dr. ©. Linte, ericheint die »Tollection
Victoria regia«, die nicht mit anderen Berlagsunternehmungen
sconcurrierene und Novellen deuticher (umd ausländifcher)
»Wutorens bringen will. Wir fernen die »Eollection Rictoria
vegia« nicht, bedauern aber Iebhaft die Vezeihnung, die für dieie
Sammlung gewählt worden ift, und hoffen, daß die Schrift-
jteller, die ihre Werte darin veröffentlien, nicht mit der Ber-
lagebuchhandlung in deren Fremdwörterſucht in Wettbewerb
treten werden.
73
Aus den Sweigvereinen.
BerlinsCharlottenburg. Am 29. Februar hielt Oberlehrer
Dr. Julius Sahr aus Dresden einen Vortrag ⸗Welche Rolle
fpielt das Vollslied bei der Wiedergeburt unjerer Lit—
teratur um 1773«, über deſſen Inhalt wegen Raummangels noch
nicht berichtet werden fann. — Am 12. März jprad Herr Augu—
ftin Trapet aus Ehrenbreitftein über die nationale Bedeu:
tung der deutſchen Sprade. Die Rebe, die mit geradezu
begeiitertem Beifalle —— wurde, wird vorausſichtlich in
dieſer —— zum Abdrucke gelangen. Die Schriftleitung hofft
damit den vielfach, namentlich aus Dftreih, an fie gerichteten
Wünſchen wegen eines fefielnd gejchriebenen Aufjages nationalen
Inhalts entgegenzufommen.
Bonn. Auf unfere Eingabe an die Dampfſchiffahrts—
Gejellihaften (vgl. Sp. 61) haben deren Borjiger geantwortet,
dak unjere Wünjche thunlichſt berüdjichtigt werden ſollen. — Den
Aufſatz unferes Schriftführers über »Die Verwirrung in der
Schreibung unjerer Straßennamene (Sonder: Abdrud aus
dem 7. u. 9. Hefte der »Grenzboten«) haben wir an viele jtäbtijche
Verwaltungen, an Fabriten, die Straßenſchilder verjertigen, jowie
an Fachvereine von Buchdruderm und ar gröhere Zeitungen mit
einem Anfchreiben verjandt, in dem wir in Übereinjtimmung mit
dem Gefamtvorftande um Berüdjichtigung der darin aufgejtellten
Regeln erfuhen. — Am 26. Februar veranjtalteten wir in der
Leſe-Geſellſchaft einen»RofeggersAbende, ber von 417 Frauen
und Serren bejucht war. Der Schaufpiel- Leiter (Regiſſeur) der
vereinigten Stadttheater von Köln und Bonn, Otto Bed, ein
geborener Süddeuticher, trug ernfte und heitere Dichtungen unſeres
verehrten Gefamtvorjtandsmitglieded vor und bewährte ſich dabei
als meijterhafter Vorleſer. Diejer Rofegger- Abend, der in den
eriten Tagen fait allein den Gefprüchstioht ber gebildeten Kreiſe
Bonns bildete, brachte unjerem Verein eine ganze Anzahl neuer
Mitglieder zu. — Äußerlich von nod) größerem Erfolge war unſere
gemeinjame Verſammlung am 16. März mit dem Han—
delö=s und Gewerbe:Berein, dejien Vorſitzer, Bankdirektor
Dr, Limon, dur fein Entgegentommen die Beranftaltung er⸗
möglicht Hatte, An dieſem Abend hielt unſer Schriftführer,
Dr. Wülfing, einen Vortrag über »Die kaufmänniſche Vers
fehrsiprace« im Anſchluß an Eitzens vortrefiliches Buch und
unter mehrfacher ausdrüdlicher Betonung unjerer durchaus maßs
vollen Beitrebungen. Gin dem Samburger Aufrufe ähnlicher
»Aufruf an die Kaufleute Bonns«, der zum Schluffe des Vor:
trags vorgelegt wurde, war binnen kurzem mit 60 Unterichriften
bededt (jo viel wie in Hamburg, doppelt jo viel als in Elberfeld);
er ijt foeben an 350 Kaufleute von Bonn und Umgegend verfandt
worden. In die Mitgliederlifte unferes Vereins trugen fih an
diefem Abend 20, fpäter noch 11 Kaufleute ein. Auch die nadı-
folgende Erörterung über einzelne Fremdwörter der Handelsſprache
hatte guten Erfolg; ſchon die nächſte er eines der
neuen Mitglieder brachte folgende VBerdeutihungen: Speciali-
tät — Hauptzjweige, DamensEonfection — DamensBes
Meidung, nur Waren eriter Dualität — nur Waren
erfter Güte — Am 19. März trug der ſchon in weiteren
Kreifen befannte und geihäpte Emil Milan auf unſere Ver—
anlafjung in der Leje-Gejellichaft frei aus dem Gedächtnis eine
Anzahl ſchweizeriſcher Dichtungen von Gottfr. Keller, K. F. Meyer,
E. Spitteler, J. V. Widmann u. a. vor und erntete damit reichen
Beifall bei der zahlreichen Zuhörerfchaft. — Unfere Mitgliederzahl
hat ſich feit Weihnachten von 265 auf 334 gehoben,
Braunfhweig In der Märzſitzung machte Bankfherr
Magnus, der an &ıene des aus dem Vorſtande geichiedenen
DOberpoftdireltor® Gräfe den Borfig übernommen bat, Mittei-
lungen über die Begründung eines deutihen Studentenheims in
Cilli und forderte zu —— für das ſchöne vaterländiſche
Unternehmen auf. Buchdruckereibeſitzer Kleucher erklärte ſich zur
Entgegennahme von Beiträgen bereit. Hierauf hielt Dr. Hans
Martin Schul einen von liebenswürdigem Humor gewürzten
Vortrag, in dem er die nordbeutichen, bejonders die braunſchwei—
giichen Ausiprachefehler hinfichflich der Selbjtlaute und Mitlaute
eingehend berüdfichtigte und eine Anleitung gab, wie Mund und
Zunge zu ftellen jeien, um die Saute rem auszuſprechen. Bei
voller Anerkennung des Wertes der Mundarten, deren Gebraud)
im häuslichen Verkehr er durchaus billigte, ftellte ber VBortragende
ed doch ald wünjchenswert hin, daß jeder fich in öffentlicher Rede,
m Bortrage, beim Verleſen des Schriftdeutichen einer reinen und
Zeitfhrift des allgemeinen dbeutihen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Nr. 4,
T4
nicht mundartlich gefärbten Ausſprache bediene, bie ihre beſte Pfleges
jtätte auf ber Bühne habe.
Ehemnit. Am 9. März legte Oberlehrer Qaudner in feinem
Vortrage »Wie das Volk fprichte dar, wie die Vollsſprache
durch Häufung und Steigerung und dann wieder durch Weglaffung
und Bejchräntung im Ausdrucke, durch Figuren der ——
und des langes, durch äußere Umgeſtaltung und inneren Wande
im Ausdrud und ganz beſonders in den Sprachbildern und Sprid)-
wörtern dem Streben nad) Anichaulichleit und Lebendigkeit im
Ausdrud Huldigt.
Ezernowip. Am 7. März hielt Profeſſor Johann Stobielsfi
einen Vortrag über altdeutiche Volkslieder bis zum Ende
des 15. Jahrhunderts, worin er nachwies, daß das deutiche
Bolt ion im Mittelalter fehr ſchöne Weijen für Dichtungen ver-
ſchiedener Stoffe beſaß, unter denen die Liebeslieder an Bolllommens
beit und Innigleit obenanjtehen, während. die Trinflieder eine
auffallende Langweiligkeit zeigen. Bon der Schönheit und ber
für unfer Jabrhundert jremdartigen, mehr an die heutigen Lieder
der Süd- und Djtilaven erinnernden Weichheit der Weifen fonnten
ſich die verfammelten Mitglieder und Gäſte felbit überzeugen, da
Prof. Stobielsti feine Nusführungen durch fünf Lieder, die ein
jangesfundiges Mitglied meifterhaft be beleuchtete. Wie
body das deutiche Volkslied —58— wurde, laſſe ſich auch daraus
erſehen, daß es jchon vor Luther von einigen Geiſtlichen ſtatt
des verhältnismäßig trodenen gregorianiſchen Geſanges in der
Kirche verwendet wurde. Der Vortrag machte tiefen Eindrud,
nicht nur wegen der Sachlenntnis des Vortragenden, fondern auch
deshalb, weil diefer jelbit nicht dem deutichen, ſondern dem
ruthenijchen Volle angehört, einem Volke, das mit Recht auf fein
Vollslied jtolz ift.
Dresden. In der Sikung am 20. Februar ſprach Konreftor
Dr. Rachel über die »Lehnwörter im Deutihen« Wad
einer längeren humoriſtiſchen Einleitung, in der er zahlreiche ſchein⸗
bar echt deutfche Wörter ald Anleihen aus dem Lateiniichen, Gries
chiichen, Franzöſiſchen, Engliihen, Italieniſchen, Rufjiihen uſw.
nachwies, führte er u.a. aus: Lehnwörter find Wörter aus frem-
den Sprachen, die in den deutſchen Spradhicag aufgenommen
worden find und ein deutjches Gewand angenommen haben. Das
geſchieht ganz befonders in Zeiten, wo das geiprocdhene Wort nod)
feine volle Lebenskraft befigt und die fremden Wörter, die meiſt
mit fremden Begriffen zugleich zu ung kommen, der einheimifchen
Spradweife ns Spradfähigleit ohne Bedenken angepaft werden;
je mehr aber die Bildung fteigt, um fo mehr wächſt das Beſtre—
ben der Gebildeten, die fremden Wörter in ihrer fremden Recht—
ichreibung und Ausiprache feitzubalten. Die Zahl der neu auf:
genommenen Lehnwörter nimmt mit dem Alter der Sprache mehr
und mehr ab. Unſere Vorfahren famen zunächſt durch den fried—
lichen Grenzverfehr wie durch den Krieg mit den Nömern zufammen,
und damit famen dann die entjprechenden Ausdrücke in die deutiche
Spradje; darunter die Bezeichnungen für Beftellung und Pflege der
Gärten, für Tiere, Steinbau, Weinbau, Geräte des Wohnens
und Sclafens, Handel und Verkehr, Auf dem Umwege über
dad Gotiſche famen aus dem Griechiſchen auch Ausdrüde für
den chriſtlichen Gottesdienft. Die Lehnmwörter geben fomit vielfach
Dingergeige Bber die hulturgeichichtliche Entwidlung unferes Bolfes.
Manche Wörter werden im verichiedenen Spradperioden in vers
Schiedener Form aufgenommen, z. B. palatium ald Pfalz (Kaiſer—
burg der Karolinger), Palast und Palais. Bei der eriten Auf-
nahme machte das Wort die Lautverjchiebung p:pf mit. Dept
bat unfere Sprache die Kraft Lehnwörter aufzunehmen fast verloren.
Die Veränderung fremder Wörter gilt nicht für vornehm. In der
Vollsſprache finden ſich noch Anfäte dazu; jo nannten die beuts
ihen Soldaten 1870 den Mont Balerien Bullrian, wobei
ſich zugleich die lautmalende Kraft der Sprade geltend machte.
Eine andere Art der Entlehnung bieten die Überfegungen aus:
ländifcher Wörter, die damit einen neuen Sinn erhalten; jo ift
reconnaissant mit erfenntlich überjept worden, wodurch bie
beutfche Sprache ein neues Wort gewann: Auf diefe Art ber
Entlehnung geben auch die Bejtrebungen des deutſchen Spradh-
vereins, und fie ift beſonders zu pflegen. Der Vortrag erntete
lebhaften Beifall. — Bei der Beſprechung wies Prof. Dunger
darauf hin, daß man danach ftreben müſſe, gewiike Lehnwörter
zunüchſt in der Ausſprache einzudeutſchen, alſo z. B. zu ſprechen
Tentimeter, nicht aber Sangtimeter, Sport, nicht aber
Spoort; dann in der Schreibweile: Schololade, nicht Chocos
75 Zeitfhrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereins. XI Jahrgang. 1896. Nr. 4. 78
lade (das frangöfifhe Wort heifit chocolat), Kaffee, Kata.
Oberjuftizrat Booft erwähnte, daß Brepel (Badwert in der
Geftalt zweier — ineinander geſchlungenen länglichen Ringe,
abgeleitet von bracellus = Armband) auch Handfeſſel bedeutet
habe. Als eine gute —— Interner wurde Haus—
ſchüler erwähnt, ein Ausdruck, der für das neue Seminar in
Plauen gewählt worden ijt. — Eine wohlgelungene » Merterrede«
ſchloß bie Sitzung.
Freiburg i. B. In der diesjährigen Hauptverſammlung am
25. Februar hielt Bibliothelar Dr. Friedrich Pfaff einen Vortrag
über die große Heidelberger (jogenannte Manefjeiche) Lieder—
handſchrift, der bei den zahlreichen Zuhörern, unter denen viele
Damen, reichen Beifall fand. Nach Rechnunglegung eritaltete
—* rad Generalmajor 5. D. von Kaphengit, den Jahres:
t.
Heilbronn. Aus dem am 4. Februar in der Hauptverfamm-
lung erjtatteten Jahresberichte geht hervor, daß der Zweigverein
mit 120 Mitgliedern im verflofienen Jahre die höchſte Mitglieder-
zahl jeit feiner — — Jahre 1886 erreicht hat. Der
nde, Oberſtudienrat Dr. Preſſel, teilte im Verlauſe des
einen Aufjag mit, der durch die mündliche und jchriftliche
Überlieferung dem 17jährigen Schiller zugeicrieben wird. Es
ift dies eine Schularbeit »Über den Einfluß des Weibes
auf die Tugend«
Kaffel. Der Unterhaltungsabend am 10, März wurde durch
eine Anſprache des Borfipenden, Geh. Negierungsrats Fritſch,
eröffnet und durch Vorträge von Gebichten und Mufititücen belebt.
Zum Sclufie wurde dad Denedejche Luſtſpiel »Der Frauens
Spradvereine aufgeführt.
Kiel. Nach Erledigung geſchäftlicher Angelegenheiten in der
Märziipung wurde ein Antrag am den Magiftrat betrefis ber
Screibung der Straßennamen beraten, der durd; die Wül—
fingſche Umfrage veranlakt war.
Koblenz. Am 12. Januar hielt Oberlehrer Dr. Blumſchein
aus Köln einen Vortrag Über »Die Wandelung von Wort-
bedeutungen«,
Krems a.d. D. Auf Anregung des Vorſihenden Dr. Hans
Schwab wurde in der Musihuhfipung am 7. März beſchloſſen,
eine rege Thätigfeit zur Verbreitung der Bereinsbejtrebungen auf
dem Lande zu entfalten und namentlich die Fehrervereine dafür
u erwärmen. Bei der Erörterung über die frage, wie dem
een in der Speijelfarte am wirlſamſten zu be-
genen fei, wurde hervorgehoben, da die Hiefigen Gaſtwirte den
ereinsbeftrebungen grundjäglich nicht feindfelig gegenüberftänden,
daß fie fich aber begreifliderweife — czeichnungen aufs
zunehmen, die den Gäſten unverſtändlich ſind. Durch das Ent—
gegenkommen eines Ausſchußmitgliedes wird es ermöglicht werden,
daß in Zulkunft die Speiſelarten neben den franzöſiſchen gemein—
verftändliche deutſche Namen tragen.
Leipzig. Direltor Dr. Wychgram ſprach in der Haupt—
verſammlung am 3. März über die Zenien und Antirenien.
Nach eg der Tagesordnung forderte Verlagsbuchhändler
Voigtländer den Verein dazu auf, mehr als biöher den Ein—
zeltampf gegen unnüge Fremdwörter zu betreiben, beſon—
ders gegen neu auftauchende. Er wies dabei auf Ausdrüde hin
wie Tarameter: Drojcyle (dev doch recht qut durch Zeiger- oder
Uhrdroſchke erjegt werden fünne), wie Acquiſitions-⸗Ausſchuß (für die
geplante Austellung in Leipzig), den finnlofen Namen Pferdes
bahn Depöt, die Wörter Altumulator, Volks-Bureau, Kirchen—
erpedition, Profeſſioniſt und mehrere andere. Die auf diefe Aus:
führungen folgende Beiprecdhung führte zu dem Beſchluſſe, die Unter-
ſtützung amtlicher Kreiſe zur Verdrängung einzelner der angeführten
Fremdwörter zu erbitten.
Magdeburg In der Verfammlung am 17. Februar jepte
Dberlehrer Dr. Anode feinen Vortrag über das Verhältnis
Nihard Wagners zur deutjhen Sage fort.
Marburg a. d. Drau. An dem Nahresberichte, den der Ob:
mann, Dr. Mally, in der Hauptverfammlung erftattete, wurde
bervorgehoben, daß ſich die Verhältnifie des Hauptvereins gebejiert
hätten, was jich auch durch die Vermehrung der Mitgliederzahl
äußere. Wie Hein aber ijt, fo führte der Redner aus, nod) die
Zahl im Vergleiche zu den vielen Millionen Deutſchen. Naments
lich, daß unſere Jugend auf den Hochſchulen jo wenig Anteil an
unſern Beitrebungen nimmt, ift ein trauriges Beichen bes lauen
volflihen Bewußiſeins unſeres Stammes. Die Erziehung unjerer
Jugend auf den Gymmaſien ift zum gröhten Teile nocd eine la
teiniiche und griechiiche. Die ftudentijchen Berbindungen bedienen
fich eines Kauderwelſchs von lateiniſchen und franzöfiichen Wör⸗
tern, felbft jene an den technifchen Hochſchulen, deren Mitgli
diefe Wörter zum Teil nicht einmal richtig verjtehen. Der Redner
ging dann zur Erörterung der Veröffentlichungen des Sprach—
verein® über und betonte, daß zwar der friiche Geiſt, der ſich
jet in der Feitichrift äußere, danfend anzuerkennen, es aber doch
wünſchenswert fei, den Leitaufläßen voltstiimlicheren Anhalt
eben, damit das volfliche Bewuhtfein mehr Anregung finde.
obenswert die Verbeutihungsbliher feien, jo hätten fie doch feine
große, fiir das gewöhnliche Leben verwendbare Bedeutung, und es
fei daher zu wünſchen, dah der Geſamtvorſtand durch Eingaben
und Boritellungen bei Behörden und Bertretungsförpern mehr
tbatlächliche Erfolge zu erringen verfuchte. — Bei der Beſprechung
der Grazer Hauptverfammluug bob der Redner hervor, daß die
Vertreter der norbdeutichen Zweigvereine viele Meilen weit herbei-
geeilt jeien, während nur bie wenigſten öftreichiichen Zweige
eigene Vertreter entjendet hätten, und daß ſeither nicht ein Zweig
verein im Oſtreich entjtanden jei. »Es iſt dies ein trauriges
Beicdhen des —— voltlichen Bewußtſeins in Deutſchöſtreich
und auch deshalb ſehr zu bedauern, weil wir Süddeuiſche den
Wettbewerb um die Vervolllommnung der deutichen Sprache auf:
geben, dieſe nur den Morddeutichen überlafien und dadurd io
manches Treifliche in unferer Sprache verloren geht und mitunter
unjcöne norddeutiche Nedensarten fi einbürgern. — Wir führen
das Wort ‚deutich" nur immer im Munde, wo es fich aber dar:
um handelt, thatträftig für das Deutichtum einzutreten, da wei⸗
chen wir zurüd. Klagen und jammern it aber eines Mannes
unwürdig. ‚Selbit it der Mann’, heit e8 zwar, wir zeigen e3
aber nicht. Wir verlangen nur immer von der Regierung, daß
fie uns jchüße, daf fie das Deutichtum fördere, legen jelbit aber
die Hände in den Schoß. Gott befiere es!« Der Zweigverein
Marburg jei, wie man ohne Überbebung jagen könne, nadı wie
vor der Sammelpunkt der deutfchenationalen Bevölferung der Stadt
und ibrer Umgebung gewejen. Die Mitgliederzahl iſt auf 163
geitiegen; es berriche ein regelmäßiger ſchriftlicher Verklehr, und
mit den meiſten deutichen Bereinen der Stadt jtände er in freund⸗
ſchaftlichem Verhältniſſe. — Auf diefe Rede folgte ein Rortrag
Prof. Dr. Hofers über die von den Franzoſen als fin de
siccle bezeichneten Erjheinungen unferes ſinkenden
Jahrhunderts. — Den Schluß bildeten muſilaliſche Vorträge.
Prag. In der diesjährigen Hauptverfammlung (4. Mär)
wurde Brofefior Friedrih Reiniger (der einem Rufe an die tech—
nische Hochſchule nach Graz gefolgt ift) einitimmig zum Ehren
mitgliede des ABweigvereins Prag und Umgebung ernannt.
Ratibor. Ju der Februarfigung ſprach Taubjtummen:
lehrer Hoffmann über die Grundzüge der altgermani-
ſchen Götterlehre. — An dem öffentlihen Vortragsabende im
März Lin Oberlehrer Engemann über »Spradreinigungs:
bereijer«.
Rudolſtadt In der eriten heurigen Verſammlung hielt Ober:
lehrer Dr. Nebert einen Vortrag über »Die lateinijchen Lehn—
wörter im Deutichene Ilm einen regeren Gedankenaustauſch
herbeizuführen, beſchloß man, an dem erjten Donnerstage jedes
Monats eine zwangloje Zufammentunft abzuhalten. Um auf
Beſſerung der Gejchäftsichilder um, hinzuwirlen, wurde der Bor
jtand beauftragt, ein Anjchreiben an die Maler zu verjafien. Die
Mitgliederzahl ift 32.
Straßburg. In der Hauptverſammlung behandelte Dr. Paul
Gähtgens in einem feſſelnden eh Land und Leute in
den Oftjeeprovinzen. Der biäherige Vorfipende, Prof. A. Grün,
der von einer Wiederwahl Abjtand nahm, wurde in danfbarer
Würdigung feiner großen Verdienfte um den Verein zum Ehren:
vorfigenden ernannt. Den Borfig übernahm an feiner Stelle Ge
bheimrat Dr. Albrecht.
Stuttgart. Den Hauptgegenftand der Tagesordnung in der
Sigung am 20, Febr. bildete die Frage » it eine abermalige Um—
aeitaltung unjerer Rechtſchreibung, ſei es durch Rückleht
zur früheren Schreibweife oder durch Anderung im fortichrittlicen
Sinne, jept wünjchenswert?«e — Der Berichterjtatter, Prof. Erbe,
Imüpfte an Aufſäße der National Zeitung und der Hamburger
Nachrichten an, worin Angrifje gegen die jet herrſchende amt:
77
liche Rechtſchreibung gerichtet worden find; das letztgenannte Blatt
ging dabei jo weit, einfach die Wiederaufhebung der Puttlamer—
jchen Regeln und Nüdtehr zu dem alten Gebrauche zu empfehlen,
was um fo leichter fei, als diejer Gebrauch noch vielfach, bejon-
ders bei den Reichsbehörden, geübt werde. Proſeſſor Erbe warf
einleitend einen Nüdblid auf die Geſchichte der deutichen Recht—
jhreibung und nahm dann eine —— preuß. Regelbuchs
und der entſprechenden übrigen deutſchen echtſchreibbüchlein vor,
bemängelte manches, jtellte aber doch einen Foriſchritt gegen den
früheren Znitand ſeſt. Ehemals habe man überhaupt gar feine
einheitliche Nechtichreibung gehabt, dem Schüler jei manchmal in
einer höheren Klajje als Fehler angejtrihen worden, was er
früher als richtig gelernt hatte! Die neue Rechtſchreibung fei
leineswegs fehlerfrei, aber fie habe bedeutende Verbeſſerungen
im einzelnen gebracht. Die Verichiedenheit der deutichen Recht—
ichreibbüchlein fei ſehr gering und betreffe nur abgelegene Dinge;
fie jollte gen ausgeglichen und zugleid) eine Annäherung an die
öftreich. Nechtihreibung gejucht werden. Redner fam, umter der
Su jtimmung der Berfammlung, zu dem Ergebniſſe, dafı nicht eine
üctehr zu dem alten Zuftande, jondern eine in engen Grenzen
um Verbefierung der gegenwärtigen Rechtſchreibung zu ers
treben
Trier. Die Sipung vom 22. Febr. war der Beiprehung von
Büchern gewidmet, bejonders der von Biltor Hehns »Ftalien.«
Über Land und Leute Italiens hat wohl niemand Beſſeres ges
ichrieben; auch nicht bejier, denn der Stil ift vortrefflid. Dennoch
it diefer Schriftjteller nicht ganz von Einſeitigkeit frei zu jprechen.
ALS einer der 41 Unterzeichner der Erklärung in den » Preuhiichen
Jahrbüchern « iſt er ein Feind unjeres Vereins geweſen, was jich
auch in jeiner Sprache bemerflih madıt. Wie Hehn durch Fremd—
wörter zuweilen den Sinn verbuntelt, beweiit folgendes Beiſpiel
(S. 191): »Die aufgenommenen germantchen Wörter wurden von
dem romanijchen Sprachgeiſt ergriffen und jeinen phoneti ſchen und
tonjtruftiven Normen unterworfen.« Das iſt jo undeutlich wie
undeutich; wir drüden es deutich und deutlich aus: »Er hat fie
feinen Yautgejegen und BVortbildungsgejepen unterwor⸗
fen.« »Stonjtruftiv« kann auf den Satzbau (die Konſtruktion) bes
zogen werden und hat dann feinen Sinn. Zum Sclufje wurden
tadelhafte Aufichriften beiprochen.
Wermelstirhen. Lehrer Wegner machte in der Haupts
verjammlung am 27. Febr. zunächſt Mitteilungen über den Be—
ftand und die Benußung der Vollsbücherei. Hierauf hielt der
Borfigende, Rektor Jdel, einen Vortrag über Bejtalozzi, in
dem er auch des großen Erzieher Berdienite um die deutfche
Sprache würdigte. Zum Schluſſe trug Herr Idel ein von ihm
jelbjt verſaßtes Gedicht auf Peitalogzi vor, das wie aud) der Bor:
trag groben Beifall erntete.
Bittau. In der Februarfipung wurden bauptjählih Schrif-
ten wie die von Mähliß, Bornſcheuer, Brunner, Heine,
Mertes, Regenhardts Mundarten vorgelegt und vom
Schriftführer Dr. Matthias bejproden. Im Mittelpunfte der
Märzjipung itand der Vortrag des Oberlehrers Buchheim über
Frig Reuter und jeine Werke, der Iebhaften Befall fand.
Briejlaſten.
Herren U. md R. .... Heidelberg. Auf die Bemerkung
im Brieffaiten d. v. N. (Sp. 64) über die Herren 5. Mayer
und Cie in Karlsruhe und ihre Geſchäftsanzeige hat das Haus
der Scriftleitung eine Ermwiderung gejandt, deren Ton durchaus
auf der Höhe der Bildung ſteht, die es in der Anpreifung feiner
Waren befundet. Auf die Unböflichteit des Schreibens näher ein⸗
zugeben, verbietet uns der gute Geſchmack, dagegen fommen wir
dem Wunſche nad), feitzuitellen, dab die bejprochene Geſchäfts—
anzeige ſchon jeit mehreren Jahren unbenußt zur Seite gelegt
worden jei, weil es fid) bei dem Worte »exiquitenter« um einen
Drudjehler handelte, für den die Herren F. Mayer und Cie. nicht
verantwortlic; jeien. In einem Abzuge, den uns die Herren
fenden, iſt der Drudjehler dahin berichtigt, daß aus dem »n«
ein »5« gemacht ijt. Es entiteht daraus das Wort »exiquitester«,
das ums freilich; nicht Harer iſt als »exiquitentere Den boben
fpradlihen Standpunlt des Hauſes kennzeichnen folgende Worte
ihres Schreibens: »Wenn wir in unferen Anzeigen die hierorts
üblihen Ausdrüde ‚Candelabres, Lustres* ete. wählen jo ges
k ieht dies für unfere Kunden ohne Rüdiicht ob dies in Berlin
üblich ift, dort würden wir vielleicht andere Worte dafür wählen.«
Zeitidrift des allgemeinen deutſchen Gen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Rr. 4. XI. Jahrgang. 1896, Nr. 4.
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78
Herrn J. F. F. - . Karlabad. Zu dem Nusdrud „inter
grierender "Beitandteile (vgl. Sp. 49 d. v. Nr.) teilen Sie uns
freundlichft mit, dab Sie jeit jeher in Redjtäurtunden die Vers
deutichun sweientlicher Beitandteile gebrauden. Dieſes Er:
ſatzwort iſt jehr beadhtenswert.
Herm Prof. Karl Erbe, Stuttgart. Sie ergänzen gütigjt
die Mitteilungen Über das Wort Borfiger« auf Sp. 7 und 63
d. Jahrg. durch eine Stelle aus =. Egmont, Alt 5, wo das
Urteil, das verlejen wird, unterichrieben ift: » Ferdinand, Herzog
von Alba, Vorjiger des Gerichts der Zwölfe« Wir ftimmen
Ihnen durchaus bei, wenn Sie hinzufügen, daß die bis jeßt beis
gebrachten Stellen genügen dürften, um den Gebrauch diejes hand-
lichen Wortes zu rechtfertigen, hen den —— Fehler vermieden
werden würden (wie z. B. »He orſißender uſw.«.
Herrn St. — J iſt ſehr erfreulich, daß ein
Freund unferer Beftrebungen durch ein humoriſtiſch — Ge⸗
Dicht den Beliger von Föttingers »Hötel und Weinrejtaus
rant«e in Nürnberg zur Berdeutichung feines Geſchaſts ſchildes
angeregt hat. Die Reime hier abzudrucken, unterlaſſen wir je⸗
doch beſſer, wenn uns der Verfaſſer nicht geſtattet, einige ſprach
liche Irrtuünmer darin zu verbeſſern. So ſchreibt er »Stiele, wo
er »Stile meint, und »den« Schild, wo es »das« Schild heiken
muß. Auch fönnen wir den Neim »Mejtaurante und »Schant«
felbjt der komischen Mufe nicht zubilligen, zumal fie in dem Ges
dichte jonjt nicht jo derb auftritt.
Sem J. H.. Luditz. Zu ihrer Anfrage über die Be—
deutung des Goffennamens »pübelpeint« (vgl. Sp. 64 d. v. N.)
teilt uns Brofejior 9. ©. Grünes in Nifolaburg mit, daß fi
diefer Name aud für einen Stadtteil in Graklig im böhmischen
Erzgebirge fände, Herr ©. erflärt nun, daß »Hübel« in der
erzgebirgiichen Mundart jtets für »Hügel« gebraud)t werde, und
daß auch die mittelhochdeutichen Wörterbücher das Wort in dieſer
Bedeutung aufiühren (das Wort ift in Dftmitteldeutihland heute
wie früher verbreitet). »Beint« mbd. »biunte — nhd. »Beund«
oder »Beunde« jei ebenfalls mundartlih und bedeute ein Grund—
ftüd, das dem emeindeviehtriebe verjcdjlofien werden könne. Es
ergiebt ſich aljo » Hübelpeint«e = » Hügelbeund« d. i. ein auf einem
Hügel gelegenes Grundjtüd, auf das die Gemeinde ihr Vieh nicht
treiben darf. Dieſe Angaben werden im weſentlichen durd eine
Mitteilung Prof. U. Heinpes in Stolp bejtätigt.
Herm Prof. €, Tübingen. Sie haben gewiß recht,
wenn Sie jagen, daß vaterländifch —— deutſche Frauen darauf
aufmerlſam gemacht werden ſollten, vor allem die deutſche Sprache
zu pflegen. Wir zweifeln nicht, bah es nur eines kurzen Hin—
weijes bedarf, um die Herausgeberinnen des Bismard: Frauen⸗
Kalenders zu veranlajien, bei dem Neudrude ihrer Rundichreiben
und in dem Kalender jelbjt alle überflüffigen Fremdwörter zu ver—
meiden. — Das Wort » Dame ift zum Lehnworte geworden, und
bei der Sonderbedeutung, die es angenommen bat, jcheint es uns
im gewöhnlichen Leben faum entbehrlich zu fein.
Hm M.G..... Berlin. Wir können nicht einjehen,
daß der ut ſcherzhafte Angriffe auf Brof. Hans Delbrüd
ind. v. (vgl. Sp. 59) »ungercecht« fei. Sie jagen, Prof. D.
—— die Fremdwörter deshalb, weil fie die Sem. der
edleren deutfchen Wörter ermöglichten. Mit der Annahme dieſes
Grundſatzes wäre einer völligen Verwelſchung unferer Umgangss
ſprache Thür und Thor geöffnet, und damit wird Geheimrat
Münd jo wenig wie der Spradjverein einverjtanden fein. Daß
die Anficht Münchs ganz falſch wiedergegeben ſei, ift deswegen
ausgeichloffen, weil die Stelle des Aufſaßes, in der es fih um
das Fremdwort handelt, genau abgedrudt worden iſt.
Bur
Einem Deutſchen, der jeine Sprade liebt, Berlin.
—— des Gotiſchen und Althochdeutſchen ſind die Grammatilen
von W. Braune, für das Mittelhochdeutiche die von H. der u
empfehlen. Bifjenschafttich find fie freilich, doc, kurz gefaßt und
überfichtlih. Die gotische enthält auch Leſeſtücke und Wörterbuch.
Weiter würde das Althochdeutſche Lejebuh von Braune und
etwa das deutfche Leiebuch von Hopf u. Pauljick, Abteilung für
Oberſelunda anzuwenden jein, das Proben mittelhochdeutſcher Dich-
tungen mit Erläuterungen, Wörterverzeichnis und gramm. Abrik
bietet. Übrigens erfordert Ihr Vorhaben viel Arbeit und Geduld.
Herrn Ad. Sellſchopp, Neuflojter. Nach Ihrer Mitteilung
erflärt Dr. med. Weng in Königsfeld (Baden) im »Bolt« (Jahry.
1894, Ni. 250) Haberjeldtreiben ald Bodsjelltreiben. In die
79 Zeitfhrift des allgemeinen beutfhen Sprahvereind, XI. Jahrgang. 1896, Nr, 4. 80
Selle des dem Thor, dem Schutzgotte ber Ehe, heiligen Tieres
habe fih vor Zeiten die nächtlihe Schar vermummt, um Ehe—
frevel zu rächen. Als Zeugnis für Haber, caper führen Sie aus
Grimms Wörterbud; neben -Heppe« an »Haberbart, Habermarf,
abermaldh« alle für Bodsbart, . »haberbod, Habergeiß,
aberziege« (Doppelnamen wie »Lindwurm, Salweide, Dam:
hirſch, Walfifch«) und »Hawerblarre (=ichreier) für die bodähnlich
medernde Heerichnepfe. Dieje Wörter kennt man aber wohl all:
emein, die Frage ift nur, ob man »ſeld« im der angegebenen
eiſe (als Fell) deuten darf.
Vereinsmitglied, Graz. Unterm fo und jo vielten giebt dod)
fichtlich jeder feine Mitteilung oder Anweifung, der das Datum
darüber gejeßt hat. Und das dürfte außer den Präfidenten von
Provinzen (vgl. Sp. 25 d. Jahrg. Zeile 8 v. u.) ftreng genommen
auch gewöhnlichen Sterblichen nicht zu verwehren fein, bejonders in
Beziehung auf die Amtsſprache, in der diejer ſprachlich unanfechts
bare Ausdrucd üblich ift, gelegentlich wohl jogar als unterſchieden
von dem gewöhnlichen: am fo und jo vielten. ber: »Graz
unterm 15. Homung 1896« in der Überſchriſt eines Briefes
inge freilich nicht an. Ihrer Sache find Sie offenbar nicht jehr
icher geweſen, jonjt hätten Sie Ihren Namen genannt.
Geſchäftlicher Teil.
Neue Zweigvereine bildeten fih in Meiningen (Bor:
figer: Oberlehrer Dr. Theodor Stord) und in dem ficben-
bürgishen Kronſtadt (Voriger: Profefior Dr. Oskar Neto—
liczta). Mit Iepterer Gründung hat der a. d. Epradjverein
nun endlich aud zu unferer großen Freude auf dem alten Sachſen—
boden am Fuße der transſylvaniſchen Alpen einen Borpoften ge
wonnen, inmitten jenes treuen, vom Mutterlande weit entfernten
deutſchen Stammes, der fo ernjt und ausdauernd um die Aufs
rechtergaltung feines Boltstums ringt und fämpft.
Wir empfingen
an erhöhten Jahresbeiträgen für 1896
je 20 Marf von den Herren Fürſt zu Fürſtenberg, Leon—
hard, Blajewig und der Handeläfammer Lübeck; —
je 10 Mark von den Herren; Neuburg, Forbach, Recht, Gr.
Lichterfelde, Brudner, Amſee, Kirchhoff, St. Francisto; dem
Deutihen Tumverein Antwerpen und dem Rolls: Bildungs-
Vereine Friedberg; —
je 6 Mark von den Herren: Metiner, Liegnig, v. Wiſer,
Trieft, Böding, Strafburg, Voigt, Weihin, Stavenhagen,
Weimar, dv. Bandelin, Stettin, Biel, KHalthorit, Keyier,
Saalfeld; dem Pädag. Vereine Kamenz und dem Bolls= Bildungs
Vereine Lemgo; —
je 5 Mark von den Herren: Berger, Wien, Hollmann,
Hanau, Bödede, Stadthagen, Wiedemann, Graz, Warnide,
Heiligenfelde, Sperl, Heinfeld, Helle, Stettin, Drewitz, An—
germünde, Ritter, Sonderöhaufen, Waeber, Brieg, Bath,
Berlin, Knauth und Heyje, ©t. Petersburg, Kupfer, Weiter:
hüfen, Schneider, Salbte, Finde, Danzig, Wiedemann,
Apolda, v. Kunowsti, Berlin, Dumnig, Noben, Shöning,
Bromberg, Biebmann, Jena, Abegg, Danzig, Nautenberg,
Perleberg, Krane d.%., Harburg, v. Grävenig, Stuttgart,
Albrecht, Met, Bender, Hüningen, Miühleifen, Blumen-
thal, Grundies, Lauenburg, Marsmann, Bardim, Mans
Briefe und Drudiachen für die Vereindleitung
find an den Borfigenden,
Dberftleutnant a.D. Dr. Mar Zähne in Berlin @.10,
Margaretenftrabe 16,
gels, Aſſuncion, Müblenhardt, Charlottenburg, Baumeijfter,
Scheibbs, Schrader, Gera, Steyer, Dredden, Riden, Görlig,
Jonquiere, Bern, und der Realanftalt am Donnersberge; —
je 4 Mark von den Herren: Wille, Neuftettin, Grünes,
Nitolsburg, Kollmann, Eisleben, Bartenberg, Eupen,
Schrader, Mülheim, Word, Charlottenburg, dv. Zengerte,
Marburg, Linnebach, Schafihaufen, Chomſe, Berlin, Hauſa—
dowsti, Raſtatt, Abegg, Berlin, Kiesmann, Leipzig,
Strüpki, Charlottenburg, Trott, Berlin, Kübel, Ansbach,
Scholz, Kiel, Strauß, Oels, Schotte, Schleufingen, Preuß,
Gehren, Siebenbürger, Wilhelmshaven, Heuermann, Chi—
cago, Schmidt, Jerufalem.
Von drei verehrten Mitgliedern unfers Vereins geht und die
folgende Zufchrift zu:
»In der Zeitjchrift des allgemeinen beutjchen Sprachvereins
Nr. 38. 3. Sp. 54 findet fi) der Sag: ‚Herrn Mähliß ijt
feine Zugehörigleit zum allgemeinen Verein für vereinfachte
Nechtfhreibung zum Verhängnis geworden, und da die Um—
fturgbejtrebungen auf dem Gebiete der Nechtichreibung nicht fo
bald Ausficht auf Erfolg zu haben fcheinen, wollte er ed damit
wohl auf dem der Spradjlehre verjuchen.‘
Gegen die Veröffentlihung diefes Sapes in der Vereinzzeit-
ſchrift legen hiermit auf Grund von Abjap 3 der Sapungen die
Unterzeichneten Verwahrung ein. Sie thun dies auch im Hin—
weis darauf, daß der Verein für vereinfachte Hechtichreibung, der
übrigens weder mit den Spradjvereinfachungen des Herm Mäplik
irgend etwas gemein hat noch jelbjt irgend welche >» Umjturz-
bejtrebungen« verfolgt, jtets für die Sache des Sprachvereins
warm eingetreten ift und fomit eine derartige Berunglimpfung in
der Beitichrift desfelben nicht im geringjten verdient hat.
Hochachtungsvollſt
I. Spieſer, Piarrer in Waldhambach im Elſaß,
Mitglied des Sprachvereins und derzeitiger Obmann des Nedht:
jchreibvereins.
Dr. Edward Lohmeyer, Oberbibliothelar in Kaſſel,
früherer Obmann des Rechtichreibvereing, Mitglied des Sprad)-
vereins und feines Gejamtvorjtandes.
Dir. Aug. Diederichs,
Vorftandsmitglied des Rechtichreibvereins, eines der älteften Mit-
glieder des allgemeinen deutihen Sprachvereins, Ehrenförderer des
lepteren, jowie Gründer und Ehrenmitglied jeines Bonner Zweig:
vereins. «
Indem wir diefe Verwahrung zum Abdrud bringen, bemerken
wir noch ausdrüdlih, daß uns felbftveritändfich nichts ferner ges
legen hat, als eine Verunglimpfung der Bejtrebungen des Ver:
eins für vereinfachte Nechtichreibung. Zu diejer Stellung zu neh—
men, haben wir um fo weniger Veranlafjung, als (wie die Herren
Einjender mit Recht bemerken) durch unjere 3. Sapung die Fragen
der Rechtichreibung und der Schriftgattung ja zunächſt überhaupt
von der Thätigfeit des allgemeinen deutſchen Sprachvereins aus-
geſchloſſen find.
Der Geſamtvorſtand des a. d. Spradvereine.
Dr. War Jähns.
Geldiendungen und Beitritterflärungen djährlicher Beitrag 3 Mart.
wofür die Zeitſcheifi und die ſonſtigen Druichrifien des Vereins gellefert werben)
an en Ecdapmeiiter,
eringsbuchhändler Eberhard Ernft in Berlin @.S,
Wilhelmitraße 90,
Brlefe und Drudfacden für die geitfhrift find an den Serausgeber, Oberlehrer Friedrich Wappenhbans in Berlin R.W. 38, Altonaer Straße 32,
Brlefe und Zufendungen für die Wiſſenſchaſtlichen VBeibefte an Profefior Dr, Paul Ptetſch, Berlin W.30, Mopftraße 12
zu richten.
Drud der Buhdruderei des Waiſenhauſes in Halle a.d. S.
5 Seiffhuif
XI. Jahrgang fir. 5.
1. Mai 1896.
—
alfgemeinen deuhſhen Sprachuereins
Regründefvon Herman Riegel.
Im Auftrage des VBorjtandes —— von Friedrich Wappenhans.
Dieje Zeitſchrift erigelnt jährtich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen beutihen Sprachverelns unentgeltlich
geliefert (Sapııng 4).
Anhalt: Etwas von der deutichen Seemannsiprade. Bon Goedel. — An die Frauen. Bon Anna Bauer. — Hajenbrot.
Die Beitirift tan auch durch den Buchhandel ober die Poſt
zu 3 DE. jährlich bezogen werben. — Anzeigenannahme durch den Schahmelſter
Eberhard Ernit, Verlin @.8, Wilhelmftr. 90, — Auflage 15000.
Bon
Paul Pietſch. — Kleine Mitteilungen. — Spradjlide Mufterleiftungen. — Spredjaal. — Bücherſchau. — Zeitungsihau. — Aus den
Zweigvereinen. — Geſchäftlicher Zeil.
Etwas von der deutiben Seemannsiprade.
Bon Marine Oberpfarrer Goedel in Wilhelmshaven.
Seemannsſprache?! — welch ein Kauderwelſch, welch ein funter= |
von Wörtern aus |
buntes Durdeinander von Araut und Nüben,
allen Böllern, Leuten und Zungen! Das ift nun wirklich einmal
etwas für den Spradverein; ein Augiasjtall, den zu reinigen eine
hohe, aber gewiß jehr jchwere Aufgabe iſt. So höre ich manchen,
der die Überſchrift lieſt, iprechen, denn er erinnert ſich dabei mit
Schaudern nicht nur der Seelrantheit, jondern aud) der Seemanns-
ſprache, die ihm vorigen Sommer auf dem Dampfer nad) open:
bagen, Helgoland oder Borkum jo viel zu ſchaffen gemacht hat.
Wollte er ſich doc) in jeiner »Seetollheit« bei den alten Knaſter—
bärten von Seeleuten Troſt holen; vergeblid), er verftand einfach
nicht, was fie jagten.
Warum nicht? Nun, zuerit darum nicht, weil diefe Leute
überhaupt nicht den Mund aufmachen, aud) wenn fie mit einem
jprechen, weil fie alles recht undeutlich durch das Gchege der
Zähne quetichen. Zweitens darum nicht, weil fie, wie alle Fach—
leute, viele Fahausdrüde für Dinge im Munde führen, deren
Sejtalt, Beihafjenheit, Gebrauch und Zweck dem Yandbewohner
gänzlich fremd find, jo da er fid) unter dem Namen, den er
dafür hört, auch) nichts denfen fann. Drittens darum nicht, weil
die deutſchen Wörterbücher bei weitaus den meiſten jeemänniichen
Wörtern vergeblid) nacdhgeichlagen werden. Nur die allerbefann-
tejten find aufgeführt und nicht einmal immer richtig oder wenig—
tens jo unbejtimmt erklärt, daß man ſich fein Bild machen kann,
So erklärt Weigand, und unſer Fremd Kluge ift ihm gefolgt,
Badbord als »die linke Hinterjeite des Sciffese, während
doch die ganze linke Seite von hinten bis ganz vorne Badbord
heit. So jagt Heyne über das Wort ⸗Gaffel«, es jei eine Art
Naa. Damit ijt nichts gejagt, und einem, ber ji) über den Unter—
jchied zwiichen einem Gaffelihuner und einem Raaſchuner unter
richten will, ijt damit nicht geholfen. Jcd mache den Männern
der germanijtiihen Wiljenfhajt daraus feinen Vorwurf. Es bes
weijt aber, daß jene denkwürdige Denkſchrift über die Gründung
einer preufiichen Flotte, die mit den Worten begann: » Da das
Wajjer befanntlich nicht unjer Element ijt«, doch wicht jo ganz
Unrecht hatte. Man liebt die Marine zwar jehr im Neich, aber
man fennt fie dod) noch vedyt wenig. Beweis: Aus »Beilboot
" Kamerum« machten deutjhe Zeitungen »Pjeilboot Kamerune; bei
der Kanalfeier liegen diefelben Zeitungen die vor dem Kaiſer
| paradierenden Schiffe »in See- von S. M. S. »Hohenzollem«
‚ vorbeifahren, anftatt »in Lee«; ein vielgebrauchtes deutſches Leſe⸗
buch für Gymnaſien jchreibt von Schiffen, »die mit flatternden
Segeln über das Meer eilen«, ohne zu ahnen weld; ein furcht⸗
barer Unfinn in diefen jcheinbar jo harmlojen Worten jtedt, die
um nichts beſſer find als das herrliche Wort einer ſeeſtädtiſchen
Zeitung: »Boreas blies mit vollen Baden aus Südweſt.« Konnte
man doc) auch gedrudt lejen, daß irgendivo ein Schiff das andere
mit feinem » Hediporn« getroffen habe. Und muß einer, der weih,
daß Koje — Bett ijt, nicht große Augen machen, wenn er leſen
muß, daß drei Offiziere in einer Koje figen und Stat fpielen?
Wie viele bittere Thränen find ſchon ans ſchönen Augen gemeint
worden, Thränen der jhmerzlichiten Enttäuſchung und Entiagung,
blog weil man im Binnenlande den Unterfchied zwifchen einem
»Sceoffiziere und einem »Dedoffizier« nicht fannte!
Indeſſen veichen dieſe drei Gründe noch lange nicht aus, zu
erklären, warum die deutfche Seemannsſprache den Deutichen jo
jremd und unverftändlich it. Ya warum? Iſt die Zahl der yremd-
wörter wirklich jo groß, daß man um ihretwillen jo daſteht, wie
ein gewifjes Tier vor einem neuen Sceumenthore ? Die Seeleute
lommen in allen Meeren herum und ſchnappen wohl bald an
diefer, bald an jener Hüfte ein Wort auf, um es ihrer Sprade
einzuverleiben? Weit gefehlt. Der echte Seemann ift dem Frembs
wort abhold; um jeine Spracde zu reinigen, brauchte es feinen
deutſchen Spradwverein zu geben. Dazu hängt unſer deutjcher
Seemann viel zu ſehr am alten, al& daß er fi mit neuen Fremds
wörtern abgeben jollte.
Aber vielleicht ift die ganze Sprache fremden Urjprungs? Das
vermutete der Schreiber diejer Zeilen anfänglich aud. Als id)
vor zwanzig Jahren meine erjte Seereife antrat, fam mir die
Sprache der Männer an Bord des deutjchen Kriegsſchiffes fo
»jpanijch« vor, da ich mir ein Herz fahte und einen kundigen
Schiffsfameraden darüber bejragte. »Das iſt alles Engliſch«!
war die ebenjo furze als — falſche Antwort. Als ich mid) erjt
in die Spradje eingelebt hatte, fand ich immer mehr, dak nur
jehr wenige, nur ganz vereinzelte wirklich engliſche Wörter in
ihr im Gebraudye ſtehen. Dagegen fam mir die Spradye immer
holländiicher vor. Längere Zeit war ic) geneigt, jie größtenteils
als eine Anleihe bei den niederländifchen Nachbarn anzujehen.
Und ſchließlich erfannte ich zur größten Freude für mein deut-
ihes Herz, daß die Sprache niederdeutich ift, genauer gejagt
83
niederfächfiich, noch genauer: niederfächjiich und friefiih. Daß jie
mit dem Holländiichen jeher viel Gemeinfames bat, wundert den
feinen Augenblick, der die nahe Berwandtichaft des Niederdeutichen
mit dem Niederländijchen kennt. Gin Gleiches gilt von ihren Be:
ziehungen zu den nordifchen Sprachen.
Aber das Englische? Wie lommt es, daß die deutiche See—
mannsſprache jo viele Wörter mit dem Engliſchen gemeinjam hat?
Ich nenne: ship, mast, top, board, back, ballast, stay, sail,
reef, bark, bilge, block, float, gang, breeze, cabin, windward,
lee, calm, cat, stern, clear, rope, log, deck, drag, ebb,
tackle, fender, sen, flag, marle, mate, mess. Pas erlärt ſich
eritens dadurch, daß einſt die Angeln und Sachſen fo viele deutiche,
d. h. angeljächjifche Seemannswörter aus Deutichland mit hinüber
genommen haben. Sie fuhren ja zur See hinüber, da fuhr das
Scemännijce von felbjt mit. Wie jtedt der »Beowulf« fo voll
von jeemännifchen Wörtern deuticher Herkunft! In einer Abhand⸗
lung »Meer und Schiff im Beowulf« habe ich die einichlägigen
Wörter in der » Marines Rundichaue zufammengeitellt. Ach füge
einige andere, aus der Seemannjcaft, bei: mit, Boot; been,
beäcen, Bale; blican, leuchten wie ein Bliffeuer auf einem Leuchts
turn; botm, Schiffsboden; brant, brandend; ceöl, Kiel; ford,
Furt; geat, Sat; growan, groien (Groden); läf, Yuv; maca,
Nacden; muda, Mündung; risan, reifen (aufftehen, morgens aus
der Hängematte); rowan, rudern (rojen); weal, Ufer -Wall«);
spreöt, Spriet; stapol, Stapel; stefn, Steven; steng, Stenge;
styrian, ſteuern uſp. — Zweitens haben hernad) die Normannen
aus ihrer nordiichen Heimat deutſch, oder jagen wir wenigitens
germanifche Wörter mit nad) Franfreich genommen und jie dann
weiter getragen, hinüber nach Haftings und in alle jieben König—
reihe. Drittens lagen die Schiffe der Hanja in englischen Häfen
haufenweife zu einer Zeit, da die engliihe Schiffahrt faum im
den Kinderſchuhen war, da haben die Engländer nicht nur
deutiche Seemannjchaft, fondern auch deutihe Seemannsſprache
gelernt.
Wenn aljo jo viele jeemännische Wörter den Deutjchen und
den Engländern gemeiniam find, jo dürfen wir fie getroſt als
unjer eigenftes Eigentum anfehen, bei dem jene eine fehr be-
deutende umverzinsliche Anleihe gemacht haben. Oder haben jie
Zinſen gezahlt? Nun, die Gerechtigkeit fordert, fejtzuftellen, daß
uns die Engländer manches jeemännijche Wort der Kriegsicdiiis-
ſprache während unjerer traurigen kriegsſchiffsloſen Zeit jorgiam
aufbewahrt und in bejjeren Tagen wieder zurüdgegeben haben.
Dabei hat das alte deutiche Gold mandmal etwas engliſche Prä—
gung erhalten, und injofern ift jener mein Bordlamerad mit
feinem: »Alles Gnglijch« einigermaßen entichuldigt, aber das
macht für den Urfprung diefer Wörter natürlich nichts aus, der
ift und bleibt deutjch. — Um alle Gerechtigkeit zu erfüllen, wollen
wir es hier dankbar beicheinigen, day uns bei diefer Gelegenheit
die Engländer allerdings aud) einige Zinſen in Geftalt einiger
Scemannswörter gezahlt haben, die wir, meines Wijiens, nicht
beſaßen, oder wenigftens nicht in feemännifchem Sinne. &s
dürften etwa dieje fein: Tender, Tank, Teifun, Cocktail, Quar-
terdeek, Bullei, Skylight, pullen, Pantry, eapsisen, Dingey,
Lloyd, Crew, Pier, Brigg, Gig, Bunker; wenigjtens wüßte ich
farm noch andere zu nennen, denn Wörter wie Yacht, Steward,
Davit gehören eben zu dem erwähnten deutfchen, nur engfiich ge-
münzten Golde, und von dem vielen engliichen Fachausdrücken bei
der Schiffsdampfmaſchine und ihrem Betriebe fehen wir bei der
Betrachtung der eigentlihen Seemannsipradje ohnehin ab.
Beitfärift des allgemeinen deutſchen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Nr. 5.
Ich nenne noch einige Lchnwörter, die auf dem Wege durch |
das Griechiſche, Lateinische, Mittelfateiniiche, Provenzaliiche,
a
Franzöfifche bezw. Spanifche zu uns gelangt find: Anker, Riemen
(Remen) — Nuder, Boje, Korvette, Schleuſe, Mole, Routin,
Kompak, Karneval (ein echt jeemännifches Wort, weil von camıs
navalis, der Schiffswagen, jtammend), Kapitän, Leutnant, Fte—
gatte, Galeere, Leine, Bart, Golf, Hull und Pina. Außen
dem einige aus dem Mrabijchen: Admiral, Havarie, tal:
fatern, Arſenal, Azimut, Kaliber, Gala. — Alles andere ih
deutich, zum großen Teil gemeingermanifch, aber im der nieder:
jächfich = friefiichen @ejtalt, wie es am unſerer Norbjeetüite ge
ſprochen wird.
Doch da entjteht ja erjt recht die Frage, warım Denn ber
Deutiche, aud) der Deutjche, der das Niederſächſiſche und Frieſüche
ehe wohl versteht, dod vor der Seemannsipracde die Segel
jtreihen muß? Und ihre Beantwortung führt uns auf einen
dunklen Punkt, auf die ſchwächſte Seite diefer Sprache. Sie it
nämlich nicht mehr vein niederfächfijch oder frieſiſch, ſondern vieliad
ins Hochdeutſche überjegt, und zwar falſch, ganz finnentitellend
falih. Das ift zwar anderen niederdeutihen Wörtern — it in
höchſt icherzbafter Weise — auch jo gegangen, aber den jeemänm;
chen Hat man doch am ſchlimmſten mitgejpielt. Dadurch ſind
ihrer viele fo verbunfelt worden, daß fie faum mehr wieder:
zuerfennen find, In einer Mbhandlung » Die neuhochdeutiche Ste⸗
mannsiprache« in der »Marine-Rundſchau« und in einer anderen
derielben Monatsichrift, welche ausdrüdkich die Überjchrift trägt:
Hochdeutſche Verdunfelungen niederdeuticher Seemannswörters,
babe ich an einer Reihe von verdunfelten Wörtern Aufbellungs-
verjuche angejtellt und nachgewieſen, wie 3. B. das jonderbare
Wort »fabjalene (das »jtehende Gut« des Tauwerls mit Teer
ſchmieren) fofort feine Inveritändlichkeit verliert, mern man ibm
feine urjprüngliche niederdeutfche Form wiedergiebt: Tapfalben (dns
Scmieren, bezw. »Salben« geichieht mit einem Lappen). ms
der befrembdlichjten Seemannswörter ift »Slielfchwein«. Zu wieviel
guten umd minder quten Wien hat- diejes Schwein ſchon Ver—
anlajjung gegeben! Und diejes Schwein ijt doch gar fein Schwein.
Es fautet niederdeutich jwin, und das bedeutete befanntlicd Htark.
Kielſwin biek alſo »Verſtärkung des Kiels⸗, was ſachlich genau
ſtimmt. Da aber ſwin allerdings auch Schwein heißt, jo bat
irgend ein geijtreicyer Menſch das eine ſwin mit dem andern
ſwin verwechielt und anjtatt Verſtärlung Schwein überjegt. Hätte
er es ganz; unũberſetzt gelafien, danıı wäre des Wortes Sinn nie
mals zweifelhaft geworden. Und das gilt von vielen dergleichen
Wörtern. Zum Beiipiel von »Maifeld«. So heißt bei Mejjungen
am Wafjer der gewachjene Boden (d. i. die ordentliche Höhe rt
bewachienen Landes). Das Wort hat aber mit Mai, dem Wonne
monat, nichts zu thun. Es fommt vielmehr, weil man es nidıt
nur mit gewachienem, jondern auch mit bemwachienem Boden zu
thun bat, von majen — mähen her, müßte hochdeutſch alfo Mäh—
und nicht Maifeld heißen. — Oder »löfchen«. Bei dem Zeitwon
töfchen denkt jeder zuerft am feuer oder wenigjtens an Durſt
Was heiht aber: die Ladung des Schiffes, die doch nicht brennt,
löſchen? Das nennt man niederdeutic lößen — frei machen, ent
fernen, trennen. Hätte man, wenn diejes löhen nun einmal
überjept werden follte, es mit »löjen« überjegt, fo war es richtig,
aber löſchen?! — — — Der von »Mars«, das Maſtkorb be
deutet. Was hat das mit dem Kriegsgott zu thum? Hätte man
dem Worte jeine niederbeutiche Form »Merde gelafien, dann mar
die Bedeutung »Korb« ohne weiteres jedem Kundigen Har, aber
»Mars« Mang wohl feiner, vornehmer, hochdeutſcher! — Ted
wir wollen es genug jein lajjen des graufamen Spielt.
Aber das muß id) noch jagen: Da wir nun eine fo ſchön al
blühende vaterländiiche Kriegsmacht zu See, eine ſchon allerhand
85
» Achtung gebietende« deutjche Flotte haben, fo dürfen wir wohl
aud) von künftigen deutfchen Wörterbüchern eine eingehendere Be:
rüdjichtigung der deutschen Seemannsſprache erwarten. Sie iſt es
auch wert, denn fie it eine ſchöne, reine, echt deutiche Spradye!
An die Srauen.
Angefihts der Thatfache, daß die Beteiligung der Frauen
an den Berjammlungen des Sprachvereins nur gering, ihre felb:
jtändige Mitarbeit an der Thätigfeit der Zweigvereine fait gar
nicht zu bemerfen ift, liegt die Frage nah, ob für den Mann
die Spracdjreinigung von größerer Wichtigkeit fei, als für die
Frau; und ebenfo nah liegt die Antwort, daß gerade das Um—
getehrte der Fall it. Der mit Gymnajialbildung ausgerüjtete
Mann weih doc wenigitens, welchen Begriff er mit diefem oder
jenem Fremdworte zu verbinden hat, während die Frau fich in
ihrer Auffafjungsfähigfeit und damit auch in ihrer geijtigen Ents
widlung immerfort dadurd aufgehalten fieht, daß fie auf Schritt
und Tritt auf Fremdausdrüde ftöht, die ihr begrifilic unklar find.
Es fragt fich nun weiter, ob denn die Thätigkeit des Vereins
eine derartige jei, daß fie fich der Mitwirfung der frauen ents
ziche? Darauf fann wohl niemand bejjer antworten, als ein
weibliched Mitglied, das ohne äußere Anregung von der erjten
Stunde an den innigjten Anteil an der Bewegung genommen,
ſchon drei Hauptverfammlungen beigewohnt hat und wahrſchein—
lih unter dem zahlreichen deutſchen Schriftitellerinnen auch die
einzige ift, die zum Zwecke der Sprachreinigung wiederholt ihre
Feder in Bewegung gefept hat.
Meine Erfahrung lehrt mid nun, daß weder in diefer Zeit:
ſchrift noch in den Verfammlungen jemals etwas zur Sprache
gelommen ift, dem wir unfer Ohr nicht hätten leihen dürfen, oder
was ſich unjerer Beurteilung entzogen hätte. Dagegen hat viel-
leicht manchmal eine Erörterung aus dem einzigen Grunde feinen
befriedigenden Abſchluß gefunden, weil man nicht aud) die Frauen
darüber hörte. ES ſei bier bloß am die wiederholte Abſchlachtung
des Wortes » Dame« erinnert,*) (fir das die Schreiberin diefer
Zeilen 1. 3. in der » Deutjchen Romans Jeitunge eine Yanze ein=
gelegt, weil ihr in dieien Blättern der nötige Raum nicht zur
Verfügung geitellt werden konnte), ſowie an die oft erwähnte
Thatfache, daß die Entwidlung der Sprache ſich nicht vorwiegend
auf dem Gebiete der Logik, jondern aud auf dem des Gejühls
vollziche.
Es mag nun Frauen geben, die eine Zurückſetzung darin
ſehen, daß man jagt, das weibliche Geſchlecht vermöge beſſer mit
dem Gefühl, als mit dem Berjtande zu ſchließen. Für ſolche
aber bietet ſich hier gerade die Gelegenheit zu zeigen, daß ihnen
auch die letztere Fähigkeit nicht verfagt ift. Aber in feinem Falle
ift es logiſch, Vereine zu gründen und Berfammlungen zu halten,
um für wirkliche oder vermeintlidıe Nedjte einzutreten, wenn man
an anderer Stelle von diejen Rechten feinen Gebrauch macht. Die-
jenigen, welche es vielleicht nach einen Plap im Neichstag oder
Abgeordnetenhauſe gelüjter, follten fi) dod) vorerjt um Sig und
Stimme im Vorſtande des a. d. Spradjvereind bewerben.
Doch nicht allein an fie jollen diefe Worte gerichtet fein, ſou—
dern an alle jene, weldye das Fremdwörterunweſen einmal als
etwas Ungebührliches empfunden haben. Machen wir es uns
doc) endlich Mar, daß es ſich bei der Bejreiung von jenem Un-
wejen nicht um einen Zwang handelt, dem fich jedermann zu
*) Die Frage iſt Ihatjächlich auch von Frauen in diejer Zeit
ichrift behandelt worden, vgl. I, 153 u. 156; Ill, 59, 145, 187.
Die Schriftleitung.
BZeitfhrift deö allgemeinen deutfhen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Mr. 5.
86
unterwerfen hat, jondern vielmehr um ein freundliches Überein-
fommen, das überhaupt nicht zuftande lommen Tann, fo lange
die Frauen ihre Mitwirkung verjagen. Darum müßten alle gebil-
beten verheirateten und unverheirateten Frauen ſich in den Dienjt
des Sprachvereins ftellen, indem fie Mitglieder werden, die Zeit:
jchrift lefen, die Berfammlungen beſuchen oder Zweigvereine grün-
den, wo ſolche noch nicht beftehen, und endlich, doch nicht zulept,
dadurch, daß fie die Spradhreinigung in die Mode bringen,
wie eine neue Haartracht oder einen Ärmelfchnitt. 2
Es ift noch nicht lange her, daß beſonders unter der jungen
Welt Heiner Städte das fogenannte jeu d’esprit jehr beliebt war.
Es jcheint freilich jept immer mehr abzulommen, doch giebt es
ohne Zweifel auch heute noch Kreife, in denen man Geiſt und
Witz genug hat, um fih am foldhen Beiftesfpielen zu erfreuen.
Diefen kann vielleicht in folgendem eine Anregung geboten werden,
die Sprachreinigung in ihr Spiel zu übertragen:
Die Geſellſchaft ſammelt fich im Kreiſe, und einer der Teil:
nehmer fordert einen andern auf, ein beftinmtes Fremdwort zu
verdeutichen. Gelingt ihm die richtige Übertragung nicht, bis man
drei gezählt hat, jo giebt er ein Pfand, und die Aufgabe fällt
dem Nahbam zu, bis fie zur allgemeinen Zufriedenheit ges
löſt ift. Ein anderes Spiel wäre ein »Preisausfchreiben«. Jeder
Teilnehmer zahlt einen Einjaß, oder man ftiftet einen oder mehrere
aus Scherzgegenftänden beftehende Preiſe. Hiernach ernennt man
je nach der Größe der Gefellihaft einen oder drei’ Preisrichter,
die eine Anzahl Fremdwörter zur Verdeutſchung vorfchlagen. Dazu
eignen ſich wohl am beiten ſolche von verschiedener Bedeutung, die
im Laufe der Unterhaltung vorgelommen find, und zwar in ihrer
Sapverbindung. Wenn nun jeder Teilnehmer feine Berdeutihung
auf einen Zettel niedergejchrieben hat, jo verjieht er ihn mit einem
Merkwort und übergiebt ihn den Nichtern zur Entiheidung.
Die Zugkraft folder Spiele hat die Screiberin diefer Zeilen
feinesivegs erprobt. Sie wollte damit nur, wie ſchon bemerkt, eine
Heine Anregung bieten, aus der findige Köpfe vielleicht eine
Duelle der Unterhaltung herleiten können. Die deutſchen Frauen
aber bittet fie, durch einen Mafienbeitritt zum Sprachvereine ſich
dem Bormwurfe der Unfähigkeit und Geiftesträgheit zu entziehen
und durch eifrige Thätigfeit den Beweis zu liefern, daf fie nicht
warten müjien, bis fie gejchoben werden, jondern ſelbſt auch jtart
genug find, zu ſchieben.
Kochem a. d. Mojel.
Baienbrot.
Über die Bedeutung und Verbreitung des Wortes Hafen:
brot (val. Jahrg. X Sp. 180 und 225) find uns noch folgende
Mitteilungen zugegangen, die wir — die Herren Einfender mögen
das freundlichſt verzeihen — mit Niückjicht auf den Raum der
Beitfchrift nur im ihrem wejentlichen Anhalt wiedergeben fönnen.
Am eingehenditen bat Herr Juſtizrat Dr. Tzſchirner in Demmin
ſich mit dem Worte bejaht, indem er aus verichiedenen Gegenden
gebürtige Berionen befragte und ibre Ausfagen jchriftlich aufnahm.
Durch diefe Ausfagen wird das Vorhandenfein bezeugt 1. ledig:
lid als eines Jägerwortes für die Magdeburger Böhrde.
Der betr. Zeuge ift der Sohn eines Jägers, der nad) altem
gutem Zägerbraucd nur ein gehöriges Stüd Schwarzbrot mit auf
die Jagd nahm, die heimgebrachten, meiſt mochenbarten Refte davon
waren den Kindern als Hajenbrot zu einem Yederbifien geitempelt
worden. Andere Verwendung des Wortes ift dem Zeugen uns
befannt. — 2. Fir Siedenbollenthin in (Alt) Vorpom—
mern ebenfalls nur als Zägerwort. Der Zeuge erinnert ſich
von feinem Water die ichon erwähnte Äuferung » Dat bewmw it
Hoain afjagt« gehört zu haben, — 3. Für Pyritz in Hinter:
pommern in der Hauptbedeutung ȟbrig gebliebene und den
Kindern mitgebradyte Wegzehrung oder auch für fie mitgebradjte
Anna Baıer.
87
Näfchereien.e — 4. Als allgemein Kerr für bie Gegend
von Küftrin und Landsberg a. d. Warthe in der Haupt-
bedeutung. — 5. Als Bezeichnung der troden gewordenen oberjten
Broticheibe (eines angeichnittenen Brotlaibs) in der Familienſprache
des Herm Einfendere, Die Familie ift ſchleſiſch-märkiſcher
Hertimft. — Daran ſchließt ſich die Mitteilung des Herrn Dr.
N. Witting in Dresden, der das Wort in der Hauptbebeutung
von ſchleſiſchen Förſtern gehört hat. — m Dberlehrer Dr.
R. Sprenger in Northeim fennt e3 in der Hauptbedeutung aus
feiner Baterjtadt Quedlinburg, aud die Angabe, daß das Hnjen-
brot dem Hafen abgejagt fei. Im Bereich feines jepigen Wohnfikes
bat er es zwar gehört, glaubt aber, daß es erft jüngft aus den
benachbarten Harzgegenden eingedrungen jei, da es älteren Leuten
unbefannt und von Shambad in feinem Wörterbuch der nieder-
deutichen Moda. d. Fürftentümer Göttingen und Gruben-
hagen (1858) nicht verzeichnet fei. Dagegen gebe Woeſte in
jeinem Wörterbucde der weiti. Mda. einen Beleg des Wortes aus
dem Sauerlande, und Jo. Kehrein, Voltksſprache und Bolls-
fitte im Herzogtum Naſſau (1862), I, 187 bemerkt, daß Haſen—
brot 1. mit Zuder beftreuted Brot; 2. Brot überhaupt bedeute,
um e3 den Kindern mit diefem Namen annehmbar zu machen.
Dies geichehe oft mit dem Aufap: »Da hat's Vögelchen drüber
gepfiffen.e — Sn der Mofelgegend war das Wort wenigitens
früher befannt, wie Herr Brofefior Dr. Imme in Efjen bezeugt,
der es oft von feiner aus Trarbach ftammenden Frau umd deren
Mutter gehört hat.
Schließlich fei erwähnt, worauf Herr Dr. R. Sprenger auf:
mertſam macht, dak das Wort Hafenbrot jchon einmal früher Ge—
genftand einer ähnlichen Beiprehung wie jet in unferer Zeitfchrift
gewejen fit. Und zwar im »Sorrejpondenzblatt des Bereins für
niederd. Sprachforſchung· IX (1884), ©. 13. 57. 74; X (1885),
S. 44. Mber, fee ich hinzu, es iſt micht viel dabei heraus—
efommen. Bezeugt wurde es in der Hauptbedeutung für die
egend von Pyriß (. oben); für Quedlinburg (j. oben; das
Zeugnis rührt gleich dem obenangeführten von Herrn R. Sprenger
ber), und fürs Söttingiiche. Endlich für Mähren, aber hier
ala — — Brotes, das vom Lande in die Stadt ge—
bracht wird.
gegangenen Mitteilungen ſowohl hinſichtlich der Verbreitung
als auch der Bedeutungen ein reiches Ergebnis gehabt. Hin—
ſichtlich beider möchte man einerſeits nun noch gern wiſſen, wie
es mit Oſtfriesland, Schleswig-Holſtein und Mechlen—
burg, andererſeits wie es mit Oberdeutſchland ſteht. Denn
die bisher beigebrachten Zeugniſſe gehören nur den füdlicheren
Teilen von Nieberdentichland und ferner Mitteldeutichland an.
Auch Oftreihifh-Schlefien, Mähren und Böhmen find ſprachlich
mitteldeutſch. Es werden alfo auch verneinende Zeugniiie,
vorausgejegt daß fie nicht leichtfertig, etwa nur auf Grund perjün=
licher Unbefanntichaft mit dem Worte, für irgend einen ganzen
Ort oder eine Gegend gegeben werden, willlommen fein.
Als urfprünglihe Bedeutung haben wir offenbar die am
weitejten verbreitete »für bie Hinder heimgebradıte (Brot)reite der
Wegzehrungs anzufeben. Bon hier aus erklären fich leicht die
nachgewieſenen anderen Bedeutungen: es find meift vertrodnete
Broiſtücke, die Heimgebracht werden, daher wird hier und da auch
anderes vertrodnetes Brot jo genannt. Sie gelten den Kindern
als Lederbifjen, daher wird dad Wort auch übertragen auf wirk—
liche für Kinder bejtimmte Lederbijien. Das Hafenbrot iſt über
Land getragen, daher hat in Mähren auch das vom Lande in die
Stadt zum Verkauf gebrachte Brot diefen Namen angenommen.
—“ der Deutung des Wortes wird es zunächſt bei dem,
was bereits Jahrg. X Sp. 180 vermutungsweiſe ausgeſprochen
wurde, fein Bewenden haben müſſen. Der Erllärungsverſuch, den
Herr Dr, Taſchirner mitteilt (man habe das meiſt ſehr hartgewordene
Brot Hafenbrot genannt, weil die Kinder es nicht qut anders als
mit den Scmeidezähnen gleidh dem Hajen fnabbern könnten), trifit
wohl nicht den Urjprung des Wortes, fondern zeigt nur, wie
ih das Volk das unverjtändlich gewordene Wort fpäter auslegt.
»Warum jo viel Hin und Her um ein einziges Wort, das
noch dazu manchen gar nicht befannt und daher gleichgiltig iſt ?«
— jo wird vielleicht der eine und der andere unferer Vereins—
genofjen denken und jagen, wenn er diefe abermalige Auftiſchung
des Hafenbrotes zu Geſicht befommt. Ganz abgejeben davon, da;
die billige Rückſicht auf die Herren Einjender der erbetenen Mit:
teilungen die Verwertung in der Yeitfchrift verlangte, begrüße ich
es mit großer Freude, an diefem Beifpiel einmal zeigen zu können,
haben denn doc die unferer Beitichrift zus
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Spradvereins. AI. Jahrgang. 189%. Nr. 5.
88
in welcher Weiſe u. a. unſer Verein ſeine Liebe zur Mutterſprache
auch für deren wiſſenſchaftliche Erkenntnis fruchtbar zu machen im⸗
ftande if. Es iſt gar nidht zweifelhaft: es giebt, um
die Bedeutung eines bejtimmten Wortes, jein Bor
tommen oder Fehlen in den verfhiedenen Gauen unieret
Baterlandes feitzujtellen, gegenwärtig keinen leichter
gangbaren Weg als eine an die über ganz Deutihland
bin verjtreuten Benojfen bes Sprachvereins gerichtete
Anfrage Es iſt nicht im mindeften fraglich: fo viel Thatſächliches
über Bedeutung und Verbreitung des Wortes Hajenbrot, wie die
Beiträge unferer Bereinögenofien ſchon jept ergeben haben, war
bisher in feinem Wörterbuch niedergelegt und auch wohl micht im
Wiſſen irgend eines lebenden deutihen Spradforichers vereinigt.
Die Ergebniffe, die ich oben kurz aufammenzufafjen ſuchte, find
aljo geradezu als ein Zuwachs des Wifjens von dem Worte Haſen—
brot anzufehen. Das ift ja mum freilich nur ein Wort unter
taufenden, und dem, der mur flüchtig binblidt, mag darum der
Gewinn für die Wifjenichaft ganz unbedeutend oder nichtig er-
jcheinen. Ebenſo ift aber audy das einzelne bunte Steinchen von
neringer Bedeutung, das im Mojailgemälde, an die für es paſſende
Stelle geſetzt, nicht entbehrt werden fann, umd nicht minder ijt der
hinmmelanftrebende Dom aus einzelnen Werkſtücken zuiammen-
gefügt, die jedes für fich wenig bedeuten. Das Sprichwort »Ber
das Kleine nicht ehrt, ift des Großen nicht wert« gilt nicht zulept
aud von wifjenfchaftlicher Arbeit und Ertenntnis.
Berlin. Paul Pietjd.
Rleine Mitteilungen.
Weld regen und wohlwollenden Anteil der Großhertzog
von Sadhjens Weimar j. 3. an der Begründung des a. d.
Spradyvereins nahm, beweijt ein Brief, den er unterm 18. Oftober
1885 an den Stifter des Bereins, Herman Niegel, jcrieb
und den vor kurzem cine Neihe von Zeitungen abgedrudt haben.
Da diejer Brief wohl eine dauernde Bedeutung beanfpruchen darf,
obwohl die jpäteren Verhandlungen feider ohne Ergebnis biichen,
fo geben wir ihn bier im Wortlaute wieder:
sMein werter Herr Profeſſor Riegel, nach längerer Reiſe
hierher zurüdgetchrt, fand Ach Ihre Sendung und Zuſchrit
vom 30, Auguſt Meiner wartend und eile nunmehr, mit all
der Teilnahme, welche Ich längſt für Ihre Beſtrebungen be
zügfich der Reinigung der deutſchen Sprache hege, Ihre Zu:
fendung zu beantworten. Welche freudige Zuſtimmung Ic
Ihrem Borichlag im ganzen gebe, mögen Sie zunädit aus
der Erklärung ertennen, dab ch gem bereit bin, die Aut
führung eines Unternehmens, wie Sie es dem deutſchen Wolfe
vorjchlagen, nad) beiten Kräften zu fürdern, denn Ich habe die
Überzeugung gewonnen, daß Sie den richtigen und einfacten
Weg gefunden haben, um ein großes und wahrhaft vaterlän:
diſches Ziel zu erftreben, dejien Erreichung, wenn fie gelingt,
dereinſt ſich als eine Errungenichaft auf geiftigem Gebiet er
weijen wird, welche fi würdig der Neugejtaltung des Deutichen
Reihe auf jtantlihem Gebiet anreihen und einfügen mird —
diejelbe lann aber gelingen, wenn alle Gleichgeſinnten ſich raid
und freudig zur Mitarbeit zufammenjchliegen. Mir ericenn:
die Angelegenheit zu bedeutend und vielverheiiend, um dieſelbe
durch jchriftlichen Gedankenaustauſch mit Ihnen jchon jet zu
erledigen — gerade ber erjte Anfang muß reiffich erwogen und
durd; mündlichen Verkehr gefördert werden. Ach lade Ei
daher ein, Mich zunüchſt auf der Wartbura, die Ich vom
22, dieſes Monats an für einige Zeit bewohnen twerde, zu be
juchen und erfuche Sie um Nachricht, ob und wann Sie fommen
fünnen? Ausdrücklich verlange Ich jedoch, daß von dieler
Meiner Meinungsäußerung nicht eher geredet werde, alt Bi}
nad) unjerer Beiprehung auf der Wartburg. Sodann bitte
Ich, Mir durch Ihren Verleger 100 Nummern Zhres ‚Haupt
89
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvere ins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 5.
90
ftüds von unſerer Mutterjpradye‘ und 25 Ihrer Schrift ‚Der
Allgemeine Deutſche Spracwerein‘ für Meine Rechnung fenden
zu lajien, da Ich die Mbficht habe, zur Vorbereitung unjeres
Unternehmens jojort durd Verbreitung Ihrer Schriften bei
Meinen Behörden und Lehranitalten den Anfang zu machen.
Erfehen Sie hieraus, Mein werter Herr Profeffor, wie fehr
Sie durd Ihren ‚Mahnruf Mid erfreut und Meine Zus
jtimmung wie Meinen Dank gewonnen haben.
Garl NAlerander.«
— Für das Feſtmahl, welches der Bundesrat zur Erinne:
rung an jeine erſte Sipung am 20. Januar 1871 im Kaiferhof ver:
anftaltete, war, wie die »Nordd. Allg. Ztg.« meldet, folgendes
» Menue entworfen: Hors d’oeuvre varies, Potage cräme de
gibier. Consommö à In rögence. Turban de filets de soles
au gratin. Selle de prösal& sauce imper. garnie de primeurs.
Langouste de la Möditerranee à la russe, Caneton de Rouen
farcie à la rouennaise. Salades diverses. Charlotte glac6 aux
fraises. Fromage et beurre. Pailette, Dessert. — Dem Beijpiele
des deutichen Kaiſers, auf defien Tafel nicht franzöfiiche » Menuse,
jondern deutjche » Speijetarten« oder » Speilefolgen« fommen, hat
fi) alfo der Bundesrat nicht angeichlofien.
— In der Saarbrüder Kirchen-Synode ſcheint ala Amte-
jprache noch das Lateinische zu herrichen. Eine Anfangs März
erjhienene öffentliche Erklärung evangelifcher Geiſtlicher ift von
dem Superintendenten, dem Synodal= Nijefior und dem Synodal—
Striba unterzeichnet- (Mr. 55 der Zeitung »Das Bolte.)
Sprablibe Mufterleiftungen.
Ein Lefer der Zeitichrift ichreibt uns, daß ein jo erfreuliches Vor⸗
gehen wie das des Königlich Bayriſchen Juſtizminiſteriums gegen die
vielfach mangelhafte Spradje der Gerichte (vgl. Sp. 46 d. Jahrg.)
innerhalb der Bayriichen Bauverwaltung nicht weniger er-
jtreben&wert jcheine. In Nummer 47 des Gentralblattes der Bau—
verwaltung vom 23, Nov. 1895 fei nämlid) unter den amtlichen
Mitteilungen zu leſen: »Bayern: Der temporär quiescirte
Regierungs- und Kreisbau-Aſſeſſor X. ijt in den erbetenen Ruhe—
itand verjeßte. Hoffentlich veranlakt diefer Hinweis die Königlic)
Bayriſche Bauverwaltung die Ausdrucksweiſe ihrer amtlichen Vers
öffentlichungen zu verbejjern.
Welche wunderbaren Blüten die kaufmänniſche Sprache zu:
weilen treibt, zeigt ein Drucdichreiben des Berliner Verſand—
hauſes ⸗„Germania«, Unter den Linden 21, in dem es heift:
»Um im Ausftelungsjahr unfere Leiftungsfähigkeit in den weite:
ſten Kreiſen befannt zu machen, haben wir einen Ausitellungs-
bavelod ... componiert...c Wenn die Schneider anfangen
Kleider zu »componieren«, dann werden die Tondichter wohl zu
einem deutjchen Worte greifen und in Zukunft ihre Opern, So:
naten uſw. »anfertigen« müſſen.
In einer Belanntmahung des Großherzogliden Kreis:
amts Gichen, in der es ih um die Gewährung von Beihilfen
an ehemalige Kriegsteilnehmer handelt, heit es im »Gichener
Anzeigere (Nr. 84 vom 10. April 1506): »Nusgeichloffen find: ...
©. Perſonen, welche ſich nicht im Beſitze des deutihen Indige—
nats befinden«.
Krieger, welde die Belanntmachung angeht, wohl den Ausdrud
die
Wir möchten wiſſen, wie viele der tapferen |
»Indigenat« verftchen werden? »Deutjches Heimatsrecht« oder |
»die nicht Reihsangehörige find« wäre ihnen gewiß klarer.
l
An Nr. 3 des »Badiſchen Sängerboten« (»Amt&blatt bes
Badiſchen Sängerbunds«) Mannheim, März 1896 wird die nad):
folgende Kundgebung des Feitausichuffes für das V. deutiche
Sängerfeit in Stuttgart 1896 veröffentlicht:
» Die Annahme, ald ob feine Logis mehr zu haben feien, ift
eine irrige. Natürlich in Hotel& giebt es feine für Sänger, und
es waren jdon im vorhimein feine zu befommen, weil alle dis—
ponibeln Wohnungen in Stuttgart und Umgebung vom Woh—
nungscomitö für die Sänger occupirt find, jo daß diejenigen
Sünger, welche fich direft an die Hotels wenden, natürlich
eine abjagende Antwort erhaltene.
Und das nennt fi deutſches Sängerſeſt!
Spreblaal.
»Würzburgſtraße«, jo lautet die Bezeihnung einer neuen,
zum Gebiete der Vorortgemeinde Schöneberg gehörigen Strafe
des Berliner Weſtens auf einer Tafel, die vorläufig auf einem
Piahle an der Sreuzung der genannten und der Augsburger
Straße aufgeftellt ift. Auch der neue Berliner Wohnungsanzeiger
enthält bereits die »Würzburgjtrahe«, und in den Polizeiämtern
und bei anderen amtlichen Stellen wird fie jo geführt. Es ift
nicht anzunehmen, daß die Straße den Verdieniten eines Drannes
namens Würzburg ihre Bezeichnung verdantt; vielmehr laſſen die
Namen der benachbarten Augsburger, Nürnberger, Paſſauer,
Ansbacher, Bayreutber uſw. Straße darauf fchließen, daß ber
Name der neuen Straße von der bayeriichen Stadt Würzburg
hergeleitet iſt. Die Strahenbezeihnung würde jomit nicht Würz-
burgitraße, jondern Würzburger Strafe zu lauten haben. Fr
ewohner der neuen Straße ift es peinlich, ſich im amtlichen,
geſchäftlichen und privaten Verkehr, um Jrrtümer und Unannehm—
lichkeiten zu vermeiden, einer ſprachlich falſchen Bezeichnung bes
dienen zu müfjen. Es ift deshalb zu wünſchen, daß der Schönes
berger Semeindevorftand bei Aubringung des endgültigen Straßen:
ſchildes ſowohl wie bei Freitlegung des Namens an den in Betracht
fommenden amtlichen Stellen der ſprachlich richtigen Bezeichnung
ihr Nect werden lajje.
Berlin. —b,
Bücherſchau.
P. Merkes, Beiträge zur Lehre vom Gebrauch des
Infinitivus im Hochdeutſchen auf hiſtor. Grundlage,
I. Zeil. Leipzig, Robolsly. 171 ©.
Als Probe einer von ihm ins Auge gelahten ausführlicheren
Grammatik der deutichen Sprache legt hiermit der Werjafier die
Behandlung zweier Gebrauchsweiſen der Nennform vor, nadı der
zu urteilen fein Abſehen erſichtlich darauf gerichtet iſt, Für Fälle
noch unjicherer Erklärung und noch ſchwankenden Gebrauches den
allein richtigen Weg zu weifen. Nach einem einleitenden Abjchnitte
wird ©. 14 der Verſuch gemadıt, unfer Futur als uriprüngliche,
ſchon im Mhd. anhebende Aufammenjegung von werden mit
der Nennform zu erllären, indem die Annahme, daß nur fcheins
bar eine Nennform und in Wahrheit ein feines d verluftig ne
gangenes erſtes Mittelmort vorliege, unbedingt zurüdgemwiejen
wird. Dieje Zurückweiſung ift nicht gelungen, weil fie nicht ge—
lingen fonnte, wie ein Bli auf die Spradentiwidlung zwifchen
1300 — 1500 lehrt. Einmal nämlidy ftehen bis etwa 1400 noch
häufig deutliche Mittelwortsformen neben den Nennformen. Bol. in
der Veter buoch (Stuttgart. Litt. Ber. LXXII), wo die erweiterte
Nennform nicht aud auf ende wie das Partizip, ſondern auf
ene emdigt, 3. B. 61,19: er wirt neben anthonio in dem
himelrich siezende. Der dem Berfaffer unertlärlich bleibende
Abfall des d jodann läßt ſich ja noch beobachten in den ähnlichen
Fügungen von finden, ſehen u. ä. oder bleiben mit einer ſchein—
baren Nennform, deren Entſtehung aus einem erjien Mittelmort
unangefodhten it. In Steinböwels Ajop (Stuttgart. Pitt. Ver.
OXVII ſteht 3. B. noch nebeneinander: als er den kouffınan sahe
ser ersüffezenden ©. 303 oder do... belib der drak ligend ...
S. 198 und das jüngere: so senhen wir die spys vor uns ligen
S. 97. — Die übrigen 140 ©, find den Zeitwörtern gewidmet,
deren zuſammengeſehte altiviſche Zeiten bei Verbindung mit einer
91
Rennform mit haben und dem Infinitiv ftatt dem zweiten Mittel:
wort gebildet werden. Hier tritt M. mit Recht der früheren Er—
flärung dieſer Form als eines alten zweiten Mittelwortes ent:
gegen, indem er die Ericheinung als Formenangleihung erklärt.
Billigen muß man aud) den Schluß aus einer ausgiebigiten
Beifpielfommlung (S. 90— 145), daß die Schulgrammatil als
mit diefem „Erſatz“ verbunden nur aufführen folle die modalen
Hilfägeitwörter und außerdem jehen, hören, helfen, heiken
und brauden. Bon dem, was fonit gelegentlid erörtert wird,
verdient namentlich die jorgfältige Feſtſtellung der Grenzen Aner—
fennung, bis zu denen Infinitivfiigungen zuläjlig find (S. 70-0),
wertiger die jo zu allgemein gehaltene Werteidigung der Um—
———— Konjunkt. Impf. mit würde auch für den Neben:
fat (S. 25—29). Es berubt dies, wie überhaupt alles, was
an feinen Ausführungen anfehtbar fit, auf dem Vorherrſchen der
Logik und Konftruftion in der Spradibetradjtung des Berfafjers;
man böre nur 3.8. ©. 170 II. »Bir bedürfen einer reineren
und beutlicheren Form für das ut. Imperfelt. ald die jeither
üblihen«e. Vermeidet der Berfajier überdies noch mande über-
flüffige Breite, jo wird man mit um fo größerer freude zu feinen
in Ausficht geitellten weiteren Urbeiten greifen, die bei feiner
Gründlihleit und dem wahrhaft vornehmen Tone, in dem er
Streitfragen erörtert, ber Beachtung fiher fein können.
Bittau. Th. Matthias.
Eingefandte neue Prudjchriften.
Polad, Friedrih, Vater Peſtalozzi. Bilder aus dem Leben
des großen Erziehers. Bonn 1896. F. Sönneden. 2. Aufl.
mit 13 Bilden. 9 S. 8%
Bock, Dtto, Deutihe Spradlehre. Ein Hilfs-, Wieder:
holungs⸗ und Übungsbuch. Leipzig 1896. Ernſt Wunder:
lid. 1085 S. 8% geb. 1M.
Wanderers Freund, Gentralorgan für Verſchönerungs-, hiſto—
rijche und Gebirgävereine im Teutoburger Wald, Wejergebirge,
Deifter, Sauerland, Harz, in der Rheinprovinz und in den
Nachbargebieten. Bielefeld 1895. 8 Hejte.
Deutiche Treue. Hertichrift für Veilitäranmwärter der deutjchen
Armee und Marine. Friedenau: Berlin 1896. (Der Heraus:
geber, Nobert Gersbach, fteht ganz auf dem Standpunfte
des Spradvereind, dem er in den Auflägen und namentlich
durch eine in jeder Nummer zu veröffentlichende Lifte ent:
behrlicher Fremdwörter nebjt Verdeutſchungen Geltung zu
verichaffen ſucht.)
Die Oſtmark.
Deutichtums in den Dftmarfen. Rojen- Berlin 1896.
verfehlen nicht, bei dieſer Gelegenheit auf den Verein auf:
merffam zu machen, durch deſſen thatträftiges Vorgehen
gegenüber polniichen Übergriffen auch unfere Mutterſprache
geſchützt werden joll. Wie gs ſich für ein jedes nationale Ziele
verfolgende Blatt geziemt, ift die Ausdrucksweiſe darin durchs
aus rein deutich, auch iit dev Herausgeber, Dr. von Hanſe—
mann, ein Freund unferer Beftrebungen.)
Müde, Frib, Wald und Wild in der Bibel.
1505. J. Neumann. IV u. 127 S. MM. 80.
Bonfid, Dr. jur, 27, Jahresbericht über die Wirktiam
teit des „ranliurter Belängnisvereine. WE. 5%
(Dit in reiner und guter Sprache abgefaht.)
Ulrich, Rudolf, Die Neue Schrift. 11. Teil.
arapbie, (Deutſche Nedeihrift.) Wien 189%.
Mit 3 Tafeln. geh. SO fr.
Jahn, Friedrih, Die doppelte Buchführung nad dem
neuen Einfommensteuergejep. Eſſen. ©. D. Baedeter,
15%. IV u. 114©. 8% geb. 2M.
Sid, Dr. 9. 9, 1) Der Unterricht in amerifanijchen
Schulen, ein Förderer der idealen Entwidlung.
2) Der deutiche Unterricht in den öffentlichen
Schulen von Cincinnati. — Sammlung pädagogiicher
Vorträge. (Bielefeld, Helmich.) VIII. Band 8. Heit.
Burdas, Dr. Victor, Die Obrdrufer Familiennamen.
— Sabresbericht des gräflich Gleichenjchen Gynmaſiums zu
Ohrdruf 1545/96.
Neudamm
Logo⸗ Steno⸗
40 S. 5"
— — —
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 5.
Monatéblatt des Vereins zur Förderung des |
(Bir |
9
Seitungsiban.
Auffäge, Beiprehungen uw. in Zeitungen
und Zeitſchriften.
Leitbäufer, 3, Was bedeutet der Name Barmen? —
Sonntagsblatt zu Nr. 40 der Barmer Zeitung 15. 2. 96.
Eine Spradverwüiterin. — Müncener Neuejte Nachrichten
22.2. 96. (Nichte ſich gegen Natalie von Eſchſtruth.)
Job, Armes Deutich! — Strafen- und andere Grammatif.
— Neues Wiener Tagblatt 25. 2. 96.
Rülfing, I. Emit, Die Verwirrung in ber Schreibung
unferer Straßennamen. — Sonderabdrud aus den Grenz:
boten Heft 7 u. 9, 15.
Jacobi, Franz, Eine deutſche Spradinfel in Welſch—
Tirol. — Nationals Zeitung 23. 2, 9.
Herrmann, Mar, Hiftoriihe Sprade im hiſtoriſchen
Drama. — Voſſiſche Zeitung 23. 2. 96.
Belter, Johannes, Ein Blid in das deutihe Schimpj-
und Spottwörtersferiton. — Familienfreund, Sonn:
tagsblatt des Rheins und Mojelboten 12. 2.—17.3. 189.
Eisler, Dr. Rudolf, Sprache und Denten. — Allgemeine
Zeitung (Münden) 22. 2. 96.
Bemerkungen zum Kampf für Gpradreinigung und
Spradreinheit. — Katholiihe Zeitschrift für Erziehung
und Unterricht. 3. Heft 1896.
Deutſche Zerfplitterung. — Mitteilungen des allgemeinen
dentichen Schriftvereind. Nr. 6.1.3.%. (Wendet fich mit
aroher Boreingenommenheit gegen die doch völlig unparteiiichen
Beichlüjje der Grazer Hauptverfammlung in der Frage der
Schrijtgattung.)
Weile, O. Gejhwundenes Sprahbemwuhtiein. — Zeit:
ſchrift für dem deutjchen Unterricht X, 2, 144 fi.
Brind’amour, L., Unausrotibare Fremdwörter.
Staatsbürger - Zeitung 12. 3.96.
Die angeblih »unausrottbaren Fremdwörter«. —
Rheiniſch⸗ Weftfäliiche Zeitung 27.3. 96.
Batriotismus und Fremdenſucht. — Oberſchleſiſche Grenz -
Zeitung 26. 3.96.
Kelterborn, R., Der Spradgenius. — Bajeler Nachrichten
15. und 16. 3,96.
Schröer, 9, Deutihe Gemeinfprade und Ausjprade.
— Deutſches Wocenblatt Nr. 15. 96.
Bonner Gejdhäfte an der Spipe der Sprachbewegung.
— GeneralsAnzeiger für Borm umd Umgegend 12. 4. 96.
Kleinpaul, Rudolf, Die Sprahichulden der Deutichen.
— Beilage zur Ullgemeinen Zeitung, Münden, Su. 9. 4. 96.
Einige Bemerkungen über die Herkunft und Bedeu:
tung deutiher Wörter. — Straßburger Poſt 27. 3. W.
Sprachliche Streifzüge in das Neid der frau. — Saale:
Beitung, Halle, 15. 3. 90.
Sütterlin, %, Die allgemeine Sprachwiſſenſchaft in
den Jahren 1859— 1894. — Beilage zur Allgemeinen
Zeitung, München, 19.3. 96,
Die Echriftleitung jtellt den Lefern der Zeitjchriit
die oben und früher bier aufgeführten Aufjäge ujw.
gerne leihweife zur Verfügung.
Aus den Smweigvereinen.
Berlin-Charlottenburg. m feinem Bortrage »Weldhe
Rolle fpielt das Volkslied bei der Wiedergeburt unierer Litterarur
um 1773?« (vgl. Ep. 73) wies Oberlehrer Dr. Julius Sahr
aus Dresden zunächſt darauf hin, daß der a. d. Spradverein
jeit einigen Monaten das erite Nabrzehnt feines Wirfens hinter
fih hat. Mit Freude und Genugibuung fünne man auf dieſe
Zeit zurüdbliden; denn wohl auf fait allen Gebieten deuticher
Sprache und deutjchen Lebens überhaupt zeigten fih die Spuren
feiner Arbeit. Der Nedner verbreitete fih dann über die Ziele
des Vereins, deiien höchſtes, Veredelung der deuticdhen Sprache,
| zugleich zu einer inneren Läuterung umd zur Veredelung Deutichen
Weſens führe. Ein Blid in die Vergangenheit zeige nun, dab
diejes Sehnen nad Yänterung und Erneuerung unjeres Volfs
tums ſich Schon im verichiedenen Formen oft geiuhert babe,
bald ale das Streben einzelner Männer wie bei Walther von
der Vogelweide und Leibniz, bald ald das von Gruppen wie der
Dichterſchulen und Sprachgeſellſchaften, bald ala Teilſtrömung
einer Zeit wie um 1770 oder wie die Romantil, bald als ganze
gewaltige —— wie im Jahrhundert der Reformation.
Die Triebfraft aller diefer Bewegungen iſt im Grunde diejelbe,
der nationale Gedanke. Damit ging der Vortragende auf eine
Beiprehung des feiner Anfiht nach mit Unrecht ald Sturm:
und Drangperiode bezeidineten Wbjchnittes der Litteratur-
geichichte über, den er lieber die Geniezeit nennen möchte; er
Ichilderte die traurigen Werhältnifje des 18. Jahrhunderts auf
litterariihem und jtaatlichem Gebiete, den übermächtigen Einfluß
des Franzöſiſchen, das durch Fremdwörterbücder zu Nutz und
Frommen der »Bildung« eingeführt wurde, wie wir uns jegt ums
gefehrt bemühen, es durch VBerdeutihungsbüder zu bejeitigen.
Weder Nlopjtod noch Leſſing vermochten die deutiche Dichtung
zur vollen Freiheit zu jühren; felbjt das geijtlihe Lied, das
im 30jährıgen Kriege feine höchſte Blüte erlebt hatte, war im
18. Jahrhundert teilweie von der nüchternen Aufllärungsjucht an-
geträntelt, und von der Nomanzenmaderei, diejer Ichlimmiten
Ausgeburt eines unnatürliden Zeitalters, war erſt recht fein Heil
zu erhoffen. Der Geniegedanke, der Gedanke, daß der Geijt
fraft jeiner göttlichen Abjtammung, ohne die hergebrachten Regeln,
aus fich felber heraus vollendete Werte ſchaffen lönne, brachte
die Erlöjung. Aus dem wirren Durcheinander der nun herein—
brehenden, weit über Ziel und Maß binausgehenden Berwequng
hebt fich für dem gejchichtlichen Blick unferer Zeit die Stellung ab,
die fi) das Volkslied auf Anregung von England her durch die
Pflege namentlich Herders, Goethes und Bürgers errang.
Der Hauptteil des Vortrages war der Schilderung der Berdienfte
diefer Männer um das deutiche Vollslied gewidmet, wobei der
Redner das Boltstümliche, zugleich aber aud Nationale in
ihren Bejtrebungen betonte und hervorhob, da, wenn auch die
Vollsli ederbewegung durch die klaſſiſche Richtung der SOer und
90er Dahre beijeite geichoben wurde, ihre befruchtenden Keime
doch nicht verloren gingen, ſich vielmehr jpäter in der Romantik,
in der Dichtung der Freiheitstriege, des ſchwäbiſchen Dichter:
bundes jowie in der deutichen Philologie zur vollen Blüte ent—
falteten. — Am 9. April jprady Oberiehrer Dr. Scheffler aus
Braunschweig über den verhüllenden oder euphemiftiichen Zug in
der deruſchen Sprache. Da der Bortrag in einer der Drudichriften
des Vereins erjcheinen wird, jo gehen wir hier nicht näher
darauf ein.
Boppard. Am Laufe des Winters hielten Borträge: Pro—
gymnaſial-Direltor Dr. Menge über die neueren Korihungen
betreffend die Hinrichtung der 4500 Sadıfen bei Berden;
Herr Otto Maijel, Berleger und Yeiter der Bopparder Zeitung,
über Nedattion und Drud eines Nonverjationsierifons
wie das Meyerſche; Oberlehrer Mönch über den Dichter Gedern
von der Heide (j Dechant Berger in Boppard) und Seminar:
lehrer Straetmann über die beiden Mecklenburger Humorijten
Reuter und Heinrich Seidel. Dr, Menge bejtand diesmal
auf feiner vorjährigen Weigerung, den Vorſitz weiter zu über:
nehmen, damit durd; deiien Ubergang an einen Nichtſchulmann
auch weiteren reifen wieder in Erinnerung gebracht werde, dak
unfere Sadje nidyt bloß oder auch nur hauptjächlic, der Schule
zugute komme. An Herm Venges Stelle wurde Oberjtleutnant
3 D. Glum gewählt und als Schriitwart Seminarlehrer Keull.
Darmjtadt. Was in der Märznummer der Zeitichrift
als vorzigliches Mittel zur Beförderung unjerer Arbeit empfohlen
ward, nämlich fleißige —— der örtlichen Preſſe, das wendet
der Darmftädter Zweigverein jeit einem halben Jahre regelmäßig
an. Zwei der gelefenjten hieſigen Tagesblätter drucken fait wöchent⸗
lid) eine furze, etwa 20 bis 30 Zeilen umſaſſende Mahnung ab,
hin umd wieder auch eine größere Abhandlung. Wenn wir in
einigen dieſer Mitteilungen eine Anzahl Fremdwörter, die zur
Zeit bejonders häufig auftreten, verdeutjcht haben, fo entwideln
twir dann die allgemeinen Gedanten, aus denen unfere Bejtres
bungen fliegen, und reden z. B. von der Geſchichte der Sprachen,
von Schriftdentich und Mundart, der möglichen Bereicherung des
Bortichages, der ebenmäfigen Schönheit der Sprache ufw., damit
auch neu hinzulommende Leſer unfere Thätigleit von höherem Ges
fihtäpumfte aus beurteilen fünnen. Auch am weltgejchichtliche Er-
eignifje Mmüpfen wir am: wir erflärten das Verhältnis des Holläns
diſchen zum Hochdeutjihen, jchilderten den Kampf der Vlamen gegen
die Berwelichung, und in den letzten Beröfientlihungen mahnten
wir, deutjche Ortsnamen, wie Dovomit, Ofen, Mömpelgard ufw.,
93 Zeitfhrift des allgemeinen beutfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 189%. Wr. 5, 94
zu pflegen. — In dieſer Weife werben wir weiterhin auf die Bes
völferung einzuwirlen ſuchen. Daß unjere Arbeiten gerne geleien
werden, konnten wir jchon an vielen Zuſchriften wahrnehmen.
Dresden. In der Märzlikung unterzog Oberlehrer Dr. No:
wad das Bud »Sclecht Deutih, von A. Brunnere einer ein=
gehenden Beiprehung.
Eiberjeld. Oberlehrer Dr. Beder hielt in der Märzſitzung
einen Vortrag über die Fremdwörter franzöfticher Herkunft, die
in vielen Fällen eine andere Bedeutung gewonnen haben und
deshalb das Lernen und Sprechen des Franzöjiichen nicht erleich
tern, jondern erihweren. In der Sigung vom 15. April wurde
der Verdeutſchumgsentwurf für die Heilfunde beraten und darauf
ein Aufruf beſprochen, der demnächſt zur Förderung des Bereins
bier erlafjen werden ſoll.
Ejjen. In der Hauptverfammlung am 23. März verbreitete
jich der Vorjigende, Brofefior Dr. Imme, in jeinem Vortrage
»Nulturgeihictliches in unjerer Sprade« zunächſt über
unjere altgermaniiche &ötterverehrung und die Einwirlung des
Ghrüjtentums auf die Voritellungswelt unferer Vorfahren, ging
dann auf die mittelalterliche Lebensweife ein — Badeweſen,
Mahlzeiten, Reifen, Verkehr ujw. — und behandelte endlich das
Nedytss und Kriegsweſen, alles im Anſchluſſe an unfere heutige
Sprade. Der Vortrag gab Veranlaffung zu einem anregenden
Gedanlenaustauſche.
Franktjurt a/ M. In der Märzſitzung wurde die Gerichts—
ſprache erörtert. Necdhtsanwalt Dr. Löwenthal ſchilderte die
Schwierigkeiten der Verdeutſchung zahlreicher Rechtsausdrücke, wie
„. B. dolus eventualis. Der Vorſißer, Dr. Gantter, ev
wähnte, daß Landgerichtödireftor Grabau in frankfurt für
Ideal-Konkurrenz⸗ einheitliches Zulammentreffen« eingeführt
habe. Stadtverordneter Martin Mah verbreitete fich über römijches,
urgermanifches und nordgermanijches Ned.
Görtig. An der Märzſitzung eritattete Sanitätsrat Dr. Klee—
feld Bericht über den von ihm durdhgejehenen Entwurf des Ber:
deutichungäheftes für die Heilfunde, über den er fich jehr lobend
ausiprah. Auf Antrag des Borjipers wurde bejichlofien, den
Sejamtvoritand um Herausgabe eines Berdeutihungsbudes
für Zeitungsleiter anzugehen.
Koblenz Am 21. März waren es 10 Jahre, daß der hiefige
Bweigverein gegründet wurde. Anläßlich dieſes Tages fand in
der Aula des Kaiſerin-Auguſta-Gymnaſiums eine Feſtſeier jtatt.
Der Borfiger, Erjter Staatsanwalt Shumader, begrühte die
erichienenen Mitglieder und Gäſte und verlad die Gluͤckwünſche,
die der Stifter des Sprachvereins, Mufeumsdireftor Profefjor
Dr. Riegel in Braumjchweig, und der Vorſihende des Geſamt—
vereins, Oberſtleutnant Dr. Mar Jähns in Berlin, gejandt
hatten. Alsdann trug Rechtsanwalt Graeff II Adolf Stöbers
prächtige Dichtung » Preis der deutihen Sprade« vor.
Hieran ſchloß fich ein Vortrag des Herrn Auguftin Trapet über
Deutſche Sprade und beutfches Leben in ihren Wechſel—
beziehungen«.
Leoben. Am 14. März fand unter zahlreicher Beteiligung,
namentlich von Hörern der Bergafademie, ein gejelliger Abend
jlatt, der durch eine Mede des Bergafademifers Karl Gold über
die geſchichtliche Entwidlung des deutjchen Volks⸗— und
Studentenliedes eröffnet wurde. Daran jchlofien fich mufite-
liche Vorträge und die Berlefung Baumbachſcher Dichtungen
durch Dr. Rudolf Bayrer.
Lübed. An dem deutjchen Abende am 11. März verbreitete
ſich zunächſt Baumeijter Schwager über die Bedrängnis des
Deutihtums in Südfteiermarf und ſchilderte daber nament:
lid) den Kampf des deutſchen Bürgertums in Eilli. Im An—
ihlufie an dieſen Vortrag wurde eine Sammlung fir das
Studentenheim im Eilli veranjtaltet. Hierauf ſprach Phyſilus
Dr. Riedel über Dänen und Deutſche in Nordidleswig.
Der Nedner hob die große Mäßigung hervor, mit der die preußiſche
gen jtetS die Germanifierung dieſes Landesteiles betrieben
habe, und zollte der Thätigkeit des deutichen Vereins für das
nördliche Schleswig hohes Lob.
Magdeburg In der Berfammlung am 30. März hielt
Oberlehrer Dr. Knoche den dritten und legten Bortrag über die
deutſche Sage in Richard Wagners Mujifdramen,
Marienwerder. Die Märzverfammlung wurde bon dem
Borfiger, Gymmnafialdireltor Dr. Brods, mit einigen Ausſprüchen
95
deutiher Dichter und Denker über da& Weſen, den Reichtum und
die Schönheit unferer Munerſprache eröffnet. Hierauf hielt Direftor
Diehl cinen Vortrag über deutſche Kinderlieder,
Minden. Das von dem Zweigvereine veröffentlichte und von
Prof. Dr. Stieve verfahte Rundſchreiben (vgl. Sp. 47 d. Nahrg.)
ijt von verichiedenen Zeitungen beiproden und auszugsweiſe ab»
gedrurft worden. In Harer und verſtändlicher Spradje legt es
die Biele des a. d. Spradyvereins dar. »Miemald«, heißt es dar-
in, »ijt e3 feine (deö Bereins) Abſicht gewejen, Fremdwörter zu
bejeitigen, welche ald Bezeichnungen für Begriffe einer jremden
oder doc; nicht unjerem Bolfe alleın eigentümlichen Kulturentwick
lung imentbehrlid) oder dem Weſen unjerer Sprache gemäß ums
geitaltet und dem Wortſchatze derjelben wirklich einverleibt worden
jind. Der Verein richtet jein Bejtreben nur darauf, diejenigen
Ausdrüde auszumerzen, wodurd, Eitelfeit der Halbbildung, Nach—
täfjigleit der Gelehrten umd eine aus Mangel an nationalem Be:
wußtjein eritiprungene Fremdjucht unfere Spradye ohne Not umd
wert entjtellt haben und entitellen. . . . . Wie notwendig und
wichtig indes auch die befonnene Thätigfeit des a. d. Epradjver-
eins in dieſer Hinficht ericheint, fo wird jie doch an Pringlichleit
und Bedeutung noch weit überboten durd eine zweite Aufgabe,
die der Berein Ni geitellt hat, indem er ſich in feinen Sapungen zur
Pflicht madte, ‚den echten Geift und das eigentümliche Wejen
der deutjchen Sprache - pflegen‘. Von Tag zu Tag wächſt die
Verwilderung unferer Spradye, von Tag zu Tag ſchwächt ſich das
Spradygefühl in weiten Kreiſen ab, denn einerſeits bringt das ge—
waltige Anwachſen des Inhaltes aller Wifjenichaften und aller
eine höhere Bildung vorausjegenden VBeruisarten den Zwang zur
Beichränfung auf die Fachſtudien mit ſich; anderjeit$ treten immer
wieder mangelhaft Vorgebildete als Schrififteller auf; überhaupt
aber bürgert ſich die überjlürzende, nervöſe Haft unferer Zeit aud)
auf litterariichem Gebiete immer mehr ein. Bor allem wirten die
Zeitungen unbeilvoll auf Sprache und Epradigefühl. . . . - Wie
wir dahin gelommen find, daß fein Deutſcher Hi mehr über die
Gebote der Rechtſchreibung Mar iſt, jo find wir auf dem Wege
dahin, daß Sprachtenntnis und Spracdhgefühl zum Sonderbefiptum
weltentjvemdeter Fachgelehrten werden. . . . - Ungeſcheut und uns
bemerkt werden in der befieren Yitteratur, in amtlichen Schrift:
jtüden, ja in Schulbücdern nicht nur nachläffige Nedeweifen, ſon—
dern geobe Fehler in der Wortbildung, in der Verbindung der
Wörter, in der Zeitjolge und im Sapban gebraudjt, und es häufen
ſich die Fälle, daß foldye Fehler im Unterrichte geradezu anjtatt
des Richtigen gelehrt werden. . . . » Deshalb muß es der a. d.
Spracyverein als feine wichtigſte Pflicht betrachten, einſtweilen
aus eigener Kraft die Spradverwilderung zu befämpfen, indem
er nicht nur in feiner Beitjchrift noch nachdrüdlicher als bisher
Verirrungen rügt, jondern aud Lehr» und Leſebücher der Schulen
jahlundiger Brüfung unterwirjt, die Auswahl oder Abfafjung ge
eigneter Lehrbücher betreibt und im jeder andern Weije, welche
zweckmãßig erjcheint, die Kenntnis und Beobachtung der Sprad)-
geſetze und des Sprachgebrauchs jürdert.«
Münſter i. W. Der Verband rheiniſch-weſtfäliſcher
Zweigvereine des,a. d. Sprachvereins hat ſich aufgelöſt. Man
war nach reiflicher Überlegung zu der Anſicht gelangt, daß der
Sauverband eine ziemlich überflüjiige Einrichtung jet, und daß
es beſſer jei, die auf ihn verwandte Thätigkeit dem Gejamtvereine
unmittelbar zu gute fommen zu lajjen.
Neihenberg. Einen erfreulihen Erfolg hat der Verein
hat, von der nächſten Spielzeit an alle das Bühnenweten
betrefienden überjlüjjigen Fremdwörter im ſtädtiſchen
Theater zu verdeutjchen. Die Koften für die Erneuerung
der Mufichriften find bereits von der Behörde bewilligt worden.
Stuttgart. Nachdem der Vorfiger, Profefior Erbe, am
18. März einige neue Erjdeinungen auf dem Gebiete der deut:
u Briefe und Drudfaden für die Vereinsleitung
find an den Borfigenden,
Oberſtleutnant a.D. Dr. Mar ZJähns in Berlin @.10,
Dargaretenitrafe 16,
Zeitfhrift bed allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 5.
%
ichen Spradje, darunter das Schriftichen von Dr. Biaff »Deutide
Ortsnamene, beiprochen hatte, hielt er einen Vortrag über
die Ausſprache des Deutihen. Der Redner eraditet eine
Verjtändigung bierüber zwiſchen Süd- und Norddeuticland für
eritrebenswert und machte der Berjammlung eime Anzahl von
Vorſchlägen dazu. In der Erörterung wurde es für mwinidens:
wert erklärt, die Schüler über die gemeindeutihe Bortrageiprade
zu belehren, doch jeien berechtigte, über größere Gebiete ver:
breitete Eigentümlichleiten der mundartlihen Ausſprache nicht zu
beanjtanden. — Es wurde bejchlofien, einen Beitrag für das
Studentenheim in Eilli zu gewähren.
Trier. In der legten Winterfipung am 26. März teilte der
Vorſiher u. a. mit, daf, durch fein Spottgedicht auf die » Flonfien«
veranlaßt, Herr Bornemann in Blanfenburg a. D- im »Prat:
tiichen Natgeber für Obſt- und Gartenbau« eine Lanze für die
Bezeichnung »Florift« gebrochen habe und zwar unter folgender
Begründung: Sein Geſchäſt beitehe in der Züchtung neuer Sor-
ten von Blütenpflanzen, jei aljo von Natur international, und
jo hätte er es fiir nötig befunden, dafür eine Bezeichnung zu
wählen, die allen Kuliurvöllern geläufig und verftänblich lei.
Darum nenne er ſich » Florift«; denn Wörter wie Handels- oder
Blumengärtner« fünnten Ausländer weder jprechen noch jchreiben.
Wer verlangt denn, führte dem gegenüber Prof. van Hojis
aus, von dem Manne, jih dem Auslande gegenüber Handelt:
oder Blumengärtner zu nennen? Da mag er jich nennen, wie
es ihm Ddünft, Floriſt oder jonftwie (Floriſt« bedeutet übrigens
auch Blumenfenner, Blumenmaler und wer weiß was nod).
Aber feinen Vollsgenoſſen und jeiner Mutterfpradye iſt er jo viel
Achtung ſchuldig, daß er der deutichen Bezeichnung jeiner Be:
ihäftsthätigfeit den vornehmiten Blag einzuräumen bat.
Nenn’ dic; Marchand de flours, nenn’ did Florist
Für fremde, für Franzojen, Britten!
Dod; weil für uns du Blumenzüdter bift,
Steh’ dies auf deinem Schild inmitten!
Geſchäftlicher Eeil.
In der Eipung des Gefamtvorjtandes am 15. Mär
d. J. find u. a. folgende Beſchlüſſe von allgemeinerer Bedeutung
für den Verein gefaht worden:
1. Die heurige Hauptverfammfung findet zu Oldenburg im
Großherzogtum in der Zeit um Sonntag den 9. Auguſt jtatt.
2. Jeder, auch in der Sipung felbjt, an den Gejamtvorftand
zu richtende Antrag muß ſchriftlich eingereicht werden, damit über
feinen Inhalt feine Meinungsverſchiedenheit entftehen fann.
3. Einem Antrage des Zweigvereins Bonn entiprechend jollen
in den fünftigen Nednungsaufftellungen die Gehälter, die der
Verein bezahlt, ſowie jede mehr als 100 M. betragende Ausgabe
einzeln aufgeführt werden.
4. Das Studentenheim, das zum Schutze des Deutjchtums
in Eilli eingerichtet werden ſoll, erhält vom allg. deutſch. Sprach
verein eine Unterftügung von 300 M.
5. Der Ausihuß wird ermädtigt, an alle Hochſchulen und
dadurd) erzielt, dab auf jein Erjuchen hin der Stadtrat beichlofjen | größeren Bücerfanumfungen unfere Zeitjeprift unter der Boruk
jepung zu verjenden, daß fie in den Lejezimmern zur Auslage
fommen.
Auf Anregung von unjerer Geſchäftsſtelle in Berlin bat jıh
ein Zmweigverein in Altenburg, S.:9., gebildet, am dejien
Spite Herr Yehrer Kipping jtcht.
Geldfendungen und Weitrittserflärungen (jährlicher Beitrag 3 Matt.
| wofür die Heitichrift und die fonjtigen Drudichrrften des Bereins geliefert werben)
an den Schaßmeiſter,
Verlagsbuchhändier Eberhard Ernit im Berlin Wes,
Wilhelmftrabe Wo,
Briefe und Drudjachen für die Zeitfchrift find an den Herausgeber, Oberichrer Friedrich Wappenhans in Berlin N. W. 3, Altonger Etraie R,
Brtefe und Zuſendungen für bie Wiflenihaftligen Veibelte an Brofeffor Dr. Banl Pietſch, Berlin W.30, Mohſtraße 12
zu richten,
Bür bie Schriftiettung derannworilich· Sriedrie Wappenbans, Ber it n. = Verlag des allgemeinen deutfien Epradwereins (Hiins und Ernf), Berliz.
Druck der Buchdruderei des Walfenhanfes in Halle a.d. ©.
Zeit (heife
alfgemeinen’deuffchen Spracjveseins
Regründefuon Herman Riegel.
Im Auftrage des Borjtandes herausgegeben von Friedrich) Wappenhans.
und wirb den Mitgliedern des allgemeinen beutichen Epracvereins umentgeltlih | zu SE. jährlich beyogen werden. — Anzeigenannahme durch den Schapmeifter
Diefe Zeitſchrift ericheint jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats, | Die Beltichrift kann auch durch ben Buchandel oder bie Boft
geliefert (Sapung 2 A). Eberhard Ernt, ‚ Berlin ©=.8, Wilihelmftr. 0. — Auflage 15.000.
Juhalt: Überblick über die Entwidelung der neuhochdeutſchen Schriftipradye. Bon D. Weife. — Einiges über Zufammenfegungen.
Bon 8. Schefiler. — Bu der Abhandlung von Dr. Wülfing » Die Verwirrung in der Schreibung unferer Strafennamen«. Bon K. Erbe. —
Erwiderung. Bon J. E. Wülfing. — Kleine Mitteilungen. — Sprachliche Mufterleiftungen. — Bücherſchau. — Zeitungsichau. —
Aus den Zmweigvereinen. — Brieftajten. — Gejchäftlicher Teil.
: J 2 nad) und nach die Nebenbuhler jiegreic aus dem Felde geichlagen
Überbtid über die Entwidelung der neuhochdeutſchen hat, ift in einer Reihe bedeutiamer Umftände begründet.
Schriftiprade. Zunächſt in dem Muftreten eines jo gewaltigen und einfluh-
reihen Mannes wie Luther, der die furfächfiiche Kanzleiſprache
; zur Grundlage feiner jchriftlfihen und mündlichen Darftellung
1. Außerer Entwidelungsgang- machte und fie, dank feiner Abjtammung aus dem Volle, bes
Die ndd. Schriftjprache ift wie alle Schriftipracdyen mehr durdy | jonders im Wortihag und Sapbau fo zu handhaben vermochte,
fünftliche Mittel ald durch natürliches Wachstum, mehr durch | dab jein Ausdruck durchaus vollstümlich und, fomweit dies damals
jorgfältige, zielbewuhte Pflege als durch jelbjtändige, ungeftörte | möglich, auch allgemein verftändlid; war. Dazu fam, daß das
Entfaltung zur Blüte gelangt. Denn während die Mumdarten | Mitteldeutiche, zu defjen Sprachgebiete Kurſachſen gehörte, da—
gleich) den Waldbäumen frei und unbefchnitten aufwächſen, ift ihre | mals injofern eine beherrihende Stellung unter den Mundarten
vomehmere Schwefter von jeher wie ein Zierftraud des Parts | Deutſchlands einnahm, als es in dem umfangreichiten Gebiete
den Eingriffen des ſchneitelnden Gärtner ausgefept gewejen. | geiproden wurde, Waren ja dod die weiten Slavenländer öjt-
Daher hat fie, obwohl mit jenen auf einem Boden erwachſen, lich der Elbe und Saale vorwiegend mit mitteldeutjch redenden,
doch unter der treuen Obhut, der Kanzleibeamten und Bucdruder, | nämlich fränkiſch-thüringiſchen Ginmwanderern befiedelt worden!
der Gelehrten und Dichter ein wejentlid) andere Ausjchen ers | Auch nahm diefe Mundart in mancher Hinficht, namentlich aber
halten. Ihre erften Zweige trieb fie in den Kanzleien. Seitdem | im Wortſchatz eine Mittelftellung zwiichen dem Norden und dem
dort bei Beginn des 14. Jahrh. das Latein feine Alleinherrichajt | Süden ein, weshalb fie leicht von »DOber- und Niederländern«
als Urtundenſprache einzubühen anfing, bediente man fich bei Ab- | verftanden werden fonnte umd ſich am beften dazu eignete, die
fajjung von amtlichen Schriftjtüden in der Regel der ortsüblichen | Grundlage einer höheren, über allen deutſchen Dialekten ftehenden
Mundart, die unter den Händen der federgewandten Schreiber | Spradjeinheit abzugeben. Sodann gingen im 16. Jahrh. weitaus
bald feſtere Negeln erhielt und fich daher in mancher Hinficht von | die meijten Litteraturerzeugnifje aus der Geiſteswerkſtatt mittels
der gewöhnlichen Umgangsipradye abhob. Da jedoch der Verkehr | deutjcher Belchrter hervor und wurden aud) — was bei dem großen
zwifchen den Kanzleien der Fürjtenhöfe und Städte durch die Vers | Einflufje der damaligen VBuchdruder auf die Form der Bücher—
jchiedenheit der dort verwendeten Mundarten jtark beeinträchtigt | jprache nicht belanglos war — vielfach in mitteldeutichen Städten
wurde, jo fuchte man, um den Gedanlenaustauſch zu erleichtern, bald | gedrudt; nicht nur die zahlreichen Kirchenlieder und Erbauungs
größere Übereinftimmung herbeizuführen. Dies geihah, wie zu er- bücher jowie die noch zahlveicheren reformatoriichen Streitichriften,
warten war, in ber ®eije, daf fortan bei Füllen ſchwankenden Sprady: | jondern vor allem die oft und in kurzen Zwiſchenräumen neu aufs
gebrauchs das Vorbild der faijerlihen Kanzlei maßgebend | gelegte Lutherjche Vibelüberjegung‘), die namentlich wegen ihrer
wurde. ber während die Schriftjtüide und jpäter auch die Drudte | kernigen und leicht fahlichen Ausdrudsweije überall in deutjchen
des bairijc)= ſchwäbiſchen Gebiets in ihrer ſprachlichen Form diefem | Landen gem gelefen wurde, Gndlid war von ausicdlaggebender
Mufter am nächſſten famen, blieb die Annäherung in Mitteldeunjchs | Wichtigfeit, daß der protejtantifche Norden, der ſich größtenteils
land auf gewifje Grenzen bejchränft; daher wid) denn die Sprache | noch im 16. Jahrh. dem Scriftgebraude des Kirchenerneuerers
der kurſächſiſchen Kanzlet zu Wittenberg in Lauts und Formen- anſchloß, im Verein mit dem lutheriſchen Mitteldeutſchland mehrere
lehre, Sapgefüge und Wortjcha vielfach) von dem oberdeutjchen | 2
Schrijtgebrauche jener Zeit ab. Neben diejen beiden Kanzleis | 1) Allein in der Bucdruderei von Hans Luft in Wittenberg
jprachen aber behaupteten fi) aud) noch einerjeitd das Nieder: | follen während der Jahre 1534— 84 etwa 100000 Stüd der
deutjche, andererfeits das Alemannifche der Schweiz im fchriftlichen ——— a eig rien .. un *
en : i - Meue eff R n 52.
—— Somit Rand zu —— vo ——“ vier ber | in Wittenberg 16 Se Auflagen Serandageben —
ſondere Schriftſprachen erhalten würde. Daß dies nicht geſchehen
in andern Städten aber 54 Nachdrudge erſchienen. Vgl. P. Pierjd,
ift, daß vielmehr das Oberfühjiiche (Kurſächſiſche, Meiknifche) | Martin Luther und die hochdeutſche Schriftipradye, S. 60 u. S. 58.
Sür Laien.
99
Zeitſchrift bes allgemeinen deutſchen Sprachvere ius. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 6,
100
Jahrhunderte lang die führende Stellung auf allen Gebieten des
Schrifttums hatte. Unter dem gewaltigen Einfluffe diefer Litteratur
aber wurde jchliehlich auch der (fatholifche) Süden zum Teil nad)
langem Widerjtreben für die oberſächſiſche Schriftiprache gewonnen,
und damit war das Werk der ſchriftſprachlichen Einigung vollendet.
I. Innerer Ausbau.
Vier Gebiete find es, auf die wir bei der Betrachtung der
nhd. Schriftiprade vor allem unfer Augenmerk zu richten haben:
Der Lautjtand (Rehtihreibung) und die Wortbiegung,
das Sapgefüge und der Wortjhag. Die grammatijchen
Schriften der erjten Hälfte des 16. Jahrhunderts behandeln fajt
nur die Lautlehre und führen daher aud) häufig den Titel
Orthographia; die Grammatiler der Zeit von 1550 — 1600
(4. B. Laurentius Albertus und Albert Olinger) ziehen meift
aud) die Formenlehre in den Bereich ihrer Unterjuchungen; die
im 17. Zahrhundert gegründeten Sprachgefellihaiten bejchäftigen
fich im erjter Linie mit dem Wortihage, zumal mit den fremden
Eindringlingen, endlich die Chorführer der Blütezeit unferer Lit:
teratur im 18. Jahrhundert bereichern die Sprache durch Auf—
nahme manch wichtiger Neuerung des Sapgefüge® und durch
Zuführung lebensfähiger Wortgebilde. Wenn es aljo die Gram—
matifer und Spracgejellichaften mehr mit der Feſtſtellung und
Regelung des beftehenden Sprachgebraudys und der Ausſcheidung
mundartlicher und fremder Formen zu thun hatten, ijt es das
Verdienſt der großen Dichter und Denter des vorigen Jahrhunderts,
der Sprade dadurc kräftige Schwingen verliehen zu haben, daß
fie neue Wörter und Wendungen ausprägten oder alte aus dem
Schrifttum der Vergangenheit und den Mundarten zu neuem
Leben erwedten.
1. Laute und Rechtſchreibung.
Im Mäd. war es wie in den romaniſchen Sprachen üb-
lich, beim Wortbeginn!) Heine Anfangsbuchſtaben zu gebrauchen.
In nbd. Zeit änderte fich da® nad) und nad, weshalb wir 5. B.
in Luthers Drudihriften einen allmählihen Fortſchritt in der
Verwendung großer Buchſtaben beobachten fünnen. Aber während
damals die einen bei jedem Worte, gleichviel welcher Gattung,
ſolche jegten, wenn fie dieſem größeres Gewicht im Sape verleihen
wollten, forderten die andern (jo 1530 Joh. Kolroß), daß man
immer nur Eigennamen und den Namen Gotteö groß jchriebe.
Weiter ging man in den meiften Drudichrijten des 17. Jahrh.,
denn hier finden wir faſt alle jelbitändigen Nenmwörter groß
geichrieben, z. B. bei dem Bafeler Notar und Gerichtsichreiber
FR. Sattler, der in feiner Teutſchen Orthographey und Phra—
feofogey (1607) dieje Sitte mit der Bemerkung begründet (S. 18),
»e$ fei der deutfchen Sprache eine Zierde und künne es der Ein-
fältige deſto befjer verjtehen«, da ein jo geichriebenes Wort setwas
mehr als ſonſten ein gemeine Wort auf ſich habe. Julius
Georg Schottel bezeicnet fie 1676 als Gewohnheit der Buch—
druder. Wenn daher aud) Sprachforfcher wie Jakob Grimm gegen
die großen Buchſtaben der Hauptwörter anfämpjten und zur alten
Schreibart zurüdtehren wollten, jo blieb es doch beim bisherigen
Gebrauche, der ja auch durd die ſchwerwiegende Stimme des
Leipziger Sprachverbeſſerers Gottiched gebilligt worden war.
Eine andere die Ghrammatifer vielfady beichäftigende Frage
war die Kennzeichnung gedehnter Selbjtlaute. Um die Länge für
das Auge ſichtbar zu machen, verdoppelte man in der Schrift ent=
1) » Grohe Anfangsbuchjtaben find in mbd. Handihriften nur
Bierater. Bol. O. Brenner, Grundzüge der eidiu. Gramm.
der deutſchen Sprache. München 1896. S. 1
weder bie Vokale (aa, ce, oo: Mar, Meer, Moos — mhd. är,
mer, mös) oder jegte die Buchftaben h und e dazu (h bejonders bei
n,m,I,r: Bahn, zahm, Zahl, Fahrt — mbd. zän, zäm,
zäl, värt; e bei i: Gier — mhd. gir), von denen jener ats
Wörtern wie Stahl (== mhd. stahel), diefer aus Formen wie
mbd. stier (ahd. stior, Stier) mit urfprünglihem und von Haus
aus geiprochenem h und e eingedrungen ijt. In vielen Fällen,
unter andern bei Roſe, Sage, blieb aber aud) die Länge gänzlich
unbezeichnet, oder ber Gebrauch ſchwankte, jo dab ſich z. B. in
Gottſcheds Abhandlung »über den entſchiedenen Rechtshandel der
doppelten Buchftaben« aa beſchwert, weil man ihm nicht mehr die
Wörter Schaaf, Straal, Graam u. a. gönne. Sicher aber hat
bei der endgiltigen Feitiegung der Rechtſchreibung nicht felten das
Beitreben mitgewirkt, gleichlautende Formen von verjdiedener
Bedeutung auseinanderzubalten, 5. B. Mal und Mahl Werden
doch ſchon in dem Rechtſchreibebüchlein Schottels (1676) unter
andern die Wörter wider und wieder, die man ihrer gleichen
Abftammung gemäk übereinftimmend jchreiben jollte, jorgfältig
auseinander gehalten!
Anders liegt die Sache, wenn die Schreibung zwiſchen a und
o, e und ö, i und ü, d und t, b und p ſchwankt. Denn bier
handelt es fich nicht bloß um die jchriftliche Darftellung von Lauten,
die in der Litteraturſprache bereits zu Luthers Zeit ausgeprägt
waren, fondern um die Aufnahme von neuen Lautformen, die
meijt erjt jpäter aus den verfchiedenen Mundarten im fie ein:
drangen. Doc ift die Neuerung nicht allgemein durchgeführt, wie
etwa die Wandlung des ĩ und ü inei und au, ſondern tritt nur
in einzeinen Wörtern auf, wo fie fi) oft erjt nad langem Kampfe
dauernd feitgejegt hat. So erklären fid die Formen Ohm und
Argwohn neben nahahmen (= mit dem Ohm mejjen) und
Bahn (vgl. mhd. äme und wän), Löffel, Hölle, Würde,
Nüffel (S mhd. und nod bei Luther leffel, helle, wirde, riffel)
durch den Einfluß oberdeuticher, der Lautſtand von Wörtern wie
Deih und Damm (= mhd. tich, tam) durdy die Einwirkung
niederdeutſcher Mundarten.')
2, Wortbiegung.
Im Bereiche der Wortbiegung wirkte die fprachliche Thätigfeit
der nhd. Zeit befonders auägleihend. Lautliche Berjchiedenheiten
wurden durch gegenjeitige Beeinflufjung ähnlich Hingender oder
gleichgebildeter Wörter bejeitigt, Ungleihmäßigteiten z. B. im den
Neihen der Biegungsformen möglichſt ausgemerzt. Nach alten
Spracjgefepen hatte die Mehrzahl der jtark gebogenen Zeitwörter
in der Vergangenheit eine von der Einzahl abweichende Bildung,
fo er fang, aber fie jungen (Wie die Alten jungen, fo zwitſchern
aud) die Jungen), er beiß, aber fie biffen; jetzt haben beide
gleiche Selbitlaute erhalten, und zwar ift dort der der Eingah!
(fie fangen nach er fang), bier der der Mehrzahl (er biß nad ſie
biffen) durchgedrungen. Wenn wir ferner im Kirchenliede fingen:
herr, wie du wilt?), fo jchil® mit mir« und bei Luther 2. Mol.
20,13 leſen: »Du folt nicht töten« (— du willſt, jollft), fo finden
wir, daß die zweite Perſon diefer Hilfszeitwörter jept die Endung
ft von andern Verben (jpringit, Magjt) angenommen hat; und
wenn wir im Schillerſchen Tell III, 1 leſen: »Was da freudt
und fleugt« oder im Paul Gerhardtihen Pfingitliede: »geuch
ein zu deinen Thoren« (= friecht, fliegt, zieh), jo machen wir Dit
Beobachtung, daß ſich in unjerer gegenwärtigen Schriftiprade bei
Diefer — der Stammwolal dem der übrigen Perſonen ſert
1) Val. K. v. Bahder, Gundlagen des uhd Lautſufteme
S. 168 fi. 180 ff.
2) So hieß es urſprünglich ftatt willft.
101
triecht nadı wir Frieden) angeglichen bat. Gelbjtverftändlich
treten auch beim Hauptiworte einzelne Biegungsforınen mit andern
in Austaufch. Weil man von »der Wagen, das Leben« den Ges
nitiv des Wagens, Lebens bildete, ſagte man jchlieklich auch des
Glaubens, des Friedens von der Glauben), Friede(n);
ebenfo wurden Eigennamen wie Otto, Anna, bie urſprünglich
im 2. Falle DOtten, Annen (vgl. Ottendorf, Annenlkirche) Hatten,
von ftark biegenden Formen wie Friedrich, Berthold& beein-
ſſußt und nun Ottos, Annas abgewanbelt.
Mitunter ändert fi jedoch die ganze Bieqgungsart: preijen
und mweifen find unter Einwirkung von Wörtern wie bleiben
und fchreiben im die ftarfe Biegung übergegangen: pries,
wies ſtatt preiſte und weifte (vgl. im Kirchenliede: »Nun fei
gepreift zu aller Zeit, du heilige Dreieinigkeit «); umgetehrt walten,
hinfen,- niejen in die ſchwache: früher wielt, bank, nös,
jept waltete, hinkte, niejte. Einen ähnlidien Wandel haben
auch mande Hauptwörter zu verzeichnen: Hirt und Held find
ſchwach geworben (des Hirtes, Heldes: Hirten, Helden); Hahn,
Schelm und Greis ſtark (Habnen[fuß), Schelmen[itüd], Greifen
falter]: des Hahns, Schelms, Greifes).
Hatten wir es biöher mit Erſcheinungen zu thun, die mur
bei einzelnen Wörtern oder wenigitens in beſchränktem Umfange
Geltung erhielten, jo find andere in größerem Maßſtabe durch—
geführt worden. So haben im Nhd. die urjprüngfich ſtarken
Hauptwörter weiblichen Gejchlechts mit wenigen Ausnahmen
(Macdıt, Kraft, Maus, Haut, Kuh, Schnur u.a. nament-
lich einfilbigen) eine ſchwach gebildete Mehrzahl erhalten, 3. B.
Tugenden, Meinungen, früher Tugende, Meinunge;
ebenjo ijt die Borjilbe ges, deren einft viele Mittelmörter der Ver—
gangenheit entraten fonnten (bei Luther noch funden, fommen,
geben u. a.), jetzt ſaſt durchweg") eingetreten.
Natürlich änderte fih dies alles nicht mit einem Male, ge:
ſchweige denn daß es gleichzeitig durchgedrungen und anertannt
worden wäre. Während z. B. du wil() ſt ſchon 1578 von Clajus
gefordert und die Verfchiedenheit in der Bildung des Imperfelts
(er bleib: wir blieben) von Wartin Opitz (F 1639) verpönt
wurde, ichwanft der Sprachgebrauch zwifchen du fliegjt und
fleugit nod zu Gottſcheds Zeit (F 1766), und erjt Mdelung
(7 1806) räumte mit dem eu=Laute in diefen Gebilden endgiltig
auf. Aber jet ift in dem meijten Fällen der Sprachgebrauch
geregelt, nur die Mundarten fepen, dank ihrer größeren Un—
abhängigfeit von dem Einflufie des Schrifttums, das Werk der
Ausgleichung unabläffig fort.
3. Sapgefüge.
Auf ſyntaltiſchem Gebiete geht der Zug der neueren Sprachen
bejonders darauf hinaus, in vielen Verbindungen die alten Wes—
und zum Teil auc) die Wenfälle durd; Erfagbildungen mit Ver-
bäftniswörtern zu umfchreiben. Konnten noch im Mhd. wichtige
Gruppen von Zeitwörtern wie die der Gemütsjtimmung,
des Erinnerns, Trennens ujw. den zweiten Fall bei fi
haben, jo fordern diefe mit wenigen Ausnahmen jeht den Aus:
druck des Abhängigkeitsverhältnifjes mit »über, von, an« (doc)
vgl. z. B. gedenfe mein, er freut fich feines Lebens), Mandı-
mal bat der Genitiv auch dem Vecujativ das Feld räumen
müſſen, z. B. bei [honen, hüten, vergejjen (doch Vergißmein—
nicht), oder der Gebrauch ſchwankt zwiſchen beiden Ausdrucks—
1) Bis auf »worden- neben »geworden«, bie fremden Aus—
drüde auf =ieren (vegiert) und die untrennbar zuſammengeſetzten
(begehrt, vermehrt, überſehzt, aber übergejegt von: »er jet übere).
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprahvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 6.
102
weifen: Luther jchreibt noch »eine® Hauptes längere; wir jeßen
dafür um einen Kopf länger« oder »einen Kopf länger«. Andere
Neuerungen im Saßgefüge, die in nhd. Zeit auf den Plan treten,
find: der vierte Fall in Berbindung mit einem Möverb oder
Mittehvort (3. B. den Hut in der Hand, das Haupt ent
blößt trat er zur Thür herein), ferner artitellofe Fügungen
wie »mit fühnem Sprunge, aus vollem Herzen, in Abendrots
Strahlen«, oder die Wiederholung des adjeftivifchen Beiworts bei
Berfnüpfung zweier Hauptwörter verichiedenen Geſchlechts, die bei
Luther jelten und auch bei Schiller noch nicht ftreng durchgeführt
ift; denn jener fagt regelmäjig »in deinem Dorf oder Stadt«
u. a., und dieſer in Wallenjteins Tod II, 3, 38 und 44: Ich
lafje jedem feinen Sinn und Neigunge, »geihah mit meinem
Wiſſen und Erlaubnis«. Manche Erfcheinungen find zwar ſchon
im Mhd. vereinzelt nachweisbar, werben aber erft im Nhd. häufiger,
3 B. der zum Hauptwort erhobene Infinitiv (mbd. löben, wäsen,
aber noch nicht Berberben, Einkommen), oder die Antnüpfung
bes Präditatönomen® bei ben Heitwörtern machen, halten, bes
tradten u. a. mit »zu, für, als« (aber vgl. Schillers Bürg-
haft: ⸗»Und kann ich ihm nicht [als] ein Retter willlommen
erjheinen«), oder der Gebrauch ded Mittelmorted der Vergangen⸗
heit als Befehlsform, z. B. bei Hölty: »Roſen auf den Weg ge—
ftreut und des Harus vergeffen!«.
Bon den eingeführten Neuerungen mag dieſe oder jene auf
ben Einfluß fremder Spraden zurüdzuführen jein, wie die noch
von Gottjhed') als »ungeſchickte Nadäffung des Franzöſiſchen«
befämpften Wendungen >ein Mann von Stand« (— von gutem
Stande), »ein geichägter Freunde (— hochgeſchähter), »das
Scöne«*?) (— die Schönheit), oder dad aus dem Anfinitiv mit
u« wahriheinlic nad lateiniſchem Borbild geſchaffene Partizip
(3. B. »der hochzuverehrende Manne«)’); anderes verdankt die
Schriſtſprache örtlihen Einwirkungen, wie den Konjunktiv der
Aufforderung (geben wir — laßt uns geben) dem Ginflufje der
Schweizer (Haller, Bodmers, Breitingers), welche troß der
Gegnerſchaft des Leipziger Spracdgemwaltigen häufig aus dem Quick⸗
born der Mundart geſchöpft und dadburd die dichteriſche Aus—
drudsweije bedeutjam gefördert haben; wieder anderes der Ent:
lehnung aus früheren Spracperioden, wie denn z. B. diejelben
Dichter nad) mhd. Mufter die freie Stellung des Beiworts hinter
dem Hauptworte (Möslein rot) wieder aufgenommen und der
bichterifchen Darſtellung zurüdgegeben haben.
4. Wortſchah.
Auch der Wortichaß der nhd. Sprache hat verſchiedene Wands
lungen erfahren. Der mitteldeutjche Grundjiod, auf dem er be—
ruht, wurde vielfach, aus andern Gebieten vermehrt, und wenn
auch die Sprachgejeßgeber eifrig darüber machten, daß keine
»diotidmen« einflofien, jo wurden doch nicht wenige Ausdrüde
mit den Gegenjtänden, die fie bezeichneten, anderswoher entlehnt.
Sp find die Benennungen des Seewejens wie Hüfte, Kahn,
Krabbe niederdeutſch, die der Alpenwelt und ihrer Wunder wie
1) Bol. Gottſcheds Deutſche Spradjkunft 6. Aufl. Leipzig 1776
S. 428 # 418 und O. Erdmann, Grundzüge der deutſchen
Syntar 1, 73.
2) Diefe fanden eine Stüße an bereit3 vorhandenen deutſchen
Formen wie dad Gut, Übel = das Gute, Übele u. a.
3) Bödiler-Friſch, Grundſätze der deutihen Sprache (1723)
S. 302 halten e3 für neugebildet, aber noc jeher hart lautend,
ebenfo nennt ed Adelung, Lehrgebäude (1782), 2, 30, eine der
beutichen Spracde fremde form, aber im 18. Jahrh. tft es ein-
gebürgert und findet ih bei Goethe u. a. Vgl. Schiller, Braut
von Mejjina I, 1,80: Ich unternahm das nicht zu Hoffende.
103
Matte, Firn, Föhn oberdeutfcher Herkunft.) Größer nod) waren
die Einflüffe des Auslandes. Denn mit fremden Erzeugnifien
und Errungenfcaften wurden aud Fremdwörter übernommen:
das römifhe Recht, deſſen Einführung durd die Kammer:
gerichtsordnung von 1495 erfolgte, brachte lateinifche Gebilde ins
SKanzleideutih, der Humanismus griechiſche und lateinische
Kunftwörter in. die Sprache der Wiſſenſchaft; ebenjo wurde infolge
der ftarfen Einwirkung ded romantihen Schrifttums manches
Fremdwort aus der Zunge unferer wejtlihen und jüdlichen Nach—
barn eingebürgert. Aber nicht bloß durch die Litteratur wurde die
Sprache verwelfcht, fondern auch durch perfönlihe Berührung.
Während des Dreihigjährigen Kriegs »verdrüngte das fremde Kriegs⸗
voll, welches Deutichland von allen Seiten her überſchwemmte, eine
Menge guter dbeuticher durch freche und fremde Wörter.«*) Doch die
Oegenjäge berührten fi. Wider die übertriebene Welſchſucht der
Beit, wie fie namentlih in der zweiten jchleftihen Dichterſchule
bervortrat, madıten die Sprachgeſellſchaften Front; fie arbeiteten
darauf bin, ihr geliebtes Deutich von der Fremdwortſeuche und den
Stil von der Unnatürlichleit des Ausdruds zu befreien. In ihren
Bahnen wandelten auch manche gleichzeitige und fpätere Gram—
matifer und Berfafjer von Wörterbiihern, ja es erſchienen zahl
reiche ſatiriſche Schriften gegen die Spradimengerei und die »Lap-
wörter«, wie fie Leibniz nannte, ein Feldzug, der den guten Ge—
winn abwarf, dab die Schriftſprache nad) und nach mit einer
größeren Zahl neugebildeter deutjcher Wörter beichentt wurde.
Bei diefer Wortfhöpfung verfuhr man in verichiedener Weiſe:
wenn der Stamm bes fremden Eindringling® durchfichtig war
und ſich leicht übertragen lieh, überjegte man ihn gern, wie Pienis
potenz durch Vollmacht und usus fructus durd) Nupniehung;
in andern Fällen ging man durchaus jelbjtändig zu Werke 5. B.
bei Gefallſucht und Fallbeil — Koletterie und Guillotine,
So find im 17. Jahrh. die Nusdrüde Sinngedicht (Epigramm),
Vertrag (Kontralt), Gegenstand (Objekt), im 18. empfind—
fam (fentimental), zerjtreut (distrait), Thatſache (Faltum),
Sternwarte (Obfewatorium), im 10. veröffentlichen (pu=
blieieren), abrüften (desarmieren), Volkstum (Nationalität),
Sommerfrifche (Billeggiatur) durch) Überfepung oder freie Wieder
gabe gebildet worden. Namentlih bat J. H. Campe (F 1818) die
Spradie mit vielen derartigen Neufhöpfungen bereichert, 3. B.
altertümlich, geeignet, handlich, Eigenname, Zerrbild
(antit, qualifiziert, traitable, Nomen proprium, Karikatur).
Weit einflugreiher aber als die Thätigkeit der Granmatifer
war die der Dichter. Denn fie holten nicht nur viele nahezu oder
ganz vergefiene Wörter aus dem Schadhte der alten Pitteratur hervor
und jepten fie neu gemünzt wieder in Umlauf, wie Hort, Hain,
Heim, Halle, Ahn, fojen, vergeuden, bieder, harm—
108, ſtattlich, jondern fie ſchuſen auch zahlreiche neue. Sind
doc; die jet jo häufigen Zufammenjegungen mit Mittelwörtern
(freudetrunfen, biutbefledt, gottbegnadet, angſtge—
quält, wonnebebend, rebenspendend) bauptjächlich jeit der
Mitte des 18. Jahrh. entitanden. Indeſſen jchöpften untere Dichter
aud) aus dem lebendigen Quell der Mundarten und gaben durch
die Macht ihres Anſehens mandem bis dahin von den Bebildeten
ſcheel angeſehenen Ausdrucke einen Freibrief für die Litteratur.
Denn nachdem die Schriftipracdhe den Mundarten gegenüber in jeder
Hinficht gefeitigt worden war, fonnte ihre Würde laum noch durch
die Aufnahme einzelner Dialettwörter beeinträchtigt werden, viel
1) Bgl. meine Schrift »Unſere Mutteriprache, ihr Werden
und ihr Wejen« 2. Aufl. S. 687.
2) Eccard bei Soein, Schriftipradhe und Dialelte S. 350 f.
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang.
18%. Nr. 6. 104
mehr wurde auf biefem Wege dem alternden Körper frifches und
gefundes Blut zugeführt. Auch hier war wie beim Sapgefüge
das Beifpiel der Schweizer Dichter des vorigen Jahrk. bahn⸗
brechend, da fie ganz befonders für die vergefjenen » Madhtwörter«
vollsmäßiger oder altertümlicher Herkunft eintraten. ’)
Endlich ift noch der wortichöpferiihen Thätigfeit der Pbilo-
fophen zu gebdenten; denn während vorher die Sprache ihrer Wiſſen⸗
ihaft das Latein war und nocd Leibniz ein gut Teil feiner
Schriften lateiniſch verfaßte, wurde namentlich durch Chriſtian
Wolff (7 1754) eine neue deutſche Kunſtſprache für Begriffe der
Weltweisheit erfunden, die in der Folgezeit durch Kant, Schelling,
Fichte, Hegel u. a. wejentlich gefördert wurde.
So hat ſich denn im Laufe einer fait 400 jährigen Entwide:
lung die nhd. Schriftiprache ganz bedeutend verändert. Jedes
Jahrhundert hat etwas dazu beigetragen und Spuren feiner Bir:
famteit hinterlafjen. War ſchon die Sprache Leifings, bejonders
in Wortſchaß und Sapfügung, vielfach anders geartet als die
Luthers’), jo zeigt die Schillerd und Goethes noch viel jtärtere
Abweichungen; und da auch die gegenwärtige Ausdrudsweiie jih
keineswegs mehr ganz mit der diefer großen Dichter dedt, jo iit
die Entfernung unferer Spradform von der Lutheriſchen derartig
groß geworden, daß fich die Notwendigleit herausgeſtellt hat, die
Bibelüberjegung Luthers nad) dem jegigen Sprachgebrauche um:
zugejtalten und wieder in cine allgemein verjtändliche Form zu
bringen.
Eifenberg, ©.:1. D. Weiſe.
Einiges über Sufammenichungen.
Vor einiger Zeit erichien in vielen Zagesblättern eine Be
merfung der Herren Moriz Heyne ımd 9. von Pfiſter—
Schwaighujen, die fi im Zone tieffter Entrüftung gegen ge
wiſſe Wortbildungen, wie z.B. 8. Wilhelms Dentmabpf (fe!),
' Bismard Eiche (fo!), Sedan Feier (fo!) wenden und dafür
K. Wilhelms: Dentmahl, Bismardd- Eiche, Sedaner oder
fedanifche feier verlangen. Es verlohnt ſich wohl der Mühe,
diefen Angriff auf feine Berechtigung hin zu prüfen.
Zunädjt kann man zugeben, daß Sedan Tag (fo jteht wenig:
jtend in dem mir vorliegenden Sprechfaale der Zeitung > Frei:
Deutichland« vom 6. Sept. 1895 gedrudt) »blöder Unfug«, >ftumpf-
finniges Lallen«, »völlige Zerrüttung« und » Barbarei« iſt, gerad
wie Münden Bier oder Wien Schnikel. Obwohl jene Aut:
drüde an Derbheit nichts zu wünſchen übrig lafien, halte aud
ich, wie wohl jeder andere, diefe Art Sprachbehandlung (Sedan
Tag) für unzuläſſig. Anders aber fteht die Sache, wenn man
Sedan-Tag oder Sedantag dafür einfegt. ” Nach dem ganzen
Inhalte jener Ausführungen fol aber auch das »blöder Unfuge ufm.
fein. Iſt das wirklich To?
Es giebt im Deutichen, wie in allen verwandten Spraden,
zwei Arten von Zuſammenſetzungen. Die eine, ältere rt, die
eigentliche Zufammenfegung, zeigt das Beitimmungswort
in der Form des Stammes. Diefe Stammform ift im Aitboc:
deutſchen oft noch deutlich zu erfennen, val. 3. B. taga-werah,
turi-sül, filu-sprächi. Im Neuhochdeutſchen find, wie ſchen
1) »Dak aus der Sprache der Dichtung Freibeiten der Wort:
fügungen, Kraft und Fülle des Musdruds nicht ganz verbannt
wurden, danken wir den Schweizern.“ Vgl. Steph. Wähzoldt in
dieſer Beitjchr. I, 267.
2) Vgl. auch Behaghel, Wiſſenſch. Beih. diefer Zeitichrift VI,
S. 2.
105
in mittelhochdeuticher Zeit, die Stammauslaute a iu zu e ges
worden ober (meift) geichwunden. Jenen althochdeutſchen Wörs
tern entſprechen jegt: Tagewert, Thürjäule, vielipredend.
Daneben jteht eine jüngere Klaſſe, in der das Beitimmungs-
wort in einer fertigen Biegungsform, zumeift im Genetiv, mit
dem Grundiworte, vor dem es urjprünglic, als jelbftändiges Wort
jtand, zufammengewacen ift. Dies find die fogenannten uns
eigentlihen Aufammenfepungen, auch wohl Zuſammen—
rüdungen genannt. Beifpiele: althochdeutih donares-tag =
Donnerstag, gotes-hüs = Gotteshaus, wolves-milch
— Wolfsmilch ujw. Das Zuſammenwachſen läht ſich vielfach
deutlich verfolgen. Im Mittelhocdydeutichen bie es noch getrennt
hungers nöt, wo wir jept in einem Worte Hungersnot
fagen. Ganz friſch zufammengewachien ift 3. B. Kaiſersgeburts—
tag, wie jchon die Betonung auf dem zweiten Beftandteile zeigt.
Beſſer jchreibt man hier aber getrennt: Kaiſers Geburtstag.
Das genetivifche Verhältnis aber, das dieſer zweiten Klaſſe
urjprünglich zu grunde liegt, iſt im Laufe der Zeit jo abgeſchwächt,
dak das 8 vielſach gar nicht mehr als Gemetivgeichen empfunden
wird und, wie bekannt, in zahlreiche Wörter eingedrungen iſt,
denen es urjprünglicy nicht zutommt: Liebesbrief, Arbeits-
tag uſw.
Von einem durchgreifenden Bedeutungsunterſchiede zwi—
{chen den beiden Aujfammenjegungsarten fann heutzutage faum
noch die Rede fein. Beide dienen zur Bezeichnung der mannigs
faltigiten Bezichungen. Lediglih der Sprachgebrauch enticheidet
über die Einreihung in eine von beiden Klaſſen, d. h. über 8 oder
nicht-s; man vergleiche nur z.B. Tagewerk mit Tageszeit,
Landgericht mit Oberlandesgeridht, Nadtmahl mit Fajt-
nadtsmahl ujw. Neubildungen aber ſchließen ſich an bes
ftehende Muſter an; und da iſt es oft nur eine Machtfrage, welche
ber beiden Klaſſen am meilten Einfluß übt.
Das alles wifjen natürlich die beiden Männer, die ſich jelber
»Schüler Grimms« nennen. Wenn fie troßdem Naijer-Wil-
helm-Dentmal für eine »Barbareie erflären, jo lönnten fie
etwa fagen, da die Perfonennamen hier eine befondere Stel—
lung einnähmen, daf mit ihnen gebildete Zuſammenſeßungen das
genetivische 8 haben mühten. Sie könnten fich dafür auf die
grobe Zahl von Ortänamen berufen, die in altbochdeuticher Zeit
von den Namen der Gründer oder Befiper abgeleitet jind und
allerdings das 8 regelmäßig zeigen, 3. B. Herolfes-feld (jegt
Hersfeld), Adalgeris-bach (Dllersbad), Hruodines-
heim (Nüdesheim) ufw. Diefe Bildungsweife dauert fogar
bis in die neue umd neuefte Zeit fort: Karlsruhe, Ludwigs—
burg, Wilhelmshaven. Aber dies letzte Wort, auf das ſich
Heyne und v. Pfiſter berufen, zwingt uns noch nicht ohme weiteres,
deshalb aud) von einem Kaifer: Wilhelms-Dentmale zu
ſprechen. Ober jollen wir auch Goethesdentmal, Schillers—
haus, Homersvers, Dürersforſchung, Apollosbüſte,
Radetzkysmarſch uſw. jagen? Für dieſe und ähnliche Bil
dungen iſt eben die große Klaſſe der eigentlichen Zuſammen—
feßungen mahgebendes Borbild geweien. Wie Neiterdentmal,
jo konnte man aud) Neuterdenfmal jagen, wie Rittergut, jo
auch Scillerhaus ujw. Demnach ift es gewiß fein » blüder
Unfug «, Kaiſer-Wilhelm-Denkmal zu jagen, zumal doch
gewiß; jedermann Kaiſerdenkmal jagt. Anderjeit® darf man
natürlich in diefem Falle auch die Formen mit 8 nicht für falid)
erflären. Der Spradgebrauh ijt ohne Frage bier, wie in
ähnlichen Füllen, ſchwankend, und da muß man vorläufig beides
gelten lafjen. Empfehlenswert mödjte es allerdings fein, daf; man
fich in ſolchen Fällen des Schwanfens für das & enticheide, vors
Zeitfprift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Wr. 6.
106
ausgejept, dab es am ſich in der Wortverbindung Sinn bat; und
das ijt hier der Fall. Sage man aljo Kaiſer-Wilhelms—
Dentmal und Kaifer- Wilhelms: Kanal, wie man Wil:
helmshaven und Ludwigskanal jagt. Denn, wo es geht,
wollen wir doch die in foldhen Fällen von altersher übliche Weiſe
ber Aufammenfepung und damit die lebensvolle Biegungsendung
8 beibehalten, jo lange es möglich if. Wo fi der Sprad):
gebraud; aber bereitS anders entichieden hat, da müſſen wir ihn
anerfennen. Un Scillerdentmal ufw. zu rütteln, ift nicht
mehr erlaubt.
Unter den Beijpielen, gegen die ſich die beiden Herren wen—
den, finden ſich auch Bismardeiche und Karlbad. Daß lep-
tere ift mir nod) nicht begegnet, wäre aber allerdingd, wenn es
vorfäme, auf da® entichiedenite zu befämpfen; denn den altüber-
lieferten, durdaus richtig gebildeten Ortsnamen fo zu entjtellen,
wäre ficher»Barbarei«. Unders steht e8 aber mit Bismarchkeiche.
Hier ift der Sprachgebrauch wieder ſchwankend; und wenn hier ent—
ſchieden werden foll, jo fanın wohl nur die Rückſicht auf den
Wohltklang den Ausſchlag geben, jo daß der ziweimalige Ziſch—
faut am Ende aufeinanderfolgender Silben vermieden wird. Im
allgemeinen freilic; darf man dem Wohllaute feinen zu großen
Einfluß einräumen, namentlid) darf die nachträgliche Nüdficht auf
in den feftgewordenen Sprachgebrauch nicht erſchüttern. Das
hätte ganz unabjehbare Folgen. Auch gibt es wohl feinen ſchlecht—
hin gültigen Maßſtab für das, was ſchön klingt. Wir jagen ohne
Anjtand ausdrudsvoll und fogar ausdrudslod. Dürfen wir
des Wohlllangs wegen das eine 8 über Bord werfen? Dürfen wir
aus demjelben Grunde Reichſtagwahl ftatt Reichsſtagswahl
jagen? Hier muß uns der ſeſte Sprachgebraud; heilig fein. Nur
in Füllen des Schwankens und bei Neubildungen haben wir das
Recht, dem Wohlllange das Amt eines Schiedsrichters zuguers
fennen. Und das trifft meines Erachtens in dem vorliegenden
Falle (Bismardeiche) zu. Zwei Arten der Zufammenjegung find
hier möglich und am fich gleich berechtigt, für beide find vorbild—
liche Muſter vorhanden. So ftand in Braunichweig bis vor fur:
zem eine Heinrichslinde; bei Stolberg gibt es und bei Altenftein
gab e3 eine Lutherbude. Dieje Bäume heifen jo, und daran
ift nichts zu ändern. Demgemäh haben wir die Wahl zwiſchen
Bismardseihe und Bismardeihe, und da wollen wir uns
aus Gründen des Wohllautes für das letztere entfcheiden, das ift
ganz gewiß feine »völlige Zerrüttung und Barbarei«.
»Welcher deutiche Mann, Verein, welche Behörde findet bie
fittliche Entjciedenheit, Über den blöden Unfug des Ausdrudes
‚Sedan Feier‘, „Sedan Tag‘ ufw. den Stab endgültig zu
brechen?« So heift es in jener Nusführung weiter. Denn aud)
fein Menſch dürfe jprechen: Berlin Zeitung, Bremen Zi—
garre ufw. Gewiß, jo fprechen wir nicht; es ift vielmehr ſprach⸗
üblich, zu jagen: Berliner Zeitung, Bremer Zigarre oder
bremijche Zigarre ufw. Iſt aber Sedantag und Sedan—
feier wirklich eine fo ganz vereinzelte Bildung? Sagen wir
nicht au Waterlootämpfer, Romfahrt, Bordeaurwein,
Smyrnateppidy und manches andere derart? nicht Afrika—
reifender und Djtindienfahrer? niht Harzreije umd
Brodenhaus? nit Nheinwein und Nedarthal? Sind
dieje Bildungen auch »ftumpffinnige® Lallen«? Anderſeits:
reiht fi) nicht Sedantag feiner Bildung nad an Feittag,
Sedanfeier an Scillerfeier und Lutberfeier? ber auch
wern dad Wort Sedantag völlig allein ftände, ohne jede Ahn-
lichkeit mit anderen Bildungen: es heißt nun einmal fo, der
Sedantag iſt 25mal ohne 8 gefeiert und Taufende von Malen
ohne 8 geſprochen. Iſt das nicht anzuertennen? Und was joll
107
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgaug. 1896. Nr. 6. 108
dafür gefagt werden? »Sedanstag« it nad) der Erklärung
der beiden Herren »ein äußerſtes Zugeftändnis an fprachliche
Verfehlung«e. Mber fie meinem; daß in diefem Falle mit dem 8
noch nicht viel gedient ift: »eigentlich ift nur jtatthaft Sedaner
Schlacht, ſedaniſche Feier« Nun, gegen Sedaner Schlacht
ließe ſich wohl ſchwerlich etwas einwenden, jo wenig wie gegen
Leipziger Shladt. Sedaner Feier wäre ſchon bedenklich);
das wäre doch wohl nur eine Feier in Sedan. Was aber würde
da8 deutſche Volk dazu fagen, wenn es in biefem Jahre eine
fedanifche Feier begehen folte? Die beiden Herren führen
als Muster dafür die fatalaunifhen Kämpfe an. Genügt
aber der Hinweis auf ſolche Beilpiele, um mit einem Male ftatt
der durch viertelhundertjährigen Beitand geheiligten Sedanfeier
eine fedanifche einzuführen? Nein, an dem Bejtehenden und
durch langen Gebrauch Gefejtigten in der Sprache dürfen wir num
und nimmermehr rütteln. Es giebt fonft wahrlich genug zu thun,
es find genug Unarten und häßliche Neigungen zu befämpfen.
Man verzehre feine Kraft nicht in nutzloſen Fehden!
Zu diefen häßlichen Neigungen redjne ich aber in der That —
man jehe darin feinen Widerfpruch zu dem Vorigen! — da&
mafloje Streben, Zufammenjegungen zu bilden. Oben bat uns
die Frage beichäftigt, wie fie zu bilden find. Eine andere Frage
ift ed, ob wir in beftimmten Fällen überhaupt Zuſammenſehungen
bilden und die zu vereinigenden Begriffe nicht vielmehr in anderer
Weife verfnüpfen follen. - Und infoweit hat der Eifer der beiden
Herren unzweifelhaft recht. Ach betone nochmals: mas in diefer
Art feftes Sprachgut geworden ift, müſſen mir dulden, fo die
oben angeführten Bildungen Goethedenkmal, Scillerhaus,
Waterloofämpfer, Afrifareifender, Sedantag ufw. Aber
es iſt dringend zu wünichen, da diefe Art von Zufammenfegungen,
deren erſter Teil ein Eigenname ift, nicht ins Ungemefjene wuchere.
Ich meine die heutzutage wie Pilze emporſchießenden Bildumgen
Bismardbeleidigung, Stöderbrief, Ktalienreije,
Ägyptenreifender, Chikagoausſtellung, Japan und
Ehinawaren, Zürichjee, Hamlettragödie, Telloper ujw.
Muß denn alled notwendig in den Bereich eines Wortes ein-
gepiercht werden? Iſt e8 demm nicht ſchöner und gefülliger, wenn
man jagt: die Oper Tell, die Ausstellung in Ehilago, der
Züricher Sce uſw. Nicht als ob jene Wortfügungen an ſich
unridtig gebildet wären; nein, unjchön und zudem ganz über:
flüſſig find fie. So wird aud), wer Seichmad bat, umter Um—
ftänden lieber von dem Dentmale Goethes und von Schillers
Hauſe als von dem Goethedentmale und dem Sciller-
baufe ſprechen, wenn auch dieje Bildungen das Bürgerrecht er-
langt haben. Die Fähigkeit der deutichen Sprache, Zufammen-
ſeßungen zu bilden, iſt ficher ein Vorzug; aber ein Vorzug, den
man mißbraucht, gereicht zum Unheile.
Wenm ich zum Schluſſe noch einmal zufammenfajien darf, fo
haben Heyne und v. Pfifter, von einer durchaus richtigen Einficht
geleitet, weit über das Ziel hinausgeihofien. Man bilde nicht
unnötig Zuſammenſetzungen von Eigennamen; was aber in der
Art vom Spradigebrauche angenommen ift, ift zu dulden. Ferner
ereifere man ſich nicht unnötig zu quniten des 8, zumal wo ein
zweiter Ziſchlaut mit ins Spiel fommt. Kurz, man achte den
feften Sprachgebrauch, er ift eine durch die Zeit geheiligte Macht;
wenn er ſchwankt, enticheide man nad Gründen der Vernunft und
des Geſchmackes; bei Neubildimgen übe man beſonnene Borficht !
Braunfhweig. Karl Scheffler.
Nachfchrift. Eben geht mir nocd ein Aufſatz des Profeſſors
9. v. Pfiiter-Schwaighufen zu, der unter der Auffchrift
»Aud eine Seite ſprachlicher Verwüftunge« in der Zeit
ichrift »Wanderers Freund« (Bielefeld) Jahrg. 2, Nr. 1, S.2f
erschienen ift. Der Verfaſſer vertritt hier im wejentlichen den oben
gefennzeichneten Standbpunft. Er nimmt fich mit Recht der jhmur-
denden Biequngsendungen, beſonders des 8, an, geht aber in
diefem Streben meines Erachtens viel zu weit. So verlangt er
u. a. niht nur Bismardd-Eiche, jondern auch Goethen:
Haus und Moltkens» Dentmapt (fol. In diefer Forderung
werden ihm wohl nur wenige zu folgen vermögen. A. S.
Zu der Abhandlung von Dr. Willfing »Die Verwirrung
in der Schreibung unierer Straßennamen «,*)
Es jei mir vergönnt, drei fragen anzuregen, bie fich auf die
obige höchſt verdienitvolle Abhandlung beziehen.
I. S. 9 wird die Benennung »Häufer Gaſſe- in Boden
beim (zur Benennung eines nad) dem Orte Haufen führenden
Wegs) ziemlich jcharf getadelt. »Welch finnentitellendes Bild«,
ruft der Herr Berfaffer aus, »giebt die Schreibung Hänfergafie!«
Als richtig wird der daneben vorhandene Name »Haufener Land
ſtraße · bezeichnet. Dagegen finden wir S. 2 bei der Benennung
»Stodhanfener Weg«, die in Döbeln vortommt, die Bemerkung:
»Nichtiger wäre Stodhäufer!«
Iſt dies fein Widerſpruch?
Es ijt allerdings beinahe Regel, »dah bei den Ortsnamen
auf en, bei denen durch die Anfügung der Silbe er der Ten
hinter die drittleßte Silbe zu ftehen füme, die Endung em au:
geſtoßen wird«, während man fie ſonſt beibehält, z. B. Nord
haufen: Nordbäufer, Siegen: Siegener. Im Alemanmiſchen,
Schmwäbiichen und Fränkiſchen verwandelt man im letzteren Falle
»sener« in »emer«, was ohne Zweifel auf einer Vermiſchung der
Endung »ener« mit >beimer« beruht, die im Vollsmunde semer«
lautet.
An Ausnahmen von dieſer ziemlich willlürlichen Regel fehlt
es aber nicht. Bon »Mempten« wird vielfach nicht >» Kemptener«,
fondern ⸗Kempter« gebildet, wie der in Schwaben häufige Name
»ftempter« umd die Kempter Straße in Memmingen beweift; ganı
feit ftehen: Barmer, Bremer, Emder, Grimmer, Lüner, Santı:
Galler, Wolfhager, Saar- und Awei-brüder von: Barmen,
Bremen, Emden, Grimmen, Lünen, Sanft Gallen, Wolfbagen,
Saar= und Aweibrüden. (Vgl. Süddeutihe Blätter 1895 ©. 77
und 155). Warum jollte neben diefen Bildungen nicht auf
» Häufer« von » Haufen« geduldet werden? Zweideutigleiten brand!
man nicht allzu ängftlich zu meiden; ſonſt müßten wir ja gegen
die Bezeihnung »Wagneritrahee fein, wenn Richard Wagner ge
meint ift, da man an das Handwert denfen fünnte.
HU. » Wenn man eine Straße nach einem Fürjten Karl Frie
drich nennen will«, leſen wir S. 11, »fann man fie nicht Sarl:
Strafe oder Friedrich Straße nennen, man müßte denn auf einen
etwas eigentümlichen Ausweg verfallen, wie er hier in Bonn —
wie mir jcheint — gefunden worden ift, wo von zwei nabe ki
einander in gleicher Richtung laufenden Straßen die eine Klement
| Strafe umd die andere NAuguft- Strafe heikt (mach dem Kurfürſten
Klemens August (?), dem im nahen Poppelsdorf eine Klement
Auguſt-⸗Straße geweiht ift).«
*) »&renzboten« 7. und 9. Heft vom 13. und 27. Febr. 18%.
Sonderabdrüce diejed Nufjapes find an die Behörden der gröheren
deutjchen Städte verfandt worden und lönnen durch den Au
handel zu 30 Bf. bezogen werden; Abdrüde der Regeln allein
verjendet Dr. Wülfing in Bonn (Duantiusftrahe 11) auf Bunſch
unentgeltlich.
109
Diefe Unmöglichkeit, von zwei Vornamen eines Fürſten den
einen bei einer Ortöbenennung wegzulafien, lönnen wir nicht zus
geben. Dasfelbe Gefühl, das in Bonn die Benennung ⸗Klemens—
Augujt:Straße« verhindert hat, ift für den württembergiichen
Herzog Eberhard Ludwig beftimmend geweſen, feine neugebaute
Hofitadt nicht »Eberhard-Ludwigs-Burg«, fondern ⸗Ludwigs⸗
burg« zu nennen. Sehr zu bedauern ift, dab der Lehrerrat des
alten, unter der Regierung desſelben Herzogs gegründeten Gym:
naſiums in Stuttgart nicht diefem Vorgange gefolgt ijt, ſondern den
Namen »Eberhard: Ludwigs-Gymnajium« gewählt hat, als in
Folge der Errichtung eines neuen Gymnaſiums eine genauere Be:
zeihnung nötig wurde. Die eben damals aufgefommene Sitte,
vielfach zufammengefegte Namen (wie Kaijer-Wilhelm- Strafe)
zu bilden, Hatte, wie es jcheint, aud) die Mehrheit mit ums
widerjtehlicher Gewalt ergriffen. Wielleicht wirkte auch die Er:
innerung an die Eberhard-Sarld-Univerfität in Tübingen mit,
bei der aber zwei Fürften in Betracht fommen. — Herzog Karl
Eugen von Württemberg ferner Hat feine berühmte Lchranftalt
ſchlechtweg ⸗Karlsſchule genannt. Der höchſte Punkt des Hefjel-
bergs bei Dintelsbühl in Bayern heißt zur Erinnerung an Guſtav
Adolf von Schweden Gujtavsruhe; nach demfelben Fürſten wurde
das alte Gymnaſium zu Schweinfurt Gymnasium Gustavianum
genannt. Ebenſo hieß die Höhere Unterrichtsanftalt in Wiesbaden
von 1806— 1817 -Friedrichsſchule- nad) dem Fürſten Friedrich
Auguft von Nafjau - Ufingen.
IH. Hoch erfreut war Einfender durch den ©. 15 gemachten
Vorſchlag, der Spradyverein möge als Gegenftüd zu dem Nanıen-
büdhlein für Berfonen aud ein Ortsnamenbüdlein heraus:
geben, da er felbft vor kurzem dem Gejamtvorjtand einen dabin
gehenden Antrag unterbreitet hat.
Die Ausführung wäre jept jehr einfach, denn die Grund—
lage zu dem, was zu jchaffen ift, Haben wir ſchon in Dr. Frie—
drich Pfaffs Büchlein »Deutjche Ortänamen«, das der Gejamt:
voritand im dankenswerteſter Weiſe den Vereinen zugänglich ges
macht hat. Der gelehrte Berfafjer wäre wohl gern bereit, feine
Arbeit in der Weife zu erweitern, daß er etwa alle deutichen
Namen der Erdkunde, die in dem Lehrbuche von Püß- Behr,
in dem Großen Seydlip und dem Mittleren Daniel vortommen,
bereinzöge und ein alphabetiiches Verzeichnis (als Anhang) bei-
gäbe. Das wäre eine ſehr wertvolle Zugabe zum erdfundlichen
Unterrichte.*) In der angegebenen Beſchränkung bebielte das
Werk einen mäßigen Umfang; wenn der Entwurf allen Bereinen
zur Einficht vorgelegt würde, wäre man auch ficher, überall zu:
verläffige Auskunft zu erhalten.
Stuttgart. 8. Erbe.
Ermwiderung.
Zu I. bemerkte ich, daß ich an der von Proſeſſor Erbe an-
geführten Stelle (S. 9 des Sunderabdruds) nur darauf hingewieſen
babe, daß die beiden Bildungen » Häufer« und » Haufener« neben
einander vorfommen; als richtig babe id) die Benennung
»Haufener« nicht bezeichnet, cbenjfowenig die Bildung ⸗Häuſer«
als falich; der Ausruf: »Welch finnentjtellendes Bild giebt die
Scjreibung Häufergajje!« bezicht fich eben nur auf die Schrei—
bung, nicht auf die Form der Ableitung. Wie ich mit Brofefior
*, Der Vorftand ift bereits im Januar d. J. mit Herm
Dr. Piaff über eine derartige Arbeit in Verbindung getreten, und
diefer hat vorläufig in Musficht geftellt, eine feiner jüngften Ver—
öffentlihung ähnlihe Schrift für das gejamte deutſche Sprach—
gebiet abzufajjen. Um ein alphaberiiches Berzeihnis der Orts—
namen wird es ſich dabei freilich wohl nicht Handeln.
Zcitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. XI. Jahrgaug. 1896, Wr. 6.
110
Erbe darin übereinjtimme, daß »Stodhäufer« richtiger ift als
»Stodhaufenere, jo ſtimme ich auch darin mit ihm überein, daß
»häujere, da es einmal vorkommt, geduldet werden kann, ebenfo
gut wie »Barmer, Bremer« ufw. Bielleicht habe ich wich an
jener Stelle nicht deutlich genug ausgedrüdt; meinen Zorn hat
nicht die »Häufer Gafjes, jondern die » Häufergafie< erregt.
Zu I. Gewiß! Profefjor Erbe hat recht, man follte von
einem Doppelnamen großer Füriten nur einen wählen, aber das
war in der »guten alten Zeit« Gebrauch, heutzutage gilt es für
zu einfach und zu ungenau. Wenn es aber nidt ganz berühmte
Leute find, muß einer doch — namentlich nach 2O und mehr Jahren —
fragen, nad wen benn eigentlich eine Ottos Müller» Straße oder
eine Hermanns Beder: Straße benannt iſt. — Ich verweije dazu
auf Dr. Wuſtmanns Auslaſſungen in den »&renzboten« vom
19. Zuli 1894 (S. 122). Einen Borfdlag aber möchte ich mir
bier noch erlauben, der vielleicht da oder dort Beachtung finden
dürste: joll eine Straße nach einem Fürften oder um die Stadt
verdienten Manne möglichjt deutlich benannt werden, damit feiner
darüber zweifeln lann, fo benenne man die Strafe kurz und bündig
mit dem Hauptnamen des Fürſten oder mit dem Familiennamen des
Mannes, bringe dann aber am Eingang und am Ausgang der
Straße ein zweites Schild an mit genaueren Angaben über
den durch die Benennung Geehrten, 5. B. Beder-Strafe. — Dieje
Straße ift benannt nad) dem Dichter des »Nheinliedes« Nitvlaus
Beder, geb..... T.... oder: Wilhelm: Straße. — PD. Str. i.
b. n. Kaiſer Wilhelm J., dem Siegreihen, geb. .... F.... oder:
Müller: Strafe. — D. Str. i. b. n. dem Bürgermeifter Otto Müller,
geb...» FT... — Die Stadt, die die vorgeſchlagene Einrichtung
einführte, würde lauter furze und bequeme Straßennamen haben
und die Männer, die fie ehren will, durch die befonderen
Ehrentafeln doc gebührend chren.
Bonn. Dr. 3. €. Wülfing.
Rleine Mitteilungen.
Berichiedene Zeitungen bringen die bezeichnende Mitteilung,
da; der Borfipende des Schwurgerihts am Landgericht II zu
Berlin, Landgerichtsdireftor Renckhof, in einer Sipung im März
zwiſchen Deutich und Juriſtendeutſch bejonders unterfchieden
babe. N. jagte nämlid) bei Beipredhung einer Schuldfrage zu
den Geſchwoörenen: »Ja, meine Herren, wenn Sie dieſe Frage
einmal lejen, dann werden Sie fie nicht verjtchen, und wenn Sie
fie zweimal gelefen haben, dann verſtehen Sie fie erjt recht nicht.
‚Dit der Angeklagte fchuldig, zu Berlin, den Entſchluß, in der
Abficht, ſich einen rechtswidrigen VBermögensanteil zu verichaffen,
das Vermögen eines andern, nämlich des X., dadurch zu be—
ihädigen, daß er durch Vorfpiegelung falihyer oder durch Ent-
jtellung oder Imterdrüdung wahrer Thatjachen einen Irrtum
erregte, durch Handlungen, welde einen Anfang der Ausführung
des beabfichtigten, aber nicht zur Vollendung gelommenen Ber-
gehens enthalten, bethätigt zu haben?‘ Auf Deutſch heißt das
einfach: Hat er ſich eines verjuchten Betruges jchuldig gemacht ?«
Die »Voſſ. Zeitunge bemerkt dazu: »Da fragt man ſich unwill—
fürlih, warum denn die Schuldfrage nicht gleich auf ‚Deutjch
gejtellt wird. Dies ift nämlich nach $. 293 der St. Pr. D. nicht mögs
lid; denn hiernach muß die Schuldfrage die dem Angellagten zur
Laſt gelegte That nad) ihren gejeplidien Merkmalen und unter
Hervorhebung der zu ihrer Unterjcheidung eriorderlihen Umftände
bezeichnen, d. h. die Frage darf nicht „deutich‘, fondern mul;
juriftiich geitellt werden.«
111
— Der Zweigverein Reichenberg hat den Borjtand gebeten,
fih darüber zu erlläven, ob die Bemerfung »Wir hängen dies
niedriger!«, mit der wir auf Sp. 72 unjerer April-Nr. den
Abdrud eines gegen uns gerichteten Ausfalls der Reinedeichen
»Mitteilungen des a. d. Schriftvereins« begleiteten, fich auch auf
die beiden dort erwähnten Meicenberger Anträge beziche.
Wir meinen, für einen aufmerljamen Leſer lönne es wohl nicht
zweifelhaft fein, dai jene Bemerkung ſich auf die Neihenberger
Anträge nicht beziehe, weil diefe, wie ausdrücklich erHärt worden
war, dem Borjtande überhaupt nicht vorgelegen hatten, daß
vielmehr die Wendung »Wir hängen dies niebriger!« fich offen:
fundig nur auf die Äußerung bezieht »Man will alfo mit
der bislang üblihen Bevormundung ded Spradvereins
durch defjen Gefamtvorftand aufräumen. Möge ed dem Sprach—
verein endlich gelingen, biefe beflagenswerte Klidenwirt-
ſchaft einzufchränten!« — eine Nußerung, auf deren gebührende
Bezeichnung wir lieber Verzicht leiten wollten.
Das Fremdwort -Clique« jcheint jetzt viel mihbraucht zu
werden. Neulich hat ein Mebner in der Bürgerverfammfung
zu Danzig fich dahin vernehmen laſſen, daß in den mahgebenden
. Kreifen der Stadt »Eliquenwejene herrice. Demgegenüber hob
in der Stadtverorbnetens Verfammlung vom 21. Mai d. J. Herr
Damme hewor: Es fei doch eigentümlich, daß der Redner in
der Bürgerverfammlung zu einem Fremdwort feine Auflucht
habe nehmen müſſen. »Clique« fet ein franzöfifcher Ausdrud,
für den unfere deutjche Sprache einen eigenen nicht befipe. Es
fet num feine Gewohnheit, ſich über eine Sadıe, bevor er über
fie fpreche, möglichjt zu unterrichten, und da habe er fich Mar zu
macden geſucht, was der Ausdrud denn eigentlich für eine Be:
deutung habe. Der Diktionär der Akademie der Wiſſenſchaften
in Bari verftehe unter »Elique« eine Geſellſchaft, die ſich zur
Ausübung von Kabalen und Betrügereien vereinigt habe (Heiterkeit):
das befannte Wörterbud) von Sachs-Villatte überjegt » Elique«
mit »Rotte, Sippicaft, Gelichter« (große Heiterkeit), und in dem
Konverſations⸗Lexilon von Brodhaus heift es: »Clique ijt eine
Partei, welche nicht das allgemeine Intereſſe, jondern das perſön—
liche ihrer Mitglieder im Auge hat.« »Elique« ſei alſo gewiſſer—
mahen eine »injame« Bezeihnung, durch welche man denjenigen
»infaniere«, den man jo bezeichne. Wann ſei e8 je vorgefommen,
daf hier nicht das allgemeine Intereſſe, fondern das periönliche
vertreten worden ſei? Er lönne ſich gar nicht denken, daß ein
Menſch, der die Bedeutung des Ausdrucks kenne, eine ſolche Be:
zeichnung für Männer wähle, welche felbitlos ihre Sorge, Zeit
und Arbeit und durch Hintanfeßung ihrer Geichäfte auch Geld im
Dienfte der Stadt opferten. Ihm fei ed unbegreiflich, wie jemand
auf einen derartigen Vorwurf fommen konnte, immer voraus:
gejept, daß er die Bedeutung des Wortes kannte. — Vermutlich hat
auc der Berfafier des oben erwähnten Ausfalls in der Zeitſchrift
des a. d. Schriftwereing nicht gewußt, was er fagte. Man möchte
ihm zurufen, wie Mephiftopheles dem Schüler im » Fauite:
»Du weißt wohl lt, mein freund, wie grob du bift!?«
Er aber dürfte nicht mit dem Schüler antworten:
Im Deutſchen Tüge man, wenn man böftid ift!«
denn er Spricht ja nicht deutsch, jondern fremdwörtelt! — Das
Bort »Eliques wird nicht deutjch, auch wenn man es -Klicke«
ſchreibt. — Hüter euch alfo vor den Fremdwörtern!
— Die »Brenzboten« vom 14. Mai bringen folgenden Aufſatz:
»Es nüpt! In Heft 48 der vorjährigen Grenzboten wurde Klage
geführt über ‚Welicherei im Volle‘ und dabei ausgegangen von
einem Gafthof in Bonn, ‚der fi als Aushängeſchild den alten |
Zeitfhrift des allgemeinen beutfhen Sprahvereind XI. Jahrgang. 1896.
Ne. 6. 112
Ernſt Morip Arndt erforen hat‘, dabei aber ‚an der Borbderieite
des Haufes die Auffchrift trägt: Hötel-Restaurant. Vater Arndt.
Pension.‘ Dieje Nachricht wurde von einem Studenten im ‚Spreb-
faal® des Bonner Generalanzeiger® im Januar d. %. erwähnt,
erörtert und beflagt und gab in biefer Form Anlaß zu nicht
weniger als zwei Dutzend weitern „Einfendungen‘, in denen unter
andern eine Franzöfin in ihrer Mutterſprache für deren Schön:
heit eintreten zu müfjen glaubte, im übrigen aber hauptjädhlid
Studenten ihrer deutſchen Gefinnung in fräftiger Weiſe Lun
madıten, während ein Wirt, der für die Fremdwörterei eintrat,
gehörig ‚gemacht‘ wurde. Dieſer Federkrieg hat mun den Erfolg
gehabt, daf der Befiper des Gaſthauſes jegt zum Frühjahr die
alte Inſchrift hat entfernen und durch die deutiche ‚Bafthof zum
Bater Arndt‘ erjeßen laſſen. Es ift das nicht der einzige Erfolg,
der in Bonn auf diefem und auf andern Gebieten durch den
immer rührigen Aweigverein de3 a. d. Spradwereins in leßter
Beit erreicht worden iſt. Leider ift es ihm nicht gelumgen, Die
Stadtverwaltung davon abzuhalten, eine neue Strafe Kaiſer—
Friedrich⸗Straße zu nennen, obgleid) er in einer Eingabe unter
Hinweis auf die in den Grenzboten erichienenen Aufjäge Wuſt
manns und Wülfings zu diefer Frage das Unſchöne umd Un:
praftiche folder Doppelbezeichnungen dargelegt hatte, und obgleid)
ſchon eine Friedrih- Strafe in Bonn beſteht. Verſchwiegen ſoll
aber dabei nicht werden, da man in derjelben Sigung für andre
neue Straßen gute und bequeme Namen gewählt, 3. ®. eine
Strafe nach dem &eneraloberft von Los kurz und bündig Loö-
Straße genannt hat.«
Bir beglüdwünſchen den 3.8. Bonn von Herzen zu feiner
rühmlichen und erfolgreichen Thätigfeit, die fih aud) in der ftarfen
Vermehrung feiner Mitgliederzahl auf das erfreulichſte ausſpricht
Zugleich glauben wir verraten zu dürfen, daß der Verfaſſer des
Srenzbotenauffages im Heft 45 vom vorigen Jahre, der den An:
ftoß zu jener Bonner Gaſthofs- Bewegung gab, fein anderer geweien
ift, als der Begründer des a. d. Spradjvereins, unjer Ehrenmitglied,
Herr Profefjor Dr. Herman Ur
Sprachliche —
Über einen Waldbrand in der Nähe von Meran brachten ver—
ſchiedene Zeitungen im April diefes Jahres folgende Schilderung,
die man allen an Kurzatmigleit Leidenden zum lauten Worleien
empfehlen kann: >Am Dienstag bald nach 1 Uhr mittags jah
man gegenüber der auf einem hohen Gebirgsabjag am Südende
der im Züdoften der Stadt ſich erjtredtenden ‚Freiberge* gelegenen
Fragsburg auf der linten Seite der Sinnichbachsſchlucht ein Feuer
aufgehen, das in einigen Stunden in den Waldungen der Schlucht
jelber und in dem auf der Höhe ſüdlich von der in einer Ein-
buchtung des Bergzuges gelegenen, jedem, der einmal in Meran
gewejen it, durch ihre auffallende Lage befannt gewordenen Kirche
‚St. Katharina in der Schart‘ ſich erſtreckenden prächtigen Haf—
linger Walde jo gewaltigen Umfang annahm, daß ungewöhnliche
Anjtalten getroffen werden mußten, um dem verheerenden Element
Einhalt zu thun.«
In der» Breslauer Zeitunge vom 19. April 1896 |Morgen-
ausgabe 1. Beilage] fteht in einem Aufjag über eine Borlage der
Hygieniſchen Sektion der Baterländifchen Gefellichaft zu leſen:
Handelt es fich doch hier feineswegs um die Feititellung rein
mechaniſcher Borgänge, jondern um die Entrirung eines
Konglomerats von Beobachtungen, bei deren Benrteilung die
verjhiedenartigiten Faktoren in Betracht zu ziehen find.«
113
»Berichtigung.
Der laut unjerer Bekanntmachung vom 28, d. Mis. ſich in
BVolfenbüttel niedergelafjene Zahnarzt heißt nicht Kohl, fon-
den Kohl.
Braunfchweig, den 30. April 1890.
Herzoglidhes Ober: Sanitäts>:Collegium.s
(Braunfhweigiiche Anzeigen, 2. Mat 1896 INr. 122].)
Bücherſchau.
— ABCeines alten Börſenmenſchen von F. W. Eitzen
(Eigen & Ko. Hamburg). Leipzig. H. Häſſel. 1896.
Eigen zählt zu den thatkräftigjten Anhängern unſerer Be—
ftrebungen, denen die Spracdreinigung, namentlih auf fauf:
männijchem Gebiete, mande Förderung zu danken hat. Das vor-
liegende Werlchen zeigt, dab er die Grundſäße des Sprachvereind
erfolgreich zu vertreten und jenen entgegenzutveten, weiß, die in
ihrem Übereifer unferen Beitrebungen viele Gegner entitehen faffen,
bejonders im Sanbelsftande, dejjen Fachausdrüde in der That
häufig gejchont werden müfjen, ſoll unferen Grundſätzen über:
haupt Eingang geichafit werden. — Das ABE ift ein nad) der
Reihenfolge der Buchſtaben geordnetes Eleines Spiegelbild der
Börſengebräuche und anderer faufmännijcher Gebräuche, eine Er:
Härung und eine Belchrung über zahlreiche Spradiormen, Fach—
ausdrüde und verjciedenes andere. Die heitere, jcherzbafte, oft
aber auch beißende und ſpöttiſche Behandlung des Stoffes wirkt
bei alle dem recht beiehrend. Fir unſere Lefer wird das Buch
befonders$ wertvoll durch die beiden Abfchnitte über die Sprad-
reinigungen der Börſe und über den Stil unferer Ges
Ihäftsbriefe. Indem der Berfafjer zur Mäßigung mahnt, vor
Übereifer warnt und defien Nachteile jchildert, zählt er die im
Handelsgeſetzbuche vorfommenden und andere Fremdwörter und
Fahausdrüde auf, die wir nur mit Vorficht verdeutfchen dürfen.
In einigen Füllen iſt er wohl etwas zu beforgt, jo namentlich
dürften die Bedenlen gegen eine Verdeuiſchung von Aſſekuranz,
majorenn, Bartie nicht ſchwer zu bejeitigen jein. — Da wo
er das Fremdwort tadelt, betont er aud häufig dejien Mehr:
deutigfeit, 3. B. bei Domizilwedjel, SKorreipondent,
Benfion, remittieren, Driginal, freditieren, A, pro,
per, Differenz; in anderen Füllen zeigt er, wie das Fremd—
wort oft in ganz unrichtigem Sinne verwendet wird, 3.8. Herren—
fonfeltion, Couvert, vindizieren, liquidieren. — In
dem Abjchnitt Über den Geſchäftöſtil tritt der Verfaffer für eine
forgfältigere Behandlung der kaufmännischen Brieſſprache ein, be
fonders für Stlarheit und Kürze des Ausdruds. Er empfiehlt
furze Süße, Vermeidung fchleppenden Stils, Bermeidung aber
auch jener beliebten Kürze, die den Sprachgeſehen zumider ijt
(mie die Weglaffung des »idh« im Sate). Seine Belchrungen
gipfeln im dem leider viel zu wenig befannten Sape: »Gufes
Kaufmannsdeutic umterjcheidet ſich weſentlich nicht
vom Stil anderer Leute von guter Erzichung.«
Dresden. D. Klemich.
Zeitungsſchau.
Aufſätze, Beſprechungen uſw. in Zeitungen
und Zeitſchriften.
Prem, Dr. S.M., Hermann von Gilm. — Marburger Zig.
29.3 u. 2.4. W.
Bilder, Paul, Haufmannsdeutid. — Rheiniſch-Weſt—
ſaliſche Jig 5. 5. WM.
Fremdwörter in einem Schulbude — Yothringer tg.
Mep 1.5.%. (Wendet ſich gegen das -Hiſtoriſche Hilfs—
budy)« von Herbit- Jäger.)
Sculenburg, Dr. Graf von der, Schriftſprache und Um:
gangsipracde. — Allgemeine Zig. 30. 4. 06.
Kern, Aber J. W., Wanderungen und Irrgänge im
Bhantafiereih der Sprachen. — New: Vorfer Stante-
Btg. 12., 19. u. 26. 4. 96.
Einige Bemerfungen über die Herkunft und Bedeutung
deutjcher Wörter. — Aachener Anzeiger 26. 4. 96,
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprahvereind, XI. Jahrgang. 189. Nr. 6.
114
PBiifter-Schwaighufen, H. von. Aud eine Seite ſprach—
liher Berwiüjtung. — Wandererd Freund Nr. 1, 2. Jahr:
gang 1896.
— — Zur Grundlage eines deutjchen Zeitweifers. —
Eisleber Bta. 22. 4. 96.
Wirtshaus⸗Schilder und Wirtshaus-Ramen. — Kölnische
Voltszeitung 26. 4. 96.
Mehring, Th, Zur Gefhihte der Fremdwörter in der
Bühnenjprade. — Hamburgicher Korreſpondent 6. 5. 96.
Brods, Gymmafialdireltor Dr., Was erfahren wir aus ber
Sprade über die Urgeihichte unjeres Bolles? —
Neue Weſtpreußiſche Mitteilungen 16.5. 9%.
Die Schriftleitung ftellt den Leſern der Zeitſchrift
die oben und früher hier aufgeführten Aufſähe uw.
gerne leihweife zur Verfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Bonn. Bon verjciedenen Heinen äußeren Erfolgen, die der
Bweigverein erzielt hat, fei erwähnt, daf auf jeine Beranlafjung das
biefige »Hötel- Rejtaurant Vater Arndt (vgl. Sp. ÖL) jebt die Bes
zeichnung »Gafthof zum Water YUrndte trägt (vgl. »Kl. Mitte
Sp. 111f.d.Nr.). Bon der Burſchenſchaft Ulemannia, die biäher
dem Vereine als Körperichaft angehörte, find für diefen Sommer
21 Studenten als perjönliche Mitglieder angemeldet worden. Durch
diefen und andern Zuwachs hat fich die Mitgliederzahl feit dem
1. April von 334 auf 361 gehoben. — ES hat dem Vereine viel
Anſehen verſchafft, dah er dem oft — wenn auc mit Unrecht —
wider ihn erhobenen Borwurfe, als treibe er nur Fremdwörter:
jagd, den Boden entzogen hat durch Veranjtaltung jener Vor—
tragsabende der Herren Bed und Milan (vgl. Sp. 73). Es
wird daher beabjichtigt, fie im nächſten Winter zu wiederholen.
Czernowitz. An dem gefelligen Abende vom 4. Mai machte
Prof. Dr. Anton Polafchel den Aweigverein Bulowina und
dejien Gäjte mit dem Buche »Deutſche Studentenfpradie«
von Kluge befannt. Er jchilderte zuerſt in kurzen Umriſſen das
Entſtehen und das Wefen des deutichen Studententums und der
deutichen Studentenſprache, aing dann, den Hauptitüden in Kluges
Buche folgend, einzelne Begrifjsfreife durch, die in der Studentens
iprache in hervorragender Weije zu neuen Benennungen und Wort-
bildungen Anlaß gaben, umd zeigte an vielen Beijptelen, wie groß;
bei den Schöpfungen diefer Sprache der Anteil des friichen, freien
Scerzes it und auf wie unfidyerem Boden daher die Wortforſchung
ſteht. Selbit wenn die Studentenlitteratur einmal ausnahmsweiſe
die Entftcehung eines ſolchen Wortes erzählt, fei der Verdacht
ſchwer abzuwerien, daß die Erzählung nur eine Iuftige Erfindung
ſei. An der Arbeit Kluges rübmte er beionders die Auſdeckung
und Venupung älterer Denkmale der ftudentiichen Yitteratur, er
vermißte bei ihm aber unter andern die vielen Wörter und Nedens-
arten aus dem Gebiete des Sartenipiels und bedauerte, daß ſich
Kluge auf die Studenteniprache dreier Aniverfitäten beſchränkt habe.
Dresden. In der Aprilfitung wiederholte Oberlehrer Dr. Qu:
lius Sahr feinen im Zweigbereine Berlin: Charlottenburg (vgl.
Sp. 73 und 92/3) gebaltenen Vortrag über die Frage: »Welde
Holle fpielt das VBolfslied bei der Wiedergeburt uns
ferer Litteratur um 17732«,
Frankfurt a.M. Direltor Dr. Naujc) hielt am 16. April
einen Bortrag: »Der verlorene Sohn, ein Beitrag zur
deutſchen Sprachkunde-, worin er nad) einem Hinweiſe auf die
Beitrebungen anderer Bölfer, wie der Japaner, Perſer und Neu—
qriechen, ihre Sprachen von fremdländiſchen Schladen zu reinigen,
die dringende Mahnung an die VBerfammelten richtete, dem Auge
der Halbbildung zu widerjtehen und eigentlidye (Fremdwörter
abzuweiſen. Bezeichnend für die frühere Fremdſucht der Deutichen
jei das Wort: »Es iſt nicht weit her.« So habe auch eine
große Anzahl gut deuticher Wörter erit über die Grenze wan—
dern und dort eine veränderte Geſtalt annehmen müjlen, um
dann als »fremdländiiches Gute im SHeimatlande Anjchen ge-
winnen zu fünnen. Der Redner ging hierauf auf die Geſchichte
der alten deutſchen Sprache ein und zeigte durch Heranziehung
des GHeichniffes vom verlorenen Sohne aus dem Lukasevangelium,
wie es in der gotiichen Übertragung durch Ulfilas lautet, welche
Spradichäße durd eine eindringende Beihäftigung mit unjerer
Mutterfprache gehoben werben lönnen, und legte dabei die Ab—
115
leitung vieler fcheinbarer Fremdausdrücke (wie Allod, feudal,
Hanja, Amt, Dftern u.a.) von guten gotifcden Wörtern dar.
Endlich hob er nachdrücklich die Verdienfte großer deuticher Schrift-
fteller wie Luther, Klopſtock, Platen um die Lauterfeit und
Schönheit deutjcher Ausdrucksweiſe hervor.
Freiberg i.& In der Hauptverfammlung am 8. Mai
wurden für das laufende Jahr folgende Herren in den Vorſtand
gewählt: Oberlehrer Bündel (Bori.), Brofefior a. d. agl. Berg:
afademie Uhlich (ſtellv. Vorſ.), Oberbergrat Menzel, Bant:
direftor Mepler (Schagmeifter), Oberlehrer Theilih (Schrüt-
führer). — Zur Förderung der Sadje det Sprachvereins hielt am
29. April im faufmännijchen Verein zu Oderau Oberlehrer Gün-
dei einen Vortrag über $remdwörterunwejen und Eprad:
reinigung, der ſehr beifällig aufgenommen wurde Es wird
beabfihtigt, auch im kommenden Winterbalbjahr in Freiberg und
einigen nahegelegenen Orten derartige Vorträge zu veranitalten.
Graz Die Beitrebungen des Sprachvereins haben in den
legten zwei Monaten bier wieder neue Anhänger gewonnen. Im
März bielt der Obmann, Prof. Dr. Khull, im Lehrervereine
ber Umgebung von Graz einen Vortrag über die Biele
und die Dajeinsberehtigung des Spradvereins, der
mit großem Beifall aufgenommen wurde und allfeitige Zuſtim—
mung fand. Im April veranftaltete der Zweigverein einen zahl
reich beſuchten und jehr qut gelungenen Familienabend, an dem
fi) der Obmann über die Frage verbreitete, ob die Spanier
im 15. Jahrhundert aufden Kanariſchen Inſeln wirklich
Germanen antrafen. Hierauf folgten vortreffliche muſilaliſche
Vorträge von Vereinsmitgliedern. — Die Mitgliederzahl beträgt
jept 266.
Greifenberg i. P. Seit feiner Begründung im Januar
7 Jahres bi8 zum Mai diejed Jahres hat der Verein
12 Sipungen abgehalten, darunter zwei öffentliche mit Damen.
Das erſte Mal jprad) der Vorfipende, Profeſſor Dr. Große,
über die deutſche Spradie als einen Spiegel deutſcher
Vollsart, das zweite Mal über den Kampf gegen die
dremdwörter; in den übrigen Sipungen wurden Kleinere Nufs
gaben aus der deutihen Sprachgeichichte behandelt.
Grimma, Mit der 50. Vereinsfipwig feierte am 18. April
der Zweigverein, der jet wieder über 100 Mitglieder zählt, fein
zehnjähriges Beſtehen durch einen Familienabend. Auf eine Bes
grüßungsanſprache des Schriftführers, Oberlehrerd® Dr. Granz,
in der die Ziele der Vereins dargelegt wurden, folgte der Bericht
des Borfipenden, Seminaroberlchrers Püſchmann, über die Ent:
widlung und Thätigleit des Vereins. Emgerahmt wurden dieje
Reden durch mufifaliihe Vorträge, und nachher kam das Luſtſpiel
»Der neue Diener« von franz Traundahl zur Aufführung. Die
wohlgelungene Darjtellung fand lebhaften Beifall.
Hamburg. Die Hauptverjanmlung am 7. Mat wurde von
dem Borfiger, Oberlebrer Dr. Dijjel, mit Erftattung des Jahres:
berichtes eröffnet, aus dem die erfreuliche Thatſache zu erichen
it, dak Sich die Mitgliederzahl um 70 gehoben hat und dadurd)
jept 220 beträgt. Nach Wiederwahl des früheren Vorſtandes hielt
Dr. Hauſchild einen Vortrag über vollstümliche Bildungen
in der Steigerung deutjcher Eigenfhaftswörter (Volts—
juperlative), in dem er zumächit die Entjtehung von Ausdrüden
wie jpindeldürr, lichterloh, biutjung im allgemeinen be-
ſprach und fie auf die Neigung der lebhaften Redeweife zur Über-
treibung und zur Bildlichleit zurüdführte. Dann ging er auf die
Erflärung zahlreicher einzelner Nedewendungen wie freuzfidel,
maufetot, fpinnefeind, fuchswild uf. ein.
Kiel. Seit ‚dem Heimgange des früheren Borfigerd, Gym—
nafialdireftors Dr. Ned (F 7. 2. 95), hat der Yweigverein’1O Ber:
fammmlungen veranftaltet, in denen unter anderen folgende Vorträge
gehalten wurden: 1. Mittelalterlidies aus dem deutichen
Haufe (von Geheimrat Bodendahl), 2. Anzeichen der Beſſe—
rung inder Sprache des gewöhnliden Kebenzjeit!1870/71
(von Oberpoſtſektretär Schmidt), 3. Zum Gedächtniſſe von
Karl Heinrich Ked (von Paſtor Stubbe), 4. Überblid über
dieF Stellung des Niederdeutihen in der Kulturge—
ichichte (von Pajtor Stubbe). Am 20. April feierte der Verein
fein zehmjähriges Beſtehen durch eine gröhere Berfammlung, die
mit der Befprehung der Schreibung von Kieler Sträßen—
namen md mit dem Berichte des Gcheimrats Bodendahl
uber das Verdeutſchungsheſt für die Heiltunde eröffnet wurde.
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Sprahvereind, XI. Jahrgang. 1896. Wr. 6.
116
Dann gab Oberpoftfelretäir Schmidt einen kurzen Überblid über
die Geſchichte des Vereins, und hierauf ergriff Juſtizrat
Kröger das Wort zu einem Vortrage über Storms Novellen.
— DenBorfig führt 3. 3. Paſtor Stubbe. An Stelle des Ober:
poftfefretärd Schmidt, der von Stiel verzogen ift, hat Haupt:
mann v. Kaup das Schriftführeramt übernommen.
Leoben. An dem gefelligen Abende am 22. April ſprach
Prof. Dr. Hans Gutſcher ü »Volkstümliche Sprud-
dihtunge, auf deren geichichtliche Entwidiung er einging, und
deren Reichtum er jchüderte.
Magdeburg. Am 25. April feierte der Zweigverein das Feſt
jeines zehmjährigen Beſtehens durch redneriiche und mufifalische
Vorträge. Nachdem eine junge Dame das Neinitefche Gedicht
» Mutterjprache« vorgetragen hatte, hielt der Vorſiher, Oberlehrer
Dr. Knoche, die Feitrede, in ber er das Berhältnis der
Sprade zur Nation, ihre Bedeutung für nationale Erziehung
und Bildung, ferner das Weſen und die Vorzüge der deutichen
Sprade behandelte und auf die Hochſchäzung binwies, die ihr
bei allen Woltägenofien gebühre. Den Schluß des eriten Teiles
bildete die Ernennung des Mufeumsdireltors Prof. Dr. Riegel
in Braunfdyweig ımd des Oberlehrer8 Dr. Saalfeld in Berlin-
Friedenau zu Ehrenmitgliedern, von denen der leptere den Verein
durch feine Gegenwart erfreute. Der zweite Teil wurde durch
mufitaliihe Borträge ausgefüllt. Die Feier lann als wohl-
gelungen betrachtet werden.
Marburga.d. Dr. Prof. Dr. S. Prem jprad am 18. März
über »Hermann von Gilme, den Tiroler Lyriker (vgl. »Neue
Anfjäpe« Sp. 113 d. Nr.). In der Aprilverfammlung hielt Prof.
Dr. Khull aus Graz einen mit reihem Beifall aufgenommenen
Vortrag über »Aitgermanifche Werbung und Berlobung«
Neuruppin. Der neue Beliger von -Jähnſchs Reftaurant«
bat auf Anregung des AZweigvereind das anitühige Fremdwort
beim Abpuge feines Haufes befeitigt und für »Reftaurant« »Gajt-
hause eingejeßt. — Der hiefige Lehrerverein tft dem Ziweigvereine
als körperſchaftliches Mitglied beigetreten.
Straßburg. In der qut befuchten Hauptverfammlung am
15. April ſprach Oberlebrer Dr. von Borries über die neueite
deutihe Spradentwidiung. Er führte aus, dak die treiben—
den Urfachen der Sprachentwicklung einerfeits in dem Hange zur
Bequemlicjleit, anderjeits in dem Streben nadı Deutlichkeit zu
fuchen ſeien. Der Hang zur Bequemlichkeit mache fih durch Ab⸗
ichleifung fchwerjälliger Formen, durd) Angleihung und Anähn-
lihung verfchiedener Laute an einander geltend (z.B. Grummet
= gruon mat); ferner durd) die fogenannte faljche Analogie oder
Formübertragung, die z. B. bei den Wörtern walten, jpalten,
bannen, ſpannen im Neuhochdeutichen zur ſchwachen Abwandlung,
etwa nah den Wujter von erfalten und veralten, geführt habe,
während dieſe Zeitwörter doc im Mittelhochdeutfchen ſtark abge:
wandelt wurden (wielt, ſpielt, bien, jpien). Das Umgefehrte frei:
lid) ſei bei »fragen« zu beobachten, wo neben der alten Form
»fragte« jebt Sehr häufig im Anichluffe an »truge und ähnliche
Formen »frug« gebraucht wird (3. B. von Guſtav Freytag). —
Das Streben nadı Deutlichteit müfje häufig das wieder qut
machen, was die Bequemlichkeit verbroden habe. Es gelinge der
Spradye bisweilen durch Benüßung zweier vericiedener Entwide
lungsformen eines Wortes oder durch Herbeiziehung mundartlicher
Nebenformen, für verſchiedene Begriffe oder Begriffsfärbungen, die
fih in einem Worte zujammengefunden haben, verihiedene
Wörter zu ſchaffen, alio ein Wort gewifjermaken zu fpalten (3. B.
Nabe und Kappe, Knabe und Knappe). Der Redner beipradı
darauf die Umstellung nad) »und« und ſchließlich den fogenannten
»papierenen Stil«, dem in legter Zeit alle ſchlechten Neuerungen
in der deutjchen Sprache zur Laſt gelegt werden. Schr wunder:
bar, meinte der Vortragende, fei das in einer Heit, wo mebr als
je in Bolfsvertretungen und Vereinen geredet wird. Nicht daher
täme die Nenvilderung unferer Sprade, dab man fprädhe, wie
man ichriebe, jondern daß jeder nicht nur jpräce, ſondern auch
ichriebe, wie ihm der Schnabel gewachien fei. Die neueſten Schrift
jteller trieben die an umd für fich gefunde Gegenbewequng gegen
den Stil der langatmigen »Perioden« zu weit und wären gar zu
geneigt, die oft form= umd regellofe Sprediweile des behaglichen
Verkehrs in ihre Schriftiwerte aufzunehmen. Man jolle mit Goethe
ſtels bedeuten, dab »Meden und Schreiben ein für allemal zweierlei
Dinge find, von denen jedes wohl feine eigenen Rechte behaupten
möchte «,
ſehr willlommene
117
Zittau. Im Wittelpunfte der Sipung vom 22, April ſtand
der Bortrag des Oberlehrerd Dr. Scherffig über »Die Lehn—
wörter im Deutichen«e An einer Fülle von Beifpielen wies
der Redner hauptjächlich drei Gruppen von Lehnwörtern nad:
eine ältefte fateiniiche, die mit der römijchen Bildung und Kirche
zu uns gefommen ift; eine zweite romanijche, die unjerm Bolfe
p- gröhten Teile durch das franzöfiiche Nittertum und feine
'itteratur zugeführt wurde; und eine weniger bedeutende jüngere.
Der Vortrag, der in der Schilderung der ſprachlichen Beziehungen
der Völler zugleich ein Kulturbild bot, ſchloß mit einer entichie-
denen Abweiſung der Bejtrebungen, auch die Lehnwörter durch
Wörter deutjcher Wurzel zu erſehen.
Brieftaften.
S. W. ... Braunjhweig. Gie teilen uns mit,
daß die Kölniſche Zeitunge feit einiger Zeit »fid) etwas ver-
bieten« jtatt »ſſich verbitten« ſchreibe. Ehe wir auf den Aus—
drud näher eingehen, möchten wir Sie um Angabe einer Stelle
erfuchen, denn erjt nad) Kenntnisnahme von dem Zuſammen—
bange wäre eine Erklärung möglid). Übrigens ftanımt der Aus:
druck »verbitten« ganz gewiß von »bitten« her und bedeutet
eigentlich »durch Bitten etwas abmwehren«e.. Wir bitten ja auch
oft, wo wir befehlen dürfen. — »Meineögleihen«e hat man
wohl für den erjtarrten Reit einer urſprünglich lebendigen Fügung
u halten. Luther jagt noch: »er ift nicht mein gleide«
Dieb 9, 32) (1. Fall); »das deines gleichen feiner ımter
ben Königen ift« (1. Kön. 3, 13) (2. Fall). Aus folchen Fügungen,
wo der 2. Fall berechtigt ift, it er dann weiter gedrungen und
bat fich überall feitgejeßt. Dieſen verjteinerten Genetiv jinden
wir auch ſchon bei Luther: »die vogel gejellen fich zu ires
gleihen« (Siradı 27, 10). AÄhnlich it jelbit, frirher jelbleit,
uriprünglic nur 2. Fall (Luther, Matth. 16, 22: »ſchone dein
jelbs«), dann aud) in die anderen Fülle eingedrungen.
Herrn Apotheler Kühn, Üpe. Mit verbindlihem Dante be-
jtätigen wir den Empfang der uns freundlichſt überfandten Samım=
lung von Bejtellzetteln für Arzneien, die einen wertvollen
Beitrag zur Frage der volfstümlichen Namen der Arzneimittel
darjtellen.
Herm Pharmazeuten Alerander May, Dresden. Für die
rgänzung des Aufſatzes über die vollstümlichen
Namen der Arzneimittel jagen wir Ahnen aufrichtigen Dank.
Herm Dr. J. E. W. ... Bonn Das geichäftliche Rund:
fchreiben des Kleidermachers Herm Johann Irlwech in Köln
macht den Eindrud, als ob es uriprünglih in England gedrudı
worden fei, und als ob behufs jeiner Verbreitung in Dentichland
im Sape der Überichriften nur ab und zu eim deutfches Wort an
die Stelle des engliſchen gejeßt worden wäre. Eine fo abſcheu—
liche Sprachmengerei, wie die Ankündigung des Herm Irlwechk
fie zeigt, iſt uns noch nicht vorgefommen. Aber freilich, fo
lange noch jelbjt viele unserer Fürſten fich nur von Schneidern
in England bedienen laſſen, jo lange es in der jogenannten »Ge—
jelljchaft« fir vornehm gilt, manche Arten von Kleidungsſtücken
mit engliichen Namen zu bezeichnen, jo lange fann man den
Scneidern ihr Kauderwelſch nicht verdenlen.
Herrn Oberbaurat Großmann, Königsberg i. Pr. Im
Anſchluß an den Aufſatz »Volfstümliche Namen der Arzneimittels
machen Sie freumdlichit auf ein Büchlein aufmerliam, das den
Titel führt: »Pharmazentiihe Synonyma nebſt ihren deutjchen
Bezeichnungen und ihren voll3tümlichen Benennungen. Ein Hand:
buch für Apotheter und Ärzte, zufammengeitellt von C. F. Schulze,
Apothefer. Berlin, Springer 1889. Bejten Dant!
Herrn W.N...., Mühlheim a. d. Nuhr. Sie rügen mit
Recht die amtlichen Bezeichnungen »Stempeldistribution«
und » Stempeldistributeur«. Es freut uns jedoch Ihnen mit:
teilen zu fönnen, dak auf Verfügung des Preußischen Finanz:
minifteriums, deſſen Haupt, Exzellenz Miguel, Mitglied unjeres
Bereines ift, jeit dem 1. April d. %. die Stempelverfäufer ange:
halten werden, jene Ausdrüde auf ihren Schildern uſw. zu eriegen
durch »Stempelverteilung« und »Stempelverteilere. Das
möge namentlich den Behörden Oſtreichs zur Nachachtung dienen,
wo fogar ftatt des deutichen Wortes » Stempel« das dem Deutichen
entlehnte Fremdwort »Stampiglic« gebräuchlich ift.
ern Fabritdireftor $,..., Klagenfurt. Die
des Wortes ⸗»Jauſe- vom jlovenijchen »jushina«, die
erleitung
p. 15 d.
ahrg. erwähnt iſt, ſteht je, Der Wiener Humoriſt, Eduard
ölzl, macht ſich daher wohl nur einen Scherz, wenn er in dem
uns freumdlichit überiandten Gedichte das Wort vom lateinischen
»ins — Brühee ableitet. Durch Bermittlung der franzöfiichen
Sprache haben wir übrigens das lateinifche Wort in unferem
»Braten-jus« befommen.
Herrn Lehrer H. . . . Reihenbad. Nach Ferdinand Khulls
»Namenbüclein«, das Sie für 60 Pf. von der Geſchäftsſtelle be—
iehen können, ift Jrmgard etwa — jtarte Schüßerin, Fri—
erun — Friede- oder Schußzauberin, Erna (Koſeſorm von
Erneſta) — die Ernte. Herta iſt Koſeform aller mit ⸗Hert « zus
fammengeiegter Namen.
Herrn Geh. Kriegsrat a. D.%,..., Münjter. Der Ein-
jpruch, den Sie gegen die Verdeutihung von »Militär-Öfo-
nomie=Departemente« durch »riegs:Spar:Berwaltung«
(Sp. 29 d. Jahrg.) erheben, jcheint uns ſehr gerechtfertigt. Wir
fünnen nur annehmen, daß diefer Ausdrud aus Berfehen unter
die, wie Sie felbjt fagen, jonjt fo gut gemeinten und beberzigen®-
werten Borichläge gefommen it. — Bir find auch ganz Ihrer
Meinung in Bezug auf die jept oft zu beobadhtende falſche Vils
dung des Mittelwortes (Partizipiums) von »ichaffene, das nur
tm Sinne von »erſchaffen· die Form »geichaffen« annehmen darf,
wo es aber in der Bedeutung »fich verjchaffene oder herbei—
führen, bringen« gebraucdt wird, mur dad Mittelwort »ge-
ihaffit« hat. Wan jagt daher richtig: Es ift Nat, Hilfe uſw.
»geichaffte, aber: Die Welt iſt »geichaffen« worden. SHinzuzus
fügen wäre nur, daß diejer Bedeutungsunterſchied auch in der
Bergangenbeitsform (Imperfeltum) feitzuhalten ift; alfo: »@ott
ihuf Himmel und Erdes; aber: »Er ſchaffte Abhilfe«.
Herrn Mpotheler 3. R...., Guben. Der Auſſatz von
9. Linke »Die neue pharmacentiih-hemijche Abteilung
der IIniverfität Berlin« in Ar. 35 der »Apothelerzeitung«
vom 29. April d. J. wimmelt allerdings von Fremdwörtern und
bäflihen Redewendungen. Was meint z. B. der Berfajjer, wenn
er den Wunſch ausipricht, dak die Behörde dem weitern Ausbau
des pharmaceutiichen Ausbildungsweiens uſw. »ihre fernere
liebevolle Initiative widme«? Und wie ungeichidt ift der
Sap: »Mus eigner Erfahrung kann ich jagen, daß man drei
Semefter Laboratoriumsthätigleit mindejtens braucht, um einiger:
mahen jelbjtändig jpäter arbeiten zu Fönnen«e. Der Ausdrud
»fupee« für die Abteilung in einem Scranfe jcheint eine Er:
des Berfaflers zu fein, deren Wert jedoch recht ziveifel-
haft ift.
Herrn N. ..., Ejfen. Sie haben ganz recht mit Ihrer
Bemerkung, daß dem »Baterlandsfreunder, dem »Organe
des Bundes der Ritter des Eijernen Kreuzes in Deutſch—
lande, die vielen leicht zu verdeutichenden Fremdwörter in
feinem Titelfopfe jchlecht anftehen.
Herrn Profeſſor Dr. @. ..., Tübingen. Eine »grofe,
vorzüglich eingeführte Lebensverfiherungs = Altien = Gejelljchaft «
fucht, wie Sie uns freundlichſt mitteilen, durch eine Anzeige in
den » Münchener Neueiten Nachrichten« einen perfelten Nufen-
beamten für Organtjation und Wcquifition gegen hohes
Gehalt, Diäten und Provifion, fowie Trans&portfojtenver-
gütung. Cie bedient fid) dann noch der Ausdrüde: Domizil,
vancement, Offerten und Referenzen. — Es iſt bedauter-
li, daß der Name der Geſellſchaft micht genannt ift, da uns jo
faum Gelegenheit gegeben wird, fie auf den Unfug aufmertam
zu machen, dem fie mit unferer Mutterfprache treibt.
Ham K. v. W. . . . Trieſt. Der fogenannte $- Schwund
(d. h. die Fortlaſſung des Beugungs⸗s im 2. Falle), den Sie
auch in der Aufjchriit »Seneralagentur des t. u. f. Wacht:
Geſchwader- wahrgenommen haben, ijt leider ſchon ſehr ftart
verbreitet; doch gehört es gewiß; zu den Pflichten des Sprachvereins,
dem thatkräftig entgegenzutreten.
Herrn €. ..., Roftod. Mit Necht legen Sie Verwahrung
ein gegen den Ausdruf »Rechtsbureaus für die in Rühle
errichtete Ausfunftsftelle iiber Nechtsfragen, doch jcheint ums Ihr
Vorſchlag, dafür »allgemeine Redhtsratsitelle« oder »Rolfsrats-
ftelle« einzujepen, mit Rückſicht auf den Wohlkfang (drei &!) nicht
glüdlih. »Austunftsftelle für Nechtsfragene, was Sie ja auch
erwähnen, dürfte fich bejjer eignen. — Vielleicht findet einer der
Lefer einen kurzen, treffenden Ausdruck für die gewiß jehr löbliche
Einrichtung. :
119
Einnahme.
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Epradvereind. XI. Jahrgang. 189%. Nr. 6.
überſicht der Rechnung für das Jahr 1895.
AM 4 4
1. Beſtand aus dem Vorjahre 30961.47]1. Geſchäftsführung:
2, Beiträge von 165 Bweigvereinen i .|20 961106] a. Dem Bumführer A 180,— |
(Hadıen 200.4 — Unnaberg 36.4 — Armöberg DA — Arms b. Drudjaden . >» 140,69
tadt 189 4 — Armtwalde 22.4 — Huntburg 36 .M — Aurich c, Boftgebühren:
54 & — Barmen 128,10 4 — Berlin» Charlottenburg 236 MA — für den Borfigenden » . een. 73,40
Bernburg 44.4 — Bielefeld 6 A — Bitterfeld 68 4 — Bantens >» » Chriftführer a ee .:» 8%
burg 22 — vr DD A — Bonn * A Dear aa > die Beifiper » 7,9
— Braun 8 — Bremen 74.4 — Breslau 100 — MN a en N nn Y
Brucjlat 17,16. — Burtehude 44.4 — Gelle 70.4 — Ghemnit >» » Gefhäftsftelle einſchl. Wadete umd Fracht » 59,88 og
110 4. — Epernotwig 75,22 4 — Darıig 3.4 — Darmftadt >» den Herausgeber der Beitidhrift .. » 17] =
23,90 A — Demmin 36.4 — Döbeln 70 4 — Dortmund 0 A —
Dresden 618 4 — Dultburg 292 4 — Düflelderf 26 A — Ebert 2, Bücherei R 136.9
nn —*4 Eger 87,954 A 32 * ren |
16,75.4 — Elbingerode 36 M — Eſchwege 52 m — Eſſen 214 A a d f
_ ——— * Franffurt aM. 0A — Breiberg i/®. 3. Außere Ver einsthätigfeit:
RR A — Freftur e. 174.4 — Gablon; 185,02. — slingen
> A — Wlelwip 104.4 — Görlip 114 A -— Gray 316,90 A | —2 a =
- Greifenderg 6 A — Oel; BA -— Grimma 02.6 — b. Borftandsfigungen > BORB4
Guben 40.4 — Halberſtadt 2 .M — Halle 206 4 — Dam e, Ausihukfipungen an >» 22 150%
bura 38 A — Sannover 04 A — Keibelberg TI Mi — d. Reifen für Werbgwede . - 0.0. . » 408,70] 5 4—
— 4 — Kg 25 er — —* a Me | k N
— Hilbeöbelm A — Koljminden 1485 4 — Kor 07,06 M 4, h 2 — Ver⸗
— Zalau 39,70 m — Nunsbrud 234,78 — Kafiel Sid A Noten der Beitihrift, der wiſſen ſchafti ei und
= Bempen 128 M — Ed 10 An Keblen, B02 A — Bi dentihungsbeite, wie jonftiger Veröffentlichungen:
rg 20 — berg WA — Solmar 160,10 A — n I
ui — Königäberg 1. Br. 12.4 — Königshftte 80.4 — Stonftanz | a, Ehrenfold dem Heramsgeber der Beitichrift A120,
24 A — Koldımin 46 A — Köthen 8 .M — Sterfeld II AM — b. » » Schriftführerw. Herausgeber der Beibefe >» 1200,— \
Mrems 1296 4 — Strotoldin RA — Laibadı 60,8 „A e. Schriftfold dem Mitarbeitern an der Beitihrift . - > 1609,26 |
- ser 35 .M — Lelva 63,65 4 — Leipzig Bi M — Dell: d. » » Mitarbeitern an d. wiſſenichaftl. Beihft. > 400,— |
merip Ab AM — Leoben 230,76 AM — Lieguip 42,20 A - ©. Sa und Drud der Zeltſchriſt R , » 397,23
Sinz 142,098 AM — Lohr bi A — Lübel 332 A — Magde: f. hr r Bei 2 d Werde tie » 11.56
burn 0 A — Mailand 30 A — Mainz 18 AM — Mars RR RR wiſſenſch. u utſchhefte 8
burg 2773,12 4 — Warlenburg 22.4 — Wariemwerder 2184 | c. Papier für die Beitfhrift » - - » + . . © BBITTL
Memel 46 4 — Mettmann 17 4 — Mepis „a — Minden iR, | h. >» >» volfienfchaftt. Weis umd Werdeuticdibefte —
1BM — mülhelm 40 — Münden 210 4 — Hamıt. | i. Beriendung - > 2 er nee ie » 1758,98
— = * u Fe ——— = * k. Anzeiger (eimjcht, Papler für längere Beit) „02. 1498,06 17 754%
cu g — MNorben 1 . - Nordianien 20. cn, 3 — 7
— Ränder Kr M— Oberbaufen A — Didenburg 784 1. Sonftige Beröftentt. (Sapungen, Aufrufe, Sonderbrude) _» 148,63 1 14
onabr AM — Pforzheim 33,80 ,M — Pirta 56 Mk 5 " .
— Plauen WA — Plön 4 A — Potsdam 6A — >. Beridiedenes:
Vraqg 119,0 4 — Prüm 78 .M — Otedlinbirg 100 .M | n. Beiträge
Maribor 194 A — Meihenberg 277,14. — Mofjiot BA - | zum Hildebranddenlmal A 3B,—
MNudolftadt 49.4 — Ganrbriden W .M — Enarlouis IM — » Etöber» > » 100,—
Scſdberg 4 .M — Schopfheim 52 M — Sdwerin O0 AM Ludwlgs⸗ 10
Elawenpip ZH.M — Sobernheim 40,06. — Sonneberg 184 ar * 100. —
- Stettin 162.4 — Stolberg 30 4 — Etrnliund 43,80 „M » Sillermufenm r ” “ B
Strasburg I. Weftpr. I) A Strahdurg VE 11? .: — Etutt: 3. d. Sänfigfeitdunterfuchungen . > 0, Ma TR, —
gart 168.4 — Sulingen db. — Teplih 151,21. Tun 9. b. Ehrung bon Mitgliedern:
Torgau TB Mi Trorbach 40 ,M — Trier 146 A Herftelung der Bitmardirkunde A 10,
—— EM Mi — Zubingen “A Alm 2 Me | Die Bldmung an Dr. v. Stephan » D,— N
Schi 166 A“ - ocplar 108 Er — ng — en | Anftandfegung d. Ehrentafel f. Prof. Riegl._» B.— + ,— |
baden GE .M Wiurdelmshaven 14,30 M — Worfenbittel 48. e. Für Sirmeneintragung . — 60
— Molmirsichen TB .M — Worbie WO AM — ei 64 d. Wewerbeiteuer re a N Je Dar ne .» 828
Berbft 196 4 — Bittan 206 M — Bſchepau BI .M — Zwei 6. An Zip. Ver, (Den v. Sapung. — Nufzieb. d. Wahl
„jeden 00.0 — Bilden Bi A) — F jpruchtafel, Entichäd. für Roftauslagen uw.) . » 131,41
3. Beiträge don 603 unmittelbaren Mitgliedern . 237280 f. Dismarinenmer «Vorarbeiten und Bertrieb » 8,52
4. Einnahmen aus Druckſachen: g. Antanf von Berdeutichungsblchern > 68,50
a. Erlös aus dem Verlauf . A“ 450,28 g 3» 2 er
N 3. — — ** alo⸗e i, Deilegen des Aufruſes zu Zeitungen » 0,25 |
b, Zahlungen für Anzeigen u. Beilagen » 1163,00] 1613128 k. Miete für bie Gelhäftsränmme - + - 0, |
5. Geſchenke S 407.50 1. Sturöverluft . er » 19,15
6. ın, Aufbewahrung des Geldes . » 18,— *
Zonſtige Einnahmen; n. Alcine Ausgaben 2 2 Tree » 41,38 2514179
a. Bien. » 2 0... ; „A 800,30 | |
b. Verſchiedeues 8180| 822.10] 7. Ankauf von Wertpapieren als Napitalanlage - .] 778862
38 288 51 36 205%
Überſicht.
A. Einnahme. . nn nenn A 38388,51
B. Ausgabe anne BO
Beitand „A 2083,26
Nachweiſung des in Staatspapieren angelegten Vereinsvermögens:
5 Stüd 3'/,%, Deutjche Reichsanleihe Bucht. B. 35491795 je 2000 Mn 1000 4
1 >» 3',%, prenf. konfolid. Staatsanleipe Buchſt. B. 217150... nun nn 2000 >»
6 » 3% > > > Buchit. D. 328349 2 je 500 nase. nt BO, >
3 >» 312% oftpreuf. P iandbriefe Bucht. C. 19641. 12609. 27642 je 100 AM... + 3000 >»
1 » 3',°%, Landſch. Etr. Pfandbriefe 241312. . oo. 0 0 nn 1000 >»
3 >» 4%, preuß. Konſols Buchit. C. 5639. 536691. 167652 je 00 Mn... = 3000 >»
1» 4% > »Buchſt. D. 404 a88....2 500»
Der Gefamtvorftand des allgemeinen deutſchen Spradvereins
Dr. Max Jähns,
Vorſißender.
Eberhard Ernuſt.
Schatzmeiſter und Geſchäftsführer.
Zuſammen 22500 4
igitized by Google
— —
121 Zeitfgrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Ar. 6. 122
Name
Aweigvereins
Altenburg . .
Arusbera (Wiffen»
ſchaftl. en .
Gper (Böhmen)
@iberfeld
Eibingerode
Gihwege
Eſſen (Ruhr)
nu ze &s 8 E E88 8
ws
-
verzeichnis
der Zweigvereine des allgemeinen deutſchen Sprachvereins nebſt ihrer Mitgliederzabl
und der —— — Vorftandsbeamten nach den bis zum 26. Mai 1896 ER Angaben.
Geichäftsführende Borftandabeamte
D. Brig Berndt, Borf.
— "Bürgermft Een Shriftf.
Lchrer Dito Kipplitg, Borf.
Dr. NA Wildenhahn, Borf.
Buchhändler H. Brafer, Schapmitr.
Baurat Lünsner, fte
Brofeffor . ea, u. Chappr.
Brof. Ledere
®rof. Dr. Srsfe, Lorii.
Direltor Dr. Horn, Borf.
Th. Lampart Buchhandlung.
«Dir, Brof. Dr. Heynacher, Borj.
Genie Ber Esciftf, ’
Geh. Reg.:Rat, Oberblirgermfir. Wegner,
Dbert. 3. Leithäufer, Schrüftf.
Vrof. Dr. Gotth. Kice, Borf.
Sue Gardemin, Borf.
or a. D. Herrmann, Schapmitr.
—— Lehrer Döhler, Vorſ.
Lehrer Glaſe, Schapmitr.
Dr. G. Wilſing, Vorſ.
Lehrer A, Bloemter, Vorſ.
au werfödireltor E. Bolgt, Borf.
ft, Echriftf.
a 9. Peters, Borf.
Gen.«MRajor 5. D. v. Eramer, er
Oberlehret Dr. G. Beufe, Borf
—** O. Sbhren, Bol.
wilfing, Echriftf,
—— a. D. Glum
Sem.⸗Lehrer Krull, —— u. Schriftf.
Vantherr Magnus, Vorſ.
Oberlehter Vogel Saufit.
Oberlehrer Dr. Brenning. Vorſ.
Prof. Dr. Wilh. Ncumann, Borf.
—* Lehrer Pet. — Ehapmftr,
R. Gymn.⸗ Prof. Kocian, Borf
— Dr. Rud. Grünberg, Steifif.
Direktor Dr, B. Bari, Lori.
Kämmerer Sohannien, Schapmite,
Neltor K. Gärtner, Borf.
Lehter Edyulze, Schriftf.
Schuldlrettor Ernit Hefle, Vorſ
Ernjt Arnold, Ehapmeifter.
Brof, Dr. Th, Gartner, Vorſ.
8. 8. Gymn.⸗Prof. Karl Wolf, Scriftf.
—— u. Eiſenb.⸗Dir. Breidſprecher,
Dr. efmann, Schriftf.
Major a. D. von Bfiiter, Lori.
Hauptmann Hernin, Schapmitr,
Summafial« Dir, Dr. Edineider, Bor.
Rittmeifter Dreher, Schapmftr.
®rof, Dr. ©. Sen, Borf.
R-Gymmafialichrer Dr. Bagner, Schrijtf-
Oberlehter —— er
Dr, Everbed,
Dtto Graf re Torf, .
Eijend.» Dir. a. D. — Scapmitr.
Brof. Mehllopf, Vorſ
Duchde.s Bei. — Schriftf.
Bankdir. Lucan,
= —— PH 9 Schapmitr,
8. Prof. A. Unterforcher, Vorſ.
Au Nubler, Schriftf.
Prof. Buchruder,, Borf.
Dberichrer Dr, Lieder, "Schriftf.
Polizeirat Matte, a
Dberlehrer Stendell
Dberl. Dr. Garıhe, ‚eh. u. Echapmiftr
Gpmm.+Brof. Dr. Imme, Zorf,
Buchhändler Günther, Schapmitr.
Operlehrer Dr. Ix. Graef, Vorf.
Frankfurt (Main)
Breiberg (Sadılen)
reibury (Breisg.)
an einen
m... et.
Glelwinn (Schicken)
@örlis . . .
Graz (Steiermarf)
Heilbronn a. ®. .
Heiligenftadt
Eichsfeld)
Hildeöbeim. . -
Holzminden
Horn MR.» Dir.)
dalau
*Yumdbrud (Tirol)
Kamenz (Sachen).
Raflll. . . . »
Roblens .
Rolberg (Willens
ichaftl. Bereit) .
Kolberg . - - -
Rolmar i. @lf.
Röln 0.96.
Königsberg (Pr.) .
KAönigshätteiöct.)
Konftans. . .
Kofihmin @Bofen) .
Köthen (Anhalt) .
Rreheld . . .
Arems (Donau)
reich
Rronitadt
al
Bei den mit * verjehenen Orten fehlen genauere Angaben.
Gejhäfteführende Borftand&beamte
Dr. €. Gantte:
Elantvererd. Dee Bien, Schapmitr.
Eberiehrer Gilndel, Borf.
—— Theitich, Schriftf.
a, Wa
—X Genf
ndelsihuls« Dir, Dr. wu
een Adolf Li Si.
Präceptor Knodel, Vorſ.
Prof, Dr. Deventer, Vorſ.
—— Scaumtel, nn
Oberlehrer Dr. Guſt t
Hauptmant a. D. aa riter, Back.
Gas Dans ie —— Schabinſit.
Prof. Dr. Große, Vorſ.
—— Paul Edymidt, Vorſ.
Sem, »Dberl, Pülhmann, Vorſ.
Deeriehrer Granz, Scuftf.
Schuldir. Kälter.
oftdir. Selmbfirge, Bori.
Ye ea ——— Schrifif.
Prof. Dr. Riemann, Vorſ.
Gumm.» Dir. Prof. Dr. Lothholz, Vorj.
Buchhdl. Gräger, Ehapmitr,
Dim ter Dr. PR Borf.
miſch, Sch
—— Dir. Ramdohr, Borf.
ger , Steinberg, Schriftf.
ußlgr. Keller, Borf.
* berle, Rechner.
Oberſtudlenrat Rett. Dr. .
Dberprägeptor Eſſich, Echapın
Fabritant 9. ge >
Sanitättrat Rampe,
Oberl. 8. Zehmiſch, Erin. u. Schapıt.
Handele ſchullehrer Wenzel, Schrift.
Bau mit. A. Rofahl, Borf.
Regiitrntor Schmidt, Säriftf.
2.2. . Meindihumer, Borf.
Arzt wi nt, Schriftf.
Oberlehrer Rob, Honfig, Borf.
— Koranda, —
. Dr. R. v.
at: a. phufit. a Di. Serikste, Schapn.
Lehrer Milde, Bori.
»Rata.D.
2* ——— eb
Eberichrer N. —*—
Gymna ſiallehret Fred Lorim.
Vaſtor Stubbe, Vorſ.
dberpoſſſeirent Schmidt, Scapmitr.
I. Etaatdanw. Schumacher, Borf.
Prof. Meyer, Schriftf.
Gymn.« Dir. Dr. Beder,
Obetl. Dr. Wat, al
Bürgermeifter Aummert, ori.
Reglerungs» und Schulrat Nenaud, Vorſ.
Ober: 2d.:&er.:Nat Lacmann, Echriftf.
Ober» und Geh. Baurat Riüppell, Vorſ.
Fr. Hönig, Schapmfr.
Pollzet⸗ Rat Quttertorth i.®., Vorſ.
Prof. Dr. Mimte, Lori.
&chrer Probafel I, Schriftf.
Direktor Dr. Mcemann, Borj.
Seminarbdirelior Heldrih, Borf.
Seminarichrer Ernſt, Schriftf.
Eeminarlchrer Hirſch, Vorl,
Gch. Rat Dir. Dr. —— * Borf.
Oberlebrer Bufmann, Schaym
Realidnllehrer Dr. Sans Schwab, Vorſ.
Buhhändter Ferd. Oeſterreichtt —
Gymn.«Brof. Dr. O. RNetoliczte ,
Rädcenichult. Frig Reimeich, Esriftf.
isch, Borf.
Hr
123
des
Bweigvereins
arotoſchin (Roten)
Laibach (Srain)
Leer (Oftfriesland)
Lelpa (Böhmen)
Leitmerig (Böhm.)
Leoben (Steiermart)
Linz (Donau) Öftr,
Lohr (Main)
eũbea
Nagdeburg
Nalland (Italien)
Main ....
en
Marieniwerder
Memel .
Mindeni.®.. .
Mülheim a. d. A.
Münden
Hann.» Münden .
Rünfteri.®.. .
Nalel a. d. Arge.
Neunfirhen o
Tele) . . vo.
"Rordbauien ri
Oberbauien. . .
Oldenburg i. örb.
Chnabrüd . .
Vlorsbeim .
Pirna (Elbe)
Blauen (Bogtland)
Bloem (Horftein) .
Voto dam
Geſchãfts ſuhrende Vorſtandebeamte
Syn, «Die. Brof. Dr. Jonas, Borl.
Pfarrer Denade, Schri
Brof. Dr. ran Miedi, Bor.
3. Somnig, Schapmitr.
Oymm. «Dir, — Vorſ.
Oberlehrer Joſ.
Vrof. Aler Zragl, —E—
Diteltor Dr. Wichgram, Borf.
Oberlehtet Dr, Beer, Echriftf.
Ei En Blumer, Borf.
lirge dhul = Direktor —— —
Hüttenveriw. Herm. A
Notar Dr. War —X —S
Schriftleiter G. a Vorſ.
Dberlehrer Adicht, Seht
Gym.» Prof. Dr. franz Thal Borf.
Brof. Dr. Joh, either, Sarifif.
Buchhdl. Liebe,
Bori.
W. Alingenberger, Schriftf. u. Schapmitr.
Dberl, €. Schumann, Borf.
Dr. Billih, Schriftf.
Dberl. Dr. An
Buchhdl. 3. — ——
Sanzier J. Echardt, Vorſ.
x Glocner, Schapmfır.
Oberl. Braun, Borf.
Lehr. d. höh. Madchenſch. Kempf, Schahm.
Stabtarzt Dr. M. Mauy, Borf.
Ober: ug. E. Scheiſe, Schriſif.
ri Felſch. Vorl.
eftor Schreiber, Schriftf.
mit.» Dir. Dr. Brods, Vorf,
Dber=2d, «Ger, «Mat Erier, Ecdhriftf.
Dberlchter Dr. Tb. Storch, Borf.
Brof, Dr. $. dv. Guericke, Borf.
— * . Dammerdeid), Esriftführer
u, Schapm r.
Lehrer 3 Borf.
®. Wehlel, ——
8. Oberpoſidit. Anauf, Borf.
Mittelſchull. Richard, Schriftf. u. Schapım.
Buchdrud,.» Bei. Bruns, Borf.
Kreisichulinfpett. Dr. Blod, Borf.
Buchhdlr. Mar Röder, —
Bar. ‚Dr. F. Stieve,
auptiebrer R, Dee, ei.
Dberlchrer Dr, ®. Eatcorbt, Borf.
Drogiſt G. Reinhardt, Ehriftf.
®rof. Dr. 9. Undreien, Borf.
Dattlas Linhoff. Scriftf.
Eiſenbahn⸗ Bau: Inſp. Welle, Borf.
Obering. Braun, Borf,
Schrer J. Braun, Schriftf.
Brof. Etier, Lori.
Überftabsargt Dr. Kımow, Schriftf.
D zer Stalmann, Borf.
Brof. Dr. Eggers, Siriftf,
Borl, fehle!
Lehrer Fr. Dittmar, Borf.
Foftmeilter Aug. Schmidt, Ehapmitr.
K. Middendorf, Borf.
Eifend, » Die.» Bräf. v. Bun, Borf.
Hofapotheter Geerdes, Schapmitr
Reale Bymn.» Dir. Fiſchet, Torf.
Gen,»Echr. 5. Stumpf, Schriltf.
Stanttamo, Dr. Dölter, Bori.
I W. Heinhoidt, Edapmftr.
Bürgermfir. Echneider, Bori.
Dr. H. Schuller, Borf.
Lchrer Rödiger, Schriftf.
Oberlehrer Ahrens, Vorſ.
Voſttat Dr. Dehme, Bori.
Hoflief. Alex Hamel, Schapmiätr.
Briv, » Dozent an der 8. 8, deutſch. Unis |
verfität Dr. Adolf Haufen, Bori.
Lchrer 3. Himpau, Schahmſir. |
Prof. Dr. Sermes, Borf. |
Semimmeiehrer Eolf, Echriftf.
Dittelihulichter Jacobaſch, Ediagmftr,
Oberlehter Reinip, Borj.
Oberichrer J. Engemann, Scriftf.
Oberiehrer Dr. Seemann, Bori. |
Steuereinnehmer Lohr, Schriftf. |
|
Zeitſchriſt des allgemeinen deutſchen Sprachvereiuns. XI. Jahrgang. 1896. Nr, 6. 124
og
gweigvereins
—
Soberuheim
SonnebergiS.-M. )
@tettin . .
"Stolberg (Nheint.)
@traliund . .
Strasbu:
göckpr.
Straßburg i. @ilf.
Stuttgart
@nlingen
Zeplig (Böhmen) .
V @chlehien)
Tũbingen
Alm (Donan) . .
Verden (Sammover)
Versmold (Weitf.)
Bermelöfirhen .
Wilhelmöhanen .
Wolfenbüttel .
Bolmirölchen
Worbis . .
geig . .
Berbit. . .
Bitten i. S.
.. . s D
X
— — — — —
Mits
nlieders
zahl
23
| Dperamtmann A. ©
ihäfrstührende Boritandsbenmte
Mag.» Rat Dr. Otto Riuglhaan, Bari.
Hausbel. Wenzel Henninger, Stapaukr.
fehlt Borj.
Dr. €. Labes, Schriſtj.
Blarrer I. Möller, Bori.
Stchtdanw. D. Wedel, Ehapmilk.
2 fehtt!
Berl, Kingeteil, Ehriftf. _
Kreisihulinip. Eberhardt, Wori.
Kämmerer Hentidel, Schapmitr.
beisfammerfefret. W, Bad, Rori.
rift W. Otte, Schriftf.
Neg.-Rat Dr. Schildt, Borf.
Borftrev. Wilhelmi, Ehriftf.
* —— —*238 —
9
a era eo
—— Dr. — Bari.
Archidiatonus Winter, Borf.
Diatonus Merten, Schuftf.
Br Dr. Blaſendorff. Borl,
+» Bohtlelr.a.D. A. Epringmann, Schapm.
Gpmnafialiehrer Dr. Subo,
u. ee —2 ka
Reg.» Bräf. Dr. von Arnim, Borf.
Koneeltor Ballesfe, Echriftt.
Oymmafiattehrer Dr. Meifert, Bori.
Geh. Rat Dr. Albrecht, Borf.
Überlehrer Dr, Horft, Schriftf.
of. 8. Erbe, Borf.
uhhdir. Furk, —
Landrat Oberländer,
Gerichtsfetr. Stäntel, waini.
Jabritbeſ. Dr, Jullus Schmelger, Borf
Bürgerichulichrer nn Mottal, Schrift.
Dperichrer Naſt.
Oderlehrer Dr. —— Scriftf.
Kantor Wiederhoſd, Bori.
Landger.»Rat Bruns, Vorſ.
Mpoiheler Hubne, —
Amterichtet Geſcher.
Gumna ſiallehret — Schriftf.
Vrof. Dr. von Hoffs
Stadtbibliothetar Dr. Safer, —
—E Kraft
G. Schindler, Schriftf.
| Etadtichetär E. Ronmacher,
' Brof. Nägele, Borf.
tert. : Buchhdir, Biepder, Edapmitr,
tof. Bartheimeh, Vorſ.
r. A. Wolf, Schapmiür.
Seminarlehrer Bernb. tele, Bor.
Poſidireltor Schimmect. —
Plarrer 8. erling
Will. Lehrer Borhe, Veh.
Rektor With. Idel, Borf.
Dbert. Röhr, Schriftf.
Oberl. Dr. @torl, ori:
Dberl. Dr. Walde, Schriftf.
Oberl. Reuber, Vorl.
Regitsanw. Dr. Heery. Schriftf.
Abort. Dr. Dominik Kolbe, Bori.
| Dr. franz Ritter v. Sprung, Ecriftf.
| Srädt. Schulinſp. Rintel, ſtellb. Borf.
Oberl. Spamer, Echriftf.
| Marine» Oberpfarrer Godel, Bori.
Buchhändler Ladewigt. Eaguitr.
| Seminaroderichrer 3. Jeep, Bari.
Buchhändler Stichtenot), Shepmitr.
<, ori.
Kantor Achring, Schriftj.
2. Schulrat Bolad, Borf.
| Hauptlehrer Kellner, Schrijtj.
Brof. Braaſch, Borf.
Heinh. Jubelt, Schapmifte.
Dberichrer Dr. fieyerabend, Bori.
ı Oberiehrer Dr, Yüdee, Schegmitr.
| Blirgermeifter Dertel, Borf.
©berl. Dr, Tb. Mattbias, Shriftf.
Sem.⸗ Oberl. &. Berger, Borf.
Schrer I. Glaſer, ehrt.
| Bfarrer Burters, Vorl.
di | as Dr Selena De
Am. Saalderg, Schapmtr.
195 Beitfgrift des allgemeinen dentfhem Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 6. 126
Die IX. SHaupfverfammlung
des
allgemeinen deutſchen Spradvereins
findet zu
Oldenburg im Großherzogtum.
vom 8, bis 10, Auguſt 1896 itatt.
— — —
Jeſt- und Tages-Ordnung.
I. Sonnabend den 8. Aug. 10 Uhr 30 Min. vormittags: Sitzung des Geſamtvorſtandes |
4 Uhr nachmittags: Freie Beſprechung der Vertreter in der Union.
8 Uhr abends: Begrüßung durch den Feitausichuß , J
II. Sonntag den 9. Aug. 9/, Uhr morgens: Erjte Geihäftsfigung.
Tagesordnung:
. Eröffnung und Begrüßung der Berfammlung.
. Prüfung der Vollmachten. (Vol. Ausführung 1.)
. Borbereitung der Wahlen zum Gejamtvorjtande. (Bol. Ausführung 2.)
Bericht des Vorfigenden über die Vereinsthätigkeit jeit der Grazer Hauptverſammlung.
Bericht der NRechnungsprüfer über die Rechnung des verflofjenen Gejchäftsjahres und Entlaftung.
(Bol. die Spalten 119 und 120 d. Nr.)
6. Bezeichnung der zur Wahl von Prüfern der Rechnung des laufenden Gejchäftsjahres berufenen
row
Bmweigvereine,
7. Borlegung eines Voranſchlages für das kommende Geichäftsjahr.
12 Uhr mittags: Peitfigung in der Aula des Gymnaſiums. atte
Fejtvortrag des Herm Dr. Dtto Schrader, Univerfitätsprofeflord zu Jena. ig;
2 Uhr nachmittags: Feſteſſen im ‚Rafino‘.
5 Uhr nachmittags: Feitfahrt nad) Zwiſchenahn.
(Abendefjen nach Belieben im dortigen Kurhauſe).
III. Montag den 10. Aug. 9 Uhr morgens: Zweite Geſchäftsſitzung.
Vorläufige Tagesordnung:
1. Beiprehung über den Ort der nächſten Hauptverjammlung.
2. Vollziehung der Wahlen zum Gejamtvorjtande.
3. Erledigung etwaiger Anträge.
3 Uhr nachmittags Feitfahrt nad) Neuenburg. (Vorher Mittageffen in Oldenburg nad eigener Wahl).
Gemeiniames Abendejjen entweder in der Waldichenfe des Irwaldes oder in Neuenburg (Mörnkings Gajthof).
9— 10 Uhr abends: Nücfahrt im Anſchluß an die Spätzüge nad) Oldenburg und Bremen und nad)
Wilhelmshaven.
Für die noch Bleibenden.
IV. Dienstag den 11. August: Befichtigung der Hafenanlagen in Wilhelmshaven nach näherer Verabredung.
Es wird eine Feftfarte ausgegeben werden, welcher ein Ausweis mit ſechs Abſchnitten beigefügt wird.
Dieje berechtigen: .
1. zur Teilnahme am Feſteſſen; das Gedeck zu 3Mart. 4. zur Feitfahrt nach Neuenburg.
2. „ Feitiahrt nach Zwiſchenahn. 5. zum gemeinfamen Abendeſſen (1 Mark).
3. „ Nüdfahrt nad) Oldenburg. 6, zur Rückfahrt nach Oldenburg.
Die Feitlarte wird für die obengenannten 6 Abjchnitte 7%/, Mark often; indefjen bleibt vorbehalten, auf
Wunſch auch Teilabichnitte der Karte an ſolche Feſtgenoſſen abzugeben, welche nicht an jämtlihen Veranftaltungen
teilnehmen wollen.
127 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Mr. 6. 128
schlage ver mid Anwen arbrgent hal Ausführungen.
Auf 1. Da nach Sapung 21 bei der Hauptverfammlung fein Mitglied mehr al3 20 Stimmen führen darf, aber
auch feines eine Vollmacht ohne Genehmigung des Auftraggebers an andere übertragen kann, jo it & — ım
unnötige® Hin= und Herſchreiben zu vermeiden — wünjchenswert, daß die Vollmachten, welche die Zmweigvereine
en * ausſtellen, von vornherein mit einem entſprechenden Zuſatze verſehen werden, ſo daß ſie etwa wie folgt lauten:
sin 7
erchrt handant Vollmacht.
a Im Auftrage des Vorftandes des Ameigvereind And __ erjucht der Unterzeichnete Herm Ir Funfie d! van
“ & . Vertretung des Zweigvereins bei der 9. Hauptverfammlung zu übernehmen.
ande tt Sollte da3 von und durch diefe jchriftliche Vollmacht mit unferer Vertretung beauftragte Mitglied ſchon 20 Stimmen
führen, alfo nad der 21. Sapung feine Stimme mehr annehmen dürfen,
fo bitten wir {
cha 20000 Herınma
—— 22.2 er 6. ——— REN. Geichäftsordnung gemäß jcheidet von den 36 Mitgliedern des Gejamt-
7 un —E jährlich der dritte Teil nach der durch die Zeit der Wahl bejtimmten Neihenfolge aus. Hiervon werden
wer tale. zu Ende d. J. 9 folgende 12 Herren betroffen:
D——— rund e. Durchlaucht der Erbprinz Chriftian Kraft zu Hohenlohe» Öhringen, Oberft- Kämmerer
Sr. Majejtät des Kaiſers und Königs, auf Slawengig in Oberſchleſien.
— nen h. 2. Archivrat Dr. Ludwig Keller, Geheimer Staatsarhivar, in Charlottenburg.
’ 8. Dr. $riedr. Kluge, Profeffor a. d. Univerfität Freiburg i. Br.
4. Geheimer Regierungsrat Wilhelm Launhardt, Profeffor an der technischen Hochſchule zu
Hannover, Mitglied des ftändigen Ausſchuſſes.
5. Karl Magnus, Bankherr in Braunfchweig.
Eifenbahndirektionspräfident von Mühlenfels zu Oldenburg.
7. Profefjor Dr. Herman Riegel, Mujeumsdireftor in Braunſchweig, Begründer und Ehren—
mitglied unjeres Vereines,
8. Beter Rojegger, Scriftiteller in Graz.
9. Geheimer und DOber-Baurat a. D. Rüppell, in Köln a. Rh.
\nde 10. Gymmnajial-Oberlehrer a. D. Dr. Günther A. Saalfeld, in Friedenau, Mitglied des jtändigen
Al⸗ Ausſchuſſes.
11. Dr. Daniel Sanders, Profeſſor in Alt-Strelitz.
12. Geheimer Baurat Otto Sarrazin in friedenau, Mitglied des ftändigen Ausichufies.
Indem der Sejamtvoritand die Wiederwahl dieſer Herren empfiehlt, bringt er auf Grund der Geichäfts-
ordnung außerdem noch folgende Namen in Vorſchlag:
1. Dr. Beer, Profeffor in Leipzig.
2. Landesdirektor von Brandt zu Königsberg i. Pr.
3. F. W. Eißen, Kaufmann in Hamburg.
4. Geheimer Regierungsrat a. D. Fritſch in Kaflel.
5. Gymmafialdireltor Profeffor Friedrih Hermann in Norden.
6
7
8
r Snayfı
Ad, de
* T
67 Vollm lich an Ye ein anderes Mitglied zu übertragen, das an der Hauptverjammlung teilnimmt.
*
. Dr. Mally, Stadtarzt in Marburg a. d. Drau.
. Dr. Theod. Matthias, Oberlehrer in Zittau.
. Dr. Alois Pogatſcher, Profeffor an der Univerjität Prag.
9. Roftmeifter Schmidt in Nürnberg.
10. Dtto Graf Vitzthum in Dresden.
11. Pfarrer Dr. Richard Weitbredt in Wimpfen.
12. Dr. 3. €. Wülfing in Bonn.
Brtefe und Drudfacen für die Bereindleitung . Geldfendungen und Beitrittöerflärungen (jährlicher Beitrag 3 Matt,
find an den Borfigenden zo. bie —— — und die ſonſtigen Drudichriften des Bereins gellefert werden)
Dberftleutnant a.D. Dr. Mar Jähns in Berlin @.10, an den Ga,
Margaretenftraße 16, tagsbuchhändler ———, it Berlin @.8,
tiefe und Drudfachen für bie geitſchrift find am dem Herausgeber, Oberlehrer Hriedrich Wappenhans In Berlin 0.3.33, Altonaer Straße &
(vom 15 Juni bis 12. Augujft in Weimar, Muf der Kltenburg),
rien —— und Zuſendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profeſſor Dr. Paul Pietſch, Berlin W.3O, Mohſtraße 12
zu
Drud der Bucdruderel des Walfenhaufes In Halle a. d. ©.
MR > >eitlcheitt
XI. Jahrgang Ur. 7/s
Juli 1896.
allgemeinen deuffehen Sprachuereins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
_ Diefe Keitkehjeift erichelmt jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern deö allgemeinen deutſchen Epradvereins umentgeitli
geliefert (Sapung 24
Die geluſchrift farm auch durch den Buchhandel oder die Bolt
zu ME, jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch den Schatzme iſter
Eberhard Ernft, Berlin @.8, Wilhelm. 0. — Auflage 15.000.
Inbatt:
Schweiz. — Eine Mahnung aus der Mitte diejed Jahrhunderts.
Beſuchskarten.
Fremdwörter der Gelehrten.
Bon J. — »Wer folgt nach?«
Deutiche Sprache und deutſches Leben in ihren Wedfelbesiehungen,
Bon Hand Lange. — Mitteilungen über Peſtalozzi. — Jeweng iche
Bon J. Belter. — Die Fremdwörter und der gute Gejchmad. Bon H
Von 9. D. — Kleine Mitteilungen. — Sprachliche Mufterleiftungen. — Entgegnungen. — Buücher—
Bon 9. Trapet. — Sprachliche Zuftände in der
.D. — Die
ſchau. — Zeitungsichau. — Aus den Zweigvereinen. — Brieftaften. — beichäftlicher Zeil.
Diefe Nummer gilt für die Monate Juli und Auguit.
(Zur Verzögerung des Erjcheinens * die Notwendigleit, in dieſe Nummer die ausführliche Tagesordnung der Haupt—
verſammlung RER Die
e fonmte jedoch nicht vor dem 12. Juli abgeichlojfen werden, weil bis zu diejem Tage noch
Anträge eingereicht werden duriten.)
Deutihe Sprade und deutiches Leben in ihren Wedel:
beziebungen.
Vortrag, gehalten im Zweigvereine Berlins Charlottenburg
am 12. März 1896 (im Nrcyiteftenhanfe)
von
Augujtin Trapet (Ehrenbreitjtein).
Mad einer Furzichriftlichen Aufnahme.)
Die Sprache ijt das Bolt. Alles, was ein Vollk gedacht und
geträumt, was es erlitten und eritritten, die ganze Entwicklung
feines Kulturlebens ſpiegelt fich wieder in feiner Sprache: die
Sprache ift der Spiegel eines Volfed. »Das ganze Bolt -
fagt Kluge — arbeitet an feiner Kultur und zugleich an jeiner
Sprache, und jeder Fortſchritt der Geſellſchaſt bedeutet einen
Forticritt der Spracde; die Geſchichte eines Volkes ift zugleich
die Geſchichte feiner Sprache und umgelehrt.« Diejes Verhältnis
zwifchen Sprache und Volk, zwiichen der Sprache einerfeits und
dem Volksgeiſte und der Volksgeſchichte anderſeits ift eine That-
ſache, die fetiteht für alle Kulturjpradyen, eine Thatjadye, die
in die Mugen fpringt bei einer aud nur flüchtigen Betrachtung
des Entwidlungsganges unfrer deutihen Mutterſprache.
Ich greife aus der Fülle des Stoffs Einzelnes heraus.
Gehen wir zurüc zum Beginn unſerer chriſtlichen Zeitrechnung.
Die römifche Kultur Hopft an der Hütte des alten Germanen an.
In den römifchen Anfiedelungen im Weiten und Süden unferes
Baterlandes hat diefe Kultur fejten Fuß gefaht, von dort aus
dringt fie immer mehr und mehr in das Herz Germaniens hinein.
Zeugnis hiervon geben in unjrer Sprache eine Reihe von Wörtern,
die durch den Handeldverlehr zwilchen Deutichland und Italien
geicaffen worden find,
Pfund (pondo), Münze (moneta), fodann die zahlreichen Lehn—
wörter aus dem Gebiete des Weinbaues, z. B. Wein (vinum), |
| wie die Erbwörter Fleiih von unjerm Fleifh und Bein von
Moſt (mustum), Spund (puncta), Kelter (calcatura), endlid) die
Entlehnungen aus dem Gebiete der Baufunit, z. B. Mauer
(murus), Ziegel (tegula), Seller (cellarium), Speidyer (spicarium).
Wenn wir fein anderes geſchichtliches Zeugnis hätten, fo würden
3. B. Strafe (strata), Meile (milia), |
wir lediglich aus unferer Sprache erfennen fünnen, daf die Ger—
manen den Weinbau umd den Steinbau von den Römern ge:
lernt haben.
Gehen wir einige Jahrhunderte weiter. Zum zweiten Male
unternimmt es Nom, Deutſchland ſich unterihänig zu machen.
Steine Heere entjendet es zu dieſem Zwecke, ſondern einzelne,
gottbegeifterte, opfermutige Männer, die es als ihre Lebensaufgabe
betrachteten, die germaniſchen Völlerſchaften, die noch im Schatten
des Todes wandelten, der Segnungen des Chriftentums teilhaftig zu
machen. Willibrord und Winfried predigen in Deutſchland das
Evangelium, die heilige Donarseiche bei Geismar fällt, die
Deutjchen werden die getreuen Söhne der römiſchen Kirche. Klar
und deutlich, jehen wir in unfrer Sprache die Einwirkungen des
römifchen Chriftentums: Briefter (presbyter) und Küſter (custor),
Kreuz (erux, eruci) und Kanzel (cancellus), Mefie (missa) und
Segen (signum), Mönch (monachus) und Nonne (nonna) find
Lehnwörter, die wir der römtichen Kirche verdanken.
Und zum dritten Male hat Nom an der Grenzicheide des
Mittelalter und der neuen Zeit Deutfchland unter feine Herr-
ichaft gebeugt: id) meine jenes hochbedeutjame Ereignis, das man
die Nezeption des römijchen Rechts in Deutjchland nennt. Es ift
die Zeit der Nenaifiance. Die Welt des Haffiihen Aitertums
jteht auf aus dem Schutt der Jahrhunderte. Die Gotik weicht
der Antite, die Scholajtit dem Humanidmus, das deutſche Recht
dem römischen Recht. Die jtürmifche, maßloje, Teidenfchaftliche
Hingabe an das römische Necht, die mit der völligen Mißachtung
der heimiichen Gewohnheiten, des Barbarenrechts, wie die Juriſten
N jagten, Hand in Hand ging, fpiegelt fic wieder in der Sprache des
Rechts. Während durch das Eindringen römischer Kultur und
römischen Chrijtentums unjre Spradye bereichert worden iſt, hat das
Eindringen des römijchen Rechts unſre Sprache ſchwer geichädigt.
Dort Lehnwörter d. h. deutich getwordene Fremdwörter, nunmehr
unſerm Bein, Wörter, die uns neue Begriffe zugeführt haben,
Wörter, die an den geiftreichen Sap Viktor Hehns erinnen,
»Biel entlehnt, viel gelernt, eine reiche Geſchichte, eine an mans
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nigfachem Gute reiche Sprache · — hier eine grofte Maſſe zu:
dringlicher, ihr fremdes Weſen ftarr feityaltender Wörter, die
vielfady das gleichwertige heimische Sprachgut dünkelhaft bei Seite
drängen, Fremdwörter im fchlimmften Sinne des Wortes. Ein
Haffender Spalt thut jich auf zwiſchen dem Boll und jeinem Recht.
Das Volk verjieht dad Recht nicht mehr, und die gelehrten Juriſten
verftchen das Bol nicht mehr. Der Haß des Volkes gegen das
fremde Mecht im fremden Wort, das einen trefflihen Nährboden
abgab für die Ränle der Rechtsverdreher, zeigt ſich deutlich im
der Forderung, die die Bauern im Bauernfriege aufftellen: » Alle
Doctores der Rechte, fie ſeynd Geyſtlich oder Weltlih, jollen an
leynem Sericht mer gelitten, funder gang abgethon werden.« Schon
früh hören wir die lagen weitblidender deutiher Männer über
das undentiche Auriftendeutich. Bereits Ügidius Tſchudi, der Be-
ihichtichreiber der Schweiz, zieht in feiner »Alpiih Nhetin« vom
Jahre 1535 gegen die »naßwyßen Canpler und Gonfiftorischen
Schryber« zu Felde. »Sie Fünnend nit ein linien ohne latinifche
wort ſchryben, jo fu doch der tütjchen genug heitend, machend das
menger gemeiner man, fo fein latin kann, nit wijjen mag, was
es bedüt, oder wie ers verfton foll, wöllend aljo vnſer tütjch, jo
eine ehrliche ſprach ift, veradhten. Man kündt wol fchryben —
für appellag zug oder berüffung, für citieren laden, für concordaß
vereinigung oder vertrag, — für arrejtieren verbefiten, für poten—
taten oberfeiten, für obligation verpflichtung oder verſchrybung
und dero noch vil, mijchlend aljo latin und tütſch undereinandren,
were nüger gar latin oder gar tütich.e Wieles ift feitdem anders,
befjer geworden; der Geſetzgeber und der Richter bemühen fich
wieder deutſch zu reden, mandem Verdeutſchungsvorſchlage des
alten Agidius Tſchudi Hat die Geſeßgebung des neuen dentichen
Neiches zur Annahme verholfen. Aber — ganz ausgeftorben
ift die Sprache der rezeptionsfreudigen doctores legum immer
noch nicht!
Die deutiche Sprache ist ein Spiegel des deutichen Volles.
Alle großen Ereigniffe, die im Leben unferes Volles fich zuge:
tragen, haben in unſrer Sprade ihre Spuren zurücdgelafien,
ragende Merkzeichen für die zufünftigen Geſchlechter. Aber nicht
bloß, daß die Multurthatfachen, die eine ganze Feit erfüllen, in
dem Wortjtand unjrer Sprache ſich wiederſpiegeln, im ihrer Bieg—
famfeit, in ihrer Ausdrudsiähigteit, in ihrem ganzen Leiftungs-
vermögen erkennen wir zugleich die Spuren der großen Sprad):
geifter unfres Volles. Ich will von diefen Sprachgeiftern nur
einen herausgreifen, von deſſen Spracharbeit wir heute noch bewußt
oder unbewußt zchren, Goethe. »In der Zeit vor Goethe — jagt
einer unfrer Goetheforfcher — war die deutſche Sprache blutarın
geworden; ihr Herzichlag war regelmäßig, aber matt, Da jtrömt
aus Goethes Aurgendtraft in fie eine jriiche, volle, warme Lebens—
fint, ihr Herz lernt wieder leidenschaftlich zu wallen, ſchwärmeriſch
zu träumen, ſtark und deutsch zu empfinden.« Und worin liegt
denn der padende Zauber der Goethiſchen Sprache? Dieje Sprache
iſt nichts Gemachtes, nichts Gekünſteltes, nichts Geſuchtes, nichts
Nnempfundenes, Goethes Sprache ift wahr. Goethe ging den
Weg, den ihm einſt fein Freund und Berather Merd gezeigt.
zu verwirklichen, und das giebt nichts als dummes Zeug; deine
Nufgabe ift es, dem Wirklichen poetische Geſtalt zu geben.« Dieſe
poetiſche Geftaltung des Wirklihen, in der Goethes Dichtkunſt
anfging, war nur möglich mit der Wahrheit der Sprache, d.h.
mit einer Sprache, die nicht ift herbeigezogenes Hülfsmutel zur
Verdolmetichung poetischen Empfindens, die vielmehr friich und
unmittelbar wie ein löſtlicher Waldquell ans der Tiefe des Dichter-
gemũtes eimpordringt. Empfindung und Wort find bei Goethe
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind, XI Jahrgang. 1896. Nr. 7/8.
| erblich fortpflanzt.
»Die Andern — hatte Merd zu ihm gefagt — fuchen das Poctiiche |
eins: die Empfindung ſchafft das Wort, und das Wort dedt die
Empfindung — das iſt das Geheimnis diefer Wunderblume im
deutſchen Spradhgarten, das ijt der Zauber der Sprache Goethes.
Soft id Sie noch zum Beweiſe deſſen erinnern an die gewaltige,
Himmel und Erde beherrichende Sprache der Goethiſchen Lyrif, an
die Grenzen der Menjchheit, an den Geſang der Geiſter über den
Waſſern, an den Prometheus und den Ganymed, an jenes wunderbar
ergreijende Natur: und Serlenbild ⸗Fülleſt wieder Buſch und Thale;
joll ich Sie noch erinnern an die derbe, marfige Sprache des Göt
an die antife, hoheitsvolle Sprache der Apbigenie, an die feine,
durchſichtige Sprache des Taſſo, an die titaniiche Spradye des
Fauſt? Allüberall fühlen wir einen Kraftmenſchen, groß und wahr
in jeinem dichterfichen Empfinden, groß und wahr in feiner Spradie,
in der diefes Empfinden zur Ericheinung fommt. Ich kann das,
was id; über Goethe und die deutſche Sprade denke, nicht
befier jagen, als mit den Worten Jalob Grimms: » Goethe bat
fo gejungen, daß ohne ihn wir und nicht einmal recht als Deutſche
fühlen fönnten; jo ftart ift die heimliche Gewalt vaterländiicher
Sprache und Dichtung.«
Wir haben gejehen: alle großen Regungen der deutichen Rolts-
jeele erichauen wir in dem Zauberjpiegel der deutjchen Sprad.
Sind wir nun bei dieien engen Beziehungen zwiſchen Ddeuticher
Sprache und deutſchem Leben berechtigt zu jagen: die deutfche
Sprade ijt ein nationales Gut?
National — das Wort jpielt Heutzutage eine jehr große Rolle,
es begegnet uns an allen Eden und Enden, es durchichwirrt die
politifche Luft, es durchzittert Europa. Was heißt »nationals,
was ift eine » Nation «?
Wenn ich einer Anficht folgen wollte, die um die Mitte diefes
Jahrhunderts dort unten an der jchönen blauen Donau mit aller
Seierlichfeit ausgeiprochen worden ift, dann müßte ich Ahnen
jagen: der Begriff »Natione iſt ein unchriftlicher Begriff, die Zer
teilung der Menſchheit in Nationen ift eine Folge der Sünde ımd
des Abfalls der Menfchen von Gott. »Ein gewifier Zug zum
Heidentum gebt durch die nationale Bewegung, wie ja auch die
Wörter ethnoi und Heiden eine gemeinfame Sprachwurzel baben«
meint Baron von Lederjteger » Der Schuß in Meyerling umd das
monarchiiche Prinzip in Ofterreich-Ungarne ©. 14). Wäre dem
fo, dann hätten freilich die hriftlihen Nationen nichts Schleumigeres
zu thun, als ihre nationalen Eigentümlichteiten famt und fonders
über Bord zu werfen und fich vielleicht im Bolapük die fünden-
loſe Hand zu reichen. Dod) ich bin anderer Anſicht, ich glaube,
da gerade die Vielheit der Nationen ein höchſt weiſer Gedanke
in dem Weltplane der Vorſehung ift. Die Gleichheit ift der Tod,
erft der Gegenſatz ſchafft Leben und Bewegung, der Wettitreit
der Nationen untereinander ift ein wichtiges Beförderungsmittel
des menschlichen Fortichritts, die Nationen find die Hebel der
Weltgejchichte. Nation ift im fepten Ende Inlinrgemeinichaft.
Unter einer Nation verjtehen wir eine BevölferungSmafie, die
durch gemeinfame Erlebnifje und Scidjale zujammengetoachien
ift, hohe Kulturleiftungen vollbringt und ihre bewuhte Cigenart
Die Nation al® Kulturgemeinichaft bat mit
politijchen Grenzen nichts zu thun, der Grenzpfahl kann keine
geiſtige Gemeinſchaſt aufheben, zur deutſchen Nation gehören z. B.
die Deutſchen in Oſterreich.
Und nun die Hauptfrage: Welche Rolle ſpielt die Sprache in
der Kulturgemeinſchaft einer Nation? Soweit auch bier im ein
zelnen die Anfichten auseinandergehen, darüber find fich alle einia,
daß, wenn eine Nation eine eigene, gemeinfame Sprache hat, dieie
gemeinjame Sprache nicht das einzige, wohl aber das ſeſteſte
Band it, das alle Glieder diefer Nation umichlieht, daß Abiall
u
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von dieſer Sprade Abfall von der Nation bedeutet. Darum
wachen die Bülter, in demen der nationale Geift febendig ift, mit
Eiferfucht über ihre Sprache, darum wird fein Eingriff jo tief
und nachhaltig empfunden, wie der in die Sprache einer Nation,
darum ijt die gemeinjame Sprache das lehzte Bollwerk, um das
eine untergehende Nation ſich ſchart. Wir fünnen alfo mit Fug
und Necht jagen: die deutjche Sprache hält in erjter Linie die
deutiche Nation zufammen, die deutjche Sprache it ein weſent⸗
liches Stüd unfjred nationalen Lebens und Seins, die deutjche
Sprade ijt ein nationales Gut.
Der Deutjche hat nun leider die große Schwäche, da draußen
in der Welt mit überrajchender Schnelligkeit feine Sprache
und Art aufzugeben. Tauſende von Söhnen der Mutter Ger:
mania ziehen jährlid hinaus über das Weltmeer. An kurzer
Zeit haben viele ihrer Mutter vergefien, fie pafien und fügen und
ſchmiegen fich mit allem erdenklichen Fleiß an das Ausland an,
und ihre Kinder, ganz ficher aber ihre Sindesfinder lallen in
fremden Zungen. Das gilt insbejondere von den Deutjchen, die
nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika ihre Schritte
lenfen. ch weiß es, man ijt in Deutjchland vielfach der irrigen
Meinung, das jet einmal jo geweſen in den Heiten nationaler
Berrifienheit und nationaler Yeriplitterung, in jenen Zeiten, wo
ein Meifter der deutjchen Geſchichte, der zugleid; ein Meiſter des
deutjchen Wortes ift, im glängender Verfanmmlung vor ben Ber-
treten aller Stämme des deutſchen Volles in die Klageworte
ausbrach: »Noch ftcht unfer Volk rechtlos da, umvertreten, wenn
die Bölfer tagen, noch grüßt kein Salutſchuß im fremden Hafen
die deutjche Flagge, denn heimatlos ift fie auf dem Meere, wie
die Farben der Seeräuber«e — nun aber nad) den großen Jahren
1870 und 1871, wo der deutiche Mar vor der flaunenden Welt
die alte, fait vergefiene Kraft feiner Fänge zeigte, da fei das alles
auf einmal anders geworden. Vielleicht in diefem oder jenem
Funtte etwas befier geworden, aber nicht anders geworden! Ach
kann mich, gerade was die Deutichen in den Vereinigten Staaten
anlangt, auf zwei gewichtige, unanfechtbare Zeugnijje aus der
allerjüngiten Zeit berufen. Der eine Zeuge ift ein Deutich = Ameri-
faner, der andere — ganz gewiß unparteiiih — ein Engliſch-
Amerilaner. Hören wir den Deutſch-Amerilaner! Bor furzem
fand in Waihington der elfte deutich- amerifaniiche Technikertag
-ftatt. Der BVerbandsvorfiger Hermann Roßbach jagt in feinem
Jahresberichte wörtlich folgendes: » Wenn die Deutjch : Umerifaner
mit irgend welchem Rechte an der Hoffnung jeithalten wollen, in
abichbarer Zeit eine ihrer Bedeutung entiprechende Rolle im po-
litiſchen Leben zu fpiclen, fo ijt es unerläpliche VBorausjepung,
daj; das Gefühl ihrer Zufammengehörigfeit Iebendig erhalten wird
durd) ein Band, das auf die Dauer ſich fejter erweiſt als Ge—
meinfamteit der Interefien, die mit der Zeit ja doch jtets auseins
andergehen, und als freundidaftlihe Gefinnungen, die nur zu
ichnell verblafien — und diefes Band ift die deutjche Sprache.
Leider ift es eine feitjtehende Thatjache, daß bisher die nach Amerila
ausgewanderten Deutjchen fait ohne alle Ausnahmen in dritter
Generation, meijt aber jchon in zweiter Generation fich nur mod)
als Amerikaner fühlen und höchſt jelten noch der deutichen Sprache
vorragendjten englifch = amerifaniihen Sculmänner, äußerte ſich
in einem Bortrage, den er im Juli v. J. in Gandusty (Ohio)
hielt, folgendermahen: »Auffällig iſt es mir, daf es im dieſem
Lande eine jo große Anzahl von Deutjchen gibt, die ihre Mutter:
jprache nicht gebührend ſchäßzen. Die Zahl folder Deutſchen, die
die deutiche Epradje nicht brauchen, wenn fie nicht dazu genötigt
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nicht gering. — Bon einigen Deutich- Ameritanern muß ich fogar
glauben, daß fie fich ſchämen, die Englisch: Amerifaner wifjen zu
lafjen, daß fie Deutfche find oder daß fie deutſch fprechen können.
Nber was find das für Menfchen, die ſich ſchämen, Deutiche zu
jein, Kinder jenes Yandes, das das bedeutendfte auf dem Feſt—
lande Europas ift, defien Fortichritte auf dem Gebiete der Kunſt
und der Wiſſenſchaft die aller anderen Nationen übertreffen, deſſen
Gelehrte durch die Tiefe ihrer Forſchung einzig daftchen und die
Bewunderung der Welt erregen?« Das mu ſich der Deutjche
von einem Engliih-Amerifaner jagen lajjen! Und nun, nachdem
der Thatbeftand zur Geniige feftgeitellt ift, frage ih: Woher dieje
Ericheinung, woher dieſe ſchimpfliche Flucht des Deutſchen vor der
deutjchen Sprade? Der Grund liegt tief: es ift die alte welt-
bürgerlicye Sefinnung des Deutfchen, die geringe Empfindlichkeit
feines Nationalgefühle. Und wie erflärt ſich das?
Wir find mun einmal das Bolt der Mitte. Hineingeftellt in
das Herz Europas, ohne ſeſte natürliche Brenzen, haben wir zwar
kraftvoll Kultur gegeben, doch wir find aud), insbejondere im
Weiten und Süden, fremden Hultureinflüfen ausgefept geweien,
denen wir uns mit größter Bereitwilligkeit hingaben. Weit, fehr
weit öffneten wir die Grenzthore; viel fahrende Leute famen herein.
Das romanijche Vollstum war uns ja im Gegenſaß zur ſlawiſchen
Welt des Dftens nicht ganz unverwandt, war c& doch gezeugt von
germanifcher Urfraft, die einjtens wie ein jegenbringender Strom
von Norden her neues Leben geichaffen hatte auf den verdorrten
Gefilden römiſcher Gefittung. Die weitherzige, weltbürgerliche
Hulturbegehrlichteit hatte für uns ihre qute und ihre jchlimme
Seite. Wir haben wie fein anderes Rolf der Erde die Babe,
fremden Geift zu verjtehen und uns in fremde Gedanten hinein-
zudenten, aber wir haben auch die Schwäche, gelegentlich das
Erbe unferer Bäter zu verachten und uns vor fremden Gößtzen in
den Staub zu werfen. »Der Drang in die Ferne ward und zum
Verhängnis, in ihm liegt die Schuld und die Größe des deutſchen
Ktebens. « "
Hinzu lommt das ſchwere politiiche Schickſal Deutichlands feit
dem Ausgange des Mittelalters, das ganz geeignet war, das
vorhandene deutiche Einheitsberonftiein zu verfiimmern. Seit den
Zeiten Karl von Hilpanien, der da von fich fagte, er rede
jpanifch mit Gott, italienifch mit den Frauen, franzöſiſch mit dem
Manne, deutic aber mit feinem Pferde, vollzieht fich unanfhalt-
fam der Niedergang des deutſchen Lebens. Der dreikigjährige
Krieg, das Zeitalter voll Mord, Wlut und Brand, befiegelt die
geiftige und politische Ohnmacht unjeres Vaterlandes. »Der Aus:
wurf aller Völket — ſagt Treitfchle — hauft auf deutſcher Erde.
In einer Zerſtörung ohme Gleichen geht das alte Deutſchland zu
Grunde Der Reichtum einer uralten Gefittung, was nur das
Dajein ziert und adelt, iſt verſchwunden und vergefien bis herab
zu den Handiwerfsgeheimnifjen der Zünfte.« Früher waren wir
in jugendlichen Thatendrang darauf ausgegangen, die Welt zu
beherrſchen; nun beberricht die Welt und. Die Kaiferfrone iſt
zum feeren Schemen geworden, und die neuen Kaiſerlinge, Die
deutſchen Landesherren und Yandesherrchen, ſonnen ſich mit Bor-
\ | liebe in der Gunſt des frangöfiichen Hofes.
vollommen mächtig jind.« Und John B. Beablee, einer der her⸗
Wie ftolz und frei jang einft Herr Walther von der Vogel
weide:
Von der Elbe unz an den Min
und ber wider unz an der Unger lant
mugen wol die beiten fin,
die id) in der werlte han erfant!«
Wie zuverſichtlich und vertrauend fpricht noch Luther: »Deutſch—
fund, und die fie ihre Kinder nicht lehren oder lehren laſſen, iſt fand ijt wie ein jchöner, weiblicher Hengit, der Futter und alles
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genug hat, es fehlt ihm nur an einem Neiter!« Wie anders Hingt
es in Deutichland um die Witte des 17. Jahrhunderts! Dem
weidlidyen Hengite war in der Not des großen Krieges das Futter
ausgegangen und noch manches andere dazu.
Weh, aus ben wirren flatternden Loden nimmt
Die deutihe Jungfrau ſchmerzvoll die Rojenzier;
Entjtellt iit bis zum Grau'n ihr Antlig,
Weh, fie beftrenet ihr Haupt mit Aſche. —
Wie wenn von Berghöh’ brödelt ein Felſenblock
Und jchmetternd abrollt — alio mein Kaiferreich,
Fielft du auch jählinge. Ferne Länder
Machte dein donnernder Sturz noch beben. «
So fingt gegen Ende bes dreißigjährigen Krieges ein deutſcher
Dann, deutſch, wenn er auch in lateinischer Sprache dichtet,
Jalob Balbe.
Es giebt Kranfheiten, die ein Bollstörper in Jahrhunderten
nicht venwindet. Der Dreihigjährige Krieg und Ludwig der Bier:
zehnte jteden dem Deutſchen heute noch in den Knochen — das
ift die Antwort der Geſchichte auf die Frage, die uns Hermann
Roßbach und Kohn Peablee vorgelegt haben,
Der deulſche Mann, der feiner Mutterſprache entfremdet wird,
aeht für uns verloren, und wie der deutſche Mann, fo der deutiche
Stamm. Wand) ſchmerzliche Einbufe Hat auf dieſe Weile im
Laufe der Jahrhunderte das beutiche Land erlitten. Und wenn
wir heute von der Gefährdung deutſchen Spracdgebietes reden,
dann lentt ſich unfer Blick ja unwilltürlich auf Ofterreich, wo
die deutſche Sprache einen ſchweren Kampf kämpft. Natiöncen,
die, wie einmal ein öfterreichifcher Abgeordneter gejagt hat, ihre
ganze Nationallitteratur in der Wejtentafche herumtragen können,
laufen Sturm gegen deutſche Spradye und deutſche Kultur. Ein
Stüd alten deutſchen Sprachbodend nad) dem andern greift die
iſchechiſche Springflut an; das Slowenentum, in Krain allmäch—
tig, ftredt feine Fangarme aus nach Steiermark und Kärnthen,
und die Schwaben im Banat und die wadern Sadjjen in Sieben:
bürgen werben vergewaltigt von einer Heinlichen magyarticıen Staats:
funft. »Halten Sie feſt an Ihrer deutjchen Sprache und Ihrer
deutfchen Sefittunge! — fo hat auf einem großen nationalen Tage
Prinz Ludwig von Bayern den Deutichen in Ofterreid) zugerufen.
Hoffen wir, daß die Deutſchen in Öfterreich und ihre Kinder und
Kindestinder diefer fürtlihen Mahnung niemals vergeſſen werben,
daß mod in fernen Zeiten die Eänger der deutſchen Ofjtmart jo
deutich fingen, wie einjtens einer ihrer Beſten, Robert Hamerling,
von den Siegesjahren des deutfchen Volls gefungen hat:
» Und wir? Wie ſtand's mit uns in Deutichlande Schlachtentagen ?
Neutral war Ofterreih® Hand und Äſierreichs Erz.
Neutral? Nicht ganz! Das Herz bat habe
Das Herz Deutfchöfterreichs, das deutſche Herz!«
Daß 08 der deutichen Sprache in Oſterreich wohlergehe, das
wünſchen wir aus idealen, nationalen Gründen, aber auch aus
prattijchen, politischen Gründen, die feinerlei Spiße haben gegen
die Selbjtändigfeit und Imverfehrtheit des habeburgiſchen Kaiſer
ſtaates.
Wer einen Blick wirft auf die Landlarte Europas und dann |
die Geſchidde des deutichen Bolfes in den Icpten taufend Jahren
vor feinen geiftigen Auge vorüiberzichen läßt, der muß zu der
Überzeugung gelangen: das Deutſche Reich und Dfterreich gehören
geographiich und gefchichtlich zufammen! Nilolsburg, d. b. die
Ausichliehung Öfterreih® von der ftaatlichen Geſtaltung der Dinge
im Norden, war nicht Selbſtzweck der Biämardichen Rolitit, fon:
dern Mittel zum Zweck, Nilolsburg wurde eine politiiche Not
wendigkeit, weil der Bau und Ausbau eines deutichen nationalen
Zeitfärift des allgemeinen dentſchen Spradvereint. XI. Jabrgang. 2
18%. Nr. 7/8. 136
Staates im Berein mit dem buntjchedigen Ofterreidh nicht be:
werfitelligt werben fonnten. Aber derfelbe weitblitende Staats
mann, ber den ſcharfen Schnitt machte zwijchen Deutichland und
Dfterreich, hat 13 Jahre nach Nitolöburg die beiden einft feind-
lichen Brüder durd; ein Bündnis geeint, das, fpäter zum Dreibund
erweitert, die Are umfrer auswärtigen Politif, die Grumdieite
bes europäifchen Friedens geworben ift. Doc dies Bündnis bat
eine ftillichweigende Borausjegung, nämlich die: daß den 10 Wil
lionen Deutjchen in Öfterreich- Ungarn bie Stellung gewahrt bleibe,
die ihnen kraft gejchichtlihen Rechts, kraft ihrer Zugehörigkeit zu
der großen deutichen Nation gebührt. Sagte doch auch der augen-
blietliche Leiter der öſterreichiſchen Bolitit, Graf Badeni, in feiner
parlamentarischen Antrittörede vom 22. Oltober v. J., »daß die
auf hiſtoriſchen Momenten beruhende traditionelle Stellung und
langjährige, allen andern Völlern voranleudtende Kultur des
deutichen Volkes ſiets die ihr gebührende Beachtung finden mühen«
(Widerfpruch bei den Jungtihechen!) Sollten einmal die Deut:
ſchen in Öfterreid)- Ungarn durch Schuld oder Schickſal von diejem
geſchichtlichen Plage dauernd verdrängt werden, jollte jie das Los
treffen, der Bölferdünger zu fein für Tichechen und Magharen.
für Stowenen und Stowaten, jollte einmal Oſterreich-Ungarn
ber ſlawiſch⸗ magyariiche Nachbar des Deutichen Reiches werden,
dann wird auch mit Notwendigkeit das Band, auf das Geograpsie
und Geſchichte die beiden größten Staaten Mitteleuropas bin.
weiſen, hohl und brüchig fein. Die deutihe Sprache in Öfter:
reich, der deutſche Befipftand in Öfterreich und das deutich-öiter:
reichifche Bündnis find aufs engite mit einander verfnüpft!
Die deutihe Sprade, in der das deutihe Leben jich wieder:
fpiegelt und die hinmwieberum das deutſche Leben nährt, trägt und
hält, ift ein nationales Gut. Erfüllen wir daber ihr gegenüber
unfre Pflichten! Treten wir ein für die bedrängte deutiche Sprade
allerorten, unterjtüpen wir den deutichen Schulmeijter da draufen,
der auf bedrohtem Sprachgebiet die Fahne unfres Bollstuns
hochhält, aber vergefien wir darüber nicht, was mandem Mein
iheint und doch groß iſt, vergeiien wir nicht, unire
Mutterjprahe auch innerlid zu ſtärken und zu kräf—
tigen, gejund zu machen und gefund zu erhalten, ftreben wir
allefamt nad) jenem großen Spracdharbeitsziele, das da it:
rechtes, jhönes, reines Deutſch in Wort und Schrift!
Rechtes Deutih! Seien wir feine Spracdpedanten, aber
geberden wir ums auch nicht als Sprachſuveräne, beugen wir
uns auch auf dem Gebiete der Sprache vor Ordnung und Gel
wie fie der Sprachgebrauch geheiligt bat! Der geießten, br
wußten Regel lann die Mundart entraten, die freie Tochter ds
Volles, die da in leichter, lojer Gewandung einherjchreitet, nich
aber die Schriftiprache, die, an keinen Ort, keinen Gau, feine Yand-
ſchaft gebunden, heimatberechtigt ift, ſoweit die deutjche Zunge Ming,
die im Palafte des Königs und im Haufe des Bürgers verfehrt,
die die Gedanken des grübelnden Philoſophen und die Geſichte
des gottbegnadeten Dichters der Mit: und Nachwelt übertieier,
die an geheiligter Stätte von den Geheimnifien der Ewigkeit er
zählt und an dem Drte der irdiichen Gerechtigkeit über Mein und
Dein, über Schuld und Strafe urteil. — Schönes Tautid!
Vergeſſen wir nicht, daß die Sprache als Ganzes ein gemaltiges
nationales Kunſtwerk ift, gewaltiger al® der gotische Dom, der
in den Fluten des Rheines jich ipiegelt, vergefien wir aber aus
nicht, daß die Arbeit des Einzelnen an der Sprache, wenn t
nicht bloß Arbeit für die Sekunde ift, Kumjtarbeit fein fol, dei
wie der Künftler mit dem Stoffe ringt, um ihm, was er tie
drinnen in der Seele empfunden, lebendig einzuhauchen, jo ad
der Einzelne mit der Sprache ringen foll, damit das Wort de
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ſchöne Empfindung voll und rein wiebergebe und dann wie ein
verwandter Geijtesflang anklinge in den Herzen berer, die ba
empfänglich find. — Reines Deulſch! Unreines Deutich ift un-
ſchönes Deutſch. Aber die Forderung: Rede und fchreibe reines
Deutjch! iſt nicht lediglich eine Afthetiiche Forderung. Die immer
mehr erftarfende Bewegung, die eine vernünftige Neinheit unjerer
Mutterſprache anftrebt, die nicht jagt: Weg mit dem Fremdwort
unter allen Umfjtänden! die nur fagt: Weg mit dem unnötigen
Fremdwort! iſt nicht bloß herausgewachſen aus dem Echönheit-
gefühle, fondern aud) aus einem gewiſſen vaterländiichen Gefühle.
Diefe Bewegung verkörpert in ſich die vaterländiiche Mahnung: Du
deutjcher Mann, der du fo lange der Echleppentrüger des Aus—
landes gewejen bift, befinne dich auch in der Sprache wieder auf
dich ſelbſt, laß ab, deinen deutſchen Leibrod fremdem Flitter
bintanzufepen, grabe nicht Bijternen, wo der lebendige Duell
deiner Mutterſprache fprudelnd flieht, betrachte nicht von vorn=
herein das fremde Wort ald das beffere, das feinere, gebrauche
ohne Zittern und Zagen das fremde Wort, wenn beine Mutter:
ſprache feinen Erjaß bietet, aber meide das fremde Wort,
wenn du did — nicht bloß nach deiner, fondern nad) gemeiner
Meinung — deutſch ebenfo gut und ebenfo trejfend aus-
brüden kannſt! Suchen wir die Bewegung, die ſolche Ziele an—
jtrebt, eine wahrhaft volfserzieherijche Bewegung, die uns von Luds
wig dem BVierzehnten frei machen will, möglichſt zu vertiefen und
zu berinnerlichen!
Und dann — das Letzte und nicht das Schlechteſte — pflegen
wir den echten Geiſt der dbeutihen Sprache! Was heit
denn das? Jakob Grimm Hat einmal gejagt: »Die Litteratur
eines Volles ift der jugendfriiche Tau, der auf dem Baume der
Sprache ruht⸗. Nun, wir wollen diefen kojtbaren Tau, der da
auf dem Baume der deutjchen Sprache rubt, in der Dürre des
Tages nicht ungemußt vertrodnen lafjen, wir wollen unjre Lands—
leute zurüdjühren zu den echten Quellen deutichen Geiſtes, wir
wollen fie gewöhnen, nicht bloß Hola, ofen und Tolſtoi,
fondern auch wieder Goethe, Schiller und Leſſing zu lefen! Dort
bei unjern großen Slaffitern finden wir, woran es umirer
hajtenden Zeit vielfach gebridt — dem echten Geiſt der deutjchen
Sprade!
Die deutſche Sprache iſt ein nationale Gut. Nach langen
ſchweren Kämpfen find wir zum guten Teil politiich geeint. Möchte
nun auch bald Wirtlichfeit werden, was für Jafob Grimm nur
ein Schönes Traumbild war: » ein Deutichland, fich ſelbſt erfennend,
ftolz alles großen Heils bewußt, das ihm aus feiner Sprache
hervorgeht«.
Sprachliche Zuftände in der Schweiz.
In der Keifezeit, da Taufende deuticher Landsleute ihre Schritte
dem ſprach⸗ und ftammverwandten Nachbarlande zunvenden, dürfte
es angezeigt fein, einen Blick auf die ſprachlichen Zuſtände der
Schweiz zu werfen.
Schon früher ift in diefen Blättern auf das Überhandnehmen
der Fremdwörter und auf das Vordringen der franzöfiichen Sprache
im oberen Rhonethal und in dem urdeutichen Zermatter Thale hin—
gewiejen worden. Wer trägt die Schuld an diefer Verwelſchung,
an dieſem Zurüdiweichen der deutſchen Sprache, das fich übrigens
nicht nur in der Süd-, jondern auch in der Weit: Schweiz zeigt?
Dan hat m. E. zwei Haupturfacden zu unterjcheiden.
Die erſte Urjache ift der Fremdenverfehr. Während dreier
Monate im Jahre wird die Schweiz von Fremden aus aller
Herren Ländern überflutet. Während diefer Zeit liegt der »pral—
Zeitfhrift ded allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 7/8.
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tiſche Schweizer eimer befonderen Thätigfeit, der »Fremden⸗
induftrie«, ob, und jeder, den Geſchäft oder Beruf mit den Freinden
zufammenbringen, tut jein Möglichites, um ihnen entgegenzus
tommen. Daraus erllärt fi) der Gebraud) der franzöfifchen
Spradhe, der »Weltipracdhes, in den Anfündigungen der Gaſt—
bhöfe, den Auffchriften der Geſchäfte, auf den Speifefarten, Ned)
nungen ujw. Daher fommt es, daß man auf den Schiffen des
Vierwaldftätterfees nur einen »capitaine« hat, daß man zufehen
muß, ob man »premiöre oder seconde place« nimmt, daß beim
Schiffwechſel am VBürgenjtod »changement des bateaux« gerufen
wird, daf auf den Bahnen der Schaffner mit den Worten »bie
(!) billets, s'il vous plait« die Fabrfarten fordert. Deshalb giebt
es in Zermatt nur nod) einen cordonnier, der fich zubem nicht
mehr Peter, jondern Pierre nennt, ruft dort der Zeitungsjunge
fein journal de Zermatt aus, muß fich der Bergfteiger nad) einem
Laden umſehen, wo es heißt »ici on marque les bätonse. In
Orten wie Interlafen und Zermatt wird man von Gepädträgern
und Fügrern, wenn man nicht ein gar zu teutonifches Hußere
hat, eher franzöſiſch als deutſch angeſprochen. Ja, ſelbſt die
deutſchen Schweizerlieder find dem Scidjale nicht entgangen, ins
Franzöſiſche übertragen zu werden, um nun dem ftaunenden
Fremden als nationale Schweizerlieder vorgetragen zu werben.
Eine zweite Haupturſache aber ift die mit Berechnung betriebene
Zurüdjegung des Deutfchen von feiten gewifier Berwaltungen.
Wie die Verwaltung der Jura-Simplonbahn im oberen Rhone—
und im Bermatter Thale vorgeht, wie fie dort nur Beamte aus
dem franzöſiſchen Sprachgebiet anjtellt, die Auffchriften meift in
franzöfischer Sprade abjaht, iſt an diefer Stelle ſchon geichildert
worden. ch möchte dem noch einige Erfahrungen hinzufügen.
Am Furkapaß und in Zermatt waren die Depeſchenvordrucke fran=
zöſiſch. Zwiſchen Nealp und Furkapaß fuhr die Poft ein Beamter,
der fein Wort Deutih verjland. In LeufsSuften muhte ber
Schalterbeamte einen Dolmetscher zuziehen, um ſich nur verſtünd—
fich zu machen. Bezeichnend ift, daß die in die Bahnzüge ein-
gejtellten Poſtwagen die Auffchrift Postes, Poste und darunter
Post tragen. »Album illustre des chemins de Fer et Bateaux
Suisses« nennt ſich ein Wert, das die Schönheiten der Schweiz
ihildert und in Bahnhöfen und Gafthöfen aufliegt. Es iſt in
franzöfiiher Sprache gefchrieben, ebenſo find es die meiften der darin
enthaltenen Gejchäftsangeigen. In der Vorrede heißt es, daß dies
Wert zum Zwed der Verbreitung nad) einer Menge von Ländern,
die aufgezählt werden, gefandt worden ſei. Deutichland fehlt
darunter.
Und das alles gejchieht in einem Lande, deſſen Bevölferung
zu 69 v. 9. deutjch ijt und gegenüber einem Neifevertehr, deſſen
deutfcher Teil dem anders fprechenden mindejtend das Gleich—
gewicht hält.
Bas lann bier der deutiche Neijende thun? In der erjten Bes
ziehung jehr viel. Er muß dem Unweſen, wo immer eine paffende
Gelegenheit ſich bietet, entgegentveten und feine berechtigten
Forderungen geltend machen. Wie das im einzelnen zu ges
ichehen hat, dafür kann man feine Negeln geben, es muß das
den Umſtänden und Berjönlichleiten überlafjen werden. Dod
auch in der zweiten Veziehung braucht er nicht mühig zu
fein. Im Berfehr mit den Einheimifchen läßt ſich ſchon Gelegen—
heit finden, auf die Verhältnifje aufmerkiam zu machen. Voraus—
Jebung des Erfolges ijt aber in beiden Füllen, daß man bie
Regeln des Taktes nicht außer Act läht. — Wie verhält fich aber
durchgängig gegenüber diefen Mißſtänden der deutiche Reiſende?
Im beiten Falle gleichgiltig, vielfach entjchuldigend und felbft
befürdernd. Wird ihm auf feine Bitte um einen Fahrplan ein
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Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachveteins. XI. Jahrgang. 1896, Nr. 7/8.
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joldyer in frangöficher Sprache vorgelegt, fo ift er damit zufrieden,
Wird ihm auf eine Frage franzöfiich geantwortet, jo läßt er ſich
auch das gefallen; ja, wenn er dazu imftande ift, bringt er auch
noch fein bifichen Franzöſiſch an den Mamı.
auch, wenn er nad einem »cafe simple« ruft. Um von vielen
Beijpielen eines anzuführen: In St. Niklaus im Zermatter Thale
las ih im Fremdenbuch folgende Eintragung: »Henri M
et famille, fabricant, Cologne«.
Während der Franzoſe und der Engländer überall mit dem
Anſpruch auftreten, in ihrer Mutterſprache verjtanden zu werden,
ift der Deutjche jo bar jedes Selbjtgefühls und Selbſtbewußtſeins,
daß er nicht einmal in einem deutichen Lande feine Wutterfprache
gebraucht.
songs“
Der Berfailer diefes Aufjapes wird gebeten, feinen
Namen und Wohnort der Schrijtleitung mitzuteilen.
Eine Mahnung aus der Mitte diefes Jahrhunderts.
Die Augsburger » Allgemeine Zeitungs vom 7. Februar 1844
enthält unter der Auſſchriſt »Ein Wort über Spradreinigung«
einen längeren Aufjap, aus dem, als für ung am wertvolliten,
folgender Abſchnitt hier angeführt fei zum Beweiſe, wie die Fragen,
welche unfer Verein behandelt, ſchon lange vor Niegels befanntem
Büchlein und der Gründung unſeres Bundes bald da und dort
vaterländiſch gefinnte Männer erregten. Diefer Abſchnitt lautet:
» Ein wirkliches Bedürfnis, Fremdwörter zuzulafjen, findet nur
da Statt, two wir uns mweitläufig oder geziert ausdrücken müſſen,
falls wir Bezeichnungen umgehen wollten, wodurd einmal alle |
ebildeten Völker in Wiſſenſchaſt und Geſchäfteleben ſich zu ver—
tündigen pflegen. Hierdurch wird aber nirgend eine Eigenthüm—
lichteit unjeres Volkes zurücgedrängt oder verlegt; denn es handelt
id) ja nur von Dingen, die uns unter dem gleichen Winlel er—
cheinen, mögen wir fie von der Themje oder von der Donau
aus betradyten. Ganz anders hingegen verhält es ſich mit Dem,
was mir das Weſentliche zu fein jcheimt an der Fremdwörterſucht
der gegenwärtigen Zeit. Sie iſt fein Ergebnis der Beichränftpeit,
fondern der Verjlahung, und deshalb gefährlicher als die Aus-
länderei einer früheren Zeit. Die Nadhäfjung des Franzöſiſchen
jtand unverhüllt da als Das, was fie war, als haltungslofe
Schwäche und undeutjche Seichtigkeit, hatte daher ‚nur für Sanıe
etwas Berführeriches, und wurde ſchon von dem Verfaſſer des
Simplieiffimus eben fo verdammt, wie von Leſſing. Daß man
zur jelben Zeit die Alten vergötterte, weit auf eine tüchtige
Grundlage unſerer Bildung zurüd; denn ohne jene anhaltend
ernfte Beſchäftigung mit dem Alterthum hätten wir feinen Haller,
Bodmer, Leſſing und Windelmann befommen,. Gegenwärtig aber
geh ed auf ein Allerwelts- Schriftentyum los: einen ſchmackloſen
(bfud wollen fie bereiten aus engliichen Comforts, aus ſpaniſcher
Grandezza, aus Pariſer Blaſirtheit; jelbjt einen ruſſiſchen Beiguß
würde man nicht verſchmähen, böte das Leben an der Newa Stoff
dazu bar.
Wäre es meine Abficht geweſen, Ander&dentende zu gewinnen,
oder aud nur Solche aufmerkjam zu machen, die ſich nie um das
belümmert haben, wovon hier die Nede it, jo hätte ich umſtänd—
licher zu Werke gehen müſſen. Wllein meine Hingemworfenen Bes
mertungen follten nur als Anjtoß dienen, damit jchon vorher
Überzeugte fi in der Sache etwas zu thun entſchließen. Daher
reihe ich einige Vorſchläge an, die mir nahe zu liegen jcheinen.
Wer Unterrichtsbücher jcyreibt, oder als Lehrer mündlid) mit der
Jugend verehrt, Geſchichte, Glaubens- oder Sittenlehre vorträgt,
die Überfegungen aus fremden Sprachen oder die Arsarbeitungen
in der Wutteriprad;e leitet, gejtatte weder ſich nod feinen
Schülern je die unnöthige Anwendung von Fremd—
wörtern. Warum er jo verrährt, braucht er nicht einmal zu
jagen; es iſt ein jo natürliches Verfahren, daß es ſich der uns
verdorbenen Jugend von felbjt empfehlen wird. Befolgen viele
Lehrer einen Grundjaß, an den jeder ‚binnen wenigen Wodjen
ich gewöhnen fan, jo wird ein guter Theil des heramvadı-
jenden Geſchlechtes das Deutiche reiner, als dies jept der Fall
Wie ſchön Hingt es |
ift, ſprechen und fchreiben lernen. Wer aber jelber von Jugend
an jo fpricht und jchreibt, defien Ohr ift weit empfindlicher für
Verjtöhe, die in Ddiefer Hinſicht Andere fih erlauben. Dies
wird wiederum Einfluß auf die Tagesichriftiteller üben; denn
gewiß werden fie nichts ſchreiben wollen, was einer bedent-
lichen Zahl dentender Leer gerade mißfiele. Weiterhin iſt es
aud) wiünichenswert, daß in Mechtspflege, Verwaltung und Geld—
wirtichaft, da überhaupt im Geichäftsleben des Staates und
der Einzelnen allmählich manche fremde Benennungen dur ein-
heimiſche erfeßt werden. Solche ohne Weiteres zu ichaffen, it
immerhin gewagt; weit bejjer, man verdrängt das Fremde,
was jich eingeniftet, dDurd etwas Altes, was man aus
unjerm Sprachſchatz bloß aufzufriſchen nöthig hat.
Hierzu empfehle ich nun die Jahr: und Geſchichtsbücher, Die
Xebensbejchreibungen, die Urkunden und Brieffammlungen vors
nehmlich der alten freien Neichsftädte, und zwar um des ſich
ergänzenden Gegenſatzes willen, der zwiſchen füddentihem Binnen-
leben und norddeutichem Seeleben Statt findet, insbeſondere
die von Ulm, Augsburg, Nürnberg einer Seits und anderer
Seits die von Kübel, Bremen und Hamburg. Dort liegt eine
Fundgrube verborgen, deren Fülle mid oft überraſcht, und mir
eine aus Scham und Verdruß gemiſchte Empfindung abgerungen
hat, wie es doch möglich gewejen fei, daß wir einen jo großen
Barverluit im Laufe mehrerer Jahrzehnte nit einmal wahr:
genommen haben. a, künnte ich bier in gedrängter Überficht
nur eine Ahnung geben von dem Reichthum urdeuticher Aus—
drüde, die uns umwilltürlid eine viel bewegte, blühende Zeit
vor's Auge rufen und das ehrwürbige Bild unferer Väter ver:
gegenwärtigen, fo würde mancher Yejer, der bisher nur um-
gläubig oder mit vornehmem Lächeln zugehört hat, friſchweg
auf meine Seite treten und gemeinfchaftlidie Sache mit mir
machen. Allein, die bloße Überjiht nähme mehr Raum hinweg,
als id) glaube anjpredhen zu dürfen, und, wie gejagt, es iſt gar
nicht nöthig, da wir Ingläubige belehren; die Wleichgefinnten
reichen aus, jobald jie über die Mittel einverjtanden find. Daber
mein dritter Vorſchlag. Er nüpft fi an »Bernhardi'3 Sprad-
larte«, an eine Erideinung, die mir gleid) beim erjten Anblid
eine ungetheilte Freude verurſacht hat. Bald hoffe ih, es zu
erleben, daj; fenntnisreihe Männer in allen Landichaften des
deutichen Eprachgebietes ausgehen, um die Eigenthümlichfeit
jeder Mundart genau zu beobadten, und dann das Er-
gebnis ihrer Beobadytung den ſpruchfähigſten Nichtern vorzulegen.
Nun eben bei Bejorgung ihres ſchönen Auftrages werden fie die
bejte Gelegenheit finden, unmittelbar aus dem Wunde des Voltes
viele Ausdrüde und Redensarten zu vernehmen, die auf den bier
bejprodjenen Zweck einichlagen, und meine Bitte geht dahin, daß
fie die Mühe nicht ſcheuen möchten, ſich diejelben befonders auf-
zuzeichnen. Dies biefe in Wahrheit und im vollften Sinne des
Wortes aus lebendiger Quelle jchöpfen. Doch gejept, der Vor—
ſchlag fände Beifall und wäre bereit? ausgeführt, wie wird das
auf joldhem Wege Gewonnene zum Gemeingut werden? Wicht im
feinem ganzen Umfange und ohne Ausnahme, eben jo wenig raſch
und auf einem Schlag, fondern dadurch, daß gute Schriftiteller,
fern von künſtelnder Yicbhaberei, bald bier, bald da ein Wort
von altem Schrote, umgeprägt auf den Stempel der Gegenwart,
in Umlauf brädten. Unſere Sprache würde fomit, neben ihrer
fortwährenden Fübigfeit, Neues zu erzeugen, auf geraume Zeit
hin aus dem gefunden Vorrathe der Vergangenheit ſich nähren,
und hiervon getraue ich mir unjerer Schriftenwelt heiljame Früchte
zu verfprechen. Denn vergefien wir nicht, daß ſelbſt Schiller's
und Goethe's Spradye feinen geringen Theil glüdlid) zu Tage ge
fürderter Herrlichkeiten einer früheren Zeit verdankt.«
Graz im Mai 1596, Hans Lange.
Mitteilungen über Peſtalozzi.
Nach einem furzen Bortrage, gehalten im Zweigvereine
Bonn.
Am 12. Januar d. J. beging die deutjche Lehrerwelt mit Be
geifterung den 150, Geburtstag des großen Erziehers und Lehrers
Joh. Hein. Peſtalozzi. In Schrift und Rede wurden, wie zu
Dieſterwegs Zeiten, von neuem feine Verdienſte um unſere all-
gemeine, öffentliche Voltsbildung beleuchtet und mit Bewunderung
gewürdigt. Unter den Berdienflen des gefeierten Menſchenfreundes
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aber ragen auch ſolche hervor, die ihn ald einen VBorfämpfer
bed a. d. Sprachvereins erjcheinen laſſen. Es fei mir ges
ftattet, in kurzen Grundzügen auf diefe Berbienite Hinzumeifen.
Peſtalozzi bat 1781 »Lienhard und Gertrud, ein Buch fürs Volle,
herausgegeben. Durch diefe Schrift wurde fein Name raſch durch
die Thäler der Alpen in alle deutihen Gauen bineingetragen.
Das Buch fand die günftigfte Aufnahme. Alle Zeitungen fprachen
davon. Die Kalender braten Proben. Hoc und niedrig erging
fich mit Hingabe, Anerlennung oder Dank in den naturwahren
Schilderungen des volfsfundigen Schweizers. Erblidt auch bie
Schule mit Recht in Lienhard und Gertrud« vornehmlid eine ers
ziehliche Schrift, fo ift fie doch vom litterariichen und jprachlichen
Standpunfte aus entichieden eine Dorfgeſchichte. Peſtalozzi ift
durch » Lienhard und Gertrud« für unfer deutiches Schrifttum der
hervorragendſie Begründer der Dorigeihichten geworben. Und
feine Dorfgejhichte iſt hervorgegangen aus ber unmittelbaren
Fühlung mit dem Landvolte. Ihre Sprache ift bie fraftvolle,
ichlihte Sprache des Volles. Luther jagt, um gut deutich zu
ichreiben, folle man bem gemeinen Manne aufs Maul jehen.
Solche Dorfgeichichten find wirklich eine ergiebige Fundgrube für
die Bereicherung der Sprache mit fernigen, unwlichiigen Stämmen,
mit treffenden Redewendungen und lichten Sprachbildern. Und
wenn irgend einer vor 100 Jahren mit Glück aus dem Jung—
Brunnen der lebendigen Vollsſprache geichöpft hat, jo iſt es
Peſtalozzi in » Lienhard und Gertrud.« — Ganz bejtimmt verlohnte
es ſich der Mühe, bei Peſtalozzi nah gutdeutſchen Ausdrücden
für wucernde Fremdwörter zu Suchen. Da leſe ich z. ®. auf
einigen Seiten: »Sie laſſen ſich ſcheeren. Ich gehe auch ins
Barthaus. Da der Vogt in die Scheeritube lam, grüßte er
den Scheerer.«
Weit mehr aber hat Peſtalozzi den Beitrebungen bes a. d.
Sprachvereins durch jeinen Einfluß als großer Shulmann vor-
gearbeitet. Sein oberjter Grundfag dringt auf finnlicdhe Ans
ihauung als auf die Grundlage aller Erfenntnis »Das A aller
Erkenntnis ijt die Anſchauung, das letzte Biel der deutliche Be-
griff.e Die Kinder follen auf Grund der Anſchauung wirklich
verjlehen lernen, was ihnen der Unterricht bietet; da8 aber, was
fie verftanden haben, jollen fie auch in Maren Worten jpradı-
richtig zum Ausdruck bringen. So arbeitet Peſtalozzi mit Biel:
bewuhtiein »dem verjtändnislofen Maulbrauden« ent:
gegen. Um feinen Zwed einer gründlichen Bildung beftimmter
zu erreichen, macht er die Mutterjprade zum hervorragenden
Unterrichtögegenitande für die Schule. Seine »Tonlchre«, »Namen;
lehre« und »Sprachlehres find teild mehr, teild weniger gelungene
Verſuche, die Jugend an ben jaubern, richtigen Gebraudy ihrer
Mutterfprache zu gewöhnen, der Hand in Hand geht mit verjtäns
digem Denfen.
Seine Schüler trugen die vortrefflichen Gedanken in aller
Herren Länder, ganz bejonders aber nach Deutfchland und bildeten
hier die Lehrweiſe des großen Meifters in den Schulen des Volles
aus. Es braucht nur erinnert zu werden an den Sculrat von
Türt in Potsdam, an die Seminardireftoren Diefterweg und
Harniſch, an Kellner und Kehr. Dichter und Gelehrte griffen
den Gedanken einer gründlicheren allgemeinen Volfsbildung freudig
auf und trugen die entflammte Begeifterung in alle Stände und
Berufsklaſſen hinein. So entwidelte fih unfere blühende
Vollksſchule, die gewiß mit zu den fchöniten Vorzügen unjeres
lieben Baterlandes gehört. Die Boltsjchule aber ift ſtillſchweigend
ein berufenes und thätiges Mitglied des a. d. Sprachvereins, be:
fonders in der Verarbeitung der Gedanken Peſtalozzis.
Bonn. Johann Reuter,
Zeitſchrift des allgemeinen beutihen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Nr. 7/8,
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Sranzöfiibe Befuhstarten.
In dem Berichte der »Hamburger Nachrichten« vom 1. April d. J.
Abend-Ausgabe, über die Vorbereitungen zur Geburtstagsfeier
im Haufe des Fürften Bismard wurde u. a. der reichen Blumen
Ipenden gedacht; mehrere der Gejchenfgeber wurden genannt und
jo wurde denn auch angeführt, eine Zufammenftellung von Nofen
zeige auf der beigegebenen Sarte den Namen Madame Borgnis,
nöe baronne de Merck. Es ijt der Name einer Hamburgerin,
der Gemahlin eines biefigen Haufmanns, die durch ihre Geburt
einer unferer geadelten Kaufmannsfamilien angehört. Wie fommt
diefe im der deutſchen Stadt Hamburg geborene und wohnhafte
Frau dazu, ſich franzöfiiche Karten druden zu laſſen? Ant—
wort: Sie ijt jedenfalls der Meinung, eine franzöfiiche Karte
jei vornehmer als eine deutſche. Und wie kommt fie zu dieſer
Meinung? Schwerlich aus ſich felbft, fondern fie befolgt
nur die Sitte anderer Adelige. Daß bei Adeligen!) in den
60er Zahren und noch bis in bie 70er hinein folche frans
zöfische Bejuchstarten gebräuchlich waren, war mir befannt, ich
hatte indefjen geglaubt, nachgerade babe dieſe Verleugnung
des Deutſchtums aufgehört; das Beifpiel der Frau B. legt mir
leider die Annahme nahe, daß ich dem bdeutfchen Bewußtſein eines
bejtimmten Teile8 meiner deutjchen Landsleute zu viel zugetraut
habe. Die ficherlich ehr adjtungswerte Frau hat offenbar gar
lein Gefühl dafür gehabt, was darin liegt, wenn fie 25 Jahre
nad) der Begründung des Deutichen Neiches dem Manne, der das
Meiſte dafür gethan Hat, daß wir Deutjchen, wieder in einem
Neiche vereinigt, mächtig und angeſehen daftehen, in dieſer Weiſe
ihren Dank darbringt und ihm damit eine Freude zu bereiten
jucht. Denn der Einn, der darin liegt, ift doch eigentlich diefer:
» Euer Durchlaucht haben eine gewaltige Arbeitsfraft daran gejeht,
den Deutfchen wieder ein Baterland zu fchaffen, auf das fie ftolz
fein fönnen, aber Euer Durdjlaucht haben damit eine Verirrung
begangen und hätten befjer daran gethan, vielmehr dafür zu ar-
beiten, daß die Deutjchen wieder wie zu des erjten Napoleon
Zeiten unter frangöfische Herrihaft gefommen wären, benn bie
Franzojen find doch mum einmal ein Volt, das höher ſieht als
das dentiche; da Euer Durchlaucht das nun aber nicht gethan
haben, und ich daher leider nicht das Glück habe, dem franzöfiichen
Staate anzugehören, jo will ich wenigſtens zeigen, dafs ich geiftig
mich zu den Franzoſen rechne und mid fchäme, eine Deutiche
zu jein!«e Natürlich Hat der Verehrerin unferes großen Reiches
baumeifters diefe Gedankenreihe gänzlih jern gelegen; fie würde
ohne Zweifel ſogar höchlich erjtaunen und lebhaften Widerfprud
erheben, wen jemand ihr begreiflich zu machen verfuchte, daß
ihre franzöfiiche carte de visite in Wirklichteit diefen Sinn habe.
Das ift ed eben, die Muslandöfucht jtedt uns Deutichen fo tief
im Blute, daf wir in aller Harmlofigfeit uns ſelbſt fortwährend
herabwürdigen, ohne es zu merfen, und uns dann noch wundern,
wenn uns das Ausland jo oft die Achtung verjagt, die ed nur
dem ſich jelbjt achtenden Volle gewährt. Für diefes Jahrhundert
ift darin feine Anderung mehr zu erhoffen; ob es im nächften
bejer werden wird? *)
Hamburg. J.
1) bei vielen Bürgerlichen leider auch! Die Schriftleitung.
2) Die »MNeue Bayeriiche Yandeszeitung« hat inzwiichen ein
ähnliches Beifpiel von Mangel an Stolz a unsere Mutteriprache
beigebradht und zwar, was ganz bejonders zu bedauern ift, bei
einem berufenen Vertreter des Deutichen Reiches im Auslande,
Es ift ihr nämlich aus Buenos-Ayres die Karte des dortigen
deutichen Geſandten zugejchidt worden, die lautet:
Le Baron de Heintze-Weissenrode
Charge d’Affaires d’Allemagne. D. Schriftl.
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„Wer folgt nach!“
&o fragt Herr H. am Schluſſe feines Auffapes »Berdeut-
{hung ber Fremdwörter in Saßungen« in Nr. 3 biejer
Beitjchrift. Dem Berfafjer fann ich, jedenfalls zu feiner Freude,
mitteilen, dab der Sähfifhen Renten-Verſicherungs-An—
ftalt zu Dresden in dem löblihen Streben, ihre Safungen von
den Üüberflüffigen Fremdwörtern zu reinigen und den ſchwülſtigen,
fhwerveritändlichen Kanzleiſtil durch ein flichendes, Mares Deutſch
zu erjeßen, auch die Kreis-Spar—- und Darlehnäfaffe zu
Sobernheim bei der Abänderung ihrer Sapungen im Jahre 1892
gefolgt ift. Nachitehende Gegenüberitellung giebt ein erfreuliches
Zeugnis von dem wohlthätigen Einfluſſe, den der allg. deutſche
Sprachverein, der in Sobernheim durch einen Zweigverein ver-
treten ift, auch auf dem Gebiete des Kaſſenweſens geltend zu
machen vermag:
1877
(Jahr der Gründung ber Spar:
und Darlehns⸗Kaſſe.)
1892
(Jahr der Abänderung
ber Satzungen.)
Statt . . . Neue Sapungen.
Kreis: Inftitut . Kreis: Einrichtung.
Garantie . Bürgicaft.
Rendant . Necner.
Gontroleur Gegenrechner.
Remuneration Gehalt.
Inſtruction . Anweiſung.
Mit dem Rechte der Subftitution . Mit dem Rechte, Stell:
vertreter zu ernennen.
Journal . Tagesbücher.
revidirt nachgeſehen.
Bilanz Abſchluß.
Deputation Nbordnung.
dedargitt . - - entlajtet.
Siem. Duittung vorläufige Beicheinigung.
ategorien . ; Klaſſen.
Geſchäftslolal Geſchaftsraum.
Reviſion . . Kajjenprüfung.
— — Vorzeigung.
itimation Berechtigung.
Seierbes Bonds - Rüdlage- Fonds.
(warım mun nicht ganz deutich, etwa Nücdlage-Bermögen ?)
Activa, Balliva. . . Bermögen, Schulden.
Controle der Verwaltung Nuffiht der Verwaltung.
Dorument Urkunde.
Intereſſenten Beteiligten.
Sobernheim. J. Belter.
Inzwiſchen hat die Schriftleitung noch verjchiedene Zuſchriften
über denjelben Gegenitand erhalten. Zunächſt teilt der Verſaſſer
des Auffaßes über die Verdeutſchung der Fremdwörter in Sapungen
nachträglich mit, daß die Aufſchriften der Rechnungsbücher
bei der Sächſiſchen Rentenverfiherungss Anstalt zu Dres-
den wie folgt verdeutſcht worden find:
Hupothelenzinienberedinungsbuh — Grundzinjenbered)-
—— Einlageſtrazze — Einlagenbuch; Hypotheken—
—— — Verzeichnis der Grunddarleben: ypotheten⸗
ebitorenbuch — Berzeichnis der Grundſchuldner; Memo—
rial — Merkbuch; Kaſſenjournal — Kaſſen-Tagebuch;
Agentenſtrazze — Geſchäftsvermittlerbuch; Agenten—
tontobuh — Rechnungsbuch für Geſchäftsvermittler;
Kontobuch der Wertpapiere — Rechnungsbuch über Werts
papiere; Klaſſenbuch nebit Negifter — Klaſſenbuch nebit Ber-
zeichnis; Nüdeinfagetabellen — Nüdeinlagetafeln; Renten:
auszahlungstabellen — Nentenauszahlungstafeln; Spezial-
Hafienfontobuc jeder Jahresgeſellſchaft — Redinung über die
Klajien jeder Jahresgeſellſchaft; Requiſiten verzeichnis — Ber«
zeichnis der Gerätſchaften; Utenſilienverzeichnis — Verzeich—
nis der Bedarfsjtüde.
Unter Beifügung des alten »Statuts« der » Stenographiichen
Geſellſchaft nach Stolze zu Berline übermittelt uns Herr U, See—
Zeitfärift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 189. Wr. 7/8.
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wöfter die neuen »Safungen« derſelben Gejellihaft, in denen
aufer den bier ſchwer zu erfegenden Auäbrüden »correspon-
dierendes Mitglied«, »abfolute Mehrheit« und »Archivare feine
Fremdwörter mehr zu finden find.
Ferner erhielten wir die »Sapungen der Niederlaufiter
Geſellſchaft für Anthropologie und Altertbumsfunde«,
die ebenfalld gründlih von Fremdausdrüden gejäubert worden
find,
Schließlich jchreibt Profeffor Stier, der verdiente Vorlämpfer
für unfere Beitrebungen in Neuruppin:
»Ein Mitglied des Vorſtandes unſeres Zweigvereins ift kraft
feines neuen Amtes als Safjen: Kurator (jet ‚Kaffenpfleger)
im Gemeindefirchenrate der im ‚Etats Entwurf‘ vorgefundenen
Berwelihung gründlich zu Leibe gegangen. Zwar muhte ‚Acci-
dentien‘ noch ſtehen bleiben. Much bat ihm der Gemeindelirchen-
rat nicht geitattet, für Hejervefonds ‚Rücklagekaſſe‘ zu jegen, nur
Reſervelaſſe‘ wurde jchliehlich zugelafien. Aber es ift ihm nicht
verwehrt worden, in dem num gedrudt vorliegenden ‚Boraniclag
für die Kirchentaffe der evangeliichen Gemeinde zu Neuruppin für
1896/95 * folgende Berdeutihungen einzuführen:
Armendireltion — Armenverwaltung; Bibliothet —
Bücherei; Konfirmation — Einjeqnu 2 Heizungshono=
rar — für Heizung; Barzelle — Flurftüd; Reparatur —
Inftandjepgung; Reparaturen — Ausbeijerungen; Ka—
pitalien — Bermögen; Kapital-Konto — Gejamtvers
Br: preußiihe Konſols — preußiihe Anleihe; Hypo—
theten — Grundbudforderungen; Amortijationsrente
— Nutenzind; Trejor (det Geldichrantes) — Geheimfad;
Teftament — leptwillige Verfügung; Legat — Stif—
bi Dokumente — Urkunden; firiertes Komdeputat
ormeinlommen oder Geldwert; Dispofitionsfonds —
Berfügungstaife; Nemuneration — Entjhädigung;
Emeritengehalt — Rubegebalt; Penfionsfonds — Renfions
fajje; rejervierte (Stellen) — gefidherte (Stellen); Zahlungs:
termin — fällig; balaneirt — hebt ſich; ufw.«
Die Sremdwörter und der quite Geſchmack.
Bor furzem hat der Geh. Juſtizrat Walther Genjel in
Dresden, der fich durch jeine Schrift Über die Sprache des Ent«
wurfs eines bürgerlichen Geſetzbuchs (Leipzig 1893) in den Kreiſen
der Spradjfreunde befannt gemacht hat, einen ausführlichen, höchſt
beachtenswerten Aufiap über unfere Juriſtenſprache in dem
Sächſiſchen Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeh (Bd. 6)
veröffentlicht. Im der Einleitung diejer Abhandlung wendet er
ſich gegen die Fremdwörterſucht vieler feiner Fachgenoſſen, indem
er beſonders betont, wie unjhön und geichmadlos der Gebrauch
entbehrlicher Fremdwörter fei. Hierbei führt er den überaus treffen:
den Ausſpruch eines deutichen Juriften an, der gegenwärtig als
Dolmeticd bei der deutichen Gejandtichaft in Japan und ala Pro:
feſſor des deutichen Privatrechts an der Univerfität Tolio wirft,
des Dr. Lönholm. Diefer, ein Freund der Sprachreinheit, macht
in der Vorrede zu feinem kürzlich erfchienenen Handbuche des japa-
nischen Handelsrechts folgende VBemerfung: »Wer Anſtoß nimmt
an der in diefem Buche unternommenen Erſetzung vieler altge-
wohnter Fremdwörter durch deutſche Wörter, der möge bedenken,
daß ein Mann, der fein Leben im Auslande lebt und deſſen Obr
in bunter Miſchung japanische, deutjche, englifce und franzöſiſche
Laute umtlingen, allmählih empfindlicher und, ich möchte be
haupten, feinfühliger wird in Bezug auf die fremden Laut:
gebilde, die ſich mißtönig in die Mutterſprache hinein—
drängen und ihre Reinheit trüben«.
Das iſt ein wahres, trefiendes Wort. Schon die Nüdjicht
auf dem guten Gefchmad jollte, abgejehen von allen anderen
145
Gründen, jeden Deutjchen von dem Gebrauche umnötiger Fremd»
wörter zurüdhalten. Möchten doch recht viele unferer Landsleute
dem wackeren Vorkämpfer des Deutjchtums im fernen Aſien in
folder Feinfühligkeit nacheifern!
Dresden. H. D.
Die Sremdwörterei der Gelehrten.
Gegen die bei vielen Gelehrten noch immer herrſchende Unfitte,
übermähig viele Fremdwörter in ihren Schriften zu gebrauchen,
wendet fih Prof. Dr. M. Trautmann aus Bonn in einer Be—
fprehung des von Andreas Heudler verfahten Werkes über ger-
manifchen Versbau (Anglia, Beiblatt 6, Februarheft 1896). Er
ſchließt nämlich feine Beurteilung mit folgenden beherzigenäwerten
Worten: »Nod eine Bemerkung kann ich nicht umbin bier zu
machen. In dem, was Heusler jchreibt, wimmelt es von ent—
bebrlichen Fremdworten. Oder lichen jich für ‚occafioneller
Rhythmus‘, „indifferenzierte Cadenz‘, ‚functionell differenziert‘,
‚Balance der Versglieder‘, ‚hybride Anlaute‘, ‚concinner Bau‘
uff. uff, wirklich nicht trefiende deutiche Musdrücde finden? Ich
fage nicht, dal; e8 in diefem Bunfte bei Heusler fchlimmer aus-
jehe als bei den meijten Fadıgenofjen und verwandten, ich will
auch weder ihm nocd anderen unangenehme Dinge jagen; aber
ic) lann nicht unterlajfen, mic; gegen die faft allgemein geübte
Unfitte des übermäßigen Gebrauchs unnötiger Fremdworte zu
wenden. Das iſt ſprachliches Lumpentum Weite reife haben
angefangen, fich diefes Beſchmußens der Mutteriprache zu ſchämen
und ftreben nach Beſſerung. Doch bei Gelchrten und befon-
ders Spradgelchrten ift noch herzlich wenig von der Erkennt:
nis zu jpüren, daß es auch ſprachliche Pilichten giebt.«
Dreöden. 9. D.
Rleine Mitteilungen.
Die Königl. Eifenbahndireltion in Bromberg hat feit
Jahren wiederholt die Vermeidung der Fremdwörter im amtlichen
Schriftenvertehr angeordnet, und fie hat zu diefem Zwecke bereits im
Jahre 1889 ein Verdeutſchungswörterbuch unter ihre Beamten
verteilt. In einem der letzten Amtsblätter wird an die vorher:
gehenden Verfügungen erinnert und ein weiterer Schritt in der
Berdeutihung durch die Beitimmung getban, daß Neudrude von
bejtehenden Drudmuften erjt dann bergeftellt werden follen,
nachdem etwa in ihnen vorfommende Fremdwörter durch deutſche
Wörter erjept find.
— Seit dem Jahre 1870 wurde in der reichsländiichen Ver:
mwaltung das Wort »enregistrement« gebraudit. Durch Verfil—
gung vom 4. Mai d. %. hat nun der Etatthalter von Elijah:
Lothringen, Fürft von Hobenlohe-Langenburg, diefem
ſchwer auszufprechenden Worte den Garaus gemadjt, indem er
die »Enregiftrementss Berwaltung«e in »Berwaltung ber Vers
fehrsjteuerne, und die »Enregiitrements-Einnehmereien« in
»Berlehrsjteuerämtere umgewandelt, und den bisherigen
» Enregiftrements-Einnehmern« den Titel »Rentamtmann«
verliehen hat.
— Der Preufiiche Finanzminister Dr. Miguel und der Mi—
nifter des Innern Freiherr v. d. Nede haben zur Vereinfachung
des Geihäftsganges und zur Verminderung des Schreibwerls an
die ihnen unteritellten Behörden eine umfangreiche Verfügung
erlaffen, die auch für unfere Beitrebungen von Belang iſt, da
fie geeignet ericheint, eine Beſſerung und Vereinfachung des
Kanzleiftils herbeizuführen. So follen in Zukunft die bisher
üblihen Eingangsformeln fortfallen, ebenjo die fogenannten ſtu-
Zeitfhrift ded allgemeinen deutfhen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 7/8.
146
rialien (»gehorfamft, ergebenft« ufw.) und die Anreden mit
»Euer Hoch-, Hochwohl- und Wohlgeboren«. Aus den übrigen
Beftimmungen find folgende Sähe hervorzuheben: »Die Schrift:
ftüde find rein fachlich, in Harer und knapper Rusdruckeweiſe zu
fafjen.e — »Bei den auf urjchriftliche Verfügungen einer vorge
fetten Behörde zu erftattenden Berichten ift jede Einleitung
fortzulafien und ohme weiteres mit der fachlichen Bericht:
erftattung zu beginnen. Kurze Berichte können auf die Borlage
felbft gelebt werden.«
— Im verjchiedenen Zeitungen iſt jept folgende Anzeige zu
lefen: »Vix-Bara Avize (Champagne) — Tire en Bouteilles
ä Schiltigheim prös Strasbourg. »Carto noiree —
ä Flasche 4,00 Mark bei Entnahme von Originalkörben
A 12, 25 und 50 Flaschen. — Gönöral(t)-Depöt für Deutsch-
land: F. W Borchardt, Königlicher Hoflieferant. —
Berlin W.«
Die Anzeige ift der Schriftleitung von mehreren Seiten zus
gegangen. In einer Einjendung aus Met wird bemerkt: »Die
bier in Mep wohnenden Kaufleute, auch die Hoflieferanten,
würden ſich fchämen, eine ſolche Anzeige in die hiefigen deutichen
Blätter einzurüden.« Wir meinen aber, daß font jo national
gefinnte Zeitungen wie die »Deutfche Zeitung« und die » Tägliche
Rundſchau«, in denen dieje jedes Deutfchgefühl verlegende Ans
fündigung des Herm Borchardt geitanden hat, auch auf die Auf-
nahme folder Anzeigen verzichten follten, da fie doch im zu
grellem Widerjpruche zu den Grundjäpen diefer Blätter jtehen.
— In der Nprilverfammlung de Grazer Lehrervereins beiprad)
Herr Ubungsſchullehrer Julius Heuberger die Mufgabe der Volls—
ſchule bezüglich der Befreiung unferer Mutterſprache von der Laſt
der Fremdwörter. An vielen, mitunter jehr ergöglichen Beiſpielen
zeigte der VBortragende, wie jehr nicht nur unjere Schriftiprache,
fondern auch die Mundart von Fremdwörtern durchfept iſt, und
führte eine wahre Blütenleſe von derartigen, aus dem Slove—
nischen, Tichechiichen, dem Franzöſiſchen, Italieniſchen eingeſchlichenen
Wörtern und deren Anwendung vor. Jeden Nichtdeutjchen wird
es überrafchen, zu erfahren, daß das von der oberjten öſt—
reichiſchen Schulbehörde für die Volls- und Vürgerfchulen bes
ftimmte deutiche Wörterverzeichnis unter 7200 Wörtern, welche
der Rechtichreibung wegen angeführt find, nicht weniger als
2500 Fremdwörter enthält. Der Bortragende zeigte, mit welchen
Mitteln der Lehrer durch die Schule für die Entfernung der
überflüffigen und unjere fchöne Sprache verumzierenden Fremd⸗
wörter arbeiten fann, ohne jedoch in die lächerlich gewordenen
Fehler mancher Spracdhreiniger früherer Zeiten zu verfallen.
— Huch ein Meiner Erfolg. Als vor 6 Jahren bie
württembergijchen Oymnafiallehrer verfammeltiwaren, um einen Ber-
ein zu gründen und diefem Geſehze zu geben, beantragte der Vorſiher
bes Stuttgarter Sprachvereins, Profeſſor Karl Erbe, es möge ftatt
» Etatuttene gejagt werden » Saßungen« und ftatt » Generalverſamm⸗
lunge » Hauptverfammlunge Die Antwort war ein jchallendes
Gelächter der überwiegenden Mehrheit und der in entrüftetem
Tone ausgefprochene Begenantrag eines Gymnajialdireltors, »Sta-
tuten« jtchen zu laſſen. Immerhin gelang es damals, »General-
verſammlung« duch »Landesverfammlung« zu erjegen. — In
der am 13. Juni d. J. abgehaltenen Landesverfammlung aber
jtellte der Vereinsausfhuh, zum freudigen Erjtaunen des da—
maligen Antragftellers, von fi aus den Antrag, es möge u. a.
für »Statuten«e gejagt werden »Sapungen«; und fiche da, feine
einzige Stimme erhob ſich dagegen. Steter Tropfen höhlt den
Stein.
147
In der Geſchichte des Martintifts im Fild bei Moers
(Moers, Sparmann 1805) berichtet Oberlehrer und Alumnats-
inſpeltor Brenzel mit dem Tone der Befremdung, dab vom
Provinzial: Schultollegium im Dezember 1388 wieder eine ganze
Neihe von Änderungen der Sapungsentwürfe verlangt worden
jet, »die fich freilih, harakteriftiicher Weife, zum Teil nur
auf Verdeutſchung einzelner techniſcher Ausdrüde beziehen. So
foll 3. B. das Wort Kommifjar durch „Vertreter, die Wörter
Neglementd® und Inſtruktionen durd Haus- und Dienjt-
ordnung‘, ölonomiſche und finanzielle (sc. Verwaltung !);) durd)
‚laufende‘, Amtsperiode und Subjtitut dur ‚Amtszeit‘ und
‚Erfapmannt, disponible, Jahrespenfion, Alumne, Majorität
durd; „verfügbar, Zahresfojtgeld, Zögling, Mehrheit‘
uſw. erjeßt werden,e — Der Spracverein hat wohl allen Grund
dem K. Provinzial Schulfollegium zu Koblenz für fein Einſchreiten
gegen den Fremdwörterunfug bei einer deutſchen Erziehungs
Anjtalt danfbar zu fein. Daß die Herrn vom Ausſchuſſe (Cura—
toriums jagt man in Moers), die eben noch anderes zu thun
haben, jede Verzögerung der jtaatlichen Anerkennung ihrer Anftalt
mit jteigendem Mikbehagen aufnahmen, begreifen wir wohl. Der
»wiſſenſchaftlich gebildete« Herr Stiftvorjteher (» Alumnats=
SInipeltore) aber hat hoffentlich inzwiſchen die Berechtigung der
amtlichen Erinnerung eingefehen. Für eine neue Auflage des
»Statutd« möchten mir ihm empfehlen, das Wort » Statut« durch
»Sapungene und das lateinifche »pro annoe durc) »jährlich« zu
erjegen. ?)
Stuttgart. K. E.
— Am 28. März wurde die Sipung des königl. ſächſiſchen Land⸗
tags von 1895/96 im Thronjanle des Königsſchloſſes zu Dresden
feierlich geſchloſſen. Die von Sr. Maj. dem Könige Albert ge
haltene Thronrede zeichnete ſich, wie die bei gleicher Belegen:
heit früher gehaltenen, durch ihre einfache und reine Sprache aus.
Sie enthält nur die drei Fremdwörter »Landtags-Sefjione, |
» Zwilchene Deputation« (einen Ausdrud, der allerdings durch
$. 34 der Landtagsordnung vom 12, Dezember 1874 vorge:
fchrieben tft) und »autoritative« Stellung (des ärztlichen Stan-
des im Staate).
Sprablibe Mufterleiftungen.
In einem Berichte der »Badifhen Preſſe« (Karlsruhe)
vom 13, Mai 1896 über die »Eifenbahnreform in der Erften
Kammer« befindet ſich ein Abſatz der geradezu Unglaublices
im Gebrauche des Wortes » derjelbe« leiftet. Der Abſatz
lautet: »Was nun die Vorichläge des Neformvereins... angeht,
jo ganz übel können diefelben zwar nicht jein, indem ein quter
Teil derjelben bereit bier und dort verwirklicht worden ijt, zu:
mal auch bei uns in Baden; diejelben haben dadurch am dem
Schredhajten, das ihnen als Spröflinge (fo!) des Reſormvereins an—
hängt, offenbar Vieles verloren; allein wenn biejelben ſich auch
ſämtlich mach und nad als jtichhaltig erweiſen follten, dak die |
‚Neformer‘ diejelben auf die Tagesordnung gebrad)t haben, bleibt
doc und erit recht offenbar nur um fo unverzeihlicher«.
1) Man bemerle das ganz ummötige Fremdwort seilicet, mit |
dem der Herr »Mlummats: Jnipeftor« feinen Standpunft wahrt! |
2) Eine mir bisher nur aus Sarrazind Verdeutichungswörter- |
buche befannte, aber gewiß empfehlensiverthe Verdeutihung von
»Hofpitante (an einer Hochichule) entdede id) eben auf S. 343
des »Centralblatts für die Geſamte Unterrichtsverwaltung in
Preußen« (1896); fie lautet »Bafthörer« und findet ihre Necht- |
fertigung in »Bajtpredigere und »Bajtjpteler«.
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprahvereins, XI. Jahrgang. 18%. Nr. 7/8.
148
Die zahlreichen Fremdwörter (3. B. illudirt) mit denen ber
Bericht im übrigen gewürzt wird, gereichen feinem Berfafjer, Herm
Arthur Böhtlingk, ebenfowenig zur Ehre wie der Stil.
In der »Nenen Freien PBrefje« vom 14. Juni 1896 befindet
fich eine jedenfalls von der Badeverwaltung Interlakens ber:
rührende Anzeige, in der es u. a, heihit: »Günftigfte Tanitärijce
Berhältniffe. Beſte medicinifhe Andicationen. Central:
ftatiom für Heinere Ausflüge und hochalpine Touren. Eulte
aller Denominationen. Saiſon u. ſ. w.«
Die »Charlottenburger Zeitung« vom 15. Mai 1896
ichreibt in einer Mitteilung über den japaniichen Marſchall Damar
gata: »Der Marihall, der an einem ſchweren, in dem Feld
zuge gegen China contrabirten Magen: und Darmleiden la-
borirt, hat in Berlin lediglich zu dem Zwede Station gemadıt,
um Rrofefior Nenvers zu fonjultiren.«
Der ehem. Vorſihende des Jweigvereins Berlin » Charlottenburg,
Seh. Oberregierungsrat Bormann, macht auf den erjten Band
des Werkes »Sozialismus und fapitaliftiihe Geſell—
Ihaftsordnunge von Dr. Julius Wolf, ord. Profefjor der
Staatswiflenichaften an der Univerjität Züri), aufmerfjam. Co
jehr der Inhalt diejes Buches befriedige, jo wenig erfreulich jei
feine Sprache. Abgejchen von auffallenden Sapbildungen, ſei
die Vorliebe des Verfafiers für Fremdwörter bervorjtechend, dazu
befleijige er ſich ganz eigenartiger, ja fogar unrichtiger Neu-
bildungen von Fremdwörten; z. B. jteht auf
Seite 369: »Was aber vom Dünger, gilt ganz ebenjo für
‚ jede forgfältigere Behandlung des Bodens, für jede Verinten—
fivierung des Betriebe, — Ferner auf
Seite 5945: »Wenn man es unternehmen wollte, mit Bezug
defien, was fiee — (im vorhergehenden Abjage ift auf »den
Succus Scopenhauers Eihife verwieien) — »zur Syſtemiſie—
rung und Grundlegung der jozialethiichen Fragen beigebracht bat,
weiter zu bauen, jo dürfte vorerjt eine Kundamentverftärkung
vorzunehmen feine — Auf den Seiten 592/3, jagt Herr Bor:
mann, werden in mannigiacher Abwechſelung die Wörter Ob:
jeftivation, Objettivität, Objeftivirung gebraucht; u. deral.
fommt nod; meßrfady vor. Bedauerlich ift, daß der Verfaſſer bei
der Feititellung feiner Einteilung nicht verfudt hat, nur deutiche,
allgemein verjtändliche Ausdrücke zu brauden. Profeſſor Wolf
ichreibt aber (Seite 564): »Man hat zu unterjcheiden:
1. Einfommen aus Arbeit, mit gemeinwirtſchaftlichem Griolge,
darunter allen andern Arbeiten voran, weit voran: die ſchöpfe—
rifche Arbeit; an zweiter Stelle die dispojitive, an dritter
die erelutive, welche ihrerjeit& ſich einteilt in qualificierte
und nicht qualificierte.«
Mag es nicht ganz leicht fein, für »Dispofitive« Arbeit den Er:
fag in einem Worte zu finden, fo hätte dod wohl »erekutine«
durch »anöführende« wiedergegeben werden fünnen umd auch
»qualifiziert« durch · handwerlsmäßig ·.
Entgegnungen.
Es liegen der Schriftleitung drei Entgegnungen vor, deren
wejentlicher Inhalt im folgenden wiedergegeben wird:
1. In feinem Aufjape » Schweizer Schriftdeutich« im der
Nr. 1 d. Jahrgs. Sp. 1—5 beipridt Herr Geh. Regierungsea:
149
Zeitfhrift bes allgemeinen dbeutfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Nr. 7/8.
150
Rudolf Foß u. a. aud das Werk von Hafiter, zer atnetie.
Herr Dr. Ernſt Haffter wünſcht nun einige der »Ausſetzungen
in aller Kürze ins richtige Licht zu rüden« und führt u. a. an,
daß er feinen Grund habe, die von Foß gerügten Wörter » Tranfit
und Tranfitiperre«, da jie durchaus »unmihverjtändlic und in
der mobernen Verkehrs⸗ und Umgangsipradje eingebürgert« jeien,
durd; eine >» jchwerfällige deutiche ——— zu erſetzen; daß
ferner das von Foß richtig gedeutete Wort » VBeitag« ebenſowenig
durch ein anderes eriegt werden lünne »als dies z.B. bei dem
aus der Schweizergefhichte allgemein befannten Nusdrud ‚Tags
fagung‘, der die Berfammlung der eidgenöffiichen Natsboten be=
deutet, möglich wäre«; daß mehrere Ausdrüde wie »fehlbar ers
hältlich, fid) auf die Heimkehr begeben« nicht an den angegebenen
Stellen, jondern anderswo jtänden, und daß veridjiedene von Foß
angeführte Wendungen H B. »bidanher, Winfchbarkeit einer Sadıe
betreten, Schanzen erftellen«) jowie ein Sag In Nom war man
bereit8 von der Mitgabe eines faiferlichen Geſandten abgeſtanden «)
überhaupt in feinem Buche fehlten. Zum Schluſſe jagt Herr
Dr. —— »Im Hinblick auf die meiſten dieſer Beiſpiele dürfte
der Wunſch, R. Foß möchte in Zukunſt, bevor er kritiſiert, die
in Frage fommenden Stellen genau cilieren und richtig leſen,
nicht unberechtigt erfcheinen «.
Hierauf anwortet Herr Foß, daf es ihm nicht eingefallen ſei
zu »fritifieren«, er bäte Herrn Haffter daher, feinen Bunic be⸗
treffs des genaueren Leſens auch für ſich anzuwenden. Dr. Haffter
möge ſich die Einleitung und die Schlußworte des Aufſatzes
» Schweizer Schriftdeutich« nochmals anjehen, dann würde er wohl
erkennen, daß der BVerfafjer die Eigenart der Schweizer Schrift
jteller voll würdige und die Meinung ausſpreche, die Reichs—
deutichen lönnten daraus Bieles lernen. Daß in der Arbeit einige
Drudjehler ſtehen — ſeien, und er Herrn ge einmal
einen Saß zugeſch eben habe, der ſich bei Wirz finde, bedaure
er lebhaft. Nirgends habe er behauptet, daß Hoffter nidyt mujters
giltig geichrieben habe.
2. Her FW. Eigen, defien j»VBC eines alten Bürfens
menjcen« auf Sp. 113 d. v. Nr. von Herrn Handelsichuldireftor
D. Klemich bejprochen wurde, ijt dem Herrn Beſprecher fehr
dankbar für die wohlwollende Begutachtung feines Werkes, möchte
aber darauf hinweiſen, daß die Stelle, bei der e8 fich um das fauf-
männijc jo wichtige Wort » Parties handelt, augenscheinlich miß—
verjtanden worden jei. Er wünſche keineswegs dies Fremdwort
umüberjegt zu lafjen, da er im »ABE« (5. 207/8) ausdrüdlid)
—— »Eine der zahlreichen Verdeutſchungen, die ich in meinem
uche (Fremdwörier der Handelsſprache“ Verlag von H. Haeſſel,
Leipzig) liefere, wird wohl ſtets paſſen und gejtattet alsdann eine
weit jhärfere Bezeichnung, ald das Fremdwort «.
3. Herr Univerfitätsprofefjor Dr. Moriz Hey — Göttingen
jchreibt in Erwiderung auf den Aufiap »Einiges über Zuſam—
menjetungen« (Sp. 104— 108 d. v. Nr), daß ſich defien Ber-
fajfer, Herr Oberlehrer Dr. Schejfler, ſehr zu Unrecht gegen ihn
wende, da er feineswegs an der Abfafjung der Bemerkungen bes
teiligt fei, die den Anlaß zu dem Schefflerichen Aufiape gegeben
baben. Dieſe rühre vielmehr lediglih von Herm von Pfilter-
Schwaighuſen ber; audı babe er nicht die Ehre ein Schüler
Jacob Örimms zu fein und habe ſich auch nie dafür ausgegeben. —
Dem gegenüber bemerktHerr Oberlehrer Dr. Scheffler, daß die
von ihm beiprocdenen Ausführungen in der Zeitung » reis Deutjch-
land « vom 6. Sept. 1895 thatfädjlih von Moriz Heyne und H. von
Pfiſter⸗ Schwaighujen unterzeichnet waren; das habe ihn dazu bes
rechtigt, beide Herren für den Anhalt verantwortlich zu machen
und aud) die Bezeichnung »Schüler Grimms« auf beide zu bezichen.
Bücherſchau.
— Friedrich Jahn, die doppelte Buchführung nach dem
Einkommenſteuergeſeh beardeitet. Eſſen, G. D. Bädeler. 139%.
Unſere Aufmerkſamkeit lenkt ſich notwendig mehr den Sprach—
reinigungsverſuchen des Verſaſſers, als jeinem Lehrverfahren zu.
E83 genügt daher, über diejes zu jagen, daß bier der Berfuch
einer Umgeftaltung der Buchführung vorliegt, die dem Einlommen—
ftenergejeg entipredjyend nicht nur den Vermögenszuwachs (Rein—
gewinn) ſondern zugleich das geſamte —— Einlommen
ergiebt, und daß man ſich mit der Art der Löſung einer zeitge—
mäßen Frage einverſtanden erllären lann. Allerdings hätte der
Verſaſſer hinzufügen müſſen, daß ſeine Lehre dem preußiſchen
Einlommenſteuergeſetz von 1892 angepaßt iſt, denn nach anderen
z. B. dem ſüchſiſchen Einkommenſteuergeſetze würde der Vorſchlag
nicht brauchbar ſein.
Die Bemühung, eingebürgerte und zum Teil ſinnwidrige Fremd⸗
wörter zu verdeuiſchen, iſt immer anzuerlennen, ſelbſt wenn die
Verdeutſchungen nicht durchgängig glückliche zu nennen ſind. In
dieſer Hinſicht hat das Buch unftreitig Verdlenſte. So find na—
mentlich alö recht zutreffend zu bezeichnen: Abdrudbucd für
Kopiebuch (befier ſcheint: Briefbudh), Aufnabmebud für In—
venturbuch, Wechſelbuch für Wechſelkopiebuch, Konto der Zwei—
felhaften für Dubiojen- Konto, Grundſchulden-Konto für Hy:
bothefen Konto, Gerätjchaften- Konto für Utenfilien: Konto u. a.
Beahtenswert iſt aud der Vorſchlag, Debet und Kredit
mit empfängt und giebt — empfangen und gegeben —
zu überjepen, ebenjo Debitor mit Empfänger und Kreditor mit
Geber, namentlich wenn alsdann die Bezeichnungen Ann und Ber
ganz in Wegfall kommen könnten, gleichwie man ja auch das
P. P. in Rundſchreiben neuerdings vieljeitig einfach wegläßt; bins
genen ericheint es mindeftens zweifelhaft, ob der Boridlag,
»UAne und »Per« in »Ane und »Von« zu verwandeln, einen
Vorzug verdient vor dem hie und da fon angenommenen Ge—
braudje von »An und Für«, bejonders da feine diefer Formen
ſprachlich das bedeutet, was fie bedeuten fol,
Bedenklich ericheint es, das Fakturenbuch Einkaufsbud
zu nennen und daneben die Kladde — Verfaufsbud, und
außerdem noch ein »Tagebud oder Memorial« zu führen. Denn
entweder man führt überhaupt nur ein Falturenbuch; dann gilt
für diefes längjt ſchon der Name Rechnungenbuch; oder man
führt ein Eingangsfalturenbuh und ein HNusgangsfatturen-
buch, dann beien diefe Eingangsbud und Ausgangsbud.
Mit den Namen Kladde, Tagebuch, Memorial aber Bücher ver-
ſchiedenen Inhalts zu bezeichnen, kann nur vereinzelt üblich jein.
⸗Journal« mit Monatsbud zu überjepen, iſt längit verworfen.
So wie in Frankreich diefes Buch nicht überall täglich zufammens
nejtellt wird, jo auch in Deutichland nicht überall monatsiweije.
Sammelbud ift richtiger. Ausgleichsbuch für Bilanzbuch zu
jagen, ift nicht vatjam. Zwar nennt der Berfafier die Bilanz
überall Ausaleih, das Bilanz-Konto hingegen konnte füglid)
nicht Ausgleich-Konto heijen, und fo nannte er es Beſtand—
Konto. Saldo nennt er in dem einen Falle Schuld in dem
andern Falle Guthaben; Aktiva heißen bald Beſitz bald Be—
figteile; Paſſiva hingegen Verbindlichkeiten; aus dem Ka—
pitals$tonto wird ein Bermögens-Konto und aus dem Kon—
fürs ein Aufammenbrud, obwohl diefe Bezeichnung befier für
den (jtrafbaren) Banterott (nad) dem Stalienischen — Bant zer
brocen) geeignet erjcheint.
Unrichtig aber ift die Benennung Eigenwediel (S. 24 fi.)
für Mecept und Konto der Eigenwechjel jür Accepten-Konto;
denn nad) dev Wechſelordnung 4 ein eigener oder trodner Wechſel
ein folcher, auf dem der Schuldner der Außiteller ift, der im Vers
fehr unter dem Namen Sola-Wechſel geht; außerdem wollen
manche unter einem Eigenwechſel einen »Wecjel an eigene
Ordere veritehen, auf dem der Ausiteller ſich jelbit als Nehmer
bezeichnet hat; aber Eigenwechſel für Accept zu jagen, iſt ganz
ausgeichlojien.
Fine Frage iſt, ob nicht andere beibehaltene Fremdwörter
leichter zu verdeutfchen waren; jo z. B. Konto durch Rechnung,
Negijter dur Inhaltsliſte zum Hauptbuch, das unangenehme
und vieldentige Wort Bolten durd) —
Ein Vorzug für den Lernenden iſt es allerdings, daß der Ver—
fafjer die fremdipradhlichen Fahausdrüde jeinen Verdeutſchungen
in Klammern beigefügt hat. Jedenſalls verdient der ſchwierige
Verſuch die Anerkennung an diejer Stelle,
Dresden. Klemid).
Eingefandte neue Drudidrijten.
Heeger, Victor, Geſchichten vom alten Haimann. Freuden:
that. Joſef Mar Thiels Verlag. IVu. 114©. 5". geh. 0,75 M.
— — II. Folge. Brünn 1895. Im Selbjtverlage. Vu.131 S. 8°.
Eidam, Ehriftian, Drei vaterländiiche Gedichte aus dem
Erinnerungsjahre 1895,96. Nürnberg 1805. Fr. Korn,
16 S. H. 4°,
151
Zeitihrift des allgemeinen dbeutihen Spradvereind, XI. Jahrgang. 189. Nr. 7,8.
Hildner, Ludwig, Erinnerungsblätter. Treuen. 47 S. 8°,
0,00 M.
Ufer, Ehr., Die Pflege der deutſchen Ausſprache in der
Schule Altenburg 1896. Ostar Bonde. 40 ©. 8°
Rolzer, Aurelius, Robert Hamerling als volkheitlider
Dichter. Troppau 1896. Verlag des Zw.: Ber. Troppau.
24 ©. 8°. 10 Kreuzer.
Mennell, Artbur, Bismard-Dentmal für das deutide
Volk. Chicago, Berlin, London, Paris, Melbourne 1895.
Ihe Werner Company. Lieferung 1-5 je 248. gr. 4”. je |
0,70 M. |
Hildebrand, Rudolf, Tagebuchblätter eines Sonntag®= |
philojopben. Bejammelte Brenzbotenaufjäge. Leipzig 1896.
Fr. W. Grunow. VIII u. 386 S. 8°,
(Diefe Nuffäpe, 17 an der Zahl, find mit Ausnahme des
erjten zwifchen 1885 und 1889 in den ⸗Grenzboten « erſchie⸗
nen. Ihr Inhalt ift überaus mannigfaltig: Goetheforihung,
plaſtiſche Kunſt und Mufikunterricht, eine Herde von Biegen
und Gänfen in einem thüringichen Badeſtädichen und der
Tod des alten Kaiſers Wilhelm find Beiipiele für die Ver—
Ichiedenheit der Ausgangspuntte dieſes Sonntagephilojophen.
Aber ganz gleihmähig liegt über das Verſchiedenartige hin—
ebreitet die Traulichkeit Hildebrandſcher Spradye, der Haud)
ildebrandichen Geiſtes, feiner Innigleit und Sinnigleit,
feiner Milde, Friedlichleit und Freundlichleit und breitet ſich
auch über die Seele dejjen, der dies gedanlenreiche und ges
mitstiefe, durch und durdy deutiche Buch zur Hand nimmt.)
Münd, W., Dr., Agl. Geh. Negierungs- und Provinzial: Schul-
rat, Vermiſchte Aufſätze über Unterrichtsziele und
Unterridtsfunit an höheren Schulen. Zweile, ver-
mehrte Auflage. Berlin 1896. R. Gaeriner. IVu. 301 ©. 8".
Irmler, Franz, Verſuch, die deutihe Schulgrammatif
u vereinfachen. (Sonder NAbdrud aus dem »Schlefiichen
Scjulblatte.«) Troppau 1896. Selbftverlag d. Verf. 27 5. 8°.
Seitungsſchau.
Aufſätze, Beſprechungen ufw. in Zeitungen
und Zeitichriften.
Die Bedeutung des Wortes »Berline. — Berliner Börſen—
Big. 20.5. Sb.
Menghius, M. €, Die deutihen Spradigrenzen in der
Schweiz. — Allgem. Zig. (Münden) 19. u. 20. 5. 96.
Hopf, Dr., Theorien über den Urſprung der menſch—
lichen Sprache. — Staatsanzeiger für Wirrttemberg 30.4. 96
u. 5. 6. 96.
Deutſche Perjonennamen. — Allgem. Ztg. (Münden) 2. 6. 96.
Neue Sprachdummheiten. — Grenzboten (Leipzigh 28. 5. 90.
— — Beſprechung dieſes Aufſatzes. — Berliner Tageblatt
12,6. W.
Koffinna, Buftaf, Folklore — Zeitfchr. d. Vereins f. Volls—
kunde. 2. Heft 96. (Gier wird die faljche Anwendung des
engliichen folklore in dem Sinne von » BollSfunde « gegeihelt;
es bedeutet vielmehr »Bolfsüberlieferunglen)e,
während »Bollstunder die Wifjenichaft vom Folklore ill.
»Wir jehen hier eben wieder an einem anſchaulichen Beiipiel,
wie der Gebrauch von Fremdworten einerfeits zu Unklarheiten
führt, andererſeits durchaus nicht, wie die Fremdworts—
ſchwärmer immer behaupten, ſich an die Einfuhr fremder
Kulturſchöpfungen zu fnüpfen braucht, fondern weit über:
wiegend einem reinen Modebedürfnis entipringt.
Denn wenn eine Wifjenfchaft eine deutſche Schöpfung ges
nannt werden muß, fo iſt das bei der Bollsfunde der Fall.«)
Steig, Neinhod, Ein Schreiben Jacob Grimms über
die Frage: was bedeutet »binnen aht Tagen«? —
Deutſches Wochenblatt 4.6. 96.
Schulze-Flemming, Spradlides. — Neuejte Nachrichten
(Eiberjeld- Barmen) 11. 6. 96.
Luther und die Fremdwörter. — Staatsbürger: Ztg. 10.6. 96.
Mattbaei, &., Deutide Spradreinigung im Jahre 1813. |
— Deutiches Wochenblatt 21.5. 96. Nadıtrag hierzu von
K. St. ebenda 18. 6. 06.
152
Tappolet, Dr., Die Fremdwörter im Mittelbohdeutichen.
— Neue Zürder tg. 28. 5. 96.
Anzeigen- Deutfch. — Lothringer Atg. (Meg) 24. 5. 96.
Reichs-Sprachamt. — reis Deutichland 16. 6. 06.
8.H., Das Hänfigfeitswörterbud der deutſchen Sprade.
Vortrag im Zweigv. Strahburg i/E. — Straßburger Poſt
16. u. 17. 6. 96,
€. ®., Dr., Einiges Neue zur Boltsetymologie. — Tägl.
Rundihau 16. 6. 96.
Weedermann, F., Über die Straßennamen in Rudol—
ftadt. «Vortrag im Bweigvereine Rudoljtadt.) — Rudol⸗
ftädter Zeitung 7. 6. 96,
Imme, Allgemeines über unfere Familiennamen. —
Rhein.« Wefät. Zeitung 21. 6. %.
Stein, Philipp, Der Vater des Purismus. Zur Erinnerung
an Joachim Heinrich Campe. Zum 29. Juni. — Sanno:
vericher Gourier 29. 6. 96.
Fremdwörter in der Handelsfprade. — Koblenzer Volls—
Beitung 2. 5. 9.
— — (Ergänzung dazu) ebenda 28. 6. 96,
Leithaeuſer, J, Die ältejten Wuppertbaler Bornamen.
— Monatsjchrift des Bergiſchen Geſchichtsvereins. 3. Jahrg.
Nr. 7, Zuli 96.
Deutihe Handelsregiiter und deutſche Sprade.
Kölnische Zeitung 31. 3. 96.
Erdmann, Die Nehtichreibung des Dialekts. — Strah-
burger Poſt 28. 6.96,
Die Schriftleitung jtellt ben Leſern ber Zeitſchrift
die oben und früher bier aufgeführten Aufſätze ufm.
gerne leihweije zur Verfügung.
Aus den Smweigvereinen.
Elberfeld. In der Junifigung bielt Oberlebrer Dr. Burgaf
einen Vortrag über Elberfelder yamiliennamen. Bon dem
Gedanken ausgehend, dal; jeder noch jo unverſtändlich ericheinende
Familienname einen guten Sinn babe, zählte der Redner die
Gründe auf, welche die Erkennung der Bedeutung von Familien—
namen erſchweren. Er unterſchied zwiichen folden, die urjprüng-=
lid ald Vornamen dienten und dann zu Geſchlechtsnamen wurden,
und anderen, die jofort als fyamiliennamen in Gebrauch traten.
Belege für dieje legte Art Namen find beionders in Eiberfeld
recht zahlreich; jie find namentlich dem Stand und Gewerbe oder
von Speifen, Kleidungsſtüden und Urtlichfeiten entlehnt. Ber
merfenswert ijt die Gruppe der Satznamen, von denen fich einige
treffende Beiſpiele finden, z. B. Greiſzu, Lachenicht, Springop,
Schniewind, Stürzeklarn, Fahrenberg, Fabrentbolt, Karrenberg.
Unter den von Oruichteiten entlehnten find beſonders die mit »ter,
ten, zur und von« gebildeten Familiennamen merhvirdig: von Broich,
Terbrüggen, ten GEiden, ten Elfen, von Heydt, Terbeiden, von
der Hort, von der Linde, zur Linden, Terlinden, von Laar, zur
Nedden, zur Nieden, ter Schmitten, aus dem Siepen, Terjtegen,
von der Weiden, Opderbed, Zumbuſch u.a. Schr häufig kommen
hier Familiennamen vor, die von einem bejtimmten Ortänamen
abgeleitet find, wobei die häufigiten Endungen lauten: 1. -bach
auch ndd. sbeef, «bed, -bick: Aſchenbach, Nettelbeck, Ofjenbed,
2, «baum neben «boom (= bohm): Beerboom, Kreitenbogm (Kräben-
baum), 3. »brint: Hagenbrink, 4. -bruch neben -brok, broidh:
Erlenbruch, Kerjenbrot (Kirichenbr.), Aichenbroih, 5. -famp (lat.
campus): Bertentamp, Bramenkamp (Brombeerk.), Haberfamp,
Dürenfamp, Kleinheiſterlamp, Kleilamp, 6. =fotte: NWitentotte,
Kriegskotte, 7. -loh (Wald vgl. lat. lucus): Krageloh Krähenwald),
Buchloh, Erbslöh, 8. »rath (Rodung): Alrath, Aprath (offene R.),
Wülfrath, 9. sjcheidt: Laaricheidt Laar — bewohnter Ort, vgl.
Frißlar, Goslar, Weplar), Hunſcheid, Eſpenſchied, Humnidjiede,
Mitteliten: Scheidt, 10. -ſiepen (Boden, der überall Waſſer durch⸗
läßt): Nottjieben, Mühlenfiefen. Zum Schluſſe wies der Redner
darauf bin, daß man am Niederrhein viele Familiennamen mit
vorgejetem »von« antreffe, die aber durdaus bürgerlich ſeien,
fo von Gymern, von Carnap, von der Heydt; erjt nadıträglidh find
einzelne Träger diefer Namen in den Adelsitand erhoben worden.
Uriprünglidy bezeichneten fih nach ihrem Heimfig durch das Wört-
chen »vone nicht nur die Adligen, jondern auch der freie Bauer,
der auf altererbter Scholle jah. Als dritter Stand famen früber
dann noch die Bürger hinzu, die ſich häufig nad) ihrem Urſprungs
153
ort jo nannten. Das heute als adlig geltende »von« ift alſo durch—
aus nicht das Vorrecht eines befonderen Standes, wie biefige gut
bürgerliche Namen, 3. B. von Broich, von Dahlen, von Eiden,
von Hagen, von Hove, von Kamp, von Laar, von Nieden, von
Wierth u. a. beweijen.
Kiel. Privatdozent Dr, Wolff fprah in der Juniſitzung
über Gottſcheds Stellung in der Geſchichte der deutichen
Spracde und des Bildungslebens. (Der Vortragende hat
die Ergebnifje feiner Forihungen über die ſprachgeſchichtliche
Bedeutung Gottſcheds in einem Aufſatze der Lyonſchen Feſtſchrift
um 70. Geburtstage Rudolf Hildebrands veröffentlicht, und jeine
usführungen find auf Sp. 39/40. d. Jahrgs. in diejer Zeitichrift
von D. Streicher gewürdigt worden, auf deijen Aufſaß wir daher
verweilen können. Die Schriftleitung.)
Krems a. d. Donau. Auf Anregung eines Mitgliedes des
Bweigvereind hat die gründende Verfammlung der Section
Krems bes bdeutfchen und öſtreichiſchen Alpenvereind in ihren
Safungen jedes unnüße Fremdwort vermieden, was um jo er-
freulicher iſt, als im Übrigen der Einfluf des Sprachvereins auf die
Schriften des deutſchen und öftreichiichen Aipenvereins noch jehr ge:
ring zu fein ſcheint. Ebenjo erfreulichen Erfolg hat das Erſuchen des
veigvereins an die in Zwittau (Mähren) erjcheinende politiiche
Zeitung „Die Brennefjel”, unnötige Fremdwörter zu vermeis
den, erzielt. Wor allem aber muß an diejer Stelle danlend her:
vorgehoben werden, daß der »allgem. nieder-öſterreichiſche
Boltsbildungsvereine die Spracvereinsbeftrebungen durch die
von ihm herausgegebenen, von Gymnaſial-Profeſſor J. Wichner
vortrefflich geleiteten und über ganz Nieder Oftreich verbreiteten
Boltsbildungsblätter in wirtſamſter Weife unterjtügt.
Laibach. Seit Beginn diejes Jahres zeigt fich wieder regeres
Leben im biefigen Zweigvereine, was namentlich durch die Ver:
anftaltung von Bortragsabenden herbeigeführt worden iſt. Im
März iprady der Obmann, Dr. F. Riedl, über die Entwid-
lungsgeſchichte der deutfhen Grammatik, und am 18. Juni
entwarf Prof. Wallner ein Bild des Lebens und Dichtens
der deutfhen Spielleute im Mittelalter. Die beifällige
Aufnahme, die dieje Vorträge auch bei Nicht: Mitgliedern ges
funden haben, eröffnet die Ausſicht darauf, dab der Spracverein
zum Sammelpunfte der Freunde deuticher Sprache und deutſchen
Scrifttums bier am Orte werden wird. Auch fonft macht ſich
der Einfluß ded Vereins bemerkbar, be indem der Schriftleiter
der »Laibacher Zeitunge, der ſelbſt Mitalied iſt, ſich in feinen
Auffäpen uſw. einer hönen und von Fremdwörtern möglichft
freien Sprache befleihigt. Auch der deutſche Tumverein hat ſich
unfern Beitrebungen angejchlofjen.
Leipa i.B. In der Hauptverfammlung am 27. April, zu
der aud) die hervorragenditen Bertreter des Handelsftandes unferer
Stadt erichienen waren, wurde ein Vortrag des Handelsſchul—
direliors Plant verlefen, da der Berfafier wegen Erkrankung
nicht ſelbſt ericheinen konnte. Der Vortrag führte den Titel;
»Iſt die vollftändige Reinigung der deutichen Handels:
fprade von allen Fremdwörtern überhaupt möglich,
und wäre dies auch zwedmäßig?« Nach einer Einleitung,
die von den Erfordernifjen eines quten faufmänniicen Stiles und
von der Entwidlung zahlreicher Fachausdrücke in den italienifchen
Dandelsjtädten handelte, teilte der Verfafjer die Fremdwörter der
SHandelsiprache in 4 Gruppen: 1. im joldhe, die entichieden ent:
behrlich feien und vermindert werden follten, 2. in jolde, deren
Verdeutſchung wegen ihrer Anwendung in Gefepbücdern noch bes
denklich jei, 3. in ſolche, die bei allen Hanbelsvöltern gebräud;:
lich feien, deren Verdeutſchung aljo nicht empfehlenswert wäre,
und 4. in foldye, die fich überhaupt nicht völlig ſinngemäß ver:
deutjchen ließen. Für jede diefer Gruppen bracdte der Verſaſſer
ablreiche und lehrreiche Beijpiele. Zum Schluſſe betonte er die
flicht der Fachſchulen und Gejchäftsvorftände, namentlid) den
jungen Nachwuchs vom Fremdwörterunfuge abzuhalten. — Der
Boriger, Here Joſef Juſt, hob fodann hervor, dak der Sprach—
verein nicht blindlings jedes Fremdwort befeitigen wolle, fondern
nur die überflüffigen, die dem deutschen Bolfe zur Unehre ges
reihen. — Sodann beiprad der Schriftführer die älteſten
Leipaer Familiennamen, aus denen fi der deutjche Ur—
fprung der Bewohnerſchaft unfrer Stadt ergiebt. Wahrſcheinlich
find einzelne ervorragende Geſchlechter aus Thüringen eingewandert.
Die Namen find Urkunden aus den Jahren 1363 bis 1406 ent:
nommen.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Spradvereind. XI. Jahrgang. 18%. Nr. 7/8.
154
Lübeck. Der Voriger, Oberlehrer Schumann, verlas in
der Zahresverfammlung am 10. Mai einen längeren Bericht, im
dem er ich zumächit über die Thätigleit des Gelamtvereins im
vergangenen Jahre verbreitete und fodann der jtillen, aber nicht
erfolglojen Arbeit des Zweigvereins gedachte. Die Mitgliederzahl
beläuft ſich auf 171. Der frühere Borftand wurde wiedergewählt,
und man beichloh, die auf dem lebten deutichen Abend für das
Studentenheim in Eilli gelammelte Summe auf 50 Marf zu ers
höhen.
Neuruppin. Durch Einwirkung von Mitgliedern des Zweig—
vereins haben ſich mehrere Gaſtwirte veranlaßt geſehen, den Aus—
drud »Restaurant« auf ihren Schildern durch deutſche Bezeich—
nungen zu erſetzen. So nennt Herr Martin Giehm jehtt feine
Wiriſchaft in Steinberge bei Neuruppin »Waldſchänkes, und
über dem Gingange in jein Gehöft fteht die Juſchrift »Zur Er:
bolunge, die übrigens don feit geraumer Jeit an dem Forſt
bäuschen in der Bürgerwendemart zu lefen iſt. Der Nusdrud
» Zur Erholung« dürfte als der erjte Verſuch einer wörtlichen
Uberſetzung des franzöſiſchen » Restaurant « zu betrachten fein
und fanıı aufs wärmſte zur Nadyahmung empfohlen werben.
Nürnberg. In der Hauptverfammlung ftellte dev Vorſiher,
Lehrer und Schriftjteller Franz PDittmar, im Jahresberichte
fejt, daß die Zahl der Mitglieder gewachſen fei, und daß Die Bes
jtrebungen des Bereind immer mehr Anerfennung fänden. Der
Spracverein und der Schulverein haben in Nürnberg gemeinjam
einen Hilfsausſchuß für Eifli gebildet und einen deutichen Abend
abgehalten, an dem Bürgermeifter Dr. von Schuh und Gymn.
Nettor Dr. Vogt begeifterte Worte ſprachen. Infolge der Samm:
fung des Hilfsausihufjes fonnten gegen 1500 Mart nad) Cilli
gejandt werden.
Oldenburg. Zur Borbereitung für die heuer hier tagende
Hauptverfammlung veranjtaltete der Zweigverein am 11. Juni
eine Verſammlung, in der Herr Nuguitin Trapet aus Ehren—
breitjtein vor einer zahlreichen Zuhörerichaft einen Bortrag über -
die nationale Bedeutung der deutidhen Sprade hielt.
Der lebhafte Beifall, den die Ausführungen des Redners fanden,
berechtigen zu der Hoffnung, daß die Teilnahme für die Bejtres
bungen des Spracdjvereins bier in hohem Maße beicbt und da-
durch der Hauptverfanmlung in günftigjter Weile vorgearbeitet
worden ift.
Plauen i. V. In den legten vier Sißungen ſprach Dr.
Scheller, der Bereinsvorfiger, über Sapbetonung, Wort-
betonung, Saßbaujen und DO. Weijes Buch: »Unſere Muts
terijprade, ihr Werden und Wefen.« Der Gegenjtand des
Vortrags rief jedesmal eine lebhafte Erörterung hervor, an der
ſich viele junge Lehrer beteiligten. Die Zahl der Mitglieder des
Bweigvereins ift in den legten Wochen um 10 gejtiegen.
Neihenberg i. B. Der zahlreich beiuchte Vortragsabend
am 11, Juni wurde durd) eine Anſprache des Borfigers, Bürger:
ſchullehrers Arnold, eröffnet, worauf Brofefjor Robert Müller
das Wort zu einem Bortrage über die Abnahme der Phan—
tajiethätigfeit im Leben der Sprache ergriff, einem Bor:
trage, den Profefior Müller auf Erfuchen der Berfammlung in
der Vereinszeitſchrift veröffentlichen zu wollen erklärte. (Der Bor:
trag iſt der Schriftleitung leider bisher mod) nicht zugegangen.)
Sodann verwies Brofefjor Dr. Frank auf die dem Sprachge—
gefühle widerjtrebende, jeit 1880 eingeführte Zufammenichreibung
gewiſſer Wörter (3. D. imftande, zugrunde) und ſprach den Wunjch
aus, der a. d. Epradjverein möge Sorge tragen, daß zur Wah—
rung de3 ursprünglichen Rechtes unferer Spradie mit diejem
Minbrauche gebrochen werde. Profeſſor Tertfch übernahm die
Veröffentlihung entiprechender Aufſätze in dev Bereinszeitfchrift.
(Da der a. d. Spradjverein fich japungsgemäh nicht mit Fragen
der Rechtichreibung bejchäftiat, jo kann die Zeitichrift darauf
bezügliche Arbeiten nicht veröffentlichen. D. Schriftl.) Es folgte
ein Vortrag des Profefiors Anton Stangl: »Beitrag zur
Kennzeihnung des Unterſchiedes zwiihen deutſcher
und jranzöfijcher Dichtung«, wobei der Vortragende den
Vorrang der deutſchen Dichtung vor der franzöfiichen feftitellte.
Nege Teilnahme jand die Beſprechung jener vier fremden Be-
zeichnungen (Garbonade, deutſches Beefſteal, Nagoüt, Table d’höte),
für die der Ausſchuß bei der von ihm durdigeführten Werdeut:
ſchung unfrer Speiſelarte feine entiprechenden Berdeutichungen
aefunden hatte. — Am Sonntag den 14. Juni trafen die Mit-
glieder des MNeichenberger und des Zittauer Spradwereins in
155
= Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. x. Jahrgang. 1896. Nr. 78.
156
Grafenftein zufammen. Die nadı Hunderten zählenden Teilnchmer
an dem gemeinfamen Ausfluge wurden zunächſt vom Obmanne
des Reichenberger Vereins, Bürgerihullcehrer Arnold, begrüßt,
und dann entwidelte jich in dem Gafthofe „Zur Donauperle*
ein reges Leben, und Trinkfprüche, Gedichte und Liedervorträge
wechjelten in bunter Folge. Es ſprachen feitens der Jittauer
Bürgermeifter Dertel, Dr. Matthias und Direftor Chopky,
feitens der Neichenberger die Herren Profeſſor Rud. Müller,
Stangl, Nepp, Hausmann und Arnold, deren Ausfühs
rungen durchwegs lebhaften Beifall fanden. Die Befriedigung der
Teilnehmer über den gelungenen Verlauf des Nusfluges war
allgemein.
Rubdoljtadt. In der zweiten diesjährigen Verſammlung
am 28, Mai hielt der zum Schriftwart ermwählte Lehrer Wee-
bermann einen Vortrag über die Straßennamen in Rudol—
ftadt, der inzwijchen in der ⸗»Rudolſtädter Beitung« veröffentlicht
worden iſt (vergl. „Neue Aufſätze uw.” Sp. 152 d. Nr.). In
der daran fich anfchliehenden lebhaften Beiprechung wurden vers
ſchiedene Vorfchläge zur Anderung des einzigen fremdländifchen
Strafennamens »Chaifenweg«e gemacht. Wegen der zum Teil
unrichtigen Screibung der Straßennamen beabjidhtigt man, an
geeigneter Stelle vorftellig zu werben. Ferner wurde ein Zur
jammentreffen mit dem Arnſtädter Zweigvereine in Paulinzelle
angeregt und beichloffen, die monatlichen zwanglofen Zufammen>
fünfte bis auf weiteres auszufeßen. Die anweſenden Ärzte ſprachen
fidy über den von ihnen durchgejehenen Entwurf eines Berbeuts
ſchungsheftes für die Heilfunde aus.
Straßburg. In der Hauptverjammlung am 21. Mai ſprach
Univerfitätsprofefior Dr. Martin vor zahlreichen Auhörern über
Straßburger Deutih zur Reit des Preihinjährigen
Krieges. Es handelte fich in diefem Vortrage um Mitteilungen
aus den heutzutage fast verichoflenen Werfen des ehriamen Sprad)-
lehrers Martin aus Sedan, der fi in Straßburg niedergelafien
und bier das Bürgerrecht erworben hatte. Die zur Kenntnis ge-
brachten Proben der Sprache jener Zeit bewiefen, wie viel Aus—
drüde von damals noch heute im Straßburger Deutſch güng und
gäbe jind. Hierauf verbreitete ſich Oberlehrer Dr. Hörſt über
das Hänfigfeitswörterbud der deutſchen Sprache. (Die
Ausführungen des Vortragenden jind inzwiſchen in der »Straß—
burger Poſi⸗ erjchienen, vgl. »Nene Auffäpes uw. Sp. 152 d. Nr.)
In der Verſammlung am 18. Juni hielt Oberlehrer Dr. This
einen Vortrag über die geſchichtliche Entwicklung der deutſch—
franzdfiihen Spradgrenze in Elſaß-Lothringen, cin
Wifjensgebiet, auf dem der Vortragende an Ort und Stelle ſelbſt—
ſtändige Forſchungen betrieben bat, deren Ergebniſſe von ihm in
zwei Schriften niedergelegt find. An der Entwidiung der Sprad)-
grenze, fo führte Dr. This aus, laffen fich drei Stufen umtericheiden,
deren erſte eiwa vom Jahre 50 v. Chr. bis ins 9. Jahrbundert
n.Chr. veicht, und in der die Romaniſierung des damals vorwiegend
von Kelten bewohnten Landes und die Entjtchung des Franzöſiſchen
vor ſich geben. In der zweiten, bis zum 17. Jahrhunderte
reihenden Stufe zeigen ſich feine allzugroßen Verſchiebungen der
Spradygrenze; dagegen hat ſich im der dritten die Sprachgrenze,
befonders im Südoſten Lothringens, jehr zum Nachteil des Deutſchen
verichoben, bejonders infolge des dreihigjährigen Krieges und der
Eroberungsgelüfte Ludwigs XIV. Die Spradgrenze fällt mit
der politiichen Grenze nur da zufammen, wo dieſe zugleich auch
die natürliche Grenze iſt. Als Sprachſcheiden baben fich Gebirge
und zujammenhängende Wälder erwieſen; Flußthäler wirken da—
gegen verbindend; daher dort ſprachlich gemischte Gebiete, die ſich
in Yothringen häufiger finden als im Elfaf. Bei der im Reichs—
lande geſprochenen franzöſiſchen Sprache find ſechs Mundartgruppen
zu unterjcheiden. Das Untereliah hat etwa 3’, v. 9. franzöfiich
iprechende Bewohner, Oberelſaß 5 v. 9. und Lothringen 35 v. 9.
— Zum Schluſſe ſprach Oberlehrer Dr. Yienbart über Maien
gebräude im Eljah. — Durch diefe, ebenfo wie durch die früher
achaltenen Borträge ift bier der Beweis erbracht worden, daß der
Sprachverein keineswegs — wie irrtümlicherweiſe vielfach an:
genommen wird — lediglich ein > remdwörterjagdverein « oder
wie kürzlich ſcherzhaft gejagt wurde eine » Societät zur Purififation
deö germanischen Fdioms« ift, jondern eine Bereinigung, deren
Dlitglieder bejtrebt find, im jreundichaftlicen Meinungsaustaufche
ſprachliche Fragen Har zu stellen und jo die Liebe zu unſerer
reichen Mutterſprache und das Gefühl für ihre Nichtigteit und
Schönheit zu beleben.
Troppau. Nach Erledigung geſchäftlicher Angelegenbeiten in
der Hauptverſammlung am 8. Juni hielt Brofeflor Aurelius Bolzer
aus Graz einen von Begeifterung durchglühten Vortrag über
Nobert Hamerling, dem die zahlreiche Verſammlung reichen
Beifall fpendete. (Der Vortrag iſt in ber hiefiqgen Beitichrift
» Deutiche Wehr« veröffentlicht werden; Sonderabdrüde davon jind
für zehn Kreuzer vom Troppauer Ziveigverein zu beziehen). Alsdann
las Schriftleiter Biltor Heeger aus Brünn, der Berfafler der
»Geſchichten vom alten Haimanne einige feiner Erzäblungen
in fchlefifcher Mundart, fowie den Anfang feines im Entjteben
begriffenen »Altvaterbudhed« vor. Der urwüchſige Humor,
die treffliche Art, wie Heeger Land und Leute in gemütvoller
und herzerquidender Weife zu ſchildern verfteht, der ausgeſprochene
Sinn für das geheimnisvolle Leben und Weben der Natur, der
die innige Liebe zum heimatlichen Boden und das warmfühlende
Herz diefes echten Jüngers St. Hubertus’ bekundet, find engeren
Landsleuten des Dichters wohlbefannt. Es wäre aber zu wünichen,
daß diefe echt vollstümlichen Erzeugniffe deutihen Gemüts aud
Semeingut des beutjchen Volles würden. Alödann trug Chor:
meifter Heittel Gedichte von rip Reuter vor, und hieran
ſchloſſen fih mufifaliiche Darbietungen. Der angefündigte Befuch
zablreicher Mitglieder des Natiborer Zweigqvereins muhte der un—
günftigen Witterumg wegen unterbleiben, doch nahmen wenigſtene
zwei Vertreter jenes Vereines an der mwohlgelungenen ®eran:
ſtaltung Teil. — Den Beſchluß, den Gefamtvoritand zur Ab-
haltung einer der nächſten Hauptverfammlungen nah Troppau
einzuladen, hält der Werein auch heuer aufrecht.
Brieftaften.
sem E. D. . . . Krefeld. Die Zeitichriit hat die Sprad-
mengerei der Herren Liebenthal und Lilientbal (Firma
Maison Anglaise in Berlin) auf Sp. 263/4 d. vor. Jahrgs. ge
bührend gewürdigt. Wir bezweifeln, daß es uns gelingen wird,
dieje begeijterten Freunde alles Nusländiichen von der Thorbeit
ihres Gebahrens zu überzeugen, und jchweigen daher lieber über
die Sprache der von ihnen verjandten Geichäftsanzeigen uſw.
Mitglied des Bonner Zweigvereins. Daß das Wort
»friperlle in der Anzeige des Herm Winand Shmik (+ Ge:
neral- Anzeiger für Bonn und Umgegend« vom 9. 4. 96) eine
Entitellung des franzöſiſchen »gris-perlee, alſo aleichbedeutend
mit »perlgraue fein joll, hätten wir freilich ohne Ihre freundliche
Erflärung nicht erraten. Ob Herr Schmit jelber weiß, mas das
Wort bedeutet?
Herrn 8&.0.W...., Trieft. Sie teilen uns freunbdlichjt
mit, dab die Brünner Stadtgemeinde bei Neuanbringung von
Straßentafeln den von Dr. Wülfing auf Ep. 110 d. vor. Wr.
empfohlenen Gebrauch bezüglich der Benennung einer Strafe nad
einem Fürſten ufw. bereits befolgt. Ferner erfahren wir durch
Ahr Schreiben, dak in Miederöftreich vielfach »fih verbietene
ftatt des richtigen »fich verbitten« gebraucht wird, und daß Diele
Verwechslung jogar oft genug in Wiener Zeitungen zu lejen tft.
Endlich berichtigen Sie die Schlußbemerlung unferer Brieffaften:
antwort unter W. R. auf Sp. 117 d. v. Nr. Danadı bejteht in
Oſtreich ein weientlicher Unterfchied zwiichen einem » Stempel«
und einer »Stampiglie«. Wer einen Stempel fälicht, begeht ein
Verbrechen, der Stampiglienfälicher hingegen wird in vielen Fällen
ganz ſtraflos ausgehen oder nicht einmal zu einer gerichtlichen
Unterfuchung Anlaß geben. Es handelt ſich alfo bei > Stam:
pigliens baubtjächlih um Stempel von Privatperfonen. Leider
wird durd Ihre Berichtigung aber das häßliche Fremdwort nicht
aus der Welt geſchafft. Vielen Danf!
Herm &. ..., Hamburg, »Eippe« fann feincsfalls als
Erjap für »Clique« gelten. Übrigens wird u. €. ein edlem
deutichen Weſen fo wenig entiprechender Begriff am beften durch
einen fremdländijchen Ausdrud wiedergegeben. Gaben wir aber
auch ein ſchriftdeutſches Wort für diefen Begriff nicht, fo befigen
doch die Mundarten entjprechendes, 3. B. das Wort »lüngele,
das am Rhein, aber auch jonft (in Morddeutichland) bekannt ift.
Herrn E. L. F. . . . Graz Nach der von diejer Keiticdnift
angenommenen ſogenannten Puttltamerſchen Nechtichreibung find
die Eigenſchaftswörter in Titeln groß zu ſchreiben, besgl.
die (jcheinbaven) EigenichaftSwörter auf er, die von Perfonen - und
Ortsnamen abgeleitet jind (aljo » Haiferlicher Regierungsrat, Thor
157
ner Pleffertuchen «). — Das Umftandswort » anfangs « muß allerdings
Nein geihrieben werden. — Da Ahnen unjere Erklärung der Wen:
dung »unterm 10. Mai« nicht genügt, jo teilen wir Ahnen einen
weiteren Erflärungsveriuh Dr. Scheffler& mit, der meint, daß
dad Verhältniswort hier vielleicht zeitlich angewandt ift und auf
Bendungen hinweiſt wie »unter der Negierung Wilhelms J., unter
der Mode (Auerbach), unter der Stunde des Nüucherns (Luther,
Lulas 1, 10), unter Tags, unter dem Mahle, unterm Zahr«
(Öftreidh).
Henn JB... ., Gelſenkirchen. Sie meinen, daß in dem
: > bin damit einverjtanden, wenn ihr das thut« das
swenn« falich jei und durch »daß« eriegt werden müſſe. Dem
fünnen wie nicht zuftimmen; das »mwenn« in ſolchen Sätzen ijt
in gewifien Fällen durchaus richtig. Dean kann eben den Inhalt
oder das Objelt des Billigens oder Tadelns aud) in die Form
einer Bedingung Heiden und muß es unter Umftänden thun. »Ich
bin damit einveriianden, wenn ihr da& thut« heit > für den Fall,
daft ihr das thut, (es könnte ja möglicherweife nicht zur Ausfüh-
rung fommen) habt ihr meine Billigung.« In Ihrem zweiten
Beihiele (sich bin damit einverjtanden, daß ihr das thut, wenn
ihr euch gut betragt«) iſt »daf« natürlich ganz am Plate.
Herm L. ©t...., Lübed. In Fügungen wie »der Verein
blühte auf, dank der Thätigfeit« ufw. iſt das Wort »danfe ur-
iprünglid) Hanptiwort und der Sinn des Beipiels lautet: » Dant
fei dafür geſagt der Thätigfeit« ujw. Der dritte Fall ijt alfo
durdaus berechtigt. Wenn nun auch die volle Bedeutung des
Hauptwortes bis zu der eines Verhältniswortes abgeſchwächt iſt,
jo muß dod) folgerichtig der dritte Fall ftehen, und das ijt auch
das allgemein übliche. Der zweite Fall findet ſich nur aus-
nahmsweile nach »dante — Wenn Profeiior Behagbel in
W. B. XI. S. 27 8.15 »die Abſcheu« jchreibt, jo macht ſich
dabei vermutlich der Einfluh von »die Scheu« geltend. Am 16.
und 17. Jahrhundert fomımt »Mbichen« zuweilen weiblid vor,
aber heute ift das männliche Geſchlecht vorherrſchend. Es er:
Härt ſich wohl daraus, daß fich früher auch »der Scheu«
findet, Bielleicht kommt übrigens das an ſich einwandfreie
»die Abſcheu« häufiger vor ald man annimmt. — Das Wort
»Ehrunge begegnet ſchon im älterer Zeit, z.B. bei Luther im
Sinne von »Berehrunge, bei Logau im Sinne von » Wejchent«,
In dem heute üblichen Sinne, bejonders fir »Ovation« iſt es
aber neu, wenn auch älter als 1805 (»Bismardehrungs). Es
ſcheint von Oſtreich aus durch die Preſſe verbreitet zu fein; gegen
feinen Gebrauch ift nichts einzuwenden. — »Begründene ilt
—* in dem Sinne des einfachen »gründen- nicht mehr anzu—
tajten.
Deutſchland ſich begründee. Das »be« veritärtt den Begriff, und
da zieht man denn oft das flürfere Wort dem ſchwächeren vor,
ſodaß die Wirkung des »be« allerdings allmählich abgeſchwächt wird.
Ober follen wir aud) »benennen, benehmen« u. a. angreifen? —
Für die Wendung »aufs Geratewohl« verweifen wir Sie auf
Die Ausführungen Prof. Dungers im IX. Jahrg. diei. 3. Sp. 150 fi.
Sie werden daraus erichen, daß es fich bier um eine Befehls-
form handelt und daher die Schreibung »aufs Geradewohl« zu
verwerfen ift. — Ob mar sam Ende« oder »amende«e zu ſchreiben
hat, ijt eine Frage der Rechtſchreibung, mit der ſich der Sprach—
verein jagungsgemäß nicht beichäftigt. Wer »imftande« jtatt sim
Stande« uw. fehreibt und fich damit für diefe Art der Zuſam—
menricungen erklärt, iſt füglich berechtigt and) samender zu
Schreiben. Eines Urteil$ in dieſer Sade enthalten wir und. —
Der Herausgeber d. 3. vertritt die feperiihe Anſicht, daß das
Wort »Shotel« ein vorläufig unentbehrlices Fremdwort iſt, jofern
damit eben ein vornchmerer Gaſthof bezeichnet werden fol. Man
laſſe den aceent eirconflexe über dem o fort und man hat ein
Wort, das ald Lehnwort gelten fan. Die vielen Bemühungen
einzelner Bereinsmitglieder, diefes Wort auszumerzen, find zus
nächſt ausſichtslos, da fich die Beſiher groker und vornehm
ausgeftatteter Gajthöfe nicht dazu entſchließen werden ſich Gaſt—
Hofbefiger« zu nennen. Die lächerlihe Sucht Heiner Wirte, ihre
Herbergen al$ »hötelse zu bezeidinen, iſt freilich zu befümpjen,
ebenjo wie die rein franzoſiſchen Benennungen (Hötel de France
ıjıv0.). WBerbdeutichungen für »dobet und eredit« finden jie in der
Stlemichjchen Beiprehung von » Jahn, Die doppelte Buchführung«
auf Sp. 149/150 d. Wr.
Herrn X. . . . Marienwerder. Herr Herm. Kling in
Danzig mag mit feiner »leichtlaufendften Mafchine der Welt-
Beitfärift des allgemeinen deutſchen Spradvereind, XI. Jahrgang.
Schon Ubland fingt 1816: »die Sehnſucht, daß ein |
1896. Nr. 7/8, 158
zwar einen » Triumph der Technik« errungen haben, aber mit
jeinem Deut ſchießt er nicht den Vogel ab.
Herrn Brof. &...., Nilolsburg. Ob das Wort »sport«
vom gothiichen »spaurds« herſtammt, ift u. E. gleidhgittig bei der
Entſcheidung der — ob es als deuiſch zu bezeichnen iſt. Für
uns iſt es ſicherlich, wenn auch nicht Fremdwort, ſo doch Lehn—
pon, denn wir haben es aus dem Englijchen übernommen. —
ut in hut-haürn iſt ganz gewiß nicht — tuten, fondern ent
jpricht Iautlich genau dem mhd. duz — Schall (»sins hornes duz«
bei Walther v. d. Vogelweide), wozu das Zeitwort diezen —
rauchen u. hörte eın wazzer diezen« ebenda).
Henn Dr. R. . . . Neuern. »Berbalfhornen« ijt abzu—
leiten von dem Namen eines Lübecker Buchdruders Johann Ball-
horn (1551 — 1599), der in den verjciedenen als >» verbefert «
bezeichneten Auflagen einer Fibel ſtets Schlimmbeflerungen ans
brachte; vergl. das niederdeutiche Sprichwort: » Dat iS verbetert
dör Jan Balhoorn.e — »Berhohnideln« und verwandte Formen,
wie » hohnipeln, hohnigeln, verhohnepipeln« ufw., find nad) Moriz
Heyne (mie wahrſcheinlich auch »hohmneden«, früher »hohnedene«)
entjtellt aus dem älteren »hohlhippen« — hänfeln, eigentlich:
mit Hohlhippen füttern (Hohlhippe« das befannte Gebüd, das
man z.B. zu Eis ift). ach Grimm ftanden die Vertäufer
folder Hohlhippen früher im Rufe befonderer Schmähſucht, ſodaß
»Hohlhipper« — Yüjterer, »bohlhippen«e — lüften wird. Durch
Anlehnung an »Hohne ijt das Wort zu jeiner jepigen Bebentung:
»icherzhaft verjpotten, verhöhnen« getommen. — Über »Bisgurn«
fünnen wir Ihnen feine Auskunft geben, doch meinen Sie viel-
leicht »Bisqurree, das der uriprünglic) flaviiche Name einer
Fiſchart (cobitis fossilis L.) und in Ddiejer Form im bayrüd) -
öjtreichiichen Sprachgebiete verbreitet ijt (tfchechiich piskof). Unter
Anlehnung an »beißen« ift das Wort zu »Beihfer« und ähnlichen
Formen umgejtaltet worden; der Fiſch heißt auch »Stein= oder
Schlammbeißer«. Bei »Bisgurre« in der Bedeutung von
»Kanthippe« (aljo — zäntische Frau) ift Dagegen wohl cher an eine
Zufammenfeßung von »beijen« mit »Gurre« — ſchlechte Stute
zu bdenfen.
ten & ©...., Marburg (Drau); €. B...., Troppau;
A. T. ... Hamburg; Mitgt., Kolmar, Beiten Dank für
Ihre Borjcdläge zur VBerdeutihung des Ausdruds »Rechts—
bureau« (vgl. Sp. 118 d. v. Nr. unten): »Rechtsamt, Rechts
auslunftei, Nehtsjtubes. Die Herren in Rubla haben jebt
die Wahl.
Herm Bauinipeltor 9... ., frankfurt a.d. O. Der Aus—
druck »Ronjumtibiliene, der in dem 24. Jahresberichte der
Handelsfanmer zu Sorau (Frankfurter Oder = Zeitung vom 14. Juni
d. %.) vorlommt, ließe ſich bier gewii durch »Berbraudswaren«
verdentichen. Daß die Ziegel- und Drainröhren- Fabrilation, die
Töpfereien und ähnliche Gewerbe unter der Überjchriit » Verar-
beitung und Vertrieb animalijcher Robprodufte« jtehen, ijt wohl
nur auf ein Verjehen des Sepers zurüdzuführen.
Herrn C. G. .. . Düfjeldorj. »Etwanige und setwaige
ſind verjchiedenen Urſprungs. Das erſte fommt von »eiwane,
mbd. etewanne — irgendwann, das zweite von »etwa«, mihd.
etowär — irgendwo. Die Bedeutung beider Umſtandswörter hat
ſich aber zu dem unbejtimmten »irgend, vielleicht« abgeſchwächt,
jo daß ein Unterjchied nicht vorhanden ij. »Etwanige iſt eine
Bildung des 18. Jahrhunderts von dem damals noch üblichen
»ceiwan«, ⸗etwaige eine jüngere, die zuerjt bei Campe als Wort
der gemeinen Rede angeführt wird, bald aber aud) in edlerer
Sprache vorfommt. »Eiwan« und »etwanig« find jept fo qut wie
ausgejtorben, und die Köln. Zeitg. iſt u. E. nicht bevedhtigt, das
heute herrichende »etwaig« durd) » chiwanig« zu erfeßen. — »Ander:
ſeits« ift die urfprüngliche Form (mbd. andersit), freilih dann
als Genitiv aufgefaht; vgl. »jenjeitse, »diesfeitse, »anderweit«
aus mbd. anderweide. Wan hat es dann in »andlejrericits
umgebildet, um den zweiten Fall deutlicher auszudrüden (wie
»eirrerfeitö« u. a.). Wenn nun auch diefe Form nicht für falic
erflärt werden lann, fo empfiehlt ſich doch die urjprüngliche
»anderjeits« durch den Wohllaut.
Herrn MR... ., Leipzig. Die frage nad) dem Geſchlecht
ber Fremdwörter läßt jih im allgemeinen nidt beantworten.
Es tommt immer auf den einzelnen Fall an. Bei »Brode«
ift jedenfalls das weibliche Geſchlecht weit gebräuchlicher als das
männliche und darum vorzuziehen.
159° Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. xXI. Jahrgang. 1896. Nr. 7/8. 160
IX. Bauptverſammlung des allgemeinen deutſchen Zprachvereins zu Oldenburg.
Nähere Befimmungen.
Sonntag den 9. Auguft. Die erite Geſchäftsſizung findet um 91/, Uhr morgens im Heinen Saale des Kaſinos jtatt.
In der Feftfigung (12 Uhr, Aula des Gymnaſiums) wird Herr Univerfitätsprofeflor Dr. Otte Schrader
über »Die Deutjchen und das Meer« ſprechen.
Montag den 10. Auguft. Um 9 Uhr zweite Geſchäftsſitzung im Heinen Saale des Kaſinos.
Zu Bunkt 3 der vorläufigen Tagewordnung:
Antrag des Profeſſors Dr. Dunger vom Gefamtvorjtande:
» An der Vereinszeitichrift ift eine bejondere Abteilung. einzurichten, in ber häufiger vorfommende Ber-
ſtöße gegen die Reinheit, Richtigkeit, Deutlichleit und Schönheit der Sprade an beitimmten Beifpielen
vorgeführt und berichtigt werden. Diefe Berihtigungen müfjen vorher von mehreren Fachleuten aus
verschiedenen Gegenden des deutichen Spradjgebietes geprüft jein.«
Antrag des Zweigvereins Münden:
»&8 wolle die Schriftleitung der Vereinszeitichrift angewiejen werden, neu erjcheinende Bücher und Aufſätze
über Gegenjtände, die zur Bereinstgätigfeit in Beziehung fteben, nicht nur aufzuführen jondern auch deren
Inhalt und Wert kurz zu beiprechen.«
Antrag des Zweigvereins Reichenberg:
»Die Beſtimmung 24 der Geſchäſtsordnung des allgemeinen deutihen Sprachvereins hat fürderhin wie jolgt
zu lauten:
» Affe, wie immer gearteten Beröffentlihungen des allgemeinen deutjchen Sprachverems haben in deutſcher
Druck- beziehungsweiſe Schreibichrift zu erfolgen. — Im übrigen gelten die bisherigen Gewohnheiten. «
Für den Fall der Ablchnung dieſes Antrags ftellt der Zweigverein Neichenberg den Antrag:
»Der Hauptvorjtand des allgemeinen deutichen Spradvereins wird von der zu Oldenburg tagenden Haupt-
verſammlung erfucht, ſich bei allen wie immer gearteten Beröffentlihungen des Geſamtvereins wie des Bejamt-
re ae nur deutſcher Präge zu bedienen und lateiniſchen Drud höchſtens bei Fremdwörtern
zu gebrauchen.«
An Didenburg den 28. Juni 1896.
die Bweigvereine des allgemeinen deutfhen Spradvereins.
Dir unterzeichnete Zweigverein hat die Freude, daß die diesjährige Hauptverfammlung des allgemeinen
deutjchen Spradjvereins in Dldenburg tagen wird, Die Vorbereitungen dafür find im Gange; wir werden uns
angelegen fein laffen, unferen Gäſten den Aufenthalt bei und fo angenehm wie möglich zu gejtalten. Indem wir
daher um möglichit zahlreichen, freudigen Beſuch unjeres Fejtortes und um zahlreiche Beteiligung an den gemeinfamen
Veranftaltungen bitten, wie fie durch die Felt: und Tagesordnung in der leßten Nummer vorliegender Zeitichrift
des Vereins durch den Gefamtvorjtand bekannt gegeben wurden, fügen wir Diejenigen Anordnungen hinzu, um deren
gefällige Beachtung wir die Teilnehmer und deren Damen zu erjuchen haben:
1. Auswärtige Teilnehmer erhalten die Feſtkarte bei Ankunft in Oldenburg am Fabrkartenjchalter im Bahnhofe.
2. Da die Verſammlung in die Zeit des regen Nordjeebadverlehres fällt, während welcher die bejjeren Gajt-
höfe in Oldenburg jtärker beſetzt zu fein pflegen, jo it es dringend erwünſcht, daß auswärtige Teil-
nehmer ſich möglichſt bald, jedenfalls aber einige Tage dor ihrer Ankunft hier anmelden, Wir
bitten, diefe Anmeldungen mit deutlicher Unterjchrift unter Angabe von Stand oder Dienftbezeichnung
jowie der gewünſchten Anzahl der Zimmer und Betten und unter Anfügen etwaiger befonderer Wünſche
über die Wahl der Gaſthöfe uſw. an unjeren Schriftführer, Baurat Böhlf, zu richten, welcher für die
Unterkunft in den biefigen Gafthöfen jorgen, auch mit diefen über angemefjene Preife verhandeln wird.
Aufträge werden nad) der Neihenfolge des Einganges erledigt, der Name des Gajthofes, Zimmernummer
und Preis werden auf den Umſchlag der Feitkarten aufgejchrieben. :
3. Auswärtige Gäfte, welche hier in Familien Unterkunft finden, werden gleicherweiſe erjucht, ihre Anmeldung
zum Zwecke der Husjtellung der Feitfarte und der möglichjt frübzeitigen Erreichung einer Überſicht der
Sejamtzahl unferer auswärtigen Gäſte ebenfalls an den vorgenannten Schriftführer zu richten.
Wir wiederholen unjere Bitte: Nommen Sie zu uns!
Sür den Sweigverein Oldenburg defien ftellvertretender Vorfikender:
gez. von Lettom:Vorbed.
Briefe und Drudfaden für die Vereindleitung Geldſendungen und Veitrittöerflärnngen (lührlier Belteag 3 Mart,
find an den Borfigenden, wege * Ze und die fonitigen Drutichriften des Vereins geliefert werden)
berit an apmeifier,
Dberfilcutnant a. D. Dr. Mag Jähns in Berlin 2.10, Berlagsbichbändler Eberhard Ernft In Berlin W.8,
Margaretenjtraße 16, Wilgelmftrafe 9,
Brlefe und Drucſachen für die geitfchrift And ar den Herausgeber, Oberichrer Friedrich Wappenhans In Berlin N. W. 2%, Altonaer Strabe 32
(bis 12, Auguſt in Weimar, Auf der Aitenburg),
* Vrleſe und Zuſendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profefior Dr. Paul Pietſch, Berlin W.3O, Mohſtrabe 12
zu en.
J Zür bie Schriftteltung derantwortich Brie drid Wa ppenh ans, Berlin, _ Verlag des allgemeinen deutſchen Epradwereins (Jahns und Eruft), Bertin.
Drud der Buchdruderei des Walſenhauſes In Halle a.d. S.
Deitchritt
Xl. Jahrgang Ar. 9.
September 1896.
bt
alddemeinen deuhchen Spracjveseins
Begrünodel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes ae von Friedrich Wappenhans.
Diehe Zeitſchrift ericheint jährlich zwmölfmal, zu Anfang jebes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemelnen deutſchen Spradwereins unentgeltlich
geliefert (Sapung A).
Die Zeltſchrift fan jr burdh ben Buchhandel oder bie Poſt
zu 3 ME, jährlich bezogen werben. — Unzelgenannabme durch ben Schapmelfter
Eberhard Ernf, Berlin a. 8, Wllelmftr. on. — Auflage 15000,
Intatt: IX. Hauptverfanmlung zu Oldenburg. — Rleine Witteifungen. — Sprechſaal. — Aus den Inden, — Brief:
faften. — Gegenerklärung. — Geſchäftlicher Teil.
IX. Bauptverfammlung zu Oldenburg
am 9. und 10. Auguſt 1896,
Der ausführliche Bericht über die Berfammlung fann erjt in
der Dftobernummer veröffentlicht werden, inzwiichen machen wir
jedoch befannt:
T. Bei den am 10. Auguſt vollzogenen Wahlen zum Geſamt⸗
vorslande find folgende Herren gewählt worden:
1. Se. Durchlaucht der Erbprinz Chriftian Kraft zu
Hohenlohe-Ohringen, Oberft- Kämmerer Sr. Majeftät
des Kaiſers und Königs, auf Slawenpig, Obericl.;
2. 5 W. Eigen, Kaufmann in Hamburg;
3% MArdivrat Dr. Ludwig Keller, Geheimer Staatsarchivar
in Charlottenburg;
4. Dr. Friedrih Kluge, Univerjitätsprofefjor in Frei—
burg i/Br.;
5. Geheimer Regierungsrat Wilhelm Launhardt, Profejior
an der technifchen Hochſchule zu Hannover;
6. Karl Magnus, Bankherr in Braunjcweig;
7. Eifenbahndireftionspräjident von Mühlenfels zu Olden-
burg;
8. Brofeffor Dr.
Braunſchweig;
9. Peter Rofegger, Schriſtſteller in Graz;
10. Geheimer und Ober: Baurat a. D. Nüppell, in Köln a/Rh.;
Herman Niegel, Mufeumsdireftor in
11. Gymnajtals Oberfchrer a. D. Dr. Günther A. Saalfeld,
in Friedenau (Berlin);
12. Geheimer Baurat Otto Sarrazin, vortragender Nat im
Minijterium der öffentl. Arbeiten, in Friedenau (Berlin).
Die Prüfung der Vollmachten ſowie die Vorbereitung der
Wahlen hatte Herr Oberlehrer a. D. Dr. Saalfeld wieder freund:
fichjt übernommen, während die Wahlen jelbjt von einem Aus:
ſchuſſe geleitet wurden, der aus den Herren Oberlehrer Dr. Dijjel
aus Hamburg, Profefior Dr. Eggers aus Norden, Oberlehrer
Dr. Philippjon aus Magdeburg und Kaufmann Wülffing
aus Elberfeld bejtand.
II. Der Antrag des Profefjors Dr. Dunger (In der Ber:
einszeitichrift ift eine befondere Abteilung einzurichten, in ber
häufiger vorfommende Verjtöhe gegen die Reinheit, Richtige
feit, Deutlichteit und Schönheit der Spracde an bejtimmten
Beifpielen vorgeführt und berichtigt werden. Diefe Berich—
tigungen müſſen vorher von mehreren Fachleuten aus vers
N
ſchiedenen Gegenden bed beutfchen Sprachgebietes geprüft fein«)
wurde einftimmig angenommen.
IT. Der Antrag des Zweigvereins Münden (æEs wolle
die Schriftleitung der Vereinszeitſchrift angewieſen werden, neu er-
icheinende Bücher und Auffäpe über Gegenftände, die zur Vereins—
thätigfeit in Beziehung ſtehen, nicht nur aufzuführen, fondern
auch deren Inhalt und Wert furz zu befprechen«) wurde eben-
falld angenommen, jedoch in der Faſſung: >»... ſondern auch,
joweit es irgend möglich ift, deren Anhalt... .«
IV. Die Anträge des Zweigvereins Neichenberg (1. »PDie
Beitimmung 24 der Geichäftsordnung des allgemeinen deutjchen
Spradjvereind hat fürderhin wie folgt zu lauten: „Alle wie
immer gearteten Beröffentlidungen des allgemeinen deutichen
Spradjvereins haben in deutjcher Druck⸗ beziehungsweiſe Schreib-
ſchrift zu erfolgen. — Im übrigen gelten die bisherigen Gewohn—
heiten‘; 2. [für den Fall der Mblchnung von Nr. 1] »Der Haupt»
vorjtand des allgemeinen deutſchen Sprachvereins wird von der
zu Oldenburg tagenden Hauptverfammlung erjucht, fich bei allen
wie immer gearteten Beröffentlihungen des Gefantvereind wie
bes Geſamtvorſtandes ausſchließlich nur deutfcher Prüge zu bes
dienen und lateiniichen Drud höchſtens bei Fremdwörtern zu ge—
| brauchene) wurde von dem Vertreter bes Zweigvereins Reichen—
‚ berg, Herm Bürgerfcdullchrer Arnold, zurüdgezogen, nachdem
die VBerfammlung auf Vorſchlag des Vorſihers, Oberfileutnants
Dr. Jähns, ihre Zuftimmung zur Beibehaltung des bisher in
den Veröffentlihungen des Vereins geübten Brauches erteilt hatte.
V. Am 9. Auguſt verlas der Borfiger folgenden
Jahresbericht:
Seit der Örazer Hauptverfammlung ift die Leitung des Vereines
eifrig bemüht geweſen, defien Geltung und Ausbreitung zu fördern,
Den wichtigeren Zeitungen wurde Mitteilung von allen bedeu-
tenderen Regungen unjeres Bereinslebens gemadt; den Sprach—
verein betreffende Anzeigen wurden regelmäßig in die „Tägliche
Rundſchau“, die ‚Deutiche Tageszeitung‘ und die , Deutjche Zeitung‘
eingerüdt, weil der Leſerkreis diefer Blätter erfahrungsmähig den
lebhaftejten Anteil an unjeren Bejtrebungen nimmt, und um auch
auf dem Lande, zumal in der noch immer jo fpröden Markt Branden-
burg Fuß zu ſaſſen, legten wir der ‚Neuen Preußiſchen Zeitung‘
und der ,‚Märkiichen Zeitung‘ unferen Aufruf bei. Die 548 Lehrers
vereine Deutichlands und die Direktoren aller höheren Schulen
Berlins wurden durch befondere Sendfchreiben zum Beitritt aufs
gefordert; allen Hochſchulen und größeren Büchereien wurde
163
Zeitfhrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereins. XI Jahrgang. 1896. Nr. 9.
164
das Halten unſerer Veröffentlichungen anempfohlen, zugleich aber
auch beſchloſſen, denjenigen dieſer Anſtalten, welche ſich dazu nicht
entſchlöſſen, die Zeitſchrift umſonſt zu liefern, falls fie ſich nur
verpflichteten, fie regelmäßig in ihren Lejehallen auszulegen.*) —
Dieje Bemühungen haben injofern reiche Früchte getragen, als die
Zahl der unmittelbaren Mitglieder um 294 geftiegen ift.
Huch die Zahl der Zweigvereine wuchs um jieben. Zwar ift in
der Mark ein Zweigverein, Eberswalde, faum begründet, wieder
eingegangen, und auch Brüfjel, das freilich längji nur ein Schein:
leben führte, ift erloihen. Neubegründet wurden dagegen neun
Vereine: Altenburg, Baupen, Berlindhen, Großrögr&dorf, Kamenz,
Kronjtadt in Siebenbürgen, Meiningen, Nalel und Toltemit.
Das ijt ja an und für fich jehr erfreulich; aber innerhalb der
Bweigvereine ift diedmal der Mitgliederjtand im allgemeinen leider
gejunten, durchſchnittlich freilidy nur um 5 bis 6 Mitglieder; indes
das ſummt ſich und hat für die Heineren Vereine um jo mehr zu
bedeuten, als ſich im Gegenjat zum Gejamtverlujt die größeren
Bweigvereine zum Teil jehr verjtärtt Haben. Wir zählen jept
im ganzen 171 Zweigvereine mit 11354 Mitgliedern
und 921 unmittelbare Mitglieder, zufammen 12275 Mit:
glieder. Den Gewinn an Zweigvereinen und an unmittels
baren Mitgliedern (nahezu 300!) darf ſich der Gejamtverein
als ſolcher zu gute ſchreiben; den Verluſt von Mitgliedern der
Bweigvereine haben ſich die betreffenden Ortsgruppen felbit in
Rechnung zu jtellen. Freilich dürfen mir nicht vergefien, dab
von den Männern, die vor 11 Fahren, dem mächtigen Anſtoße
Riegels folgend, begeijlert für unfere Sache eintraten, jet jchen
mandyer zur ewigen Ruhe gegangen iſt. Aber für die Scheiden—
den muß Erjaß geworben werden. Möge jeder Zweigverein, der
darin ſäumig war, reuig in feinen Buſen greifen und etwas mehr
thun, al& gute Borjäge für die Zukunft faſſen! — Bedrohlich find
übrigens die im Berichtsjahre erlittenen Verluſte feineswegs. Zählt
der Verein doch immer noch 25 Zweigvereine und jonjt 800 Mit-
glieder mehr als in feinem eriten Glanzjahre 1890! Wohl aber
liegt in dem Rüdgange der Mitgliederzahl unjerer Heineren Zweig:
vereine eine ernjte Mahnung dazu, die Werbung nicht nur von
der Hauptjtelle aus zu betreiben, jondern auch die örtliche Wer—
bung durh Wanderredner wieder aufzunehmen.
Da in der deuticen Schweiz unjer Verein noch gar nicht
vertreten ift, jo verfuchte ich dort, unter Benupung guter perjöne
liher Berbindungen, unjeren Bejtrebungen zumächjt in Bern den
Boden zu bereiten. BVergeblih! Seinen alten Überlieferungen
nachgebend, hat Bern noch immer fehr ſtarle franzöſiſche Neigungen,
die ausgeſprochen nationaldeutjche Unternehmungen nicht auflommen
lajjen. Man verwies mich auf Zürich. Hier aber bejteht be
reits eine „Bejellichaft für deutiche Spracde‘, die die Pflege des
Deutſchen und das Verjtändnis für dejjen Entwidelung in weitere
Kreife zu tragen bemüht ift und den richtigen und reinen Gebraud)
der neuhochdeuiſchen Schriftipradhe in Schule und Leben pflegen
will. Mit diefer Geſellſchaft, die eine erfreuliche Thätigkeit entfaltet
und neuerdings mit uns Beziehungen angelnüpft hat, in Wett:
bewerb zu treten, erſcheint nicht angemefien, obgleich jie in der
Fremdwörterfrage offenbar weit minder ftreng denft als wir,
Die wichtigiten Lebensänferungen unferes Bereins find und
bleiben die beichrenden Beröffentlihungen; denm es liegt ja
*) Angeſchloſſen haben fid uns bisher u. a.: die Univerjitäts-
büchereien von Leipzig, Strahburg, Jena und Bonn, die der tech.
niſchen Hochſchulen zu Berlin und Dresden, die des ftatijtijchen
Amtes in Berlin, die Stadtbüchereien von Bremen, Frankfurt a. M.,
Leipzig und Kolmar jowie die Bücherei des Auguſſa-Gymnaſiums
in Koblenz.
in der Natur der Sade, daß wir für das Wort nur durd das
Wort wirken fünnen.
Die Zeitfchrift jtand wie in den beiden Borjahren unter
der bewährten Leitung des Oberlehrerd Wappenhans und der
Beratung durch unſern erjten Schriftführer Prof. Dr. Pietjch. Sie
brachte folgende größere wiſſenſchaftliche Aufſähe:
‚Die Geſchichte der Fremdwörter in der deutſchen Muſil von Witting;
‚Die Entwielung der deutſchen Sprache bis auf Luther‘ von lihle;
‚Martin Greif und Sans Sad‘ von Sahr;
‚Schweizer Schriftdeurich‘ von Hoß;
‚Ein iprachreinigenber Juriſt des vorigen Jahrhunderts’ von Mattblas;
‚Ein Wort für »monatig« und »wöchig«: von Scheffler;
‚Boitstiimtide Namen der Arzneimittel‘ von Milller;
Etwad von der deutihen Sermannsipradie‘ von Goedel;
‚Üderbtit über die Entwickelung der neuhochdeutſchen Schriftiprache‘ don
nationale Bedeutung der deutichen Epradge‘ von Erapet,
Solchen gröheren Aufſähen treten die oft recht wertvollen
‚Kleinen Mitteilungen‘ zur Seite, jowie die zur Abjchredung ab:
gedrudten ‚Spradlihen Mufterfeiftungen‘, ein Fach, für dejien
bejjeren Ausbau der der Hauptverfammlung vorliegende Antrag
unjeres Borjtandsmitgliedes Prof. Dr. Dunger forgen will. Weiterer
Belehrung über das Leben unferer Wiſſenſchaft dienen die , Bücher:
und die ‚Zeitungsſchau‘, welche der heut vorliegende Antrag
Münden noch weiter entwidelt zu ſehen wünſcht. Dankbar wurde
es anerlannt, daß die Schriftleitung den Lejern der Zeitjchrift die
angeführten Aufjäpe, Beſprechungen uf. Teihweile zur Verfügung
ftellte. — Dem Umfange nad) behandelt der Hauptinhalt unferer
Zeitichrift wohl aud) in dieſem Jahre die eigentlichen Vereins—
angelegenheiten. Da find bejonders hervorzuheben: der ausführ-
liche Bericht über die Grazer Hauptverfammlung, das Verzeichnis
der Zweigvereine mit Angabe der VBorfigenden und der Mitglieder:
zahl, die Überficht der Rechnung d. J. 1895, die geichäftlichen
Mitteilungen des Gejamtvorjtandes, der Aufjag von Wülfing
über das Ergebnis der Umfrage wegen Schreibung von Straßen:
namen und Erbes Bemerkungen zu einer Abhandlung über bie
Verwirrung in der Schreibung unferer Straßennamen, die Wülfing
in den „Örenzboten‘ veröffentlicht hat; ferner der zweite Bericht
Stiers über die Berdeutihung und Verbefferung der Gejchäfts:
ſchilder, eine Mitteilung über die Verdeutſchung von Fremdwörtern
in Satungen und eine Mahnung ‚Wo fehlt's noch?‘, weldye zu
einer jtärferen Benupung der Tagesprefle auffordert, eine Mah—
nung, die jehr viel Wahres enthält, doch freilich nur bei hingebender
Mitwirkung unjerer Mitglieder in den einzelnen Städten ſach—
gemäß ins Werk zu jepen wäre. Die ‚Mitteilungen aus ben
Zweigvereinen‘, 136 an der Zahl, find z. T. recht ausführlich,
enthalten oft vortrefjlihe Hinweife und zeigen zugleich den um:
thätigen Zweiqvereinen (und das ift ja leider die Mehrzahl), wie
man es machen muß, um Teilnahme an unjern Beftrebungen zu
weden und wach zu halten. Eben diefem Zwede und gelegentlid,
auch wiſſenſchaftlichen Auseinanderiegungen dienen der , Sprecdjaal‘
wie der „Brieftaften‘, und gewiß hat Profefjor Pietſch recht,
wenn er dort die Bemerfung macht, daß es, um z. B. die Bedeutung
eines bejtimmten Wortes, fein Vorlommen oder Fehlen in den
verſchiedenen Gauen unferes Baterlandes feftzuftellen, gegenwärtig
leinen leichter gangbaren Weg gebe, als eine an die über ganz
Deutichland hin verjtreuten Genoffen des Sprachvereins gerichtete
Anfrage. — Alles in allem darf man wohl jagen, daß fich das
Leben des Vereines wirflicd in unferer Zeitichrift ſpiegelt, obgleich
wir und, aus Naummangel, leider auch in diefem Jahre ver:
fagen mußten, Beridyte über den Verlauf der Sigungen des Ge—
jamtvorftandes und feines Ausſchuſſes abdruden zu laſſen, die
num mein Jahresbericht zu erfeßen hat.
165
166
Wie im vorigen Berichtsjahre, erihienen aud in diefe munter
der jeinfinnigen Leitung des Profefjors Dr. Paul Pietich zwei
‚Wiſſenſchaftliche Beihefte‘ und zwar am 1. Oftober und am
1. April. Sie enthalten die zu Graz mit jo großem Beifall auf:
genommene Feitrede Dungers über „die Bereicherung des Wort:
ſchaßzes umjerer Mutterjpradie‘, Heinkes Aufſatz über ‚die
Stellung des Zeitiwortes nach »unde‘, Schraders ſprachgeſchicht
liche Betrachtung über ‚Deutjches Neich und deutfcher Kaiſer‘, die
zugleich als unjere Feſtgabe zur Zubelfeier des viertelhundertjäh-
rigen Beſtehens des neuen deutſchen Reiches gelten follte, und
einen Vortrag von Matthias über die ‚Mundarten im Spiegel
der Schriftſprache!.
Bon den Verdeutſchungsbüchern iſt Heut das fiebente,
das über die ‚Schulipradhe‘, in Ihre Hände gelegt worden, ein
ſchweres Stüd Arbeit, das in feiner Urgejtalt ſchon zu Ende d. J.
1889 den Aweigvereinen zur Begutachtung zugegangen und 1894
von feinem Berfafjer, Oberlehrer Dr. Scheffler, dem Borftande
als vollendet eingereicht worden war. Sie fönnen aus dem Borworte,
wenn auch nur andeutungsieife, entnehmen, welch ein Fegeſeuer
diefes Geiftesfind auszuftehen Hatte, bevor es zur Öffentlichfeit
erlöft werden durfte. — Das Verdeutſchungsheft für ‚Heillunde
und Arzneimittel: ift im Laufe des BerichtSjahres von den Zweig—
vereinen und einer großen Anzahl von Fachmännern geprüft
worden und erhält nun zur Zeit von Oberjtabsarzt Dr. Kunow
feine endgültige Faſſung.
Nuf Antrag unſeres Ausschuhmitgliedes, des Dr. Saalfeld,
hat der Vorſtand beichloffen, eine Sammlung von Sedidten
herauszugeben, welche die deutjche Sprache betreffen. Diefen Ans
trag hat Brofeffor Bietfch beftimmter geformt und umgrenzt. Dem⸗
gemäß foll die Sammlung möglihit vollftändig alle Außerungen
in gebundener Rede umſaſſen, welche die deutſche Sprache oder
deutſche Mundarten und Spracheigenheiten rühmend oder tadelnd
und ſpottend behandeln. Dieſe Dichtungen ſollen, anhebend
mit dem Beginne deutſchen Schrifttums bis zur Gegenwart, nach
der Zeitfolge und in ihrer Urform mitgeteilt und je nach Umſtünden
erläutert werden. — Eine jtattliche Zahl folder ‚Spradhgedichte‘,
wie man jie kurz nennen darf, hat Dr. Saalfeld acfammelt.
Der fo gewonnene Stamm wird gegenwärtig gedrudt und einer
Neihe von Vereinsgenofjen und Fachleuten zur Prüfung vorgelegt.
Da es eine derartige Sammlung bisher nicht giebt, fo füllt
ihre Veranſtalumg zweifellos eine Lüde aus, die wohl auch
von manchem umnferer Bereinsgenoffen ſchon bemerkt worden ift.
‚Der deutſchen Sprade Ehrenfrangz‘ wird ihnen eine will-
fommene, bei feftlichen Aufammentünften als Gejangbuch dienende
Gabe fein, die aber zugleich auch wifjenfchaftlich wertvoll ift.
Die Zeit der Beröffentlihung läßt fich heut moch nicht genau be-
ftimmen. Die Mitarbeit des weiteren Sreifes der Vereins—
mitglieder ijt möglich und erwünscht. Möge daher jeder, dem
einfchlägige Gedichte befannt find, des Dankes ficher fein, wenn
er darüber an Dr. Saalfeld oder Brofejior Pietſch eine Mitteilung
gelangen läßt, die wenigjtend den Namen des Dichters und bie
Stelle, wo fie fich finden, angiebt. Freilich enthält die bisherige
Sammlung wohl von ganzen Gedichten oder Liedern ſchon ziem-
lich) alles, was heute weiterhin bekannt iſt; dagegen dürfte von
verſteckteren poetijchen Auferungen über unfere Sprache, nament-
lich fo weit fie in größere Dichtungen eingeiprengt find, wohl
noch manches Goldtorn fehlen. Namentlich in diefer Richtung
alſo find Beiträge ſehr willfommen.
Der Oberlandeögerihtsrat Erler hat eine Schrift über die
Sprache des neuen bürgerlihen Geſetzbuches eingereicht,
die jchr feſſelnd geichrieben it umd zu unferer Genugthuung den
Nachweis liefert, daß den Beftrebungen des a. d. Sprachvereins
bei der Faſſung diefer fo überaus wichtigen großartigen vater
ländijhen Arbeit doc; in bobem Maße entgegengekommen ift.
Der Vorſtand beabjichtigt, die Schrift druden und als Sonder:
gabe an die Mitglieder verteilen zu lafjen. Sie ift befonders aud)
für diejenigen Ichrreich, die, von einem bloßen Liebhaberjtandpuntte
aus, geneigt find, jogar bie höchſten Aufgaben mit der Lojung
‚Biegen oder brechen!! zu behandeln, ohne ſich Mar zu machen,
was unter Umftänden dabei zerbrochen wird.
An die Entſcheidung über die zu Graz verfündete Breisauf-
gabe „Deutiche Pilanzennamen für die deutihe Schule‘ wird
das Preisgericht im Januar 1897 herantreten. Schon jept ift
eine Bewerbung eingelaufen.
Um die rühmlichen Beftrebungen des Herrn Eigen zur Reini-
gung der Handelsiprache zu fürdern, hat der Geſamtvorſtand 200
Abzüge der Eihenſchen Schrift ‚Vom Mißbrauch der Fremdwörter
im Handel‘ angefauft und an die Amweigvereine verteilt.
Ebenio hat der Borjtand 50 Abzüge einer Meinen Schrift des
Dr. Pfaff zu Freiburg i. B. den Zweigvereinen zur Verfügung
gejtellt, welche ‚deutſche Ortsnamen‘ nad) ihrer Herkunft und
Bedeutung behandelt. Mbgefehen von Piaffs trefflicher Bear:
beitung des Gegenſtandes gab den Anlap zu dieſem Antaufe der
Umſtand, daß Kurz vorher eines unferer Borftandsmitglieder nach—
brüdlich auf dasjelbe Arbeitsgebiet hingewieſen hatte, Prof. Erbe
in Stuttgart empfahl nämlich die Herausgabe eines ‚Ortinamen-
büchleins? als Gegenjtüd unſeres von Dr. Khull verfahten
‚Namenbücheind‘. Im Januar d. J. aber ftellte der Zweig—
verein Bonn den Antrag: » Der Gejamtvoriiand möge in Erwä—
gung ziehen, ob es fich nicht empfehle, zum Zwecke der Vorbe—
reitung eines großen Wörterbuches über alle im deutjchen Reiche
und in Öftreih vorfommenden Flur:, Wald» und Bergbezeich-
nungen die zunächit geeigneten Schritte zu thun.e — Sowohl der
Vorſchlag Erbes ala der des Zweigvereins Bonn hatten etwas
außerordentlich Beftechendes und gaben Anlaß zu jorgfältigen Er:
mwägungen im Borjtande unter Heranziehung fachfundiger Fach—
männer. Bımächit ergab fi, dak, wer man von dem Bonner
Vorſchlage ausgehen und etiwas Grokes und Ganzes leiſten wollte,
der Erbeſche Vorſchlag mit berüdfichtigt werden mühte. Die Be-
ſchränkung auf Flur⸗, Wald- und Bergbezeihnungen unter Aus—
ichliegung der Namen ber bewohnten Orte und Gewäſſer zeigte
ſich als unhaltbar, weil die Bezeichnungen aller der verichiedenen
Örtlichfeiten ſehr oft in einander übergeben, von einander ab-
hängig find, man ſich alfo eines wichtigen Erflärungsmittels be—
rauben würde, wenn man irgend welche Arten jener Benenmungen
ausſchlöſſe. Und da befamntlich die Deutung und Erklärung -der
Ortsnamen in noch höherem Grade als die Erflärung der Wörter
der Sprache auf Überlieferungen aus uralter Vorzeit Rückſicht
nehmen muß, aus diefer aber vorwiegend Namen bewohnter Orte
erhalten find, jo geht e8 nicht an, gerade die letzteren beifeite
zu laſſen. Nun aber würde es, wenn man von dem Bonner
Vorichlage ausginge, nicht genügen, etwa die vielen Taufende
von Mehtiihblättern unferer Genevaljtabsfarten auszjubeuten, weil
diefe durchaus nicht alle Bezeihnungen von Örtlicheiten enthalten
und die vorhandenen von den ipracunfundigen Landmeſſern oft
wunderlich entjtellt find, jondern man hätte auf die Flurkarten
der einzelnen Ortichaften zuridzugreifen und auf die Ortsurlunden
bis zur äfteften Zeit. Es liegt auf der Hand, daß hierzu eine
Unfumme von Arbeit und gefchulten Yrbeitsfräften gehört, welche
weder unjerm Gejamtvereine noch feinen z. T. jo Heinen und
ganz unregelmähig zerftreuten Zweigvereinen zur Verfügung ftehn;
der Antrag Bonn, der ja übrigens jelbjt nur eine Einleitung, eine
167
Vorbereitung zu einem folhen Unternehmen ins Auge fahte,
würde ums alfo, fogar umter diefer Einfchränfung, eine Aufgabe
ſtellen, die wir mit unſern Kräften zu löfen nicht imjtande find.
Eher fünnten wir auf den etwas abgeänderten Erbeichen Bor-
fchlag eingehen und uns an ber Herftellung eines Handwörters
buches der wichtigjten Ortsbezeichnungen im deutichen Sprach—
gebiete beteiligen. Hierüber find wir in eimen vorläufigen
Gedanfenaustaufch mit Dr. Pfaff eingetreten und hegen die Hoff-
nung, dab aud) die Hauptverfammlung ſich gegen eine derartige
mafvolle Erweiterung unferes uriprünglichen Vereinszweckes nicht
abfehnend verhalten werde.
Außer diefen Anträgen iſt übrigens dem Gefamtvorftande noch
gar manche Anregung aus den Zweigvereinen entgegengebradt
worden.
Der in Graz beratene und angenommene Antrag Wermels—
firchen iſt jofort ind Werk gejeßt worden, Zwar liehen uns
die Herren, die fi) in Graz als freiwillige Mitarbeiter, naments
lich zur Wufftellung von Liften öſtreichiſcher Beitichriften und
Verleger, angeboten hatten, unferer Bitten ungeachtet, einfach
im Stich; aber die im Vorjtande aufgeftellte Lijte von Verlegern
deuticher Jugendwerle umfahte immerhin 221 Namen, und unjere
Darlegungen, denen wir den ſchönen Aufſatz Idels beigelegt
hatten, braditen und mande warme Yuftimmungsbriefe ein,
welche und einerjeit3 das Vertrauen einflöhten, daß gerade
die nambafteften Verleger auf unferer Seite ftehen und mit uns
bejtrebt find, ihre Erzeugnijje in einer edlen, fremdwortfteien,
gut deutichen Sprache darzubieten, die und aber anderſeits
auch in der Auffaſſung bejtärkten, daß die Buchhändler ein be-
vormundendes Eingreifen in ihre Wirkjamfeit, wie e8 uns im
vorigen Jahre von einigen Nebnern angejonnen wurde, unter
teiner Form dulden würden.
Nachdrücklich trat im Februar d. 3. der Zweigverein Düfjeldorf
für ein Vorgehen des Vorjtandes in der Frage der Gaſthofs—
und Wirtihaftsiprade ein. Dieſem Hinweiſe folgend, jepten
wir uns mit dem Borfigenden bes ‚Bundes der deutichen Bait-
wirte‘, Herm Facius in Leipzig, in Verbindung. Dieſer fam
uns verjtändnisvoll entgegen und fiherte uns zu, bei der an—
fangs d. M. zu Wiesbaden ftattfindenden Hauptverſammlung feines
Bundes ganz in unferm Sinne zu wirten. Weniger glücklich
waren wir bei dem „deutjchen Saftwirtsverbande ‘, der unter dem
Vorſihe des Herrn Th. Müller aus Berlin im Juni zu Hamburg
getagt, die Frage der Spradje aber nicht berührt hat. — Zu
Anfang der Badezeit haben wir an mehr als 300 der befieren
Gaſthöſe der Nord» und Dftfeebäder unfere Zeitſchrift verjendet
mit der Bitte, fie audzulegen und, im Fall jie gewünfcht wird,
Fortfegung zu fordern.
Vom Zweigvereine Berlin: Charlottenburg wurde der Antrag
geitellt, der Gefamtvorftand möge ſich an die Unterrichtsminiſter
der Hauptjtaaten des bdeutfchen Reiches mit der Bitte wenden,
womöglic im Anſchluſſe an die bereits vorhandenen Regeln über
Rectichreibung eine Aufftellung der wichtigſten Stilregeln
herbeizuführen, und außerdem geeignete Sträfte gewinnen für bie
jelbftändige Herausgabe eines vom Sprachvereine zu verlegenden
Heftes, das im Anſchluß an eine Sammlung ftififtifch fehlerhafter
Süße und deren mujtergültige Verbefierung die wichtigiten allge—
meinen Stilvegeln enthalten jollte. — Der Gelamtvoritand hat
dei erjten Teil dieſes Antrags nad) eingehender Erwägung abs
gelehnt. Der Stil ift etwas höchſt Perfönliches, worauf amt:
liche Vorjchriften feinen Einfluß haben jollen; mit allgemein ge
haltenen Anweifungen läßt ſich da überhaupt nichts erreichen,
und geht man ins einzelne, jo weichen die Anfichten oft weit
Zeitſchrift des allgemeinen dbeutfhen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 189. Nr. 9.
168
von einander ab. Wohl aber läht ſich durch Beiſpiele auf den
Stil einwirken, und den fehr gefunden Kern, der in dieſer Hinficht
in dem zweiten Teile des Berlins Charlottenburger Antrages
ſtedt, jchält der Ahnen jept vorliegende Antrag Dunger heraus.
Diefer entſpricht zugleich einer Aufforderung, die der Zweig—
verein Bonn in einer Beurteilung unſerer Zeitihrift an den Ge—
ſamtvorſtand gerichtet hat.
Bon einem Offizier eines weſtdeutſchen Truppenteil® ging mir
eine jehr einfichtSvolle Berbeutichung des ‚Ererzierreglements
für die Infanterie‘ zu, die ich mit Bergnügen durcharbeitete,
Ich forderte den Herrn Berfafjer zu weiteren Unternehmungen auf
diefen Gebiete auf und halte es nicht für ausgeſchloſſen, daß die
Kriegsbehörden bei Neubearbeitungen ihrer amtlihen Vorſchriften
auf mahvolle Vorjcjläge eingehen werden; denn zu Berlin herrſcht
ſowohl im Kriegäminifterium wie im Generalftabe ein unjern Be:
ftrebungen keineswegs abgeneigter Geijt.
Im Zweigvereine Kaſſel hatte man die Ausarbeitung eines
Verdeutſchungsheftes Über das Verfiherungswefen be
gonnen und bat um defjen Unterſtützung. Wir jandten den be
reits früher als Handichrijt gedrudten Entwurf eines ſolchen Ber:
deutfchumgäheftes dorthin, mußten es jedod) ablehnen, uns an der
Herausgabe eines ſolchen Heftes zu beteiligen, weil die Wörter
des Entwurfes über das Berficherungswejen bis auf etwa ein
halbes Dutzend bereit jämtlih in das Verdeutſchungsheſt der
Handelsſprache aufgenommen find.
Um Einfluß auf die Sprache des Handelsgejegbudes zu
gewinnen, hat ſich der Borjiand durch Vermittelung jeines Mit:
gliedes, des Geheimen Baurats Sarrazin, mit dem Reichs—
jujtizamt in Verbindung gejegt. Der Entwurf des Gejegbuches
Itegt ſeit kurzem gedrudt vor; ihn unter dem Gefichtäpuufte
unjeres Vereins durchzuarbeiten, hat Brofefjor Dr. Pflüger in
Bonn übernommen, und wenn es gelingt, unfere Vorſchläge bis
Dftober dem Reichsamt einzureihen, jo haben wir begründete
Hoffnung, daß fie berüdfichtigt werden.
Schon feit den Tagen des alten Turnvaters Jahn beſleißigt
fich die deutjche Turnerſchaft einer von vaterländiicher Gefinnung
durhdrungenen Sraftiprache, und mit welcher Aufmerkjamteit ſie
auch unferen neueren Beftrebungen folgt, das beweift z. B. ein
mir jüngjt zugegangenes Büchlein »Grundgefep und Geſchäfis—
ordnung des Miünfterländer Turngaues«, einer Abteilung des
achten deutſchen Turntreijes. — Auch die Radfahrer lenlen
neuerdings in diefe Bahn ein; gejtem erhielt der Borftand einen
Drahtbrief aus Halle, demzufolge der dort tagende Deutſche Rad—
fahrerbund auf Antrag des Gauverbandes Steiermark einjtimmig
den Grundſatz der Sprachreinigung für feine Fachſprache an—
genommen hat.
Im Leben unferer Jugend haben neben dem eigentlichen
Turnen die Volks: und AJugendipiele eine immer wachſende
Bedeutung gewonnen. Da dieje Spiele meiſt von England herüber:
getommen find, jo haben fie eine Menge von Fremdwörtern mit
eingefchleppt, die befonders beim Hafenballipiele, dem fogenannten
Lawn tennis, unangenchm auffallen. Wir find daher unferm Bor
ftandsmitgliede, Herın Magnus, ſehr dankbar, da er ſich mit
hundigen und eifrigen Förderern jener Spiele, dem Projeflor
Dr. tod; zu Braunſchweig und dem Freiherrn von Fichard zu
Straßburg, in Verbindung geſetzt hat, um die überflüffigen Freund—
wörter auszumerzen. Herr Magnus hat bereitwilliges Entgegen
fommten gefunden, und wir dürfen hoffen, da, wenn im Jahre
1900 zum erjtenmale ein deutfches ‚Olympia* gefeiert wird, wie
das Feſt Telbit, fo auch die Sprache deutſch fein werde.
en
Wie das Nafenballipiel, jo Hat auch das Tiſchballſpiel eine
geiftreihe Bearbeitung in unferem Sinne gefunden, welche in
den „Billard-Studien’ unieres Mitgliedes German Frand
zu Freiburg i. B. vorliegt, die foeben in zweiter Auflage erfchienen
find. Der Berfaffer hat ſich eifrig bemüht, die Fremdwörter des
Spiels durch deutſche Bezeichnungen zu erſeßen. — Dan ficht,
auf wie vielen verichiedenen Gebieten der von uns vertretene
und hochgehaltene Gedante zum Durchbruch fommt.
In lehter Stunde find uns noch zwei bedeutungsvolle Bor:
ſchläge entgegengebradjt worden, welche beide die Beſchäftigung
mit der Ausſprache ind Auge fallen, dabei aber ganz
verfciedene Ziele verfolgen. Der Borichlag des Direltors
Diederichs, des verehrten Begründers unferes großen Zweig—
vereins Bonn, bezwedt eine genaue Feititellung der in den vers
ſchiedenen Mundarten vorfommenden Ausſprache, um auf der
fo gewonnenen Grundlage den Bau einer vereinfachten vein laut⸗
fihen Rechtſchreibungslehre aufzurichten. Unſer Borftandsmit:
glied, Profefjor Erbe in Etuttgart, wünſcht dagegen die Feit:
ftellung einer etwa an die Kanzel- und Bühnenſprache anknüpfen:
den idealen Ausſprache, die dan zum Gegenjtande des allge:
meinen Unterrichts gemacht werben könne. — Beide Borfchläge
ſcheinen doc noch einer näheren und eingehenden Erwägung zu
bedürfen, bevor fie der Hauptverfammlung zu Entichliefungen
vorgelegt werden. Es wird aber gut fein, fie im Auge zu be-
halten und fid in den Zweigvereinen mit ihmen zu befchäftigen.
An der Errichtung von Dentmälern haben wir uns in diefem
Jahre nicht beteiligt; wohl aber fpendeten wir für das Studen-
tenheim im Cilli 300 Mark, um dort dem Deutjchtum, der
deutichen Bildung und mit ihr der deutichen Sprache die bedrohte
Heimftätte fihern zu helfen. Für denjelben Zweck find übrigens
auch au& den Zweigvereinen z. T. recht bedeutende Summen nad)
Eilli gefendet worden. Zur Zeit wird dort die Gründung eines
Zweigbereins vorbereitet.
Eine Reihe minder wichtiger oder unbrauchbarer Anträge und
Anregungen Übergehe ich. — Alle, die wichtigſten wie die gering:
fügigjten, gelangen zunädjt an den Borjipenden des Ge-
jamtvereins. Diefer tritt darüber mit den Urhebern ſowie mit
ſachkundigen Bereinsmitgliedern, jedenfalls mit dem erſten Schrift:
führer und dem Schafmeijter in Gedanfenaustaufch, und hieraus
entwicelt ſich oft ein umfangreicher Schriftwechiel, der die Arbeits:
fräfte der Beteiligten zuweilen tüchtig in Anſpruch nimmt, meijt
aber lehrreih und erfreulich iſt. Selten nur bereitet einmal
irgend ein hartnädiger Querlopf Schwierigleiten und Verdruß. —
Sobald die Dinge genügend gellärt find, werden fie dem ſtän—
digen Ausſchuſſe, und nachdem fie hier durchberaten worden
find, je nad) Umftänden aud dem Geſamtvorſtande vorgelegt.
Grundſätzlich gehen wir in diefer Hinficht viel weiter, ala es ung
die Satzungen zur Pflicht maden, weil wir den Wunſch hegen,
Anfichten vericiedener Männer aus verichiedenen Gegenden des
Baterlandes zu vernehmen. Der jtündige Ausihuß wie der Ge—
famtvorjtand traten jeder zweimal im Verichtsjahre zu Sipungen
zufammen. Die Ausführung der von ihnen gefaften Beſchlüſſe
ijt dann größtenteils dem erjten Schriftführer, Beof. Dr. Pietſch,
und dem zugleich als Geſchäſtsführer waltenden Schatzmeiſter,
Verlagsbuchhändler Ernſt, zugefallen; doch haben zuweilen aud)
Herren, die nicht dem Ausichufle angehören, wie Prof, Dr. Dunger
und Oberbibliothetar Dr. Yohmeyer, regen Anteil daran genommen,
Die Geldangelegenheiten bes Vereins wird Ihnen Herr
Eberhard Ernit vortragen, indeſſen bitte id) noch um die Erlaubnis.
meinen Bericht mit der angenchmen Nachricht zu ſchließen, dad
170
uns fo lange beichäftigt bat und in der, nad) dem Gutachten aller
Kundigen, auf dem Rechtswege ſchwerlich etwas zu erreichen war,
durch Vergleich zu Ende geführt worden ijt. Die Vormundſchaft
der Rutenbergijchen Erben hat die uns zugedachten Jahresipenden
in eine Stammjumme umgerechnet und uns die Hälfte davon,
nämlich 7500 Mark, ausgezahlt. Die Zinjen davon gedenfen
wir vorzugsweile für Örtliche Werbezwede zu verwenden, wie Sie
aus dem Ihnen mitzuteilenden Voranſchlage erſehen werden.
Den glüdlihen Erfolg der Verhandlungen mit den Vormün—
dern in Bremen verbanfen wir dem perjönlichen Eingreifen unferes
Vorftandsmitgliedes, des Prüfidenten v. Müblenjels, den wir
die Freude haben, an der Spihe des Zweigvereines zu begrüßen,
defjen Gaſtfreundſchaft unſere Haupwerſammlung diesmal genicht.
Oldenburg den 9. Auguſt 1896. Dr. Mar Jähns.
Rleine Mitteilungen.
Auf Veranlaffung des Herm Franz Pichler in Graz bat
der Bau 36 (Steiermark) des deutichen Radfahrerbundes beim
Bundestage zu Halle a. d. ©. den Antrag gejtellt: »In der dem
„Deutſchen Hadfahrer- Bunde: gehörenden bundesantt-
lihen Zeitung gleihen Namens feien Fremdwörter
thunlichſt zu vermeiden, und die Schriftleiter jeien zu
verhalten, auf fhönes, reines Deutſch inden amtlichen
und anderen Nufjägen zu fehen,« und dazu folgende Be—
gründung gegeben: »Der ‚D. R.=B. gilt nicht mur als ein den
Sport fürdernder, fondern auch als ein die deutſchvoltlichen Ideale
hochhaltender Verband; er bildet ein die deutihen Stammes:
genoffen Deutfchlands und Oſtreichs, ſoweit fie Radfahrer find,
innig verfnüpfendes Band. Die Pflege des Radfahriportes ift ihm
Zwed, die Art aber, wie er diefen Zweck verfolgt, Tennzeidnet
fein Weien als cin durch und durch deutſchvollliches. Dieſem
feinem Weſen tft es num aber durchaus zuwider, daß die Sprache
der amtlichen Berlautbarungen und der in feinem eigenen Blatte
ericheinenden Berichte nicht rein deutich iſt. Schon im Titellopfe
finden fich die Worte: „Officielles Organ, Insertionspreise, Chef-
redacteur, Inserate, praenumerando, Rabatt, Inseratentexte,
Exemplare, gratis und franco, abonniren‘, die ſich durch die
zum mindejten ebenfo verjtändlicden: ‚Amtliches Blatt (amtliche
Zeitung), Anzeigenpreife, Hauptichriftleiter, Anzeigen, im voraus,
Nachlaß, Anzeigenwortlaut, Stüde, koſtenlos, beziehen‘, erfepen
laffen und dem Bundesblatte entichieden ein dem deutichen Weſen
des ‚D. R.«B. wiürdigeres Ausfehen verleihen würden, als die
vorerähnten welſchen Ausdrüde, die dem Deutſchweſen des
Blattes und jeines Herausgebers, des, D. R.«B.‘, Eintrag thun.
Die Stammesjpradye ift eines der Lojtbarjten Güter eines Volkes,
und ihre ſorgſame Pflege und gewijjenhafte Reinhaltung ift ein
Beweis für die Tiefe und Kraft des dem Bolte innewohnenden
Stolzes und Selbſtbewußtſeins, das allein geichichtliche Großthaten
zu zeitigen vermag. Won dieſent hohen Gefichtspunfte aus er
achtet es der Gau 36 als eine Heilige Pflicht des Deutſchen
Nadfahrer: Bundes, daß er auch ein treuer Hort unſerer herr—
lidyen Mutteriprache fei.e — Der Befamtvorjtand des a. d. Sprach
vereins erhielt in feiner Sigung am 8. Auguft in Oldenburg die
drahtliche Nachricht, dafz der Antrag in Halle angenommen wor:
den fei. Diefer äußerſt erfreuliche Erfolg des waderen Borgehens
der jteiermärliihen Nadjahrer wurde mit großer Freude begrüßt,
und der Vorjtand jandte fogleic dem Bundestage durch den Draht
‚ einen herzlichen Glückwunſch (vgl. Sp. 168).
die Angelegenheit des Rutenbergiihen Vermäcdtniifes, die |
iz
Spredfaal.
Müngel.
Über diefes Wort wird der Schriftfeitung gefchrieben:
Soeben finde ich auf Sp. 156 unferer Zeitfchrift die Brieffaften -
Antwort betr. Verdeutſchung von »Clique«, und zugleich geht mir
die zweite Lieferung von Prof. Hermann Raul » Deutichem Wörter:
buche« zu, worin es auf S. 250 — heißt: Klungel,
Klüngel, N. M. F., ſchweiz. ⸗Knäuel«; rhein. »Troddel«; bildlich
»Anhange, »Cliques. Geſtatten Sie mir als geborenem Kölner
hierzu Folgendes zu bemerfen: »Die Müngel« ift mir in biefiger
Mundart noch nicht vorgefommen, dagegen ift das Wort, männ—
lich und füclih, in der von Paul für die Schweiz vermerften
Bedeutung ⸗Knuel (Garnfnäuel)e mundartlich auch hier ber
fannt, ferner — mit männlihem Artikel — zur Bezeichnung eines
vom Kleide berabbängenden Fetzens — nicht »Troddel«
ſchlechthin. Bildlich fommt das Wort bier nur mit männlichem
Artikel vor. Es ift ein befonderd in Köln allgemein befanntes
und auch im hochdeutſchen Gefpräch gebräuchliches Wort,
wird aber nicht auf Perionen angewandt, fondern auf Hands
lungen und Auftände. Überjepen läht es fich faum. Es be-
zeichnet jede nachläſſige, nicht pflichtmähige Behandlung über:
nommener Aufträge und Verpflichtungen, ſowie die dadurd ers
zeugte Unordnung. 3. B.: ein Handiwerfer, der eine Lieferung
aus Bequemlichkeit, Unkenntniß oder Eigennug ichlecht ausführt,
ein Tagelöhner, der während ber Arbeititunden trödelt, ein
Arbeiter, der etwa irgend eine ihm übertragene Ausbeflerung
flüchtig und ungenügend abthut, — diefe Peute »Mlüngeln«, und
das Ergebnis ihrer »Klüngelei« iſt »lüngel«; auch mag man ihre
Art, zuarbeiten, als »$tlüngel« bezeichnen. Ferner: Leute, die
ihr Hausweſen oder Familienangelegenheiten nachläſſig führen
(oder, im gelellichaftlihen Einne, ſolche, die um irgend welcher
geichäftlichen Vorteile willen mit unpafiender Geſellſchaft vertraut
verfehren) »Müngelne Ferner: »Stlüngel« find alle Mikitände,
die in Berwaltungsiahen, überhaupt im öffentlichen Leben das
durch entjtehen, daß rg ge Perſonen einander durd) die
Finger fehen, oder fich in den ihnen übertragenen Gejchäften bei
Erteilung von Aufträgen, Emennungen, Abrechnungen uſw. von
unjachlihen, ungehörigen Nücdjichten beeinflufien laſſen. Es ift
nicht nötig, daß fie dazu mit Bewußtſein eine »Clique« bilden;
manchmal fan es fich aud) um überlieferte Mifwirticyaft handeln,
die der einzelne »bona fide« mitmacht. Auf jeden Fall aber be:
zeichnet das Wort »Slüngel« nicht den betr. Kreis von Perfonen,
fondern das, was fie treiben, die Art ihres Treibens, und die
daraus folgende Unordnung, Unklarheit der Seidäfte. Alſo ans
genommen, irgend ein Borftand oder ein Kreis innerhalb dese—
jelben treibt »Cliquenwirtichaft«, fo »Hüngeln« dieſe Leute, in
ihren Geſchäften herrſcht⸗Klüngelei«, und ihre Verwaltung iſt und
liefert »Nlüngel«; ganz unbelannt aber iſt mir das Wort als
Fig | derjenigen, die jo handeln. Man wird einen jolchen
Kreis von Leuten auch hierorts eben eine »Clique« nennen, oder
in manchen Füllen — mit einem Wort, dad meines Wiſſens von
Amerifa zu uns gelommen ift und jedenfall$ den Vorzug hat,
deutſch zu Mingen — einen »Ninge«.
Ans den übereinftimmenden Angaben in Ihrer Antwort und
bei Paul muß ich num wohl ſchließen, daß da8 Wort anderswo
in perjünlicher Bedeutung — aljo — ⸗»Cliquo«, nicht » Eliquen-
twirtichafte — gebräuchlich iſt; es wäre mir wertvoll, darüber ge
legentlich etwas zu erfahren. Wielleiht finden Sie Raum und
Anlaß, in der Zeitjchriit unter Verüdjichtigung meiner Zeilen
daranf zurüdzulonmmen,. —
Vielleicht wire es — da die Frage num einmal »angejchnitten«
— auch anregend feitzuftellen, welche Bedeutungen das Fremd—
wort »Clique« im deutſchen Volksmunde hat. Sierzulande
pilegt man das Wort mundartlich — in der Ausſprache -Klick-
— als verächtliche Bezeihnung jür Meinere Vereinigungen von
Zechern, Yärmmachern uſw. zu gebrauchen, ähnlich wie man z. B.
das Wort Klübchen« (von »Club«) gebraucht. Dagegen im hoch—
deutichen Geipräc wird das Wort — in der chrenrührigen Be
deutung — Ring, Verbindung zum »stlüngelne — »Stlide« auss
geſprochen, aljo ganz als Lehnwort behandelt. Die erjtere Be:
deutung — etwa — »Wotte, Bande, Blaſe⸗ — dürfte, wie im
Franzöſiſchen, auch hierorts die Ältere jein; das Wort ift wahr:
icheinlich wie jo viele romaniiche Wörter ſchon in früheren Fetten
in die niederrheinifche Vollsſprache eingewandert, lange bevor es
Zeitfhrift des allnemeinen dentfhen Spradverein® XI. Yabraang. 1896. Nr. 9.
172
als Anbeariff der häklichften Parteivorwürfe Aufnahme in die
hochdeutſche Zeitungs⸗ und Nednerjprache fand.
Bonn-Poppels dorf. Dr. Ernſt Muellenbach.
Aus den Smweigveteinen.
Bonn. Der Ausdruck »Bierbause fcheint fich bier ein-
zubürgern. Nachdem ihm der neue Bärentirt jtatt »Reitauration«
eingeführt bat, it er von dem Wirte Joſef Offermann von
vornherein Für fein »Bierhaus zur Sternwarte« angenommen
worden. Überhaupt zeichmet ſich die Anzeige der »Wirtichafts-
Eröfinung« des Herm D. durch ein ganz reines Deutich aus, bis auf
das Wort »Erportbiere. Für diefes gebraucht übrigens der hiefine
Flaſchenbierhändler Peter Simon feit hurgem, nach Rüdipradıe
mit unferem Borjtande und der Brauerei, die ibm das Bier
liefert, den Ausdruck » Qagerbier«.
Elberfeld. An der Sikung am 29. Juli Hielt der Bor:
fiter, Brof. Buchruder, einen Vortrag über die frrage: »Ge—
bietet die Rüdiicht auf die Entwidlung der Sprache die
Schonung der Fremdwörter?« Der Nebner bezeichnete als
den am mteiften ernſt zu nehmenden Einwand ber Gegner des
Spradvereins die Behauptung, dak die Fremdwörter zur Ent:
twiflung ber Sprache notwendig feien, weil ohne Fremdwörter
die Bildung jogenannter Lehnwörter, denen wir einen qrohen
Teil unſeres Sprachreichtums verdanken, nicht möglich ſei. Dieſer
Schluß ſei zwar richtig, indes habe das beutiche Boll ſchon
feit Jahrhunderten anicheinend die Fähigkeit, fremde Wörter
zu Lehnwörtern umzubilden, fait völlig verloren. Dies zu
beweien, war Gegenſtand des weiteren Teiles feiner Aus—
führungen. Sodann legte der Redner dar, daß in neuerer Reit
faft alle Fremdwörter der Entwicklung unferer Sprache nichts
genutzt hätten, dak fie vielmehr aeblieben jeien, was fie waren:
Fremdlinge und Eindringlinge. Die Gelchriamkeit des Deutichen
und die Furcht, ja nicht als ungebildet zu erjcheinen, feien die
Urſache davon; aus diejen Gründen behalte man die Fremdwörter
mit ihrer frembartigen Qautfolge, Betonung und Ausſprache mög—
fichft bei. Prof. Buchruder fam zu dem Schlufie, dak nur die
unentbehrlihiten Fremdwörter Schonumg verdienten, und zwar
auch nur jo lange, bis ein gutes deutſches Erjabwort vorhanden
fei. Der Vortrag rief eine längere Erörterung hervor.
Plauen. An der zum Zweiqvereine Blauen gehörigen Orts:
gruppe Schöned i. B. wurden jeit dem lehten Bericht in Nr. 6
diefer Beitichrift v. J. 1895 folgende Vorträge gehalten: Bon
Vlarrer Reuter über Bedeutung, Gefährdung und Er-
neuerung deutihen Gemütslebens mit bejonderer Bes
ziebung auf Sprade und Schrifttum, über Erforfhung
und Erhaltung deutiher Sitte, eine Piliht der deut-
ihen Spracvereine, über Deutiche Familiennamen, ber
Deutiches Beiftesleben im Mittelalter mit befonderer
Berüdfihtigung feines Einslufjfes auf die Jeßtzeit,
und über Urfprung und Bedeutung von Völker- und Orts—
namen; von Schuldireftor Rudolph fiber Judenprefje und
die deutfche Sprache; von Student Müller über Leifings
und Schillers Anjihten über das deutſche Theater.
Die Vorlefungen aus F. Neuters Mt mine Stromtid wurden
durch Stadtrat Schunde fortgefegt. Lehrer Holland bot Bor-
fefungen in Oberlaufiter Mundart, Ein auferordentlicher Vereins—
abend war der Würdigung des vogtländiihen Dichter® Julius
Sturm gemibmet.
Wermelskirchen. Der biefige Zweigverein feierte am 18. Juſi
jein 10jähriges Beſtehen in höchſt anjprechender und gemütlicher
Weiſe durch ein Feſteſſen. Nacd dem vom Vorſitzer eritatteten
Thätigteitsberichte find jeit 1886 in den Vereinsſitzungen 22 Vor:
träge über Gegenjtände ſprachlicher, geicichtlicher, ſchönwiſſen⸗
ichaftliher und anderer Art von biefigen Mitgliedern gehalten
worden.
Brieflaſten.
Herrn P. St. .. . Köln. Zu unſerer Bemerkung im Brief⸗
falten der Nr. 6 (Sp. 117 d. Xahra.) teilen Sie uns freundlichſt
mit, da »jich verbietene ftatt »ſich verbitten« ein bei Unge—
bildeten im Nheinlande oft anzutreffender Iandichaftlicher Ausdrud
it, der lediglich durd die Schuld eines Horreftors einmal in der
Kolniſchen Zeitung · angewendet worden fei.
173
Herm 3. 9... -, Ludig. »ZTaferne, aud »Taferne«
oder »Tavernee, ijt ein im bayrijch-öftreihiihen Spradjgebiete
weit verbreitete® Wort für Wirtshaus, ftammt aus dem lateis
nijchen gleihbedeutenden »taberna« und wird ebenjo wie diejes
auf der zweiten Silbe betont. ⸗Tafern-Wirtſchaft« fjt natür-
lid) eine Doppelbezeihnung wie »Guerilla-rieg« (= tleiner
Krieg Krieg) oder das öſtreichiſche »Wiletweitel«.
Herrn Landgerihtsrat K. . ., Halle. Das Wort »Motor«
ift unzweifelhaft auf der erjten Silbe zu betonen, denn wir haben
es gewiß unmittelbar dem Lateinifchen entlehnt und nicht dem
Franzöſiſchen, wo e3 ja moteur heiht. Ein für alle Fülle jeiner
Anwendung pajjendes deutſches Wort giebt es vorläufig nicht,
vielleicht gelingt es einem der Lejer, ein joldhes zu finden. Das
dürfte freilich fein, denn bald bedeutet es » treibende Krait«,
bald » Bewegungsvorridytung«, bald » trajtquelle « ujw. (vgl. Sar⸗
razin, Berdeutjchungs= Wörterbud)).
Herm &...., Sterfrade. Dad »Realprogymnafials
Kuratoriums in Oberhaujen fann es in Bezug auf die
Länge feines Titels jajt mit den ſchon jo oft ihres Namens wegen
lächerlich gemachten » Eintommenjteuerveranlagungstommiifionen«
aufnehmen, an Fremdwörterreichtum übertrifft es dieje jogar.
Das Wort » Progymnafiume iſt ja als amtlich eingeführtes nicht
vermeidlich, wohl aber das davon gebildete Eigenihaftswort und
der Ausdrud »Huratoriume. Warum nicht »Borftand (oder
» Berwaltung«) des Realprogyinnafiums«? — Beſten Dank für
die Einfendung der Sapungen Ihrer Witwen: ujw. Kaſſe, die
** erfreulichen Beweis von Ihren ſprachreinigenden Einfluſſe
ieſern.
Herrn X. ..., Rojtod. Der von der ⸗Roſtocker Zeitung«
am 9. Juli d. 9. gebrauchte Ausdruck »jchlehthinnige Ver:
allgemeinerung« iſt —— zu billigen, doch ſcheint uns die
elegentliche Berwendung von andern Umſtandswörtern als Eigen-
ha Smwörter z. B. teil weiſe feineöwegs bedenklich.
Herrn X. . . . Braunſchweig. Der Beſitzer des-Magazins
zum Pjau« bat offenbar keine Ahnung von den Regeln der französ
ſiſchen Ausſprache, ſonſt Hätte er nicht Kite in den »chicesten
Fagons« angefündigt. Wenn er fi) das erjte diefer Wörter von
einem wohlbejtallten Quartaner vorjprechen liehe, wilrde er gewiß
jelber vor diejer Ausgeburt feiner Fremdwörierſucht erſchrecken.
Der Mann jteht aber nicht allein mit ihr. Wei u ru.Comp.,
Berlin, Friedrichſtraße 178 ift zu lejen: »Special- Etablissement
ne Herren-Moden« Hier ift die Ausſprache nod) bes
denllicher.
Herrn G.8...., Wien. Das ⸗Grand Cafe Parisien« in Wien
ſollte folgerichtig jeine Ankündigungen durchweg in ng ra
Sprade abfafjen. Die vereinzelten deutſchen Wörter, denen die Be—
merfung »de Premiöre qualite« folgt, fcheinen zu beweifen, daß die
Sprachlenntnifje des Eigentümers nicht ausreichten, um ein reines
Sranzöfiich zu jchreiben. Wann werden wohl dieje Leute wenig:
ſtens einjehen, wie unſterblich lächerlich fie ji mit ihrem Kauder
welſch in den Augen von Ausländern machen. Eine Rüdficht:
nahme auf das nationale Empfinden ihrer deut ſchen Kunden ijt
natürlich von dieſer meijt international gefinnungslojen Gejellichaft
nicht zu erwarten.
gem Dr. 3. €. ®...., Bonn. Das Wort »Pazarijt«
ift wohl dem geſchmackvollen »Lagerift« nacıgebildet; auch uns
war es biäher unbefannt. — Sollte die Verwaltung der Burg
Cochem einem früheren Handlungsgehilfen anvertraut fein? Jhre
Anzeige: »Die Burg €. bleibt pro Monat... geſchloſſen« läßt
darauf ſchließen. — Der Ausdrud »jolenne Sleilerei«, den der
> Generals Anzeiger für Bonn« angewendet hat, iſt auch anderswo
oft zu hören und zu leſen. Urjprünglich ſcherzhaft gebraucht,
Icheint das Wort > jolenn« allmählidy ein fefter Befip des > Neporter-
ſtils« geworden zu fein. Glücklicherweiſe iſt es aus diefer mies
drigjten der Stilarten nod) nicht in das beijere Schrifttum ein-
gedrungen, wenigſtens nicht in der Bedeutung von > vegelredht «,
in der e3 bier gebraucht wird. — Sie wollen es unter feinen
Umftänden zulajjen, da ein willlommenes Ereignis einſach » bes
grüßt« werde, jondern verlangen, daf es »mit Freude begrüßt «
werde. »Gruß« und » grüßene« bezog ſich ehemals audy, urſpruͤnglich
vielleicht jogar allein auf die feindliche Anrede vor dem Kampfe.
Bern es dieſe Bedeutung bewahrt hätte, fo wäre freilich bei Ans
wendung im freumdlichen Sinne ein entjprechender Zuſah unent⸗
behrlich. Aber mit der Zeit hat jich der Begriff ganz auf diejen
Zeitfhrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 9,
174
freundlichen Sinn eingefchräntt, und jo wäre theoretiich ſchwerlich
etwas dagegen einzumenden, wenn man den Zuſaß aud) bei Be
rüßung von Ereignijien fortliehe, wie man es bei der von Per:
onen längit thut; denn das wäre nur die folgerichtige Fortiegung
einer bereits begonnenen Entwidlung. Indeſſen bleibt doch noch
abzuwarten, ob es jich hier nicht um eine vereinzelte Liebhaberei
handelt. (In der »Deutjchen Zeitung« vom 3. September d. J.
heit es: » Darum künnen wir den Plan... nur mit dem Bor:
behalt begrüßen, dab .. .« Danach fcheint der Gebrauch dod)
weiter verbreitet zu fein.) — Einer jo verwidelten Erläuterung
der Wendung »e$ erübrigt ſich⸗ — »es ijt überflüffig« bedarf
es wohl nicht. Was ſich eröffnet, erweitert, ergänzt, wird ofjen,
weit, ganz; was ſich erluftigt, erfriicht, erbittert, wird Iujtig,
friſch und bitter; was ſich erübrigt, wird übrig, Dies aber im
Sinne von »überflüffig, übermäßige ift allgemein im Gebrauch.
Gegenerflärung.
In Nr. 3/4 des 7. Jahrganges der » Mitteilungen des deutichen
Sprachvereins Berlin« hat der Vorjtand dieſes Vereins eine Er—
Härung veröffentlicht, die mit den Worten ſchließt: »Uns aber
bleibt nad) dem vorjtehend Mitgeteilten nichts weiter übrig, als
hiermit Öffentlich zu erflären, dak Herr Gcheimer Rat a. D. Häpe
fid) einer ſchweren Berleumdung ſchuldig gemacht hat.«
Died fol geſchehen jein durch eine Mitteilung über Herrn
Geheimen Regierungsrat Reuleaux, die ich perſönlich und zunächſt
vertraulich dem Schriftführer des Bonner Zweigvereins gemacht
habe. Wünde der Briefwechfel mit diefem Herm vollftändig vor—
gelegt, fo ergäbe ſich Har, daß mir die Mbficht einer Ehrens
hränfung fern gelegen und daß mid) vielmehr nur der Gedanke
geleitet hat, das Fortſpinnen des alten für den Sprachverein
ſchädlichen Streites zu verhüten und die öffentliche Beſprechung
von Thatſachen abzuwenden, deren abermalige Erörterung mie
mandem etwas nüßen fan.
Wenn ich mid) num zur Sadje jelbft wende, jo hat meines
Erachtens Herr Reuleaug ſich durch fein eigenes, in dem Briefe
des Berliner Spradjvereins vom 28. Mai 1896 enthaltenes Zus
gejtändnis derartig ſchwer belajtet, daß es eines Angriffs auf feine
Perfon von anderer Seite gar nicht mehr bedarf. Dabei will id)
durchaus nicht unerwähnt lajjen und verfenne feineswegs, daß
meine briefliche Äußerung, »Herr Reuleaug habe gegen Herrn
Muſeumsdireltor Riegel beim Minifterium zu Braunſchweig die
Untlage der Pilihtwidrigfeit und des Amtsmißbrauchs erhoben«,
weiter geht, als die von Neuleaug felbit zugegebene Thatſache.
Es kann dahin gejtellt bleiben, ob die Reuleauxſche Ver—
fiherung wahr ift, daß jeine Vorjtellung beim Miniſterium ſich
lediglich auf eine Beſchwerde gegen den beleidigenden Ton in der
Riegelſchen Schrift beichräntt habe, oder ob nicht im diefer Vor—
ftellung Zujäge eingeflochten waren, die ſich mit meiner Behaup-
tung dem Wortlaute oder wenigjtens dem Sinne nad) deden.
Was in aller Welt aber hatte dad Minijterium zu Braun—
ihweig, die vorgejegte Behörde Riegels, mit der Riegelichen Schrift
zu thun? Diefe Schrift war kein Ausfluß der Amtsthätigleit
Riegels, und das Minifterium zu Braunſchweig konnte bezüglic)
der den allgemeinen deutfchen Spradjwerein allein angehenden Ans
gelegenheit gar feine Entiheidung treffen. Da nun der Beamte
für Handlungen aud) außerhalb feines Amtes der Disziplinargemwalt
der vorgejeßten Behörde unterjtellt ijt, was dem Herrn Neuleaur
zweifellos recht wohl bewußt war, fo ift der Zwed der Denun—
ziation offenfichtlih: Es follte dadurch ein disziplinarifches Ein—
ichreiten gegen Herm Riegel herbeigeführt werden, das zu dis—
äiplinarifchen Strafen und zur Amtsentjegung führen konnte. Eine
Handlungsweife, wie fie Herr Neulcaug hier nad) jeinem eigenen
Zugeſtändniſſe gewählt hat, ift aber bisher unter vornehm dentenden
175
Menschen Gottlob nicht Sitte getvefen, und dürfte Herm Reuleaux
doch wohl, insbejondere für ein Aufanımenwirten in Angelegen-
beiten eines Vereins, für immer unmöglich machen. Freilich ent-
fpricht dies Verhalten ganz demjenigen, das von Herrn Neuleaug
ſchon in einem früheren ähnlichen Falle, aber ebenjo erfolglos,
eingeichlagen worden ijt.
Den Beweis hierfür liefert ein Umfchreiben des Dr. L. Bur-
mejter, ®rofefford der darjtellenden Geometrie und der Sines
matif an der füniglichen techniichen Hochſchule zu München. Die
Hauptjtelle diefes Schreibens lautet: »Um Ihnen aber belannt
zu geben, welche Mittel Herr Reuleaux zur Belämpfung meiner
»wijjenjchaftlihen Thätigteit im geheimen verwandt hat, Din id
ermächtigt mitzuteilen:
» herr Neuleaug ‚hat im vorigen Herbite feine Angriffe gegen
» meine wiſſenſchaftliche Thätigkeit in amtlicher Form an das Direl-
>torium der hieſigen füniglichen techniſchen Hochſchule geiandt mit
»dem Anfinnen; Das Direftorium möge bewirfen, daß meine
wiſſenſchaftliche Thätigfeit vor dem Profefjoren- Kollegium und
»dben Studierenden der techniichen Hochſchule desavouiert werde.
»Nachträglic; hat Herr Reuleaux in einer telegraphiichen Depeſche
sum eine nichtsamtliche Behandlung diefer Sache erjucht.«
Obwohl diefe Eingabe jelbftverjtändfih gebührend zurück—
»getviefen wurde, jo hat Herr Neuleaur in neueſter Zeit feine
» Angriffe nebft einer Zufchrijt mit ſchnöden Beſchuldigungen gegen
» mic an das Königlich bayeriiche Kultusminifterium geſandt. Auch
»diefe Beichuldigungen wurden amtlich als nicht begründet zuriüd-
» gewwiejen.«
Die erjte Auflage dieſes im Drud eridienenen Schreibens ift
gezeichnet: München den 1. Juli 1889 und die zweite Auflage:
den 4. Dezember 1889, letztere mit der Anmerkung: » Wegen fort-
»dauernder Nachfrage in vielen Aujchriften, welche allgemeine
»Entrüftung über die mitgeteilte Handlungsweije befunden, wurde
»eine zweite Muflage diejer Mitteilung nötig.«
Und angefichts diefes Borganges konnte Herr Reuleaux dem
Boritande des Berliner Vereins, wie diefer in dem Briefe vom
28. Mai 1896 angiebt, verfichern, seinen ſolchen Schritt niemals
gethan zu haben!« —! —
Diefen Kernpunkt zu verichleiern, ijt die Erflärung des Berliner
Sprachvereins jehr bemüht; aber die Verſchleierung ift nur für ganz
oberflädlihe Durchſicht gelungen. Es wird dajelbit meiner gelegent-
lichen Andeutung, daß Neuleaur die Eingabe an das Minijterium
vor dem Erſcheinen der befannten Riegelſchen Schrift gerichtet habe,
ein bejonderes Gewicht umd eine enticheidende Bedeutung beigelegt.
Eine ſolche Bedeutung ſteht ihr aber leineswegs zu und ift ihr
auch von mir niemals beigelegt worden. Die Thatſache habe ich
vielmehr, mie ich ausdrüdlich in dem Briefe hervorgehoben habe,
nur angeführt, um Herrn Miegel entichuldbar zu finden, wenn er
— in feiner Lebensjtellung und Amtschre bedroht — zu jtarfen
Mitteln gegriffen habe. Für Herm Reuleaug ift es, wenn ich
mich in der zeitlichen Folge der Dinge auch geirrt haben follte,
leineswegs entlaftend, nachher einen Schritt getban zu haben, zu
Dricefe und Drudfaden für die Bereinsleitung
find am den Borfipenden,
Operftleutnant a. D. Dr. Mar Jähns in Berlin W. 10,
Margaretenftrahe 16,
Druteftrabe 3.
—
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 9.
176
deſſen wahrer Kennzeichnung das Wort »jtarfes Mittel« nicht ans
nähernd ausreict.
Ich bin der feften Überzeugung, daß der Zweigverein Bonn,
wenn er über diefen Kernpunkt genügend unterrichtet geweſen
wäre, darauf verzichtet hätte, dem Herrn Reuleaux in einem
Schreiben vom 24. Juli vor. 8. fein tiefes Bedauern darüber
auszudrüden, da er der von mir’ erhobenen Anklage vorüber:
gehend einen Einfluß auf feine Entſchließungen eingeräumt habe.
Ich war mir der Tragweite meiner Auferungen voll bewußt
und habe erwartet, daß der ganz allein und perfönlich beteiligte
Herr Geh. Regierungsrat Reulcaug gerictlid gegen mic vor—
geben werde. Das ift nicht gefchehen! Warum der Betreffende
troß der Kenntnis meiner brieflicen Außerungen die zur Stellung
eines Strafantrags gefeplich bejtimmte Friſt hat verftreichen laſſen,
muß und kann ich getroft der freien Beurteilung eines jeden über:
lafien. Eine Erklärung bierüber ijt in den Mitteilungen des
Verliner Sprachvereins mit feinem Worte angedeutet.
Wenn ich nun jebt auch meinerfeit® von weiteren Schritten
abſehe, fo fit fiir mich dabei das Intereſſe des allgemeinen deutſchen
Sprachvereins mahgebend, dem ein abermaliges Aurüdgreifen auf
jene leidigen Thatſachen und eine friedenftörende Erürterimg vor
Gericht höchſt unwilllommen wäre. Überdies dürfte ein etwaiges
gerichtlicyeS Vorgehen gegen den »Vorjtand« des Sprachvereins
Berlin, der ohne Angabe aud nur eines einzigen Namens unter:
zeichnet ift, feinen Erfolg haben.
Dies ijt mein erſtes und mein fchtes Wort auf jene Anklage.
Dresden den 25. Auguſt 1896.
5. Häpe, Geheimer Nat a. D..
Geſchäftlicher Teil.
Infolge des vom Deutfchen Sprachverein Berlin in jeinen
»Mitteilungene gegen Herm Geheimen Nat Häpe erhobenen
Vorwurſs ſchwerer Berleumdung hat Herr Geheimer Rat Häpe
die bisher von ihm befeideten Ämter als ftellvertretender Vor—
fitender und als Mitglied des ftändigen Ausſchuſſes des Geſamt—
vorftandes des allgemeinen deutjchen Spradjvereins dem Borjlande
zur Verfügung geftelt.
Diefer hat jedoch in unerjchüttertem Bertrauen zu ber er:
probten hohen Ehrenhajtigleit des Herrn Geheimen Nates Häpe
ihn eimjtimmig gebeten, beide Ehrenämter auch fernerhin bei
zubehaften, und Herr Geheimer Nat Häpe hat fidh bereit erflärt,
diefer Bitte nachzulommen.
Der Sejamtvoritand des a. d. Sprachvereins.
Dr. Mar Jähns.
Mit diefer Nummer wird das
VII Berdeutidungsbud »Die Schult—
ausgegeben.
Geldjendungen und Beitrittserflärungen (jährlicher Beltrag 3 Wart,
wofitr die Heitichrift und die fonftigen Druckſchrifien des GBereins geliefert werden)
an den Eıapmeilter,
Verlagsbuhbändler Eberhard Ernft In Derlin @.S,
Wllbelmftrabe 90,
Briefe und Druckfachen fir die Zeitſchrift find am dem Herausgeber, Oberichrer rledridh Wappenbans in Groß⸗Lichterfelde bei Berlin,
Drum der Vuchdruckerei des Walſenhauſes in Halle a.d. ©.
Deitcchritt
XI. Jahrgang Ar. 10.
Ottober 1896.
aldemeinen deuhchen Spracjveseins
Regründefuon Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Dieie Zeitſchrift erichetmt jährlich zodlfmal, zu Anfang jedes Monats,
umd wird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Epradivereims unentgeltlich
gelichert ESadung A.
Die Zeltichrift kann auch durch ben Buchhandel ober De Boft
zu BME. jährlich besogen werben. — Anzelgenannahme dur den Schapmelfter
Eberhard Ernit, ‚ Berlin 8. 8, Wilbelmſtt. 0. — Auflage 15000,
Inatt: Bericht über die IX. ——— am 9. gr 10. Augujt 1896.
Bücherſchau. — Beitungsihau. — Geichäftlicher Teil.
— Kleine Mitteilungen. — Sprechſaal.
Bericht iiber die IX. Dauptverſammlung
am 9. und 10. Auguſt 1896.
Die ordentliche Hauptverfammlung des Jahres 1806 fand zu
Dfidenburg im Grofherzogtume Statt. Ahr ging Sonnabend
den 8. Auguft eine Sipung des Gejamtvorjiandes jowie
eine freie Beiprehung der Vertreter voraus, melde letztere
ſich für die Klärung der Anſchauungen, namentlich in Bezug auf
die geftellten Anträge, fo nüplidy erwies, daf; mon eine jo bequeme
Art annähernder Ausiprache gewiß auch Hinftig nicht mehr wird
miljen wollen.
Räumen der »Inion« die Begrühung durch den Olden—
burger Feſtausſchuß, welcher der Borjipende des Zweigvereines
Oldenburg, Bräjident von Mühlenfeld, warme und beredte
Worte lieh, die in der Wiedergabe von Uhlands fchöner Dichtung
An die deutiche Sprachgejellihajt« gipfelten. Ihm antwortete
der Borfigende des Gelamtvoritandes, Oberftleutnant Dr. Mar
Jähns, indem er unter Hinweis auf die trefflichen Darbietungen
de3 Münnergeiangvereind »Liederfranze das Sprichwort » Frisia
non cantate fiir veraltet erllärte und unter herzlichem Dante für
die fejtliche Begrühung den Frieſen und Sadılen des oldenburger
Landes ftete Dauer einer jo reinen Stimmung und einer jo mann
haften Kraft wünichte, wie fie an diefem Abend aus den Weiſen
Mein Frieſenland, mein Helmatland,
Dit fdrönes Sand am Meer,
Die Wetterhall, wie Wogenprall
Ertönt dein Name hehr.
D bleibe ewig umerichlaft
Ein Bollwert deutfcher Männerfraft,
Dem Feinde wie dem Meere
Zur Vchre!
Sonntag den 9. Yuguft 9'/, Uhr morgens eröffnete Dr. Mar
Zähne die erite Geichäftsfißung, welde im Meinen Saale des
Naſmos jtattiand.
Am Abende diejes Vortages erfolgte dann in den |
ſei.
Der Vorſihßende forderte zur Überreichung
der Bollmadıten an einen Ausſchuß auf, der unter der bes
währten Leitung des Dr. Enalfeld zu ihrer Prüfung gebildet
Während dies gefchah, verlas Dr. Zähne feinen Jahres:
bericht, der mit lebhaſtem Beifall aufgenommen wurde. Er ift
bereits in der Eeptembernummer zum Abdruck gekommen.
BVorfipender: Ich richte an die Berfammlung nunmehr die
Frage, ob jemand zu dieſem Jahresberichte dad Wort wünſcht? ..
Wenn es nicht der Fall ift, fo bitte ih Dr. Saalfeld die Ver—
treterliſte zu verlejen.
Dr. Saalfeld: Es find vertreten:
Bwelgvereine Stimmen Vertreter
Annaberg ei Herr Profefjor Dr. Dunger.
‘ Barmen 2 ,„ PFabrifant Wiülffing.
ihrer Sänger töne, — Den Chören folgten noch manche Einzel:
vorträge, von denen befonders ein dichteriſcher Feſigruß von |
Aurelius Rolzer aus Graz erwähnt jei, den Dr. Saalfeld mit- |
teilte, und ein ⸗Heimatlied⸗ vom Hauptlehrer Deye, einem Jever⸗
länder, ber aber jept in München wirft, und der jein Gedicht felbit
mit marliger Stimme ſprach. Da es jo recht dazu geeignet ift,
in dad Weſen des Landes einzuführen, das diesmal der Schau—
plaf unjerer Haupwerſammlung war, jo möge es hier eine Stelle
finden.
Dein Feienland am Rorbiceitrand,
An Rubın und Sagen schwer,
Wo fturmgewirgt die Möwe fliegt
Som Watt aum wilden Meer,
Von Schleswig bis gen Nicderland
Hälsft du die Wacht mit ſtarter Hand,
Dad Neih vor Waſſers Wilten
Bu hüten,
Den Boden hier, den haben wir
Dem Meere abgejagt,
Ob Not und Tod uns rings bedroßt,
Wir haben midıt gesagt,
Daß wir von echter beuticher Art,
Bon tübnem Mut und wetterhart,
Das baben oft wir Frieſen
Bewieſen.
Benn durch die Nacht bie Sturmflut kracht.
Die Brandung ſchwillt am Riff,
Bern angkgeſchwellt der Wehruf gelit
Bon dem werlormen Schiff.
Dann brechen wolr auf Schmantem ah
Fur Sturm und Wogendrang uns Bahn,
Ten Leib aus Zodestetten
Bu retten.
Frei wie die Flut, voll Kraſt und Mut
Stritt unfer tapfrer Alır,
In grimmer Schlacht durch Dlut und Nacht
Trug er ber Freiheit Fahm'.
Drum lennen wir nicht Gert und Knecht,
bier gilt für alle gleiches Ned;
Wer recht thut, wird um& allen
"efallen.
Berlin-Eharlotten-
burg 3 „Oberlehrer Wappenhans.
Berlinchen L. » "
Bitterfeld 1 „ Reltor Herrmann.
Blanfenburg 2 „ Dberlehrer Dr. Saalfeld.
Bonn s „ Scriftitellee Dr. Mucllenbad.
Braunſchweig 6 „ DOberitleutnant Dr. Zähns.
Breslau 2 „ Dr Muellenbach.
Budweis l „ Bürgerſchullehrer Arnold.
Gelle 1 „ Dberlehrer Dr. Saalfeld.
Chemnitz 2. Brofeffor Dr. Dunger.
Gzernomiß 1 „ Brofeflor Dr. Wolf,
| Darmitadt 1 „ Bürgerichulfehrer Arnold.
Dresden 6 „ Brofeflor Dr. Dunger.
Duisburg 3 u Buchdrudereibefiger Mendelsſohn.
Oberlehrer Weichardt.
Düfieldorf 3 „ Dr Wuellenbad.
Eger 2 „ Bürgerjchullebrer Arnold.
Eiberjeld 4 „ Pabritant Wüljfing.
179 Zeitſchrift des allgemeinen dentihen Sprahvereins. XI. Jabraang. 1896. Nr. 10. 180
Aweigvereine Stimmen Vertreter Qweigquereine Stimmen Bertretet
Eſſen 3 Herr Dr. Muellenbach. Strasburg 1 Herr Rektor Herrmann.
Flensburg 1 „ Dberlebrer Wappenhans. Strakburg 2. Lberichulrat Dr. Menge.
Franffnta.W. 3 „ Brofeflor Dr. Neihardt. Stuttgart 2°. Profeflor Erbe.
Freiberg 1. Boofeflor Dr. Dunger. Teplig Il „ Bürgerjchullehrer Arnold.
Freiburg 2, Brofejlor Erbe Tolfenrit I „ Berlagsbudhändter Ermit.
Gablonz l „ Bürgerihullehrer Arnold. Torgau 1 „ Dberlchrer Wappenhans.
Gleiwiß 1 „ Dberlehrer Wappenhans. Troppau 2 „ Bürgericdullehrer Arnold.
Görlig 1 ,„ SÜberlehrer Dr. Saaljeld. Tübingen 1 „ Brofeflor Erbe.
Graz G u BVroſfeſſor Dr. hull. Verden 1. Fabrifanı Wülffing.
Greiſenberg l „ Dberitleumant Dr, Jähns. BWermeistirchen et A a
Grimma 2 „ Dberlehrer Dr. Neumann, Weſel 2 Archivrat Dr. Beder.
Großröhrsdorf I „ Dberlehrer Wappenhans. Weßzlar 2 „ Meftor Lürßen.
Halberſtadt 1 „ Überlebrer Dr. Saalfeld. Wien 2 Vroſeſſor Dr. Khull.
Halle a.d. ©. 2 „ NReftor Herrmann. Worbis 1 „ Nektor Herrmann.
Hamburg 5 „ Dberlehrer Dr. Dijiel. Zeit 1 „ ÖÜberlchrer Dr. Saaljeld.
Hannover 5 „ BDireltor Dr. Müller. Bittau 3 „ Oberlehrer Dr. Neumann.
Heidelberg 1 „ Dberdehrer Dr. Shumann. - / j Pi
Heiligenftadt 1, Mehr Herrmann. — erhellt, daß 95 Zweigvereine mit 208 Stimmen ver—
Hom 1 „ Dberlehrer Dr. Diſſel. "
Iglau 1 „ Buürgerſchullehrer Arnold. Boriipender: Iſt von den Herren, welche die Rechnung des
Kamenz l „ Dberlehrer Wappenhans. Vorjahres geprüft haben, einer perſönlich anweſend? . . . Es iſt
Kafiel 9 Oberlandesgerichtsrat Schmidt. niemand von ihnen da. Ich bitte daher unferen Schapmeiiter,
Kempen 2 „ Dberlehrer Wappenhans. das Ergebnis der Redinungsprüfung mitzuteilen.
Kiel 2 „ Dberlehrer Dr. Saalfeld. Eberhard Ernjt: Meine Herren! Die Bemerfung, die ic
Koblenz 8 „VArchivrat Dr. Beder. finde, iſt ganz kurz. Sie lautet: »Rechneriſch geprüft und richtig
Kolmar 2 u Präfident v. Mühlenfels, fowie mit den Belegen übereinftimmend gefunden. Unterſchriften.
— 4 nn — VBorfigen de r: Auf Grund diefer Nedinungsprüfung beantrage
Kötyen f ® i j — ee r lajtung e * ———— und — ac
_ u — * na ur e Hpauptverjammlung. enn dagegen fein Einwu
Kremö 2 . Gasanftaltsleiter Lobimann. gemacht wird . . . . jo nehme ich biermit die Entlaitung al& voll:
Aronſtadi 1 „ Dberlehrer Dr. Diifel. — Es handelt jich nun um die Bezeichnung von Zweig—
Laibach 1 „ Bürgerſchullehrer Arnold. ee 8* *
—** vereinen zur Wahl von Brüfern der Rechnung des laufenden de:
—— — * — ſchaftsjahres. Nach der Koblenzer Vereinbarung jollten dazu ſtets
Leinmerihz oe Vürgerfdjuliehrer Arnold die nädjitgroien Zweigvereine berufen werden. Demnach wären
— 2 ” Brofeffor Dr. Fhufi } für 1896 die Prüfer zu bezeichnen von Bonn und Graz und deren
Lohr 1 . Brofeijor ——— Siellvertreter von Hamburg und Köln. Steht dem irgendwo
důbed 4 ” Oberlehrer & — eine Schwierigleit entgegen?... Ich nehme alſo an, daß die vier
Maadeb 3 — Dbe 221% berufenen Zweigvereine der Bitte der Hauptverfammfung nadı
m = tiehrer Dr. Bhilippfon. fommen werben, und ſpreche meinerjeits die Bitte aus, mir die
Rarburg 4. Prof. Dr. &hull. gewählten Seren bis zur Jahreswende nambaft zu machen.
Marienwerder 3 „ Berlagsbuchhändler Ernit.
Memel l „ Dberlehrer Dr. Saalfeld. Es handelt ſich nun darum, den Voranſchlag für das fom-
Meiningen Es 3 . . mende Geſchäftsjahr feitzuitellen, und ich bitte Herrn Eberhard
München 4. Proſeſſor Brunner. Ernſt den Entwurf vorzutragen.
Hann.» Münden 2 „ Dberbibliothefar Dr. Lohmeyer. Ernjt: Das Jahr 1594 ergab eine Einnahme von 28460,21.A4
Münſter 3 „Vrivatdozent Dr. Schwering. — MWß „ 38238551 „
Neuruppin I. Scriftjteller Dr. Muellenbad). Hiervon kommt in Abzug das Rutenbergſche Vermächtnis 7500 4
Norden 2m Profeſſor Dr. Eggers. Der verbleibende Mehrertrag von 2328 4 iſt erzielt worden durch
Nürnberg I. Profefior Brunner. eine Mehreinnahme am Beiträgen unmittelbarer Mitglieder und
Oldenburg I >»; —— v. Mühlenfels. einen größeren Ertrag aus dem Berfauf von Drudjaden.
Fiorggeim 1 People Erbe. Die Ausgaben betrugen 18H . 24 408,74 4
Potsdam 3 „ Dberlehrer Schumann. z nn
Prag 2 „ Lehrer Himpan. uf " " 1808 . Ze
Quedlinburg I „ Dberlehrer Dr. Saaljeld. fie find um 11 706,51 4 größer als im Borjahre.
Natibor 2. ÜOberlehrer Dr. Dijjel. Hiervon fommt in Abzug der Anſchaffungswert der dem Kapital
Reichenberg 4 , Bürgerſchullehrer Arnold. zugefügten Staatspapiere mit 7785,62 4 Der Reſt aber von
Kojtod 1 „ Dberlehrer Dr, Saalfeld, 3917,59 4 füllt ganz und gar auf die höheren Ausgaben für die
Rudolſtadt 1SOberſtleutnant Dr. Jähns. Zeitſchrift, welche im Jahre 1895 einen bedeutend weiteren Um—
Slamengig 2 „ Meltor Herrmann. fang annahm, der mit 64 Spalten über das gewöhnliche Maß
Stettin 2 Oberbibliothefar Dr. Lohmeyer. hinausging.
—
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang.
1896. Nr. 10. 182
Die Einnahmen des Nahres 1806 betrugen
bis jept . , 22.615,33 .4
Nach meiner Schätzung — 4 ee
1. von Zweiqvereinen, die bis dahin den Bei—
trag nicht geleiftet na 2204,— „
2. von Zweigvereinen, die ihn teilweife ents
richtet haben 606,— u
3. bon unmittelbaren Mitgliedern 30, — „
Dit diejen im Ausſicht ſtehenden Einnahmen
dürften die Einnahmen dieſes Kahres auf . 25875,33 „
mit dem Beſtand aus dem Borjabre von . 2083,36 „
auf 27 958,50 4
zu veranichlagen jein.
An Ausgaben find im laufenden Jahre bis
jet geleitet worden . >
r 11 319,49 .4
Es jtehen uns wahrſcheinlich noch —
. 17000,— „
fo daß fich im — — ein er
betrag von . 360,00 „
ergeben dürfte.
Die Einnahmen des Jahres 1807 möchte ich,
um ficher zu gehen, mit : 23 500, — A
in Anſchlag bringen.
Für die Ausgaben unterbreite ich Ihnen ſolgen—
den Voranſchlag:
1, Allgemeine Berwaltung: Miete, Schreib—
bedarf und Poſtgebühren für den Vor—
figenden, die Schriftleitung und die Ge—
ihäftsführung 000, —
2. Gehalt für den Buchhalter Br Scheim.
jchreiber (in einer Perfon vereinigt) . . 2000, „
3. Für die Bücherei 190, —
4. Hauptverſanmilung, Ausihuß: * Bor.
ſtandsſihungen 3000,— „
5, Meilen für die Ausbreitung des Bereind . 1000, —
6. Schriftleitung der Zeitſchrift und der wiſſen—
ichafrlihen Beiheite . 2400,— „
7. Ehrenjold den Mitarbeitern — geiſchriſt 1500,— „
8. Ehrenjold den Mitarbeitern der Beihefte . 400 — ,
9. Herſtellung der Zeitfchnät . EM, — „
10. Herſtellung der Beihefte « 1500,-- „
11. Vapier für die Druckſachen des Vereins » AW,— „
12. Für unvorbergejchene Ausgaben, zur Ver—
fügung des Borjigenden . 650,— „
23 500,— Ak
Ich bitte um Ihre Genehmigung.
Dr. Muellenbac ijt vom 3.8. Bonn beauftragt, anzu—
regen, daß alle Barmittel, welche über die Dedung der bisherigen
notwendigen Ausgaben des Geſamtvereins hinaus vorhanden find,
zur Unterſſüßung der Zweigvereme als jolcher benupt wilden.
Gewiß ſei die Verwendung auferordentlicher Mittel zur Werbung
nützlich, vielleicht aber am metiten in der Weile, daß die Zweig—
vereine unterſtützt würden und zwar bejonders auch die grofen; |
denn mit der Größe der Vereine wachſe ihre Anziehungstraft und
jteigerten jich ihre Ausgaben. Bonn z. B. würde mit den Ein:
fünften, welche ibm nach Zahlung an den Öefamtverein aus den
Beiträgen übrig biieben, ſchon längſt nicht mehr ausgelommen
fein, wenn es jich nicht auf anderem Wege, beionders durch
Vorträge mit Eintrittögeld, weitere Mittel verichafite.
deshalb im Anregung, daf;, wenn fich beim Jahresſchluſſe ein er-
beblicher überſchuß im der Haupttaſſe ergebe, diejer wenigitens
Es bringe |
)
| gehen 2
3 T. den Aweigvereinen, gleichjam als Steuernachlaß, zurück—
gezahlt werde.
Der Scapmeijter Eb. Ernſt macht auf Sapung 11 auf:
mertkſam, welche lautet: »Der Geſamtvorſtand kann den einzelnen
Bweigvereinen und Gauverbänden zu beitimmten, die Beitre-
bungen des Geſamtvereins fördernden Jwecken Beldmittel über:
weilen.e Dieſes Necht habe der Voritand ſtets auch als eine
Pilicht aufgefaht und werde es auch fünftig gem und freudig
hun. Freilich handele es fid) immer um einen bejtimmten, Har
nachzuweiſenden Zweck. Notwendig bleibe es aber, gerade für
ſolche Zwedte und nicht minder für nicht vorherzufehende ſchwierige
Augenblide im Vereinsleben einen Grundſtock anzujammeln, auf
den man zurüdgreifen fünne.
Wülffing-Elberſeld unterftüpt die Bonner Anregung. Der
Verein ſei Tein Erwerbsgeſchäft und jolle unter allen Umſtänden
das überflüſſige Geld für Werbezwede abgeben.
Dr. Saalfeld: riedenau ijt durchaus für Hebung des bes
fonderen Lebens der Zweigvereine; aber unterſchiedlos alle Zweig—
vereine, auch ſolche, die dermaken gleihgültig und unthätig jeien,
daß fie z.B. nicht einmal für ihre Vertretung auf der Haupt-
verſanimlung jorgten, lönne man doch nicht mit Geldmitteln unter:
ſtüßen; jie würden gar nicht willen, was fie damit anfangen
jollten. Überall komme cs in den Aweigvereinen weit weniger
auf das Geld ala anf die geeigneten Kräfte an. Wo jolde
vorhanden, da follten fie eifrig dahin wirten, die Nadbarichaft
zu erobern. Es fei nicht ſchön, daß es einzelne Bundesſtaaten
gebe, in denen wir fo gut wie gar nicht vertreten jeien, daß trotz
aller Verſuche uns noch nicht einmal jämtlihe Negierungsbaupt
jtädte Preußens gewonnen feien, Für die Arbeit der Vereine:
ausbreitung werde der Sejamtvorjtand gewih gem Mittel bewil-
ligen; aber eine allgemeine oder verhältnismähige Verteilung der
doc; nur Heinen Jahresũberſchüſſe an alle Zweigvereine ſei zivedios
und führe ven dem erwähnten }iele ab, weil fie dem Borjtande
die dazu nötigen Mittel aus der Hand nehme.
Eberhard Ernit: Dffenbar beftcht cin Mihverftändnis be-
trefis der mehrgenannten ‚Überihüjje‘. Die Übertragungen aus
dem Rorjahre find keineswegs Überſchüſſe Sie wiederhofen fich
in jaſt gleicher Höhe von Jahr zu Jahr und entitchen daraus,
dak am Jahresſchluſſe natürlich immer noch Rechnungen ſchweben,
die Jahresrechnung aber ins Gleichgewicht gebracht werden muf.
Das Nurenbergiche Vermächtnis fommt dabei nicht in Betracht.
Es war vom Grblafier bejtimmt, unferm Stammvermögen zugu
fließen, und die Zinfen werden zu Werbejweden verwendet werden,
für weldye dieemal 1000 „A statt 300 im Borjahre eingeftellt
worden find, Geſetzt aber auch: es blieben wirflich einmal 1000
übrig. Was füme auf jeden der 173 Zweiqvereine, falls fie ver:
teilt würden!? Es wäre ein Tropfen auf einen heiken Stein.
Martin May, Schatßmeiſter des Frankfurter Zweigvereins,
beflagt ebenfalls, daß die Mittel der Zweigvereine io bejchränft
jeien. Drei Mark Beitrag fei der angemefiene Sab. Davon
‚A an den Geſamtverein ab, und unter Berücſſichtigung
einiger Nebentojten blieben faum SO A auf den Kopf der Mit
alieder zur Verfügung des Zweigvereins. Damit jeien die Ver:
teilung der Drudiachen und die Entiendung eines Bertreters zur
Haupwerſammlung zu beftreiten, und da gehe Null fir Null auf.
Es jeien zu Frankfurt vortreffliche Vorträge gehalten worden, die
wohl wert gewejen wären, gedrudt zu werden; aber es mangelte
das dazu nötige Geld. Allein amgefichts der Lage, die ſoeben
der Herr Edjafimeijter auseinandergeießt habe, und in Erwägung,
dab; die ausgicbige Untertügung eimes größeren Bweigvereins
bedeutende Mittel erheiichen würde, jepe er auf eine foldıe jeine
183
Hoffnung nicht. Er bezweifle, daß der Gefamtoerein imftande
fei, Nennenswertes für die Einzelvereine abzugeben, und glaube,
daß diefe die Kraft, etwas zu leiften, im fich jelbft ſuchen mühten.
(Sehr richtig!)
Dr. Muellenbadj: Bonn erfennt nach den Darlegungen des
Schatzmeiſters gleihfall® an, daß der Borjtand zur Zeit nicht in
der Lage jei, der Bonner Anregung Folge zu geben. Dennod)
bleibe es namentlich für die größeren Zweigvereine unerläßlich,
ihre Mittel zu fteigern; denn ihre Ausgaben jeien unverhältniss
mäßig größer als die der Heinen Vereine. Die Verbreitung der
Beitjchrift 3. B., die bei diefen auf einem Nachmittagsfpaziergange
vorgenommen werden könne, fordere bei jenen eine nicht unbes
deutende Ausgabe.
Dr. Dungers Dresden: Wenn alle Zweigvereine fid) an die
Hauptlafje wenden wollten, jo würde nicht® übrig bleiben für die
Thätigkeit des Gefamtvereins. Die Hauptfadhe aber jei doch, dafı
diefer genügende Mittel behalte, um Zeitfchrift, Beiheſte, Ver—
deutſchungsbücher ujw. im möglichſt gediegener Weife herzuſtellen
und dadurd; den Verein würdig nad) außen hin zu vertreten und
für ihm zu wirten und zu werben. Nur ganz ausnahmsweiſe,
nur etwa für Werbezwede, bürften den Zweigvereinen Geldmittel
zur Verfügung geftellt werden; im übrigen müßten fie felbjt auf
Vermehrung ihrer Einnahmen finnen. Das Berfahren Bonn,
dieſe durch das Eintrittägeld für Vorträge zu beſchaffen, fei jehr
nahahmungswiürdig. Es erjceine wünjchenswert, dab von andern
auch noch auf andere Wege hingewieſen werde. Grundſaß aber
müfje bleiben: Jeder Zweigverein forgt für ſich ſelbſt und darf
nur dann auf Unterftügung Anſpruch erheben, wenn er damit
das große Ganze zu fürdern Ausſicht hat.
Herr Eberhard Ernſt rät dazu, höhere Beiträge zu fordern.
Der Z.⸗V. BerlinsCharlottenburg nehme 5.4 und habe
damit jehr gute Erfahrungen gemacht, habe auch nicht jelten
größere Vorträge bezahlen können.
Dr. Beer teilt mit, dak man in Leipzig den Weg einge
ihlagen babe, den Mitgliedern in einem Rundſchreiben ausein—
anderzujegen, daf der Ziveigverein Not leide, und daß diejenigen,
welche freiwillig einen höheren Beitrag als 3.4 zu geben bereit |
jeien, died anzeigen möchten. Da hätten von 173 Mitgliebern
fait die Hälfte ihren Beitrag erhöht auf 4, 5, 6, einige fogar
auf 10.4. Damit jet die Notlage bejeitigt. (Schr gut! Beifall!)
Dr. Muellenbad berichtet, Bonn habe verjucht, in ähn—
licher Weiſe zu verfahren, bei dem erjten tajtenden Vorgehen aber
erfannt, dab man feinen Erfolg haben werde. Die Vorträge
hätten fid) bejjer bewährt, zumal dann, wenn kunjtgeübte Spredjer
neuere Dichtungen vorgetragen hätten. Soldye Vorträge jeien zus
gleich ein vortreffliches Werbemittel.
Dr. Becker-Koblenz meint, daß jic die Erhöhung der Bei—
träge wohl am meijten empfehlen würde, um die Mittel ber
Zweigvereine zu fteigern, begreift aber nicht vecht, wober die von
ihnen zu bejtreitenden großen Koſten eigentlich kommen follten.
Beitfhrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. XI. Jahrgang. 189. Nr. 10.
Die BWerbeihätigfeit fei, wie Dr. Saalfeld ſchon hervorgehoben |
babe, eine Sadje des perjünlichen Einflufies; Koblenz; habe damit
die vorzüglichſten Erfahrungen gemadıt.
VBorfigender: Wenn ic mir ein Wort erlauben darf, fo ift
es dies, daß viele Wege nad) Rom führen, und daß die Wahl
defjen, den man einzuichlagen hat, von den Umſtänden, befonders
von den vorhandenen Perſönlichleiten abhängt. Es giebt Männer
unter uns, die vollftändige Hünjtler im Werben find; wo ein
Verein über ſolche Meijter verfügt, da foll er ihre Kräfte dankbar
anfpannen; fie wirfen mehr als jeder Vortrag. Mangelt es an
ſolchen Werbetünftlern, gehören dem Zweigverein aber Männer
184
von großem Vermögen an, jo fordere man biefe zu Spenden auf;
ed giebt darımter gar manchen vornehm denfenden und tüchtigen
Menden, der, wenn er nur darauf Hingewiefen wird, wo er
mit verhältnismäßig Meiner Babe wirklichen Nugen ftiften kann,
gern dazu bereit it, Gilt dies befonders von Handelsſtädten, jo
bieten ſich in Univerfitätsftädten die Gelehrten zum Halten von
Vorträgen dar. Es giebt aber auch wieder Meine Bereine in
Gebirgäthälern oder ſonſt in einjamen Gegenden, wo es nicht
möglich iſt, mehr zu nehmen al& den bejcheideniten Beitrag. Denen
wird nichts übrig bleiben, als ihr Stillleben weiter zu führen
und die Sache vorzugsweije im Sinne der eigenen Erbauung zu
betrachten. Erwächſt daraus auch nicht unmittelbar eine Leiftung
für den Spracverein, jo doch ein faum minder wichtiges Ergebnis:
das Gefühl der Befriedigung aus dem vom Vereine Gcbotenen
Nahrung für Geift und Gemüt zu ziehen, wie es der Zwechk
unierer Beröffentlihungen if. Wir wollen ja nidyt immer bie
Empfangenden fein, auc die Gebenden! Aber wenn wir in die
Lage gebradht würden, an jedem Sahresichluffe etwaige Kleine
Überſchüſſe zu verteilen, ſo hätten wir bald nichts mehr zu
geben, und was ſollten die Vereine mit den paar Groſchen, die
ihnen zufielen, anfangen? So wenig Waſſer treibt feine Mühle.
Das gejammelte Geld fann immer etwas leiften, das zer—
jtreute gar nichts.... Wenn fein Widerſpruch jeitens der Ver—
treter erfolgt, fo nehme id an, daß der Voranſchlag in der Form,
wie der Schaßmeifter ihn vorgetragen hat, genehmigt ift. (Es
erfolgt fein Widerſpruch.) — Ich ſchließe diefe Sitzung.
Um 12 Uhr mittags verjammelte fich in der ftattlihen Aula
des Gymnaſiums ein erlefener Kreis zur Feſtſißung, welcher
die Epipen der Behörden und eine große Zahl von Damen bei-
wohnten. Im Namen der Stadt Oldenburg begrüßte deren
Syndilus, Herr Amtsafjejjor Bornftedt, den Spradwerein mit
folgenden Worten:
Hochverehrte Feitverfammlung !
NIS Stellvertreter des Herin Oberbürgermeifters Dr. Rogge
mann, der zur Beit, feiner Erholung wegen, von Oldenburg
abweſend ift, und der lebhaft bedauert, Ihrem heutigen Feſte
nicht beimohnen zu fünnen, liegt mir die ehrenvolle und ange-
nehme Piliht ob, Sie, meine Herren vom allgem. deutjchen
Sprachverein, hier herzlichit willtommen zu heißen. Wir danten
Ahnen für die Ehre, die Sie unferer Heimatftadt durch bie
Wahl zum Feitort enwiefen haben. Wir wünfchen Ihren Vers
handlungen gedeihlichen Fortgang und Abſchluß; wir wünſchen,
daß die Anregungen, die von dieſer Verfammlung ausgeben,
von nachhaltigem Einfluf auf die Thätigkeit Ihrer Zweigvereine
fein mögen, daß die Begeijterung und der Eifer der Mitglieder
Ihrer Zweigvereine durch diefe Anregungen neu gejtärtt werden
mögen. Wir hoffen inöbefondere ferner, daß die diesjährige
Hauptverjammlung aud in unjerer Stadt Ihren Beitrebungen
zahlreiche neue Freunde zuführen werde. Wer fein Vaterland
wirklich liebt, der freut ſich nicht nur feiner glänzenden polis
tischen Machtitellung, feines wirtihaftlihen Auſſchwunges, nein,
die Frauen und Männer, die ihr Vaterland wirklich lieb haben,
die lieben auch die Sprache ihres Volkes, und weil fie ihre
Sprade lieben, möchten fie fie erglänzen fehen in fledenlojer
Reinheit und Schönheit und werden freudig alle Beitrebungen
unterjtüßen, die darauf hinausgehen, die Neinheit und Schön:
beit unſerer Sprache zu fördern. Und, meine Herren, des
glaube ich Sie verfihern zu fünnen, dab in unferer Stadt dieſe
echte Baterlandsliebe und der Sinn für die idealen Güter des
—
Lebens noch nicht ausgeſtorben ſind. Ich hoffe, daß Sie ſich
wãhrend Ihrer Anweſenheit hier davon überzeugen werden.
Meine Herren, das von Ihrem Feſtausſchuß auſgeſtellte
Programm bringt neben den Geſchäfteſitzungen, neben erniten
Beratungen in angenehmiter Abwechslung Feitlichteiten und
Ausflüge, bei denen heiterer Frohſinn berriden wird. Und fo
darf ich auch wohl den Wünſchen für den glüdlichen Fortgang
Ihrer ernjten und heiligen Sache den Wunſch hinzufügen, daf
Sie angenehme Tage in unjerer Baterjtadt verbringen mögen,
und daß Sie auch kilnftig, wenn Verfammlungen in gröheren
Städten mit glänzenderen Fejtlichfeiten an Ihnen vorüber:
gegangen find, fi) doc) nod) gerne der Tage erinnern werden,
die Sie hier verlebt haben. Nochmals herzlidjit willtommen!
(Lebhafter Beifall.)
Der Borfigende des allgemeinen deutichen Spradjvereins,
Oberjtleutnant a. D. Dr. Dar Zähns, erwiderte darauf:
Ich danke Ihnen namens des allgemeinen deutſchen Sprad)-
vereind für den freundlichen Gruß, den Sie uns von jeiten
der Stadt entgegengebracht haben. Es ift etwas von der
Banderfujt der alten Kaijer auf unfern Verein übergegangen.
Sie hatten fein feites Heim; fie zogen von Pfalz zu Pialz, in
die verjchiedenjten Gegenden ihres Neiches, und wenn fie das
aufgegejien Hatten, was in der Umgegend wuchs, dann zogen
fie weiter in eine andere Pfalz. Ungefähr jo madıt es unfer
Verein jept auch, und ich verſichere Sie, länger als bis wir
Sie und Ihre Umgegend aufgegejien haben, werden wir nicht
bleiben (Heiterkeit). Aber wenn ich mich nun frage, welche
Eindrüde man bei jo flüchtigem Verweilen gewinnt, jo muß
ich fagen: ſie find hocherfrenlich; denn wohin man lommen
mag, überall begegnet einem dasjelbe herzliche und freudige
Verfländnis, wie es uns jveben aus dem Munde bes
Herrn Syndikus zu erfenmen gegeben wurde. Das legte Jabr
hat unjer Verein am Fuße der Alpen, in Graz getagt, mit jeinen
großartigen Bauten und majeftätijdhen Bergen. Man kann ſich
laum einen jchärferen landichaftlichen Gegenſatz denten, als zwiſchen
dein Alpenthale und Ihrer Heimat, wo die Heide die Hauptrolle
ipielt und die Kunſt der Menichen nur verjtanden hat, den Wald
zu diefem poetiichen Traummintel zu geftalten, wie wir ihn
hier im Scloßgarten begrüßt haben. Dies ijt ein großer
Gegenfag, und doc befteht zwiſchen beiden Gegenden eine ges
wifje innere Berwandtichaft. Beide haben das GHüd gehabt,
ben großen Stürmen des Dreifigjährigen Krieges bis zu einem
gewiſſen Grade zu entgehen. Beide haben niemals volljtändig
in den unteren Schichten der Bevölterung die freiheit des ein—
zelnen Mannes verloren. Wie in jenen Bergen der Alpen,
jo iſt aud) bier in den Marſchen die eigentliche Hörigfeit, das
Berfinten in ſtumpfe Unterthänigleit ausgejchlojjen geweſen.
Hierin liegt eine bemertenswerte Ähnlichkeit zwiichen dem Volle
der Berge und dem der Marſchen. Faſt nirgends hat ſich ins
folge deſſen die Eigenart des Heinen freien Mannes auf der
Scholle jo erhalten wie dort im Gebirg, wie hier in der Meeres—
niederung. Prüfen wir aber dieſe Ähnlichleit näher, jo
lädt ſich nicht verfennen, dab in gewiſſem Sinne der Norden
nod) einen Vorzug vor dem Süden bat, den nämlich, daß die
biefige Bevölferung unvermiſcht, urerdgeboren (autochthon) ift,
während der Süden eine Fülle von Völlerzügen über ſich bin
hat ergehen lajjen. Über die Alpen iſt im Laufe der Bölfer-
wanderung Stamm nad Stamm gezogen, und alle haben ihre
Spuren zurückgelaſſen, die wir heute noch erlennen fünnen in
den Namen der Ortichaften, zuweilen jogar in Familiennamen
und Bornamen. Hier im Oldenburger Yande aber jtehen wir
Zeitſchrift bed allgemeinen deutihen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr, 10.
nn nn mm nn nn
186
einer Bevölferung gegenüber, die volljtändig in biefem Boden
wurzelt und ſich nur auf dem Meere, niemals aber in Land:
wanderungen bewegt hat. Es giebt jenjt in Deulſchland feine
Bevölferung, feine einzige Bevölferung, von der man das
fagen kann. Das Boll der Friejen und der Teil der Sadıien,
der daran grenzt, fit bier, wie er bier geſeſſen in der Zeit,
da Drufus heranjchiffte, wie in der Zeit, da Tacitus von uns
redet, und das gerade hat für denjenigen vaterländiich gefinnten
Dann, der jic für die Sprache interefjiert, etwas Anmutens
de, dieſe feite Zugehörigkeit zur Scholle; mit doppelter Teils
nahme lauſcht er dem, was man bei jo ſtark wurzelnden
Stämmen thut und ſpricht. Und jo freuen wir uns dieſes
eigenartigen Wachsthums um uns ber, nehmen den Gruß,
den Sie und gebracht haben, dantbaren Herzens entgegen und
erwidern ibn von ganzer Seele. Und jo möge diejes Bolt
und Laud weiter fröhlich gedeihen und feine alten Erbtugenden
bewahren jeßt und allezeit! (Lebhafter Beifall).
Es folgte num ber Feftvortrag des Herrn Univerfitätsprofejjors
Dr. Schrader aus Jena über »Die Deutihen und das
Meere, der überaus inhaltreih war, mit warmem Anteil und
großem Beifall aufgenommen wurde und demnächſt in unjeren
wifienschaftlidren Beiheften abgedrudt werden wird.
Bei dem um 2 Uhr beginnenden Feſtmahle brachte der Bor-
figende des Z.⸗V. Oldenburg, Herr Präſident v. Mühlenfels,
in begetjterter Mede einen Trinkſpruch auf unferen Kaifer, in
dem dad Deutfchtum vertörpert fei, und auf den Kaiſer von
Oftreih aus. Auch aus Deutjch-Oſtreich feien Vereins—
genofien zu und gelommen, und es fei ihm eine angenehme
Pilicht, zugleich mit unferem Kaiſer auch ihres erbabenen Mo:
narchen, der ebenfalls ein Deutjcher fei, zu gedenfen. Nach einer
Raufe brachte dann der Vorſitzende des Geſamworſtandes,
Dr. Jähns, dem fürftlichen Haupte Oldenburgs, dem Großherzog
Peter, ein Hoc aus, das mit nicht geringerer Begeijterung auf-
genommen wurde ald das auf die beiden Slaifer.
Es folgte während des Mahles noch eine Reihe geiftiprühen-
der Trinffprüce. Brofeffor Erbe-Stuttgart ſprach in trefflichen
Neimen auf den Borfibenden, Dr. Mar Jähns, Oberſchulrat
Dr. Menge-Dldenburg auf den allgemeinen beutihen Sprach—
verein, Oberlehrer ShumannsLübel auf die Erjtarfung des
Deutichtums, Proſeſſor Deye-Müncen auf die Damen im all-
gemeinen und Herr Rektor Johanns-Oldenburg in launiger
Weife auf die auswärtigen Damen, in deren Namen Präfident
v. Mühlenfels ermwiderte. Herr Sedlal: Wien dantte für die
treudeutiche Gefinnung, die ihm umd feinen Genofien aus Dit:
reich hier entgegengebracdht jei, und bradjte ein Heil! der Stadt
Oldenburg. Zum Schluffe brachten Dr. Saalfeld und Herr
Eigen Trintiprüche auf die Leiter des Feſtausſchuſſes aus.
Um 5%/, Uhr führte ein Sonderzug die Fröhliche Geſellſchaft
nad) dem jchönen Zwiichenahn, wo der Reſt des Tages engenehm
verliebt wurde.
Die zweite Geſchäſtsſitzung eröffnete der Borjigende am
Montag, 10. Auguft, mit der Aufforderung, die Wahlzertel
abzugeben, und mit der Mitteilung einiger Drahtgrüße, deren
einer von dem Begründer unjeres Vereins, Brofefior Dr. Herman
Riegel, einer von dem öftreichijhen Reichsratsabgeordneten Dr.
Hofmann v. Wellenbof, andere von unferem jtellvertreten-
den Borfigenden, Geheimen Nat Häpe, von Dr. Matthias—
Zittau und vom 3.:B. Kronſtadt in Siebenbürgen eingegangen
waren. Sie wurden von der Verfammlung mit freudigen Heil⸗
2
187
rufen entgegengenommen. Demmäcdjt trat fie in die Beratung
der Tagesordnung ein.
Der Borjigende: Es Handelt ſich darum, zu beipredyen,
wo die nächſte Hauptverfammlung ftattfinden ſoll; ein Beſchluß
iſt bier fapungsgemäß nicht zu fajjen; dies ift Sache des Geſamt—
vorjtandes. Es liegen drei Einladungen vor; die älteſte davon
iſt die des Z.⸗V. Troppau. Dieſe aber gilt nicht unbedingt für
das nächſte Jahr, obgleid uns auch dies zur Verfügung geitellt
ift, fondern überhaupt für eins der nächſten Jahre.
ArnoldsReichenberg beitätigt dies im Auftrage des 3.8.
Troppau und wiederholt die Einladung mit warmen Worten.
Der Borfigende: Die zweite Einladung iit von Bonn, und
aus den vom dortigen Schriftführer beigelegten Schreiben, die
an mid; perfönlid) gerichtet find, geht hervor, daß dieje Einladung
lediglich für das nächſte Jahr zu verftehen ift. Sch bitte den
Herrn Vertreter von Bonn, fich zur Sache zu äußern.
Dr. Muellenbach-Vonn wiederholt die Bonner Einladung
mit großer Herzlichteit und begründet den Wunſch, die Haupt:
verfammlung gerade im nächſten Jahre zu Bonn abzuhalten, mit
der aukerordentlichen Erjtartung des dortigen 3.8. gerade in
ber legten Zeit. Bor allem ſei es gelungen, einen großen Teil
der Studentenſchafſt zu gewinnen, worauf der höchſte Wert zu
legen fei, denn wer die Jugend, zumal die gebildete Jugend hat,
der hat die Zulunft. Die jo gewonnene Stellung gelte es num
zu behaupten und zu verftärfen; das mächtigſte Mittel dazu fei
aber die Abhaltung einer qut verlaufenden Hauptverjanmlung.
Eine folche werde dem Gejamtvereine an einer unvertennbar hoch—
wichtigen Stelle weſentliche Förderung bringen und befruditend
auf die ganze Nheinprovinz wirfen, die ja jetzt ſchon eine ber
kräftigiten Provinzen des Spradjvereines jei. Daß Bonn gerade
im nächſten Nahre die Hauptverfammlung bei ſich zu begrüßen
wünjde, habe feinen Grund darin, daß es da auf die Mitarbeit
verſchiedener Führer unjerer Sache rechnen dürfte, die im folgens
den Fahre vermutlich dazu nicht im ftande fein wirden. Indes
fei dies doch nicht jo zu verftchen, daß Bonn micht auch für
ipäter jeine Einladung wiederholen fünne und gerne wiederholen
werde. Bon werde der Verſammlung eine von weiten Streifen
ber Bevölferung getragene Aufnahme bereiten und dabei von den
drei großen Bundesgenofien: Natur, Landſchaft und Geſchichte
des Nheinlandes unterjtügt werben.
Borjigender: Die dritte Einladung it erjt hier in Dlden-
burg an und ergangen und zwar nad Stuttgart durd; Seren
Brofefjor Erbe.
ErbesStuttgart: Liebe Vereinsgenofien! Ich babe die Ehre
die Hauptverfammlung für nächſtes Mal nad Stuttgart einzus
laden. Ich weiß jeher wohl: wir haben nicht den prächtigen
Rheinſtrom, nicht eine weltberühmte Univerfität, auch leider keinen
Berein, der Hunderte von Mitgliedern zählt und in der Gewäh—
rung der Hauptverfammlung gewiſſermaßen den Lohn für treue
Arbeit und außerordentliche Erfolge verlangen darf. Was wir
haben, iſt beſcheidener Art: Rebenhügel, bewaldere Berge, über
die mit dem Staufen und Zollern die Alb herübergrüßt, eine
freundlide Stadt, die auf Schritt und Tritt Erinnerungen an
Schiller, Schelling, Uhland, Mörike und Schwab wachruft; wir
haben endlich eine Bevöllerung, die zwar recht viele Fehler haben
mag (Seiterfeit), aber lerndeutſch iſt und das Herz ganz gewiß
weit aufmachen wird. Ich überlaſſe die Entſcheidung der Weis:
heit des Vorftandes; aber ich verſichere Sie noch einmal, daß
Sie die herzlicyite Aufnahme finden werden. (Lebbafter Beifall.)
Vorſitzender: Wenn id die Sache zufammenfaffen darf, jo
liegt jie jo: Das älteſte Anrecht hätte Troppau. Troppau macht
Zeitſchrift des allgemeinen dbeutfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Nr. 10.
188
uns aber von vornherein die Thür auf auch für jpäter, weil es
dankenswerter Weije jeine Einladung für eine beliebige Zus
funft gelten läßt. Bonn bat den lebhaften und vollbegründeten
Wunſch, daß wir das nächſte Jahr wählen, wenn es auch feines
wegs für die folgenden Jahre ablehnen würde. Bei Stuttgart
ift im diefer Hinficht fein befonderes Für oder Gegen verlautet.
(Erbe: Wir ftehen da auf demjelben Standpunkte wie Bonn!)
Nun fragt es fi: was verdient unter diefen Umſtänden den
Vorzug? Ich will nicht verhehlen, daß in dem Augenblide, wo
die Einladung von Stuttgart her erging, meine Empfindung die
war: ·Ja, Stuttgart!« Ind zwar aus folgenden Gründen, Wir
haben in Südwejtdeutichland noch niemals eine Hauptverfammlung
gehalten; das ijt ein Umftand, der meiner Anficht nach ſchwer
ins Gewicht fällt. Wir haben auf öjtreihiihem Boden im
vorigen Jahre getagt; die im nächſten Jahre fchon wieder zu
thun, fände im Mihverhältnifie zur thatfächlichen Mitgliederzahl
der Ditreicher, die auf fait 13000 im Gefamtvereine wohl
wenig mehr ald 700 beträgt. Dann fommt Bonn. Gegen Bonn
ſpricht, daß wir erit vor zwei Jahren am Rheine getagt haben,
in Koblenz, und daß Bonn auch, wie Oldenburg, im Nordweiten
Deutſchlands liegt. Wenn wir aljo die Verhältnifje rein unter
dem Gefichtspunfte abwägen, was der Ortslage nadı den Vorzug
verdient, jo wiirde ich mich für Stuttgart enticheiden. Nun ijt
aber der Stuttgarter Verein recht Mein. Ih glaube, daß es
vielleicht günftiger wäre abzuwarten, bis er jich geſtärlt hat, und
ihn durch die Ausſicht auf unjer fünftiges Kommen anzuſpornen
zu fräftigerer Entwidlung. Dann jält jür Bonn ins Gemicht
der Umitand, daß dort einige jehr thätige Männer find, die,
wie die Privatnachrichten lauten, wahrfcheinlid 1898 nicht eins
greifen lönnten. Das find die zu erwägenden Dinge. Geben
Sie und nun Jhren Rat; iprechen Sie uns Ihre Neigung aus!
Schmidt-Kaſſel: Ach möchte mid warn für Stuttgart ind
Zeug legen. Welch ausgezeihneten Empfang haben die deutſchen
Sänger dort gefunden! Die Beichreibung Stuttgarts durch Pro—
fefjor Erbe war gar zu beicheiden; man könnte fie in ganz
anderm Zone halten. Stuttgart ijt eine wunderſchöne Stadt.
Sie bietet große Säle in Fülle, überhaupt alles, was wir brauchen.
Ich bitte Sie um die Wahl Stuttgarts.
ArnoldsHeichenberg: Der Herr Vorjigende hat vorhin die
Zahl der üjtreichiichen Mitglieder auf 700 geichägt; ich komme
bei der Zählung auf das Doppelte, auf 1400,
VBorjigender: Es wäre ja jehr ſchön, wenn ſeit einem
Jahre fo viel hinzugefommen wären, aber ic glaube das nicht.
Arnold führt eine Meihe von Zahlen auf, denen Dr. Gaal-
feld auf Grund der ihm vorliegenden Liſte widerfpricht. Arnold
meint, dab die Zahl der ftimmberechtigten weſentlich Heiner jei
als die der wirklich vorhandenen Mitglieder. ')
Vorfigender: Es handelt fih aber nicht nur um den zu
wählenden Ort, ſondern aud) um den Beitpunft der Hauptver-
fammlung. In welcher Zeit wäre fie Bonn am willlommenſten?
Dr. Muellenbad jtellt dies vollitändig dem Borftande an:
beim. Vroſeſſor Erbe ertlärt für Stuttgart Pfingjten jowie den
ganzen Auguſt und September, Arnold für Troppau die Zeit
von Mitte Juli bis Mitte September jür befonders geeignet.
Dr. Saalfeld empfiehlt, mit der Zeit der Hauptverſammlung
zu wechjeln, damit die, welche in einem Jahre verhindert waren,
zu ericheinen, im nüchſten fommen können.
1) Nichts jtimmberechtigte Mitglieder, d. h. foldye, die ihren
Beitrag nicht gezahlt haben, find für den Verein thassächlich über:
haupt nicht vorhanden. Wenn man von ihnen abjicht, jo zählen
die öſtreichiſchen Zweigvereine in Wirllidjteit 1445 Mitglieder.
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Schumann-Lübeck weiſt auf die Schwierigfeiten hin, die
namentlich in der verichiebenen Lage der Ferien liegen, und rät,
die Wahl des Beitpunktes wejentlih von der Enticheidung des
Ortes abhängig zu machen, an dem die Berfammlung ftattfinden
fol. In diefer Hinficht empfehle ſich Stuttgart befonders, weil es
einen fo großen Spielraum laſſe. Überhaupt fei es geradezu
notwendig, einmal nad Südweſtdeutſchland zu gehen.
Dr. Muellenbads Bonn: Alles im allem ſcheint die Stim—
mung der Berfammlung vorwiegend für Stuttgart zu fein, und
wen ich nicht Bonn zu vertreten hätte, jo würde auch ich ber
Bahl Stuttgart® gerne zuftimmen. Die Entfheidung bleibt ja
aber dem Hauptvorjtande, und indem ich diefem Bonn noch ein-
mal warm and herz lege, bemerke ich, dak, wenn dies nicht für
das nächſte Fahr gewählt werben follte, wir unfere Hoffnung
nur auf ein Jahr vertagen. (Allg. Beifall.)
v. Mühlenfels- Oldenburg ſpricht fich ebenfalls entichieden
für Stuttgart aus und empfiehlt Ende Auguſt oder Anfang
September ald Zeitpumft der dortigen Berfammlung, damit die
Ferienreifenden, die aus Tirol oder der Schweiz heimfchren, mit
einem geringen Umwege an der Berfammlung teilnehmen lönnen.
Borfigender: Ich ſchließe die Erörterung und glaube, der
Gefamtvorftand hat den Eindrud empfangen, dak die Haupts
neigung der Verſammlung diesmal für Stuttgart if. Mir aber
iſt nicht ganz zweifellos, ob diefer Zweigverein bei feiner geringen
Mitgliederzahl imjlande jein wird, die immerhin notwendigen
Vorbereitungen zu treffen.
Erbe-Stuttgart dankt für die günftige Stimmung und ber
fihert, die Hauptverfammlung werde aufs freundlichite empfangen
werben. Wenn auch die Zahl der Mitglieder in Stuttgart nicht
groß ift, jo haben dod die Beitrebungen unjeres Vereins all=
gemeine Anerkennung gefunden. Die Leute halten es nur nicht
für nötig, beizutreten. Alſo auf Wiederfehen in Stuttgart!
(Beifall.)
Borjigender: E3 Handelt fich nunmehr um die Anträge,
in erjter Neihe um den Antrag des Herrn Proſeſſors Dunger
wegen ber bisher als ‚Mufterleiftungen‘ bezeichneten Mitteilungen
der Beitfchrift.
Dr. Dunger: Gegen den a. d. Spradjverein ijt oft der Vorwurf
erhoben worden, daß er fich nur mit der Betämpfung der Fremd—
wörter beichäftige. Dies iſt unbegründet. Wie jeine Sapungen ihm
vorjchreiben, Liebe und Berjtändnis für die Mutterfprache zu weden,
den Sinn für ihre Reinheit, Nichtigleit, Deutlichleit und Schön—
heit zu beleben, jo hat er aud) von Anfang an nach dieſer Rich—
tung hin feine Thätigfeit entfaltet. Das beweiſen zahlreiche Aufs
jäße in der Beitichrift und in den Wifjenfchaftlihen Beihejten,
vielfache Erörterungen in dem Brieffaften, die gem gelejenen
ipradhlichen Wufterleiftungen, und namentlich auch die Preisauf-
gabe ⸗Gut Deutihe, aus welcher die treffliche Schrift Albert
Heinges hervorgegangen ift. Bon einigen Seiten hat man nod)
weiter gehen wollen. Es wurde vorgeſchlagen, man jolle fi an
die deutſchen Unterrichtsministerien mit der Bitte wenden, im
Anſchluſſe an die Rechtſchreibungsbücher die twichtigiten Stil
regeln zujfammenftellen zu lafjen zur Einführung in den Schulen.
Der Borftand hat dies abgelehnt, meines Erachtens mit vollem
Rechte. Stil Täht ſich nicht Ichren. Er ift etwas Perfünliches,
aus der geiitigen Eigenart jedes einzelnen Erwachſendes. Und
es giebt nicht nur einen Stil, ſondern verjchiedene Stilarten.
Anders ijt die Redeweiſe in Briefen, anders in Heben, anders
in Aufläßen, in wiſſenſchaftlichen Schriften, in amtlichen oder
faufmännidyen Schriftitüden. Aber auch der Briefitil iſt wieder
anders im Freundſchaftsbrief als im Beileidsbrief oder im (es
Zeitſchrift ded allgemeinen deuten Spradvereind.’ XI. Jahrgang. 1896. Nr. 10.
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ſchäftsbrief oder im Schreiben an eine vorgejepte Behörde. Welcher
Stil ſoll alfo gelehrt werben? Dazu fommt, dak allgemeine
Regeln nicht viel fruchten. Was nupt es denn, wenn gelehrt
wird, daß der Stil fprachrichtig, rein, Har, ſchön und angemejien
fein fole? Bei folden Lehren kommt im ganzen wenig heraus,
Viel wichtiger ift es, das lebendige Beifpiel wirken zu lafjen.
Das bezweden allerdings aud die ſprachlichen Muſterleiſtungen
unferer Zeitſchriſft. Dieſe find jedoch infofern einfeitig, als ſie
nur Proben ſchlechten Stiles geben, aber nicht zugleich zeigen,
wie bie betreffenden Fehler verbeſſert werden können. Ich ſielle
daher folgenden Antrag: In der Vereinszeitfchrift ift eine be—
fondere Abteilung einzurichten, in ber häufiger vorfommenbe
Berftöhe gegen die Reinheit, Richtigkeit, Deutlichkeit
und Schönheit der Sprade an beſtimmten Beifpielen
vorgeführt und berichtigt werden, Diefe Berichtigungen
müfjen vorher von mehreren Fachleuten aus verjchiedenen
Gegenden des beutfchen Gebiets geprüft fein.
Gejtatten Sie mir zur Begründung dieſes Antrags einige
Worte, Das Ziel, dem wir zuftreben, ift Verfeinerung, Schär:
fung des Sprachgefühls. Und id; möchte deshalb voridjlagen,
wenn mein Antrag angenommen wird, biefer Abteilung der Zeit
ſchrift die Überfchrift zu geben: Zur Schärfung bes Sprach—
gefühls.
Mehr als je werden jeht auch außerhalb der eigentlichen Fach⸗
freie Fragen des deutſchen Sprachgebrauchs erörtert. »Iſt dieſe
Form, dieje Wendung zuläffige? »Darf man died und jenes
in guter Spradye jagen«? Solche Streitfragen werden oft auf:
geworfen, und Häufig jtehen fich die Anfichten ſchroff gegenüber.
Wer ſoll die Entſcheidung geben? Die meiften berufen ſich da—
bei auf ihr Spradhgefühl, — nicht mit Unrecht; denn darin unters
fcheidet fi ja der geborene Deutiche von dem Musländer, daß
er nicht, wie diejer, erit Sprachregeln zu erlernen braucht, fondern
ohne ſolche Hilfsmittel mit einem gewiſſen natürlichen Gefühl die
»Mutteripraches beberricht. Aber ift das Spracgefühl wirklid)
ein unbedingt ficherer Führer, auf den wir uns immer verlafien
fünnen? Schon die enwähnten Streitfälle beweiien das Gegenteil.
Seder, der iiber ſprachliche Dinge nachgedacht hat, weil, wie oft
es verfagt, wenn man anfängt, über Spracherſcheinungen nachzu—
finnen. Je mehr man grübelt, um fo unficherer wird man.
Aber auch wo es uns beftimmte Weifungen giebt, dürfen wir ihm
nicht immer blindlings folgen. Denn es ijt je nad) der Landicait,
nad der Mundart verjchieden. Der Oftreicher jagt ohne Be-
denten: Nachdem er ein feiger Menſch ift, bat er die Flucht
ergriffene, »Der Norddeutiche fchreibt: »Der Reichstag iſt aufs
gelöfte, auch wenn er nidyt den Zuſtand der Auflöſung, jondern
die vollendete Thätigfeit ausdrüden will, wo es heißen muß: er
ift aufgelöjt worden. Der Schwabe ijt auf das Pierd ge:
jefien, der Bayer vergiht auf etwas, der Sachſe geht von
zu Haufe weg, und bei feinem erhebt das Spradhgefühl Einfpruch,
obgleich der gute Sprachgebrauch diefe mundartlichen Eigentümlich—
feiten zurüdweift. Aber auch nad) der Eigenart der einzelnen
Perſonen ift das Spracgefühl verjchieden. Bei dem einen ift
es matt und jtumpf, es iſt unempfindlich gegen falichen Gebrauch
von Bildern, gegen AUnklarheit und Unangemefienbeit des Aus—
drudes. Ein anderer wiederum ijt überpeinlih, er mäfelt an
allem, woran fonft niemand Anftoh nimmt. Das Spracdgefühl
ift eben nichts Feſtſtehendes, keine beftimmt gegebene Größe, mit
der man ein für allemal rechnen lann; es ijt nicht angeboren,
fondern anerzogen, es lann beeinflußt werden in gutem und
ichlechtem Sinne, es wandelt ſich wie unfer Geſchmack. Darım
it Lehre und Beijpiel von jo hoher Bedeutung für eine ge
2*
191
Zeitfhrift des allgemeinen dbeutfhen Spradverein®. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 10.
192
funde Entwidelung unſeres Sprachgefühls. Wer fih in reifen
bewegt, die auf Sauberkeit der Spradje halten, wer mur gute
Schriftfteller lieſt, deſſen Ausdrudsweiſe wird ſich unmilltürlich
veredeln; wer dagegen nur ſchlechtes Deutſch hört und lieſt,
deſſen Sprachgefühl muß allmählich verfümmern. Während aber
diefe Einwirkung guter oder ſchlechter Mufter ſich erjt nach und
nach, nur mittelbar geltend madt, wirkt die Belehrung un-
mittelbar auf unfere Ausdrurdöweife ein. Went man uns mit
voller Beftimmtheit jagt: » Das ift faljch! dies verftöht gegen den
guten Eprachgebrauhe—, fo erhält unfer Spradigefühl damit
eine genaue Berhaltungsregel. Man mühte alfo derartige Bes
lehrungen ganz befonder8 empfehlen. Ja — wenn es nur eine
jo Hare, fichere Lehre gäbe! Aber was ift Wahrheit? jo heikt
es auch auf diefem Gebiete.
In den legten Jahren find zahlreiche Schriften über deutſchen
Sprachgebrauch erſchienen, ein erfreulicher Beweis für die lebhafte
Teilnahme, die in weiten reifen unſeres Volfes für die Mutter-
ſprache erwacht if. Manche von diefen Büchern, wie die von
Wuftmann und Heinge, find in vielen Taufenden von Abdrüden
verbreitet. Mber dürfen wir uns ihrer Führung immer anver
trauen? Bor kurzem find wir in ben Grenzboten belchrt worden,
dak man nicht jagen dürfe: feiten Fuß jaflen, befonderen Dant
wien, eingehende Kenntnis nehmen, in hoben Ehren halten,
bittere Klage führen; das jelen mißhandelte Nedensarten; ebenjo
wenn man fage: es ift zu meinen Ohren gelommen. a in
dem Sape: wir müflen fleiiigerem Gebrauch von der Rute machen
— jollen ſich fogar zwei Fehler finden. In Th. von Sosnostys
»Spradwart« (Breslau, 1394) wird und gelehrt, man jolle nicht
die Form jendete, fondern nur fandte gebraudyen; wer von
einem nervigen Arm ſpreche, laſſe ſich seine laienhafte Ber:
wechjelung der beiden ganz verfciedenen Begriffe New und Sehne
oder Mustel« zu ſchulden fommen, nervig fei basfelbe wie nervös.
In der Schrift »Allerhand Spracdwerftand« von Dr. X. (Bonn, 1892)
wird der Unterſchied zwiſchen Indifativ und Konjunktiv, zwiſchen
Perſelt und Imperfelt ald eine reine Saarjpalterei bezeichnet.
Daß man fagen folle: Friedrichs des Großen ftatt Friedrich des
Großen, nennt Dr. X. »eine regelrechte Abſcheulichkeit, eine regel—
rechte Abſchlachtung alles lebendigen Spracdgefühls durch den
tötenden Buchjtaben.e A. Brunner tabelt in feiner Schrift »Schlecht
Deutjcye (Wien, 1895) bei den Wendungen: aus Anlaß, bei Bes
ainn, in Hinficht, bei Annahme — das Fehlen des Geſchlechts—
wortes; einen Platz einräumen folle man nicht jagen, da Platz
und Raum dasjelbe bedeuteten. Nach ihm darf man nicht billig
faufen, fondern nur wohlfeil, weil billig die Bedeutung von
gerecht, nach dem Hecht habe. Durch Ausdrüde wie vor Nach—
ahmung, für Begenftände, auf Einladung — wird fein Sprach—
gefühl beleidigt, weil durd) das Zufammentreffen der Verhältnis:
wörter ein Mißllang entſtehe. Nach anderen Spradymeijtern darf
man nicht jagen: er war es, der es geihan hat, oder: nach bes
endeter Mahlzeit; das follen » Latinismen« fein. Das Unglaub—
lichfte aber leiſtet &. Bornſcheuer in feinem Buche »Deuticdh«
(Bonn, 1895), der alled Ernſtes verlangt, daß man »in deſſem
Namen«, »bei derem Eintreffen« jchreibe; der in dem Sape: Fürſt
Bismard foll in Hiffingen angelangt jein — den Gebrauch von
follen »geradezu alberne findet. >Wer hat ihm denn etwas zu
befehlen? Wielleicht der Berichterftatter, der jeine Grofchenberichte
der Zeitung überjendet« (S. 78)?
Wen unter diefen Sprachmeiftern können wir mit vollem Ver—
trauen folgen? Und in vielen Bunkten ſtimmen ihre Lchren nicht
überein. Dft fehen wir, daf der eine ftreng verurteilt, wa& der
andere als Sprachgeſeß hinſtellt. Namentlich zwei Hauptrichtungen
befehden fich gegenfeitig: die grammatifch-gefepgebende, melde
das jetzige Deutſch ala etwas geſchichtlich Gewordenes nach den
Geſetzen der alten Sprache geregelt wiſſen will, und die naturs
wiffenihaftliche, die von BVorfchriften und Regeln überhaupt
nichts wiſſen will, fondern fi) damit begnügt feftzuitellen, wie
man in den verichedenen Gegenden Deutjchlands fpricht, ohne
fi) darüber zu erklären, was empfehlenswert jei oder nicht. Die
Anhänger diefer Richtung überlaſſen die Sprache fich jelbit, un—
betümmert, ob fie verwildert und verrobt; bie anderen legen der
Freiheit der Sprache Feſſeln an, fie möchten das jehige Deutſch
auf eine frühere Stufe zurüdichrauben und bedenfen nicht, daß
jede lebende Sprache ſich weiter enttwidelt. Sie wollen zu viel
regeln, während jene alle Regeln verwerien. Die Wahrbeit liegt
offenbar in der Mitte Wir wollen unjere Sprache nicht in
ipanifche Stiefel einſchnüren lafjen, aber fie ſoll auch nicht vogel-
frei, nicht der Willkür jedes einzelnen überlafjen fein. Grundſatz
muß fein, dab der jegige gute Sprachgebrauch ald mahgebend
betrachtet wird, daß aber in den Fällen, wo diefer ſchwankt, dem
geichichtlich Gewordenen der Vorzug zu geben ift.
Aber auch bei den Vertretern dieſes maßvollen Standpunftes
giebt es noch viele Streitfragen. Was heißt »der jebige gute
Sprachgebrauh«? Wer fennt die Screibweife unferer quten
Schriftiteller jo genau? Wer tit Überhaupt unter die guten
Scriftfteller zu reinen? Und wer weiß, wie die Mehrzahl der
gebildeten Deutſchen in dem vericiedenen Gegenden über dieje
oder jene ſprachliche Frage urteilt, was fie für zuläffig oder un—
zuläſſig erflärt? Miles dies feitzuitellen, ift ein einzelmer nicht
imstande, defjen Urteil immer je nad) jeinem Spracdhgefühl per:
fönlich gefärbt iſt, dazu bedarf «8 der Bereinigung zahlreicher
Sprachkenner und Spracdfreunde aus allen Gegenden des deutichen
Gebietes. Eine ſolche Vereinigung haben wir aber in dem all»
gemeinen deutfhen Sprachverein. Diejer hat es fich ja
nach feinen Sapungen zum Biele gejept, den Sinn für Neinheit,
Richtigkeit, Deutlichkeit und Schönheit der Sprache zu beieben,
feine Mitglieder find über alle Teile deutjchen Gebietes veritreut,
fie find alle von dem Wunſche befeelt, ihre Sprache zu pflegen
und zu veredein; ihm gehören zahlreiche Iprachgelehrte Männer
aus den verjchiedenften Gegenden an, die gewiß alle gern zu dem
gemeiniamen Werfe beitragen werden, und er befitt im jeiner
Zeitſchrift und im den Wiſſenſchaftlichen Beiheften einen Mittel:
punft für die Behandlung derartiger Fragen. Es wäre daher
eine Schöne Nufgabe Für den allgemeinen deutſchen Sprachverein,
fejtzuftellen, was die überwiegende Mehrheit feiner Mit:
glieder als Sprachfehler, als Berſtöße gegen die Rein:
heit, Schönheit und Klarheit der Sprade angejchen
wiffen will. Denn ſelbſtwerſtändlich werden aud in jeiner
Mitte die Anjichten Über einzelne Fragen auseinandergehen.
Dies liche ſich m der vorgeichlagenen Weile erreichen, daß ge
wife, auch bei Gebildeten, in Büchern und Zeitungen vortommende
Fehler an bejtimmten Weifbielen vorgeführt werden und cine
Verbefferung der gemachten Fehler hinzugefügt wird,
nötigenfall® mit kurzen Erläuterungen, warum dies oder jenes
als unrichtig oder umjchön anzuſehen jei. Daß ſolche Verbeſſe—
rungen beigegeben werden, evicheint mir befonder® wichtig. Denn
es genügt nicht, da man auf Fehler hinweiſt, man muß auch
zeigen, wie man es befier maden lann, wie 3. B. ein ungelenter
Sapbau eingerenft werden kann, wie ſich enibehrliche Fremdwörter
in gutes Deutſch übertragen lafien. Diele Verbeſſerungen müflen
aber vorher von mehreren fpradhfundigen Männern geprüft
werden, die aus verſchiedenen Gegenden des deutichen Gebietes
ftammen und der mahvollen, vermittelnden Nichtung angehören,
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damit perfünliche Willtür und Iandfchaftliche Eigenheiten möglichit
ausgeſchloſſen werden. Wufgabe der übrigen Bereinämitglieder
würde es fein, diefe Verbefjerungen zu prüfen, vielleicht auch
einen Meinungsaustaufc darüber innerhalb ihrer Zweigvereine
zu veranlafien und ihre abweichenden Unſichten betreffenden
Falles der Echriftleitung mitzuteilen, damit fich genau fejtitellen
läßt, in welchen Punkten die Anfichten auseinander geben. Da-
durch würde noch ein zweiter, wichtiger Zwed erreicht. Es würde
nicht nur feitgeftellt, was als gutes oder ſchlechtes Deutſch ans
zuſehen it, ſondern es fünde auch jedes Mitglied eine bequeme
Gelegenheit, jein eigenes Spradgefühl zu üben und zu
ihärfen. Dazu iſt ja nichts befjer geeignet als das Icbendige
Beiſpiel. Deshalb erjcheint es mir nicht ratfam, einzelne Sprach⸗
erjcheinungen im Zujammenhang zu behandeln — das ijt Sadıe
der Lehrbücher —, fondern verichiedene Sprachfehler in buntem
Wedel auftreten zu laſſen. Auf dieſe Weife wird die Aufmerk—
famfeit weit mehr herausgefordert und der Blick befier geübt, als
wenn von vornherein eine Megel gegeben wird; denn in dieſem
Falle iſt es nicht fchwer, den Fehler zu erfennen. Findet mein
Vorſchlag Anklang, jo können diefe Übungsjäge, von denen wo—
möglich in jeber Nummer der Zeitichrift einige erfcheinen follen,
fpäter einmal unter Berüdfihtigung der gemadjten Einwände als
eine jchäpbare Beilpielfammlung zur Veranſchaulichung des jepigen
Sprachgebrauch® vereinigt werben. Eine ſolche Sammlung würde
um jo höheren Wert haben, als fie nicht die Meinung eines
einzelnen Sprachgelehrten, fondern jo zu jagen die gemeinjame
Arbeit des allgemeinen deutſchen Sprachvereins fein würde, (Leb-
hafter Beifall.)
SchumannsLübed: Ich freue mic jehr über den Antrag
Dunger und deſſen erfchöpfende Begründung, die ich in allen
Punkten unterichreiben möchte. Schon jet haben die jog. ‚ Mufter-
leiftungen* in unferer Zeitſchriſt vortrefflih gewirkt; fie kommen
dem Iehrhaften Sinne unſeres Volfes entgegen und werden es in
der von Profeſſor Dunger empfohlenen Form nod weit mehr
thun. Er hat Recht: Theoretiihe Säße aufzujtellen, wäre zwed:
108; auch hier gilt: »Das Wort ift ein Zwerg, das Beiſpiel ein
Niefet«e Es genügt nicht, das bloße Gefühl hervorzurufen: im
der oder der Äußerung Liegt eine Dummheit, fondern man muf
auch nachweiſen, worin diefe Dummheit bejteht. Die Durch—
führung des Dungerſchen Vorſchlages wäre jehr nühlich.
Dr. Muellenbach-Bonn fchlieht ſich dieſer Auffaſſung durch—⸗
aus an und weiſt darauf hin, daß der Dungerſche Antrag im
weientlihen einer früheren Anregung des 3.8. Bonn entiprece,
was auch der Nahresbericht des Borfigenden anerfenne. Die
Vereinszeitichrift, die unfer Hauptwerbemittel ſein foll, hat er:
fahrungsmäßig den meiiten Erfolg durch die Heinen Muffäbe,
durch alles das, was, wie die Tagesichriftiteller jagen, eine Zeitung
‚munter macht.‘ Die Pflege ſolcher Aufiäpe ift nicht das geringite
Verdienſt unſeres Schriftleiter®, der ſowohl durd feine Freunde
lichfeit wie durch die ganze gediegene Art, wie er die Feitichrift
feitet, allgemeine Verehrung geiunden bat. (Lebhaſter Beifall.)
Wenn id das fage, fo wird er es mir um fo weniger übelnehmen,
daß ich zugleich noch einen Wunſch ausſpreche. Es ift ja eine
allgemeine Erſcheinung, dak man niemals beredter wird, ala
wenn man über feine Zeitung ſchimpfen kann. Jeder hat etwas
auszufepen. Uns it fie immer noch) etwas zu gelehrt; wir finden
immer nod) zu große geiftige Latifundien, wünschen immer nod)
Vermehrung der Heinen Werte, eben der ſprachlichen Wufter:
leiftungen, des jo geſchickt geleiteten Brieifajtens, der Heinen
Mitteilungen ufw. Auch bei Ausführung des Dungerichen Vor:
ſchlages werden die betreffenden Fachmänner jtets defien eingedenf |
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Nr. 10.
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bleiben müſſen, daß fie als praftiihe Vollslehrer wirten follen.
Ich empfehle den Antrag lebhaft Ihrer Zuftimmung.
v. Lettow=-Borbed (Dfdenburg): Much ich glaube, daß diefer
Antrag einem wirklichen Bedfirfniffe entgegenfommt. Ich habe
den größten Teil meines Lebens im Heere geitanden, und da be-
mühen wir uns umd zwar mit Erfolg, kurz und deutlich zu fein.
Das beweifen unſere Veröffentlichungen, wie das Generaljtabs-
wert und ganz befonders die Schriften des Feldmarſchalls Grafen
Mottte. Widinet man fih dann ſpäter einer fchriftitellerifchen
Thätigfeit, fo möchte man aber nicht bloß Mar und kurz, jondern
auch möglichjt qut und ſchön jchreiben, und da verlangt man nicht
felten noch Auftlärung Über mande Frage, die einem aufftöht.
In folhen Fällen könnte ein aus den Dungerſchen Beftrebungen
hervorgehendes Handbüchlein gewiß oftmal® Nuten bringen.
Mag immerhin nicht jedesmal eine endgültige Entſcheidung ges
troffen werben, weil dem landichaftlichen Sprachgefübl, Zugeſtänd—
nifje zu machen find, man wird doch einen fehr wichtigen Anhalt
betommen, und darum begrüße ich den Antrag des Profefiors
Dunger mit großer freude.
In gleichem Sinne äußern fih Erbe: Stuttgart, Arnold»
Neichenberg und v. Bodeder-Dldenburg. — Arnold fommt da-
bei auf die Leitung der Zeitichrift zurüd, befürwortet lebhaft das
häufigere Erjcheinen von volkstümlichen Aufſäßen und bemängelt
eine im Briejfajten gegebene Erklärung. v. Bodeder giebt an
der Hand perjönlicher Erlebniffe, die er als Erſter Staatsanwalt
in Birkenfeld gemacht, ein Bild von der abweichenden Bedeutung
einundderjelben Wörter in verjchiedenen Gegenden und ruft damit
oft heile Heiterkeit hervor.
Der Schriftleiter Wappenhans: Ich habe Henn Dr. Muellen-
bad) vielmals zu danken für den Ausdrud freundlicher Anertens
nung meiner Thätigleit als Schriftleiter, darf diefen Dank aber
leineswegs für mich) allein in Anſpruch nehmen, muß ihn viel-
mehr mit Profefjor Pietſch und mit meinen Mitarbeitern, inds
bejondere mit Prof. Dunger, Dr. Scheffler und Dr. Streicher
teilen. Was den Wunſch des Herm Arnold betrifjt, jo wird er
ihn in der legten Nummer unjerer Zeitfchrift gewiß; ſchon erfüllt
finden; ſie enthält keinen einzigen Auſſatz, dem man nadfagen
fünnte, daß er mit ſchwerem wifienichaftlichen Geichüg bepadt fei;
die Nummer iſt durchweg vollstümlich. Übrigens haben wir doch
auch ſehr viele Mitglieder, die es nad wiſſenſchaftlicher Soft
gelüftet, und daher alle Urſache, auch dieje zu befriedigen. (Schr
richtig) — Arnold erkennt diefe Boltstümdichteit der legten
Nummer an, wünſcht aber, dab die Zeitſchrift häufiger dieſe
Haltung habe.
Weihardt- Duisburg empfiehlt ebenfalls die Annahme des
Dungerjhen Antrages, warnt aber davor, bei Berbefjerung der
Fehler zu weit zu gehen. Mit groben grammatiſchen Schnipern,
die jedermann jofort erkenne, ſolle man jich nicht aufhalten.
Lohmeyer-Kaſſel meint dagegen, daß dies in jolhen Fällen,
wo der Fehler am die große Offentlichleit trete, doch zu geſchehen
habe, denn die häufige Wiederholung grober Fehler z. B. in den
Zeitungen jtumpfe das Spradgefühl ab. Als die 40 Unſterb—
lichen ihre Erllärung gegen den Sprachverein erliehen, meinten
fie, man dürfe nicht auf die Sprache einwirken, da biefe nicht
gemacht werde, fondern werde Das iſt falſch. Einwirkung
wird ſtets ftatifinden. Wie der Gärtner der Natur im Garten
nachhilft, fo bat auch der Sprachgelehrte das Recht nachzuhelfen
und die Bilicht Ichädlichen Einflüflen entgegenzutreten. (Berfall.)
Erbe- Stuttgart ftimmt dem bei und hebt hewor, daß 5. B.
der Gebrauch des Nominativs bei der Nppofition in Lftreich
überaus verbreitet ſei, jo daß diejer Fehler faft als landſchaft-
licher Sprachgebrauch zu bezeichnen jet.
Muellenbadi:Bonn teilt die Anfiht Lohmeyers.
Pilicht des Sprachvereins, auf die Ungelehrten zu wirken. Wir
thun das aud in Bonn Da jtellt die gelejenjte Zeitung uns
wöchentlich einen Raum zur Verfügung, die ‚Spradjede*, in der
wir 15 bis 20 Fremdwörter verdeutſchen und im Anzeigenteil
gebrauchte faliche Ausdrücke richtig ftellen. Das it ein Lebens»
zeichen des Vereins und thut gute Wirkung.
Neihardtsigronffurt: In Frankfurt waren wir eigentlich der
Anfiht, daß die Zeitichrift ſchon jeßt genug in der Sache thue;
nach den heutigen Ausführungen muß ic) mid) aber doch perſön—
lich für den Dungerjhen Antrag ausfprehen. Dabei empfehle
ich aber, vedjt vorfichtig zu fein, damit unferm Spradjwerein,
der ſchon jo viel befämpft wird, nicht neue Feinde erwachlen.
Vorfipender: Herr Profefjor Dunger hat dad Schlußwort.
Dunger- Dresden: Ich danke Ihnen für die wohlwollende
Aufnahme des Antrages, Auf die frage, ob es Abſicht oder
Zufall fei, daß in einem der von mir gegebenen Beifpiele auch
Fremdwörter verdeuticht werden, antworte ih: Es ijt Mbficht.
Es ijt wünſchenswert, daß die Leute fehen, wie man gewiſſe
Fremdwörter, die nicht Leicht zu verbeutichen find, daburd) be-
feitigen fann, daß man den Gafbau ändert. Die kurzen Bes
gründungen, die ich den Beijpielen beigebe, rechtjertigen fich da—
durch, dab ohne fie mancher wicht wiffen würde, wo der Fehler
liegt. Ein Lehrbuch aber joll aus der Beijpielfammlung durch—
aus nicht werden, nur ein Mittel zur Übung des Sprad)-
gefühls. Zum Schluffe möchte ich die Herren bitten, mic) durch
Auffindung geeigneter Säte recht eifrig zu unterjtüßen.
Borfigender: Die lepte Bitte Profefjor Dungers befür-
worte ic) auf das wärmſte. Der Zweck kann nur durch das
Zuſammenwirken vieler erreicht werden. Noch auf einen Im:
Stand möchte ich aufmerkfam machen, nämlid; darauf, daß die
Grenze zwiſchen Sprachfehlern und Dentfehlern jchwer zu ziehen
it, daß aber doch diejenigen Verſtöße den Vorzug verdienen, bei
denen es fi um Sprach ungehörigleiten handelt, nicht um Dent-
fehler; denn Logik läßt ſich wohl auch durch Beifpiele faum lehren.
(Beifall) — Ich bitte die Herren, welche für den Dungerſchen
Antrag find, die Hand zu erheben. Er iſt angenommen und
zwar einjtimmtig.
Wir gehen nun zu dem zweiten, ebenfall® auf die Zeitschrift
bezũglichen Antrag über, zum Antrage Münden.
Bınuner- Münden: Bevor id in die Sache eintrete, möchte
ich im Namen des 3.:B. Minden dem Sefamtvorjtande dafür
danken, daß er einem Wunfche von uns entgegengefommen ift
und am VBortage ein paar Stunden zu einer freien Vorbeſprechung
angelebt hat. Wir jind der Anficht, daß dieje Übung beibehalten
werden muß, und da fie unfem Beratungen in hohem Maße
nügen laun. — Was nun unſern Antrag betrifft, jo handelt es
ſich eigentlich mehr um eine Anregung. Wir wünſchen der bunten
Reihe bei Aufführung der Bücher in der Zeitſchrift ein Ende zu
machen. Sept ftehen neben Werken, die unmittelbare Beziehung
zu den Zwecken bes Vereins baben, nicht jelten andere, die das
nit gar nichts zu thun haben, Empfangsbeftätigungen für Bud):
bändlereinfendungen. Dieſe jollten mit Neinerer Schrift in einer
bejonderen Abteilung aufgeführt werden. Die anderen Bilder,
die uns angeben, werden natürlich zu beſprechen fein, wie das
ja auch meift geſchehen ift, und ſolche, die zwar dem Anhalt nad
nichts mit dem Bereinszwede zu hun haben, wohl aber wegen
der Form beiondere Anerfennung verdienen, lönnen wieder für
ſich hervorgehoben werden. In Bezug auf die zu erwähnenden
Es ift
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Sprahvereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 10.
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Zeitungsauffähze bleibt nur der eine Wunſch zu äußern, daß, wenn
ihre Überſchrift nicht volllommen Har ift, der wirkliche Inhalt
angedeutet und daß unter Umständen auf befonders Wichtiges
ausdrüdlich hingewiefen werde. Vielleicht lönnten die Zweig:
vereine mehr herangezogen werden, indem ihnen Bücher zur Be-
richterftattung übertwiejen würden.
Scriftleiter Wappenhans: Ich erachte die Anregung
des Herm Profefior Brunner für ſehr danfenswert und werde
in ihrem Sinne verfahren. Die Inhaltsangabe von Aufiägen
wird freilich oft recht jchwierig fein, ift übrigens zumeilen ſchon
eingetreten.
Deye- Mühen: Ich möchte bitten, daß nicht mur gute
Bücher beiprohen, fondern auch ſchlechte als ſolche gefennzeichnet
werden. Das it freilich auch bisher ſchon geſchehen, aber nadı
den 2. T. haarfträubenden Mitteilungen, die und heute Profeſſor
Dunger gemacht hat, kann es vielleicht noch öfter und eingehen:
ber gejchehen, um die Lejer vor Leuten zu warnen, die fich als
Führer aufipielen, thatlächlid aber keine Lichter, fondern Irr—
lichter find.
Dr. Muellenbady= Bonn: Auch diefem Wunſche hat die
Beitfchrift fortgejegt fchon Rechnung getragen, wie 5. B. bie
Beiprehung des Bornſcheuerſchen Buches beweift. Überhaupt
wird es feine Schwierigfeit haben, die Münchener Wünſche zu
erfüllen, wenn man bei den geforderten Beiprehungen und In—
haltsangaben ftet? des Wörtchens ‚kurz‘ eingedent bleibt. ept
find die Beurteilungen zuweilen zu lang, und das erfchwert dem
Schriftleiter feine Arbeit jehr.
Vorjigender: Ich ſchließe mid) dem eben Gejagten an und
möchte auf Grund unferer neulihen Vorbeſprechung nur bitten,
den Antrag infofern abzuändern, daß nicht die unbedingte Ber:
pflichtung ausgefprodhen wird, thatjäcdlid jede Arbeit zu bes
ſprechen. Es ijt doch immer möglid, daß die eine oder andere
Schrift der Aufmertjamfeit der Bereinsleitung entgeht, oder daß
ſich längere Zeit fein geeigneter Bearbeiter findet, oder daß er
fo lange mit feiner Beiprehung zögert, dak das Antereffe daran
vorüber iſt. Wan könnte den Antrag folgendermaßen faflen:
Es wolle die Schriftleitung der Bereinszeitichrift angemiejen
werben, neu erjcheinende Bücher und Aufſätze über Gegenftände,
die zur Veremsthätigfeit in Beziehung ſtehen, nicht nur aufzu>
führen, jondern, jo weit irgend möglich, aud) deren Inhalt und
Wert kurz zu beiprechen.« Wer von ben Herren für diefe Faſſung
it, den bitte ich die Hand zu erheben.... Sie ift einftimmig an-
genonrment.
Inzwiſchen bat der Wahlausichun feine Arbeit beendet, und
Dr. Saaljeld bittet das Ergebnis mitteilen zu dürfen: Die
Herren Oberlehrer Dr. Dijjel- Hamburg, Profefjor Dr. Eggers:
Norden, Oberlehrer Dr. Philippion- Magdeburg, Fabrilant Wüli:
fing» Elberfeld haben die Güte gehabt, die ziemlich anftrengende
Arbeit zu Übernehmen, und ich glaubte in Ihrem Sinne zu han—
bein, wenn ich ihnen den Danl der Berfammlung dafür ausges
iprochen habe, (Beifall). Ach ſelbſt habe mich, da mein eigner
Name auf der Lifte Steht, perſönlich nicht an der Feititellung be
teiligt. Das Ergebnis der Ergänzungswahlen zum Gejamtvor-
ftande ift folgendes: Die 95 vertretenen Bweigvereine baben
202 Stimmen abgegeben. Wiedergewählt wurden:
mit 202 Stimmen: Dr. Friedr. Kluge, Prof. an der Univer-
fität Freiburg i. Br.
„ 202 Pr v. Mühlenfels, Eijenbahndirettiongprä-
fident zu Oldenburg.
„ %02 = Otto Sarrazin, Geheimer Baurat und
vortragender Rat im Minifterium der öffent:
lichen Arbeiten zu Berlin (Friedenau).
197
mit 199 Stimmen:,Se. Durchlaucht der Erbprinz Ehriftian
Rraftzußogenlope-Ühringen, Oberfs
Kämmerer Sr. Majejtät des Kalſers und
Königs, zu Stawenpig in Oberfchlefien.
„ 199 e Dr. Ludwig Keller, Archivrat und Ges
heimer Staatsarhivar zu Charlottenburg.
„ 187 * Wilhelm Launhardt, Geheimer Regie—
rungsrat und Profeſſor an der techniſchen
Hochſchule zu Hannover.
„ 187 = Dr. Herman Riegel, Muſeumédirektor
und Profefjor zu Braunſchweig.
„ 184 r Peter Roſegger, Schriftfteller zu Graz.
184 = Dr.Günther Saalfeld, Gymnafial-Ober:
lehrer a. D. zu Friedenau (Berlin).
„ 150 = Rüppell, Geheimer u. Ober- Baurat a.D.
zu Köln a. Ro.
„ 15 * Karl Magnus, Bantherr in Braun—
ſchweig.
Neugewählt wurde mit 135 Stimmen:
F. W. Eigen, Kaufmanı in Hamburg.
Außerdem erhielten Stimmen: 55 Dr. Matthias, Oberlehrer
in Zittau, 44 Dr. Beer, Oberlehrer in Leipzig, und Dr. Stieve,
Brofefior in Münden, 27 Dr. Wülffing in Bonn, 24 Dr. Das
niel Sanders, Profeſſor in Alt-Streliß, und Dr. Miois Pos
atjcher, Brofejior an der Univerfität Prag, 21 Schmidt, Kal.
Boftmeifter in Nürnberg, 5 Friedr. Hermann, Gymmnafial-
direftor und Brofeffor in Norden, 2 Dr. Mally, Stadtarzt in
Marburg a. d. Drau, und Dr. Richard Weitbredt in
impfen.
Dr. Lobmeyer-Kafiel: Wenn ich richtig verftanden habe, ſoll
9. Landesdireftor dv. Brandt zu Königsberg i. Pr. feine Stimme
erhalten haben. Das ijl unrichtig; denn ich felbft habe ihm im
Auftrage des Z.⸗V. Stettin meine Stimme gegeben.
Wülffing-Elberfeld: Den Namen v. Brandt habe ich nicht
ein einziges Mal verlejen.
Dr. Lohmeyer: Ich bitte, die Zettei noch einmal durchzuleſen.
Dr. Saalfeld: Da wir geheime Wahl haben, find die Bettel
nad) abgeichloffener Wahl jogleic verbrannt worden.
Hieran knüpft fich eine lebhafte Erörterung zwifchen den Herren
Wülffing, Dr. Saalfeld, Dr. Lohmeyer, Dr. Wolf, Dr, Dijjel,
Arnold und Eipen, in der z. T. eine Anderung des Wahlverfahrens
vorgejchlagen wird, die aber am Ende darauf binausläuft, dem
Borjtande anheim zu geben, die Wahlzettel künftig erit nach Ver—
fündung der Wahl verbrennen zu lafien, damit eine Nachprüfung
möglich bleibt.
Vorjigender: Wir fommen zum 3. Punkte der Tagesorb-
nung, zu den Anträgen des 3.:B. Neihenberg. Ich habe dabei
zu bemerfen, dab außer diefen Anträgen, die auf der Tagesorb-
nung jtehen, auch noch von Neichenberg, Eger, Darniſtadt und
Troppan ein Antrag eingereicht war, der eine Sabungsändes
rung it demjelben Sinne ins Auge fahte. Die von Reichenberg
eingereichten Anträge waren rechtzeitig eingegangen, auch der
mit Sapungsänderung; die von den anderen Zweigqvereinen famen
zu fpät, und fo mangelte auc dem Neichenberger Satzungsände—
rungs-Antrage die ſatzungsgemäß notwendige Unterſtüßung, und
aud) er Fonnte daher nicht auf die Tagesordnung gejeht werden.
Diejer Antrag lautet: Die dritte Satzung des a. d. Spradjvereins
bat fürderhin wie jolgt zu lauten:
»Der Verein hält mit aller Strenge den Grundſatz bejonnenen
Mahhaltens aufrecht und verwirft alle Ilbertreibungen. Die
Frage der Rechtſchreibung fchlieht der Verein zunächſt von jeiner
Thätigleit aus. Alle wie immer gearteten Beröffentlihungen
des a. d. Spradwereins haben im deutſcher Druds bezw. Schreib:
ichrift zu ertolgen.«
Meine Herren, das ijt genau bderfelbe Antrag, der im vorigen
Jahre von denfelben Ziveigvereinen in Graz eingereicht und dort
mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden iſt. Ich glaube
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 10.
198
auch, nach den Berbejjerungen, die ftattgefunden haben, daß der
Herr Vertreter von Reichenberg, der zugleich auch Vertreter der
anderen genannten Zweigvereine ift, auf diefem Antrage nicht mehr
befteht, ſo daß alfo die Verfammlung nicht mehr Anlah haben
wird, darüber zu entſcheiden, ob der verspätet eingegangene Ans
trag auf Sapungsänderung nod zur Beratung zu ftellen ſei oder
nicht. Wenn ich den Herrn Vertreter von Reichenberg recht ver-
itanden habe, fo beiteht er eigentlih nur auf der Erörterung des
legten, von feinem Zweigverein allein eingebradjten Antrages:
»Der Hauptvorftand des a. d. Spradjwereind wird von der
zu Dldenburg tagenden Hauptverfammlung erſucht, ſich bei allen
wie immer gearteten Veröffentlihungen des Gejamtvereind wie
des Gejamtvorftandes ausſchließlich nur deutfcher Präge zu be—
— und lateiniſchen Druck höchſtens bei Fremdwörtern zu ges
rauchen.·
Arnold-Reichenberg: Ich danke zunächſt dem Herrn Vor:
ſihenden und dem Geſamtvorſtande, daß fie die Vorbeſprechung
eingeführt haben, die es ermöglichte, ſchon vor den Geſchäfts—
figungen zu einer gewiſſen SHlarheit zu fommen. Sch erkläre
weiter, daß ih auf rund diefer Vorbeſprechung die Anträge
zurüdziehe und mic) lediglich auf unfern 3. Unterantrag beſchrünke.
In der Hauptſache babe ich bereit8 in Graz Gelegenheit gehabt,
ihn und die anderen Neichenberger Anträge zu begründen, und
wurde dabei von den Herren Polzer und Twrdy unterjtügt.
Denjelben Standpunkt habe ich in der Vorbeſprechung noch eins
mal warm vertreten. Daher darf ich mid, hier wohl kurz ſaſſen.
Wir betrachten die deutſche Sprade, jo möchte id) jagen, als
unjer Schwert, die deutjche Schrift als unfern Schild. Beide
fafien wir als eine Einheit, als Ausdrud unjeres nationalen
Weſens auf und wollen jo wenig auf unjere Schrift verzichten
mie auf unſere Spradye. Als nun feinerzeit Beröffentlihungen
des Sprachvereins urplößlich in lateinischer Präge gedrudt wurden,
mußten wir notgedrungen dazu Stellung nehmen. Verſchiedene
ſcharfe Aufjäge gingen in diefer Angelegenheit durch die Blätter
der Oſtmark; einzelne davon habe id), wie ich offen geitehe, jelbit
verfat. Nun haben wir uns darauf gejtügt, dak Abſatz 24 der
Beihäftsordnung jagt: »Im Übrigen gelten die bisherigen Ge—
wohnbeiten.e Dazu rechnen wir aud) die Gewohnheit, daß jünts
liche Beröffentlihungen des Sprachvereins in den erjten 8 Jahren
jeines Beſtehens im deutſcher Prüge erjchienen. - Wir fol-
gerten daraus, daß died auf Grund des Abfages 24 beizubehalten
fei. Voriges Jahr wurde und von mancher Seite der Vorwurf
gemacht, dak wir Streit in den Spradjverein zu tragen fuchten.
Nichts liegt uns ferner als das. Wir wollen einfach, jenen Sat
der Gejchäftsordnung durchgeführt wijjen. Darauf fußend und
ohne irgendiwie die Anhänger der Lateinihrift vor den Stopf
ftoßen zu wollen, bitte ic) die Verſammlung, unfern dritten An—
trag oder einen Ähnlichen, der etwa von anderer Seite eingebracht
wird umd ſich mit ihm dedt, anzunehmen und es dadurch uns
Reichenbergern zu erjparen, immer wieder bei den nächjten Haupt—
verjammlungen mit der gleichen Forderung an Sie herantreten
zu müſſen und Ihnen dadurch einen Teil der Arbeitsluſt und
sjreudigkeit zu rauben. ch ſehe in die Einficht der Verſammlung
das unbedingte Vertrauen, daß fie ſich davon überzeugt, daß wir
feine Parteiftellung des Gejamtvorjtandes oder des Vereins in
der Scriftfrage herbeiführen wollen, wenn wir Sie bitten, unjerem
Antrage zuguftimmen. Wir werden es mit Freuden begrüfen
und aufatmen, wenn wir die Sache zu einem friedlichen Aus—
trage bringen.
Dr, Mucllenbad- Bonn: Ic beantrage, daß unſer ver-
ehrter Herr Vorfipender wie in der Vorbejprechung noch einmal
kurz den thatſächlichen Zuftand der legten Jahre darlegt und dann
199
200
den Antrag ftellt: die Hauptverfanmmlung erklärt: der bisherige | hat, weil es von einem Manne herrührt, der im vorigen Jahre
Zuftand bfeibt beitehen.
Borjigender: Ein grundſätzliches Verfahren nad) irgend
einer Richtung bezüglich der Schriftirage it überhaupt niemals
beabfihtigt worden. Wie e8 in der Natur der Sade liegt, hat
fi die Zeitjchrift des a. d. Sprachvereins von Anfang an und
niemals unterbrochen bis zum heutigen Tage der deutſchen Präge
bedient. Was die wiſſenſchaftlichen Beihefte anlangt, jo
iſt es in der Zeit, die vor Feitftelung der neuen Satzungen lag,
einigemal vorgefommen, daß auf Wunſch der Berfaffer nament-
lich ſolcher Auffäge, die mit altdeutihen Dingen zu thun hatten,
die Rundſchrift angewandt worden ift. An der Zeit, daß ich die
Ehre habe, den Vorſiß zu führen, iſt jelbjt das nicht einmal
geihehen. Lateiniſch gejept wurde überhaupt nichts als eine
Auflage des Aufrufs und eine der Sapungen. Beide find in-
zwiſchen längft vergriffen und nun in Edenjchrift wieder hergeitellt
worden. Der thatjählide Zuftand entipricht alfo nach jeder
Richtung Hin volllonımen den Wünſchen, die von jeiten des
3.8. Neichenberg und Genofjen ausgeiproden werden. Wenn
dieje tropdem an die Hauptverfammlung das Begehren richten,
ed möge geidjehen, was bereits geichieht, jo iſt das eigentlid)
etwas anſcheinend Widerfinniged. Wer bittet denn jemanden um
etwas, das diejer längit erfüllt hat? Co liegt aber die Sache
hier nicht. Der Reichenberger Antrag hat einen grundjäß-
liben Inhalt. Die Haupwerſammlung ſoll fi zu dem Grund—
jage betennen, daß im Spradivereine nur die Eckenſchrift berech—
tigt jei, und weil dies ber Sinn dieſes Antrages ift, vermag id)
ihn nicht zu befürworten. Die Antragjteller bedenten nicht, daß
innerhalb des Vereins ein auberordentlid großer Kreis ganz
andere Anjchauungen hegt, darumter große und mahgebende
Aweigvereine und Hervorragende Gelehrte, die fehr wohl den
entgegengejepten Wunſch ausſprechen könnten und es nur deö
allgemeinen Friedend wegen nicht tun. Wir müjjen die Sache
andeıs erledigen und zwar in der Art, daß die Haupwerſamm-
lung erflärt, fie billige das bisher von uns innegehbaltene,
das hergebradite Verfahren. Damit ijt den Wünjden von
Neichenberg thatſächlich entiprodien, grundſählich aber nichts
vergeben. Dann bleibt es beim Herlommen, bis etwa von irgend
einer Seite her ein anderer Antrag geitellt wird, von dem ich
hoffe, daß er dann auch abgelehnt werden wird,
ArnoldsReihenberg: Nachdem der Herr Borfigende atıseins
andergejeht bat, daß das biäherige Verfahren thatjächlicd den
Wünſchen der Reichenberger entſpricht, erfläre ich mich bereit,
auch unfern dritten Antrag zurüdzuziehen (Beifall), falls bie
Berjammlung dem, was der Herr Obmann gejagt und vor—
geichlagen hat, ihre Zuftimmung giebt. Sollten fpäter andere
Berhältnifie eintreten, fo jehen wir uns auf dem Plage wieder.
(Vebhafter Beifall.)
Dr. Lohmeyer: Ich hatte im legten Augenblide noch die
Abficht, einen etwas veränderten Antrag zu ftellen, von dem ich
hoffte, dab er dem Herrn Bertreter von Reichenberg auch ges
nügen werde. Da bdiejer nun aber feinen Untrag zurüdgezogen
bat, jo verzichte ich darauf.
Vorfigender: Dann frage ich, ob die Verſammlung mit
der von mir vorgeichlagenen Erklärung einverftanden it? Ich
bitte die Hand zu erheben. Die Erklärung ijt einſtimmig ange:
nommen.
Arnold-Neichenberg: Ich danfe im Namen der von mir
vertretenen Ziveigvereine.
Dr. Zohmeyer: Im Anſchluſſe daran geitatte ich mir ein
Schreiben zu verlejen, das auch einige Beziehung zur Schrijtfrage
jehr warm für die Lateinſchrift eingetreten ift, von Herm oft:
rat Dr. Dehms in Potsdam. Gr jchreibt: » Der Bericht über die
vorige Hauptverjammlung legt mir die Worte in den Mund
„Über das Geſchrei diefer Leute ift man zur Tagesordnung über:
gegangen —*, und es bezogen fich diefe Worte auf die Perfonen,
weldye im Jahre 1870 die Einführung des metriichen Mahes
und Gewichtes in Deutſchland verhindern wollten, und welche ich
mit den Anhängern der Edenjchrift in Parallele ſtellte. Ich ver:
mag mich zu dem Ausdruck ‚Geſchrei‘ nicht zu befennen; denn
ein jo abfälliges Urteil über Gegner, weldye doch nur ihrer beiten
Überzeugung folgen, widerfpricht durdaus meinen Anſchauungen
und Gewohnheiten... .« (Beifall.)
Vorfipender: Ich Habe Herrn Arnold jept nur noch zu
fragen, ob er wünſcht, daß ich die Verſammlung darüber befrage,
ob fie den zweiten Antrag auf Sapungsänderung, der verfpätet von
Reichenberg, Darmitadt, Troppau und Eger gejtellt war und der
fi) auf die Stimmberehtigung der Vorftand&mitglieder bezog,
zur Erörterung ftellen will.
Arnold-Neicenberg: Ich ziehe ihn zurüd. (Wader!)
Nummehr erfolgen aus dem Kreiſe der Berfammlung einige
nit vorher angekündigte Anregungen, die zu feinen Be-
ſchlüſſen führten, vom Gelamtvorftande jedoch im Auge behalten
werden. Lodtmann-Krems befürwortet die allmähliche Ein-
führung der deutichen Monatsnamen in die Kalender, Arnold»
Reichenberg den Kampf gegen die die gefunde Einnlichfeit der
Sprache beeinträdhtigenden Zufammenziehungen, wie »zußfaufe,
zuteil, zuwiederholtenmalen, teilnehmen« u. dgl. m. Zugleich ſpricht
Arnold den üjtreichijchen Zeitungen, die fi vorwiegend in den
Dienst unferer Sadje geftellt, wie dem »Grazer Wochenbfattes,
der »Diterreichiichen Rundſchau⸗ in Wien, der » Deutjhen Zeit:
ſchrift in Neichenberg warmen Dank für ihre Haltung aus und
dringt darauf, daß aud der Inhalt unferer Anzeigenbeilage jorg:
fältig rein gehalten werde von unnüpen Fremdwörter.
Seitens des 3.:B. Norden wird der Wunſch geäußert, es
' möchte im Gejamtvorjtand auch die Geiftlichteit durch irgend eine
hervorragende Perfönlichleit vertreten fein.
Schmidt-Kaflel: Wir find am Schluſſe unferer Thätigkeit.
Da halte ich es für unfer aller Pflicht, uns ſchönſtens zu be
danfen für die freundliche Aufnahme in Oldenburg, namentlid
für die feitlichen Veranſtaltungen. (Lebhaſter Beifall.) Alſo
auf herzliches Wiederjehen, auch der Didenburger Herren in
Stuttgart oder wo es jonit fein möge! (Rufe: Heil Oldenburg!
Heil!)
v. Lettow-Vorbeck: Als jtellvertrerendem Borfigenden des
3.:B. Dldenburg ift mir die angenehme Aufgabe geworden, den
Dank auszufprechen für die vorzügliche Leitung unjerer Beratungen
durch den Kern Vorfipenden. Ich babe mit dem Herm Oberit-
leutnant Dr. Jähns jahrelang im Generaljtabsgebäube zujammen
gearbeitet; in Berlin habe ich ihn jchägen gelernt als grohen
Kämpfer auf dem Gebiete der Kriegswiſſenſchaften; Hier aber iſt
er mir vollitändig neu und zum evjten Male als Redner ent:
gegengetreten. Cie werden mir alle zujtimmen, und ich habe es
ſchon von verichiedenen Herren gehört, wie ganz ausgezeichnet
unſer Herr Vorjipender im Sinne unſeres Vereins jpricht; denn
in ihm hat die Schönheit der Spradye einen hervorragenden Ver—
treter gefunden jowohl in der Wortwahl als in der Vortrags
weiſe. (Lebhafter Beifall.) Nicht minder aber als die Form hat
uns der Inhalt erfreut, der immer jo volllommen der Gelegenheit
und der Ortlichteit angemeſſen war. Ich glaube, da das ge
iprochene Wort meift mehr zündet als das gejchriebene, und hofje
201
daher, bei unfern Oldenburgern, die jo ein bißchen vom falten
Schlage find, werden ſolche Neben gewirkt haben. Und jo dente
ic): wenn wir dieſen Borfigenden noch lange an der Spihe unferes
Vereins behalten, dann wird diefer gefichert fein. Zum Dant
bitte ich, ihm ein Hoch zu bringen. Dr. Jähns lebe body! hoch!
hoch! (Lebhafte Zuftimmung.)
Vorſitzender: Ich bin tief beſchämt über fo viel Güte und
Freundlichkeit, die wahrlid) über dad Maß hinausgehn. Glüd-
licherweife bin ich nicht veranlagt eitel zu werden. Sie fünnen
fit) darauf verlafjen, daß ich meine Pflicht und Schuldigteit nad)
beiten Kräften thun und die allerdings nicht ganz geringe Laſt
dieſes Ehrenamtes jo lange tragen werde, ald Sie fie mir aufs
erlegen und mir meine Arbeitszeit und Arbeitsfraft gejtatten fie
zu tragen. Und damit nehmen Sie meinen allerherzlichiten und
wärmjten Danf entgegen für Ihre Nachſicht und Ihr Wohl-
wollen.
Ich erkläre die Sipung und damit bie IX. Hauptverfammlung
für geſchloſſen.
Am Nahmittage machten die Oldenburger Sprachfreunde mit
ihren auswärtigen Bäjten einen Ausflug nad dem fug. »Urwalde«
bei Neuenburg. Herrliches Wetter begünftigte das jtohe Bei—
jammenfein, an dem ſich auch viele Damen beteiligten. Bon
Neuenburg aus wurden an Se. Kgl. Hoheit den Großherzog von
Oldenburg und an den Fürften Bismard huldigende Drahtgrüße
gejendet. Sehr jchnell gingen dem Vorfipenden Antivsrten der
hohen Herten zu. Se. Kgl. Hoheit telegraphierte:
»Dem allg. deutſchen Spradwerein jage ich herzlichen Dant
für feinen Gruß. Ich bin erfreut, daß der Urwald Ahnen bei
dem heutigen herrlichen Wetter Stunden der Erholung nad) den
Arbeiten der Sitzungen geboten hat.« Beter.
An den Fürſten Bismard als das Ehrenmitglied des a. d.
Spracjvereins war die legte Strophe eines jchönen Gedichtes ges
drahtet worden, das Profeſſor Otto Schradersfena, der Feit:
redner, unter dem begeifterten Beifalle der Verſammlung in
Neuenburg geiprodyen hatte. Es lautet:
Im Norden It dem Sand er Mart
Ein Eicdhendaum entiprungen,
Mit feinen Wurzeln, zäh und ftart,
* Deutſchland er umſchlungen.
uns gepflanzt des Reiches Daum,
Der uns erfüllt der Bäter Traum,
Ihm fel ein Lied gefungen!
‚ reich" herab vom Himmeldblan
Bi vielgelichter Aaiker,
Dem Sreunde aus der Ert'gen Au
Auch heut’ des Lorbeers Neijer!
und Hifi" wie einft das teure Haupt,
An das Du feit und treu geglaubt,
In Thorheitd Nacht ein Weiter!
Denn finfter war'* im deutichen Land,
Und Berg’ und Thäler ſchlieſen.
Wie ehr nach einer Schöpferhand
Die bangen Geiſter riefen.
Er ſprach das Wort: „Es werde Licht!”
Und firablend fricg von Angeſicht
Germania aus den Tiefen!
Sahit Die die ſtolze dort am Rhein,
Auf grünen Rebentilgeln?
Sabit ſich Im Abendionnenidein
Die Katferkrone ſpiegeln?
Stieg Zann aus Deinem ſtillen Kahn
Sein Ruhm und Name himmelan
Nicht auf Geſanges Fgeln?
Und Du, o wunderichöne Stadt,
Und DichLand meerumſchlungen,
Der Mutterbtuſt verloren, bat
Er Euch zitrüdgerungen.
Und weis’ im Hat und Uhn von That,
Und unermüdlich früh und ſpat
Hat er die Welt bezwungen.
Nur iplelet rinas im dentſchen Gau'n
Des Friedens bolder Sabre,
Es freut in Sof, in Wald, in Au'n
Sich jeder ſelner Habe.
Nach Eildlands ur, nad EEE
s
Trägt deutſche Flagge een Bleib
Und heiſcht die Gegengabe.
Bas In der Boller Abgrund hauft,
Des Aufruhrs Schredgeitalten,
Bopl hat er fie mit jtarfer auf
Am Boden feitgchalten ;
Und do beſchwor zu gleicher Stund'
Er mit der Liebe beil’gem Mund
Die dräuenden Gewalten.
So ftand vor feines Kaiſers Thron
Der Eiſerne zur Wehe,
Den Franzmann und der Sicppe
Sohn,
Sie graute feiner Lebe,
Und eine Welt von Riedertracht,
Er bat fie doch zu Fall 2
D'rum ſei ihm auch die Ehre!
Num freut ein jüngeres Geſchlecht
Sich es, was er erftmtten, ”
Und mur die Gegenwart bat recht!
as Er für uns gelitten,
Dan gräbt es wohl in Marmelitein;
Tod alter Schlauch fprengt neuer
tel
„Stehr” heim zu Deiner Hütten |“
Du bift in Lebene Abendſtrahl
Zum ftillen Wald gezogen,
Tod fieb! Dir find vieltans
fendbmal
Die Herzen nachgeflogen.
Und wer mit Recht ein Deuts»
iher heißt,
Schwebt, wo man Deinen Ra:
men preift,
Aufder Begeltirung Wogen!
Zeitfhrift des allgemeinen dentfhen Spradvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 10.
E
202
Seine Durdlaudt antwortete auf diefen Feitgruß dem Vorſitzen⸗
den: »Euer Hochwohlgeboren danke ich herzlich für die freundliche
und chrenvolle Begrühung.« v. Bismard.
Nah der Heimkehr von Neuenburg blieb die feftlihe Vers
fammlung noch längere Zeit auf dem Bahnhoſe zu Oldenburg
zufammen. Hier drängte fich Rede an Mede, teils Icherzhaften,
teil ernjten Inhalts, und mit der größten Wärme wurde der
Trinfjpruch aufgenommen, durd) den dem Baurat Böhlf ber
Dant aller dargebracht wurde für die bewunderungswürdige Art,
wie er das Feſt vorbereitet und durchgeführt hatte. Alles war
geihhmadvoll und zwedmähig eingerichtet, und alles hatte im entz
ſcheidenden Augenblicke vortrefflih ‚geklappt.“ Am 11. Muguft
machte ein Teil der Feſtgenoſſen einen Ausflug nach Wilhelms:
haven, wo fie die grofartigen Hafenanlagen unter der ebenfo fach⸗
fundigen wie liebenswiürdigen Führung des Herrn Marine: Obers
pfarrer8 Goedel in Augenjcein nahmen. Auc der Oldenburger
Preſſe gebügrt Herzliher Dank für die wohlwollende und ſach—
gemähe Weife, in der fie der Verſammlung in ihren Blättern
gefolgt iſt. Noch am 12. Auguft bradjte der »Generalanzeiger
für Oldenburg und Djtjriesland« einen Nachtlang der Feſttage
in einem Gedichte jeines Herausgebers, Herrn F. W. Grothe:
Dorch, durch den Deinen en. Biſt Du ein Deuticher? nn!
Dit fremder Sprache
Geht ein Wehn u sn — Sollſt unfern Ihönen —3 Du
Es if ein ſriſcher de —8
Dann nimmermehr durchſepen!
Dem wohl ſchon viele lauschen. Wir Deutſche tanzen fonst doch nicht,
Der jriſche Wind, er feg’ hinaus, ie and're Bölter neigen,
Was Aremdiudht aufgelefen ; Drum laßt uns aud in Earırt und
inaus mit allem, was nicht paßt rt
a deutſchen Wort und Wehen! Tas wahre Deutihtum ——
Folgt nur De Benkiipen Sprachverein
Auf feinen ſchone —2**
Der deutschen Ste einnent dort
u hegen und zu pl
ein Spracdgemifie , deutfcheh Bolt,
‚No immer mehr
Bis dafı Du ftoly deiennen tannſt
Deutich fit die deutſche Spradie!
Rleine Mitteilungen.
Aus Wien geht der Schriftleitung folgende Mitteilung zu:
Eine öſtreichiſche Burſcheuſchaft wollte zu ihrem im Oftober d. 3.
ftattfindenden Stiftungsfefte eigene, wappengefhmüdte Pofttarten
beritellen lafjen, deren Erlös für nationale Zwede verwendet werden
follte. Ein »alter Herr« der Burſchenſchaft lam bei der Ober-
Rojtleitung um die Erlaubnis ein, die leider in Oſtreich immer
noch übliche umdeutiche Auffchrift »Gorreipondenz=- Kartee
auf diefen Feittarten durd; » Bojtfarte« zu erjeßen. Das Geſuch
entbieft nicht mur die Verficherung, daß die Karten in ihrer Größe,
Stärke uſw. allen Borjchriften entiprecdhen würden, fondern auch
eine fachliche Begründung, warum der befürmwortete Ausdrud
befier fei. Leider ift die Bitte ohne Angabe von Gründen ab—
ſchläglich beichieden worden, und fomit ijt der Verſuch, in das
undeutfche Gemengiel der öſtreichiſchen amtlichen Ausdrücke eine
Breiche zu legen, fehlgeihlagen. — Der Einjender diefer Mits
teilung Mmüpft die Bitte daran, der Sprachverein möge feinen
Einfluß und alle ihm zu Gebote jtchenden Mittel dafür geltend
machen, das Undeutſche des öftreichischen Amtsjtiles zu befeitigen.
(Sollte das nicht zunächſt Aufgabe der öſtreichiſchen Zweigvereine
fein, die ja in Übereinjtimmung mit dem Gejamtvorjtande ent
iprechende Eingaben an die öjtreichiichen Behörden richten Fönnten ?)
— In der Frankfurter Yeitung vom 22. Auguſt erhebt ein
Leier, der ſich ausdrüdlid dagegen verwahrt, Mitglied eines
beutichen Sprachreinigungsi!jvereines zu fein, doch Einſpruch
gegen den jept allgemein aufgetommenen Gebrauch des Wortes
»Zaifune Das Wort klinge entjernt an das Chineſiſche an, jei
203
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Epradvereine, x. Jahrgang. 1896. Kr. 10.
204
aber das englijde Wort »typhoon« (aus dem Griechiichen).
»Warum ſagt man nicht ‚Typhon*, wie man ‚Gyllon* ſchreibt
(und nicht „Seiflon‘)? Oder warum jpridyt man nicht richtig
deutichh „Wirbelfturm‘? Daß dieſes Wort wieder in feine an—
geitammten Rechte eingejept werde, dafür möchte ich hiermit ein
gutes Wort eingelegt haben. «
— 2er in Ep. 50 diejes Jahrganges enwähnte Aufiap »Nedct
deutſche von Hallier (»Zufunft« vom 11.1. 06) hatte, was
ſehr aufjallen mufjte, der Arbeiten unſers Vereins in feiner
Weiſe gedacht. Auf Anfrage eines Bereinsmitgliedes hierüber bat
Herr Prof. Dr. Hallier in München ertlärt, er babe jenes unters
lafjen, weil fein Auſſatz ihm zu unbedeutend (?) erichienen wäre,
um den Spradverein-zu erwähnen, wicht aus Abneigung gegen
diejen.
— Fremdipradlicde Ausdrüde in deutſchen Waren=
zeihen Die Gepflogenheit vieler Fabrilanten und Gejchäfte-
inhaber, ihre Waren mit fremdipradilichen Ausdrücden zu lenn—
zeichnen, ftöht jept bei der Eintragung diefer Ausdrücke als Waren:
zeichen auf Widerjtand. Wie das Patent: und techniſche Büresu
von Richard Lüders in Görlip vor einiger Zeit mitgeteilt hat,
find durch die Abteilung des Kaiſerlichen Batentamts für Waren:
zeichen in lepter Zeit häufig Verfügungen erlajjen worden, in
denen an Stelle von jremdipradjlichen Ausdrücden deutiche Worte
verlangt werden. So wurde z. B. der Ausdrud »The best &
durablest« in einem Warenzeichen für Buchdruckerſchwärze nidıt
zugelafien. Nur dann, wenn die mit fremdſprachtichen Ausdrücden
gezeichneten Waren lediglich von Ländern bezogen und nach diejen
ausgeführt werden, in denen die betreffende Sprache als allgemeine
Umgangs= oder Bejchäftsipradhe gebraucht wird, find dieie fremd»
jprachlicyen Bezeichnungen zuläſſig. Sicher ist, daß der Ausſchluß
fremdiprachlicher Worte auf deutichen Warenzeichen” oder deren |
nur bedingte Bulafiung auch dem unlautern Wettbewerb ent»
gegenzuwirken im ftande iſt, und es liegt daher in der Hand des
Erzeuger®, durch Herftellung gediegener Waren dafür zu forgen,
daf der Käufer diefe auch bei deutſchen Bezeihnungen den aus—
fändifchen vorziehe, ohne ſich durch hochklingende fremdipradjliche
Namen bienden zu laſſen.
— In Bonn iſt eine nene »Polizeiverordnung Über die Ber
nußung des Landungsgebietes der Stadt Bonn« erſchienen, Die
ſich durch gutes und Mares Deutſch auszeichnet. Sie enthält nur
folgende Fremdwörter: Termin, das aber an anderen Stellen
uch ⸗Friſft« erjept il; Declaration, in Nlammern, als Er—
Härung für » Berzeichnise (!); Kormular, wofür dod) »Bordrud«
hätte geiagt werden fünnen; Tarif, in Klammern, als Erklärung
jür »Gebührenordnunge; Negifternunmer, das etwa durch Buch—
nummer, Weritperjonal, das durd »Werftbeamtens, und
Agenten, das durch »Bertreter« erjept werden Könnte. — Auf:
fallend find die Ausdrüde »nacdverwiegen« und »Berviequng«,
für die wohl »madwiegene und »Wiegung« zu jagen wäre,
— und von ficher gut deutichen, aber wohl jeltenen Ausdrüden:
» Töpper« für Schwimmer (wohl zu doppen - = eintauchen (Grimm,
®.2, 1276) »Mehrring, Mehrpfabl, Mehrſeil, Mechrfette;
Score « (?).
Sprebiaal.
Gbaftwirtämweien Am diefer Zeitichrift (IN, Sp. 120) find
die Vereinsgenoſſen mit Recht ermahnt worden, auch auf ihren
Sommerreifen die Zwecke unsers Vereins dadurch zu fördern, dah |
fie die Verdeutſchung der Speifegettel und Gaſſthausrechnungen u. dgl.
betreiben. In diefer Hinficht ent ja nor vieles im argen. Über—
haupt ijt die Erreichung unſerer Ziele gerade in geichäftlichen Streifen
ſehr ichwierig. Denn viele durch Tüchtigleit emdorgefommene Kräfte
beißen doch zu wenig Sinn und Zeit für diele idenlen Dinge,
während gerade fie unferer Sache nügen fünnten, weil fie ſich
durch ihr öffentliches geſchäftliches Muftreten (in Zeimngsan—
zeigen u. dal.) mach aufen ſehr bemertbar machen. Hier iſt alio
noch iehr viel zu thım. Die einmalige Auflegung einer ver:
deutichten Speiſelarte bei befonders fejtlichen Gelegenheiten erzielt
noch feinen groſſen Erfolg. Zweckmäßig wäre es, wenn die
Aweiqvereine den täglichen Frübitüds-, Minags- und Abend—
karten aröhere Nufmertiamfeit zumendeten, Wan muß ſich bei
jedem Wirte deilen Zettel anjchen und geionderte Gegen-Ent-
wirfe für dieje einzelnen Zettel aufitellen, die dann wenigitens
eine Zeit lang vom Wirt beachtet werden. Nachher muk man
diefe Arbeit wiederhoten, bis ſich die Verdeutſchungen eingebürgert
haben, Auch könnte man die Yeitungen der Sastwirtzeitungen,
3-9. » Das Gaſthaus« in Berlin, Niederwallitraße 15, dafür zu
gewinnen juchen, durch jtändigen Abdrud von Wuiter-Speiie-
zetteln diefen Teil unferer Beitrebungen zu unterftügen. Die Ber:
deutichngsvorichläge ſelbſt find ja im trefilichiter Weite ſchon in
unferm Verdeutichungäbeit » Die Speijelartce 2. Aufl. geſam—
melt, Darauf iit umſomehr hinzuweiſen, alö die in Zeitungen zu—
weilen veröfientlichten Speijefarten, die bei großen Feiten, z. B. bei
Hofe, ausgelegen haben, mandmal Ausdrücde enthalten, die zu lang
gefaßtt find, z.B. die Wendung: auf ....ifche Art: das, was
gemeint it, läßt ſich oft kürzer ausdrüden, nad Anleitung der
allgemein befannten Bezeichnungen, wie Nal grün, Karpfen pol:
niſch u. a. Unſer Verdeutichungsbuch hat ſich von jenen umjtänd-
lichen Ausdrücken mit Recht fern gehalten, weil fie unſerer Sache
den Sieg erſchweren. Bei diefer Gelegenheit jet aus einem alten
Berichte über eine i. 3. 1599 abgehaltene Sajterei auf der Tor:
gauer Trintſtube mitgeteilt, da; die dort aufgeführten Speiſen
und Setrünfe fast ſämtlich deutſch bezeichnet find, Cine Ausnahme
macht »sonieht« »Sauce« ift mit »Brübe« wiedergegeben. —
Hötel? Neitanrant? Dieje beiden Schmerzenslinder werden
wobl noch lange unſern Nummer erregen, namtenlid) nachdem die
in diejer Ztſchr. IX Sp. 37 mitgeteilte Enticeidung des preufis
ſchen Oberverwaltungsgerichtg ergangen iſt. M. E. muß man
darauf hinwirken, daß einzelne Wirte von großen und feinen
Hänfern ihre Geſchäfte Gaſthaus erflien Nangese, Wirtss
haus eriten Ranges« nennen. Darauf fommt es nämlich an,
daß der Wirt nicht mehr zu fürdıten brauche, fein Haus werde
als minderwertig angeſehen, wenn er ihm eine deutiche Benen-
mung giebt. In Berlin ift meines Wiljens cin derartiges » Wirte:
haue; eriten Nanges (zum Kurfürſten) vorhanden, ebenjo wie
Dresden jeine „Deutiche Schenfes (zu den drei Haben) befißt.
Naturlich müſſen auch jo finnlofe oder nichtsfagende Namen wie
»HAtel Monopole, «SG. Central«, »9. Internationale,
»d. Erceliiore wegbleiben. Table d’höte wird m. E. am
beiten durch Tafel (1. Tafel um 1", Uhr, 2. Tafel um 5'/, Uhr)
verdeuticht. Man frage: Wann ıjt bier die Tafel? Das
wird der Kellner ſchon veriichen. Den Dauptertolg in allen Dielen
Dingen erringt nur die Gingelarbeit. Wie ein Gärmer das Un—
neziefer von feinen Bilanzen einzeln abſuchen muß, jo müſſen
auch wir Sprachreiniger die Fremdwörter nicht nur durch alls
gemeine Mahnungen, jondern auch durch perfönfiche Bearbeitung
der einzelnen belämpfen. Meiſt findet man ein geneigte Obr,
wern man mit nur Vorbaltungen macht, fondern dem an—
gegangenen Vollsgenoſſen einen Teil oder die ganze Verdeutichungs-
arbeit abnimmt Natürlich wird man ſich bierbet in erjter Neibe
an ſolche Berlönlichkeiten und reife zu wenden baben, die durch
ihre Stellung und die Gröſſe ihrer geichäftlihen Unternehmungen
für andre vorbildlich find, die »den Ton angeben». Grohe Ge—
famtunternebmungen, wie allgemeine Nusjtellungen und
Feſte, find bierbei der Aufmerkſamkeit beionders würdig, ebenſo
vielbeindhte Orte, wie das Niederwalddentnal, die Hudelsburg,
der Kyffhäuſer u. dal. Als vor einigen Jahren bier in Torgau
| wiederum die freier von Kaiſersgeburtstag nahte, wandte
ih mich mit Erfolg an die hiefige Nommandantur mit der Vitte,
den bisherigen, fange Jahre üblichen Aufruf zur Beteiligung am
Feiteflen von Fremdwörtern zu ſäubern und die Epeiiefarte zu
verdeutichen. — Auch Mitglieder wird man an Heineren Orten
faft nur durch perfönliche Aufforderung, weniger durd allgemeinen
Nufruf werben fünnen. Unſere Thätigfeit iſt eine Art » Miilione:
arbeite.
Torgan. ſt. B.
19
So
S
Zeitfhrift ded allgemeinen deutihen Epradvereind, XI Jahrgang. 189. Nr. 10.
206
Bücherſchau.
— Ir. W. Münch, Agl. Geh. Regierungs- und Provinzial—
ſchulrat, Vermiſchte Aufſähe über Unterrichtsziele und
Unterrichtskunſt an höheren Schulen. 2. Aufl. IVu.3508.
Berlin, N. Gaertners Verlag. 1890. Geb, 6 M.
Nicht oft wird einem Berichteritatter für Diele Zeitichnft die
Freude beſchieden fein, eim Bud) anzeigen zu fünnen, das, dem
Spradjereine fcheinbar ganz fernliegend, jeine eigentlichiten Ziele fo
zu fördern berufen wäre, wie die vorliegende Sammlung von Auf
ſähen über Unterrichtsziele und Tunſt. Nicht mur iſt die Hälfte
der gelammelten 12 Aufläpe dem deutſchen Unterrichte gewidmet,
fondern der Berfajjer hat wirklich das Recht, in der Einleitung
zu jagen, daß auch weitere vier, den fremden Eprachen geltende
Abhandlungen auf das Deuſche zurlidweiien, indem die jorgiältige
Verbindung des Unterrichts in den fremden und in der Mutter—
ſprache einer der bejtimmenden Srundgedanten je. Wer z. 2.
nach den Fingerzeigen überjepen läßt, die im 7. Auflage (Zur
Kunfı des Überjegens aus dem Franzöfifhen) und im 11.
(Das Verhältnis der alten und der neueren Spradıen
im Unterricht) gegeben find, wird wirklich auch die Fertigleit
im Gebrauche der Murterſprache üben.
Doch mehr als jein Stoff verleiht einem Buche der Geiit,
in dem es geſchrieben ift, feinen Wert. Der Bert aber, in
dem dieſe Aufſäße geichrieben find, iſt fein anderer, als ber,
in welchem der Spradjverein werten will: ihm gilt es wirkliche
Erziehung deutiher Periönlichkfeiten vor allem durch
die rechte Behandlung der Mutteriprade. Kann dem
Spradhvereine eine wirffamere Hilfe eriteben, als wenn in muſter—
haft Harer und gewinnend warmer Darjtellung von jo beruiener
Stelle den Lehrern der Mitteljchulen der Weg zu ſolchem, zu
feinem eigenen Yiele gewiejen und der gebildeten Jugend damit
die Führung ebendahin geſichert wird?
Bezeichnend für dieien Geiſt fteht am der Spige der Samme
lung der Aufjag über »die Erziehung zur Waterlands-
lieber, die im Zuijammenwirken aller Fächer, frei von aller künſi—
lihien Mache auf echt menſchlichem Maßhalten und echt deuticher
Wahrhaftigkeit und Innerlichteit gegründet werden ſoll. — Am
2. Aufjage wird als eines der Bedürjniſſe, die im Geiſte der Ge—
bildeten noch der Befriedigung barren, weil die Schule fie noch
nicht genügend berüdfichtigt, ein Einblid in das Yeben der
Murteriprade erwiejen, und wie ſich diefes Bedürfnis bes
friedigen tät, wird von kundigiter Hand an zahllofen, aud für |
jedes nicht lehrende Mitglied unferes Vereines Ichrreichen Bei-
ipielen gezeigt. — Mit tiefer Einficht in die Bedeutung feiner
Sprachform für ein ganzes Voll und warmer Vegeiiterung für
nationale Einheit erhebt M. im 3. Auflage eine ſchon durd ihre
offene Äußerung verdienftliche Klage über den an den höheren
Schulen herrichenden Sclendrian in der Pflege der deutichen
Ausſprache, und weilt den Schulen die Pilicht zu, eine vollere
Schäßung guter deuticher Ausſprache wenigitens vorzubereiten;
denm ihm it Die Buntichedigleit des lautlihen Lebens
unjerer Sprache ein Jeichen der noch unfertigen Volte-
einbeit, und die nationale Würde fordert nad ihm
wirklich eine Nationaliprade auc für das Ohr, aud
in den Klängen, die jedoch durchaus nicht beſtimmt jein joll,
die herzliche, ⸗heimelnde⸗ Umgangsiprade zu eriegen oder zu ver-
drängen. Die Mittel, mit denen diejes nocd über die gemeinjame
Schriftſprache hinausliegende Ziel erreicht werden ſoll, und die
Geſichtspunkte, nach denen die mundartlihen Berjchiedenheiten und
Dequemlichleiten ausgegligen und abgeftellt werden follen, legt
er mit überaus feinſinniger Empfindung für die ſprachliche Schön—
heit dar. — Ebenfo feinfühlig und zugleich kunſtſinnig find die An-
weilungen, die er im 6. Auſſahe für die Deklamation gicht,
deren ernitere Bilege er fordert, weil fie die Freude an der Mutter:
ſprache erböhe, die Sprache in der Fornt der Dichtung als Trägerin
des Schönen erit recht würdigen lehre und zu dem Wifjen das
Können fichere. — Überhaupt ift für M. das Können, die Be-
herrſchung bis zum freien Selbſtgebrauch — natürlich in den der
Schule geftedten Grenzen — das Ziel des Unterrichts in den
neueren, vor allem auch in der Munerſprache. Wie diefem Fiele
zugejtrebt werden fann, legt der 5. Aufſatz dar, der unter dem
Gefichtspunfte der Pilege des mündlichen deutjchen Auss |
druds die mannigjachen Gelegenheiten und Veranitaltungen hierzu
behandelt von der Überwindung organiſcher Mängel und dem
deutlichen und richtig betonenden Lejen, der Miündlichfeit und
Wechielſeitigleit des Unterrichts am bis zu den freien Vorträgen.
Soviel von den hier vor anderen einjchlägigen Auſſäßzen. Was
fie gleich den übrigen bejonders überzeugend macht, ijt, daß fie
erfidytlich auf reiher Erfahrung und auf Beobachtungen beruhen,
die an zahlreichen Schulen gemacht find und ihre weitreichenden
Ergebnijje nicht bloß in das Iuftige Reich der Gedanken bauen,
jondern auf dem fejten Boden zahlreicher thatjädylicher Beiipiele
begründen. Nein Leſer, vor allem aber fein Lehrer follte fie,
und jet ed nur zur Befeitigung auf dem eigenen rechten Wege,
ungelejen lafien, wem anders er Münchs und unferes Vereines
Ziel ernſtlich jelber verfolgen und feine Schüler verfolgen lajjen
will: Verehrung der Mutterſprache durch die That!
Zittau i/5. Theodor Matthias.
Seitungsicban.
Nufjäpe, Beipredbungen ujw. in Zeitungen
und Zeitfdriften.
Die frremdwörterfrage. — Beilage der Berliner Neueflen
Nachrichten 27. u. 28.7. 96. (Warnt im Sinne des Sprad}:
vereind vor unnüßen Fremdwörtern.)
Bun »Juriftendeutich«. — Kölnische Zeitung 15. 8.06. (Giebt
zu, dab die fateiniiche Epradye unjerer Nechtsquellen einen
Zeil der Schuld an unjerm Juriſtendeutſch trägt, meint aber,
daß bei der großen Buntheit der Lehrjtoffe an den modernen
Gymnaſien die deutfhe Sprache nicht genügend zu ihrem
Rechte komme, umd daß die ſchon auf der Univerſität zu
beobadjtende Unbeholfenheit der jungen Juriſten im Nuss
drude und ihr mangelhaftes Spradigefühl auf die Schul:
bildung zurüdzufübren jeien.)
Berdeutihung der deutſchen Sportsiprade. — Leipziger
Meuejte Nachrichten 20. 7. 96. «(Der Berfafjer verwahrt ſich
dagegen, ein »Bollbluts Spradwerbejjerer« zu fein, meint aber
gegen den »wolfenbruchartigen Fremdwortregen«, der über
den Sport auf allen feinen Gebieten herniedergegangen ift,
Einfprun erheben zu muhfjen: »Deutſch ſei unfer Sport!«)
Zur Fremdwörterfrage. — Lotbringer Zeitung, Meg 3.7. 96.
(Enthält ein launiges Geſpräch zweier Bauern, das einer
plattdeutichen Zeitung entnommen it, und das die Stellung
des Volkes gegenüber den Fremdwörtern deutlich fennzeichnet.)
Alberti, Konrad, Deutſches Franzöfiih. — Düfieldorfer
Btg. 14.8.9096. (Eine »Plauderei« die ſich namentlich mit
den franzöfiihen Wörtern beichäftigt, welche im Deutichen
in ganz anderer Bedeutung gebraudt werden als in der
Uripradye. Gin Streben des Lerfafiers nad) Heilung ſprach⸗
licher Schäden macht fich kaum bemerkbar.)
Gumpredt, Otto, Für und wider die Fremdwörter —
National: Jaıtung 10. u. 11. 7.96. (Ohne den Spradjverein
zu erwähnen, von dem er wahricheinlid, eine ebenio falſche
Borjtellung bat wie die Schriftleitung der » National- Zeitung e,
vertritt der Verfafier im allgemeinen dejjen Standpunft.
Zu bedauern iſt es mur, daß er die nationale Bedeutung
der Spradjreinigung leugnet.)
Kantbippus, Gute alte deutſche Sprüde. — Vreußiſche
Jahrbücher Juli und Auguſt 1596. (Eine reihhaltige Aus—
wahl von älteren, teilweije erläuterten Sprüchen.)
» Deutiche. — Straßburger Bot 23,7. 96. (Eme vernichtende
Beurteilung des auch in dieſer Zeitichrift [val. Sp. 54/55 dieſes
Jahrg.) beiprochenen Bades von Bornicheuer»Deutiche.)
Ammon, Otto, Was heißt Altruismus auf Deutih? —
Deutſche Zeitung Nr. 97 — 99, 27.— 29. 7.96. (Weift nad,
wie viele verschiedene len diejes Fremdwort enthält,
nämlich Nächitenliebe, Sefolgichaftstreue, Bajallentreue, Ges
meinjinn, Staategefühl, Nationalgefühl. Sehr richtig bes
merlt der Berfafier: » Die Vorliebe für das Fremdwort hängt
häufig damit zuſammen, daß man in einem Nebel lajjen
fan, was man eigentlich meint, während die Mutteriprache
dazu nötige, fich tar und deutlich auszudrüden.«)
Bloäl, Heinrich, Über abjihtlihe Sprachfehler. — Rheiniſch—
Weitfäliiche Zeitung 16.8. 96. (Giebt eine Blumenleſe von
Spradhjeblern, die der Gebildete abjichtlich macht, namentlic)
um lomiſch zu wirfen, wie z. B. »haut ihm, bei die Hiße«.)
207
Vom Reihtum unserer Volksſprache. — Basler Nadı-
richten 17. 8. 96.
(Behandelt den der Schweizer Mundart
eigenen Worticab.)
Etwas über das Deutich des neuen Bürgerlihen Ge—
ſeßbuches. — Deutſche Warte 20. 8.96. (Spricht fich fehr
lobend über die Sprache des Bürgerlichen Gejepbucdes aus
und empfiehlt, fie in Zufunft als mahgebend anzujehen.)
Heribrant, Der Radler und die deutihe Sprade.
Deutiche Bolkszeitung (Meichenberg) 6.8.96. (Enthält den
Antrag des Gaues Steiermark zur Verdeutſchung ber Fremd
au&drücde im Nadeljport [vgl. Sp. 170 d. v. Nr.) und hebt eine
Anzahl befonders tadelnswerter fremder Fachwörter hervor).
Sartner, Th., Beiprehung der Grabowſchen Auſſäße: »Aus=
ſprache der BEE RENNIEE sp, st u. a.e und »Die
muftergültige Ausipradhe des Ge — Leitichrift für
den deutichen Unterricht, herausgegeben von Lyon. 10. Jahrg.
Belter, Johannes, Der Lehrer und das Fremdwort. —
BWeftdeutiche Lehrer: Zeitung 20. u. 30. 7. 96. (Beginnt mit
einer warmen Mahnung an die deutichen Lehrer zur Pflege
der Mutteriprache, entwirft dann ein Bild von dem Weich:
tume der deutichen Sprache, jcildert die Nachteile der fremd»
wörter umd jchlieht mit einem Hinweiſe auf den a. d. Sprad):
verein, dem beizutreten der Verſaſſer feine Amtégenoſſen
dringend auffordert. Es wäre zu wünſchen, daß derartige
trefflihe Aufläße —— in Lehrerzeitungen erichienen.)
Leithaeujer, &., erlchrer, Über bie Wupperthaler
Mundart. — 458 Geſchichtsblätter Nr. (Ber-
breitet ſich über die Eigentümlichteiten der Wuppertbaler
Mundart und ſchließt mit treffenden Worten über die Not—
wendigteit, die nod) vorhandenen mundartlichen Schätze zu
jammeln, da fie uns einen oft überraſchenden Einblid in die
Geſchichte und Kultur längft vergangener Zeit und ein treues
Spiegelbild echt deutſchen Voltscharafters darbieten.)
Zum Berjtändnis unjers Wortſchaßes. — Beiprecung
der zweiten Abteilung der deutichen Grammatik von W. Wil—
manns und des deutfchen Wörterbuches von 9. Paul. —
Grenzboten 16. 7. 06.
Die deutihe Sprache in unferen Familien. — Eonntages
blatt der News)orter Staatszeitung 19. 7. 96, (Michtet ſich
gegen die in deutſch-amerikaniſchen Familien faft allgemeine
Sprachmengerei.)
Fremdwörter in der Heilfunde. — Lothringer Zeitung, Mep
4.8.9. (Einer der zahlreichen, offenbar von einem eifrigen
und jchreibgewandten Mitgliede unfers Vereines verfahten
Aufjäge in der ⸗Lothringer Zeitunge, die dem Fremdwörter:
unmejen thatträftig zu Leibe geben.)
Die Münfterthäler Grukformeln einft und jept. — Ge:
jammelt von J. Spieler. S.«A. aus dem Jahrbuch für
Geſchichte, Sprache und Litteratur Elſaß-Lothringens, Bd. XII.
(Die mannigſaltigen und ſinnigen deutſchen Grußſormeln,
von denen der Verjaſſer reiche Proben giebt, ſind ſeit 187011]
aus dem jhönen oberelfäffijchen Dünftertgale fait völlig vers
ſchwunden, um dem eintönigen und unverjtändlichen welichen
puschur, puschwar [bon jour, bon soir] Plaß zu machen.
Schuld find die fogenannten Bebildeten des Thales, die mit
dem ⸗bißchen franzöjiich« prunfen möchten, und auch bie Schule,
die ſolchem irreleitenden Einfluſſe nicht mit aller Macht ent—
gegentritt. Überaus wohlthuend berührt die warme, treus
deutjche Gefinnung, die aus dem jehr lejenswerten Aufjage
bervorleuchtet, und das umfomehr, als, wie wir verraten
können, der Berfafjer noch) zu franzöfticher Zeit in dem Münfter-
thale geboren iſt und einer alteingejefienen elfäffischen Bauerns
familie entjtammt. L.)
Die Schriftleitung (Großstichterfelde bei Berlin, Drake:
be 3) jtellt den Lejern der Yeitjchrift die oben und
rüber hier aufgeführten Aufjäpe ufw. gerne leihweije
zur Berfügung.
Briefe und Drudfachen für die Bereinslcitung
find an den Borfipenden,
Oberftleutnant a. D. Dr. Mar Jähns in Berlin @.10,
DMargoretenitrahie 16,
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradpereind, XI. Jahrgang. 1896. Wr. 10.
208
Geſchäftlicher Teil.
In und um Schleswig-Holſtein herum bat unjer Vor—
ſtandsmitglied Dr. Saalfeld (Friedenau: Berlin), auf einer
längeren Werbefahrt jüngſt die nachſtehenden Erfolge erzielt.
Neue Zweigvereine fonnten ſoſort gegründet werden in:
Glückſtadt (unter freundlicher Beihilfe des Herm Gymmafials
direftors Prof. Dr. Detlefſen), Zondern (herr Reichsbank—
voritand Faft), Sonderburg (Herren: Bürgermeifter Dr, Peters
fen, Oberlehrer Krey, Buchhändler La Motte d. S.), Edern—
förde (Herr Agl. Seminardireftor, Reg. und Schulrat Shöppa),
Eutin (Herr Öiymnafialdireltor Devantier), Lauenburg (Eibe)
(Herren: PDireftor Prof. Dr. Bünther und Hauptpaftor Nico=
laffen), Stade (Herren: Stabtarzt Dr. Weije, Prof. Bartich
und Buchbändler Podwip), Bergedorf (Herren; Andreas
Spiering vom Bürgerverein und Guſtav Gläß), Altona
(Herr Rektor Pünjer, Bor. des Pädag. Verein), Harburg
(Herr Eijenbahns Baus und Betriebsinfpettor Ignaz Meyer).
Zu neuem Leben gedieh (dank der freundlichen Förderung durch
die Herren: Schriftjteller Hermann Heiberg, Gymnaſiallehrer
Dr. Meyersahm und Negierungsjelretär Piennig) der Verein
' Schleswig. Nusfichten auf Förderung der guten Sache find
vorhanden in: Marne (Herr Direktor Dr. v. Holly), Ißehoe
(Herr Direltor Prof. Dr. Seip), Huſum (Herr Gymnaſialdirektor
Dr. ehr), Hadersleben (Serren: Proſeſſor Dr. Sachs und
Dberlehrer Made), Auguitenburg (Herr Kgl. Seminardireftor
Edert und Rendsburg (Herren: Oberlehrer Dr. Junter umd
Koopmann).
Mitten im diefe vom ſchönſten Erfolge begleitete Werbereife
fiel ein Vortrag des Dr. Saalfeld im Berliner Ratbaufe am
6. September vor dem Deutihen Schriftftellerwerbande, Der
Redner jprach über die Bilihten des deutjchen Schrifttums
gegenüber der Mutterjprade. Er pries zunächſt den all-
gemeinen bdeutichen Spradwerein als eine der Seqnungen, die
das neue deutſche Reich und beichert bat, und wies nad, daß
und warım die früheren Beitrebungen zur Neinigung der Sprace
den Keim der Wergänglichkeit von der Stunde ihrer Geburt an
in ſich getragen hätten. Erft durd die aufflärende Wirkſamleit
der vergleichenden Sprachwiſſenſchaft und durch Vermeidung des
»ärgerlichen Burismus« (Jakob Grimm) hätte der durch Herman
Niegel begründete a. d. Spradjverein ſiegreich werden fönnen.
Aledann erläuterte der Redner den Unterjchied zwiſchen Fremd—
wörtern und Lehmwörtern, den der Spradjverein wohl beherzige,
und wied auf ben Grundſaß des Vereins in der Fremdworifrage
bin, zu dem ſich Goethe und auch Guſtav Freytag durch bie
That befannt hätten. Die Verdeutſchung der Fremdwörter ei
aber nur Mittel zum Zwede; die höchſte Aufgabe aller deutſch
Fühlenden ſei es, unſer Bolf nicht nur deutih jprecdhen, jondent
vor allem deutſch denken zu lehren. Die mit lebhaftem Beijalle
aufgenommenen Ausführungen ſchloſſen mit der ernten Mahnung
an die Schriftfieller, fich ihrer hoben Verantwortung gegenüber
dem deutjchen Volle allzeit bewußt zu bleiben und zujammen mit
dem a. d. Spradwereine nad) Erreichung der hoben Ziele zu
jtreben, die fich dieſer in feinen Satzungen geftedt hat.
Geldjendungen und Weitrittserflärungen (jührlicher Beitrag 3 Wat,
wofür die Date und bie —— Srudigruken des Vereins geliefert werben)
an den a er,
Bertapsbupändter 0 —Aã Ernſt in Berlin @.8,
> dog und Drudjahen für die Zeitſchrift find am den Herausgeber, Oberlehrer Friedrich — Groß: »Bichterfelde bei Berlin,
Drateftraße 8
Brtefe und Aufendbungen file die Wifſenſchaftlichen Beihefte an Profeffor Dr. Paul Pletich, Berlin WM, Mopferafe 12
au Erꝛen
Für die —— verantwortlich: Briedrid Wappendans, — — Berlag.deb allgemeinen deutipen Epradvereins (Jifns und Erafı), Berlin,
Drud der Bucdruderel des Walfenhaufes In Halle a. d. S.
eitkheift =
einen dene ‘hen Spradjuereins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des VBorjtandes herausgegeben von Friedrih Wappenhans.
allgemein
Diele Zeitſchrift erſcheint jährlich zwölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wirb den Mitgliebern bed allgemeinen beutichen Spracvereins unentgeltulch
__ geliefert (Sapung a).
Die Zeliſchrift kann auch burd den Buchhandel ober die Poft
zu SE. jährlich bezogen werben. — Anzeigenannahme durch ben Schahmeiſter
&berbarb Ernit, Berlin @. 8, Wilbelmitt. 0. — Kuflage 15000,
Inhalt: Die —* * deutſchen Sprache im Bereich erdlundlicher Ei —— Von. A. Heintze. — Unſere Sprache an uns.
Ode von Klopitod. — —* zur Schärfung des Sprachgefühls. — Sprechſaal. — Kleine Mitteilungen. — Uus den Bmeig-
vereinen. — a — Emil Rüppell F. — Geichäftlicher Teil.
Die Rechte der deutihen Sprache im Bereich ee ae
erdfundliher Eigennamen. Canterbury: känterbere, känterböre, känterböri, kentrberi,
Bon Brof. Albert Heinge in Stolp. känterbri, kehnterbre,
. Nie war gegen das Ausland eine bunte Lifte, faſt geeignet, erheiternd zu wirken!
Ein anderes Land gerecht wie bır. Und wenn auch die Ausſprache eined Namens feſtſteht und
Set wicht allzu gerecht!« möglichit genau mit Lautzeichen angegeben iſt, fo ijt für die
Den erdtundlichen Eigennamen hat man in der nenejten Zeit | Spredung jelber die Schwierigfeit nod) teineswegs immer gehoben;
auch in ſprachlicher Hinſicht beiondere Aufmertſamleit zugewendet | denn diejelben Lautzeichen Mingen Häufig in der fremden Sprache
— vor allem ihrer Ausiprade. Während früher, zum Teil noch doch mod) anders als im Deutſchen. So ſpricht man 5. B.
vor wenigen Jahrzehnten, hierauf bezügliche Fingerzeige ſelbſt im Sibraltar nad) der Anweiſung: chibraltär und glaubt damit
den Lehrbüchern mehr vereinzelt und ohne Gleihmähigfeit gegeben | genug gethan zu haben. Weit gefehlt! Das g (vor e und i) — ch üjt
wurden, wird jept möglichjt bei jedem nichtdeutſchen Namen die im Spanifchen nicht als Gaumenlaut (wie das deutfche ch in »ich«),
abweichende Ausſprache genau bezeichnet oder wenigftens ange | Tondern als eigentlicher Kehllaut zu ſprechen (wie ch in »ad«).
deutet. An fich ift das ja ein löbliches Bemühen und ein neuer | Es giebt aber auch Laute, die überhaupt im Deutſchen nicht
Beweis der deutichen Sorgfalt und Gründlicfeit. Verfolgt man | vorhanden find; jo befonders mande Ziſchlaute und uns unmög:
aber die Sache im eingelnen, jo entjtehen doch mandherlei Be- lich ſcheinende Mitlautverbindungen der ſlaviſchen Sprachen, mie
denten, und die Frage drängt ſich auf, ob dieſes Verfahren auch | rm (Ernagora), jtrz (Strzelno), chmj (Ehmielnit fpr. chmjälnik),
ganz gerechtfertigt ſei, ob es micht vielfach einjeitig werde und | Nod ſchwerer auszuſprechen ift das »harte« I (1) des Ruſſiſchen
über das gejunde Maß hinausgehe. und Polnischen, bei welchem die Anweiſung deutfch-ruffiicher
Zunädjit ift es, wenn man foldyergejtalt die fremde Sprache Sprachlehren lautet: »Um folches M gut ausfprechen zu fünnen,
ald einzig maßgebend hinftellt, oft jehr jchwierig, ja in manchen | bringe man die Zunge in die U-Lage, leicht artifuliert, laſſe
Fällen gar nicht möglich, die Ausſprache mit allen ihren Beſonder— fofort o furz nachſtürzen und diefes unmittelbar zu einem r=-
heiten und Feinheiten bis auf das Jota jeitzuitellen umd zu ähnlich gutturalen, vollenden I übergehen.« Nun möge, wer
bezeichnen. Abgeſehen von der Schwierigkeit, fremde Laute vol- Luſt hat, ſich verſuchen! Kenner des Stavifchen aber verfichern,
fommen genau mit allgemeiner verftändtichen Zeichen auf dem | dab gerade diefer Laut der allerſchwierigſte für Nichtjlaven fei
Papiere wiederzugeben, ift die Ausſprache in dem betreffenden | und ſehr viel Übung erfordere.
fremden Bolfe jelbft oft eine verfciedene, z. B. wird der Name In diefer Hinficht jagt Prof. Egli in Züri, der größte
der ſchottiſchen Hauptjtadt (Edinburgh) in Schottland anders Kemer erdfundlicher Eigennamen, ihrer Ableitung und Aus—
ausgeiprochen als in England — welche Ausiprache joll da mn | Iprade:*) Es ift befannt, daß viele Sprachen Laute befipen,
den Vorzug haben? die wir mit unferm Alphabet nicht darjtellen und ohme bejonderes
Daher nun auch die auffallenden Abweichungen in den An- Spradjftudium mit unferen Organen nicht nadhbilden fünnen. Die
gaben erdfundlicher Werte, 5 B.: . vier hottentottiichen Schnalzlaute bat fich erft ein Europäer an-
geeignet, Dr. Theophil Hahn, der Miffionar, welcher, felbft ein
Miffionarsfind, unter Hottentottenfindern aufgewachſen ift. Das
Perſiſche hat vier verjdiedene Laute, die das engliihe Alphabet
alle gleichermaßen mit demfelben Buchftaben z wiedergeben muß,
und Re drei andere bleibt im Englischen nur das gemeinfame
Plymouth: plimes, plimis, plimmudds, plimötsh, plim-
mass. — Balladolid: waljadolid, waljädoli (fo Kiepert,
mit der ausdrüdlichen Bemerkung, dab d am Ende jtumm
fei; Boody= Artofjy*): sam Ende der Wörter Mingt es ſehr
gelind, manche lajjen es gar nicht hören«)
1
*), In einem mir vom Ber. überfandten Vortrage über die
*) Aug. Müllers »Allgemeines Wörterbuch der Ausſprache Ausiprache der geograpbiihen Fremdnamen, gehalten am 14. Sep:
ausländijcher Eigennamene, neu bearb, von Dr. Booch-Arkofſy. tember 1895 in der »@efellichaft für deutiche Sprache in Zürich-.
211
Austunftsmittel des s. Auch die flavischen Sprachen, jelbjt das
Engliſche und das Portugiefijche befigen Laute, die ſich nicht ohne
weiteres nachahmen laſſen. Vom Schüler darf ich nicht verlangen,
daß er den Namen Magalhäes richtig ausſpreche; ich begnüge mic
mit der üblichen Form Magellan.*) Wollte man die Sprad;:
laute und ſomit die Ortsnamen aller Völler eralt wiedergeben,
fo müßte unfer Alphabet um viele neue Zeichen bereichert werben,
wie es in den Weltalphabeten von R. Lepjius und Mar Müller
geichehen ift. Seine Anwendung würde aber jedem Uneingeweihten
die geographiiche Schrift unledbar machen. Unſere Geographie:
lehrer müßten, um fie anwenden zu können, Univerjal- Bhilofogen
fein, und unfere Schüler würden ohne Zweifel verrüdt werben.«
Wenn jchon diefe Erwägungen geeignet jein dürften, den »ortho-
epiſchen · Übereifer etwas zu mäßigen, jo tritt nun nod ein Um—
jtand von ganz befonderer Wichtigkeit hinzu.
Die ausländiichen Ortönamen find zum allergrößten Teile nicht
erjt jeit heute oder gejtern uns befannt geworden, fie find ſchon
feit langen Zeiten, vielſach jeit Nahrhunderten, dem deutichen
Volke vertraut geweſen und haben in feinem Munde häufig eine
bejondere, den deutſchen Laut- und Sprachgejeßen gemäße Form
angenommen; fie find im diejer Form eingebürgert und fomit,
ähnlich wie die Lehnmwörter, ein Beitandteil der deutichen Sprache
geworden. Dabin gehören:
1. Namen mit ganz abweichender deutſcher Form (Schreibung
und Ausſprache), z. B. Mailand (jtatt Milano);
2. Namen, die unter Bewahrung der fremden Schreibweile
deutſche Ausſprache haben, z. B. Paris (itatt pari);
3. Namen, die umgelehrt unter wefentlicher Bewahrung der
fremden Ausſprache deutſche Schreibweiie haben, z. B.
Kaliſch (itatt Kaliiz).
Hier gehen nun viele Geographen einjeitig und rüdjichtslos
vor; fie verfahren jo, als ob fie ganz freies Feld vor fid) hätten,
als ob nicht vielmehr die Ortänamen großenteils ſchon feit langen
Zeiten, und zwar in einer bejtimmten Form, im Deutichen gäng
und gäbe wären und die deutfche Spradje gegenüber den fremden
nicht aud) ein Recht hätte. So kennen mande Lehrbücher nur
die flandinavifchen Formen Göteborg, Trondhjem, Fre—
derifshald, nicht aber die entiprechenden deutſchen Gotens
burg, Drontheim, Friedrihshall; fo wird verlangt, dal;
St. Helena gejprochen werde ssent helinä, als hätte nicht die
Ausſprache sankt hölena längjt feite Wurzeln im Deuticen ges
ſchlagen! Und wie jollen denn, wenn nun mit einem Male nur
die engliſche Musiprache des Namens gelten joll, die zahlreichen
Stellen unjerer Dichter gelefen werden, in welchen der Name
dieſes feit Napoleons I. Berbannung berühmt gewordenen Feljens
eilands in deutjcher Betonung und Ausſprache vortommt, wie
3: B. in Zedliß' »Totenfränzen«:
»Das Wort geht in die Runde, — Klingt wieder fern und
nah: — Frankreich ift die Parole, — Die Yojung: St. Helena!«
Ähnlich iſt es mit dem indianiſchen Worte Niagara (» BWajler:
donner«), weldyes die Yanlees neiäggärä ausjpredien, während
im Deutfchen niagära eingebürgert ift. Man vergleidye die von
Lenau während jeines längeren Nufenthaltes in Amerika ver-
fahten Gedichte, insbefondere »Die drei Indianer«:
Mächtig zürnt der Himmel im Gemitter, — Edmettert
mande Bıejeneih’” in Spluter, — lbertönt des Niagara
Stimme, — Und mit feiner Blige Flammenruten — Peitjcht
*) Nach der latiniſierten Form Magellanus. Dasjelbe muß
dann aber aud von Säo Vicente gelten, wofür einjaher Santt
Vincent,
Zeitfärift des allgemeinen deutfhen Spragvereind. XI. Jahrgang. 1896. Mr. 11.
|
212
er jchneller die beichiumten Fluten, — Da fie jtürzen mit
empörtem Grimme, «
Und nun neiäggärä, weldes mehr das Plätjchern einer Quelle
oder eines Bächleind malt, ald das Getöje des gröhten Waſſer⸗
falld der Welt! .
Auch Hamerling Hat noch in feinem letzten großen Werke
das Wort ebenjo verwendet (j. Homunculus ©. 307).
Genug, wenn auch als allgemeines Gefep die Ausiprache des⸗
jenigen Landes und Bolfes gelten muß, welchem der einzelne
Name angehört, jo bat die deutſche Sprache doch auch ihre Rechte,
die nicht fo ohne weiteres überjehen und gemißachtet werben dürfen.
Solcher übermäßigen Nadigiebigfeit gegen das Fremde gilt Klop—
ſtocks immer mod; jehr zeitgemähes Wort:
»Mie war gegen dad Ausland
Ein anderes Land gerecht wie bu.
Sei nicht allzu gerecht! Sie denlen nicht edel genug,
Zu jehen, wie jchön dein Fehler ift.« (Mein Baterland.«)
Wird diefe Mahnung bier nicht beachtet, werden die Nechte der
deutjchen Spradye und Nationalität preisgegeben, jo ift die nots
wendige Folge eine erneute Schwächung des vaterländijchen Ge—
fühls, zunäcjt bei der Jugend, die in diefem Sinne unterrichtet
wird. Darım ijt alles, was wir im Bereich erdfundlicher Be
nennungen an deutſchem Spradgut haben, jorgfältig als ein
nationaler Beiit zu wahren und nicht zu vermindem, eher, mo
ed angeht, zu vermehren.
Zu diefem nttionalen Beſitze gehört als ein Teil der Aus-
jprache auch die Betonung, deren Wert und Gewicht nicht unter-
ihäpt werden darf; iſt doch eine abweichende Betonung häufig
auffallender als die abweichende Spredung eines Lautes.
Im Deutihen bat nun den höchſten Ton regelrecht die Stamm:
filbe, die meiſt auc) den Anfang des Wortes bildet. Dem ent:
fprechend wurde auch in Fremdnamen ſchon im Althochdeutichen
ber Ton zurüdgezogen, er jtrebte nad) vor, auf die erite Silbe
hin, 3. B. Constantia — Chöstanza (vgl. Könſtanz), Taberna —
Zäberna (Zabern), Philippus — Philippus (daher jegt noch Philipp,
Ehrijtian ufw. mit dem Hauptton auf der erjten Silbe).*)
Am gleihmäßigften ift diefes Geiek bei den biblifchen Orts—
namen feitgehalten: Jördan (tro dem hebr. Jardän**) und
dem dat. Jordänes), Ararat (hebr. Arärät), Kanaan (bebr.
K'näan) uſw.
Später freilich wurde diefe echtdeutiche Betonung der Fremd—
wörter durd) romaniſche Einflüffe mehr und mehr zurüdgedrängt
zu Gunſten einer andern, welche den Ton auf den Musgang der
Wörter wirft (vgl. ſchon im Mittelhochdeutfchen die Hauptwörter
auf -ie, jept -ie oder -ei, die Zeitwörter auf -ieren). Defien-
ungeachtet hat die alte Betonungsweile, die ja im Engliſchen
gegenüber den tomaniichen Beitandteilen der Spradye mit weits
gehender Entjchiedenbeit feitgehalten ift, aud) im Neuhochdeutſchen
noch nicht ganz ihre Kraft verloren. Das zeigt ſich unter andern
eben darin, daß wir gewohnt find, in vielen fremden Ortsnamen
den Zon zurüdzuziehen, z. B. San Sebaitian, Korju, Bals
fan, Bender, Kaſan, Nitradan, Cherſon — Ural, Aral:
fee, Amur, Batu, Bagdad, Iran, Kaſchmir, Hindoſtan,
Hedfhas — Sues, Tunis— Panama, Yulatan, Trinis
dad ujm.***)
*), ©. Wilhelm Wadernagel, Die Umdeuiſchung fremder
Wörter ©. 32.
**) „ bezeidpnet bier und im folgenden immer einen langen
und betonten aut.
** Selbſt bei den franzöftichen Ortsnamen tritt diefe Neigung,
den Zon zurüdjumerien, deutlich hervor, man dente an Orleane,
Apignon, Amiens (ſ. Chamijjo » Der neue Diogenes«), Nancy,
213
Da nun diefe Betonung (der vorlegten, beziehungsweife dritt-
legten Silbe) bei den bezeichneten Ortsnamen die im allgemeinen
bei uns eingebürgerte und nicht eine willfürlicye ift, jondern auf
tiefem deutichiprachlihen Grunde beruht, jo follte man fie aud)
gelten laſſen und nicht pedantifch durchaus die fremde Betonung
(auf der legten Silbe) verlangen. Mit der Zurüdziehung des
Tones hängt dann aud) die häufige Berfürzung des Selbftlautes
der legten Silbe zufammen.
Endlich ift auch deutſche Schreibung in möglichjt ausgedehnten
Maße zu empfehlen. Demm wer vermag fich zwijchen zwanzig und
mehr Sprachen mit ihrer fo ſehr verfchiedenen Sprechweife der
einzelnen Sautzeichen durchzufinden? Wer vermag z. B. die Bes
deutung all der s, c, &, z, 2, cz, sc, sz uſw. im Slavifchen
und Magyarıihen zu behalten, wenn er diefe Sprachen ſonſt gar
nicht fennt? Es ift befier, bier und in andern Fällen die Namen
gleich in deuticher Schreibung zu geben, aljo 3. B.:
jtatt sz ſch: Kalifch (f. vorhin), Schubin;
ftatt oz (&) ich: Ticheche, Tihenftohau, Tſchaslau;
ftatt s (magyariſch) ſch: Maroſch, Samoid;
jtatt z (jpaniich, niederländiih) j: Saragojja — Seeland
(nebft Neu- Seeland);
jtatt oe (niederländiih) u: Buren, Surabaja ujw. (ſ. bes
ſonders weiterhin die indiichen und die afrikaniſchen Namen). *)
Nach diefen allgemeinen Borbemertungen wollen wir nun zu
einer genaueren Betrachtung der Ortänamen im einzelnen über:
geben, indem wir die auswärtigen Länder (und Sprachen) der
Reihe nach muitern, um feitzuitellen, wie weit bei einem jeden
auf deutiche Sprechweije und eingebürgerte deutiche Formen Rüde
ſicht zu nehmen iſt.
(Spanifh. Portugieſiſch) Außer dem Landesnamen
Spanien (jtatt la Espada) find in mehr deutfcher Form (mit
der Endung -iem) bei und die Namen einiger Provinzen eins
gebürgert: Kaſtilien (tatt ajtilla), Aragonien (Aragon),
Andalufien (Andalucia), Aſturien (Aiturias).**) In der
Ausſprache machen g und j inſoſern Schwierigkeit, als erſteres
vor e und i, letzteres vor allen Selbjtlauten wie chch (>bart aus
der Kehle⸗) geſprochen wird. Hier lajje man aljo von der Strenge
der Forderungen nad) und jpredje das g und j wie ch in » Brüche,
»brüdige: Werona (cheröna), Jenil, Jerez, San Juan,
Aranjuez wa. Gibraltar aber iſt als gibrältar, mit dem
Hauptton auf der mittleren Silbe, eingebürgert, und das Ber:
langen, dieſen urſprünglich arabiichen Namen genau nach dem
Belfort, Elermont (Schiller, Jungfrau von Orleans 1, 4),
Sedan') u.a.
) Im weſentlichen ſtimmen die fr Ausführungen mit den
Grundjäpen überein, welche Prof. Egli (zunächſt für die Schul:
geographie, damit aber doch aud) für die allgemeine Ausſprache
der Gebildeten, abgejehen von Fachgelehrten) jolgendermaßen feit-
geſtellt hat:
1. Die Schulgeographie kann eine lüdenlos durchgeführte und
abjolute Nichtigkeit der Ausjprache nicht erfireben.
2. Die Schulgeographie fei auch bei minder ſchweren Formen
nicht pedantifch.
3. Sie rejpeftiere die eingelebten Bulgärformen.
4. Sie verlange nicht, daß bloße Latinifierungen (wie Virginia
und äbnt.) nach englijher Art auszuſprechen feien.
*+, Im folgenden jollen die vielen feititehenden Sänders und
Landſchaftsnamen auf -ien aus alter und neuer Zeit, wie Um—
brien, Serbien, Syrien u. ſ. f. nicht weiter einzeln aufgeführt
werden. i
— 28 Bel der Bedeutung, die der Ichtgenannte Ort (Sedan) für uns ner
wonnen bat, celut es bejonders wilnihenswert, daß ſelne jepe noch Ihwantende
Ansipradıe elmbeittich werde. Alſo fort mit den oft vergeblichen Werfuchen,
den Drt franzöfifb aue zuſprerchen: Man juge fterd mir Deuticher Aue ſprache
und Betonung Sedan. Die Schriftleitung.
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Wr. 11. 214
Spaniſchen chebibraltär zu ſprechen, muß um jo mehr abgewiejen
werben, da der Ort gar nicht in den Händen der Spanier, ſondern
der Engländer ift, welche ihn nach den Negeln ihrer Sprache
dshibröälter nennen.
In Portugal ift uns ald Name der Hauptitadt Liſſabon
(ſtatt Lisböa) geläufig. St. Vincent und Magellansjtrake
find ſchon in Sp. 211 Anm. beſprochen.
Merhvürdig ift e8 uns mit Merifo und Teras, die wir
hier gleidy anschließen wollen, ergangen. Während vor einigen
Jahrzehnten manche mit befonderem Nachdruck mechiko und techas
ſprachen und jeden, der es anderd ausſprach, mit einem gewiſſen
Mitleid betrachteten, ift jegt, nachdem die Nordamerifaner eriteres
teilweis, leptered ganz ihrem Staatenbund angegliedert haben,
das x wieder zu Ehren gefommen und gejellicaftsfähig geworden.
(Stalienifch.) Anfolge des lebhaften Verkehrs, der zwiſchen
Deutidhland und Ztalien fon im Mittelalter bejtand, hat eine
Reihe italienischer Städtenamen im Deutfchen noch jegt eine be—
fondere Form. Dies find hauptjählih: Turin, Genua, Mais
land, Mantua, Badua, Benedig, Florenz, Rom, Neapel,
Tarent, denen fid) noch die Inſeln Sardinien (ital. Ya Sar:
begna) und Sizilien (La Sicilia) anreihen, fowie in Südtirol
Bozen (Bolzano) und Trient (Trento). Diefe find feftzuhalten,
und man kann noch einige andere Ortäbezeihnungen wie Kläven
neben Chiavenna, Novereith neben Roveredo, Langenſee
neben Lago maggiore ihnen beigefellen. Es ift daher nicht zu
billigen, wenn Andree in jeinem großen Handatlas die italientichen
Formen (Torino, Milano, Genova, Venezia, Firenze ufw.) voran-
geitellt und die deutjchen in Heinerem Drud und in Klammern
dahintergefegt hat; das ijt der erſte Schritt zur völligen Befeitigung
der deutichen Formen.
(Griechiſch.) Die altgriehiichen Ortsnamen, von denen die
neugriechiichen meiſt nur in der Ausiprache abweichen, find uns
im allgemeinen in der lateiniſchen Form geläufig, in welcher fie
zuerſt zu uns gefommen: Delphi (itatt Deiphoi), Piräus
Beiraieus), Ithaka (Jıhäke) uſw. Dabei ift befonders zu bes
achten, dab der Ton von der letzten Silbe ſtets zurücdweicht, wie
eben in Delphi uſw., ferner in Lokris, Ügospotami u. a.,
namentlich aber auch in den Ortsbezeichnungen auf -on, Heliton,
Barthbenon, Marathon:
»Hier bei Marathon warfen, für Hellas im Kampf, die Athener
Siegreich Mediens goldpruntendes Heer in den Staub.«
(Geibel, Klaſſiſches Liederbuch.)
Betont iſt die letzte Silbe nur in vertürzten Namen, wie Korinth,
When, Beloponnes, Parnaß.
Noch ein Wort über das Geſchlecht von Peloponnes!
Diejes Wort iſt im Deutichen männlich: der P., des Peloponnefes,
wie ed von Nitter und Daniel, ferner in allen mir befannten
Geſchichtswerlen (Bredow, Beder, Eurtius, Jäger, Stoll, Wägner,
Nanfe ufw.), auch in Schwabs Sagen des Haffiichen Altertums
gebraucht ift, und es ift nur ein meuerlicher Einfall altHaffischer
Philologen, die Beloponnes, »auf der (injeläpnlidhen) Beloponnes«
zu jagen. Dasfelbe gilt von Cherfones.*)
*) Die fremden Ortsnamen ündern eben bei dem Übergang
ins Deutſche mit der Form häufig zugleich das Geſchlecht, indem
fie jich aud) hierin der Sprache, die fie aufnimmt, anſchmiegen
— geradejo wie andere Lehn: und Fremdwörter, z. B. lat. corpus
der Körper (nad) Leib), fenestra das Fenſter (nad) ahd. ougatora),
franz. le courage, le visage, deutſch die Courage, die Bilage.
»Es ijt pedantiich und zeugt von nicht genügendem B erftändnis
jür ſprachliche Vorgänge, in folhen Wörtern das urſprüngliche
Bejchlecht wieder heritellen zu wollen. (Saalfeld.)
Echluß folgt.)
215
Unfere Sprache an uns.
Ode
von Friedrich Gottlieb Klopjtod,
gebichtet im November 1796.')
Nation, die mich redet, Du willft e8 alfo auf immer
Dulden, daß der Deinen jo viel mich verbilden? Geſtalt mir
Geben, die einft ich von Dir nicht empfing? daß fie meines Schwungs
Weiſe Kühnheit mir rauben? mich mir felbjt?
Unterwürfige Dulderin, nun, jo ſchlummre denn! Ich bin
Deiner, wie einft Du wareft, nicht würdig, oder ich duld' es
Länger nicht, und ich lafj' hinfterben den neuen Unton”)
Gleich dem Nachhall und bleibe, die ich war.
Weil ich die bildfamjte bin von allen Sprachen, fo träumet
ra pfufchende Wager, er bürfe getrojt mic) —
ie es ihn lüfte? Dan dehnt mir zum Maule den Mund; mir werden
Bon den Zwingern die Glieder jogar verrentt.
Selbit Umſchaffungen werden gewagt. So entjtellte die Fabel
Benus zum Fiſch, Apollo zum Naben, zur Tigerin Thetis,
Delius’ Schwefter zur Katze, zum Draden den Epidaurer
Und zu der Herde ihrer Did, Jupiter.)
Wer mid) verbrittet, ich haſſ' ihm! mic) gallicismet, ich haſſ' ihn!
Liebe dann jelbit Bünftlinge*) nicht, wenn fie mich zur Duiritin
Machen, und nicht, wenn fie mich veradhä'n. Ein erhabnes Beiſpiel
Lieh mir Hellenis: fie bildete fich durch fich!
Meiner Schweiter Hellenis Gefang iſt Gefang der Sirenen;
Aber fie will nicht verführen. wär" die Sculdige, folgt’ ich
Gleich’ ner Sklavin, ihr nah! Dann kränzte mid) nicht der Lorbeer,
Daphne zuvor, nicht die Eiche, die Hlym?) einft war,
Übungsfähe zur Schärfung des Fprachgefühls.
Zur Prüfung der Ubungsfäße, deren Berüffentlihung auf der
Dldenburger Hauptverfammlung beichlofien wurde (vgl. Sp. 180
bis 195 d. v. Nr), haben ſich freumdlichit bereit erflärt die
Herren: Univerfitätsprofefior Dr. DO. Bebagbel in Giehen,
Univerjitätsprofefior Dr. DO. Brenner in Würzburg, Profeſſor
Karl Erbe in Stuttgart, Profeffor Albert Heinge in Stolp,
Oberſlleumant Dr. M. Jähns in Berlin, Profefior Dr. F. Khull
in Graz, Univerfitätäprofefior Dr. Friedrid Kluge in Frei—
burg i. B., Oberbibliothetar Dr. Edward Lohmeyer in Käſſel,
Oberlehrer Dr. Dtto Lyon in Dreöden, Oberlehrer Dr. Th.
1) Diefe Dde giebt dem Unmute über die Sprachverrentungen
zeitgenöffiicher Dichter lebhaften Ausdruck. Sie erſchien zwar erit
im VII. Bande der Ausgabe lepter Hand nad) des Dichters Tode
1804; Klopſtock jelbjt jagt von ihr: »Diefe Ode wurde aus der
Sammlung von 1798 aus einer Urſache weggelaſſen, welche nicht
vor das Publikum gebört.« Sie findet oben gewifiermahen zur
100 jährigen Jubelfeier ihren wohlberechtigten Abdruck. Gleich—
zeitig fei bier darauf Hingewiefen, daß diefe Ode auch in die vom
a. d. Spradjvereine veranftaltete Sammlung: »Der deutjchen
Sprahe Ehrenkranz« Aufnahme finden wird, eine Blumenleſe
von Gedichten, die fich mit der deutichen Sprache befchäjtigen. Über
diefes für die Zuſammenkünfte der Zweigvereine nicht ummichtige
Büchlein werden wir Näheres bringen, jobald der Druck beendigt iſt.
Saalfeld.
2) Borberger: »Ich laſſe diefe fprachverrentenden Scriften,
ſchon eben wegen diejes Unton®, untergehn, von der Nadıwelt
vergefien werden·
3) Borberger: »Anfpielungen auf Dvids Verwandl. V 325 ff.
Die griechiſchen Götter flohen vor dem Rieſen Typhoeus nad)
Ägypten und verbargen fich hier in Tiergeitalten. Außerdem ift
noch angeipielt auf die Sagen, daß ſich Thetis, um den Nach—
jtellungen des verliebten Peleus zu entgehen, bald in euer, bald
in Wajier, bald in ein wildes Tier verwandelte, und dab der
epidaurifche Hötulap ſich in der Geftalt einer Schlange von den
Römern zur Peitzeit nach Nom holen lieh. «
4) Wie Johann Heinrich Voh, den berühmten lberfeßer.
5) Klopftod: »Man will ein jfaldifches Fragment gefunden
haben, nad) welchem der gute und unglüdlidye Bott Balder bie
Göttin der Freundſchaft Hlyn in eine Eiche vertwandelte.«
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. XI. Jahrgang. 1896. Rei.
216
Matthias in Zittau, Univerjitätsprofefjor Dr. P. Pietſch in
Berlin, Oberjtudienrat Dr. Preffel in Heilbronn, SOberlehrer
Dr. &. 9. Saalfeld in friedenau: Berlin, Oberlehrer Dr. 8.
Scheffler in Braunſchweig, Univerfitätäprofefior Dr. Jof. See—
mülter in Innsbruck, Oberlehrer Fried. Wappenhans in
Grob = Lichterfelde bei Berlin, Univerfitätsprofefjor Dr. 9. Wunder:
fich in Heidelberg.
Bemerkungen über die Übungsfäge, Beiträge u. dergl. bittet
man an Brofeffor Dr. Dunger in Dresden, Schnorrſtraße 3,
zu jenden.
1) »Wir find imftande, mit⸗
teilen zu Lönnen, daß bie
Teilnehmer das Recht haben,
ſich eine Eintrittöfarte aushäns
digen laſſen zu dürfen.“ (Mus
einer Dresdner Zeitung.)
1) Wir find im ftande mit-
zuteilen, daß die Teilnehmer
dag Recht haben, ſich eine
Eintrittöfarte aushändigen zu
lajjen.
Überfülle des Ausdrude, fogenannter Pleonasmus.
2) »Troß energifcher Res
cherchen wurden die Erecus
toren biefer Lynchjuſtiz nicht
erwiert.« (Öftreich. Zeitungen
i. 9. 1887.)
3) »Bon ber Reife zurüdge-
fehrt nehmen meine Sprech—
ftunden wieder ihren Anfang.«
(Anzeige eines Dresdner Arztes.)
2) Troß eifriger Nachfor:
ſchungen wurden die Bollftreder
dieſes Woltägerihts nicht er⸗
mittelt,
3) Bon der Reife zurüdge
fehrt, nehme ich meine Spred:
ftunden wieder auf — ober:
nachdem ich v. d. R. zurüdge
kehrt bin, nehmen meine Sprech⸗
ftunden wieder ihren Anfang.
Das Mittelwort [Bartizip] zurüdgelehrt könnte nur
auf · Sprechſtunden · bezogen werben.
4) »&o eben habe ich Ihre
Ware erhalten und ift fie wie
immer fehr zu meiner Aufrte-
denheit ausgefallen und ſage
ich Ihnen meinen beiten Danf.
Frau A. Re (Aus den Beichäfts-
empfehlungen einer ſchleſiſchen
Zeinenweberei.)
4) Soeben habe ih Ihre
Ware erhalten. Sie iſt wie
immer gang zu meiner Aufrie-
denheit ausgefallen; ich ſage
Ihnen daher meinen beiten
Dante.
Die Umjtelung nah und (vgl. Will. Beiheſte zu unirer
Zeitfchrift Nr. 5 umd 9) muß hier als unbegründet und um:
ichön bezeichnet werben.
5) » Dafür wird man meines
Eradtens nadı die Duelle,
aus der er Ichöpfte, verant:
wortlid machen müfjen.« (Aus
einer wiſſenſchaftlichen Zeit—
ſchriſt.)
5) — meines Erachtens ober:
meinem Erachten nad), — nad
meinem Erachten.
Vermengung vericiedener Fügungen. Das Bild von der
verantwortlichen Duelle mindejtens kühn.
6) » Des Taeitus’schen Sprach⸗
gebrauch mit jeinen wunder:
lihen Schnörleln und Verſteck—
winkeln völlig eigen, auch jonit
in elassieis fejt im Sattel vers
dienen die Erläuterungen
die vofle Aufmerkfamteit aller
Philologen, Hiftorifer und Ju⸗
rüften.«
(Aus einer Buchhändler - An⸗
fündigung.)
6) In dem Spracdgebraud
bes Tacitus mit feinen wunder:
lien Schnörfeln und Berited:
twinfeln wohl bewandert, auch
fonft mit den Haffifchen Sprachen
völlig vertraut darf der Ver:
fajjer für feine Erläuterungen
die volle Mufmerkiamteit aller
Spradhforfcher, Rechtsgelehrten
und Geſchichtsforſcher bean—
ſpruchen.
Eigen fſalſch gebraucht — ber ſich zu eigen gemacht bat.
Die Erläuterungen ſitzen im Sattel!
217
7) »Ein gut renommiertes
Hötel, was an einer frequens
ten Strafe liegt, ift per Mi—
Aaeli zu verfaufen. Solvente
Reflectanten werden gebeten,
ihre Offerten sub Chiffre
M.B. in der Expedition d.
Bl. niederzufegen.« (Aus einem
Anzeigenbfatte,)
7) Ein anerfannt guter Gaft:
hof an einer lebhaften Strafe
ift zu Michaelis zu verkau—
fen. Zahlungsfähige Kaufluftige
(Käufer) werben gebeten, ihre
Angebote unter den Buchſtaben
M.B. in der Geichäftsitelle d.
BL. niederzulegen.
Bas darf ald bezügliches Fürwort (Relativpronomen)
nicht in Beziehung. auf ein Hauptwort gebraucht werden: das
Gaſthaus, das —.
Uber: das, was —, alles, was —,
nichts, was. Au Michaelis befier als zu Micaeli, aus dem
lnteinifchen dies festus Michaelis = Feſt des Heiligen Michael.
8) Offentliche Anfrage eines
Einjenderd an einen fogenannten
Naturarzt, »ob ber ſich beis
gelegte Titel Naturarzt etwa
darauf berechnet ift, dem Pu—
blieum glauben zu machen,
e3 mit einem ftudierten, aps
probierten Arzt zu thun zu
haben.«e (Dresdner Anzeiger
14. Januar 1881.)
8) — ob der angenommene
Titel (Bezeichnung) Naturarzt
etiva darauf beredinet jei [das
Publicum glauben zu maden]
den Schein zu eriweden, als
babe man es mit einem wiſſen⸗
ichaftlid gebildeten, ſtaat—
lih anerkannten Arzte zu
thun.
In der Wendung »der ſich beigelegte Titele ſchwebt das
fi in der Luft.
Unſchön die doppelten Nennformen (In—
finitive) »glauben zu machen, es — zu thun zu haben.«
9) »Die Erhumierung der
Gebeine des Turnvaters Jahn
und ihre Überführung in die
in dem Wejtgiebel der auf
dem alten Friedhoſe von der
deutſchen Turnerichaft errichteten
Turnhalle eingebaute Gruft
wurde der Geraer Zeitung zus
folge beute bewertitelligt.«
(Neicysanzeiger 10. März 1594,
vgl. Beitichr. des a. d. Sprach⸗
vereins 1894 ©. 80.)
Häufung von Verhältnisbejtimmungen.
9) Wie die Geraer Zeitung
meldet, wurden die Gebeine des
Turnvaters Jahn heute aus—
gegraben und in die Gruſt
übergeführt, die in dem Weſt—
giebel der auf dein alten Fried:
bof errichteten Turnhalle, einer
Stiftung der beutichen Turner:
ichaft, eingebaut iſt.
Hauptwörter auf
zung ftatt der Zeitwörter: »Die Erhumierung — und Über
führung — wurde bewertitelligt.« Tralicher Gebrauch von zufolge.
10) »Xch bedauere ſelbſt auf
die Geſahr Hin, den Vorwurf
gegen Hans Arnold, aljo eine
Dame, eine Unliebenswürdig—
keit zu begeben, hören zu
müfjen, es auszuſprechen,
daß der Stil Arnolds — recht
falopp iſt.« (A. K., Maga—
zin für die Liter. des In- und
Auslandes 1887 S. 66.)
10) Selbit auf die Gefahr
bin, den Vorwurf hören zu
mäfjen, dab ich gegen Hans
Amold, aljo eine Dame, eine
Unliebenswürdigfeit begebe, muß
ich e8 doch zu meinem Bedauern
ausſprechen, daß der Stil Nr:
nolds — recht nachläfjig ift.
Häufung von Zeitwortformen unmittelbar nad einander;
ftatt »ich bedauere es audzuiprechen« mühte es heißen: »— aus
fprechen zu müſſen.«
11) »Ein elegant meus
bliertes Gargon-Logis mit
feparatem Entrée, even=
twell mit Benjion, per fo-
fort zu vermieten.e (Anzeige in
einem Dresdner Blatte.)
11) Eine fein eingerichtete
Wohnung jür einen einzels
nen Herrn, mit befonderem
Eingang, auf Wunjcd mit
Belföftigung, fofort zu ver
mieten.
|
Zeitſchrift des allgemeinen beutfhen Sprachvereius. XI. Jahrgang.
1896, Nr. 11. 218
12) Aufſatz von »R. Thum:
Bu ‚Die genetiihe Erklärung
der ſprachlichen Ausdrucksfor⸗
men‘,« (Emglifche Studien Bd.
14, 1.)
13) »Wir erfuchen dringend,
die Metallmarten gegen Papp-
marten im Laden jortwäh-
rend umzutaufhen (und
zwar von Montag früh bis
Donnerstag Abend). Der Vor:
ftand.«e (Bekanntmachung des
Konjumvereins zu Mudoljtadt
m 27. Mai 1893.)
12) — Zu der Abhand—
lung: »Die g. Erklärung der
fpr. Ausdrudsformen.«
13) Wir erjuchen unfere
Mitglieder dringend, die Me:
tallmarfen gegen PBappmarten
umzitaufchen, was von Mon-
tag früh bis Donnerstag Abend
jeder Zeit im Laden geichehen
kann.
Da die Marken fortwährend umgetaufcht werden follen,
ijt doch zu viel verlangt.
14) »Nur Kinder in Begleis
tung Erwachſener haben Bu-
kritt.e
14) Kinder haben nur in
Begleitung Erwachlener Zutritt.
Falihe Wortftelung; nad) der erſten Faſſung dürften
Erwadjene,
iverden.
15) ⸗Für die Neden würde
Referent aufer den Einzel—
heiten erläuternden Fuhnoten
noch furze, den geichichtlichen
Hintergrumdb zeichnende Bemer⸗
tungen wünjchen.« (Lit. Central
blatt, 12. Oft. 1895, ©. 1494.)
die ohne Kinder kommen,
nicht zugelajjen
15) Für die Neden würbe
der Berichterjtatter außer den
nur Einzelheiten erläutern:
den Anmerkungen noch kurze,
den geſchichtlichen Hintergrund
zeidmende Bemerfungen wün⸗
ſchen.
Jedermann wird bei dem erſten Leſen die Worte »aufer
den Einzeleiten« als zuſammengehörig betrachten; dadurch
wird das Verjtändnis des an ſich richtig gebauten Satzes
erſchwert.
ʒprechſaal.
Bu der Antwort an »Herrn X,
Hamburg« in Nr. 7/8
d. Ihrgas. Sp. 156 gejlatte die verehrliche Sehriftleitung mir zwei
Bemertungen.
Sie meinen: »Sippe fann keinesfalls als Erſaß für Clique
gelten «,
Das ijt vielleicht richtig, wenn Sie unter »Erfaß« foviel
verjtehen wie sein in allen Fällen paſſender Erjaße.
Be-
fanntlich aber geht die Verdeutſchung auc des überjepbariten
Fremdwortes — oder jremden Wortes! — überhaupt nur
verhältnismähig felten in der Weile vor ſich, daß an feine Stelle
in allen Fällen feines Borfommens ein und dasjelbe deutſche
Wort tritt: für franzöſiſches faire giebt es 20, 30, 40 pafiende
deutfche (und für deutiches machen ungefähr ebenjo viele paſſende
franzöſiſche) Erſatzwörter (auf den naheliegenden Grund gebe
ich bier nicht ein); und Ähnlich iſt es mit Fremdwörtern wie z. B.
brillant und deren deutjchen Entipredhungen, Biel günitiger
liegt m. E. die Sache in unferem alle Nehmen Sie an, Sie
befümen im Geſpräche folgende Äußerungen zu hören: und
der bringts doc) zu was. Warum? Er gehört zur Sippe. Über:
haupt berricht ja bei ung die ſchönſte Sippenwirtichaft. Die Sıppe
bejeßt die Ämter, die Sippe vergiebt die Lieferungen uw, uſw.
Mag einer noch jo tüchtig fein — wenn er die Stppe gegen ſich
bat, fommt er nicht auf.« — Würden Sie dabei das Gefühl haben,
daß der Sprecher das Fremdwort » Elique« babe vermeiden wollen
und deshalb gezwungen und undeutlich ſich ausdride? Ach
glaube laum. Alſo »Eippee it, wenn nicht der, jo doch zum
mindejten ein Erfaß, ein in nicht wenigen Fällen durchaus dedendes,
verftändliches umd ungezwungenes Erfagwort für »Eliquce, und
Sarrazin hat daher m. E. vollfommen recht, wenn er in jeinem
Wörterbuche als Verdeutihungen von »Elique« an eriter Stelle
Sippe und Sippicaft anführt.
Noch viel entichiedener mu ich mich gegen dem zweiten Eat
Ihrer Antwort wenden. Sie jagen: »lbrigens wird u. E. ein
219
edfem deutſchen Wejen fo wenig entiprechender Begriff am bejten
durch einen frembdländiichen Ausdruck wiebergeneben.« Damit joll
allem Anjcheine nach doch nicht bloß eine Meinung über diefen
einzelnen Fall, jondern ein allgemein gültiger Grundſatz aus-
geſprochen werden. Und da muß ih Sie um Verzeihung bitten,
verehrtefte Schriftleitung, wenn ich troß Ahrem >, E.« geradezu
behaupte: was Sie da jagen, iſt gar nicht Ihre Meinung, da
fenne id Sie wirklich beſſer. Sie befennen Sich da mit Worten
zu einem Grundjaße, den Sie in der That, gottlob! weder inner-
lich anerfennen noch in der Beitichriit bisher befolat haben ober
in Zufunft, des bim ich ficher, befolgen werden, Du lieber Bott,
wir 60 bis 70 Millionen Deutiche haben neben manden guten
und edlen Eigenjchaften und Einrichtungen auch gar nicht wenige
minder qute, unedle und höchſt verweriliche. Sollten wir wirklich
alle dieſe »Begriffes unerfrenfichen Inhaltes durch fremdländiſche
NAusdrüde wiedergeben oder auch nur die dafür mehr oder weniger
üblich gewordenen Fremdausdrücke “alle umangetaitet lafien?
Glauben Sie, dak z. B. die Heuchler und Krieher und Speichel-
leder und Seifetreter und Fapenbudler und Streber und Geld:
progen und Leuteſchinder und SKeperrichter und Mechtäverdreber,
jo fich in deutichen Landen finden, erträglichere Gefellen werden
wirden, wenn es uns gelänge, fie fremdipracjlid, umzutaufen?
Oder meinen Sie, dah unſere Rabuliften und Egoiſten und
Anardiften und Partilulariiten und Bureaufraten und Denuns
zianten und perfiden Antriganten und fanatiichen Zeloten und inter:
nationalen Kosmopoliten und enragierten Anglomanen etc. pp.
und dergleichen ändere Herrichaften von ſelber ausfterben und an
Entkräftung zu Grunde gehen werden, wenn wir nur ſtramm
fortfahren, ihren »edlem deutichen Weſen jo wenig entfprechenden
Begriff dur einen fremdländifchen Ausdruck wiederzugeben«?
Ich glaube es nicht, und — nichts für ungut, verehrliche Schrift:
leitung — Eie glauben es jelber nicht! Habe ich recht?
Kajiel. Edward Lohmeyer.
Die Scriftleitung befennt reumütig, dal; fie über das Hiel
hinausgeſchoſſen hat; fie freut ſich aber, dadurch die obigen Aus—
fübrungen veranlaft zu haben, deren Gewicht ſich niemand ents
ziehen lann.
Rleine Mitteilungen.
Torgauer Flugſchrift. Der Torgauer Haus: und
FamiliensKalender für 1897 (herausgegeben durh Paul
Schulhes Buchhandlung in Torgau) enthält u. a. einen von dem
Vorjieher des Torgauer Ziweigvereins, Landgerichtsrat Karl
Bruns, verfahten, mit den Beigaben 15 Seiten füllenden Auf:
jag: » Die Eprahreinigunge Dieje Arbeit behandelt zunächit
in drei Teilen (»Spradreinheite, »Deutihe Bornamen«
und »Spradridtigleit und Sprachſchönheit«) die Haupt:
gefihtspunfte unjerer Ihätigfeit, unter Anführung Ichrreicher,
teils ernster, teils heiterer Einzelfälle. Beigefügt find: 1. Ein
»Berzeihnis einiger (eS iſt Übrigens eine nicht gang geringe
Auslefe) viel gebrauchter, entbehrliher Fremdwörter«,
nebjt teilweife ganz nenen Berdeutfchungen, 2. ⸗»Deutſche Vor—
namen« (nad) dem ABE geordnet), 3. »Einige fpradliche
Winke (unter Berücſſichtigung der Arbeiten von Wuſlmann,
Heinge u. a). Auch Kernſprüche und Büchernachweiſe haben
ihren Pla gefunden; namentlid auf die Verdeutſchungsbücher
des Nereins wird aufmertfam gemacht. Da der Auſfſatz, in dem
auch das Nötige Über den Beitritt zum Sprachvereine nicht fehlt,
zur Werbung von Mitgliedern und zur Förderung unferer Sadıe
jehr geeignet ift, jo werden Sonderabzüge gegen Einfendung
von 15 Pig. für das Stück (in Geld oder deutſchen Reichsbrief—
gau, poftfrei vericidt. 5 Stüd werden für 65 Pig., 10 Stüd
für 1,20 Mt, 20 Stüd für 2 ME verabfolgt. Mitglieder von
Aweigvereinen wollen den Bedarf thunlichit zufammen entnehmen.
Zeitſchrift des allgemeinen dbeutfhen Sprachvereiné. XI. Jabrgang. 1896. Nr. 11.
Aus den Sweigvereinen.
Chemnitz. Am 15. September fpradı Profeſſor Walther
über den Krieg von 1870 im Spienel des BRolfäliedes. Ein-
feitungsweife gab der Redner einen kurzen Überblid über die Ge:
ichichte des Vollsliedes, defien Spuren ſich bis zu den Schlachten—
liedern der alten Germanen zurldverfolgen laſſen, da® derb und
ungeſchminkt in den Zeiten der Landötnechte erflang, im 30 jährigen
Kriege verödete, durch die Kriegsthaten eines Friedrich d. Gr. aber
neun auflebte und feinen Glangpuntt dann zur Zeit der Freiheits—
kriege fand. Nach einem Vergleiche zwifchen der Kriegsiyrit von
1513, die jugendlicher und jchwärmeriicher, weihevoller und reli-
giöjer, und der von 1870, die politisch reicher und iprachgewaltiger
ericheint, brachte der Vortragende zahlreiche Proben von Kriegs
liedern zu Gehör. — Am 12. Oftober beſprach Buchhändler Heller
da8 Haberfeldtreiben, jcilderte die wahricheinlih bis ins
Heidentum zurückreichende Entftebung und die geheimnisvolle
Sliederung des Haberfeldbundes und trug aus verichiedenen
deutichen Dichtungen, die diefen Stoff behandeln, entiprechende
Proben vor.
Czernowitz. Am 19. September berichtete Brofefior Karl
Wolf ausführlich Über die Hauptverfammlung in Oldenburg.
Dresden. Nach einem Berichte Proiefior Dr. Dungers
über die Hauptverſammlung hielt Oberlehrer Zähler am 24, Scep-
tember einen Vortrag über »>Schnabahüpfel«
Elberfeld. Kaufmann 9. Wülffing eritattete in der Sitzung
vom 23. September einen Bericht über die Oldenburger Haupts
verfammfung. Am 14.8. M. hielt er dann einen Vortrag über
die deutschen Schriftzeichen und fpradı fich darin für Bei—
behaltung der Edenichriit aus. Am Verlaufe der jih an den
Vortrag anfchliefrenden jehr lebhaften Erörterung trat der Vor—
figer, Profefior Buchruder, der Anſicht vieler Anweſenden,
die deutichen Schriftzeichen feien durch Verzierung aus den latei=
niichen hervorgegangen, entgegen, indem er behauptete, ähnlich
wie der gotiſche Epipbogen, jo ſei auch die deutiche Schrift zu—
fällig entitanden. Die Mönche bätten ſich beim Schreiben der
breiten Rohrfebern bedient; da ihnen diefe aber nicht neitatteten,
Bogenformen zu fchreiben, fo ſeien fie von felbit auf die Edichrift
verfallen. Bei der Erörterung ftellte es fich femer heraus, daß
hier zu Lande das Wort »bereits« den Sinn von »nahezu«
hat (vgl. das engliiche »alreadye).
Kiel. An der eriten MWinterverfammlung am 7. Oftober
teilte der Borjigende, Paſtor Stubbe, mit, daß die ſtädtiſchen
Behörden auf feine Einaabe wegen Neaelung der Strafiennamen
in entgegenfommender Weife geantwortet hätten. Er berichtete
dann über den Plan zur Anlage einer Voltsbücherhalle, in der
der Berein feine Zeitſchrift umſonſt auslegen wird. Zum Schluſſe
iprach Herr Stubbe über den Stand der deutichen Sprade in
Belgien und jtelfte, aeftügt auf die neueſten Zählungen, einen
Fortichritt des SHämischen gegenüber dem Franzöſiſchen feft.
Kaſſel. An der Hauptveriammiung am 14. September er—
itattete Geheimrat Fritſch als Vorfiter den Geſchäftsbericht, aus
dem hervorzuheben iſt, daß die Mitgliederzabl ſtändig im Wachſen
bleibt und von 394 im vergangenen auf 438 in diefem Jahre
geitiegen fit. Der Jweigverein Kaſſel iſt jomit der ftärtkite
| innerhalb des Nerbandes. Auf Veranlafjung des Vereins
hat eine Anzahl hiefiger Handelshäuſer an jämtliche Kaufleute
Kaſſels einen Aufruf verfandt, der auf die thunlichſte Beſchränkung
der Fremdwörter hinwirken ſoll. Es wird beichlofien, monatliche
‘ Aufammentünfte, fogenannte » Spredhabende«, einzuführen, die den
Bereinämitgliedern Gelegenheit zum Meinungsaustaufche bieten
follen.
Magdeburg. Die erfte Winterverfammlung, am 12. Oftober,
wurde durch einen Vortrag des Yandgerichtörats Slafewald über
die Sprache des bürgerlichen Geſezbuches eingeleitet. Der
| Redner wies auf den großen Einfluß bin, den die Rechtsbücher
auf die Sprade eines Boltes ausüben, und beantwortete die
Frage, ob das neue bürgerliche Geſeßbuch den Anforderungen an
ein gutes Dertich entipräce, im bejahenden Sinne. An einer
j klar ‘ großen Reihe von Beiſpielen zeigte er auch, wie trefflih in den
marken) durch den Berfaffer, Yandgerichtsrat Bruns in Tors | ar ip ad & ji x
meilten Fällen unnötige Fremdwörter erfept oder umſchrieben find,
wenn aucd einige bedauerlihe Ausnahmen feſtgeſtellt werden
muhten, Hieran ſchloß fich ein kurzer Bericht des Oberlehrers
Dr. Philippfon über die Haubtverfammlung in Oldenburg.
Wesel. Am Bereinsjahr 18095/1896 hielt Profefior Bötticher
aus Hagen in einer öffentlichen Verſammlung einen Vortrag über
221
Richard Wagners Ring des Nibelungen, und an je einem
Herrenabend ſprach Oberlebrer Dr. Walbe über Nejte älterer
Spraditufenim Neuhochdeutſchen und Oberlehrer Dr. & loöl
über abſichtliche Spradfehler der Gebildeten. (Vgl.
Zeitungsihau, Neue Aufjäge ujw. Sp. 206 d. v. Nr.)
Briefkaſten.
Herrn Direltor D. . . . Bonn. Wir erſehen zu unſrer aufs
richtigen Freude aus der der Schriftleitung freundlichſt überfandten
Nr. 240 der » Bonner Zeitung«, dab Sie gegen die Bezeichnung
»Panorama international« thyatfräftig Einfprucd erhoben haben.
Hoffentlich wird der Erfolg nicht ausbleiben, und der Berliner
Unternehmer wird aus geihäftlihen NRüdjichten (andere dürften
für ihn wohl faum maßgebend jeın) einen Ihrer Verdeutſchungs—
vorſchläge annehmen. »undbilder aus alter Welt« ſcheint uns
den beabjichtigten Sinn jehr gut wiederzugeben.
Herrn W. P...., Paderborn. Als empfehlenswert für
Ihre Zwede nennen wir Ihnen: Cholevius, Braft. Anleitung
zur Abfajjung deutſcher Aufſäßze; Kehrein, Entwürfe zu deutichen
Aufſäßen; Kupner, Prakt. Anleitung zur Vermeidung der Haupt-
fächlicgften Fehler in Anlage und Ausſührung deutjcher Aufjäpe;
Yinnig, Der deutjche WAuflap; Lyon, Kurzgeſaßte deutjche
Stitiftit; Naumann, Theor.spraft. Anleitung zur Abjafiung
deuticher Aufjäpe.
Herm Hauptmann T,..., Groß-Lichterfelde. Der Auss
druck >au paire, den eine deutjche Freifrau in einer Anzeige der
»Neuen Preufijchen (Kreuz-⸗) Yeitung« vom 27. Juli d. J. ge
braucht, iſt unziweijelhaft ſehr kurz, denn er bedeutet » gegen freie
Wohnung und Koft, aber ohne Wehalt« Die Kürze entichuldigt
aber jeine Anwendung feineswegd. Zu welch greulichem Miſch—
maſch würden wir kommen, wenn wir jede er die in
einer fremden Sprache lürzer ift, als in der unjern, unlberjegt
gebrauchen wollten,
Herrn Dr. ©... ., Friedenau. Daß im Beiblatt einer Zeit
ſchrift für den afademisch gebildeten Lehrerſtand Deutjchlands eine
jo abſcheuliche ſprachliche Mißbildung wie »Beilage zu Päda—
gogiihed Wochenblatt« vorlommen fan, ift höchſt bedauer-
lid. Es iſt nicht anzunehmen, daß die Leitung des »P. W.e
davon Kenntnis batte, handelt es ſich dod um eine neue Ein-
richtung der Verleger, die wir redyt dringend bitten möchten, den
Fehler zu bejeitigen. Alſo: »Beilage zum Pädagogijden
Wochenblatte«
Herrn L. . . in P. . . Es iſt im Auslande, ſoweit das ge—
ſellige Leben in Betracht kommt, nicht üblich, deutſche Damen mit
Frau« oder ⸗Fräulein⸗ anzureden. Wenn man ın England den
Ausdrud »Fräuleine hört, jo bezieht er ſich auf deutjche Er:
zieberinnen oder Künstlerinnen, wie aud) deutiche Künſtler auf
onzertzettelm ftets ⸗Herr⸗ genannt werden. Bir halten es für
einen Unfug, der mit der Vorliebe des Deutjchen für alles Aus
ländifche zujammenbängt, wenn z. B. Franzöfinnen in Deutjch-
land mit »madame« oder »mademoiselle« angeredet werden, und
meinen, daß Ausländern gegenüber diejelbe Anrede am Blape iſt
wie gegenüber den Deutjcen,
Herrn H. W. . . Münden und Dr. Th. ..., Berlin. Gie
teilen uns ın Bezug auf die in Bonn vorgejcdlagene Berdeuts
ihung von »&rporibiere durch »Lagerbier« (ogl. S. 172 diejes |
Jayrg.) mut, day ın Winden und Berlin ſchon langit der Aus—
drud »Beriandbiere daſür in Webraucd iſt. Dieſes Wort iſt
jedenfalls viel bezeichnender als das in Bonn gebraudıte.
Herrn v. K. . ., Nudoljtadt Sie machen freundlichit auf
das Wort »stnechte aufmertiam, weil cs fich für Verdeutſchungen
brauchbar erweijen dürjte, und meinen, daß, wie man »Stietels
fnechte« und »Wechenfnechtes bat, man auch von einem »Hjähl-
tnecht· jtatt >touruiquet« jprechen könnte. Diele Anregung zur
Verwendung des Wortes »Nnecht« bei Verdeutſchungen iſt ſehr
beadjtensivert. für »tourmquer« bejteht aber ſchon ein deuiſcher,
ziemlich eingebürgerter Ausdrud, nämlich »Drebfrenge. — Die
Beiti@rtit des atigemeinen bensihen Gurngbereind, A. Iabegeng. 1896. Ar ii.
Erjepung des langatmigen Wortes »Prozehbevollmäcdtigter« |
durd) »Wlagmwarte — klägeriſcher %.:8. und »Streitwarte
— P.-B. des Bellagten, hält unjer juriſtiſcher Berater, Herr |
Landgerichtsrat Bruns in Torgau, jür ungeeianet, denn das |
»Abwarten« des Termmes könne auch Durch Die Partei felbit ers
folgen; man könne aljo danady nicht den Vertreter bezeichnen, der
|
222
nur auf Grund einer Vollmacht handelt. Im übrigen verdiene
aber das Wort »Wart« bei neuen Werdeutihungen in der Bes
deutung ⸗»Aufſeher, Auflichtsbeamtere Beachung. Nament-
lic) fünnten Amistitel damit gebildet werden, 3. B. Baumwart
(= Bauinjpeltor), &ewerbewart (= Bewerbeinipeltor), Guts—
wart (— Butsinjpeftor). Bgl. die ſchon üblichen Nusdrüde »Turus
wart, Fechtwart, Bücherwart, Kaſſenwart ufio.«.
Herrn Dr. W. 2. ..., Leipzig. Sie ereifern ſich wirklich
unnötig über die von Herm Profejjor Stier in Neuruppin ges
brauchte Schreibung »Schäntee. Sie fragen: »Was ijt jchlimmer,
ein richtig geichriebenes Fremdwort oder ein falſch geſchriebenes
deutiches Wort?« und begreifen nicht, wie in »aller Welt« das ü
in dem Worte etymologijch zu rechtfertigen fei. Nad) der neuen
Nechtichreibung muß es allerdings ⸗Schenle« heißen, aber das e
fit ſicher durch Umlaut aus a entjtanden, es wäre aljo wie
Fälle, Dümme, ſchämen, jchänden, jtärten« uſw. neben » all,
Demm, Scham, Schande, jtark« uſw. eigentlich >» Schänte« neben
»Schauf« die folgerichtigere Schreibung. Aber hier, wie jo oft
auf dem Gebiete der Rechtſchreibung, ift das Folgerichtige nicht das
wirklich Übliche. »ichenten« fteht damit übrigens feineswegs ver—
einzelt da; das e ijt beſonders im ſolchen Fällen herrſchend ges
worden, wo das Zeitwort ſich von dem zugehörigen Hauptworte
mit a in der Bedeutung entfernt hat. Bgl. »jegen, jchellen,
wenden, jchmelzen« ujw. neben »Sap, Schall, Wand, Schmalz«
uw. ©. des näheren Wilmanns, »Die Orthographie in den
Schulen Deutjchlands« (18857) ©. 71 ig.
Herrn U B.... Sie tadeln mit Recht die überflüfjigen
Fremdwörter, die in einem Rundſchreiben des Warenhauſes
für deutjche Beamte zu finden jind. Dahin gehören: inclusive,
eirca, Institut, Portieren, NReijebureaux, Logırpreife, Legitima-
tion, Beamtenkategorien, Darlehnsfonds, Statut ujw. Wir
ftimmen Ihnen bei, wenn Sie jagen: »Deuticdhe Beamte können
dod; erwarten, daß ihr Warenhaus etwas mehr Rückſicht auf
deutjches Empfinden nimmt und ſich in feinen Schriftftüden einer
teineren deutſchen Sprache befleiigt.« Leider gilt das hier Ge—
jagte auch von dem Warenhauje fir Armee und Marine, dejjen
Beröffentlichungen nicht immer in einer Sprache abgejaht find, wie
man jie von einem in jeiner Zuſammenſehung rein deutichen Vers
eine verlangen kann. Schon die Wahl des Vereindnamens it
nicht glüdlicy: warum nicht » Warenhaus für Heer und Flotte⸗?
Herrn Prof. G. N... ., Prag. Den Ausdrud »deutjds
volfliche in der Begründung des ſonſt von Ahnen gelobten
Pichlerſchen Antrages betreffs der Fremdwörter in der Zeitung des
deutichen Radfahrerbundes (vgl. Sp. 170 d. Jahrg.) mußte die
Schriftleitung anwenden, jelbjt wenn er ihr nicht genehm geweſen
wäre, da ja die Begründung wörtlich wiedergegeben wurde. Ob
das Wort, das übrigens in Jhrer Heimat entjtanden zu jein
jcheint, jchön ift, it eine Geſchmadsfrage, über die bekanntlich
wicht geftritten werden joll. Thaiſächlich hat es fi) aber in Oſtreich
eingebürgert, und es iſt nicht recht einzujehen, weshalb es wieder
verdrängt werden joll. Noch weniger Grund dazu jcheint bei dem
Worte » Deutichwejen« vorhanden zu fein.
Herrn 9. W...., Münden. Das »Hotel Bictoria« in
Innsbrud, »vis-a-vise dem Bahnbofe, ſtellt alſo jeine Rech—
mungen vein franzöſiſch aus und bezeichnet auch jeine deunfchen
Gaſie als »Monsieur«e Das ijt ein ſartes Stüd! Wozu der Bes
jiger, Herr Conrad Gilbert, dabei deutſche Bordrude für jeine
Rechnuungen verwender, it unerfindlich. Wit dieſem Herrn mußte
unſer Zweigverem in Innebruct einmal ein kräftiges deutiches Wort
ſprechen. — Die Umjrelung nad) >unde, die jich in dem uns Übers
andren Ausſchnute aus dem »Bayrıjden Nouriere finder, ſchemt
ung zu köſtuich, um ſie unjern Leſern vorzuenthalten. In dem
Derichte über einen Unglüdsjall heit es da; »Mis morgens 6 Uhr
twie tagtäglich feine Leute zur Arbeit erichienen, wollte man von
dem ausnahmsmere noch jchlafenden Meiſter über diverje Sachen
Auskunft haben und fand die ihn wedende ran total denjelben
bewußtlos. — Einen ähnlichen, allerdıngs nod) heitereren Fall
der Umſtellung nach »und« drudt der »Briejlaitene des Kladde—
radatſch vom 19, September 18546 aus der Wr. 198 der ⸗»Zerbſter
Zeitungs ab, wo es zum Schluſſe eines »Hubhfütterers Ges
juches« heißt: »Der Mann muß verheiratet jen und muß
die Frau mit mellen« — Ste mihbilligen, dab man, jtatt
»Badbejiger, Badarzt, Badktommijläre ulm. zu jagen, dieje
Wörter durch die längere Form »Badearjte ujw. im unanges
mejjene Verbindung mit der Thätigleit des Badens bringe, die
223
doch nur den’nad; Ihrer Meinung von dem Zeitworte »baden«
abgeleiteten, wie »Badeltube« uw. a. zukomme, während dort
vielmehr der räumlihe Begriff des Bades und damit die Ab—
leitung von dem Hauptwort vorliege. Diefer Erwägung fünnen
wir aus zwei Gründen nicht beipflichten; erftens nämlich, weil
fie die Entwidlung der Tebendigen Sprache einfeitig mit dem
Maßſiabe folgerichtigen, unterjcheidenden Dentens regeln will,
während thatfächlic häufig genug gegen Sinn und riff das
Gejep der Angleichung an die äußere Form durchdringt. Zweitens
aber darf man, und das it das Enticeidende in unjerın Falle,
derartige Erjcheinungen auch nicht bloß nach dem gegenmärtigen
Buflande der Spradye beurteilen wollen. So lehrt uns die alt-
hochdeutſche Bejtalt des Grundiwortes aller diefer Zuſammen—
fepungen bada-, daß umjer »Bades« gar nicht von dem damals
badön lautenden Beitworte, jondern von dem Hauphworte her:
ftammt, defjen uralter Stammeslaut ſich jomit in abgeſchwächtem
Klange bis auf den heutigen Tag hindurch gerettet hat.
Herrn €, 8...., VBonderheydt. Gegenüber der halbran-
zöſiſchen Ausſprache von » Benfion« weifen Sie hir auf » Religion,
Nation, Intentione, die wir nad) dem Lateinifchen, fodann auf
>Gentimeter« und »Nendant«, die wir ſogar troß ihrer Entlehnung
aus dem Franzöſiſchen friſchweg nach unferer Zunge jpreden.
Wir meinen, daß eine Le rom Bi Ausſprache von »Penfion«,
wie fie z.B. in Oftreich üblich ift, entfchieden den Vorzug verdient,
bezweifeln aber, dab es gelingen wird, die jetige verfehrte Aus—
iprache zu bejeitigen. Am bejien wäre e8, das Fremdwort vers
ſchwände ganz aus unferm Wortichape. In feiner Bedeutung als
Ruhegehalt ijt es ja auch ſchon vielfach von dem deutichen Aus—
drude verdrängt worden, aber »Koſthaus« Hat wenig Ausficht
darauf, ſich einzubürgern.
Herm Dr. R...., Neuern. Das zweimal in Goethes Fauſt
(11, 4 gegen Ende) vorfommende Wort »Veth'e ift gleich mhd. büte,
der in der älteren Sprache jajt allein Kerrichenden Form des zu
»bitten« gehörigen Hauptworts. Erſt jeit dem 16, Jahrh,. iſt
» Bittes in Anlehnung an »bittene üblich geworden. »Bere« (und
ebenſo das entſprechende niederdeutiche »Bedes) bezeidinen eine Art
Abgabe der Unterthanen an die Landesherren, die zuerft freiwillig
war, von den Fürſten »erbeten« wurde, fbäter aber, wie alle
anderen Abgaben, zwangsweije eingeirieben wurde. Näheres
darüber z. B. in Möſers patriotiichen Phantafien.
Emil Rippell T.
Am 10. Dftober d. 3. bat der Tod uns eines unjerer treueften
und eifrigften VBorfjtandsmitglieder beraubt, des Ober- und Geh.
Baurates Emil Rüppell, der dem Gefamtvorjtande felbit jreilich
erjt jeit wenigen Jahren angehört, als Borfipender des Zweigvereins
zu Köln a. Rh. aber ſchon feit langer Zeit eine überaus erfolg:
reiche Thätigleit im Sinne unferer Bejtrebungen entfaltet hatte.
Nüppell war am 2. Juli 1827 in Berlin geboren und bat fich
mit eijernem Fleiße ganz durd) eigene Kraft zu der hohen Stellung
emporgearbeitet, im der er zulegt dem Staate diente. Troß fait
fiebenjähriger Thätigfeit im Bimmernannshandiverte war er jchon
mit 29 Jahren Baumeifter und wirkte als folder zunächſt an der
Rhein Nahe: Bahn. In Kreuznach jand er auch feine edle Lebens—
geführtin, die Schwejter des trefflichen Bildhauers Lauer. Das
»Eentralblatt der Bauverwaltung« bemerkt über fein Wirken ala
Fachmann: >Nüppells Bedeutung ald Eijenbaßntechnifer liegt
bejonders auf drei Gebieten: einmal auf dem Felde der Weichen
und Signalficerungsanlagen und der Ausgeitaltung der Stell«
Briefe und Drudjachen für die VBereinsleitung
find an den Borfigenden,
Oberftleutnant a.D. Dr. May Jähns in Berlin @.10,
Margaretenjtraße 16,
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI Jahrgang. 1896. Nr. 11.
224
werte, dann auf dem Gebiete des Dberbaues und endlich
in jeiner befruchtenden Wirkſamkeit im techniſchen Ausſchuſſe
bed Vereins deutſcher Eifenbahnverwaltungen . . . Gleich⸗
zeitig war er eifrig bemüht, die techniſche Sprache zu ver
bejjern durch Schärfe und Beitimmtheit des Ausdruds, nicht zum
wenigften auch durch Bejeitigung entbebrlicher Fremdausdrücke
Wenn heute unfere ‚ Techniichen Vereinbarungen‘ uf. eine reinere,
bejjere und Harere Sprache reden alö vordem, jo it das zum
nicht geringen Teile Rüppells Berdienft. Die Fortichritte, die
gerade auf diefem Gebiete gemacht worden find, und die Wand-
lungen, die, wie taufend andere, jo auch Rüppell im Laufe der
Jahre durchgemacht hat, treten redjt deutlich zutage, wenn man
die erite feiner Veröffentlihungen vom Jahre 1869 mit feinen
jpäteren und befonders den jüngiten Arbeiten aus der Zeit feines
Lebensabends vergleicht. Diefe Thätigkeit auf ſprachlichem Ge
biete dehnte er mit der Zeit immer mehr aus und nahm in den
legten Jahren auch innerhalb des über ganz Deutjchland ver:
breiteten deutſchen Spradvereins eine angeſehene Stellung ein.«
Bir haben diefen Worten eines hervorragenden Fachge—
genofjen des Dahingejchiedenen nur nod hinzuzufügen, wie ſchwer
und ſchmerzlich uns der Verluſt diejes waderen, treuen Mit:
arbeiter fällt, der ein Mann war vom Scheitel bis zur Sohle
in des Wortes volliter Bedeutung. Warmherzig, Hug und
iharfblidend Hat er Segen gebracht, wohin er ſich aud) wendete.
Ein inniger Freund der Mufil, war er jelbjt eine harmoniſche
Natur. Er hat nicht nur für die Ausbreitung des Sprachvereins
am Rhein auferordentlich viel getban, nicht nur an der Ber:
tiefung unferer Beſtrebungen und deren Übertragung auf das
hochwichtige Gebiet des Verlehrsweſens einfichtsvoll und erfolg:
reich genrbeitet, jonden er nahm auch treulich teil an dem
äußeren Leben und der Verwaltung unfere® Vereins. Unver—
gefien ſoll ihm bleiben, wie viel er dazu beigetragen hat, in ber
gefährlichen Notlage des a. d. Spradwereins im Spätherbfte 1893
den inneren Frieden mwiederherzuftellen, den Verein aufrecht zu
erhalten. — Nun ift er felbft eingegangen in den ewigen Frieden.
Er ruhe janft!
Der Geſamtvorſtand des a. d. Sprachvereins.
Dr. Mar Zähne.
Geſchäftlicher Teit.
Herr DOberlehrer a. D. Dr. Günther U. Saalfeld ermäch—
tigt ung, mitzuteilen, daß er bereit fei, in Zweigvereinen Bor:
träge zu halten, Wegen der zu vereinbarenden Bedingungen wende
man jich gefälligit unmittelbar an Herrn Dr. Saalfeld, Berlin-
Friedenan, Sponbolzjtrafe 11, I
Die Scriftleitung.
Diejer Nummer liegt die Schrift des Herrn Oberlandesgerichts⸗
rats® Julius Erler
»Die Spradye des neuen VBürgerlihen Gejebbuds«
bei.
Geldfend 3 Beitritöerttärungen licher Beitrag 3 Matt,
wofür Die Yeitfeheift und die jonjtigen Drudichriften % geliefent werden)
an ben ur
lagsbuchhändter Eberhard Ernft In Berlin W.S,
Bilhelmftrabe W,
Briefe und Drudjahen für die Zeitſchrift find an dem Herausgeber, Oberichrer Briedrih Wappenhbans In Groß⸗Lichterfelde bei Berlin,
Draleſtraße 3,
Briefe und Zuſendungen für die Wiſſenſchaſtlichen Veibelte an Brofefior Dr. Paul Pietſch, Berlin W.3O, Mopftraße 12
zu richten.
— — — —— —— —ñ— — = — — E — — ⸗ — — ö— — — — — ——— —
Hür die Schriftleitung verautwortlich: Frie drich Bappenhans, Gr.⸗Lichterſelde. — Berlag des allgemeinen deutſchen Sprachvereins (Jahzns und Ernft), Berlin.
Drum der Buchdruclerei des Baiſenhauſes in Halle a.d. ©.
XI. Jahrgang Nr. 12.
DZeitchri FE a
alfgemeinen’deuffehen Sprachvereins
Regründefuon Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Beitichrift ericpelmt jährlich awölfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wirb ben Wkitglledern des allgemeinen deutihen Sprachvereins unentgeltlich
geliefert (Sapung 9).
Die Beltichrift kann auch dur den Buchhandel oder die Poſt
zu BME. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch ben Schahmeiſter
Eberhard Ernft, Berlin @.8, Wilbelmitr, 30, — Auflage 15000,
IB 0 mm —ñ — — — — — — — —— — nn — — — — — — — — —
Juhalt: Die Rechte der deutſchen Sprache im Bereich erdtundlicher Eigennamen. Bon A. Heinße. (Schluß.) — Kleine Mit:
teilungen. — ud Scyärfung des Spradhgefühls. — Bücherſchau. — Zeitungsſchau. — Aus den Zweigvereinen. — Brieffajten. —
Geichäitlicher Teil
: : 3 (Engliſch) Außer den drei Ländernamen England,
* — Frag Bereich Schottland, Irland, denen ſich in den fremden Erdteilen Neu—
England, Neu-Schottland nebſt Neu-Braunſchweig und
Von Prof. Albert Heintze in Stolp. Neu-Seeland anſchließen, haben wir hier nur ſehr wenig eins
(Schluß) gebürgerte deutfche Formen, wie London (in eben dieſer Aus—
(Franzöfifc.) Für dad eigentliche Frantkreich ift, abgefehen Ipradie), Themje.. Man könnte aber dieſes Gebiet leicht er-
von der fon früher Hervorgehobenen Zurüdziejung des Tones weitern; denn warum follte man jonjt unveränderie Wörter
in mandjen Städtenamen, bier wenig zu bemerfen, da uns allen | germaniſchen Stammes, wie Land, Bet, nicht auch deutſch aus-
die frangöfiiche Form umd Ausiprache feit langen Zeiten geläufig iſt. ſprechen bärfen, 5 ©. in Landsend. BWeitminkter? Hier
Nur die Hauptitadt Paris, nad) dem alten galliichen Voll— durchaus 3X Sprechung länd, uest zu verlangen, wäre doch eng—
r 2.0 z .., berzig. Ahnlich jage man Edinburg, fo ift man aus allen
rg der Eneien Benanai, heat Im immerex Sinbipramge des Be Zweifeln, ob eddinbörro oder eduböro oder eddinberri, heraus.
In den Flußnamen Seine, Marne, Loire, Garonne | An Edinburg Mnüpft ſich dann die deutjhe Weiterbildung Edin-
ufm. iſt das e in der deutichen Ausipradhe nicht tum, wie im burger.
Franzöfifden, fondern lautbar. Dies gilt aud) von Nhone, |, Widerwärtig ift die ſchon an ſich wenig ſchöne engliſche Aus:
weiches im Frangöftfhen männlichen Geichlehtes ift: le Rhöne iprache, wenn Benennungen, die anderen Sprachen entſtammen
(fprid: rön), deuti: die Rhone, im Anſciz an die vielen und nach deren Geſeben gebildet iind, auf diejes Protruſtesbett
deutfchen Fiußnamen auf -e, die fämtlich weiblich find. geſpannt werden. Dies gilt bejonders von Venennungen paniſchen
Statt Dunquerque in die fhöne demſche Form Düntirhen und — ſowie indianiſchen Urſprungs. Von Santt
(Eirche auf der Düne) entſchieden feftzubalten, fowie ftatt delena * — ———— i Kanu Die Diebe — Weiter
Montbeliard: Mömpelgard — auch Nanzig neben Nancy. | ee ee tig h ob
. 2 — o***), v r ago. €
N ed anderen ähnlichen Hüllen verdient die urſprüngliche (nicht engliſche)
(Hoerdun), Martina 4 (Martigny), Neuenburg (Neufcätel), | Ausfprade, die aud) im wefentlihen mit den Lautregeln unferer
Sitten (in weldem das alte Sedunum treuer bewahrt ift als Sproche —— — —* Berung. . —
in dem franzöfifhen Gion) — fo auch in Belgien, wo bie Jamaica (nad) dem indianiſchen Chamaica »uelleninfel«),
deutiche Form allein genügt bei Antwerpen, Brüfjel, Brügge, | welches ber Engländer dshämekä ausfpricht, nennt der Spanier
Gent, Löwen, Lürtib, Medeln, während die flämifce chehamäike, der Franzoſe la —— — warum ſoll da nun
Doornik, Kortryt neben Tournay und Courtrah nicht fehlen darf. wicht and der Deutide feine befondere Form haben, zumal feine
Auf eigentlich deuijchem Sprachboden wäre noch Tüpelburg | hofen, etwa 230 durch gänzliche Änderung der Namen. Im
zu erwähnen, welches jeit 1871 neben der franzöfierten Form | legten Fall erfolgte die Mahregel auf drei Arten: a) durch Nüd:
Luremburg wieder Geltung gewonnen hat — beionder® aber viele —— wie * Croirx in — —3 b) durch Ab⸗
Orisnamen in dem zum Reiche zurückgebrachten Eljaf; und Deutſch-⸗ ſchaffung älterer Paralleinamen, wie La Baroche für Zell,
Lothringen, wie Mülbaufen, Zabern, Diedenhofen, Saar: c) dur; Herftellung alter iyormen, z.B. Keſtenholz für Tha⸗
tenois.e (Nilg. Zeitung 1897 Wr. 191.)
— Salzburg (Chaͤteau-Salins) u. v. a.*) ) Durch den portugiefiihen Seefahrer Johann da Nova am
— Tage der b. Helena (22. Mai) des Jahres 1502 entdedt und
*) » Die Nüderwerbung von Elfah- Lothringen mußte ſich aud; | danad benannt.
auf die dort längit bedrohten deutichen Ortsnamen erjtreden. Die | Nach dem Entdeder diefer Injeln, dem Spanier Juan
Neuordnung der Dinge ift nun im ganzen al$ vollendet anzufehen. | Bermudez, (1522) benannt.
— Bon den 1700 Gemeindenamen wurden gegen 700 abgeändert, | ***) Rio eolorado »der rote yluhe.
davon etwa 300 lediglich durch Richrigitellung der Schreibung, 7) Terra de labradores »Arbeiterlande (vgl. Sklavenküſte),
A B. Umwandlung von -viller in -weiler, etwa 170 durch Bes | weil die portugiefiiben Entdeder (1501) meinten, die Eingebornen
eitigung ftärferer Verwälſchungen, wie in Thionville — Dieden- | mühten um ihrer Stärke willen vortrefflihe Arbeiter abgeben.
227
Ausſprache diefes Wortes der ſpaniſchen und damit der uriprüng-
lichen indianifhen am nächſten lommt? Für Canada (nad) dem
indianifchen kanata >» Hütten«) wird die Spredjung känädä vor-
geichrieben; foll man dann den Kanadier (vgl. Seumes befanntes
Gedicht) etwa auch » Künädiere nennen? Und wenn nur News
Foundland (nju-faundländ) fortan gelten ſoll, wie ift es dann
mit jener Hunderaſſe, die doch jedermann »Neufundländer« und
nicht anderd nennt? Schon diefer Umſtand nötigt dazu, bei der
alten Form »Neu = Fundland« (d. i. neugefundenes Land) zu ver:
bleiben.
Auch auf mehrere Namen nordamerilanischer Freiftaaten, die
bloße Latinifierungen find, lann obiges, in Übereinftimmung mit
dem vierten Egliſchen Saße, Anwendung finden, in&befondere
auf Karolina, Georgia, Indiana, Luiſiana, Montana,
Birginia, ferner auf Columbia und (in Auftralien) auf Tas-
mania.*)
Aud Mauritius, zu Ehren des Prinzen Morig von Naſſau—
Dranien von den Holländern jo benannt, wird man in ber uns
geläufigen lateinischen Weiſe ausſprechen, und nicht etwa in der
englifhen marrischjös (oder märischjös).
(Niederländiid.) In hochdeuticher Form haben wir hier:
Haag (niederländ. 's Gravenhage), Herzogenbuih, See—
land, auch Süderfee (itatt Zuiders ce) und Löwen (jlämijch
Leuven, jpr. Löven).
Für die Ausſprache der übrigen Ortsnamen ift zu bemerken,
da die Forderung, fh in Scheveningen, Sciedam, Ter
Schelling uſw. zu tremmen: jsch, nad) Art des befannten weit:
fäliſchen »S:dinfen«, doc als recht pedantiſch erjheint. Warum
jollen wir denn nicht in der uns mundgerechten hochdeutſchen
Weiſe schefeningen, schiedam ufw. jagen? Ebenſo pedantiſch
ift e8, g durchaus wie ch, und zwar aus der Kehle, zu ſprechen,
3 B. in Bergen, Groningen, Geldern. Beſonders bei
legterem wäre dies ein wunderliches Berlangen, da wir dieſen
Ortönamen feit dem preußiſchen Könige Friedrich Wilhelm I. auch
als einen deutjchen (in der jegigen Rheinprovinz) haben.
Der Dranjeflug in Südafrifa, genannt nach dem ruhm—
reichen Geichlecht der Oranier, tft jo auszufprechen, wie der Name
geſchrieben wird: oränje, nicht etwa franzöfiich oder gar englifch
(örrendsch!).
(Schwediſch. Norwegiidh. Däniſch.) Als deutiche Formen
find hier außer den drei Ländernamen feitzuhalten: Botenburg,
Gotland, Schonen, Südermannland — Drontheim,
Friedrihshall — Seeland, Fünen, Jütland, Kopen—
hagen — aud der Mahlitrom, die befannte Meerenge der
füdlichen Lofoten, die nach der jtark jtrömenden, zumeilen freis-
förmig mahlenden Bewegung der Gewäſſer benannt iſt.
(Slaviid.) Bei der Schwierigkeit, welche die Ausipradie
ſlaviſcher Wörter vielfach dem Nichtilaven verurfacht, iſt es um jo
erfreulicher, daß wir die meiften wichtigeren Ortsnamen dieſer
Art in deuticher Form befigen, entweder jo, daß eine jelbitändige |
Sodom, Sidon, Babel ufw., alle auf der vorlepten betont
| mit furzgefprochener lepter Silbe — ferner die dreijilbigen Namen:
deutihe Benennung da it, wie Lemberg für Lwow, Oren—
burg für Ort (am Or, wo er in den Ural mündet), **) oder,
was häufiger ift, fo, daß der fremde Name möglichſt nach den
deutichen Lautgejegen umgemobdelt ift, wie Warſchau für Warſzawa.
Sp haben wir die Ortsnamen auf -au: Iglau, Kralau,
Mostau, Pleskau — die auf -wit (ip): Tarnomwig, Auſch—
*) Nach dem hofländifchen Seefahrer Tasman, der es 1642
entdedte,
**) Auch an den alten deutihen Namen Dorpat, Düna-
burg, Reval werden wir gegenüber den ruffiihen Vergewal—
tigungen der legten Zeit in Treue feithalten.
Zeitfhrift des allgemeinen beutihen Spradvereind, XI. Jahrgang. 189. Nr. 12,
228
wig*, Lowoſihß, Leitmerik, Teplig, Auſterlitz, Zirk—
nig, Kremnig, Schemnip ufw., femer Brünn, Olmüp,
Graz, Laibach u. a. m.
Ro die Schreibung ſchwankt, jollte die deutiche vorgezogen
werden: Gitſchin (j. Schillers Wallenftein), nicht Ziein, Ticheche,
nicht Czeche oder Gehe, Tihenftohau, nicht Czenſtochau oder
Czenſtochawa, Mohatſch, nicht Mobäcz.
Hinfichtlih der Ausiprache ift zu beachten, da die Emdung
ow allerdings im Ruſſiſchen wie off zu ſprechen it: Saratom
— sarätoff; dagegen ift dieſes w in den vielen urjpr. wendiichen
Ortsnamen des norböftlichen Deutichlands, wie auc in den davon
abgeleiteten Familiennamen durchaus ein ftummer Buchſtabe:
Srabow, Paſſow, Virchow, fpr.: grabo, passo, fircho.
Das j im Anlaut immer ſcharf = ß zu jpreden, was ja
auch namentlich, bei Sibirien und Sarepta gegen die in Deutic-
land vorberricdende Ausipradye jtreitet, wird nicht erforderlid,
fein. **)
Ebenjowenig wird es nötig fein, e in Newa, Onega u. a.
mit einem Beillang von je auszuſprechen: njewa, onjega ober
gar anjega, weil o vor der Tonfilbe — a: adessa (adjessa),
ssmalensk, paltawa, arjoll (Oret mit dem vorhin beiprochenen 1).
Wie fremdartig Mingt dies alles! Und dann lauten die Spredı:
regeln in diefen Punkten auch gar nicht jo deutlich und beſtimmt,
es heit nur: Newa »ungefähr wie Njewa«, o wie ein »Furzes
dumpfes ae (welches ſich alſo von o wohl nicht ſehr unter:
ſcheiden wird). j
(Magyariih.) Dem »GChauvinigmus«e ber hochmütigen
Magyaren gegenüber wird jeder vaterländiſch gejinnte Deutſche
um fo entſchiedener am dem deutichen Namen derjenigen Städte
fejthalten, welche durch den Fleiß und die Tüchtigkeit deutſcher
Anfiedler in Ungarn und Siebenbürgen gegründet find. Alſo:
Preßburg, Ödenburg, Stublweihenburg, Klauſen—
burg, Schähburg, Karlsburg, Therefienftadt, Her:
mannjtadt, Kronjtadt, Fünftirchen, Weißlirchen, Er-
lau, Steinamanger, Großwardein; au Ofen, Raab,
Waitzen, Gran u.a,
Die maghariſchen, meift jehr abweichenden und frembartig Hingenden
VBenennungen, wie Boizony (Pregburg), Eiztergom (Gran), Nagy:
Szeben (Hermannitadt), Pées (Fünflirchen), braucht wenigjtens
der Schüler gar nicht zu erfahren; man verſchone ihn (und uns)
damit!
Wenn wir nun zu Afien übergeben, fo treten uns bier zu—
nächſt die femitijchen (bebräifchen, phöniziihen, arabijchen) Namen
entgegen.
(Semitijch.) Die bebräiihen Orts- (umd Berfonen:)
Namen find uns durch die deutiche Bibel überliefert, die ſich hierin
auf die griechiſche Septuaginta und die lateiniſche Yulgata ftügt.
So haben wir die Bergnamen: Horeb, Karmel, Tabor,
Hermon, die Flußnamen: Jordan, Kiſon, Kidron, die
Städtenamen: Zion, Hebron, Hana, Nain nebft Asdod,
*) Die alte deutiche Form (»die Herzogtümer Aufchwig und
Bator«), die jeßt leider, wie es ſcheint, durch die polniſche
Oswierzum (pr. Ofcdwjägim) mehr und mehr verdrängt wird.
"+; Dasjelbe gilt von ſpaniſchen und italienischen Namen, tie
Salamanca, Salerno, Siraluſa, Santa Fi, ferner von
Serbien — Sinope, Siam, Sumatra — Sues, Sahara,
Sudan uſw., wo Kiepert u. a. [= ß verlangen. Ber im
Deuiſchen überhaupt gewohnt it, das | im Anlaut jcharf zu
iprechen (— #), wird es natürlich auch bier tun; wer es aber
fanft (weich) fpricht, den belaſſe man dabei.
229
Ararat, Sinai, Libanon; Kanaan, Berfaba, Jericho,
Gibeon, Nazareth, Emmaus, Bethlehem nebit Astalon,
Babylon, die auf der drittlegten Silbe betont find, ebenfo wie die
vierfilbigen: Jerufalem, Bethanien, Kapernaum, Beth—
faida u.a.
Nur wenn der Selbjilaut der Borlegten ein Doppellaut it,
wie in Baliläa (Galilaea) oder ſich auf doppelten Mitlaut ſtützt,
wie in Gomorra, ijt diefe Silbe aud) in mehrilbigen Ortsnamen
betont. Weitere Ausnahmen wie Moria (hebr. morijjäh), Ari—
mathia (aus lat. Arimathaea) werden ſich wenigſtens in bes
fannteren Ortönamen jelten finden. Was aber Samaria be
trifft, jo wäre dies allerdings nach dem Lateiniſchen auf der vor:
legten zu betonen; doch ijt in Übereinftimmung mit dem vorhin
dargelegten deutihen Geſehe die Betonung Samäria üblicher.
Wer trogbem noch Bedenken empfindet, möge Samarien jagen,
wie Alexandrien, Cäjarien.
An diefen bibliichen Formen hat man bieher noch nicht zu
rütteln gewagt, weil diejelben uns zu fehr vertraut, gleichſam in
Fleifch und Blut übergegangen find, Außerdem find die Geo—
graphen aud; wohl meilten® des Hebräiſchen zu wenig fundig,
fonft — wer wei? Bielleiht hätten wir es dann aud) bald mit
Kendan, Jeruſchaläim und Zijjön, Beericheba, Chebrön ufw.
zu thun.
Hier reihen wir noch gleich das arabiſche Jemen an, in der
Betonung jümen, vgl. Freiligraths »Löwenritte, wo es auf
Scemen reimt, und Schad (Firduft 3, 3):
»Wie Jemens Wunderitern Soheil erfcheint fie« (Nudabe).
Auch Aden ift nicht nad) englifcher Weije, fondern mit reinem a
(äden) zu jprechen.
(Berfiih.) Mehr hat man gerüttelt an der Betonung pers
fiiher Namen wie Sran, Turan, Schiras, Ormus, Tehe-
ran, Ispahan, Turkeſtan, Aſghaniſtan, nebit den übrigen
Ländernamen auf -jtan, mit Einſchluß von Hindoftan, die im
Deutihen nicht auf der lepten, jondern auf der vorlegten, be—
ziehungsweis drittlegten Silbe betont werden, womit dann auch
eine Bertürzung des a der letzten Silbe zufammenhängt.
Wer dies bezweifelt, möge doch die Werte unferer Dichter ein
wenig durchmuftern, 3.8. Goethes Wejtöftlichen Divan, Platens
Abbaffiden, v. Schads Nachdichtung des Schah Nameh von
Firdufi, Bodenjtedts Lieder des Mirza-Schaffy uſw., jo wird
er, wenigjtens für die zweifilbigen Namen, eine Fülle von Bes
weifen finden. Einige Belege mögen bier beifpielshalber folgen.
»Aus Srans und aus Turans weiten Reichen.« (Schad,
Firdufi 7, 9 und jo durch das ganze Werk.*) » Wodurd) it Schiras
wohl die Stadt — Berühmt mit Roj’ und Wein geworden ?«
(Bodenjtedt, Mirza-Schaffiy, Tiflis 1 und jo immer.) »Was ich
von Ormus dir verſchrieb.« (Goethe, W.-D. Diwan, Suleika.)
Dasjelbe gilt von Balu, Bagdad, wie auch von Kabul,
Kajhmir, Hindu, die wir hier gleich anfügen wollen.
»Den Feljen Gagras, Bafus Feuerherden.« (Gottſchall, Roſe
vom Kaufajus 2,2.) »Drauf gebt e8 mit verhängtem Zügel —
Auf Bagdad los.« (Wieland, Oberon 1, 12 und jo durch das
ganze Werk.) ⸗JIhresgleichen — Suchſt du umſonſt in Kaſch—
mirs, Kabuls Reichen.« (Schad, Firdufi 9, 22.) »Um Thaſi—
rofje und um Hinduflingen.«e (Ebd. 9, 7.)
*, Schad hat als Kenner des Perfiichen fehr wohl gewußt,
dab in diefer Sprade Iran und Turan auf der leiten Silbe bes
tont find: Irän, Turän; troßdem bat er im feiner meifterhaften
Nahdichtung des Firduſi beide Wörter, weldhe dort unzählige
Male vorfonmen, mit verfchwindenden Ausnahmen, zu denen
der Vers nötigte, auf der erjten Silbe betont.
Zeitfrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1896. Pr. 12,
230
Biel ſchwieriger iſt es, für die mehrfilbigen Ortänamen wie
Teheren, Nighanijtan, aus der Literatur zwingende Beweiſe
beizubringen. Die meiiten von ihnen kommen ja häufig genug
in Gedichten vor, aber in jambiſchen oder trodyäifchen Verſen,
und hier natürlich als Kretifer (2) gebraudt, jo Eriwan,
Ispahan in der Erzählung von Nicolai: »In Eriwan War
einst ein armer, jchlecdhter Manne«, jo Turfejtan, Hindoitan,
Kabulijtan und andere Ländernamen auf -ftan bei Schad
(Firdufi). Unbedingt beweiſend wären nur daltyliſche oder auch
anapäftifche Verſe, in welchen diefe Wörter ald Daktylen gebraucht
find. Bon jolhen Gedichten fieht mir nur Pyrkers Tuniſias zu
Gebote, wo es heißt:
Jehzt und hinfort mir ein Liebling
Sei der Türt! Aus Turfeftans jandiger Flur fid) erhebend
Kam er, ein braufender Sturm.e (Tunifias, Geſ. 9, B. 14 f.)
Bei allen aber kann ich mich auf das vorhin entiwidelte deutfche
Betonungsgejep und die damit ftimmende, im gewöhnlichen Leben,
aud) bei Gebildeten übliche Betonung berufen, nad) welcher der
Hauptton auf die drittlehle Silbe zurückgezogen wird, wie in ben
zweifilbigen auf die vorleßte.
(Indiſch.) Statt der engliichen Schreibung oftindiicher Namen,
die bisher vorherrichte, iſt deutſche Schreibung erwünjcht und auch
mehr und mehr in Gang gefommen, aljo:
Audh, Lalnau, Maijur, Haidarabad, Singapırr und
die vielen auf -pur d. i. Stadt, Kandſchindſchinga ufw.
(Afritaniſch.) Ähnliches gilt auch von den afrifanifchen
Namen:
Fes, Feſſan, Sambeji, Sanfibar, Sulu (ſtatt Fe,
Fezzan, Zambezi, Zanzibar, Zulu), Afchanti (jtatt des
engliihen Aſhantee), Udſchidſchi (itatt Ujiji), Dſcholiba
(Joliba), Sefchellen u. a.
Befonders ift zu verlangen, daß die vielen Namen, die aus dem
bisher jo dunkeln Erdteil neu zu uns dringen, uns auch in mög:
lichſt entiprechender deuticher Schreibung vermittelt werden.
(S. Karl Scheffler »Geograpgiiches«, in der Zeitiche. des a. d.
Sprachvereins Jahrg. 1893 Sp. 37.) Im übrigen find ja diefe
Namen meijt reih an Selbitlauten und daher leicht auszufprecdhen,
wie Uſaramo und Mjambara, Kenia und Mafia, Damara
und Bafofo — freilich mit einigen auffallenden Ausnahmen,
allen voran Mpwabwa! Kann man uns für diefes Wort, bei
dem man ſich die Zunge fait zerbricht, nicht eine andere, leichter
auszufprechende Namensjorm geben?
Die amerifaniicdhen Ortsnamen find ſchon vorhin (befon=
ders unter Spanisch, Portugiefiich, Englifch) berüdfichtigt; fo ift
nur nod) eine Bemerlung über den fünften Erdteil hinzuzufügen.
(Auſtraliſch.) Hier handelt es fih befonders um die deutfchen
Benennungen mehrerer Inſelgruppen, wie Geſellſchafts-Inſeln,
Freundſchafts-Inſeln, Schiffer-Inſeln, die gegenüber den
fremdipradjlihen (Zozietäts= I. ufw.) feitzuhalten find. Durch die
deutſchen Erwerbungen ift ihre Zahl und überhaupt die der
deutjchen Benennungen ja jchen gewachlen, und fie wird mit der
Zeit durch Erforihung des Innern und Beficdelung noch weit
mehr zunchmen.
In den vorjiehenden Ausführungen dürfte wenigitens im großen
und ganzen ein Bild davon gegeben fein, inwieweit es gilt, in
erdfumdlichen Eigennamen die Rechte unferer Sprache zu wahren.
Alle Einzelheiten zu erichöpfen, wäre auf dem Raume diefer Blätter
nicht möglich.
Es wäre in ber Kürze mur noch anzugeben, wie der jeßige
Stand der Dinge ift, wie ſich die Geographen, inöbelondere die
Herausgeber erdfumdlicher Lehrbücher, zu dieſer Frage jtellen.
231
Da ift von großer Wichtigfeit der Umftand, daf auf Anregung
der rühmlichit befannten Verlagsfirma Ferdinand Hirt in Bres—
lau die Verſaſſer (oder Herausgeber) einer Anzahl der verbreitetiten |
erdkundlichen Lehrbücher*) zufammengetreten find, um eine » Einie
gung über die in diefen Büchern anzuwendende Schreibweife und
Nusiprachebezeihnung der fraglihen Namen« herbeizuführen.
Das Schlußergebnis diefer fehr danfenswerten Bemühungen
fiegt vor in einem Hefte, betitelt:
» Anleitung zur Schreibung und Ausſprache der geographijchen
Fremdnamen, für die Zwede der Schule. Zweite, verbefjerte
Auflage. 1894. (Erfte Muflage unter etwas anderem Titel
erichienen 1887.)
An diefer reichhaltigen Aufammenftellung, der ein Gutachten
des Prof. Egli zu grunde gelegt ift, find erfreulicher Weife neben |
der herbeigeführten Einheitlichfeit gleichzeitig auch die Nechte der |
beutichen Sprache wieder mehr zur Geltung gelommen. In einer
Reihe von Namen ift die befondere deutiche Form hergejtellt, in
andern deutiche Schreibung oder Ausſprache. Dieſes alles ift mit
Danf anzunehmen,
Ausländerei ein Riegel vorgeihoben.
Freilich bleibt immer noch eine Anzahl Fälle übrig, die Bes
denfen und Widerfpruch erregen.
Bedenken erregt auf dem Gebiete der alten Erbbeichreibung
das unmethodiiche Gemiſch griechiſcher, lateinischer, halb griechiicher
halb lateinischer Formen. Da iſt teild die jtreng griehiiche Form
in der für und fremdartigen Betonung angeführt, wie 5. B. Lo—
tris, Helilön, teils die griechiiche nebft der in Klammern das
binterftehenden lateinischen, wie Delphoi (Delphi), Marathön
(Märathon); teils find bald grlechiſche halb lateinische Formen ges
bildet, wie Hgospotamoi, Peirieus — in welchen alſo das
griechifche «u durch das lateiniſche oder vielmehr deutiche A erjept
ift, während man os und ex belafien hat. Ägospotamoi, Peirieus
ijt doch nicht; entweder ganz griechiich Migospotamoi, Peiraicus
oder befjer ganz lateiniſch Aegospotami, Piraeus (piräus)!
Pedantiſch iſt es, wenn in niederländiichen Namen wie Sches
veningen, Schiedam, Ter Schelling die getrennte Aus—
ſprache j=ch verlangt wird (f. vorhin unter Niebderländiich).
Beſonders auffallend aber und betrübend ijt es, daß ber
deutjchen Sprache in der Betonung das ihr auch hier gebührende
Recht fortgejept vorenthalten wird, jo in europäiiden Ortdnamen
wie Bender, Korfu, Ballan, Kaſan, Witrahan, Jeka—
terinburg (mo die ruffiihe Betonung -bürg verlangt iſt), in
einer Reihe afiatiicher Namen, wie Eriwan, ran, Turan,
Bagdad, Teheran, Hindoitan, Turkeſtan, Uraf, Araljee
u. a., ferner in amerifaniichen: Labrador, Yulatan, Pa—
nama ujw. Es mag das deutjche Betonungsgeiep, weldes ſich
auch auf urſprünglich fremde Wörter erjtredt, durch die Sprad:
forſcher (z. B. Wilh. Wadernagel, |. vorhin) längſt Hargeitellt fein;
es mag außerdem nachgewiefen fein, daß ein Eigenname in bes
ſtimmter Betonung eingebürgert it, daß 3. B. Iran in hundert
und aber hundert Stellen unjerer Dichter trochätich (2) gebraucht
iſt, das findet alles feine Beachtung, das Fremde behält den Vorzug!
Aber manche Beographen gehen noch weiter; fie erlauben ſich
einfeitig Anderungen and) in Bezeichnungen, die gar nicht der Geo—
graphie allein angehören, fondern algemeinerer Art find, wie Allah,
Sultan, Emir, Jmam, Jslam, welche nun mit einem Male
*) Behr, Prof. a. D. in Stuttgart, Hummel, Seminar:
lehrer in Delikih, Dr. Marthe, Prof. am Dorotheenſtädtiſchen
Realgymnafium in Berlin, Dr. Oblmann, Überlehrer in
annover, Dr. Volz, Prof. und Königl. Gymmafialdireltor in
reslau.
Es it dadurch wenigſtens der ſchrankenloſen
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. XI Jahrgang. 1896. Nr. 12.
232
auf der feßten Silbe betont werben ſollen: allä, ßultän (ſo!),
emir ufw. In Übereinftimmung mit dem allgemein üblichen
Sprachgebrauche” bezeichnen Wörterbücher, wie das von Weigand,
der die arabischen Formen fehr wohl kennt, diefe Wörter (außer
Allah, welches ſich bei ihm nicht findet) ala auf ber vorletzten
Silbe betont. Und nun Belege aus dem Schrifttum anführen,
biehe wenigjtens bei den beiden eriten jaft foviel als Wafler ins
Meer tragen. Man muftere nur die Dichter durch von Leifing,
Wieland und Goethe bis zu Schad und Bodenftedt! Für Emir
braucht nur an Wieland (Oberon) und Freiliguatb (»der Alexan—
driner«): »Solh ein Tier bemältiget fein Schah, fein Emir«e —
erinnert zu werben.
Auch das Lama, deffen Name uns ſeit NRobinfon in eben
diefer Form geläufig iſt, foll nicht mehr fo, fondern ftreng ſpaniſch
Llama (ſprich hjama) heißen. Die Naturforfher, 3. B. Brehm,
Leunis, nennen ed Lama, lat. Auchenia lama. Die lateiniiche
Form wird man auch nicht ändern, die Nechte des Lateinischen
achtet man, die des Deutichen — »ja, das ift ganz was anders!«
Auf diefem Standpunkte der Mißachtung des Deutihen fteht
neuerdings auch Bölkel-Thomas, Taſchenwörterbuch der Aus—
ſprache geographiſcher und Hiftoriiher Namen. Zweite verbefferte
und vermehrte Muflage, bearbeitet von M. Bölfel, 1895. Da
finden wir nicht allein die an dem Hirtſchen Verzeichniffe gerligten
Übelftände, fondern auch alle die alten Verfehrtheiten, die man
ſchon befeitigt glaubte, wie Neiäggärä, Cänädi, Njus yaundländ,
Maͤhriſchjös, Kärrofeinä ufw. ufw. Für Gibraltar wird vor—
geichrieben: däibraltär, halb engliſch, halb ſpaniſch, für Tichens
ſtochau u. a. kennt Völkel nur die jlavifchen Formen, wobei uns
die jlavifchen (und magyariſchen) Unteriheidungszeihen, wie &,
8, 2, 6, A uſw. nicht geichenft werben.
Auch Kirchhoff, in feiner ſonſt ſehr anziehend geichriebenen
»Schulgeographier, räumt der deutſchen Sprache dad gebührende
Recht keineswegs in ausreichenden Mahe ein.
So ift denn auch im dem Bereich erdfundlicher Eigennamen
fort und fort treue Wacht zu halten, daß unfere Sprache und
damit zugleich das vaterländifche Gefühl nicht durch übertriebene
Nachgiebigteit gegen das fremde gejchädigt werde.
Rleine Mitteilungen,
— Deutfhverleugnung Ein Mitglied unferes Vereines
in Elberfeld jandte der Schriftleitung vor kurzem einen ibm zus
gegangenen Brief der Herren Franz Uri & Eo., Etui»
Fabrik, in Unter-Reihenbad bei Pforzheim, an den ein
gedrudter Zettel gellebt war mit der Aufichrift: » Adresser s. v. P.
vos correspondances A l’avenir Franz Ulrich & Co. Unter-
Reichenbach prös Pforzheime Die Schriftleitung wurbe ge
beten, die Gejinnungslofigfeit des Verfahrens dieſer Herren zu
brandmarken; fie wandte fich aber, um ganz fiher zu gehen, vor«
her an das Haus in Umter-Reichenbady und bat in böjlicher Weile
um Aufklärung. Darauf fam die mit groben und ſpöttiſchen Be—
mertungen gejpidte Antwort der Firma, da fie fat ausſchließlich
mit dem Auslande arbeite und es nicht fr nötig erachtet habe,
für die wenigen von ihr nach Deutichland gejandten Briefe be
jondere Zettel druden zu laſſen. ine jolde Handlungsweije iſt
oft nur ber Ausflug jener Gedantenlofigkeit in nationalen Dingen,
bie ja leider ein Erbteil der Deutjchen zu fein ſcheint und bie ſich
> B. auch darin äußert, daß deutjche Kinder in englifche Marine:
uniformen gejtedt und ihnen Mützen mit Inſchriften wie »H. M. 8.
(— Her Majesty's Ship) Britannic« aufgefeßt werden. Die Herren
Ulrich und Co. jcheinen aber nicht bloß gedankenlos, fondern ganz
233
ohne Gefühl für nationale Würde zu fein, denn fie finden auch
nicht ein Wort der Entjchuldigung für ihre Gebahren. Deutjches
Empfinden ift bei ihmen wohl nur in Bezug auf eine wenig er-
freuliche Seite germaniicher Eigenart — die Brobheit — entwidelt.
— Über die Wertihäpung der Mutterfprade bei
den Deutfchen im Auslande enthält ein uns freundlicht zur
Verfügung geftellter, an den Geheimen Baurat Sarrazin in
Berlin gerichteten Brief des befannten Naturforschers Brofefior
Dr. Frig Müller in Blumenau in Brafilien (Provinz Santa
Catharina) eine Herzerfreuende Außerung, die wir unfern Leſern
nicht vorenthalten möchten: »Erjt hier im Auslande — fo ſchreibt
ber Töjährige Gelehrte — habe ich meine Mutteriprache fo recht
lieb gewonnen und ein reines Deutich ſchäßen gelernt. Schon
lange vor dem Erſcheinen Jhres Buches habe ich mich bemüht,
meine Aufſätze über Tiere und Pflanzen meiner neuen Heimat
von griechifchen und lateinifchen KAunftausdrüden frei zu halten,
die nur dazu dienen, den Laien gegenüber ein gelehries Ausſehen
zu geben. Dan führt oft für die Nüpflichkeit, ja Notwendigkeit
folcher Worte an, daß fie ohne weiteres auch Musländern ver
ftändlich find; aber wer einen deutfchen Aufjag leſen will, muß
doch, deutſch lernen und verjtebt dann einen gut gewählten deutjchen
ſtunſtausdruck auch ebenfo gut oder beſſer als einen griechiichen.
— Alle jüngeren Naturforicher verjtehen ja heutzutage deutſch,
fo gut wie jeder deutſche Naturforfcher mindeftens englifch, fran-
zöſiſch und italienisch verstehen muß und ſelbſt hollündiſch, däniſch
und ſchwediſch laum entbehren kann.« — Wir ſchließen die Mit—
teilung mit einem herzlichen deutſchen Gruß an unſern berühmten
Landsmann und Geſinnungégenoſſen in der Ferne!
— Vor einigen Monaten jtellte der Aweiqverein Neichen:
berg an den Stadtrat und den Theaterauffichtsrat das von ent-
fprechenden Vorfchlägen begleitete Erſuchen, an Stelle der im
Reichenberger Bühnenweſen gebräudjlichen Fremdwörter deutiche
Bezeichnungen einzuführen. Beide Hörperichaften gingen bereits
willig auf die geäußerten Wünfche ein, und jo zeigen jeit Beginn
der neuen Spielzeit (früher Saison) die Ankündigungen der Bühnen-
leitung die neueingeführten deutfchen Ausdrüde. Am Theater —
diefes Wort ift beibehalten worden wie auch »Loge«, troß aller
Bemühungen, dafür das zu Grumde liegende deutjche Wort
»Laubee zur Geltung zu dringen — hatte der Stadtrat ſchon
vorher, ohne die nicht unerheblichen Koften zu ſcheuen, die alten
fremdiprachigen Aufſchriften entfernen und dur neue rein
deutiche erſetzen laſſen. An Stelle der Direktion ift nunmehr eine
Leitung getreten, die Sammelbezeihnung Negie und techniiches
Perſonal ift dur; Leitung und Betriebsbeamte erjegt worden.
Die Regifjeure nennen ſich Qeiter des Schauſpieles und Luſt—
ſpieles ufw., der Gorrepetitor beißt Chorlehrer, ber In—
ſpizient Spielwart. Der »Kajjierer und Inſpektor « beſcheidet fich
mit dem Namen »Zahlmeifter und Verwaltere, ber 1. und
2. Garderobier heit 1. bezw. 2. Gewandmeijter, der Souffleur
Nachleſer, und das Perſonal ericheint auf den Zetteln als dar:
ftellende Perfonen. Garderobe finden wir nicht mehr, wohl
aber Kleiderräume, die vom Kleiderwarte beauffichtigt
werben; Novitäten werben nicht mehr gegeben, fondern nur
Neuheiten, und die Stüde find nur im Spielplane, nicht
aber mehr im Nepertoire anderer Bühnen enthalten. Aus dem
Indifateur ijt ein Pläßes Verzeichnis geworden. An Stelle
der Parterrelogen, Projceniumslogen ufw. find Untere Logen,
Fremdenlogen und 1. Rang-Logen getreten. Für Ordejters
Fauteuil, Parquett-Fauteuil, Parquett- und Parterre-Fauteuil
wurden die Bezeichnungeu 1. Sperrſiß in den erſten
2 Reihen, 1. Sperrſihß in den übrigen Reihen, 2. Sperr—
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1896. Nr. 12, 234
fig in den erften 2 Reiben, 2. Sperrfig in ben übrigen
Reigen eingeführt. Parterre-Stehpläpe heißen jet Untere
Stehpläge An Stelle von Gamifon» und Studentenlarten
verlangt man Militär- und Schülerkarten, und zwar nicht
gegen Legitimationsfarte, fondern gegen Ausweis. 1. Nang
Mittelbalton heißt nun kürzer 1. Rang. 2. Rang Mittel- und
Seitenbalfon ward zum 2, Rang Mittel» und Seitenſitze.
Ampbitheaterfige und Amphitheater: Stehpläße jühren endlich die
Bezeichnung 3. Rang: Sippläße und 3. Rang-Stehpläße.
Abonnements-Harten und Abonnements Bedingungen erfcheinen
auf den Anfündigungs: Zetteln als Stammjig-Karten und
Bedingungen für Stammjiplarten; ebenfo fprechen biefe
Zettel von Einnahmen an Stelle von Benefizen. — Der
Neichenberger Zweigverein darf wohl mit Recht auf diefen Erfolg
ftolz fein und iſt der geehrten Stadtvertretung wie dem Leiter
der ſtädtiſchen Bühne zu großem Dante verpflichtet. — Hoffent—
lich folgen andere Städte dem Reichenberger Beijpiele bald nad).
Zur Shärfung des Sprachgefübls.
16) »Das abjolute Recht
der Majorität ift der grüßte
Deſpotis mus und zugleich die
größte Abjurdität.« (Lieb:
fnecht im »Bormwärtd«, Sep:
tember 1896.)
17) »Er war uns ein leuch⸗
tendes Vorbild, deſſen Pilicht-
eifer, ſowie feinen edlen
Herzenseigenihaften mir ſtets
ein ehrendes Andenken bewahren
werden.e (Aus dem Nachrufe
für einen Berftorbenen.)
16) Das unbedingte Necht der
Mehrheit ift die gröfte Zwangs⸗
berrichaft (Knechtungh und zus
gleich die größte Ungereimtheit.
17) Er war ums ein leuch—
tendes Borbild; jeinem Pflichte
eifer fowie jeinen edlen Herzens
eigenfchajten werden mir jters
ein ehrendes Andenten bewahren.
Das Fürwort fein (feinen edlen Herzenseigenfchaften«)
mühte wegfallen, da deffen vorausgeht; aber bejjer jtatt des
Relativſahes ein Hauptfaß, da » Pilichteifer« und »cdle Herzens:
eigenschaften« nicht von dem »leuchtenden Vorbild« ausgefagt
werben jollen.
18) » Zwei hinter einem @e-
treidefelde verborgen gewejene
Strolche warfen ſich auf den ein—
famen Wandler, würgten und
mikhandelten ihn und entriffen
ihm das Portemonnaie und
andere Gegenjtände. Schließ—
ih haben die Räuber den
PVeraubten zu Boden geworfen
und derartig geichlagen, da
der benupte Stod in viele Stüde
zerbroden ift und der Miß—
handelte mehrere Verletzungen
davontrug.s (Aus dem Berichte
einer ſächſ. Zeitung über einen
NRaubanfall im Nuguft 1896.)
Unrichtiger Gebraud) der Zeitformen.
18) Zwei Hinter einem Ge—
treidefelde verborgene Strolche
warfen fich auf den einſamen
Wanderer (einfam Wandelnden),
mwürgten und mißhandelten ihn
und entriffen ihm das Seldtäfch-
den und andere Gegenftände.
Scliehlich warfen die Räuber
den Beraubten zu Boden und
ichlugen ihn derartig, daß der
dabei benutzte Stod in viele
Stüde zerbrad, und der Miß—
handelte mehrere BVerlegungen
davontrug (getragen hat).
Das Niederwerien,
Schlagen und Zerbrechen des Stodes gehört derfelben Zeitjtufe
an wie die vorher geichilderte Thätigfeit der Strolde. Das
bier unrihtig angewendete Perfekt ift zuläfjig bei dem Davon—
tragen der Verletzungen, das als in der Gegenwart ſortbeſtehend
angejehen werben fan. — »Berborgen gewejene Strolcde«
— unſchöne und überflüfjige Genauigfeit des Amtsſtils.
235
19) »Se. Majejtät der König
hat für ben fatbolijchen
Kirdhenbau in Plauen i. ©.
1000 M. geipendet.e (Zeitungs:
nachricht vom 9. Oktober 1898.)
19) Se. Majeität der König
bat für den Bau der latholiſchen
Kirche in Plauen i. V. 1000 M,
geipendet.
Bas iſt fatholiich, der Bau oder die Kirhe? Vgl. »ges |
riebene farbenhandlunge, ausgeſtopfter Tierhändler«, »wols
lener Warenfabrifante, »grober Unfugsparagraph «, »reitende
Artilleriekaſerne · — Wer an dem doppelten in (in Plauen i. V.)
Anjtoh nimmt, fan dafür jagen: zu Blauen i. V.
Geprüft von den Herren Behaghel, Brenner, Erbe,
ähns, Khull, Lohmeyer, Lyon, Matthias, Pietich,
aaljeld, Scheffler, Scemüller, Wappenbans, Wunderlich.
Bemerkungen über die Übungsfäpe, Beiträge u. a. bittet man
ae an Profefjor Dr. Dunger in Dresden-W., Schnorr-
traße 3.
einge,
rejiel,
Bücherſchau.
— Harder, Franz, Werden und Wandern unſerer
Wörter. Etymologiſche Plaudereien. Zweite, weſentlich ver—
mehrte und verbeſſerte Auflage. Berlin 1896, R. Gärtner.
204 S. 8°. IM.
Das Bedürfnis, die Ableitung und ursprüngliche Bedeutung |
der Wörter kennen zu lernen, hat jeßt in weiteren reifen uns
zweifelhaft zugenommen, nicht zum mindeften dank der Thätigkeit
des allgemeinen deutjchen Sprachvereins. Unter diefen Umftänden
werden ⸗etymologiſche Plaudereien« auf eine anfchnliche Zahl auf:
mertſamer Zejer rechnen dürfen, zumal wenn fie fo gediegen find,
wie in dem Harderſchen Buche. Dies find »Plaudereien« im
beiten Sinne des Wortes, gleich frei von überflüfiigem gelehrten
Aufpuge, wie von dem frankhaften Streben, angenehm zu unters
halten, das manchem ähnlichen Buche eigen ift. Dabei beruhen
fie auf ——— und gewiſſenhafter Benutzung der beſten Hilfe-
mittel (Grimm, Kluge, Diez u. a.) Sie find nach fachlichen
Gefichtöpunkten geordnet: Kleidung, Nabrungs- und Genuß:
mittel uſw., und gewinnen bejonders durch die kulturgeſchichtlichen
Demerlungen, die fih an die Worterflärungen anfchließen.
eifrig der Verſaſſer bemüht geweſen tft, auf Grund der neuejten
Forſchungsergebniſſe, beionders von Otto Schrader, zu ergänzen
und Unſicheres zu befeitigen oder zu berichtigen.
ziehung bätte bin und wieder noch mehr geichehen können, So
ift die Ableitung von »Wirt«e S. 147 jeher fraglich. Manches
Fernerliegende wäre vielleicht entbehrlich, während ich anderes ver:
miſſe, 3. B. im 3. Abjchnitte (Haus) die Wörter » Mauer, Pforte,
Speichere oder ©. 74 einen Hinweis auf die geichichtliche Ent: |
wicklung der Bezeichnungen >» Hauptmann — Major — Generale
mit ihrer lehrreichen Steigerung. »Guerre = Wehr« (S. 76) iſt
wohl ein Berjehen; das romaniſche Wort ift vielmehr aus »wirren«
hervorgegangen. Doch wer vermöchte ein joldes Buch, das fo |
viele Spraden und Nulturverbältnijie zu berüdfichtigen bat, ohme
jeglichen Irrtum zu jchreiben? Der Wert des Ganzen foll damit
nicht gejchmälert werden. Das Buch fei den Vereinsgenoſſen
warm ans Herz gelegt; fie finden darin über viele deutiche umd
noch mehr Yehn- und Fremdwörter zuverläffige Belehrung in
gemeinverjtändlicher Form und, wenn fie wollen, auch eine Anzahl
gelehrter Anmerkungen. Der Verfafier wird ſeme Abjicht, » einem
gebildeten Leſer Bergnügen zu bereiten«, ficherlich erreichen,
Braunſchweig. Karl Scheffler.
Eingeſandte neue Druclſchriften.
German, C. J. Billard-Studien nebſt einer Anleitung zum
Selbſtunterricht im Billardſpiel. Freiburg i. B. 1596. Ernſt
Harms. 143 ©. (Der Berfaffer bat in ſeiner wiſſenſchaft⸗
lichen Bearbeitung des Billardipiels eine Neibe der bei dieſem
Spiele gebräuchlichen Fremdausdrücke verdeuticht, z. B. fagt
er ftatt quene — Spieljtod, jtatt earambolag» — Treffer:
partie ujw.)
Ein |
Vergleich mit der erjten, 1884 ericienenen Auſlage zeigt, wie |
In diefer Bes |
Zeitſchrift bes allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1896. Nr. 12.
! Wajjerzieber,
236
Emil, Aus dem Leben der deutſchen
Sprache. Leipzig. Siegbert Schnurpfeil. 64 S. 0,0 M.
(Soll denen zur Einführung in die deutiche Sprache dienen,
die den eigentlich wiſſenſchaftlichen Weg nicht betreten können,
und behandelt in anfprechender, leicht verftändlicher Weile
die widhtigiten Vorgänge in der Entwidlung der deutſchen
Sprache, ferner »ogit und Aſthetik in der Sprache«, » Doppel-
formen, Bilder, Ortönamen, Familiennamen« ufw.)
Kaijer und Reich. Goldene Blätter aud den Thaten und
Worten des Kaiſers Wilhelm I. und feines Reichskanzlers
des Fürſten Bismarck. Stuttgart. J. F. Steinfopf. 345 ©.
200 M. (Emtwirft wejentlid an der Hand der Erlafje Kaiſer
Wilhelms I. und der Meden Bismards ein Bild von der
Begründung und dem Ausbau des deutfchen Neiches. Grade
durch dieſe ftete Anführung der Worte des Kaiſers und des
großen Stantsmannes erhält die Daritellung etwas ungemein
Anziehendes und Anſchauliches. Der verbindende Text iſt in
reinem Deutich abgefaßt. Das Buch fcheint ſehr geeignet,
nationales Empfinden zu fördern, und ift daher angelegentlich
zu empfehlen.)
Deutichkalender für das Jahr 1897, —* Auftrage des
Deutſchbundes herausgegeben von Auguſt Engels. lin,
Verlag des Deutihbundes. VIu 24068. 0,50 M. (
Kalender mill den Mangel an nationalem Bewußtiein, an
dem das beutiche Volk leidet, befümpfen und das deutſche
Gewiſſen weden. Er bietet neben den in Kalendern üblichen
Verzeichniſſen von vaterländifchen Gedenktagen, ®infen für
Gartenbau uiw., —— und Aufjägen für das Volt auch
ein Verzeichnis deuticher Namen für jeden Tag. Die Spradhe
ift rein von überflüffigen Fremdwörtern.)
von Wilpert, Richard, Rätſel. Movellen. Berlin. Deutice
Schriftitellergenofienichaft. 148 ©. 2,00 M. (Wie in allen
feinen Werten, befleipigt fich der Verfaſſer auch im diejer
Novellenfjammlung einer rein deutichen Sprade.)
Seitungsihan.
NAuffäpe in Zeitungen und Zeitfchriften.
M., Dr. E. Aus der Dihtung der Gegenwart. — Bonner
Zeitung 30. 10. 96. (Befünvortet die Einrichtung regel:
mäßig wiederlehrender Vortragsabende, an denen von geübten
Vorlefern die ſchönſten Erzeugniſſe der neueren Dichtung zu
Gehör zu a wären. Solche Vortragsreihe fei mit den
Kammermufit: Abenden zu vergleichen; wie dieſe, würde fie
zur Bertiefung und zu weiterer Beichäftigung mit dem Ge—
botenen anregen. Der Bonner Zweigverein, der jchon im
vergangenen Winter ſolche Vorträge mit großem (Erfolge
veranstaltet hat, gedenkt die Einrichtung zu einer ftändigen
zu machen und dadurch auch zu beweifen, dak er nicht fedig:
lid; Fremdwörterhetßze betreibt, ſondern des hohen Endzieles
des a. d. Sprachvereins eingedent ift.)
Garnid, Karl, Spradlide Mißbräuche. — Düffeldorier
Neueite Nachrichten 25. 8. W. (Enthält eine Reihe bes
berzigenäwerter ſprachlicher Mahnungen, fo betreffs monatigs
monatlich, beftmöglichit, direlt, Yagerift ufw.)
v. Pfiſter-Schwaighuſen, Hermann, Über Fremdwörterei.
Wormjer Zeitung 24. 8. W. (Der Voriger unferes
Aweigvereind Darmjtadt wettert bier in jeiner befannten
Weiſe nicht nur gegen die Fremdwörter, jondern auch gegen
den Grundjaß des a. d. Epradwereins: »Kein Fremdwort
für da&, was deutsch gut anägedrüdt werben fanne, den er
lahm und eine Huldiqung für die tapfere Gefinnung nennt,
die der Vollsmund mit dem Worte fennzeichnet: ⸗Waſch mir
den Pelz und mach mic nicht nahe Weiter beißt es: »Mit
foldjen Grundjägen können wir feinen Schritt weiter fommen.
.... Auberbem befundet der Grundſatz eine völlige VBerfennung
des Weſens aller Sprachbildung, und ich lann unter ger
maniſtiſchem Gefichtspunfte, als einftiger Schüler Jalob
Grimms, nur lebhaft beflagen, wenn aud fahmähige Hoch
Ichrer germaniftischer Wiffenichaft ihre Namen dazu hergeben,
gelegentlich unter dem Aufrufſe dieſes oder jenes Vereins mit
zu ericeinen.e Es iſt fchwer zu begreifen, daß Serr
von Pfiſter immer nod) einem Verein angehört, defjen Auf:
237
rufe feiner Anficht nach kein »fachmähiger Hochlehrer germa—
niſtiſcher Wifienichaft« unterzeichnen ſollte.)
Das Niederländiiche ala Fundgrube für Verdeutihungen.
— Lothringer Zeitung, Mep (Nr. 206/207) 5. u. 6. 9. 96.
(Weift auf die Thatfache bin, daß viele in früherer Zeit auch
in der Schrift übliche deutiche Wörter durch Fremdlinge vers
drängt worden find und fich nur in den Mundarten erhalten
haben. Die Mundarten find aljo eine Fundgrube für Ver—
deutichnngen. Dies gilt befonders für das Niederländiiche,
was der Berfafier in eingehender und fefjelnder Weife unter
Anführung zahlreiher Beijpiele darlegt. Schr lefenswerte
Abhandlung!)
Die Schriftleitung (Groß-Lichterfelde bei Berlin, Drafe-
ftraße 3) itellt den Lejern der Beitichrift die oben und
früher bier aufgeführten Auffäße ufw. gerne leihweije
zur Verfügung.
Aus den Smweigvercinen.
Breslau. Prof. Juriſch beiprach am 2. November eine Reihe
von Breslauer Spradhjünden, bejonders ſolche, die auf Ge—
ſchäfts- und Strahenfchildern, jowie auf Speifelarten öffentliches
Ärgernis erregen.
Chemnip. Der auf Anre ung des heimgegangenen Dr. Gelbe
am 2. November 1871 ale Verem für deutihe Sprache begrün-
dete hiefige Ziveigverein beging am 8. November das Feſt feines
25jährigen Beſtehens. Lehrer Jochen trug einen von ihm ges
Diehteten, die Mutterfprache und ihre Pfleger feiernden Feſtgruß
vor, und der Voriger, Schuldireftor Helle‘, hielt die Feſtrede über
den Einheitödrang in deutichen Liedern. Dem hierauf von
dem Scriftwarte, Oberlehrer Laudner, eritatteten Feitberichte
ift zu entnehmen, daß der Berein während feines 25 jährigen Be—
ftebens 136 Eikungen abgehalten bat, in denen 101 Vorträge
eboten und mehr als 350 Fragen aus dem Bereiche ber Mutter«
prache behandelt wurden.
Dresden. In der Sigung am 22. Oftober hielt Dr. Ed=
bardt einen Vortrag über Berthold von Regensburg, einen
Franzisfanermönd, der im 13. Jahrhundert als Wanderprediger
mit ungeheurem Grjolge wirkte, und defien Predigten für den
Sprachſorſcher und den Kulturhiſtoriker eine ungemein reiche Fund⸗
grube bilden. Alsdann verlas Geheimrat Häpe einen Nuflak
aus der Zeitichriit »Seimdall«, der den a. d. Spradyverein ans
greift, weil er nicht voltstümlich genug fei, nicht genügend Einfluß
auf die Prefie zu gewinnen ſuche und zu wenig Eingaben an die
mahgebenden Behörden mache, Durch eine eingehende Schilderung
x — des Haupwereins widerlegte der Redner dieſe
orwürfe.
Ejjen. In der erften Winterfigung am 26. Oftober ſprach
farrer Klingemann über die bedrohte Stellung bes
eutfhtums in der Schweiz, insbejondere an der frans
zöſiſchen Sprachgrenze, und zeigte, wie zwar das Deutiche |
vielfach, im Vordringen begriffen, aber doch in manchen Gegenden
ein Rüdgang zu verzeichnen jei. Dies babe feinen Grund einer:
ſeits in dem jchlaffen Auftreten der Deutihen den Franzofen
—— andrerſeits in der Begünſtigung der franzöſiſchen
inderheiten durch die Kantonalverwaltung, die Schule und die
irche.
Frankfurt a. M. Nachdem der Vorſitzer, Dr. Gantter, dem
veritorbenen Vorſtandsmitgliede Stadtſchulrat Bornemann einen
Nachruf gewidmet hatte, ergriff Dr. med. Aſch das Wort zu
einem Vortrage über die Verdeutſchung ärztlicher Aus—
drücke, dem er den von Oberſtabsarzt Dr. Kunow verfaßten
Entwurf eines Berbeutichungsheites der Heilkunde zu Grunde
legte. Der Redner iſt im allgemeinen dafür, Benennungen von
Krankheiten nicht zu verdeutjchen, da zahlreiche medizinische Kunſt⸗
ausdrüde das Gemeingut der Willenjchaft in allen Yändern ge-
worden jeien, und ihre Verdeutſchung geradezu ein Hindernis tm
wiſſenſchaftlichen Verlehre der Länder unter einander jein wiirde;
und weil es ferner jchädlid) wäre, wenn der Ktranfe oder jeine
Umgebung alle von dem Arzten verwendeten Ausdrücke verjlän-
den. Es dürften daher nur völlig entbehrliche Fremdwörter ver-
deuticht, und bier müjje bejonders bei der Hochſchule der Hebel
angejegt werden. Der Vortrag rief eine lebhafte Erörterung her:
vor, in der betont wurde, dab wenigſtens bei Veröffentlichung
ärztlicher Aufjäge in Tageszeitungen Fremdwörter unbedingt zu
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Spradivereind. XI. Jahrgang. 1896. Nr, 12,
|
ı
Wechſelwirkun
238
vermeiden feien. Zum Schluſſe teilte noch Herr May mit, daß
auf feine Veranlaſſung bei der Aufſtellung der Wahlurkunde
— Bahlprotofoll) für die Stadtverordnnetenwahl nicht weniger
—* 15 Fremdwörter durch gute deutſche Ausdrücke erſetzt worden
eien.
Görlig. In feinem Vortrage über dad Verhältnis von
Sprade und Geſchichte am 14. November ging Oberlehrer
Dr. Theodor Matthias von den Sprachkämpfen an der Dit:
und Mordgrenze des Meiches aus, deren Bitterfeit er daraud er—
tlärt, daß die Spradye das deutlichjte und deshalb am nadıbal-
tigjten verteidigte Mittel fei, durch das man bie Bugebörigteit zu
einem Bolfe einräumen und verneinen fünne. Indem er an aller-
neueſten Wendungen, wie: Rache für Sadowa, das Neiten des
in den Gattel gehobenen Deutschlands, Unwägbarkeiten in der
Staatäfunft, zeigte, wie fortwährend durch die Geſchichte neuer
Sprachinhalt gemacht werde, im übrigen aber auf die Laut- und
Wortgejchhichte, die freilich zugleich eine Geiftedgeihichte ſei, nicht
einging, behandelte er vor allem die greifbaren ebniffe der
zwiſchen der Sprache und der politifchen und
Kulturgeſchichte. Er wies nad, dab zwiichen diefen haupt:
ſächlich ein vierfaches Verhältnis beftehe, indem Sprachinhalt und
Spradform in gleicher Weife Urjache wie folge der geſchichtlichen
Entwidlung fein fünnen. Dann wurden im einzelnen die wid
tigiten Ergebnijje der deutihen Sprach- und Staatengeidichte be-
leuchtet: die Mufnabme der römischen und chriftlichen Kultur, die
Völkerwanderung und Yautvericiebung, die deutichsfranzöfiiche
Spradigrenze von 870 und 1870, die Befiedelun der Lauſitz und
Schlefiens, die Wirkjamteit Luthers, und die Bildung der neu—
hochdeutſchen Schriftiprache, die erft durch Schiller, Goethe und
die Nomantifer wirllich fertig wurde und ohne deren Fertigwerden
die Begründung der Neichseinheit von 1870 unmöglid; geweſen
wäre. Der von warmer Begeilterung durchwehte Vortrag ſchloß
mit einer Würdigung der Hauptaufgaben des a. d. Sprachvereins.
Graz. Die Novemberfipung wurde durch einen Bericht des
Vorſihers, Prof. Dr. Khull, über die Hauptverfammlung in
Oldenburg eingeleitet, worauf Bürgerſchullehrer Heuberger einen
Vortrag über Fremdwörter in der fteirifchen Mundart
und der ländlihen Umgangsiprade hielt. In der darauf
folgenden Erörterung wurde beichloffen, den Vollskalendern Auf:
jäge über das Fremdwörterunweſen zu überweiien und Borträge
in der Art des Heubergerichen auf den Bezirfälcehrertagen zu halten.
Heilbronn. Am 11.Nov. ſprach Oberftudienrat Dr. Preſſel
über die Spradie des neuen bürgerlihen Geſeßbuches,
wobei er zu dem gleichen Ergebnijje fam wie Oberlandesgerichtös
rat Erler in der Schrift, die der legten Mr. diefer Zeitſchr. bei—
geient worden iſt. Hierauf erörterte der Redner die Frage:
ateinifche oder deutihe Schrift? Er behandelte die Ent-
ſtehung der deutichen Schrift und trat für die Einführung der
lateinischen Schrift in die Schulen ein, da fie eine wejentliche Ver—
einfachung des Unterrichts zur Folge haben würde. In der Be—
ipredjung über diefen Gegenitand wurde von den Anweſenden
zwar der Borzug der lateinischen Schrift für die Schonung der
Augen anerfanıt, doc wurde ihre Wiedereinführung nicht bes
fürwortet.
Kiel. Am 11. November ſprach Rektor Bruhn über bie
Schweizer Dichterin und Jugendihriftitellerin Johanna Spyri.
Magdeburg. Bor zahlreihen Zuhörern hielt das Ehrens
mitglied des Man ‚au Zweigvereines Oberlehrer a. D.
Dr. Saalfeld aus Friedenau am 9. Novbr, einen Bortrag über
Guſtav Freytag und feine Verdienfte um das Deutſch—
tum, in dem er zeigte, wie meilterhaft der Dichter in feinen
Ahnen ein Bild — Werdens und Weſens zu geben ver—
ſtanden babe. (liber denſelben Gegenſtand ſprach Dr, Saalfeld
am 10. Novbr. im Zweigv. Berlin-Charlottenburg.)
Marburg Der Rorjiger, Dr. Mally, erläuterte am
12. November in einer Aniprache Ziel und Zwed des Vereins und
erteilte dann dem Schriftleiter Kordon das Wort zu einem Ber
richte über die Flugſchrift »Sermanen-Spiegel über alls
deutſche Künnen und Spradene« von Hermann von Pfiters
Schwaighuſen.
Marienwerder. In der erſten Winterverſammlung am
12. November hielt Oberlehrer Braun einen Vortrag über
den Einfluß des Chriſtentums auf den Wortſchatz der
deutſchen Sprade. Im erften Teile feiner Ausführungen wies
239
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 189%. Nr. 12.
240
er darauf hin, daß unter dem Cinflufie des Chriftentums Be—
griffe wie Glaube, Neue, Buße, Demut, Schuld und andere teils
neu gebildet worden feien, teild ihre urſprüngliche Vedeutung vers
loren und einen religiöjen Inhalt erhalten hätten, während er im
zweiten Teil an der Hand zahlreicher Beiipiele zeigte, wie mit
der Annahme des römiſchen Chrijtentums eine Menge lateinischer,
die äußere Seite des firdlichen Lebens betreffender Ferenc
in den Wortihaß der deutſchen Sprache übergegangen find.
Münſter. Der Bweigverein beging am 5. November bie
— ſeines 10jährigen Beſtehens. Der Vorſitzer, Profeſſor Dr.
ndrejen, gab zunächſt einen kurzen Rückblick auf die Geſchichte
bes Vereins, in dem er auch der Wirkjamfeit des Iangjährigen
VBorfigenden Geheimen Archwars Dr. Keller gedachte. Sodann
verbreitete fich Privatdozent Dr, Julius Schwering in längerer
Rede über Franz Grillparzer und fein Verhältnis zu
den Norddeutichen.
Neuruppin. Dem Einflufie des Amweigvereines iſt es zu
verdanten, daß der Ausdruck »Restaurante bier auf Schildern
faft gänzlich verſchwunden iſt. Cine der lepten derartigen ns
Ichriften, nämlich »DOtto Krulls Reſtaurant«, ift entfernt worden,
und an ihre Stelle ift die Bezeichnung » Gejelichaftshaus — Gaſt⸗
wirtjchaft« getreten.
Wermelskirchen. Nad Erledigung von Bereinsangelegens
beiten führte der Vorſitzer, Rektor Idel, im Hinblid auf den
angelündigten Vortrag aus, dak der Aweigverein ſich nicht auf
das ſprachliche Gebiet allein beichränte, jondern auch beiehrende |
und unterhaltende Gegenftände aus anderen Wifjenjchaftszweigen, | \ T
verwilderung ſchon in der Schule entgegengetreten werden mühte.
fowie brennende Tagesiragen in den Bereich feiner Thätigfeit
ziehe, um dadurch gleichfam einen Bildungsverein zu erſetzen und
die Teilnahme feiner Mitglieder ſtets rege zu erhalten,
hielt Oberlehrer Röhr einen Vortrag über Eleltrizität.
Brieflaſten.
Herm Hauptmann W..., Bruchſal. Die Behauptung der
»Hatao-Berfandt-Compagnic« in Halle, daß Waren mit
deutfchen Bezeichnungen vom Kaiſerlichen Patentamte nicht geſchützt
werden, entbehrt jeder Vegründung.
Compagnie, wie wir auf eine Anfrage beim Staijerlichen Patent:
amte erfahren, gar nicht die Wörter Helios-Nalav, Sanitas - talco
und Economia-Satao, jondern vielmehr figürlihe Zeichen als
Schutzmarken eintragen laſſen, jogenannte Muiteretifetten, bei
denen die Wörter allein gar keinen Schuß geniehen. Der Schutz
tommt nur der figürlihen Anwendung des Ganzen zu jtatten,
der im wejentlichen in einem Bilde beitebt. Es iſt aljo durd)-
aus unrichtig, wenn die Compagnie Ihnen fchreibt, fie hätte
fremdiprachlihe Ausdrüde mählen müſſen, um Ppatentamtlichen
Schuß für ibre Waren zu erhalten.
Herrn E. 9. G..., Hamburg Aus Ihrer geil. Zuſchrift
erfehen wir zu unferm lebhaften Bedauern, dah der Berliner
⸗Kaiſerhof« das auf Spalte 222 der v, N. (Brieflaften) ges
kennzeichnete Berfahren des »Hötels Birtorin« in JIunsbruck ein
ichlägt, indem er feine Rechnungen in franzöſiſcher Spradie aus:
jtellt und zwar nicht etwa bloß für Ausländer, jondern aud) für
Deutſche. Wir find ganz Ahrer Meinung, daß der Wirt, der
dies zuläßt oder gar anordnet, den guten deutſchen Namen
Kaiſerhof jchändet.
Herrn W..., Koblenz, Wenn ein Aweigverein des a. d.
Epradjvereins mit Anzeigen an die Dffentlicheit tritt, jo bat er
mehr al& jeder andere Verein die Pflicht, in feinem Ausdrude
genau zu fein, und es iſt daher bedauerlid,, wenn unter dem Nach—
rufe für ein Mitglied des Sejamtvoritandes in der »Kölmjchen
Beitunge zu lejen ijt: » Der Vorſtand vom ..... Aweiqverein ...«
Briefe und Drudſachen für die Bereinsleitung
find an den Borfigenden,
Cberfiteutnant a.D. Dr. Mar Jahne in Berlin W.10,
Margaretenftraße 16,
Darauf |
Thatjächlich bat jıch die |
‚ sirter Weine«
Herrn G.M..., Neuruppin. Gegenüber der abiheulicen
Spradymengerei, die im biejem Watte jchon jo oft bei den Ber:
Öffentlichungen von Schneidern gerügt worden ift, macht die Ans
zeige des Herrn Auguſt Schwemer in Neuruppin, Friedrich—
Wılhelmftr. 13, einen äußerjt erfreulichen Eindrud. Herr Schwemer
bemweijt dadurch, daß es auch in feinem Fache fehr wohl möglich
ift, Anlündigungen in reinem Deutſch abzufafjen.
Herrn Oberlehrer ®..., Kattowiß. Betanntlich dulbet der
Kaijer nur deutſche Speilefolgen auf jeinem Tiſche, es ſei denn,
daß er fremdländijche Gäſte bewirtet, und da ijt es unbegreiflich,
daß der Fürſt Pleß ſich micht ſcheut, zu dem großen Eſſen bei
Anweſenheit des Kaiſere auf feinem Schloſſe ⸗menus« in fran—
zöſiſcher Sprache drucken zu laſſen. Handelte es ſich nicht um
ein Feſteſſen für den Kaiſer, ſo wäre das bei der Vorliebe des
Fürſten für alles Franzöſiſche cher verſtändlich. Dieſe hat er
ja auch dadurch bemwielen, daß er fein Schloß von franzöfiichen
Künftlern erbauen und alles dazu Nötige aus Frantkreich bat
lommen laſſen.
Ham K. N. . . Trieſt. Sie teilen uns mit, daß es in
dem 26. Bande von »Braeiers Schulausgaben Hajjifcdher
Werke«, Seite 85 heit: »Die Sage von Laurin ift eine aus
fchliehlich tirolifche und wurde in der Gegend von Mleran
Iocalijierte, und fügen binzu, daß der Eat dody lauten müßte:
» Die Sage... iſt ausſchließlich tiroliich und wurde auf die Gegend
von Meran bejchräntt«e Ihre Umformung des Sapes ſcheint uns
fehr richtig, auch ſtinmen wir mit dem Tenftigen Inhalte Ihres
Bricfes überein. Es wird immer wieder betont, dab der Spradı-
Wie joll aber die Jugend in ihrem Spracgefühle gebildet werden,
wenn ihr derartige VBerftöhe in den Büchern begegnen, die man
ihr in der Schule bietet?
Heren Dr. M. R..., Zittau. Der in den »Bittauer
Nadhricdten«e vom 29. Oft. d. J. gebrauchte Ausdrud »A bs
brändlere ijt nicht nem, wie wir anfangs vermuteten, denn er
wird ſchon in Campes Wörterbud (1507) und audı bei Grimm
angeführt, bier freilich nur im Sinne eines Menjchen, »der auf
den Brand bettelt oder für Nbgebrannte Gelder einſammelt«.
Campe giebt auch die Ertlärung: »einer, der das Seinige durch
einen Brand verloren hat«, und dafür jagt man wohl am beiten
sder Abgebrannter, trog der befannten weiteren Bedeutung, die
diejes Wort erhalten hat. Dedenfalld it »Abbrändfere immer
noch empjeblenswerter als das auf Sp. 146 des vor. (X.) Jahrg.
dief. Zeitjchr. erwähnte »Brandealamitofen« Übrigens find
uns noch mehrere zwar nicht neue, aber wenig jchöne Wortbil-
dungen zur Nenntnis gefommen, die wir gerne zum beten geben:
Die Frrima J. B. Trarbadı in Berlin W,, WMarkgrafenftr. 52,
verjendet ein Preiäverzeichnis »beionders beliebter und reus-
In der Berichtigung des Polizei: Präfidiums
' Über den Fall Werner vom 31. Oft. d. J. wird gelagt, daß ber
\ Wörter »gehaussudte und »des
Geſuchte ſchon feit 4 Tagen latitierte, In der Nr. 26 der
National: Zeitung vom 24. Oft. d. 5. find im Bolizeiberichte die
ehausſuchten« gebraudt.
Die Herren Beuchelt und Cie, in Grünberg gebrauchen in ihren
Anzeigen den Ausdrud »Öenerals- Enterprije für Fundie—
rungene«,
Geihäftliber Teil.
Diefer Nummer liegt das
— xl. Wiſſenſchaftliche Beiheft
Inhaltsverzeichnis für den XI. Jahrgang (1896) der Zeitſchrift
bei,
Geldfendungen und Beitrittderflärungen (jährlicer Beitrag 3 Marl,
wofür die Heitichrift und bie fonftigen Drudichriften des Vereins gelichert werben)
an den Echapmciäter,
riagsbuchhändter Eberbard Ernft In Berlin W.B,
Wilbelmftenhe M,
Brlefe und Drudfahen filr bie Zeitſchrift find am dem Herausgeber, Oberlehrer Griedrih Wappenbans in Groß⸗Lichterfelde bei Berlic,
Druteftraße 8,
Briefe und Aufendungen für die Willenihaftlihen Beihefte an Brofefior Dr, Baul Pretſch, Berlin W.30, Mopftrabe 12
zu richten,
Für die Echrlitleitung verantwortlich: 5 tie b Ar} ® ai bpen N an s . Gr. Eichterfelde. — Verlag bes allgemeinen deutfiien Spradhvereins.(Jühns und Ernft), Berlin.
Trud der Buchdruckerei des Waljenhaufes in Halle a.d. ©.
Zeitfhrift
allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
Begründet von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
XII. Jahrgang.
Berlin,
Verlag des allgemeinen deutſchen Sprachvereins.
1897.
Inhaltsverzeichnis
des Jahrgangs XII der Zeitſchrift (1897).
Die Zahlen verweijen auf die Spalten.
I. Selbitändige Aufjäge.
a) Nah Stihworten geordnet.
a — Aus Friedrich Theodor Viſchers. Bon Richard Jahnte.
Auoſprache des age Ron
Th. Gartner. 186— 18
Brieffarten, Der 5 a neuen. Bon H. Dunger 2378.
Bühnendeutih und Gebildetendeutih. Bon Th. Bartner, 235,7.
Ellipje, Die jogenannte. Bon DO. Weiſe. 113— 119.
Erjte oder dritte Berfon? Bon K. B. 1912.
Geſetze und Formulare, Bon Clauſius. 85—87.
Goldiehmiede und Seichmeidehändler, Zur Sprache unjerer. Bon
J. Emjt Wülfing. 17— 19.
- — allewege und — bis in die Knochen. Bon R. Palleske.
Zur Verſtändigung über die.
Sir. — (Gedicht) Von Richard Jahnke, SS.
denk, Karl Wilhelm Ludwig. Bon Th. Heyfe. 214.
igh-Life. Bon Richard Jahnte. 211 — 214.
Hötel und Restaurant. Von Imhoff. 119 — 122.
Hülfe oder Hilfe? Bon Karl Scheffler. 200— 211.
Jacht, Die Heimat des Schiffenamens. Bon J. Frand. 182 — 185.
Kundgebung des — Staatsminiſteriums, Eine wichtige.
on O. S. 181/2.
— Johann, und die Fremdwörter. Bon Richard Jahnle.
49 - 53
Lawn-Tennis-Ausdrüde, Deutſche. Bon Robert Freiherr von
Fichard. 1—7,
Leuchtendes Beiſpiel, Ein. 83/4.
Offener Brief an Herrn Franz Sandvoh in Weimar, Bon Otto
Sarrazin. 225/35.
von Pfilter- Schwaighufen, Herr. Bon H. Dunger. 87/8.
Rechen, Der. (Gedicht.)
Record. — Suggestion. Von CE. M. 122,
Sanders, Daniel. Bon Hermann Wunderlich.
— Preisausſchreiben der Auskunſtei.
39/4
Bon Friedrih van Hofe. 40.5
164 — 169.
Bon F. W.
Schimmeipfeng, Nochmals das Preitausfchreiben der Austunftei.
123.
Shhriftleitung, Schriftleiter. Bon Mattias Linhoff. 169/7
Scriftipradre und Mundart. Von Karl Scheffler 55— 58.
Bis Zur Gejhichte des Wortes. Bon Friedrich Kluge.
von Stephan, — Bon H. Dunger. 81—83,
Übertreibung, Die. Bon O. Weiſe. 53—55.
Berdeutjhungen im neuen preußijchen Stempelfteuergefepe.
Schul e 19/20.
——— Neue. Von Karl Bruns. 190/1,
Boltswörter, Sammlung deuticher, durch den allgemeinen beutichen
Spradwverein. Bon San Pietſch. 33— 39.
BVoltswörter, ZurSammlung deuticher. Bon P. Pietſch. 177—181.
Von
b) Nach Berfaffern geordnet.
Bruns, Karl, Neue Verdeutfchungen. 190,1; Erjte oder dritte
Perſon? 191/2,
Elaujius, Geſetze und Formulare. 85—87.
Dunger, 9., Heinrid) von Stephan. 81 —83; Herr von Bititer-
Schwaighufen. 87/8; Der Aufdrud der neuen Brieffarten. 237/8.
Fichard, Freihen Robert von, Deutſche Lawn-Tennis- Aus:
drüde. 1—7.
Frand, J. Die Heimat des Schifjenamens » Jadıt«. 182 — 185.
Gartner, 'Th., Zur Berftändigung über die Ausſprache des
Deutichen. 186— 189; Bühnendeutſch und Gebildetendeutſch.
235,7.
+ fe, Tb., Karl Wilhem Ludwig Henie. 214.
os‘ Friedrich van, Der Rechen. (Gedicht.) 40.
Imhoff, Hötel und Restaurant. 119— 122.
Jahnke, Richard, Johann Yauremberg und die Fremdwörter.
49—53; Der Härkel. Gedicht.) 88; Aus Friedrich —
Viſchers »Aucdh Einer«. 180,0; High Life. 211—2
Kluge, Friedrich, Zur Gejchichte des Wortes rg i
Linhoff, Mattias, Schriftleitung, Schriftleiter. 169/70.
M., E., Record. — Buggestion. 122,
| Palleske, R., Gut deutſch allewege und — bis im die Knochen.
| Weife, O
‘ Bapyriiche Hammer, Die deutiche Sprade in der.
|
ge über die öffentliche Armenpflege in Zittau.
185,6.
Pietſch, Paul, Sammlung deutſcher Volfswörter durd den all—
gemeinen deutjchen Spracdverein. 33—39; Zur Sammlung
deutſcher Vollswörter. 177— 181.
©, D., Eine veishtige Kundgebung des preußiſchen Staats—
minifteriums. 181/2,
Sarrazin, Otto, D. Martin Luther und der heutige Sarrazinis-
. Offener Brief an Herm Franz Sandvoß in Weimar.
5/35.
Scheffler, Karl, —— und Mundart.
oder Hilfe? 200 — 2
— Werde jhungen im neuen preußifchen Stempeljteuer-
geſehze
RB. F., — der Auslunftei Schimmelpfeng. 39/40.
Die Übertreibung. 53 —55; Die jogenannte Elllpſe
55—58; Hilfe
113—1 19.
Bilfing, J. Ernſt, Ber sr unferer Goldſchmiede und Ges
jdymeidehändler. 17 —
Bunderlidh, Hermann, Daniel Sanders,
164 — 169.
II. Kleine Mitteilungen.
>
[77
Bayriſches ——— 171.
Bigamie — Dynamit. 123/4.
Deutſche Speiſekarte im Harz. 215.
Dito. 62.
—55* in Greifswald. 58/9.
ranzöſiſcher Brief des deutichen Konſuls iu Rotterdam.
Fremde Pflanzennamen, 80/1.
Fremdwörter im Kinbertfenter.
Gelehrtendeutſch. 21.
Geude, Eduard, Antrag auf der Hauptverfammlung der deutſchen
Möbeltransporigefeliäat 102/38.
Greif, M 7.
ae und —— TB.
an, Deutſche Nachrichten aus. 41.
Kofahl, Vortrag, gehalten auf der Wanderverjammlung deuticher
Gewerbeihulmänner. 171.
Maempel, Oskar, in Arnſtadt F. 215.
Medienburgiiches Staatsminijterium, Erlaß.
Münjtertyaler Grußformeln. 62.
Nationales Selbjtbewuhtjein. 59/U0.
Nürnberger Magijtrat. 198.
Preuß. Suftigminikter, Seichäftsordnung. 7.
Riegel, Herman, Auszeichnung. 123.
Scdmig, Dr. W Fünfundzwanzigjabrfeier.
Schulverein, A Hauptverfammlung. 123.
Schurz, Karl, Rede im Newyorler Liederkranze.
Sprecht deutich! 60,
Steinway, William.
Zachariae, Aubelfeier.
Zeitungsdeutſch. 61/2.
11. Zur Schärfung des Sprachgefühls.
Bd, 2273, 62—64, 89— 91, 124/5, 138, 196/7, 215/6, 239.
Öl.
1 03/4.
171.
102,
al,
212.
171.
IV. vůcherſchau.
a) Beſprochene Druckſchriften.
Arminius, Wilhelm, Im Schatten der Ludwichseiche. 72.
BartholomäussSchmelzer, Verdeutſchungs- Wörterbud. Bon
Karl Schefiler. 198/9.
Bauer, Anna, Deutscher fFrauenlalender. Bon F. W. 240.
Verger, Rudolph, Über böymiihes Staatsrecht 221.
zn über das 43. Berwaltungsjahr der Lübecker Turnerſchaft.
72.
Bleich, W., Vereinfachte deutjche Rechtichreibung und richtige Aus⸗
ipradje von 8. S. 23/4.
Ghop, Mar, Vom Rhein zur Adria.
Bon M. Stier. 92/93.
IV
Droſihn, Friedrich, Deutſche Kinderreime Bon O. Str. 9.
Dufmeyer, Friedrih, Die fiebente Grokmadht oder der Schatten.
Bon Jahnke. 199/200.
Eberhard, Joh. Aug., —— Wörterbuch der deutſchen
Spradye. Bon
Echtermeyer, ee —*— une Gedichte. 221.
Ehlers, Joh., Homers Odyſſee. Bon K. S. 219.
Erbe, Karl, Der ſchwãbiſche Wortfchap. Bond. Streider. 240/1.
Erbrich, Emil, Lieder aus dem Metzer Lande. Bon K. S. 219.
Geftbuc für das neunte Kreisturn jt in Kübel, Auguſt 1897.
Beitähsberict der Aftien= &efellichaft Buderusſche Eifenwerte zu
— für das 13. Geſchäſftsjahr 1806. Bon F. W. Eitzen.
— Ku? Krieg im Frieden. III. Teil. Bon K. S. 24.
usbing, A ‚ Die Fremdwortfrage. Bon O. S. 70/1.
Heimbdall.
25.
Gene, | Das Verhältnis der AÄſthetit zur Ethik bei Schiller.
on 9
yne, —8 Deuiſches Wörterbuch. Von O. Brenner. 91/92.
euſer, Emil, Die dritte und vierte Belagerung Landaus im
paniſchen Erbfolgekriege. 24/25.
—— et Beiträge zum deutſchen Unterricht. Bon
.Str. 71
Hißbach, Dr., Zur Behandlung der Sprachgeſchichte im ———
Unterricht unferes Seminard. Von D, Streicher. 24
fer, Franz, Verſuch, die deutihe Schulgrammatif = "verein
fahen. Bon Theodor Matthias. 42/43.
* — Grundzüge der deutſchen Litteraturgefchichte. Bon
Kleinpaul, Rub., Kr Fremdwort im Deutihen. Bon Richard
Jahnke. 172—
— Franz, DK Martersborfer Mundart. Bon D. Streider.
— dans, Deutiche Helden aus der Zeit Wilhelms des
rohen. 72.
Matthias, Th., Meiner Wegweijer durch die Schwantungen und
Sähwierigeiten des beutichen Sprachgebraudyd. Bon Hermann
unger.
— Aufſaßſünden. Bon H. D
eyers Hiſtoriſch⸗ Geographifcher Bekender auf das Fahr 1897. 23.
Müde, Trip, Wald und Wild in der Bibel. Von 9. 200.
Nenbauer, Rich., Martin Luthers Schriten zur Reformations-
geichichte. Bon Theodor Matthias. 220,
Raul, ermann, Deutiches Wörterbuch. Bon O. Brenner. 91/92.
Plalzijches Mufeum.
25.
dv. Pfiſter⸗ Schwaighufen, Herm., Germanenfpiegel über alldeutiche
Künnen und Sprachen. 72.
— Bortrag anläßlich der Hauptverſammlung des Bundes der
Germanen. 72.
Polack, Friedrich, Vater Peſtalozzu. Von J. 220.
Ponfick, Jahresbericht über die Wirkfamteit des Franffurter Ge—
fängnisvereind. 201.
Rechenihaftsbericht des Vereins zur Konfirmandenausfteuerung
in Dresden. 201.
Mein, Sprachpſychologiſche Studien. Bon Richard
abnte.
Rheſe, Bil, " Erutbäditetn. 220/1.
Saalfeld, Günther A., Schreib’ deutih! Bon H. Dunger. 174.
Sauer, A., Mitteilungen aus der Litteratur des 19. Jahrhunderts
und ihrer Geſchichte. Bon 3. 219.
— Karl, Das eiymologiſche Bewußtſein. Von O. Streicher.
Zhieberg, Alfons, Viedermaierd wunderſame Erlebnifie in Rava—
dolia. 72.
Trapet, Nuguftin, Kaifer Wilhelm I. Bon F. W. M.
Voderadt, Heinrich, Praltiſche für die Anfertigung des
deutichen Auffapes. on HD.
Wilpert, Nichard von, Errabseiiertehmn Bon Karl Scefiler.
12/6.
Woſſidlo, Richard, Mecklenburgiſche Voltsüberlieferungen. Bon
D. Str. 9.
Wunderlih, Hermann, Unſere Umgangsipradie in der Eigenart
ihrer Sapfligung. Won Karl Schefler. 197/08,
Zache, Walther A., Wulfila. Von H. D. 24.
Zarth, J., Deutiche Lehnwörtea. Bon D. Str. 219.
V. Beitungsihan.
a) Auffäge in Zeitungen und Zeitſchriften.
11, 25/6, 72/3, 04 —9%, 201—203, 241/2.
VI. Spredjiaal.
Anzeigenſtil. Bon €. H. Zergiebel. ——
Concours hippique. n €. Sch.
Fern oder Ferner F "a ad ee D. Brenner.
Geſchmeide. Bon M. J.
Geſchmeide. Bon I. €. Wülfing und M. J. 64/5.
Gravieren, Graveur. Bon Joſef Baß. 65.
Gründen — Begründen. Bon R. Dilthey. 88/9.
Somparent. Bon 3. 218.
Lawn-Tennis. 65.
Neue — Von Franz Kreuter. 217/8.
Stage. Von J
Stierd Beiprehung von —— Buch⸗Vom Rhein zur Adrias,
Von D. Sarrazin. 194/5.
1712.
Stier, Erwiderung darauf. 195.
Taifun. Won Goedel. 9/10 *
918,
VII. Aus den Zweigvereinen.
Aachen. 26, 43. Krems. 238, 127.
Altenburg. Laibach 28, 127, 203.
Arnſtadt. 221. Leipa 127.
Barmen. 96. Leipzig. 12/3, 20, 127, 222/3.
Berlin = Chatlottenburg. 43. Leoben. 13, 4
73/4, 221/72, 242. Linz. 76.
Berlinden. 43. Kübel, 28, 97, 140.
Bonn. 11,26, 43/4, 126,139. Magdeburg. 13, 243.
Braunſchweig. 74, 242/3.
Breslau. 11/12, 26, 74, 243.
Chemni. ar, 44, 222, 243.
Marburg a. d. Drau. 13, 28,
44/5, 76, 127,8, 243/4.
Marienwerder. 45.
Cilli. 12,4 Mep. 13, 45, 128.
Gzernowiß. 13, 27, 44, 74. München. 8, 45, 76, 24.
Darmitadbt. 96, 222. Münfter. 76, 203.
Dresden. 12 5. 44, 74, 9677, Neunkirchen. 13.
139, 222, 24 43. Neuruppin. 244.
Duisburg. 12, 27, 44, 74. Nürnberg. 76.
Elberfeld. 27, 74/5, 140. Oldenburg. 76/7.
Eſſen. 75, 243. Blauen. 77, 128
Frankfurt a. M. 12,75,127. Potsdam. 244.
—— a. O. 127. rim. 203, 244.
Freiberg i. ©. 97. atibor. 77.
Freiburg i. Br. 75. Reichenberg. 13, 244.
Graz. 12, 28, 97. Nudoljtadt. 28, 97.
Grimma. 97. Soarbrüden. 28.
Halle a. d. S. 140. Stettin. 28, 97/8.
—— 44. Straßburg. * 140, 244/5.
afiel. 75,6, 203. Stuttgart. 77, 128.
Kiel. 44, 97, 140. Thorn. 245.
Koblenz. 28, 97. Trier. 45, 245.
Köln. 44. BWermeldtirchen. 245.
Kottbus. 243, Bittau. 45/6, 98, 223, 245.
VIII. Brieflaften.
13—15, 29—31, 46—48, 77—79, 98—102, 140— 143,
175,6, 204— 207, 223/4, 245 — 247.
X. Bereinsangelegenheiten.
Berihtigungen. 15/6, 208.
Bericht über die Hauptverfammlung zu Stuttgart.
145/64.
Geichäftliher Teil. 16, 31/2, 48, 79/80, 102—112, 128,
143/4, 176, 208, 247/8.
Jahresbericht des Vorjipers. 130/38.
Verſchiedenes. 15.
SZiei (cheiff ar
aligemeinen’deuffchen Spentuesins
Begründel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorftandes herausgegeben von Friedrih Wappenhans.
Diefe Keitichrift erſchelnt jährlich zwölfmal, zu Anfang jebes Monate,
und wird den Mliglledern des allgemeinen deutichen Eprachvereins unentgeltlich
geliefert (Sapung 3).
Die Heltfhrift kann aud durch den Buchhandel oder die Bolt
zu 3 DE. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch den Schagmelfter
Eberhard Ernft, Berlin @. 8, Wllhelmfer. 90, — Huflage 15000,
— — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — —
Inhalt: Deutihe Lawn-LTennis-Ausdrücke. Bon Freiherr Robert von Fichard. — Kleine Mitteilungen. — Zur Schärfung bed
Sprachgefühls. — Spredijaal. — Bücherſchau. — Zeitungsihau. — Aus den Zweigvereinen. — Brieftajten. — Bemerfung zu bem
Aufjage über die erdfundlichen Eigennamen von A. Heinge. — Bitte » Der deutihen Sprache Ehrenkranze betr. — Berihtigungen. —
Geichäftlicher Teil.
r r englifhe Spiel unter Wahrung feiner ganzen Eigentümlicjteit
Deutjſche Lawu-Pennis-Ausdriicke. — Verhältniſſen nicht bloß anzupaſſen, ſondern durchweg
In einem Berichte der »M. N. N.« vom 29. Juli 1895 über | zu verdeutſchen«. In der Deutſchen L.-T.- Fadızeitung »Spiel
das Deutſche Armee- und Marine-Lawn-Tennis- Tumier zu | und Sport« verteidigte ich meine deutjchen Spielausdrüde. Die
Bad Homburg leſe ic das Folgende: »Last not least famen | betr. Aufſähe find im Erjten deutſchen Lawn-Tennis-
dann aud die Damen nochmals dazu, ihre Fertigkeit im Spiel | Jahrbuche 1894 (Berlin W., Mauerjtrafe 86/8) gefammelt
zu erproben, indem für fie ein Damenringeljpiel (jo!) ohne herausgegeben. Endlich jei bemerkt, daf die von mir vorgeſchla—
Vorgabe arrangirt wurde, an dem fi 17 Vertreterinnen de® | genen Übertragungen von Spielausdrüden, foweit fie in den Ge—
ichönen Geſchlechts beteiligten« u. ſ.f. — Ein Ningelfpiel auf einem | feßen des Spiels enthalten find, von der mahgebenden engliſchen
L.-T.- Turnier? Ein Ringelipiel für Damen? Der Eingeweihte | L.-T.- Association gebilligt worden find*), mithin als die eins
wird über den ſpaßigen Drudfehler wie ich lächeln — was mag | geführten zu gelten haben, während die übrigen, foweit fie in den
fi) aber ber Setzer, was der deutſche Lejerkreis der M. N. N. | Turniers Beitimmungen enthalten find, als allgemein angenommen
darunter vorgeftellt haben? Die Sache ift ganz einfad;: der Ber | gelten können. Schwankend ift nur der Sprachgebrauch bezüglich
richterftatter jchrieb Single- Spiel, zu deutſch Einzelfpicl, dem | der Bezeichnung der technifchen Einzelheiten im Spiele.
Setzer war der Ausdrud Ningelipiel in Verbindung mit einem I. ®ir beginnen mit der Vorführung der in den Gejepen bes
Turnier geläufiger — und die deutſchen Leer vernehmen mit | Spiels (laws of Lawn-Tennis) enthaltenen Kunftausdrüde, wobei
Staunen, wie weit die Frauenemanzipation ſchon gediehen iſt!! bemerkt fei, daß diefe Gejege in der von der alljährlid) tagenden
In der Beilage did » Daheimse (Nr. 43, Frauens Daheim) | Hauptverfammlung der L.-T.- Association geprüften Form gelten,
berichtet eine gewifje »Alerandra« in einem begeifterten Loblied | und ferner, daß die mahgebenden L.-T.-Hreife die Herrſchaft der
über Lawn- Tennis: »Unſere Ballboys tragen rote fylanellblufen | Association für Deutſchland anerfennen.**)
und fchwarze Pumphöschen uſw.« Nun möchte ich wiſſen: iſt 1. Zum Spiele braucht man einen Spielplaß (ground), Ne
denn der Ausdruch »Ballbuben, Balljungen« uns gar jo uns | (net) und Pfoften (posts), Schläger (racket) und Bälle (balls).
geläufig geworden, daß unſere deutſche Alerandra nad) einem Bem. Das engl. racket — franzöſ. raquette, früher rachette,
Fremdworte haſchen mußte, um eine ganz gewöhnliche Erjcheinung | rasquette gejchrieben — innere Fläche der Hand — erklärt ſich
zu bezeichnen: die Kinder nämlich, die die verftreuten Bälle | daraus, daf beim Mutterjpiel des Lawn-Tennis, nämlid Tennis
jammeln und den Spielern zubringen? Der alte Spradlehrer | — jeu de paume, ber Ball urfprünglid; mit der Handfläche ges
Daniel Martin in Straßburg nennt fie in feinem 1637 herauss ſchlagen wurde.
gegebenen Werle*) furzweg »die Buben«. 2. Auf dem Spielpfape werben mit Linien die Spielfelder
Bedenkt man, daß heute nod), da Lawn-Tennis jhon die | (courts) abgegrenzt, von denen jedes für ein Spiel von 2 bis
weitejte Verbreitung in Deutſchland gefunden, die engliſchen Aus- 4 Perfonen beftimmt ift. Der Ball darf während des Spiels
drüde — meijtens in entjeplich falicher Ausſprache — benußt | nicht außerhalb der Grenzlinien des Spielfeldes zu Fall fommen.
werden, jo erjcheint es — auch angeſichts der obigen beiden aus | Das Spielfeld für das Spiel zu zweien (Einzeljpiel) ift ein
einer großen Menge von Jertlimern herausgegriffenen Beijpiele | Rechte von etwa 24 > 8 m, dejien Langfeiten Seitenlinien,
— an ber Zeit, an dieſer Stelle ernftlich dem Gebrauche deutſcher defjen Breitjeiten Grundlinien heihen (engl. side bezw. base
Ausdrüde beim L.-T.-Spiel das Wort zu reden. Ich bin mir | lines). Halbwegs zwifchen denjelben und gleichlaufend mit den
bewußt, in diejer Richtung — ſoweit es an mir lag — mein | GSeitenlinien befindet fid) die Mittellinie (half-court-line); in
möglichfte$ gethan zu haben: jämtliche drei Auflagen meines an a a As a aa ie
Genbbnäs des Lawn-Tonnis-SpieleB'“) Begwedien, des fenfhaft Bine * die fie gar nicht beſitzt. 2 fünnen
—— Engländer über die Zwedmäßigfeit deutſcher Ausdrüde befinden ?
*) Parlement Nouveau ufw. Die Schriftl.
**) Im Verlag von Emil Sommermeper, VBerlagshandlung, **) Die völlige Befreiung von diefer Herrſchaft —— uns *
Baden-Baden, 1887, 1802 und 18695 erſchienen. wünjchenswert. Schriftl.
3
Beitiärift de# allgemeinen deutiden Sprachvere ius. XH. Jahrgang. 1897. Nr. 1.
4
einem Abftande von 6,4 m von dem quer über die Mitte gelpannten
Ne und gleichlaufend mit diefem find beiderfeits die Auf—
ſchlagslinien (service-lines) gezogen. Zum Spiele zu dreien
oder vieren (Doppelſpiel) ift eine Erweiterung des Spielfelds
dadurch erreicht, dal; in einem Abjtande von 1,37 m beiderseits
und parallel mit den Seitenlinien des Einzeljpielfeld& (single
court) die Seitenlinien de$ Doppeljpieljelds (double eourt)
gezogen find. Der Engländer nennt nun biefe lepteren side-
— NufichlagsSeitenlinien. Ich habe zur bequemeren Bezeichnung
der einzelnen Zeile des Spielfelds noch folgende Husdrüde ein-
geführt: Galerien für die Streifen zwilchen äußeren und inneren
Seitenlinien, Aufſchlagfelder für die vier ans Netz anftohenden
Felder und Flanken (rechte bezw, linke) für die durch die Mittel-
linie gebildeten Hälften der Seiten (sides) des Spieljelds.
3. Die Aufgabe, den Ball ins Spiel einzuführen, trifft jede
Partei abwechjelnd je für die Dauer eines Spieles (game), Wir
nennen diefe Thätigfeit auſſchlagen (to serve), den einzelnen
Vorgang für fi betrachtet: Aufſchlag (service), und dem—
entiprechend heißt der Spieler, der am Nufichlag ift, Aufichläger
(the server), der Ball Aufſchlagball bis zu dem Nugenblide,
ba er vom Gegner (Nüdichläger — Striker- out) zurüdgejchlagen
wird (Rüdjclag = first stroke). Man fpricht von einem guten,
einem fehlerhaften Aufſſchlagball (»gut — ſalſch!«), je nad)
dem der Schlag den Beitimmungen entipricht oder nicht.
4. Sobald der Ball regelrecht aufgeichlagen worden, ijt er
im Spiel (in play). $. 15 der Gejege zählt die Fälle auf, in
denen er außer Spiel fonımt. In dem Augenblide, da er aufer
Spiel fommt, ift der Ball tot. Dur die beiden Nugenblide
find Anfangs» und Endpunft jener kürzeren oder längeren Schar:
müpel gegeben, aus denen ſich das Spiel wie befannt zujammen-
ſeßt. Der Engländer ſpricht bier von einem rally oder rest,
wofür wir den Nusdrud Gang gebrauchen, und während jener
nad) gewonnenen strokes (Schlägen) rechnet, redinen wir nad)
den gewonnenen Gängen. Dieje Abweichung, die im übrigen an
der Sache felbjt nichts ändert, drängt ſich uns mit Notwendigkeit
auf, wenn wir bedenfen, daß einige »Schläge« gar nicht geredjnet
werden — lot = ungültig ($. 16 der Geſ.) —, und beim Wufs
ſchlag erit zwei fehlerhafte Schläge des Auffchlägers dem Gegner
Gewinnſt bringen.
5. Im Mittelalter beredinete man jeden gewonnenen Gang
mit 15 Punkten und jpielte auf 60, alfo 4 >< 15 Punkte. Spuren
diefer Berechnungsweiſe, die vom Tennis auch auf Lawn-Teunis
überging, haben ſich deutlich erhalten, nur find die Zahlen tech-
niſche Begriffe geworden, die aber einer Überfegung ins Deutiche |
durchaus nicht widerfireben. Wir nennen den erjten, zweiten
und dritten Gang, den ein und diefelbe Partei gewinnt, funf—
|
\ bezw. owed odds).
lines und zur Unterſcheidung die erjteren service-side-lines |
ehn, dreißig bezw. vierzig (jtatt 45) — mit dem 4. Gang |
! 0 s ' überftehen, die um dem erften bezw. zweiten Preis kämpfen.
macht fie das Spiel, Kommen beide Parteien auf vierzig, jo
jpricht man engliich von deuce. Dieſer Ausdrud jftammt aus dem
franzöj. à deux und bedeutet, daß nunmehr das Spiel nur mit
zwei hintereinander gewonnenen Gängen zu gewinnen it. ch
habe jür deuce den uns geläufigen Ausdruck Einjtand gewählt.
Der nächſte auf den Einjtand folgende und gewonnene Gang giebt
der betr. Partei Vorteil, Mit 6 Spielen macht man die
Bartie (set). Haben beide Parteien 5 Spiele, fo Ipricht man
von Spiel-Einftand. Megelmähig fan die Partie nun nur
mit zwei hintereinander zu gewinnenden Spielen gemacht werben,
und in diefem Fall fpricht man von Bartien mit Epiel-vor
({advantage-set), oder man jhlicht Spiel-vor aus und ents
fehjeidet die Partie mit dem 11. Spiel (Partien ohne Spielsvor).
6. Der endgültige Sieg über einen Gegner wird aber nicht
mit einer Partie allein errungen; gewöhnlich find zwei von brei
Partien, manchmal fogar drei von fünf Partien zu gewinnen.
Der Engländer ſpricht bier von einem match, wofür wir deutjc
Wettjpiel einführen könnten.
7. Die englischen Spielregeln zählen endlich die Vorgaben
auf, die gegeben oder geſchuldet werden künnen (received
Ich muß ihre Erllärung beifeite laſſen (val.
mein Handbuch, S. 116—124) und mid; mit ihrer deutichen
Benennung bier begnügen:
a) Plus-Borgaben: Eins, zweis, dreis, vier= und fünf
fechjtelsfunfzehn, funfzehn, dreißig und vierzig, wobei die fünf
eritgenannten zu den leßgenannten binzulommen lönnen (z. ®.
dreißig vier fechjtel, funfzehn fünf jechitel).
b) Minus-®orgaben: Minus ein, zwei⸗, dreis, vier= und
fünfsjechjtel=funfzehn, minus 15, minus 30 und minus 40. Auch
bier können die fünf eritgenannten zur Berihärjung der anderen
hinzutreten (3. B. minus funfzehn drei jechitel).
Auf den genannten Vorgaben beruht die für Handicaps
(Ausgleichs - Preisipiele) nötige Einteilung der Spieler in Klaſſen;
und damit jtehen wir mit einem Fuß in der Turnieripradhe.
II. Die Lawn-Tennis-Turniere. Das gute alte Wort
»Turnier« durch ſchwächliche Nusdrüde zu erjepen, wäre eine
durchaus unangebrachte Übertreibung. Ein L.-T.- Turnier ift
eine jo vielumiafjende Beranftaltung, daß ihr wohl ein klingender
Name gebührt. An der Spike der Leitung jteht der Tumiers
Ausſchuß mit dem Ober: Schiedsrichter (referee) und dem
Ausgleiher (handicapper); der O.Schiedsrichter ernennt die
Schiedsrichter (umpires), unter denen man die buchführen—
den und SiniensSchiedörichter unterjcheidet.
Auf jedem Tumier werden verschiedene Breisipiele aut
geſochten. Folgende find möglich: Einzelſpiel für Damen, desgl.
für Herren (Meifterichafts-Breisipiele i. e. ©.); Doppelipiel für
Damen (felten), desgl. für Herren; und endlich Doppelipiel für
Damen umd Herren (gemijchtes Doppeljpiel). Alle diefe genannten
fönnen auch mit Vorgabe ausgefchrieben fein (handicaps —
Ausgleich: Preiäfpiele).
Für jedes einzelne Preisfpiel (event) werden die Namen
der fid) meldenden Spieler ausgelojt (drawn out at random) und
der Reihe nach in der Spielrolle (list) eingetragen. Gin be-
jonders für diefen Zwed erfundenes Syftem*) beftimmt ſodann
die Gegnerpaare und die Neihenfolge im Wettlampfe. Die Sieger
der erjten Nunde (round), d. h. diejenigen, weldye ihren Gegner
in einem volljtändigen Wettjpiele (match) gefchlagen haben, ge
langen im die zweite Munde; die Sieger der zweiten Munde in
die dritte u. f. f., bis fich Ichlichlich in der Schluß: Runde mur
noch 2 Gegner (oder bei Dopbelipielen 2 Segnerpaare), gegen:
Ein Spieler wird ohne Kampf auf die nächſte Runde »über:
tragen« (jog. walk-over), wenn fein Gegner nicht ericheint oder
nicht jpielen will. Leßterer wird gleichzeitig »geſtrichen« (scrat-
che) und ijt damit vom Weiterjpielen in dem betr. Preisipiel
ausgeſchloſſen.
Bei dem AusgleichsPreieſpielen hat der Ausgleicher (handi-
eapper) die Spieler ihren Leitungen entiprechend bejtimmten,
genau abgegrenzten Spiel-Klafſen zuzuweiſen. Der Rahmen
weit eine Normalflafje Klaſſe O, sceratch), 18 Unternormal:
und 18 Übernormal-Klajjen auf: die leptgenannten-nthalten die
*) Nach dem Erfinder Bagnalls Wild: Syftem genannt,
ftärferen, die Unternormal-Klaſſen die ſchwächeren Spieler;
erjtere ſchulden, letztere erhalten Vorgaben.
Füge ich noch hinzu, daf wir »entriese mit Nennungen,
Anmeldungen, und »the draw« mit Ziehung, Ausloſung
wiedergeben, fo find die befonderen Turnier» Ausbrüde im weſent⸗
lichen erichöpft.
III. Am meiften Anſtoß erregen bei Deutfchen, die dem Spiele
zuſehen, die Zwifchenrufe der Spieler, und ich muß geftehen, dafı
man ſich manchmal nach Deutjch-Amerifa verjegt glaubt, wenn
man hören muß: »der Ball war outle, »der Ball ift up!«,
»doppelt fault!«, »nicht rendy!«, »line- Ball!« (fprich: Lein⸗ Ball)
u. dergl.; und daß Senner der engliichen Sprache ſich manchmal
entiepen werden ob der furdtbaren Ausſprache der engliſchen
Zahlen (wie thirty, forty) und Ausdrüde. Wenn auch zuzugeben
it, daß diefe kurz, ehr genau (präzis) und bezeichnend (prä-
guant) und dabei im Laute ſcharf voneinander unterjchieden find,
fo ijt doch fein vernünftiger Grund vorhanden, warum wir nicht
auf deutich zählen und die wenigen notwendigen Zuruſe auf qut
deutſch ausſtoßen follten. Die Zahlen, d. i. die Berechnung des
Spieled haben wir oben fennen gelernt, jo daß ich mich bier
darauf beichränten kann, die gebräuchlichiten Ausdrücke auf englijch
und beutich einander gegenüberzuftellen, da eine Erklärung der-
felben zu näherem Eingehen auf das Spiel felbjt nötigen wiirde,
und dies würde zu weit führen.
play! los! oder Achtung! in-play! gut!
ready! fertig! bereit! not ready! noch nicht!
faule! falſch!
double-fault! doppelt!
out! aus! play it out! audfpielen!
let, net! Neß! oder geftreift!
touched! berührt!
foot-fault! Stellung!
up! gut! not up! tot!
second - bound! zweimal ⸗ auf!
my ball! your ball! mein Ball! ihr (dein) Ball!
fifteen -love! funfzehn⸗ nichts! (15 zu nichts!)
fifteen-all! zu funfzehn! oder funfzehn zu!
four games all! vier Spiel zu! oder zu vier!
love-game, love-set Nullipiel, Nullpartie (d. i. wenn mein
Gegner feinen Gang bezw. fein Spiel gewann — entipricdht
dem »Schwarz!« beim Stat).
partner — Witjpieler.
your service! Sie fchlagen auf!
all right! Richtig! oder vecht!
IV, Gehen wir nunmehr zum Spiele jelbjt über. Die Volllom—
menheit besjelben als eines bis in die Heinften Einzelheiten durch—
gebildeten Kunſtſpieles prägt ſich aud in der Mannigfaltigfeit
feiner Fadausdrüde aus, die auf beutich mitunter vecht ſchwer
wiederzugeben find, Die folgenden Übertragungen beanfpruchen
daher feine Allgemeingültigfeit, immerhin mögen ſie als -Vorſchlag
zur Güte« geneigter Beachtung empfohlen fein.
1. Aufſchlag (service).
overhand service — Hod=Nufidlag.
underhand service = Tief-Aufſchlag.
overhand twist servico — Hoch-Auſſchlag | mit Drehball
underhand twist service — Tief- Nuffchlag J (effet).
Zeßtere beiden fünnen wiederum entweder fore- oder back-handed
fein, zu deutfch: mit Borhand oder Rückhand geipielt werben.
|
5 FR Zeitfhrift ded allgemeinen deutſchen Spradvereins. XH. Jahrgang. 1897.‘ Nr. 1. 6
2. First Stroke, d. i. das Zurüdichlagen des Aufichlagballs,
beutih: Rüdfdylag.
3. Stroke — Schlag.
Dean unterjheidet a) den Schlag, der den Ball nad defien
Aufprall vom Boden trifft: Grundichlag; b) den Schlag, der
den Ball noch in der Luft, im Fluge trifft: Flugſchlag (vol-
ley) und c) den Schlag, der den Ball noch im gleichen Augen—
blide trifft, da derjelbe am Ende feiner Bahr den Boden berührt:
half- volley Sprungidlag.
Sämtliche drei Hauptarten können mit Bor- oder Nüd-
band gejpielt werben.
Eine Art des Flugſchlages ift der »smash«, mit welchem ber
in der Luft »genommene« Ball mit großer Gewalt ins gegnerische
Feld »niedergejchmeitert« wird. Ich finde für diefen Schlag z. Zt.
ebenfowenig eine pafiende Übertragung als für den fogenannten
»lobe, d. i. ein abfichtlich über die Köpfe der Gegner (furzer lob)
oder ganz hoch in die Luft getriebener Ball, der einem in bie
Enge getriebenen Spieler zur Verteidigung ſehr nüglich ift.
. Taltil.
Wir können uns hier auf die gebräuchlichſten Ausdrücke be—
ſchräntken. Man ſpricht von baseline game im Gegenſatz zu net-
play je naddem ein Spieler vorwiegend an der Grunbdlinie oder
am Nep ſpielt. Bon großer Wichtigkeit ift es, feine Bälle qut
zu fegen, d. i. außerhalb des Bereiches des Gegners zu treiben,
oder letzteren mit einem rafchen Ball zu »Überhofen« (pass). Der:
artige mit großer Kraft ausgeführte Schläge, die den Ball mög:
lichjt flach von einem Ende des Spieljelds zum andern übers
Nep weg treiben, nennt der Engländer driveis), und cross-
drive(s), wenn der Ball mehr in der Diagonale (Edlinie) übers Netz
fliegt — für feßteres deutih: Kreuzichlag. Im übrigen glaube ich
kaum, daß einem deutihen Schilderer des Spiels die pafienden
und entiprehenden Musdrüde zur Darftellung der Angriffs: und
BVerteidigungslünfte, des richtigen Juſammenſpiels beim Doppel:
fpiel, des Turnieripiel$ u. j. f. feblen werden. Meinesteils will
ich zufrieden jein, wenn dieſe Zeilen dazu beitragen follten, das
übliche Kauderwelſch auf deutfchen L.-T.- Spielplägen und deutfchen
L.-T.- Turnieren etwas zu verdrängen, jo daß es mir und den
freundlichen Leſern eripart bleibe, gleich Lalaien »servieren « (serve
— aufjchlagen!) zu müſſen oder gar von einem verirrten Valle
»touchierts (touched) zu werden. Bor dem Namen des Spiels
aber muß unfere Überfepungstunit Halt machen: mit diefem aus:
geitattet, iſt das englische Spiel ins Leben getreten, und feine
Übertragung wäre imftande, im unferem Gehirne die Vorftellung
jener Summe bezeichnender Merfmale wadzurufen, die unlösbar
mit dem Begriffe Lawn-Tennis verbunden find. *)
*) Wir fünnen dem verehrten Berjaffer bier nicht unbedingt
beijtimmen. ine völlige Verdeutfhung von Lawn-Tennis durd)
Raſenballſpiel wäre allerdings mißlich, da dieſer Ausdruck
ſich ebenſowohl auf Spiele wie z. B. Cricket und Fußball beziehen
ließe. Erfahrungsgemäß wird aber das mancher deutſchen Zunge
jchwierige und für Deutichland, two viel mehr auf Kies als auf
NRaſen geſpielt wird, unzutreffende »Lawne« in der Umgangsſprache
einfach fortgelajjen. Laſſen wir dies Wort allo’rubig fallen und
begnügen wir uns mit »Tennis«, was wir um jo eher thun
fünnen, als für und — anders in England — eine Verwechs—
fung mit einem zweiten Spiele dabei ausgeſchloſſen iſt.
Die Schriftleitung.
7 Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. XIH. Jahrgang. 1897. Nr. 1. 8
Zum Schluffe lege ich Wert darauf, die Grundſätze darzulegen,
die mich bei der Übertragung der engliſchen L.-T.-Ausdrüde ge-
leitet haben.*)
Die Spielausdrüde müfjen ins Deutjche nicht überfept, fons
bern übertragen werden. Dabei ift in erjter Linie die Geſchichte
bes Spiels zu berüdfichtigen. Ergiebt ſich Hier, daß diefes in
feiner Entwidelung verſchiedene Sprachgebiete berührt hat (mie
Tennis 3. B. Stalien, Franfreih, England und Deutichland), jo
find die Fahausdrüde in al diefen Sprachen einem Tritifchen
Vergleiche zu unterwerfen und der bezeichnendite ind Deutjche zu
übertragen. Kommt man damit nicht aus, fo tritt ergänzend die
Entnahme von Spielausdrüden aus deutihen Spielen hinzu, bie
auf demfelben Grundſahze beruhen, und diefe müßten jo gewählt
werden, daß ſich ihr Sinn genau mit der Sache dedt. In manden
Fällen wird die heimische Sprache zutreffende Fachausdrücke haben,
die den fremden übertragenen vorzuziehen find,
Auf dem Gebiete des Fußballs und Eridets hat Herr Prof.
Dr. Koch (Braunfchweig) fi große Verdienfte um die Über:
tragung ber einichlägigen engliſchen Bezeichnungen ins Deutfche
erworben — ic würde dem gelehrten Forſcher Dant wiffen, wenn
er perjünlich in diefen Spalten ſich darüber vernehmen liche und
meine befcheidene Wrbeit würdig fortſehen wollte.
Straßburg i./E.
Freiherr Robert von Fichard.
Rleine Mitteilungen.
Martin Greif, ber in bdiefer Zeitſchrift (X. Jahrgang
Sp. 249— 51) namentlid) als Dichter des Feſtſpieles > Hans
Sachs« von Julius Sahr gewürdigt worden iſt, hat feine ges
fammelten Werte in C. F. Amelangs Verlag, Leipzig in drei
Bänden ericheinen laſſen. Der erjte Band enthält die Gedichte,
die beiden andern die Dramen des Verſaſſers. Die Greifſchen
Dichtungen zeichnen ſich nicht nur durch die Tiefe und Wärme
ihres Inhaltes und ihre vaterländifche Begeiſterung, fondern aud)
durd; reine und kraftvolle Sprache aus und verdienen es daher,
in immer weiteren Streifen befannt zu werben.
— Die vom preußischen Juftizminifter Schönftedt foeben
erlafjene neue Gefhäfttordnung für die Gerichtsfchreibereien der
Amtsgerichte (Beilage zum Juſtiz⸗ Minijterialblatte Nr. 48 von
1896) enthält in $. 16 (Ausführung der Verfügungen und Be-
ihlüfje) zu Beginn die Anweiſung:
»Die angeordneten Schreiben (Erpeditionen) müſſen in
bündiger, verſtändlicher Geſchäftsſprache unter thunlidhfter
Vermeidung von Fremdwörtern abgefaht werden, «
Ein höchſt erfreulicer Erfolg! Auch das preufiiche Justiz:
minifterium reiht fich nun ein unter die Behörden, die bem
Kanzleiftile und dem Fremdwörterunfug offen den Krieg erklärt
haben.
— Yır dem » Evangelifc: lutheriichen Miffionsblatte« (Selbit:
verlag der eb.⸗ luth. Miſſion in Leipzig) Jahrgang 1896, Seite 238
findet fich folgendes: »Dann fehrte Herr Direktor (ohne »dere)
über Madura und Kolombo nad) Dentichland zurüd.e ..
troß feines verhältnismäßig furzen indifchen Mufenthalts hat Herr
Direktor« (ebenjo) ufw. Diejelbe Unart fehrt in dem Blatte
häufig wieder, wenn von einem Worgefeßten geredet wird. In
Dialoniſſenkreiſen ift fie nicht minder üblich, auch in die Schulen
ſcheint fie einzubringen.
*) Vgl. Erſtes deutſches L.-T.-FZahrbudh ©. 22.
ben NRegimentsfchreiber gerichtete Frage: »fommen Herr Oberft?«
In »beſſeren« ſächſiſchen reifen ift es Negel zu jagen: »Ber-
zeihen Herr Oberamtsrichter, Herr Superintendent haben geſtern
einen Unfall erlitten.e Dieſe ganze Art verdient die Geiel! Hof:
„Aber |
Bon einem Adjutanten hörte ich die an |
und Bedientendeutjc.
...0
Sur Schärfung des Sprahgefübls.
20) »Die Kommiſſion ijt
webder für Staatshilfe noch für
Gründung von Arbeiterfolos
nien. Das Steinellopfen als
Beichäftigung für die Arbeits:
lofen ift mandmal ein jehr
tojtipieliges.« (Aus dem Bes
richte des engliſchen Parlaments =
Ausſchuſſes über Arbeitslofigkeit,
Beitungsnacdhricht vom Auguſt
1896.)
20) Der Ausſchuß iſt weder
für Staatshilfe noch für Grün:
dung von Arbeiterheimen (Ar⸗
beiterfolonien). Das Steine
Hopfen als Beichäftigung für
die Arbeitälofen iſt mandmal
ſehr Eoftipielig.
Das unbejtimmte Geſchlechtswort »ein jehr foftipieliges«
ift hier falſch, da nicht verichiedene Arten des Steineflopfens
unterschieden werden. Anders, wenn die deutſche Kaiferin auf
die Frage einer einfachen rau nad) dem Befinden bes Kaiſers
die Antwort giebt: »Berubigen Sie fih nur deshalb, die
Krankheit it nur eine leichter (Mug. 1896).
Die Kranl⸗
heit gehörte eben unter die Klafje der leichten Erkrankungen.
»Der Mathematitlehrer erflärt: Dieſe Linie iſt eine frumme;
der BZeichenlehrer: Diefe Linie ift noch ganz frumme. (Th.
Matthias, Kl. Wegweijer ©. 72.)
21) »Iinterzeichnete, die ans
läßlich des Geburtstages Ew.
Durchlaucht zu einem feitlichen
Frühfhhoppen verjammelt find,
erlauben fi auf das Wohl Em.
Durdylaucht, dem Baumeifter
des auf fejtem Fundament
gefügten Deutichen Reiches. .
ein Glas perlenden deutichen
Weines zu trinfen.e (Draht:
gruß an den Frürften Bismarck
aus Dresden 1. April 1805.)
Anläßlich — unſchön.
21) Die Unterzeichneten, die
zur Feier des Geburtstages Em.
Durchlaucht bei einem fejtlichen
Frühfchoppen verfammelt find,
erlauben fid) auf das Wohl Em,
Durchlaucht, des Baumeijters
unfere® auf feitem Grunde ers
ridyteten Deutjchen Reiches —
oder: unferes feitgefügten Deut:
ſchen Reiches — ein Glas per:
lenden deutihen Weines zu
trinten.
Beifap (Appofition) in jalfchem
Beugungsfalle. Statt: »des Baumeifters bes Reiches « befier
Hingend »unferes Reiches«.
22) »MWas die Anzeigepflicht
der anjtedeuden Krankheiten in
Bezug auf die foftenlofe Zus
teilung und Ginfendung ber
bierzu zu bejtimmenden For:
mularien betrifft, fo bleibt
diefer Gegenſtand unter ben
gegenwärtigen Verhältniſſen
weiterer Erwägung vorbehalten.«
(Aus einem bayriſchen Minijtes
rialerlaß vom Jahre 1893.)
22) Was die Anzeigepflicht
bei anftedenden Kranteiten be:
trifft, fo bleibt die frage, ob
die hierfür zu beftimmenden
(hierzu erforderlichen) Vordrude
koſtenlos zugeteilt (verabjolgt)
und eingefendet werden jollen,
unter den gegenwärtigen Ber
hältnifjen weiterer Erwägung
vorbehalten.
Anzeigepfliht der anftertenden Krankheiten — faliche Be
ziehung des Wesfalles auf das erjte Glied der Zufammen-
feßung, wie: Erfrantungsfäle an den Poden, Gedenktag an
zwei Ereignifie, Befreiungstriege von der Franzojenherrigaft,
Einverleibungserlak Hollands in Franfreid.
— r
9 Zeitſchrift des allgemeinen beutfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1897. Nr, 1.
23) »Die unter Ihrem Ober⸗
fommanbo und unter ber
23) Die unter Ihrem Ober:
befehle und unter ber bewährten
bewährten Führung Ihrer Ge» Führung Ihrer Generale jtehen:
neräle ander Revue von Cha- den Truppen, bie an ber Heer-
lons teilgenommenen Trups ſchau bei Chalons beteiligt ges
pen haben einen überaus im—
poſanten Anblid gewährt; ich
fende Ahnen meine herzlichiten
Güdwünjce, und ich danke der
Armee im Namen des Landes.« und ich danfe dem Heere im
(Drahtnachrichtv. 14.08.1806.) Namen ded Landes.
Für teilgenommene Truppen mühte es heißen teil:
genommen babende Truppen, eine Form, die nicht zuläffig
ift. Ähnliche Fehler: die Play gegriffene Bewegung, der und
betroffene Verluſt, der vieles erlittene Dulder u. a. Wollte
man ſchreiben »die Truppen, die teilgenommen haben, haben
— gewährte, fo würde durch das doppelte haben ein Miß—
fang entitehen. Generale beſſer ald Generäle: vgl. Ad—
mirale, Korporalt, Lineale, Prinzipale, Tribunale u. a. —
Bu »überaus impofant« bemerft 9. Seemüller treffend:
» Der Gebrauch de fteigernden überaus bei ſolchen ein hohes
Maß ausdrüdenden Eigenjhaftswörtern ift eine bedauerliche
Unart der Umgangsipradje.«
Geprüft von den Herren Behaghel, Brenner, Erbe, Heinpe,
ähns, Khull, Lohmeyer, Lyon, Matthias, Pietſch, Preſſel,
Ifeld, Scheffler, Seemüller, Wappenhans, Wunderlich.
Bemerkungen über die Übungsjäge, Beiträge u. a. bittet man
—— an Profeſſor Dr. Dunger in Dresden-A., Schnorr-
trage 3.
wejen find, haben einen groß—
artigen (überwältigenden) Anz
blid gewährt; ich jende Ihnen
meine herzlichſten Glüdwüniche,
Spreciaal.
Taifun.
Der Einfpruch des Lefers der ⸗-Frankfurter Zeitunge (vgl.
Ziſchr. XI (1896) Nr. 10 Sp. 202 und 203) gegen den Gebrauüch
ded Wortes »Taifune iſt zurückzuweiſen, denn er beruht auf der
irrtümlichen Annahme, Zaifun jei aus dem griechiidhen » Typhon«
entitanden, woraus die Engländer »typhoone gemacht hätten,
»Umgelehrt wird ein Schub daraus«, jagt das Sprichwort. Die
Form »typhoone« iſt eine gelehrt fein follende, rüdwärts ſchauende
einmologijche Anpaflung an das Griechiiche, das Wort felbjt aber
ftammt aus dem Ghinehicen. Wenn jener Leſer meint, »das Wort
Hinge entfernt an das Chineſiſche an«, jo möge er getreſt einen Schritt
weiter thun und fagen: es ift chineſiſch. In dem »Journal of
the Royal Geogr. Soc. of London« Band 50, S. 60267 (vgl.
» Annalen der Shdrographie« 1881 S. 630) hat Dr. Friedrich
Hirth, Kaiferl. Ehinefiiher Zollbeamter in Shanghai, aus alten
chineſiſchen meteorologiihen Berichten dargethan, daß »Taijung«
eine uralte chineſiſche Bezeichnung ift für den Sturm, den wir
als »Taifun«e fennen und den aud) jene alten Berichte genau als
ordentlicher Winde heit. — Um ganz ficher au
ftube jei früher vielfach die Kenntnis der Landesſprache den in
China lebenden Eurepäern vermittelt worden. — Nuf Grund
beſſerer Erlenntnis ſchreibt die Kailerlihe Marine num jchon jeit
funfzehn Jahren das Wort, das fie früher Teifun jchrieb, richtig
Zaitun. — Was aber den Vorichlag jenes Lejers der » Franff.
Btg.« betrifft, einfach »Wirbeljturme zu jagen, jo flingt das ja
gen ſchön, geht aber nicht, denn es wäre viel zu allgemein, uns
ejtimmt und nichtSfagend. Wir haben bier zu Lande auch Wirbel:
ftürme. Aber fie find doch ganz verichieden von Eyflonen, und
diefe find wieder ebenſo verjchieden von Zaifunen. Die darf man
nicht fo in einen Topf werfen, denn es hat jeder feine eigenen
Drehungsgefege, die wiſſenſchaftlich beſtimmt find, und zwar
10
unter den erwähnten wiſſenſchaftlichen Namen bejtimmt. Diefe
zu ändern liegt fein Grund vor. Wer es thäte, würbe uns
wiſſenſchaftlich handeln und die Leute irre führen. Denn jeht,
wenn der feefahrende Mann von einem Taifun hört, fo weih er
genau, wohin er feine Gebanfen zu richten hat, nämlid in die
chineſiſch⸗ japaniſchen Gewäſſer, und wenn er von einem Cyllon
hört, jo richtet er fie nach Weitindien. Dabei möge es bleiben;
diefe Wörter find — obgleich Fremdwörter — richtige Bezeich—
nungen, bei denen man ſich gleich das Richtige denken fann, und
die man nicht zu verdeutichen vermag, ohne das Verftändnis zu
erichweren. Und das wollen wir bei all unjerem Streben nad)
Reinheit der deutſchen Spradje doch nicht.
Wilhelméshaven. Goedel.
Bücherſchau.
— Dr. Th. Matthias, Kleiner Wegweiſer durch
die Schwantungen und Schwierigfeiten des deutſchen
Spradgebrauds. 144 S. Leipzig, Rich. Richter. M. 1,20.
Eine der beſten neueren Arbeiten über deutichen Sprad)-
ebrauch iſt das vor vier Jahren erichienene Bud, von Theodor
atthia® »Sprachleben und Sprachichädene. Aus diefer umfangs
reichen Schrift bietet der Verf. hier einen kurzen, überfichtlichen,
alles Weſentliche enthaltenden Auszug, bei dem jedoch die dort
gegebenen wiſſenſchaftlichen Begründungen fehlen. Er ſchickt kurz⸗
gefahte Regeln voraus und erläutert fie dann an treffenden Bei—
ſpielen, die durch gleichmäßigen Druck hervorgehoben werden. Troß
dem geringen Umfjange des Büchleins mu man über die Reich.
haltigfeit des darin behandelten Stoffes ſtaunen. Ebenſo verdient
die Anordnung ded Stoffes und dad Streben nad) Überſichtlich-
feit unbedingte Mnertennung. In Abweichung von dem größeren
Werte teilt Matthias den ganzen Etofj in vier Gruppen: Wort«
beugung, Wortbildung, Wortfügung, Sapfügung. Nach der Bors
rede hat der Verf, die Abficht, namentlih Schülern höherer Lehr:
anftalten damit einen Wegweifer für die deutihen Schreibübungen
in die Hand zu geben. Gewiß ift dies in hohem Make wünjchens-
wert, aber ebenſo qute Dienſte lann die Schrift auch den zahls
reichen Lehrern des Deutichen thun, die nicht Zeit und Luſt haben,
ausführlichere Werte diefer Art durdhzuarbeiten; überhaupt wird
fih jeder Freund unſerer Sprache freuen, auf fo wenig Seiten
eine fo aniprechende, gründliche, willenjchaftliche Behandlung
wichtiger fprachlicher Fragen zu finden.
In einzelnen Punkten fann man bier und da anderer Anficht
fein als der Verſ.; die Formenlehre könnte vielleicht —— die
Fafjung der Regeln zuwellen etwas leichter verſtändlich fein, aber
im ganzen verdient der Kleine Wegweiſer allen Bereintgenofjen
auf das wärmfte empfoblen zu werden.
Nur auf eine Kleinigkeit möchte ich gerade an diefer Stelle
eingehen. Warum gebraucht ber Verf. für das lateinifche » Berbum«
den Ausdrud » Thätigleitsworte? Ich weiß recht wohl, daß
gegen die Verdeutihung Zeitwort mandıerlei Bedenken erhoben
werden. Aber gilt dies nicht auch von Thätigkeitswort? Sit es
etwa eine Thätigleit, wenn ich eine Strafe »befomme«, wenn ic)
»faulenze«, wenn ich der frifchen Luft »entbehre«? Meines Ers
achtens ijt Zeitwort ebenjo gut und ebenfo fchlecht wie Thätigleits:
wort, Mber ung, die wir namentlidy für die Vollsſchule die
Fremdwörter der Sprachlehre verdeuticht jehen wollen, fommt es
vor allem darauf an, daß nur ein Erjagwort für jeden fremden
Kunftausdrucd gebraucht werde Nicht an dem zug; ſondern
an der Vielheit deutſcher Bezeichnungen leiden wir. shalb hat
der allgemeine deutjche Sprachverein feiner Erg eine Abjtimmung
über diefe Ausdrüde vornehmen laſſen. i weitem bie Mebr:
heit der Stimmen bat fich für Zeitwort entfchieden, — wollen wir
nicht daran feithalten? Aus demfelben Grunde kann ich es nicht
billigen, wenn jet von einigen Seiten vorgeiclagen wird, Par—
tizipium nicht durch Mittelwort, fondern durch Mittelform
zu verdeutfchen, weil fich dieſes Erjagwort bequem anſchließe an
Nennjorm (Infinitiv), Zeitform (Tempus) u.a. Für Mittelwort
fpricht aber nicht mur die Abſtimmung (57 gegen 1), nicht nur
das Alter diefes Ausdrucks, den ſchon Schottel eingeführt hat,
jondern auch ein innerer Grund. Es hat feinen Namen davon
erhalten, weil es in der Mitte ftcht zwiſchen Zeitiwort und Eigen:
ſchaftswort, aljo zwiſchen zwei Wortllaffen, nicht Wortformen.
Dresden. Hermann Dunger.
11
Zeitungsſchau.
Aufſähhe in Zeitungen und Zeitſchriften.
— Über den allgemeinen deutſchen Spradperein
fchreibt die in Berlin ericheinende »bermaniae: »Wir haben
Hirzlih Beranlafjung genommen, den Wunſch auszusprechen,
da die fatholifchen Hörer der Bonner Hochſchule, wenn der all:
gemeine deutiche Spradverein feine jchon früher an die dortigen
fatholiihen Studenten s Vereine und = Verbindungen gerichtete
Aufforderung zum Beitritt wiederhofen follte, feinen Aufgaben
größere Teilnahme entgegenbringen möchten, als das früher ges
fchehen iſt. Derjelbe Wunfc gilt natürlich auch für die Hörer der
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XH, Jahrgaug. 1897. Nr. J. 12
Unfuge der Spradyverwilderung entgegen zu wirfen. Wir empfch-
len es daher den übrigen Aweigqvereinen zur Nachahmung und
ftellen Abzüge des Flugblattes gern zur Verfügung. D. Schriftl.)
Eilli (Unter: Steiermarf), Am 10, Dezember v. J. fand die
‚ gründende Berfammlung des Zweigvereins Eilli ftatt, bei
übrigen deutichen Hochichulen, und wir mũſſen ihn auf die fatholijchen |
Kreiſe Deutſchlands überhaupt ausdehnen, Denn die Mutter:
ſprache iſt ein Gut, dejien ſorgſame Pflege jedem Gebildeten
am Herzen liegen muß. Es ijt uns emtgegengehalten worden,
der deitiche Spradverein fei body nur ein Fremdwörterverein“,
in dem lediglich die ‚Fremdwortjäger* ihr Wejen trieben; außer—
dem jei er in den Fatholiichen Landesteilen wenig verbreitet.
Beides ift durchaus irrig. Nach den uns vorliegenden Sakungen |
will der Verein vielmehr „den echten Geiſt und das eigentümliche
Wefen der deufichen Spradhe pflegen, Liebe und Verſſändnis Hir
die Mutteriprache weten, den Sinn für ihre Reinheit, Nichtige |
feit, Deutlichleit und Schönheit beleben‘ — und demgemäß aller:
dings auch ihre Neiniqung von unnötigen fremden Peitand-
teilen fördern‘. Die Hiele find alſo viel weiter geitedt, umd mie
ehr die Förderung diejer Ziele not thut, darüber wird fein
Gebildeter, der umjer deutiches Schrifttum und die darin nur zu
oft zu Tage tretende Mißhandlung der Sprade aufmerfiamer
verfolgt, auch nur einen Augenblid im Zweifel fein. Daß der
deutihe Spradverein feine Zwede aber mit Sachkenntnis und
Mäßigung zu erreichen fucht, davon legt feine trefjlich geleitete
Zeitſchrijt vollgültiges Zeugnis ab. Was dann die Verbreitung
des Bereind oder vielmehr feiner Zweigvereine in Fatholiichen
Landesteilen betrifft, jo beſtehen ſolche, und zwar meiſt außer—
ordentlich Iebensfräftige umd rührige Wereine beifpielsweije in
Köln, Bonn, Koblenz (5. 3. wohl der ftürfite von allen Zweig—
vereinen), Machen, Mainz, Trier, Trarbah, Münster i. W.,
Freiburg i. Br., Münden, im mehreren Städten Sciefiens ufw.
Auch die fatholischen Landesteile Oftreichd find mit nicht weniger
als 22 Aweigvereinen vertreten. Wir fönnen nur wiederholen,
was wir bei früherer Gelegenheit ausſprachen: Wenn wir uns
ohne Grund dem Dienite einer ſolchen Sache entziehen, dürfen
wir auch nicht Magen, wenn fatholifenfeindliche Anſchauungen
unter ihren Anhängern die Oberhand erhalten, und fie jchliehlich
felbft in den Dienft der uns Beſehdenden gnejtellt wird. «
Abgeſehen von der unter allen Umſtänden grundlojen
Befürchtung, daf unter den Anhängern unferer Sache fatholifen-
feindliche Anſchauungen die Oberhand erhalten künnten, freuen
wir und diefer Nuslafjung von Herzen und möchten nur hinzus
fügen, daß bei der Verfolgung der oben angeführten Vereins—
zwede ausdrücklich (gemäß Sapung 2) »jedes Verfahren aus:
geſchloſſen iſt, das irgendiwie mit jtaatlicdyen, kirchlichen oder
geiellichaftlichen Parteibejtrebungen zufammenhängt; der allge
meine deutſche Spradverein iſt in diefen Beziehungen unbedingt
parteilos.«
Aus den Sweigpereinen.
Bonn. Die Bortragsabende der Herren Bed und Milan,
die anı 10. November und am 1. Dezember v. J. veranftaltet wurden,
waren gut beſucht und haben dem Vereine wieder manchen netten
Freund erworben. Die Mitgliederzahl bat fich feit dem 1. Juni
von 361 auf 380 gehoben. Die bier neu eingerichtete Privatpoſt
bat auf Veranlaſſung des Vorſtandes ihre ⸗Korreſpondenz—
farten« in »Stadtfartene verwandelt und in dem Wortlaute der
Karte eine Reihe von Fremdwörtern durch beutiche erjcht.
Breslau. Der auf Spalte 237 d. v. Jahrg. erwähnte Wor
trag von Projeſſor Jurifch über Breslauer Spradfünden
iſt als Flugblatt gedrudt und im weiten Streifen, namentlich der
Maler, Gaſtwirte und Lehrer, verteilt worden. (Die furzen Bes
ridjte, die fiber derartige Vorträge in den Zeitungen eviceinen,
üben erfahrungsgemäß feinen großen Einfluß aus. Dagegen
dürfte das Vorgehen der Breslauer Herren geeignet fein, dem
der das Mitglied des Geſamtvorſtandes Proſeſſor Dr. Ferdinand
Khull den einleitenden Vortrag über die Ziele des a. d. Sprach—
vereins hielt. Nach Wahl des Vorjtandes wurde der Verein,
der bereits über 60 Mitglieder zählt, von Dr. Khull namens
des Geſamtvorſtandes fowie des Zweigvereins Graz und von
Dr. Glantich namens des Zweigvereins Marburg begrüft;
auch eine Meihe jchriftliher Grühe fibermittelte der Borfiger,
Dr. Wertheim.
Czernowitz. Bor einer ungewöhnlich großen Anzahl von
Gäſten Sprach Dr. Rofef Ofterreicher am Bortragäabende des
Zweigvereind Bukowina am 14. November über das Juden:
deutſch, jene merhvirdige Mundart, die dem deutfchen Sprady:
ftammte durch den Anſchluß eines fremden Volles zugeführt wor:
den iſt. Der Vortragende machte jeine Zuhörer beſonders mit
dem Schrifttum der deutfchen Juden befannt, kennzeichnete aber
auch die Sprache und berührte dabei alle Abſchnitte der noch fait
gänzlich unbearbeiteten judendeutſchen Spraclehre.
Dresden. An der Novemberfigung berichtete zunächſt der
Vorſiher, Graf Vitzthum, über die erfreuliche Thatſache, daß
46 Mitglieder neu aufgenommen jeien, jo daß der Zweigverein
nunmehr 321 Mitglieder zäble. Hierauf bielt Handelsſchuldirektor
Klemich einen Vortrag über die Bedeutung der Schrift für
Bildung und Gefittung und für die Kranfgeitslehre von Körper
und Seele.
Duisburg Nachdem der Voriger, Profefior Mebltopf,
in der Berfammlung am 21, November v. J. auf neuere Erfolge des
Spradwereins, bejonders bei Behörden hingewieſen batte, ſprach
Dr, med. Lenzmann über die Sprade als geijtige und
fürperlihe Thätigfeit des Meniden.
Franlfurt a. M. An feiner Dezemberfipung behandelte
der Hweigverein zumäcit die Theateriprace, dann eine Ein: _
gabe an den Geſamtvorſtand, in der auf die Wichtigkeit der
Nachſorſchung nadı gotiſchen Schriften in ſpaniſchen
Klöſtern aujmerkſam gemacht wird. Zum Schluſſe ſprach Rechts:
anwalt Dr. Löwenthal über die Sprache des neuen Bürger—
lichen Geſeßbbuches. Wenn diefe Sprade, jo führte der
Redner aus, auc einen Fortichritt aufweiſe, infofern er
Fremdwörter durch deutſche Ausdrücke erfegt worden find, fo jei
es doch zu beklagen, daß fie bei dem Bejtreben der Berfafier
nach Wiſſenſchaftlichteit zu wenig gemeinverjtändlich und volts-
tünmic geworden fei. Einen vorteilhaften Gegenſah dazu bilde
die Sprache des preußiſchen Landrechts.
Graz. Zuſammen mit dem biftoriichen Vereine für Steier-
marf veranitaftet der Zweigverein im Winter 1896/97 8 wifien-
ſchaftliche Vorträge, deren eriten Univerſitätsprofeſſor Dr. Wil
heim Gurlitt am 9. Dezember über Kunde der Völlerwans
derungäzeit aus der Steiermartf hielt. — Der Zweigverein
bat Nechenzettel in mehr als 100000 Abzügen an die Grazer
Zahllellner verteilen lafjen, um die Ausbreitung unferer Beitres
bungen zu fürdern. Die Ausführung diefer Zettel ift künſtleriſch
ſehr gelungen. Der Hopf trägt den Namen de$ Vereins in Hier:
ſchrift umd einen Mdler mit ausgebreiteten Flügeln, der eine
Schlange in feinen Klauen hält. Darunter befinden ſich Ver—
deutjchungen für eine Reihe häufig gebrauchter Fremdwörter und
am Fuße eine Angabe über die Erwerbung der Mitgliedichaft,
den Beitrag u, dergl. (Die Schriftleitung erbietet fi, Vereinen,
die etwas Yhnliches unternehmen möchten, derartige Zettel zur
Anficht zu überfenden; den in Stein gezeichneten Kopf jtellt der
Örazer HZweigverein gerne zur Verfügung.)
Leipzig. In der Sigung am 17. November erjtattete Ober:
lehrer Dr. Beer zumäcjt einen Bericht über die Haupt—
verfammlung in Oldenburg, wobei er den vortrefflichen Ge—
famteindrurd der Verſammlung, die unvergleichlidy geſchickte Yeitung
der Nerhandlungen durch Oberftleutnant Dr. Jähns, den Eindrud
‚ der ausgezeichneten Feſtrede Profeſſor Schraders und das warıne
GEntgegentommen der Behörden und der Bürgerſchaft von Olden—
| burg ſchilderte. Alsdann hielt Berlagsbuchhändter Robert Voigt:
länder einen Bortrag über Fremdwort-Thorheiten,
er
durch die Zuſammenſtellung befonders geſchmackloſer und dicht ge=
13
häufter Fremdwörter oft laute Heiterkeit und lebhaften Beifall
bhervorrief.
Leoben. »Wie ſich die Sprade änderte war der Begen-
Stand eines BVortrages, den Ingenieur Karl Volk in der De:
zemberwverfanmlung hielt.
Magdeburg Überjtleutnant a. D. Köhnemann ver
breitete fich in der Sikung vom 7. November über die Sprache
des Heerweſens und fegte im einem furzen Überblide über die
Entwidelung des deutichen Heeres dar, wie durd) das Söldner—
weien das E rembe auc in die Sprache —— und daß
erſi durch die Umgeſtaltung der Heeresverfajlung durch Scharn—
horſt das Deutſche wieder mehr zu ſeinem Rechte gekommen ſei.
Marburg a. d. Drau. Die Monatsverſammlung am 9. De-
zember wurde durch mufifaliiche Borträge eröffnet, und dann hielt
Herr Friß Bley, der befannte Schrüftjteller und Vorkämpfer des
alldeutichen Gedanfens, einen Vortrag über das Wejen und
die Entwidelung der deutſchen — 9 5 und ihre Be—
deutung für die Erhaltung des deutſchen Vollstums.
Meg. Profeſſor Dr. Seifert, der den Vorſiß im Zweig—
verein übernommen hat, hielt am 26. November v. I. einen
Bortrag über die Bereicherung des Wortſchates unjerer
Mutteriprade. Der Redner ging von dem Gedanken aus,
daß es bei dem Wortreichtum der deutichen Sprache und ihrer
Trübigleit, Meubildungen zu ſchaffen, leicht jei, die überflüjligen
Fremdwörter auszumerzen und für die unauibörlich neu ent
jtebenden Begriffe aud) neue deutjche Ausdrücke zu bilden. Als
Mittel zu bielen Bweden gab er folgende an: I. Man lege be=
reit3 vorhandenen Wörtern der Schriitipracdhe eine neue Bedeu—
tung bei; 2. man greife zu den Mundarten, den Fachſprachen
und der Sprache vergangener Zeiten; 3. man bilde neue Aus-
drüde entweder aus neuen Stämmen oder durch Ableitung von
vorhandenen Wörtern, ferner durd) Verwendung von Eigennamen
und durch Überfegung von Fremdwörtern. Tie Fülle des Stoffes
nötigte den Medner, ſich zumächit auf die Ausführung des erjten
Bunftes zu beichränten.
Neunkirchen, Bez. Trier, Die Winterverſammlungen find
durd einen Vortrag des Privatdozenten Dr. Bruinier aus
Greifswald über unfere Mutterjprade als Spiegel der
Zeiten eröffnet worden.
Neihenberg Am 28. November v. J. ſprach Oberlehrer
Dr. Theodor Matthias aus jittau über »Geſchichte und
Sprades (vgl. Sp. 238 d. v. Jahrg). — Auf Erſuchen des
Zweigvereins bat 1. der Reichenberger Deutiche Turwerein die
bisher übliche Bezeichnung » AbonnementssSlongerte« in » Bor:
merf: Konzerte umgewandelt, und 2, eine Bereinigung von Prager
Hochſchullehrern, weldye Vorträge unter dem Mamen » University
extension« halten, die engliſchen Wörter durch den Ausdruck
» Boltstümlidhe Hochſchul-Vorträge« ericht.
Brieftaiten.
Herrn W. v. N. ..., Köln Die Redensart »ich will dir
zeigen, was eine Harke ijt« wird auf die Erzählung von
einem. Bauernjohne zurücdgeführt, der, lange in der Fremde ge:
wejen, verächtlich auf die väterliche Bauernwiriſchaft berabjicht
und fo lange A gie das viel gebrauchte Gerät nicht zu erlennen,
bis ihm der Stiel einer Harte ins Geſicht fchlägt. Dem entipridht
die in Holſtein übliche Redensart »He kennt de Hark nige von
einem, der jo tut, als ob er im Baterlande fremd wäre,
Herm Dr. N... ., Karlörube Das Wort »völtijch«, das
Ahnen in einem Auflage von Friß Bley in der »Täglichen Rund:
ſchau« mehrfach aufgefallen iſt, ſcheint uns eine überflüſſige Neu—
bildung. Wer das Wort »national« nicht anwenden will, dem
bietet fi das Ep. 222 d, vor. Jahrg. beiprochene »volkliche, ein
Ausdruck, der jchon von Jahn und Arndt gebraucht worden und
neuerdings, namentlich in Oftreich, jeher in Aufnahme gefommen iſt.
Herm X. . ., Frankfurt a. d. O. Der Leitauffag in Nr. 279
der »trranfiurter Oder: Zeitunge vom 27. Novenber v. J. beginnt
mit den Worten: »Nachden der Entwurf eines ‚Gejepes,
betreffend die Abänderung von Arbelterverſicherungs-Geſeßen; —
mit welchem etivas jeltjam klingenden Namen die Spradie unjerer
Gejepgeber die Novelle zum Invaliditäts- und Altersverficherungs-
efep bezeichnet — ..... « Das Fremdwort ijt alfo dem Ver:
Faller jo vertraut, daß im der deutſche Ausdrud feltſam Klingt.
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1897. Wr. 1.
14
Iſt das nun die Wirlung der Vorliebe für dad Althergebradhte
oder bewuhter Abneigung gegen das Ipradreinigende Beſtreben
unjerer Seiebgeber? Wenn lepteres der Fall, jo wäre Herrn Prof.
Hans Deibrüd, dem Verteidiger des Ausdrudes »illonale Kon—
furrenze gegenüber dem »unlauteren Wettbewerbee (j. Sp. 60 d.
v. Zahrg.), ein Bundesgenofje in dem Berfajjer des obigen Auf:
japes eritanden,
Herm H. ..., Schwerin. Die ⸗»Großherzoglich Mecklen—
burg: Schwerin’jche Landtagspropofitione deren Abdruck in den
»Medlenburger Nachrichten« (Nr. 275 vom 22. November 1896)
Sie uns jreundlichit überjenden, ift jprachlich gußerſt feſſelnd. Der
Aubalt kommt glücklicherweile bier nicht in Betracht; wir wären
auch in gobter Verlegenheit, jollten wir darüber berichten, da
man bei der Eigenart der Sapgebilde und der Häufigfeit medien:
burgifcher Fachausdrücke wohl nur durch große Übung und emſigen
Fleiß ſo weit gelangen kann, ihn zu erſaſſen. Bis zum erſien
Buntte hat man fich durch einen Schwall von etwa 250 Wörtern
durchzuarbeiten. Nachher werden die Eäte ſchon eher verftänd-
lich, wimmeln aber dafiir von Fremdwörtern. Pietätlofigfeit, die
ja ein Kennzeichen der heutigen Zeit fein fol, kann man dem
Herm »Stommifjariuse, dem Unterzeichner der »Bropofitione nicht
vorwerien, denn ehrfürdtig hält er am Alten feit, wenn es aud)
der greulichſte Zopf wäre.
Herrn C. G. . . . Düffeldorf. Gegen Ihre Anficht, daß
die ſüddeutſchen Stämme dem ſogenannten Yylid-8 weniger hold
feien als die norddeuiſchen ſprechen folgende dftreichiihe Wort:
bildungen 1. Zugsführer, Wertsarbeiter, Gepädswagen, Arztess
ftelle, Ballagiersgebühr; 2. Fabriksbeamter, Perfonsbeichreibung,
Aufgabsicein, Aufnahmsprüfung, Klagsbehändigung, Beamtens-
gattin.
Herrn D. .. . Frankfurt aM. Beſten Dank für Ihre
Mitteilung über die »Societe anonyme des Tramways de Co-
logne.e Die Stadt Köln geitattet danach diefer Gefellichaft, die
allerdings ihren Si in Brüffel hat, nicht nur ihre Sapungen, -
fondern auch die Einladungen zu ihren Hauptverfammlungen in
franzöſiſcher Sprache zu veröffentlidien. Iſt es ſchon höchſt bes
dauerlich, daß im früherer Zeit — jet iſt es ja beſſer gewor—
den — deutſche Städte fremdländiichen Gejellichaften erlaubten,
fich bei ihnen einzuniſten, ſo muß ein Entgegentommen, wie das
obige, als ein Mangel an nationalem Empfinden gebrandmartt
werden.
Herm €. €. ..., Berlin. »The Quisisana Company «,
Berlin S. W., Friedrichſtr. 214, macht in ihren Wavenverzeich-
nifien, von denen Sie uns eins zur Verfügung stellen, ihvem
Namen alle Ehre, Die Spradvermengung, die ſich in leßlerem
findet, lommt in der Aufzählung all der Gerrlichleiten, die man
in den »Probirfalonse der Sejellichaft erhalten lann, zum jchönften
NAusdrude. Franzöfiice, engliiche, italteniiche, ſpaniſche und hol:
ländifche Bezeichnungen wechjeln miteinander ab, und das iſt recht
fo, denn durch das Kauderwelſch erhalten die Waren für den
Durdyichnittsdentfchen ja erjt ihren rechten Wert.
Heren Amtsrichter K. . . . Schlieben. Urteilen Sie nicht
etwas zu Scharf über den von Lichtenberg berrührenden, alſo feines:
wegs neuen Ausdrud »verjchlimmbeilerne? In ermniter
Sprade begegnet er und allerdings zum erjtenmal in dem von
Ihnen eingejandten Zeitungsausicnitte. Wir möchten ihn auch
leineswegs für die gewählte Ausdrucksweiſe empfehlen, aber mit
bumorijtiicher Fürbung gebraucht, iſt er doch, weil jo bezeichnend,
gar nicht übel.
Herm Johannes, Bonn. Sie machen und auf den neuen
und überraſchenden Gebrauch aufmerlſam, den die »Bonner Zei—
tunge vom 3. Dezember von dem Worte »Gonducte macht, in⸗
dem fie ichreibt: »... wurde der Sarg hinausgetragen und auf
den Conduct gehobene Berubt das auf einem Verſehen oder
follen wir mit einem alten Fremdwort in meuer Bedeutung be:
glüct werden? Wohl das leptere, denn der Herr »Neportere wird
doch wiſſen, daß Conduet = Zug it.
Herrn K. B. . . in Torgau. Sie nehmen Anftoh an der
Faſſung eines von einem Aweigverein eingebrachten Antrags: »Es
wolle die Schrijtleitung der Bereinszeitichriit angewieſen wer-
dene —. Das Sjeitwort wollen jei bier ebenjo falfch angewendet
wie in der Verfügung eines ſüddeutſchen Richters: >» Das Tejtas
ment wolle zur u genommen werdene«; wollen heiße
jo viel wie wünſchen, und von einem Wunſche der Schriftleitung
oder gar des Tejtaments jei Hier nicht die Rede. Indeſſen, wenn
15
wir Ihnen auch gern zugeben, daß diefe Wendung nicht ſchön
klingt, — als falſch kann fie ſchwerlich bezeichnet werden. Denn
wollen bezeichnet nicht nur ein Wünjchen, jondern es geht auch
in verblaftem Sinne zu der Bedeutung von »werden, können,
müffen, follen« über. Das zeigen die belannten Nedensarten: » Gut
Ding will Weile haben«; »da8 will nichts bejagen«, »das will
gemacht feine. So jagt Luther: »Da vermahnte Judas fein Bolt,
da fie flreiten wollten« (= möchten); Schiller: » Denn nimmer
will ic glauben«; Goethe: »Wie wollt’ es auch zu euren Obren
tommen« oder: »Die Studien wollen mit Geiftesfreiheit behans
belt werden«; Seibel: » Eigenfinn und Unkraut wollen frühzeitig
audgereutet fein. Da Le fing — fogar einmal wollen unmittel=
bar zu wünſchen, wenn er in »Mik Sarah Sampfon « jchreibt: »So
wollte ich wohl wünjden, daß ich ihr ein befjeres (Mutterteil)
laſſen fünnte«.
Bemerkung
zu dem Auffag »Die Rechte der deutihen Sprade
im Bereich erdlundliher Eigennamen«,
Sn Spalte 214 fteht Bozen nicht ganz an ber richtigen Stelle,
infofern ed danach den Anjchein hat, als jollte diefer Ort zu einer
italienijchen Stadt geftempelt werden. Es ift aber eine ganz über-
wiegend deutſche Stadt; denn unter 12000 Einwohnern finden
fi) nur etwa 1500 Welſche (Arbeiter und Meine Handwerker).
Um jo mehr ift der deutjche Name Bozen (aus altem Bauzanum)
feitzubalten. U. Heinpe.
Bitte an die Mitglieder des a. d. Spradvereins.
Im Anſchluſſe an die Mitteilungen unſeres Borfigenden im
legten Jahresberichte (vgl. in dieſer Zeitichr. 1896, Nr. 9, Sp. 165)
und in dankbarer Betätigung der biäherigen (allerdings wenig
zahlreihen) Einjendungen erneuern die Unterzeichneten die Bitte
um freundliche und baldige Mithilfe beim Bervolljtändigen der
begonnenen Sammlung dichteriiher HAußerungen über unfere
Sprache (Deutſcher Spradye Ehrenkranz⸗). Wir bitten vors
nehmlih um Nachweiſe verjtedter poetifher Ausſprüche
über die deutjhe Sprade, die nicht jelbjtändig auf—
treten, fondern in größere Dichtungen eingefprengt find,
die auch einer planmähigen Nachforſchung ſich leicht entziehen,
und deren Nuffindung immer mehr eine Sache glüdlichen Zufalles
bleibt. Natürlich find uns aber auh Nachweiſe jeder
anderen Art fehr willtommen. Doch müjjen die dichterijchen
Erzeugnifje noch lebender Schrijtfteller ſchon irgendwo gebrudt
und jo wenigften® im äuferlichjten Sinne Beftandteile unjrer
Litteratur geworben fein. Die gefl. Mitteilungen werden an einen
der beiden Unterzeichneten erbeten,
Brofefior Dr. Paul Pietich, Berlin W*, Mopjftr. 12.
Gymnafialoberlehrer a. D. Dr. Günther A. Saalfeld,
Berlins Friedenau, Sponholzjtr. 11.
Beribtiqungen.
Der Boritand des Sprachvereins Berlin erfucht und
um Aufnahme folgender >» Berichtigungen« zu der in Nr. 9 d.
vor. Jahrg. (Sp. 174/6) enthaltenen Gegenerklärung des Herrn
Geh. Rats Häpe:
Briefe und Drudfahen für die Bereinsleitung
find am den Worfigenden,
Oberſtleutnant a.D. Dr. Mayr Jähns in Berlin WW,
Margaretenftrabe 16,
Drateftrafie
au rich
Zeitſchrift des alfgemeinen deutſchen Spradvereins. XI. Jahrgang. 1897. Ne. 1.
————— ——— —— — ) OO)
16
»1) Die Mitteilung des Hrn. Geh. Rats a. D. Häpe über
Herren Geh. Rat Reuleaur an den Schriftführer des Zweigver-
eins Bonn ift von vornherein nicht vertraulich geweien, da
es am Schlufie des betreffenden Briefes vom 4. Mai v. J.
hieß: ‚Indem id) Ihrem Ermefjen anheimftelle, welden Ges
brauch Sie von meinen Mitteilungen machen wollen.‘
2) Der Borjtand des Deutjchen Sprachvereins Berlin konnte,
gleich Herrn Geh. Nat Neuleaur jelbit, die Berficherung des
legteren, einen ſolchen Schritt niemals gethban zu haben,
jelbjtverftändlich nur auf den Verlauf der Riegelihen Ange
legenheit beziehen. i
3) Die Angabe des Herrn Geh. Rats a. D. Häpe, er habe
nur das Fortſpinnen bed alten Streited verhüten wollen, wird
dadurch Hinfälig, daß er durch feine bis zum heutigen Tage
von ihm nicht bewiejene Beihuldigung des Herrn Geh. Rats
Neuleaur das vom Amweigverein Bonn eingeleitete, von uns
nicht angeregte, aber auch nicht abgelehnte Friedenswerk ber
Wiedervereinigung der getrennten Bereine vereitelt bat.«
Wir bemerten:
Bu 1) Die Mitteilung des Herm Geheimen Rates Häpe
en ben Schriftführer des Zweigvereins Bonn ift von vorn:
herein allerdings vertraulid gewejen. Erſt auf bejonderen
Wunjd des Empfängers hat Herr Häpe nachträglich gejtattet,
von jeinem Briefe Gebraud zu machen.
Zu 2) Die Berfiherung des Herm Geh. Rates Neuleaur
bat diefer Herr ſelbſt ficherlich nur auf die Riegelſche Ange—
legenheit bezogen; das ändert aber gar nichts an der That-
face, daß er jchon früher in der Burmefterihen Sache ji
an die Behörden gewendet hatte, und daß er es, wie er
ja jelbjt einräumt, in der Niegelfchen Angelegenheit wieder
geihan Hat. Dies aber ijt der Kernpunft der ganzen
Frage
Zu 3) Die Abficht des Herm Geheimen Rates Häpe ift
ganz offenbar leine andere gewejen als die, den jehr wohlmeinen⸗
den Aweigverein Bonn von der Einleitung eines Verfahrens
zurüchzuhalten, das unter den gegebenen Umſtänden von vom:
herein ausſichtslos, wohl aber geeignet war, die alten Streitig-
keiten wieder aufzurühren.
Hiermit ertlären wir den Meinungsaustaufcd über die Ans
gelegenheit Häpe⸗Reuleaux an biefer Stelle für geſchloſſen.
Die Schriftleitung.
Geſchäftlicher Teil.
Die Schritt des Oberlandesgerichtärais Julius Erler: »Die
Sprache des Neuen Bürgerlihen Geſeßbuchs« it am fümtliche
höhere Gerichtsbeamte des Deutichen Reidyes mit einem Ans
ſchreiben verjandt worden, in dem auf die. Ziele des a. d. Sprad):
vereins hingerwielen wird. Der Verein hat hierburd) neue Freunde
und eine Anzahl neuer unmittelbarer Mitglieder gewonnen.
Zu Eilli in Unter: Steiermark ijt ein neuer Zweigverein ins
Leben getreten. (Bal. Sp. 12.)
Geldfendungen und Weitrittserflärungen Gährlicher Beitrag 3 Marl,
ae: lie und die fonftigen Drudichriften de& Wereind geliefert werden)
an e
teliter,
rtagsbuchhändler Eberhard Ernft In Berlin W®,
Wihelmitrahe 9,
Driee und Drudjahhen für die Beitfehrift find an den Serausgeber, Oberlehrer riedrih Wappenhans In Grob⸗Lichterfelde bei Berlin,
Erleſe und Zuſendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profeffor Dr. Paul Pietich, Berlin W®, Mohſtraße 12
— — — —
Drud der Bucdrucerei des Walſenhauſes in Halle a. d. ©.
> >eitlh vill ee
altgemeinen’deuffchen Sprachuereins
Begrünoͤel von Serman Riegel.
Im NAuftrage des Vorftandes herausgegeben von Friedrih Wappenhans.
Diele Zeitſchrift erihelnt jäsrlih ziwölfmal, zu Anfang jedes Monats, | Die Heltihrift kann auch durch dem Buchhandel oder die Voſt
und wirb den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Spradvereind unentgeltlich | zu 8 Mt. jährlich bezogen werben. — Unzeigenannahme durch den Schahmeiſter
geliefert (Gayung 3). I. Eberhard Ernk, Berlin 8. 8, Bllbelmftr.W. — Auflage 16000.
Anbalt: Zur Sprache unferer Golbfämiebe und Geicmeidenändter. Von €. Bülfing. — BVBerdeutihungen im neuen preußifchen
Stempeliteuergefefe. Bon Schulze. Zur Geſchichte des Wortes Schwindler. Bon F. Kluge. — Kleine Mitteilungen. — Zur
Schärfung des Sprachgefühls. — Bücerihau. — Zeitungsſchau. — Aus den Amweigvereinen. — Brieffaften. — Geſchäftlicher geil.
ur rache unſerer Goldſchmiede und meide⸗⸗ nen Buchſtaben. — Monogramm-Armband, Buchſtaben—
men — Armband. — Bracelet, Armband. — Collier, Halskette. —
| Flacon (in Anzeigen fieht meiſt Nagon!), Riechfläſchchen. —
Das Goldwarengeihäft gehört zu demjenigen faufmänniiden | Bonbonniöre, Nafchwerkdofe; fo aud: Defiert, Nafhwert;
Geichäftszweigen, in denen ſich eine große Anzahl von Fremde | Defjertlöffe, Naſchwerklöffel. — Bifitenfarte, Beſuchs karte. —
mwörtern und frembländiichen Ausdrüden geradezu Bürgerrecht er | Motizbuch, Merkbüchlein. — Portemonnaie, Geldtäſchchen.
worben zu haben ſcheint. Es darf daher als nicht leichte Auf» | — Waſchtiſchgarnitur, Waſchtiſchzubehör. — Toilettegarnitur,
gabe bezeichnet werden, auf einem ſolchen Gebiete einen Verſuch Puptiihausftattung. — Wanfcettenfnöpfe, Hrmeltnöpfe.
mit der Vertreibung und Berdeutichung diefer Bezeichnungen zu | — Der Serviettenring, der zu jedem Gedeck wie zu jedem Beſteck
machen; liegt dod) gerade hier die Gefahr jo nahe, dur uns | gehört, wird folgerichtig bald Gededband, bald Beitedband
pajiende und ſchlechte Vorſchläge ins Nbfonderlice und Lächer— genannt. — Tiſchſervice, Tiihgerät. — Theeſervice, Thee-
liche zu fallen, Mit großem Glück und mit — bis auf unweſent⸗ geſchirr; Kaffeefervice, Kaffeegefhirr x. — Tablett, Platte.
liche Heine Ausnahmen — vorzüglic; gelungener Wahl iſt diefer | — Jardinidre, Blumenfhale — Compotiöre, Obftfump;
Berſuch fürzlih von einem deutſchen-Gold- und Silberfchmiede« | Salatiere, Salatlump; diefen Ausdrud »Sump« verwendet
— jo, nicht Juwelier nennt er ſich — gewagt worden. Bor Krall öfters, er bildet dazu die ſchwache Mehrzahl »die Kumpen«,
Weihnachten nämlich hat das altbegründete (feit 1794 beftehende) | mas ja nicht falfch fit (j. Grimm); gebräuchlicher ift aber wohl
Haus (nicht Firma) E. A. Krall in Elberfeld eine mit geradezu | „die Qümpe«. — Daß er Frucht für frijches Obit, Obft aber für
verſchwenderiſcher Pracht ausgeſtattete Preislifte (Natalog) heraus: | gefochtes oder eingemachtes Obſt, aljo Kompott, gebraucht, zeigt 8.
gegeben, in der diefes Veſtreben nach Spradreinigung in einem | mehrmals ausdrücklich an; für die vorliegenden Fälle iſt diefe Unter:
Umfange durchgeführt ift, mie es bisher noch nicht geſchehen ft. | ſcheidung durchaus zwemähig, es giebt Fruchtmefſer, aber Obft:
Krall hat in diefem Verzeichnis außer einigen mehr oder min= | löffel uſw. — Saraffe, Kanne. — Rotal, Humpen, Becher,
ber unentbehrlichen Fremdwörtern (wie z. B. Brillant) nur das | Kelch, Kanne — Etui, Kaſten. — Saucenlöffel, Brühs
Fremdwort gravieren ftehen lafien, für das er, wie er mir jhreibt, | oder Saftlöffe. — Konfſeliſchauſel, Bebäd jhaufel; Sonfekt,
ſchlechterdings feinen paſſenden Ausdrud hat finden fünnen. Er | Feingebäd. — Trandjierbeitet, Vorlegebeſtecl. — Bafe,
würde aber für entſprechende Vorſchläge jehr daufbar fein. \ Blumenglas, Blumenkelch. — Garantiefhein, Bürgicdein. —
Da nun eine große Anzahl der von Krall angewandten Ber- | Uhren en gros & en detail, Uhrengroßhandel und «keins
beutichungen auch in anderen Berufen jowie im Leben überhaupt | Handel. — Chätelaine, Uhrgehänge, Uhrhalter. — Präs
Anwendung finden können, jo fei es geftattet, fie bier aufzuführen; | cifionsuhr, Uhr mit Genauigleitswert. — Repetierubr, Uhr
es ſchadet dabei nichts, wenn auch ſolche mit unterlaufen, die | mit Schlagwerk’), — Setundendronograph, ſpringender
ſchon bier und da oder gar allgemein gebräuchlich jind; bedarf | Sefundenzeiger. — Chronometer, Zeitmefler. — Garantiert,
es doch jelbjt bei manchen Freunden unferer Sache des jtetigen | verbürgt. — Sannelliert, gerieft. — Maſſiv und halbmaſſiv
Dinweifes auf das Borhandenfein guter beuticher Ausdrüde. (bei Ningen) wird durch die Ausdrüde ſchwer, mittelihwer,
Juwelier, Gold» und Silberjdimied. — Firma, Haus. — leicht ausgedrüdt. — Krall bildet die Ausdrüde lichtdurch—
Atelier, Werkjtätte. — Preiscourant, Preislifte. — Brande, | läſſig umd lichtundurchläfſig; die erfte Eigenſchaft haben echte,
Gebiet. — Spectalität, Beſonderheit. — Aumelen, Bes | ____
Ihmeide (das Herrliche alte deutſche Wort!). — Rabatt, Abzug, | *) Da wir gerade bei den ihren find: es werben doch uns
Nachlaß. — Delorationsſtück, Ausftattungsjtüd. — Dedis | zählige in Deutihland und für Deutfhe gemacht, weshalb
fationsgegenftand, Widmungsgegenitand. — Broſche und Kra- | tragen demm auch dieje noch immer die franzöfiihen Bezeichnungen
vattennadel, Borjtednadel (allgemein; befonders:) Herren- — — — —— er, &a *
Br = Gang | endlich dazu auf, ftatt deſſen Langſamer und Schneller, Langſam
nabel, Damennabdel. Email, Schmelzmalerei (Email und Schnell, L und 8 zu jagen? Sandyer biedere Deutiche hat
fteht jedesmal zur Erklärung in Klammern dabei). — Sportprämien, | fich fchon vergebens den Kopf zerbrodden ob jener weiſchen Schrift
Sport, Siegespreife. — Mit Monogramm, mit verfdhlunges | in jeiner Uhr.
19
die zweite aber unechte Brillanten. — Qualität, Güte, — Guil-
lochiert, mit reisgravierung, freisgraviert. — Eerasö,
Zeitfhrift de allgemeinen deutihen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897, Nr. 2.
glänzendes Leder (die franzöfiiche Bezeichnung in Klammern |
daneben). — Praftiid), zwed dienlich. — Plaſtiſch ausgeführt,
in bervortretender Darftellung ausgeführt. — Profilbild,
Seitenanfidht. — Das unentbehrlicdye Fremdwort Bowle ijt
durchweg deutich geichrieben: Bole.
Statt anhaltiniſch hieße es bejier anhaltiih, und das mehr-
mals jtehen gebliebene Ia hätte ſich durch »Beft«e verdeutichen
lafjen, 3. B. »Beites Anterwerke. Auch) »oval« hätte noch aus-
gemerzt werben fünnen.
Kralls Preistifte ift ein Schönes Zeichen echt deutſcher Geſinnung:
möchte fein in Brillanten leuchtendes Vorbild mand) anderen
deutihen Kauſherrn zur Nachahmung aneijern!*)
Bonn. —3 . Ernjt Wülfing.
Derdeutihungen im neuen preußiſchen Stempel-
ſteuergeſetze.
In dem neuen, am 1. April v. J. in Kraft getretenen
preußiſchen Stempeljteuergefeße vom 31. Juli 1895 find
die Geſetzgeber bejtrebt gewejen, die fyremdmwörter auf eine mög:
lichſt geringe Zahl zu beichränfen. Diejes Beſtreben ift um jo
!
|
|
|
!
|
|
anerfennenswerter, als das Stempelvedht von geundiäglichen, im |
jedem bürgerlichen echte wiederlehrenden Nechtäbegriffen bes |
herrſcht wird, die dort vielfach ala Fremdausdrücke erjcheinen.
Gegenüber der älteren Stempelgejeßgebung und Stempelverwal=
tung ſowie den Entfcheidungen der Gerichte und Verwaltungs |
bebörden über jtempelrechtliche Streitigkeiten find zahlreiche fremde |
Ausdrüde durch gute deutjche erjegt worden, wie die nachfolgende
Aufzählung ergiebt: Briefwechſel fr Korreſpondenz; Tarifitelle
für Zariipofition; Buchſtabe — littera; Nennwert — Nominals
wert; Gejellidaftsvermögen — Gejeliaftsfapital; Nebenausjer:
tigungen — Nebeneremplare; Lieferungsiübernehmer — Lieferant;
Grunddienſibarleit — Prädial-, NealsServituten; Vertragſchlie—
bende — Kontrahenten (die fegtere Bezeichnung iſt dagegen an
einer Stelle beibehalten worden, wo » Vertragichliehende« mehr-
deutig wäre); Gegenſtand — Objelt (der Stempelpflichtigfeit);
Hauptausfertigung — Haupteremplar; Urſchrift — Original; be
glaubigt — vidimirt; Abichriften — Hopieen; Beſcheinigungen —
Atteſte; Auszüge — Extrafte; ald Geſamtſchuldner — ſolidariſch
oder in solidum haften; Entwertung von Stempeljeihen — Kaſ—
firung von Stempelmateriafien; Abfindungeiumme — Fixations—
oder Pauſchalſumme; zwangsweiſe — erefutiviiche Einziehung;
Entwurf — Tableau (einer Urkunde); Ergebnis — NRejultat;
bewegliche Sachen — Mobilien; unbewegliche Sahen — Im—
mobilien (dagegen kommt »Immobilien« im Tarif unter »Nuf-
lafjungen« nod) vor); Gejellichaftsverträge — Sozietätßverträge;
Rechtswirtſanileit — rechtliche Perfettion; binterzogener — des
fraudirter Stempel; Stempeljtenerbinterzicehung — Stempeliteuer:
defraudation; Ordnungsſtraſe — Hontraventionsjtrafe; Zuwider—⸗
bandlungen — Defraudationen oder tontraventionen; Strafbeicheide
— Reſolute; Erftattung — Heititution; die Erjtattung bereits
verwendeter Stempel nachſuchen — bereitd verwendete Stent=
pel zur Erjtattung liquidieren; Stempeljtenerämter — Stems
peliisfalate; von Amtswegen — ex officio; Vorſtände der
*) Eine neuere Mitteilung Kralls weift ſchon erzieheriſche Er-
folge feiner Preistifte nad: es werde nur in deuiſchen Bezeich:
nungen bejtelit, jelbjt jtatt der bieber unumichräntt berrichenden
»Broden« verlange man jept Vorjtednadeln. Das ift hödhit
erfreulich!
20
Stempelftenerämter — Stempelfisfäle; Prüfung — Kontrolinng
(der Nbgabenentrihtung); Durchſuchung — Bilitarion (eines
Raumes oder einer Perion\; Berfauf — Debit von Stempel-
zeichen; Einziehung — Konfisfation (der Vorräte bei unbejug-
tem Handel mit Stempelzeichen); Abtretung von Rechten —
Ceſſion; Veurfundungen über die Abtretung von Rechten — Gel:
fions » Anftrumente (die leptere Bezeichnung ift zwar noch im Tarif
enthalten, aber mit dem Hinweis auf Abtretung von Rechten);
Verträge über Annahme an Kindesſtatt — Adoptioneverträge;
Ausfertigungen oder Beſcheide — Nefolutionen; Berfügung —
Dekret; — Beitallungen aud) für Patente und Vokationen. (Da,
wo die fremden Bezeichnungen noch im Tarif aufgeführt find, iſt
auf » Beitallungen« hingewiejen.) Das Einbringen von nicht in
Geld bejtehendem Vermögen in eine Gefellichaft — Apport;
Heirathsgenehmigungen — Heirathäfonjenje; gerichtliche Zwang®-
verjteigerungen — Subhaftationen; der Erfteher oder Meilt-
bietende bei Awangäverjteigerungen — Adjudilator; Zuiclags-
urteil — Adjuditationsbeicheid, Notariatsurkunde — Notariats:
Inſtrument (diefe Bezeichnung umfaßt noch andere, im alten
Tarif genannte Urkunden, z. B. Refognitionsprotofolle); Ber:
längerungen — Rrolongationen; Kirchſprengel — Parochie;
Schenkungen — Donationen; belohnende — remuneratoriſche
Schenkungen; Beurlundungen über Sicherſtellung von Rechten
¶Bürgſchafteerllarungen/ — Kautions- Injtrumente; ein {ns
begriff — ein Kompler (von Gütern); Verfügungen — Die:
‚ bofitionen (and) für Codizille); Berficherungsverträge — Aſſelu—
ranzpolicen. (Das Wort »Rolice« ift bei diejer Tarifitelle zur
Kennzeidmung einer beſtimmten Form von Berficerungsverträgen
beibehalten worden; wo fonit im Tarif »Bolice« ſteht, ift auf
Verficherungsverträge hingewiefen.) Verträge — Aontrafte; Boll:
machtgeber — Mandant; Bevollmächtigter — Mandatar. Eine
Reihe z. T. recht bösartiger Tremdausdrüde, wie z. B. Puri—
fifations = Nejolutionen, Entreprifeverträge, Weortififationsver
träge uſw. brauchten nicht verdeutjcht zu werden, da die be
treffenden Tariſſtellen überhaupt verſchwunden find.
Es iſt zwar nod eine Anzahl von Fremdwörtern in dem
Stempelgefege und dem Tarife verblieben, die zum Teile recht
gut durch rein deutiche Wörter hätten erjegt werden können
(4. B. Nepräjentanten, Stommmunalverband, Approbationsicein,
NAultionatoren ufw.), allein der Baum fällt micht auf einen
Schlag, und der Spradyverein bat allen Grund, ſich über deu
gradezu glänzenden Erfolg zu freuen, den jeine Bejtrebungen
hier erzielt haben, Bon Herzen jei darum auch den waderen
Männern Dank gejagt, die bei der Abjafjung des Geſetzes To
treulid) die Rechte unſerer Mutterſprache gewahrt haben!
Liegnip. Schulze.
Fur Geſchichte des Wortes Schwindler.
Unfere Wörterbücher finden zu dem Worte nichts zu bemerlen.
Und doc; gehört es zu jenen zahllofen Beiſpielen, die hinter einer
unjcheinbaren, harmloſen Gejtalt geſchichtliche Wahrheiten bergen
und geichichtliche Nachlorichungen anregen können. Das deutick
Wort ijt — ein Fremdwort, es ijt das englifce swindler. Zwar
Flügels englisches Wörterbuch ertlärt das engliiche Wort jür eine
Entlehnung aus dem Deutſchen. Aber das ift nicht möglich.
Flügel giebt als erſtes Auftreten des englijchen Wortes das
Jahr 1778, und dazu jtimmt es annähernd, daß mir Her
| Dr. Murray in Oxford das engliſche Wort zufrühſt 1775 nad
weiſt.
Das Wort iſt im Engliſchen in den ſiebziger Jahren det
18. Jahrhunderts aljo gut bezeugt. Aber das deutiche Wort jehlt
21 Zeitfhrift det allgemeinen dentihen Spradvereind, XII. Jahrgang. 1897. Nr. 2. 22
noch bei Adelung in der erften Auflage, und wir kennen feine Bes
lege dafür aus dem 18. Jahrhundert. Das deutiche Wort ift mithin
jünger als das englische. Und num find wir in der Lage, aus dem
legten Jahrzehnte des 18, Jahrhunderts ein jehr lebrreiches Zeugnis
aus Deutichland Für das englische Wort zu erbringen, woraus fid
gleichzeitig ergiebt, dak wir damals das deutiche Schwindler
noch gar nicht gefannt haben. Die Stelle iſt nad) beiden Seiten
bin gleich wichtig. Lichtenberg hat 1794 — 1709 eine » ausführ:
liche Erklärung der Hogarthiichen Kupferjtihee in Göttingen er:
icheinen laſſen. Darin »Ecenen aus dem Leben einer Berführtene.
An der vierten Scene » Molly im Zuchthaufe« heißt ed von einem
Glüdsritter, der näber beſchrieben ift, folgendermaßen weiter:
»Demnad) wäre er eine von den berüchtigten Berfonen,
die der Gerechtigkeit in London jährlich nicht wenig zu fchaffen
machen und die man in England Swindlers nennt (eines von
den Wörtern, die der große Dr. Johnſon in jeinem ebenjo
großen Wörterbuche vergejien bat). Cie find Betrüger, die
durd; ‚fein ausgedachte Ränke und zwar hauptiächlic unter
dem Schein eined Mannes von Stand und Vermögen bie
Menſchen um ihr Eigentum zu bringen fuchen. «
Lichtenberg jchildert offenbar eine Menſchentlaſſe, für die ihm
eine deutſche Bezeichnung fehlte. Vielleicht iſt ein eier diejer Blätter
dem deutichen Worte um die Wende des 18, und 19. Jahrhunderts
begegnet. 1807 verzeichnet es Adelungs Wörterbuch zum erftenmal.
Freiburg i. Br. Friedrid Kluge,
Rleine Mitteilungen.
Gelehrtendeutſch. In der angeiehenen »Natunvifien-
ihaftlihen Wochenſchrift· vom 6. Dez. v. X. wird unter der Über:
Ichrift: »Bur Geſchichte der Penſéen« ein ſchwediſches Bud
von Wittrod über die Geichichte der Stiefmütterchens Zucht bes
ſprochen. Die Veiprechung füllt 3 Spalten, 20mal fommt darin
dad Wort Penſée vor, ein einziged Mal, wahricheinlic aus
Verſehen, it die Blume Stiefmütterchen genannt. Wie geht
das zu? Alle Welt nennt fie doch Stiefmütterden, das Wort
Penſte wird kaum gebraucht. Dffenbar bat der Umftand, daß
Stiefmütterchen chwedifch penscerna heißen, den Beiprecher vers
führt, das durchaus undeutſch und zwiſchen deutichen Worten häßlich
Hingende »Benide« vorzuziehen. Klingt ihm »Stiefmütterdhen«
nicht vornehm, nicht gelehrt genug? Meint er wirklich, man
follte ftatt des ſchönen deutſchen Wortes, das jchon durch feine
Kojeform das Wohlgefallen des Deutſchen an der jchönen Blume
ausipricht, das unſchöne und kalte fremde einführen?
Der Fall ift an fich geringfügig; er verdient jedod Beachtung
als Beilpiel, wie geichmadlos unfere Gelehrten nicht felten unfere
Sprade behandeln. Früher zeichneten fie ſich vielfach durd) Sorg—
lofigfeit in ihrer Kleidung aus; neuerdings ift gegen das Gewand,
in dem fie jich zeigen, in der Negel nichts einzumenden, aber auf
das Gewand, in dem fie ihre Gedanken vorführen, venvenden fie
häufig noch nicht die gebührende Sorgialt.
Elberfeld, Buchrucker.
— Bor kurzem ging durch die Zeitungen die Mitteilung, daß
Her William Steinway in Neuyort geftorben jei. Dabei
wurde erzählt, daß er zu Seelen im Herzogtum Braunſchweig
geboren war, und aud) fein Vater wurde zu einem Herm Steinway
gemacht. Das iſt irrig. Die familie hieß Steinweg, und erit
in Neuyork haben die Söhne des alten Seeſener Steinweg ihren
ehrlihen deutichen Namen in Steinway umgewandelt, angeblich)
weil die Amerifaner die deutſche Namensform nicht ausiprechen
fünnten. So ijt ein deutſches Welthaus, das durch deutichen
Erfindungsgeift und deutjche Tüchtigkeit groß geworden ijt, mit
einem Wushängeichilde verungiert, das im feiner barbarifchen
Miihumg aus Deutſch und Engliih den Mangel an nationalem
Empfinden in betrübender Weile bezeugt. Diefer Mangel ging
fo weit, ba der eben verjtorbene Wilhelm jih in William ums
taufte, und daß die Zweigniederlaſſung des Neuyorker Haufes
in Hamburg, die für den deutichen und teilweife den europäijchen
Dartt überhaupt arbeitet, diejelbe Firma Steinway and Sons
trägt. So führt eine von Deutſchen gegründete, von Deutjchen
zur Blüte gebrachte und Deutichen gehörige Fabrik in Deutich-
fand jelbit einen deutich-engliihen Unnamen und eine englifche
Firma. Die vorjtehenden Thatfahen wolle man ald Ergänzung
zu dem trefilichen Niegelihen Aufjape über »die Entdeutichung
der Namens (Ztichr. I, Sp. 149 ff.) anfchen.
Braunſchweig. K. S.
— Aus dem kurzſchriftlichen Berichte der bayriſchen Kammer
(Sigung vom 25. Oftober 1895) wird uns folgendes mitgetheilt.
In Bezug auf einen lateinijhen Sap, der die Veranlafiung zu
einem Mihwerftändnifje zwifchen zwei Abgeordneten gegeben zu
haben jcheint, äußerte fich ein dritter, Dr. Frank, fatholiicher
Spitalpfarrer, aljo felbjt ein gelehrter Herr, dem Lateiner gegen-
über: Wenn er deutſch geiprocdhen hätte, fo wäre eine Mih-
deutung nicht möglich geweſen, und er nähme aus dem einzelnen Fall
Beranlafjung, eine allgemeine Bemerlung zu machen. »€s it
Ichon oftmals am mich die Frage ergangen, wenn irgend ein las
teinifcher Broden uns ins Haus hineingeworfen wurde: ‚Was
heißt das auf deutſch?‘ oder der Herr Kollege Lutz hat gerufen:
‚Sagt’8 deutſch!‘ Das finde ich vollftändig berechtigt. Wir find
Deutiche, unfere Mutterſprache iſt eine jehr jhöne Sprache, und
wir follen auch deutich iprechen.e — Wenn es ſich bier auch
um das den meijten Sebildeten belannte Wort »vidennt consules«
handelte, jo darf man den Eifer des Redners doch nicht für
übertrieben halten und wird ihm jedenfall Recht geben müſſen.
Es ſihen ja glücklicherweiſe und es follen auch in unſern Volls—
vertretungen nicht nur Männer ſihen, die die lateiniſche Schul—
bank gedrückt haben.
Sur Schärfung des Spracgefübls.
24) »E8 wäre gar nicht übel,
fo gut man wohlfahrtspoli-
zeilice Reglements für leicht
zu Beläftigungen . . ſich quali—
fizierende Fuhrwerle
firiert hat, auch für Auf—
ftapelung von Brennmate-
rialien bejtimmtere Borichriften
als die biäherigen zu inaugus
rieren.e {Dresdner Rund»
fhau v. 15. Dezember 1895.)
24) Wie die Wohlſahrtspolizei
Beitimmungengegen ſolche Fuhr⸗
werle getroffen hat, die leicht
Beläſtigungen hervorruſen, ſo
wäre es gar nicht übel, wenn
fie auch für die Aufſtapelung
von Holz und Kohlen bejtimms
tere Vorichriften als die bis—
berigen (al3 bisher) ind Leben
tiefe.
Inaugurieren falic gebraucht; denn es heißt ſeierlich
(eigentl. mit Augurien) einweihen, einfepen. Brennmates
rialien find nach dem Zuſammenhange nur Holz und Kohlen.
Das unſchöne »wohlfahrtspolizeilicdye iſt bejjer zu ver:
meiden.
25) »Perjönlicher direfter
Eintauf aus erfter Hand bes
fähigt mich, für einen mäßigen
Preis eine gute, folide Feder
und jeder Konfurrenz die
Spipe bieten zu können.«
(Aus den Ankündigungen einer
Bettfedernhandlung.)
25) Berjönlicher Einkauf aus
eriter Hand befähigt mich, für
einen mähigen Preis eine aute,
haltbare Feder zu lieſern und
damit jedem Wettbewerb die
Spite zu bieten.
23
Direkt neben »perfönlich« und »aus erjter Hanb« übers
füffig. Befähigt — bieten zu können — Überfülle des
Ausdruds (Pleonasſsmus).
Bieten bat in der Verbindung
mit »fredere und »Spiße« verfchiedene Bedeutung, darf aljo
nicht von beiden Begriffen zugleich ausgejagt werben,
26) »E8 ift eine befannte
Thatfache, dab der meitaus
größte Teil der auch in Deutſch⸗
land fo beliebten Bordeauxweine
leineswegs franzöſiſchen Urs
ſprungs iſt, ſondern in aller
Herren Länder aufgefauft
wird; fo 3. ®. importiert
Bordeaux von Portugal . . ein
ganz bedeutendes Quantum
portugiefiicher Notweine.« (Ans
fündigung einer Bremer Wein⸗
handlung.)
26) Es ift eine befannte That⸗
ſache, daß der weitaus gröhte
Zeil der auch in Deutichland fo
beliebten Bordeauxweine leines⸗
wegs franzöſiſchen Urſprungs iſt,
ſondern in aller Herren Ländern
aufgefauft wird; jo führt 3. ®.
Bordeaur aus Portugal . . eine
ganz bedeutende Menge (portu⸗
gieſiſcher) Rotweine ein.
In oder aus aller Herren Länder — ein häufig vor:
fommender, aber nicht zu duldender Fehler.
27) »— bei Überjendung
der Aufforderung zur Ans
meldung von Anſprüchen
auf Bergütung von Kriegs:
leijtungen an die Regie-
rungen.« (Mitgeteilt von A.
Heinge, Gut Deutid S. 178.)
27) — als die Aufforderung
an die Megierungen überfandt
wurde, Anſprüche auf die Vers
gütung von friegsfeiftungen an⸗
zumelden.
Häufung von Hauptwörtern, die von einander abhängig
find, an Stelle von Zeitwörtern. Unter 7 Sauptwörlern
6 Wörter auf «ung!
28) »Somwohl der Gebraud)
unnötiger Fremdwörter als aud)
die allmählih wirfende
Serftörung unferer Sprache
bat jo tiefe Wurzeln ge—
Ihlagen, dak man fid; hüten
muß, dad Kind mit dem
Bade auszujhütten« (Aus
einem rheinifhen Schulberichte
v, J. 1887.)
unnötiger Fremdwörter als auch
die allmäbliche Zeritörung un:
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 2.
24
Wieder ein Verſuch, unferer Rechtſchreibung aufzubelfen, und
zwar auf Grund richtiger Ausſprache. Ein folder Verſuch muß als
verfrüht gelten, weil e8 noch feine einheitliche richtige Ausſprache
giebt. Zudem ſteht manches in dem Buche nicht im Einklange mit den
Ergebnifien der phonetiichen und ſprachgeſchichtlichen Wiſſenſchaft
Beſonders auffällig ift die Forderung, »der richtigen Ausſprache
gemäß · im Anlaute | ftatt pf zu fchreiben: Ferd ufm. Hier darf doch
wobl nicht die nur in den oftmetteldeutichen Mundarten eingetretene
Aussprache, die zugleich die nachläffige Ausſprache der Niederdeut:
fchen ift, fondern die des Südens als »richtig« gelten. 8. ©.
Frip Haberland, Krieg im Frieden. III. Zeil. Ritter
und Turniere im heutigen Deutſch. Eine ſprachlich- lulturgeſchicht
liche Skizze. Beilage zum Jahresbericht des Realprogymnafiums
zu Lüdenfcheid 1895,06. Lüdenicheid 1896. 796. 8.
Anmutige, humorvolle Blaudereien über die Nachwirkungen
des Nitterweiens in der heutigen Eprade. Sie beruhen, wie die
beiden erjten Abteilungen, auf jorgfältigen ſprachlichen und kultur⸗
geichichtlichen Unterfuhungen und jeien aufs befte empfohlen. 8. €.
Walther A. Zache, Wulfila. Abriß des Gotiſchen für
Anfänger. Leipzig, M. Hoffmann, 1806. 96 S. 5°, 1,25 Mt.
Der Berjafier will mit feinem anſpruchsloſen Schriftchen den
Schülern höherer Lehranitalten und allen denen, die fich nicht
berufämäßig mit der dentichen Sprachwiſſenſchaft zu beichäftigen
haben, eine Anleitung geben, diefen altehrwürdigen Zweig der
germanischen Sprachen fennen zu lernen und dadurch ihre Ein-
ficht in da8 Wejen der Mutteriprache zu vertiefen. Auf wenigen
Seiten giebt er eine Einleitung über Wulfila und feine Bibel:
überjegung, die gotiſche Sprache und ihre Geſchichte, reiht daran
eine furze Grammatit des Gotiihen und bietet als Leieitoff das
Martusevangelium nebjt dem Vaterunſer. Den Schluk madt
ein Wörterbuch. Bon anderen Schriften biefer Art weicht bie
‚ vorliegende darin ab, daß das Gotiſche in Echſchriſt gejept ii,
‚ eine wenig glüdliche Neuerung. Denn infol
deiien muß ber
Verfaſſer auf die Pängezeichen verzichten, die für das Verſtündnis
von Wichtigkeit find. Außerdem unterjcheidet fich das neuge—
‚ Icdmittene Zeichen für th fo wenig von h, dab dadurd die Ans
28) Sowohl der Gebraud) |
ferer Spradhe hat ſolche Fort: |
fchritte gemacht, daß man fich
hüten muß, das Kind mit dem
Bade audzujcütten.
Bildervermengung: eine allmählich wirtende Zerftörung
lann nicht Wurzeln fchlagen, und mit lepterem Bilde verträgt
fi) noch weniger das folgende von dem Kinde im Bade.
Geprüft von den Herren Behaghel, Brenner, Erbe, Heinte,
zum: Kthull, Lohmeyer, non, Mattbiad, Pietih, Vreſſel,
aalfeld, Scheffler, Seemüller, Wappenhans, Wunderlich.
Bemerkungen über die Übungsjäge, Beiträge u. a. bittet man
einzufenden an Proſeſſor Dr. Dunger in Dresden«W., Scnorr:
ftraße 3.
Bücheribau.
Eingejandte neue Drudidriften.
Meyer's Hiſtoriſch-Geographiſcher Kalender auf
das Jahr 1897. Aufammengeftellt von Karl Bührer. Leipzig,
Bibliographiſches Inftitut.
1,50 M.
Ein im Verhältniſſe zu der reichen Musftattung fehr billiger
und empfehlendwerter Kalender.
Jeder Tag des Jahres trägt
einen Bilderfhmud, der nach alten Kupferſtichen und Holzichnitten
Eitten und Tradıten unserer Vorfahren, Städte aus dem Mittels
alter und geichichtliche Perſönlichleiten darjteflt.
Dazu kommen
geichichtliche Bemerkungen, Sprichwörter uf,
W. Bleih, Vereinfachte deutſche Rechtſchreibung und
richtige Ausſprache. Berlin 1896, Schildberger. 42 ©. gr. 8.
fänger, für die das Buch doch bejtimmt ift, ſehr leicht irvegeführt
werden können. Noch wunderlicher ift die Berwendung von großen
Anfangebuchitaben bei den Hauptwörtern, — als ob dies damals
oder überhaupt jemals in altdeuticher Zeit üblich gemwejen wäre!
Der Hauptvorzug des Buches iſt feine Billigfeit und feine ge
fchidte Anlage, Es faht die Hauptiachen, die hierbei in Betracht
fommen, kurz und überfichtlich aufammen und lieſt ſich qut: nur
hätte uns der Verfafjer die unglüdliche Verdeutihung » Fällung«
für Dellination eriparen follen. 9. D.
Johanna Ambrojius, Gedichte. Herausgegeben von Karl
Schrattenthal. 29. Auflage. Königsberg i/Pr. 18%, Thomas
und Oppermann. XIV u. 125©. 8. geh. 3M.
Paul Bictor, Kindergefhichten. Berlin 1896, Deutice
Schriftjtellers Genoſſenſchaft. 258 S. 8. geh. IM.
Goswin K. Uphues, Solrates und Pejtalozzi. Zwei
Vorträge. Berlin 1806, Conrad Stopnit. 45&. 8. 0,751.
Theodor Matthias, Auffagpjünden. Warnende Beifpiele
zu Nutz und Frommen der deutihen Schuljugend und zur Er:
iparung vieler roter Tinte. Leipzig 1897, R. Voigtländer, 77 ©.
8 0,50M. (Wird noch beiprocdhen werden.)
Herman Schrader, Aus dem Wundergarten der
deutihen Sprade. Weimar 1896, Emil fyelber. VIII und
233 ©. 8. geh. 350 M. (Wird noch befprochen werden.)
Emil Heujer, Die dritte und vierte Belagerung
Sandaus im fpanifhen Erbfolgelriege (1704 und 1713).
Landau, Pjalz, 1896, Kaußler. 326 ©. gr. 8°,
Der Inhalt diefes Buches kann hier nicht beiprochen werben,
doch muß die in ihrer Klarheit und Einfachheit fchöne Spradıe,
die ſich aud im allgemeinen von unnötigen Fremdwörtern frei
bäft, lobend hervorgehoben werden. Bei der Erwähnung der ver:
fchiedenen Arten von HFeitungs- und Belagerungswerten finden
fich freilich viele Ayremdausdrüde, aber das ijt nicht des Verfaſſers
Schuld. Es wäre zu wünjcen, daß die Heeresbebörden, die die
Sprache verschiedener militärischer Fächer ſchon gründlich gefäubert
haben, ihr Augenmerk auch auf die zahlreichen franzöftich= deutfchen
Hunftausdrüde des Feſtungsweſens richteten.
25
Zeitfjhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 2,
26
Pfälziihes Mufeum. Monatsichrift für heimatliche Litte- | Erbe, Karl, Deutiche Ausſprache. — Le Maitre Phonötique
ratur und Kunſt, Beichichte und Vollskunde. (Organ des piälziichen
Schriftjtellervereins.) Kaiſerslautern. Herm. Kayſer. XIV. Jahrg.
(1897). Nr. 1.
In einer Anſprache bei Übernahme der »Schriftleitung« (nicht
»Medaktion«) erklärt der neue Herausgeber, Emil Heuſer in
Speier, nur Arbeiten veröffentlichen zu wollen, die neben der
Gediegenheit des Inhaltes auch eine unanfechtbare Form zeigen.
Seine Abfiht »der deutihen Sprache zu ibrem Rechte zu vers
helfen · beweiſt der Schriftleiter aud durch die Nusmerzung zahl-
reicher Fremdwörter in den Beiträgen des erjten beurigen Heftes.
Wir freuen uns, in Herm Heuſer einen ftreitbaren und eifrigen |
Förderer unjerer Beitrebungen begrüßen zu fünnen.
Heimdall. Zeitjchrift für reines Deutichtum und All—
Deutihtum, zugleih Mitteilungen des Allgemeinen Deutſchen
Schriftvereing. Herausgeber, Schriftleiter und Verleger Ndolf
Neinede. 1. Jahrg. Nr. 1-6.
Die Zeitichrift will ein »nimmermübder Vorkämpfer und Sadı:
walter für die Anliegen des deutjchen Vollstums und der deut-
ſchen Bolfheit feine. Als folcher tritt fie auch für Sprachreinheit
ein, und in diefem Sinne heißen wir fie als Bundesgenofiin
willfommen, obgleich fie in ihrer zweiten Nummer &. 10 unter
der Überſchrift »Von unferer Mutteripradhe« dem a. d. Sprach—
vereine eine Reihe von Vorwürfen macht, deren Berechtigung unſere
Vereinsgenoſſen wohl nur in beicheidenem Maße anertennen dürften.
Den Haupworwurf zu grofer Bornehmpeit kann der Verein jeden:
falls ruhig hinnehmen.
Dr. Dtto Behdhel, Schriftſprache und Mundart.
Alademiſche Rede zur Feier des Jahresfeſtes der Großherz. Heſ⸗
ſiſchen Ludwigs=Univerfität. 1. Juli 1896. Gießen, Hof- und
Univerjitäts= Druderei. 39 S. gr. 8. (Wird noch eingehend bes
fprochen werben.)
Seitungsihaun.
Aufjäße, Beiprehungen ufw. in Zeitungen
und Zeitjchriften.
Kirchhoff, A., Etwas vom KHiffbäufer. Conderdrud aus
den » Mitteilungen des Vereins für Erdfunder, Jahrg. 1806.
(Zum ey feiner erdfundlichen Ausſührungen beipricht
der Berf. die Herleitung des Namens Kiffhäufer. Der ältejten
überlieferten Form ⸗Kufff)eſe⸗ liegt vermutlich das abd.
chupisi — Zelt 7— grunde. Das Endse verſchwand, und nun
machte das Voll aus der Endung es (Kuffes) im Gedanken
an die Kaiſerburg auf dem Berge hus [= Kufhus)].)
Buchruder, Brof, Gebietet die Nüdjicht auf die Ent:
widlung der Sprade die Schonung der Fremd—
wörter? (Bortrag, gehalten am 29. Juli 1896 im Elber—
felder Smeigvereine.) — Tägl. Anzeiger für Berg umd Marl
2.8.9. (Bol. » Hus den Zweigvereinen« Sp. 172 d.v. Jahrg.)
Bülfing, Dr. I. €, Nochmals die Straßennamen —
Banderers Freund, Beilage zu Nr. 7, 96. (Erwiderung auf
von Pfiſter⸗ Schwaighuſens Aufſatz >» Auch eine Seite jprad)-
liher Berwüjtung«.)
Möller, Pfarrer, Deutſche Sitte im deutſchen Rechte.
Vortrag im Ameigvereine Rudolſtadt. Schwarzburg⸗
Nudolftädt. Landeszeitung 13. 12. 96. (Entwirft an der
Hand des Aufſahes von Prof. Dr. Frenbe »Slirche und
Sittee in der »Neuen Kirchlichen Beitihrift« [VIL. Jahrgang
4. Seit) ein Bild von deutjcher Sitte umd deutichem echte
und erklärt im Anſchluſſe daran zahlreiche Ausdrücke wie ges
wöhnlich, tagen, Schöffe, vermäblen, Freibeit, Friedhof ufıw.)
Robert Voigtländer, Berlagsbuchhändler, Fremdwort:
Thorheiten. Bortrag im Zweigvereine Leipzig. — Leipziger
Tageblatt 4. u. 10.1. 97. (Emthält eine veiche Überſicht ent:
behrlicher Fremdwörter aus den verjdiedenjten Gebieten und
geigelt fie, teilweife in humorvoller Weife.)
D. Weije, Zu Schillerd Sprade. — Zeitichr. f. d. deutichen
Unterricht. 11. Jahrg. 1. Heft. (Weiſt an einer Reihe von
Beiipielen, die Schillers »Geichichte des Dreikigjährigen
Krieges« entnommen find, nad, in wie vielen Punkten die
Sprache jener Zeit von der gegenwärtigen abweicht.)
Nr. 8/9, Sepibr. 96. (Zuſammenſtellung der Punkte bin-
Br der Ausſprache — 24 an der Zahl — Über die bei
en Vertretern verjchiedener deuticher Gaue Übereinstimmung
herrſcht.
Ferd. Ortjohann, Die Namen der Zehen im Ober—
bergamtsbezirt Dortmund, — Gelſenlircher Zeitung
17. 11. 96.
N. Bartolomäusd, Die Fremdwörter in der deutichen
Sprache. — Die Gefellichaft. KIT. Jahrg. Nr. 11. (Eine
Plauderei, die, unterhaltend geichrieben, namentlid an ber
Hand der Kulturgeichichte das Eindringen der Fremdwörter
zu erklären jucht.)
Joh. Gillhoff, Der Mikbraud der Sprade. — Deutſche
Beitung 10. u. 11.11.96. (Eine Art von Stapuzinerpredigt
gegen Spraddunmmheiten, die aber zum Schluſſe ernithajt
wird, wo fie verlangt, die Schule müſſe das Sprachgefühl
werten und das Sprachgewifien Ichärfen. Die Mundarten
und das Mittelbochdeutiche feien die Quellen, aus denen zur
Erneuerung unjerer Mutterſprache geichöpjt werden müſſe.)
Willflommen! — Generals Anzeiger für Oldenburg und Dit:
jriesland 8.8.%. (Ein herzlicer Gruß an die zur Haupt:
verfammlung nad Dldenburg gefommenen Mitglieder des
a. d. Spradvereine.)
Die Schriftleitung (Groß-Lichterfelde bei Berlin, Drafes
ftraße 3) itellt den Leſern der Zeitichrift die oben und
früher bier aufgeführten Aufjäge ujw. gerne leihweife
zur Verfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Aachen. An der eriten Winterverfammlung am 17. Dezbr.
v. J. hielt Oberlehrer Köhn einen Vortrag über den Schmied
im Spiegel der deutſchen Sprade und Dichtung, wo—
rauf Taubjtummenlehrer Wirk über Sprade und Gebräuche
in feiner Heimatitadt Voſſenack berichtete.
Bonn. Das 7. Geichäftsjahr wurde am 19, Dezbr. v. X. mit
einer Hauptverfammlung geichlofien. Der Schriftführer, Dr. Wül—
fing, verlas den Jahresbericht, aus dem als beionders erfreulic)
hervorzuheben iſt, daß der Zweigverein um fait 100 Mitglieder
zugenommen bat und damit der zweitgröhte des ganzen Verbandes
geworden ift. Nachdem icon mehrere ſtudentiſche Verbindungen
ſich dem Berein angeſchloſſen hatten, ift ihm nun auch die fatho-
liſche Studentenverbindung »Unitad« beigetreten. Der Antrag
des Vorſtandes, die Zahl jeiner Mitglieder von 12 auf 18 zu
erhöhen, wurde genehmigt. Zum Borfiker wurde Direltor Söhren
wiedererwählt. An einen Vortrag des Dr. Wülfing über einige
ſprachliche Mißbräuche ſchloß ſich eine lebhafte Erörterung.
Breslau. Im der Sihung am 7. Dezbr. v. J. wurde zu:
nädit über die Verteilung des Flugblattes » Breslauer Sprad):
jünden« (vergl. Ep. 11 d. v. Wr.) berichtet, und dann verbreitete
fich der Vorſiher, Profefjor Dr. Neumann, über Franz Harders
Bud »Werden und Wandern unferer Wörter. — In der gut
befuchten Januarverfammlung bielt Profefior Tröger einen eins
gehenden Kortrag über die Verdeutſchung der in der Schule
üblichſten Fremdwörter, wobei er die Vorzüge des Ver—
deutichungäheftes »Die Schule« von Dr. Scheffler rüchaltelos
anerfannte.
Chemnip. An der Dezemberſitzung ſprach Bürgerſchullehrer
Beit Über den Wortihap im Nibelungen- und Gudrun:
liede in Hinfiht auf Bedeutungswandel und Wort:
verlust, indem er die zahlreichen jprachlihen Belege unter den
Überichriften 1. die höfiſche Geiellichaft, 2. das Turnier, 3. der
Kampf in einheitlichen Aufammenhang brachte. Die Berfanmt:
lung war eins in dem Wunſche, diejen Vortrag aud weiteren
Kreiſen zugänglich gemacht zu jchen, — In der am 11. Januar
abgehaltenen Hauptverfammlung wurde nad) Erjtattung des Kaſſen-
und des Jahresberichts der frühere Borjtand wiedergewählt. Hieran
ſchloß ſich ein lebhafter Meinungsaustaufch über die Vereinds
thätigleit. Die vielfach günitige Aufnahme der Verbeſſerungs—
vorſchläge bei der Berfaflung von Anzeigen ermutigen zu weiterem
—— Dagegen wurde der geringe Erſolg bei der Mitglieder—
werbung bedauert. Namentlich iſt das umerklärliche Fernbleiben
27
der mehr ald 100 Lehrer der fünf biefigen höheren Sculen vom
Vereine zu beflagen.
Ezernowit. An dem legten gejelligen Abend am 19. Dezbr.
v. J. beſprach Profejjor Gartner die 2. Ausgabe der »Spradı=
dummbeitene von Wuſtmann.
Dresden. Die Pezemberigung war hauptfächlich der Ber
ratung über die Ziele und die Thätigkeit de8 Sprachvereins ger
widmet. Divetor lemich ſprach fich für eine vollstümliche
Geſtalntng der Bereinstbätigfeit aus, die jept einen zunftgelehrten
Anſtrich habe. Man folle auf weitere Kreiſe einzuwirlen fuchen,
namentlich biete der Anfündigungsteil der Zeitungen ein weites
Feld zu beſſernder Thätigkeit.
dung gehöre, die der gewöhnliche Mann nicht beſitze. Wifjen-
ſchaftliche und vollstümliche Tätigkeit mühten im Sprachvereine
nebeneinander hergeben. Das —— ſei dabei nicht
zu entbehren. Zur Einwirkung auf
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1897, Nr. 2.
Dem wurde entgegengehalten, daß
ar Beihäftigung mit jprachlichen Dingen eine gewiſſe jpradiliche |
reitere Mafjen ftänden vor |
allen Dingen drei Wege offen: die Schule, die Gefepgebung und |
die Prejie.
Duisburg In feinem Bortrage über Hochdeutſch, Nie-
berdbeutih und Schriftdeutich am 14. Dezbr. v. 9. trat
Mittelfchullehrer Brojabn warm für das vielſach mihjachtete
PBlattdeutich ein, deſſen Weſen er ausjührlicd) erörterte.
Schluſſe ging er auf die Duisburger Mundart ein.
Elberfeld. Am 14. Novbr. v. J. feierte der Zweigverein
fein zehnjähriges Beſtehen durch eine Nbendunterhaltung, die ein
Vortrag des Vorſihers, Brofeffor Buhruders, über die Nibe:
lungenjage in der deutſchen Dichtung einleitete.
darauf folgenden gemeinihaftlihen Abendeſſen brachte Oberlehrer
Dr. Jahnke ein Hod auf den Verein und feine Bejtrebungen
aus, und Bauinſpeltor Noad gedachte in einem Trinfipruche der
Damen. — Die Schriftleitung möchte ſich nicht verfagen, das
von den Feſtgäſten gemeinfan nad der Weile » Stimmt an mit
bellem, hohem Slang« gejungene und von Dr. Jahnke verfahte
Lied »Das deutſche Worte hier abzudruden. Es lautet:
Laßt braufen laut den Aubelllang
Der alten, behren Weile,
Laßt ſchallen frohen Feſtgeſang
Dem deutihen Wort zum Preiſe.
Was mag jo innig und jo traut
In alter Welt wohl klingen
Als deutiher Mutter Liebeslaut
Und deuticher Mutter Singen?
Und wenn die Lieb ins Herz dir zieht
Mit jchmerzlich: fühem Minnen,
Da jlüftert janft das deutsche Lied,
Hilft dir den Preis gewinnen.
Und nabit du Gott dic im Gebet
In jtiller, ernjter Stunde,
Wie herzlich und wie innig Hecht
Das Wort aus deutjhem Munde!
Und was du treulich meinst und wahr,
Was aus der Bruſt gedrungen,
Nie klingts fo ehrlich und fo Kar,
Als wenn es deutich erflungen.
Drum jchreib’ es dir ins Herz binein
Und lah es ſtets dich mahnen:
Ein heilges Kleinod ſoll dir fein
Die Sprache deiner Ahnen.
— In der Hauptverſammlung am 10. Dezbr. v. J. konnte der
VBorfiger, Profeſſor Buchrucker, über erfrenlihe Erfolge und
erne jtarte Vermehrung der Mitgliederzahl berichten. Der er:
bebliche Zuwachs (80) ift zum großen Teile durd die Verſendung
von Rundichreiben und Einzeihnungsliiten erzielt worden.*) Der
frühere Vorjtand (Vorfiper: Proſeſſor Buchrucker) wurde durch
Auruf wiedergewählt.
*) Das Berjenden folder Einzeichnungsliſten hat ſich auch
ſchon in amdern Zweigvereinen z. B. in Zittau als ein ehr
wirfiames Werbemittel erwiejen. Seine Anwendung iſt daher
auc den übrigen Zweigvereinen, namentlich in Heineren Städten,
zu empfehlen. Die Shhriftleitung.
Zum |
Bei dem |
28
Graz. Am 30. Dezbr. v. J. hielt Brofefior Dr. Qui den
zweiten der vom Hiſtoriſchen Vereine fir Steiermarf und dem
Grazer Zweigvereine veranftalteten wifjenjchaftlihen Vorträge, ins
dem er über die fremden Bejtandteile im engliihen und
deutjchen Wortihage fpradı.
Koblenz. An der Hauptverfammlung am 18. Dezbr. v. J.
wurde der bisherige Vorstand durch Zuruf wiedergewählt. An Die
Stelle det nadı Sigmaringen verjegten Verwaltungsgerichts-
direftor® Grafen Brühl trat Profefjor Dr. van Hoffs, bis vor
furzem Vorſiher des Trierer Zweigvereins. Die Mitgliederzahl
beläuft ſich auf 392.
Krems. Am 22. November v. J. feierte der Verein jein
1Ojähriges Betchen durch einen gut beiuchten Feitabend, an dem
ber Vorfiger, Nealjchullehrer Dr. 9. Schwab, in kurzer Rede
zur Pflege und Reinhaltung unjerer Mutterſprache aufforderte
und Dr. Anton Matojcd aus Wien eine Auswahl jeiner vor:
trefflihen oberöjtreihifhen Dichtungen zum Beiten gab.
Nach Gedicht» und Liedervorträgen gedachte Bürgermeifter und
Neichöratäabgeordneter Dr. 8, Heinemann in ehrenden Worten
des um den Zweiqverein hochverdienten, feider zu früh verftorbenen
Dr. 9. Stingl. Der Erfolg des Feſtabends, ber in begeiiterter
Stimmung verlief, drüdt fi hauptiädhlich in der Zunahme der
Mitaliederzahl aus.
Yaibadı. Der Obmann des Vereins, Dr. Niedl, erjtattete
am PVortragdabende im Dezember v. J. zunädjt den Jahres—
bericht. Dann bielt Profefior Hintner einen Vortrag über die
Wortjippe Zwei, durch den er einen trefflichen Einblid in das
Wirken der Volfsjeele bot. Zum Schluſſe gab Brofefior Wallner
in einer Fremdwörterſtreiſe einen Abriß der Geſchichte des
Fremdwories umd ſetzte die Geſichtspunkle jeit, unter denen eine
Eäuberung von den Eindringlingen durdyzuführen fei.
Lübed. Nachdem Oberlebrer Dr. Saalfeld aus Friedenau
in einer öffentlichen Berfammlung im September v. 3. einen Vor:
trag über Naturnahabmung im deutichen Dichterwalde
gehalten und Paſtor Jakobjen aus Scerrebed im Oltober v. I.
die Verhältniſſe in Nordſchleswig geicildert hatte, wurden
am 9. Dezember die deutſchen Abende wieder aufgenommen,
on denen fich jept vier Vereine, die Orttgruppen des Sprad)-
vereind, des Sculvereind, des Alldeutichen Verbandes und der
Kolonialgejellichaft, beteifigen. Der Vorſitz wechſelt. Den De
‚ zemberabend leitete DOberlehrer Schumann, der Borjiger des
Spradjvereind. Bon dem Gedanfen ausgehend, daß jedes Ber:
ſenlen in unfere Vorzeit der Hebung des Nationalempfindens diene,
behandelte er die Kinder- und Volksſpiele des Mittel:
alters. Mm 13, Januar ſprach Dr, Merkus über die engliid-
ojtindijche Nompagnie, und darauf Dr. Zillich, der Leiter
der Lübecker Tummerjchaft, über deutjche Nationalfefte mit
Nampfipielen.
Marburg (Drau). Profeſſor E. Sokoll entwarf in ber
Jannarverfammlung ein Bild der geijhichtlihden Entwidlung
des Wortſchatzes der deutihen Eprade.
Münden. Inder Dezemberverfjammlung v. 3. iprad) Dr. Ai:
mus über das Phantaſiegeſchlecht in der deutschen Sprade
und versuchte, für die dem Deutſchen eigentümliche Scheidung der
Hanptwörter in drei Beichlechter allgemeine Gelege aufzuftellen,
da es nicht wohl denkbar fei, daß die Sprache das Geſchlecht
willkürlich oder zufällig gewählt habe.
Nudolitadt. Um 30, Novbr. v. J. bielt Pfarrer Möller
aus Eichfeld einen Bortrag über deutfche Sitte im deutſchen
Rechte. (Vgl. »Aufäge uſw.« Sp. 25 d. Nr.)
Saarbrüden. Durch Wegzug und Verſeßung einzelner Vor
jtandsmitglieder war der Zweigberein längere Zeit ohne Leitung.
Zu Anfang Dezbr. v. I. bat fih ein neuer Vorftand gebildet
(1. Vorfiger Reditsanwalt Dr, Brüggemann, 1. Schriftführer
Direltor Dr. Roßbach), der mit allen Kräften für eine förderung
der Vereinsbejtrebungen in den Saarjtädten eintreten will.
Stettin. Profeflor Koch erjtattete in der Sikung am 11. De:
zember v. X. Bericht über die iprachlichen Bejjerungen, die auf
Anregung des Zweigvereins im Stettiner Stadthausbalts-
plane vorgenommen worden jind, Die Behörde hat gegen hundert
fremde Ausdrücke durch qute deutfche erjeßt, und die noch fteben:
gebliebenen Fremdwörter wird man allmählich zu entfernen ver:
juchen. Das verjtändnisvolle Entgegenfommen des Magijirats
wurde dankbar anerkannt,
29
Brieftaften.
Herm R. Dilthey in Nahen. Sie tadeln, dak neuerdings
vielfach begründen, Begründung geſagt werde für gründen,
Gründung. Während der felige Nomulus jein altes Nom
ichlecht und recht gegründet babe, würden jeht Univerfitäten,
Berfaufgjtellen, Gigarrengeichäfte und Bıerwirtichaften ſtets be—
gründet; auch unjere Zeitichrift trage an ihrem Kopfe die Auf-
ichrift: Begründet von Herman Riegel. Aber begründen heiße
doch mit Gründen verjeben, die Berechtigung nachweiſen; Urteile
würden begründet, aber Zeitungen gegründet. — »Begrün—
den« wird allerdings erſt in neuerer Zeit gebraucht, in der alten
Sprache giebt es nur »gründen.e Aber gleich bei feinem eriten
Auftreten wird > begründen « ebenjo in eigentlichen wie in übers
tragenem Sinne verwendet. Bürger jpridit von einem erzbe—
gründeten Palajte, Wieland von einem feitbegründeten Yeben,
Gupfomw von dem Neubegrinden der faiferliden Macht. Tied
jagt: » Der eine neue große Zeit der Poejie ftiftet und begrüns
Zeitihrift des allgemeinen dentihen Spradvereind. XIL Jahrgang. 1897.
Nr. 2. 30
vermieden werden.e (Vgl. Jahrg. I diefer Zeitſchrift Sp. 42).
Leider jcheint das ⸗Erſuchen · wenig gefruchtet zu haben. Und
doc, wie ſegensreich könnten gerade die Buchhändler wirten, wenn
fie mehr aut Meinheit und Schönheit der Sprache bedacht wären.
— Tie Nr. 17 des » Leipziger Tageblattes« zeigt, daß Ihr in
demielben Blatte veröffentlichter Vortrag über »Fremdwort- Thor-
beitene ſchon zu öſſentlichen Erörterungen im Sinne unjerer
Beſtrebungen Anlaß gegeben hat, indem gegen das in Leipzig
üblihe Wort »Sargonlogise gecifert und dafür »Herren—
| zimmer« vorgeichlagen wird,
dete, Chamiflo: »Ich hab ein Haus gebauet und es begrimdet |
dauerhaft«, Goethe: »Mmich umd mein Glück im meinem neuen
Baterlande zu begründen«, Uhland: » Dah; ein Deutichland ſich
begründe.« Sie ſehen aus diefen Beijpielen, die ſich leicht noch
vermehren laſſen, daß der von Ihnen getadelte Sprachgebrauch
wohl begründet iſt. Die Abneigung gegen das Wort »gründen«,
die ſich gerade in neuejter Zeit äußert, iſt vielleicht auf feine ber |
jondere Bedeutung im faufmänntichen Sinne zurüdzuführen. Die
für viele fo böſe Erinnerung an die »Öründerjahre« mag zugleid)
mit dem Begriffe auch das Wort unbeliebt gemacht haben.
Henn 9... ., Berlin. Die Spradiehre fordert: »mit
ihwerem, rotem Boldee, wenn die beiden Beifügungen eins
ander beigeordnet find, aber: »mit jchwerem roten Golde«,
wenn die zweite mit dem Hauptworte einen Begriff bildet und
die erjte untergeordnet ift. Wine ſolche Umterjcheidung wird jedoch
dann,
Hama. W. . . Ulm. Das Wort » Milieue ift auf Sp. 56,7
des X. Jahrg. (1895) die. Zeitichr. beiprodhen worden. Neben den
Erfagwörtern Umgebung, Yebenstreis, gefamte Erziehungseins
flüffe« war dort befonders auf »IImmwelte hingewielen worden.
Herrn F. F. . . . Berlin. Das Haus Theodor Hilde-
brand und Sohn in Berlin ſieht im allgemeinen durch die
Reinheit der Spradye jeiner Ankündigungen vielen anderen voran.
Wenn fich troßdem auf den Binnichadıteln fir eine Art feiner
Vebkuchen die allerdings unglaubliche Bezeichnung » Cadenu - De-
licen« findet, jo ijt nur anzunehmen, daß es ſich um Aufichriften
handelt, die vor längerer Zeit bergeitellt worden ſind. Es ift
taum zu bezweifeln umd jedenfalls jehr zu wünſchen, daß die
Aufichrift nicht wieder erneuert wird.
Herrn Prof. B,..., Gießen. Beſten Dank für die Mit:
teilung der ſchönen Stelle aus Spielhagens Romane »Selbjit-
eredht« (Stuttgart 1806), die wir gem niedriger hängen.
Sier heißt es nämlich im 2. Bande ©. 10: » Dafür braudt fie
wenn Sie für eine Schattierung ihres Gedankens im
Deutichen das dedende Wort nicht zu Gebote Kat, ohne weiteres
ein Fremdwort. Ich halte das fir geredytjertigt. Für die
Menſchen, die nichts Intimes zu jagen haben, reicht
nur im männlichen und füchlichen Dativ der Emzahl gemacht, |
in feinem anderen Bergungsfalle und nie bei weiblichen Wörtern. |
Es iſt aljo eine Ausnahme, die feinen vernünftigen Grund hat; |
außerdem ijt jene Unterjcheidung recht jpipfindig. (Es wäre des-
halb mit Freude zu begrüßen, wenn man fie fallen laſſen und
beidemale die jtarfen Formen mit — m verwenden wollte, wie
3 B. Goethe jagt: »nach überjtandenem, iturmvollem Leben«,
wo offenbar die erjte Veifügung untergeordnet iſt. — »Wile
große Thaten« iſt ficher nicht jo ſprachüblich und gut wie
alle großen Thatene; wohl aber jagt man: »alle dieje
Thaten, alle feine Thaten«, aljo wenn auf »alle« eins der
Fürwörter folgt, die ja ſchwache Formen überhaupt nicht haben.
Herm %...., Oberhauſen. Aus der uns überlandten
Nr. 1048 der »Kölniſchen HYeitunge vom 30. Novbr. v. I. er:
jehen wir mit Freude, daß der vom Kommerzienrate Karl Lueg
verfaßte Geichäftsbericht der Gutehoffnungshütte in Ober
haufen in gutem Deutſch unter Vermeidung aller entbehrlichen
Fremdwörter geichrieben it. Sehr erfreulich ift es aud, daß
das häflihe Wort » Depöt-Scheins durdi »Berwahr- Schein«
erjegt worden it. Hoffentlich wirkt das bier gegebene gute Bei—
jpiel günjtig auf die anderen Hüttenwerle ein.
Herm B. . . . Koblenz. Dem Gärmer Franz Frick in
Geifenheim, der jich im ⸗»Rheingauer Anzeiger« als »jardinier
a la Frances empfiehlt, it ein längerer Aufenthalt in Frank—
freilich die landläufige Phraje immer aus. — eb
wiſſen wir es aljo ganz genau: Das Deutfche reicht nur für
den Alltagsmenſchen aus. Leute mit höherem Gedankenfluge —
darauf deutet ja wohl das Allerweltswort sintim« auch hin? —
miüfjen bei fremden Sprachen Unteiben machen. Damit ift unjere
Ansicht von der Berflahung der Gedanken durd; die Fremdwörter
bejeitigt, umd wer als feiner Mopf gelten will, der jpredie zur
»Schattierung feiner Gedanken⸗ nur noch Kauderwelſch. Wenn
er nicht verjtanden wird, dejto bejjer, denn dann wird er um fo
geicheiter erſcheinen.
gem v. A. . . . Schellene, Ihre Abneigung gegen bie
Wörter »Confection« und »Confectionsbrauche« teilen wir
volltommen, doch würden die Herren »Gonfectionäre« mit Wörtern
wie »stleider= oder Belleidungegeichäit bezw. Kleider- oder Be:
; Neidungelad oder sgeiwerbe« nicht zufrieden jein, da in »Gonifec-
reich zu wünjchen, wo ihm inmitten Icheelblictender Fremder vicl- |
leicht das Gefühl für mationale Würde aufdämmern wird, das
feine Anzeige jo ganz vermifien läßt.
Herm 8... ., Leipzig. Es ift recht bedauerlich, daß eine
jo hervorragende Berlagsbucdhandlung wie die von Belhagen
und Klajing zujammen mit dem Scwiftfteller Fedor von
Zobeltip das Erſcheinen der »BZeitjchrift für Bücher—
freunde, Monatshejte für Bibliophilie und verwandte
Intereſſen« in einer mit überjliijigen Fremdwörtern jo ges
jpidten Sprache anfindigt, Neben Ausdrüden wie > Informatio-
nen, Kurioſitäten, Intentionen, Autographen, Korreipondenzen,
eventuell, fpeziell, Inſerate, Abonnentent, Quartal, Juſertions—
preise uſw. allen bejonders die rein fremdipradlicden Wörter
auf, jo »Ex libris, Rara, Desiderata, Anonyma, Pseudonyma,
Uniea, Miscellanen.«e — Am 23. Mai 1856 nahm der »Börjen= |
vercin deutjcher Buchhändler« einitimmig einen Antrag at,
nad) dem an alle deutichen Buchhändler das Erſuchen zu richten
jei, »die Neinheit der deutſchen Sprache auch darin zu wahren,
daß die entbehrlicden Fremdwörter im Geſchäſtsverlehre möglichſt
tion« eine Reihe von Begriffen jtede, welche die deutſchen Aus—
drüde nicht enthielten. Da wäre es fchon bejjer, ein neues Wort
zu bilden. Das aber ift ſchwer.
Ham R. B. . . . Burg. Sie vermifien eine Bemängelung
des Wortes »hunlich⸗, das in dem Ep. 7 dv, Ver. erwähnten
Erlafie des Preuß. Juſtizminiſters vorfommt. Das m darin ift
allerdings unecht, jtammt aber ſchon aus dem Mhd., wo es auch
in ähnlich gebildete Wörter wie »trefflich, leidlih« (== treflen-
liche, leidenliche) eingeichoben wurde. Seit dem 16. Jahrhundert
find die Formen »thunlidhe und »tbulicdh« mebeneinander im Ges
brauche, jeßt wird nur die erjtere angewendet. Da ſich nun der
Sprachgebrauch fir »thumliche entſchieden bat und wir nicht den
Mut des Herrn Bornſcheuer, des Verfafjers des berühmten Buches
» Deutjch«, befigen, die Sprame umgejtalten zu wollen, jo haben
wir audy feine Beranlafjung, ein in den Sprachſchatz auſgenommenes
und allgemein anerkanntes Wort anzutaſten. Würden Cie »an-
jehlich« jtatt »sanfehnlich« jagen? Wohl ſchwerlich, umd dod)
ift das n auch bier umecht. Ob aber »thunlidy« als guter oder
ichlechrer Erjag für »möglich« zu betrachten ift, hängt vom perfön-
lichen Seihmade ab. Ihre feindliche Empfindung gegen das
bharınloje Wort werden nur wenige teilen.
Zweigverein Dresden, Könnten Sie nicht verjuchen, die »De-
corateutv und Arrangeure« Mudolf Bagier und Comp. in
Dresdens N., Seeſtraße 6, zu einer Streihung oder Anderung
ihrer Geſchäftsaufſchriſt zu veranlajien? Die Heinen »originell
montirten Chosen«, die » P’aravents«, das »Etablissement« uſw.
find doch gar zu fürchterlich.
Herrn Dr. ®,..., Zwidau. Da der Vorſtand der Berliner
Gewerbeausjtellung von 1806 mit feinem »Concours hippiquo«
31
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvereins. xI.Jahrgaug. 1897. Mr. 2. 32
und andern ſchönen Ausdrücken prangte, ſo will der Ausſchuß der
Sächſiſch⸗ Thüüringiichen Induftries und Gewerbe⸗ Ausſtellung zu
Leipzig 1897 in der Sprachmengerei nicht nachſlehen und kündigt
durd die »imposante Fontaine Jumineuse« eine Menge »sen-
sationeller Attraetionen« an. Herr Verlagsbuchhändler Voigt-
länder in Leipzig at in feinem Bortrage über » Fremdiwort-
THorheiten« (vgl. Sp. 25 d. Nr.) auch die Thorheit diefer Aus:
drucksweiſe gegeihelt, aber ob mit Erfolg?
Herm 6. ©...., Düffeldorf. Die Abſicht des Beſitzers
des Hoteld zur Flora in Neuenahr, Herrn Schröder, im
fommenden Sommer rein deutfche Tiſchtarten einzuführen, fit
jehr erfreulich. Hoffentlih veranlaßt die trefiliche Geſinnung,
die jich in diefer Abjicht äußert, die Mitglieder unſers Vereines,
die nad) Meuenahr gehen, das Hotel, mit dem auch eine Penſion
verbunden ift, aufzufuchen. — Wir begreifen es übrigens durch—
aus, daß die Gaſihofbeſiher auch bei den Speifefarten Nücficht
auf ihre ausländiichen Gäjte zu nehmen haben, und empfehlen
daher dad Verfahren einiger großer Berliner Wirtshäufer, die
Speifefolgen uſw. in deuticher und franzöjiiher Sprache führen.
Dagegen ift gewiß nichts einzuwenden, geht doc z. B. die jran-
zöſiſche Nordbahn in ihrer Nüdfihtnahme auf die ausländiichen
Neijenden fo weit, dab fie die gewöhnlichen Wufichriiten wie
Warteſaal, Zollabfertigung uſw. auf dem Nordbahnhof in Paris
in franzöſiſcher, deutſcher und engliſcher Sprache hat anbringen
lafjen.
Geſchäftlicher Teil.
Der Gefamtvorftand des a. d. Sprachvereins bejteht z. 5. aus
folgenden 35 Herren:
Dr. ©. Behaghel, Univerfitättprofeffor. Giefien. 1897.
Dr. Rudolf v. Bennigſen, Oberpräfident der Provinz
Hannover, Excellenz. Hannover. 1898.
Dr. Ostar Brenner, Univerfitätsprofefjor. Würzburg. 1897.
Karl Bruns, Landgerichterat. Torgau, 1808.
Freiherr v. Eramm-Burgdorf, Wirtl. Geheimer Nat, Exxell.,
Bevollmächtigter zum Bundesrate. Berlin. 1808.
Dr. Hermann Dunger, Profefior, Konrektor. Dresden. 1897.
F. W. Eisen, Kauſmann. Hamburg. 1899.
Karl Erbe, Profefjor. Stuttgart. 1898.
Eberhard Ernit, Verlagsbuchhändfer. Berlin. 1897.
Dr. Friedr. v. Esmarch, Geheimer Medizinalrat, Univerfitäts-
profefjor. Stiel. 1898.
Dr. Friedr. Hammader, Mitglied des Reichstags. Berlin.
1897.
“Hugo Häpe, Geheimer Nat a. D. Dresden. 1898.
Dr. v. Hofimann=Wellenhof. Graz. 1808.
Erbpring Ehriftian Kraft zu Hobenlohe-Öhringen,
Oberſt-Kämmerer Sr. Maj. des Kaiſers und Königs,
Durchlaucht. Slawentzitz. 1899.
»Dr. Mar Jähns, Oberſtleutnant a. D. Berlin. 1897,
Dr. Ludwig Keller, Archivrat. Charlottenburg. 1899.
Dr. Ferd. Khull, Symnafialprofejjor. Graz. 1808,
Dr. Friedr. Kluge, Univerfitäisprofeffer. Freiburg i. Br.
1549.
Dr. R. Köpte, Geh. Ober-Negierungdrat und vortr. Nat im
*Wilh. Launhardt, Geh. Regierungsrat, Prof. a. d. Tedn.
Hochſchule. Hannover. 1899.
Dr. Bild. Laufer, Schriftleiter der Norbd. Allgem. Zeitung.
Berlin. 1897.
Dr. Edward Lohmeyer, DOberbibliothefar. Kaſſel. 1898.
Karl Magnus, Inhaber eines Bankhaufed. Braunſchweig.
1899,
von Mühlenfels, Eijenbahndireftionspräfident.
(Sroßherzogt.). 189.
*Dr. Paul Pietſch, Univerfitätsprofeffor. Berlin. 1898.
Dr. ®rejjel, Oberftubienrat, Rektor. Heilbronn. 1898.
Dr. Herman Riegel, Profejior, Muſeumsdirektor. Brauns
ichweig. 1899.
Peter Rofegger, Scriftjteller. Graz. 1899.
*Dr. Günther U. Saalfeld, Gymnaſialoberlehrer a. D.
Berlin- Friedenau. 1899.
*Otto Sarrazin, Gcheimer Baurat. Berlin-Friedenau. 1899.
Scheerbarth, Oberlandesgerichtärat. Köln a. Rh. 1897.
Schieffer, Negierungd- und Schulrat, Osnabrüd. 1897.
Karl Sedlaf, Schriftleiter der Oftdeutichen Rundſchau. Wien.
1897.
Auguſtin Trapet. Stoblenz. 1897.
Dr. Joſef Wackernell, Univerfitätsprofefior. Innsbrud. 1897.
(Herr Geheimrat Rüppell [1899] ift gejtorben.)
Die Bablen hinter den Namen der Mitglieder bedeuten bas Jahr bei
Adlaufs Ihrer Wahlzelt. — Die Sterne (*) bezeichnen die Mitglieder des ger
Ihäfteführenden Ausihuifes.
Oldenburg
In Ihehoe, Kottbus und Mörs find nette Zmeigvereine
begründet worden. Den Vorfig führen die Herren Gymnafial:
direftor PBrofefior Dr. Seip in Ipehoe, Lehrer Rujchte in
Kottbus, Scminardireftor Schulrat Tiedge in Mörs. Stifter
und Schriftführer des Vereins in Mörs iſt Brofellor Prenzel.
Auf dad Preisausfchreiben des a. d. Spradjvereind
»Deutihe Pilanzennamen für die deutſche Schule« find
bis zum Ende der gejtellten Friſt, d. 31. Dezember 1896, im
ganzen 33 Arbeiten eingegangen. Es find zwei Breife im
Beirage von 600 M. und 400 M. für die beften Löfungen der
Nufgabe ausgeſetzt. Die Arbeiten werden jet von ben 5 Herren
geprüft, die in höchſt anerfennenswerter Hingabe an die Sache
das Preisrichteramt übernommen haben. Es find die die Herren
Trofefioren Dr. Bebaghel und Dr. Hanjen in Gießen, Pro
ſeſſoren Dr. Drude, Pireltor des kgl. botanischen Gartens, und
Dr. Dunger in Dresden, Profeffor Dr. Bietjh in Berlin.
Hoffentlich kann auf der nächſten Hauptverfammflung das Ergebnit
mitgeteilt werden.
Wer die Zeitichrift durd die Poſt oder den Bud
handel bezieht, ohne Mitglied des a. d. Spradvereins
zu fein, hat feinen Anſpruch auf die nur den Mitgliedern
auftebende foftenlofe Lieferung der übrigen Beröffent:
lichungen des a. d. Spradverein®.
find an den Borfigenden,
DOberftleutnant a. D. Dr, Mar Zähne in Berlin Wo,
Wargareienftraße 16,
— on und Druckfachen für bie geitichrift find an den Herausgeber, Oberichrer Frledrich Wappenbans in Groß⸗Lichterfelde bei Berlin,
raleſtra
vi Briefe und Zuſendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beibelte an Profchior Dr. Paul Pietich, Berlin W®, Mopfirafe 12
zu richten,
Dur die Schriftleitung verantwortlich: Srie drid Wappenhbans, &r.- Lichterfelde. — Werlag des allgemeinen deutichen Eprachvereins Dahne und Era), Berti.
Drud der Buchdruckerei des Waiſenhauſes in Halle a.d. S.
> >eitlcheift —
aldemeinen deuhchen Spracjveseins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Dieſe Zeitſchrift erſcheint jährlich zmölfmal, zu Anfang jedes Monats, | Die Zeuſchrift tann auch durch den Buchhandel oder bie Bol
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutihen Sprachvereins unentgeltlich | zu 3SM. jährlich bezogen werden. — Unzelgenannabme durch den Schapmeifter
geliefert (Sagung 34), Eberbardb Ernit, Berlin W*, Wilhelmitr. 90. — Huflage 16000,
ze
Aubalt: Sammlung deuticher Volfewörter Bu den — deutſchen Sprachverein. Bon P. Pietſch. — Preisausſchreiben
der Yustunftei & Schimmelpſeng. Bon F. W. — Rechen. Bon F. van Hoffs. — Kleine Mitteilungen. — Sprechſaal. — Büchers
ſchau. — Aus den Zweigvereinen. — eng — Beichäftlicher Teil.
Sammlung deuticer Volkswörter dur den allgemeinen würden zahlreiche nebeneinander gebraud)te Wörter von wirl⸗
deutfchen Spracverein lid ganz gleicher Bedeutung nur Venvirrung itiften, ein uns
. j p rd nüger Ballaft des Gedächmiſſes fein und das fihere Beritehen der
Es ift eine wohl aud weiterhin ziemlich befannte Thatjache, | Mede beeinträchtigen. Sind einmal irgendwo mehrere gleichbedeus
daß die deutſchen Mundarten einen reichen Schatz an Wörtern tende Wörter in Gebrauch gefommen, jo ift in Schriftiprache wie
befipen, bie die Schriftipradye nicht fennt, und gleichfalls nicht | Mundart die weitere Entwidlung gewöhnlich die, daß entweder
unbefannt ift es, daß auch das Schriſtdeutſch einzelner Gaue, | eines außer Kurs geſetzt wird, der Vergeſſenheit anheimfällt, oder
—— * = — —— a a! x dak die gleichbedeutenden Wörter fih in ähnlich bedeutende
anderwärtd nicht verfianden werden. Es Tiegt auf der Hand, | wandeln, d. h. in Wörter, die zwar denfelben Grundbegriff be—
daß diefer Volfswörterihap infofern hinter dem Wortichage der zeichnen, aber mit verfchiedener Schattierung, Einfchräntung oder
Schriftſprache zurücitcht, als ihm Bezeichnungen für die Begrifie | Erweiterung, oder Beigabe befonderer gemütlicher Beziehungen.
abgehen, die überhaupt mur bei höher entwideltem geiftigen Im allgemeinen fheint erfterer Weg von der Schriftiprache,
Leben gebildet werden, und daher auch nur in der Schriftipradhe, [eblerer von der Volfsiprache bevorzugt zu werden: es würde dies
der Sprache der Gebildeten, ihren Ausdrud finden fönnen. Dagegen | dem ftärteren Hervortreten der Verftandeserwägungen in der
in der Fülle an Worten und —— — auf die gemätlihen | Schriftſprache, dem Überwiegen gemütlicher Betrachtung des Meinen
en — in — * es und en —* und = und Befonderen, der Gemütäregungen überhaupt in ber Volks—
umor und Scherz, Spott und Hohn zum Ausdrud tommen, fte ſprache entiprechen.
der Voltswörterihag nicht nur nicht zurüd hinter dem Worſſchatze Für die Kenntnis dieſes Schapes der deutſchen Volts—
der Schriftſprache, jondern er übertrifft ihn in allen diefen Bes | würter ift ſchon viel geſchehen; feit dem vorigen Jahrhundert ift
ziehungen nicht jelten an Reichtum wie an Lebendigkeit und Friſche. eine lange Reihe von mundartlichen Wörterbüchern ans Licht ger
= ar giebt er ers — für das, —— die or treten, z. T. von bedeutendem Umfange, wie das » Bairiiche Wörters
prache mit einem Fremdworte oft mehr nur anzudeuten als aus— buch« von Schmeller und das noch im Erfcheinen begriffene
zudrüden ſich begnügt, nicht felten mangeln auch der Schriftiprahe | „Schweizeriſche Jdiotiton«. Dennoch) kann nicht entfernt behauptet
Ausdrüce für gewiſſe Begriffe ganz, für die der Wortfchap des | werden, daf der Wortvorrat auch nur der meiften Landſchaften,
Voltes eine Bezeichnung hat. Schon aus diefen Thatſachen er- | Gaue oder Orte annähernd vollſtändig gebucht wäre. Und weiters
heilt, daß bie Bolfswörter notwendig zum deutſchen Woriſchaß Hin durchläuft die Genauigteit und die wiſſenſchaftliche Befähigung
gehören, daß fie einen weſentlichen Bejtandteil deeſelben aus⸗der Verfaſſer dieſer Wörterbücher die ganze Stufenleiter von bloßer
machen, und ferner, daß Sie den Bortidap der Schrift: gutmeinender Liebhaberei bis zur vollendeten Meifterfchaft, die auf
ſprache zu ergänzen und aufzufriichen geeignet find. der Höhe der deutſchſprachlichen Forihung ihrer Zeit fteht. Der
Wie wenig der geſamte deutjche Woriſchatz in dem Wortjhag | Mittelichlag überwiegt wie überall und giebt einen hübichen Stamm
ber gegenwärtigen und früheren Schriftiprache beſchloſſen ıft, wird | brauchbarer Vorarbeiten. Die natürliche Dehnbarkeit feritaliicher
erſt dann volltommen deutlich, wenn man fich vergegemwärtigt, | Aufgaben aber übt die Wirkung, daß der einzelne fich noch freier
daß dieſe Vollswörter oft nur einen jehr beichränktten Geltungs- als aufanderen Gebieten felbit die Grenzen zieht, je macı dem, was
bereid, haben, dah mithin derjelbe Begriff von dem verſchie-⸗ ihm unter feinen Verhältniſſen gerade möglich iſt oder ſcheint, zus
denen Mundarten in oft weit auseinander gehender Weije aus: | mweilen auch nach ungenügender Kenntnis der Verhältniſſe oder einer
gedrüdt wird, Diejer Reichtum an Wörtern von gleicher Bedeutung | fo oder jo aufgepußten Laune. Letztere bat z.B. über dem » Kdiotifon
iſt natürlich nur vorhanden, wenn man den Vollswörterſchaß aller | von Kurbefien« (1868) gewaltet, das nicht mit Unrecht »eine polis
deutſchen Landſchaften in einen Topf wirft; die einzelnen Mund» | tiicdre Demonftration« genannt worden ift. Denn der Berfafler, der
arten, jede für fi, haben meift feine viel größere Zahl Wörter | weiteren Kreiſen durch feine deutiche Litteraturgeichichte befannte
von wirklich gleicher (nicht bloß ähnlicher und verwandter) Bedeus | N. F. C. Vilmar, wollte durd jein Bud) dem damals eben von
tung als die Schriftſprache, fie fünnen ſolche dauernd ebenjos | der politiichen Karte Deuticdylands verſchwundenen Kurjüritentum
wenig brauchen als dieſe. Im beften Falle ein totes Slapital, | Heilen hinterher eine innere Dajeinsberehtigung verleihen, ine
35
dem er entgegen den Thatfachen eine auf Abſtammung und
Sprache berubende Einheitlichteit des chemaligen Kurheſſen zu er:
weilen ſuchte und damit VBrauchbarkeit und Werlafbarteit jeiner
ſonſt tüchtigen Sammlung ftart beeinträchtigte. Sind ſolche Fülle
natürlich feltener, jo iſt ein anderer Fall um fo häufiger, daß
nämlic; der Berfafier das idenle Ziel vollitändiger Ausihöpfung |
des Woriſchatzes eines beitimmten Gebietes, deſſen Vollsſprache
eine gewiſſe Einheitlichteit und Gemeiniamfeit gegenüber den ans
grenzenden Mundarten befipt, entweder gar nicht erfennt oder
davon aus einem am fich durchaus billigenewerten Grunde Ab:
itand nimmt: deshalb nämlich, weil er in abfehbarer Zeit jenes
Biel erreichen zu fönnen nicht hoffen darf, und doc, gem das,
was er bereits gelammelt, als Beiträge und als Grundjtod fir
weitere Sammlungen anderer vorlegen mücte. Bon dieſer lepte-
ren Urt find 3. B. Karl Weinholds Beiträge zu einem ſchleſiſchen
Wörterbuche (1855), denen zwar ein volljtändiges Wörterbuch der
ſchleſiſchen Mundart noch nicht gejolgt ift, die aber nebſt desjelben
hervorragenden Germanijlen grammatiicher Daritellung des Schle—
ſiſchen auf die deutſche Mundartenforfchung befruchtend und für-
dernd eingewirkt haben.
Aus dem Gefagten ergiebt ſich, weshalb wir troß einer Fülle
von Leiſtungen für die Kenntnis des deutichen Bollswörterſchatzes“)
doch noch ſehr weit davon entfernt Find, ihm wirklich zu ermeſſen;
fo weit, dah Über den Wortreichtum der Mundarten die vers
ſchiedenſten Vermutungen aufgejtellt werden fünnen, obne daß es
möglich wäre, diejelben gründlich auf ihre Stichhaltigkeit zu unter:
fuchen. Zu alledem kommt aber noch etwas hinzu, das nicht um:
erwähnt bleiben darf, wenn es auch für das, worauf ich bier
hinaus will, von minderem Belang iſt. Die meijten mundartlichen
Wörterbücher und = büchlein nämlich verzeichnen nur Wörter, die
der Schriftſprace micht eigen find, fie übergeben die Wörter,
welde die Mundart in derſelben Bedeutung verwendet wie die
Schrifiſprache, meijt ganz; und aud Wörter, welche die Mundart
in anderer Bedeutung oder mit einer anderen Abichattierung der
Bedeutung gebraucht als die Schrijtfprache, fommen micht immer |
zu ihrem Mechte. Und doch wären Angaben auch darüber durch—
aus nötig, nicht nur für die Vollftändigfeit und treffende Ähn—
licjfeit des von jeder Mundart zu entwerjenden Bildes, jondern
auc für das abichliehende Urteil darüber, wie weit und wie breit
der ſchriftjprachliche Woriſchaß auf dem der Mundarten, und auf
weldyer Mundart er vorzugsweiſe beruht.
Das Feld der Vollswörterſorſchung iſt mirhin eines, das in
manchen Aderbreiten noch wenig oder gar nicht vom Pfluge bes
rührt äft, während über andere Gewende der Plug wohl einmal
geführt wurde, aber, jei es aus Unzulänglichteit des Pflügers oder
der Bilugihar, nicht tief genug. Nur wenige Gewende jind jo
beitellt, daß michı8 weiter zu thun bliebe, als vielleicht da oder
dort eine einzelne Scholle umzudrehen. Getreue Mrbeiter, die
Liebe zur Sache mit Berjtändnis für die Arbeit verbinden, die
bier zu tbun iſt, werden daher auf diejem Felde noch auf lange
hin willfommen jein und reich lohnende Arbeit finden.
Unter diefen Umftänden liegt die Erwägung nabe (und ſie ift
bereits mehriad; angejtellt worden, öffentlich 3.8. von Dr. Schelle in
einer Sipung des Dresdener Zweigvereins, vgl. Ziſchr. X 64 f.), ob
nicht der allgemeine deutſche Sprachverein zu einer Mithilfe
auf dem umſchriebenen Gebiete um jo mehr berujen wäre und
feine ER zu diejer aufrufen mühte, als die Vollewörter für
*) Eine ziemlich volljtändige Überficht über diefe Peiftungen
bis zum Jahre 1554 gewährt die »Bıbliwgraphie der deuiſchen
Mundartenſorſchung« von F. Meng. 1502.
Zeitſchrift des allgemeinen’ dentihen: Epradverein®, XI. Jahrgang.
| mit Worten gebt.
1897. Nr. 3. 3
die Ziele des Vereins, joweit fie die „Reinheit, Nichtigkeit, Deu:
fichteit und Schönheit« unſerer Schriftiprache betreffen, von bober
Bedeutung immer gemwejen find und vielleicht in mod) weit be:
deutenderem Umfange werden fünnen, wenn erft der Wörlerſche
der Mundarten vollftändiger, als es bisher noc der Fall iſt, über:
jehen werden kann. Es iſt befannt, daß Schriftiteller älterer
und neuerer Zeit bewußt und unbewuht aus dem Bome der
Vollswörter gern geihöpft haben, um den Wortichab der Schrüt:
jprache zu ergänzen und aufzufriſchen. Bon jolden Vollswörtem
baben dann nicht wenige, binter denen eine mächtige Perſönlich
feit jtand, oder über denen ſonſt ein günftiger Stern waltee,
Bürgerrecht in der Schriftiprache erhalten. Ten gröhten Gewinn
nad) diefer Seite verdantt unjere Schriftipradhe Martin Qurber,
der eine lange Reihe von Vollswörtern, befonders durd deren
Verwendung in feiner Bibelüberjegung, aus der Verborgenbeit
nur landſchaftlicher oder örtlicher Geltung zu feiten Beitand-
teilen des jchriftiprachlichen Wortibapes erhoben bat, bie heute
in ganz Deutichland nicht nur verjtanden, jondern aud) gebraucht
werden. Wie jehr die Schriftiprache durch Quther bereichert worden
ift, dafür nur einige Belege. Hatte vor Quther Abgott fowohl
die faliche Gottheit als Weſen wie auch ihre bildliche Darjtellung
bezeichnet, der göttliche Ehre erwieſen wird, jo gewann die Schrilt:
ipradhe in dem von Luther zuerjt häufig gebraudten Götze cin
bejonderes Wort für die bildliche Darſtellung des Abgottes. Halten
früher Marl und Geſtade für die Nede des Alltags wie der Dichter
gegolten, jo übernahmen in der weiteren Entwidiung der Schrift
iprache Luthers Grenze und Ufer die Befriedigung des alltäglichen
Bedürfnifies, und Mark wie Gejtade zogen fich auf das Altenteil
der gehobenen Rede zurüd. So ftellte Luthers Vorgang neben
itrafen, das in älterer Spradye ſowohl mit der That als audı
mit Worten zurechtweiſen bedeutet (vgl. noch »einen Yügen [We
fall) itrafen«), das Wort tadeln, das nur auf das Zurechtweiſen
Auf diefelbe Weife it das Nebeneinander von
empfinden und fühlen, Gleisner und Heuchler uſw. in der
Schrijtiprache zu jtande gefommen: durch Luthers Beispiel wurden
fühlen, Heuchler ujw. neben empfinden, Gleisner um,
eingebürgert. Alle diefe Wörter Luthers aber jtammten aus dem
Wortichage eines oft (wie 5. B. bei Göße und tadeln) nur ehr
Heinen Bezirfed. In anderen Fällen hat Luther, eben daher
ſchöpfend, der Schriſtſprache eine ihr vorher ganz mangelnde all:
gemein, gültige Bezeichnung geihenkt, z. B. Hahn für dei
Hleinere Fahrzeug auf Binnengewäſſern, vgl. Kluge, Wörterbub
unter diefem Worte. Dergleiben ließe ſich noch manches an
führen von Luther umd anderen Schriftitellern wie Goethe md
Uhland bis berab auf den Mann unferer Tage, der zwar nicht
als Schriftiteller, aber mehr als die meijten Schriftiteller der Wegen:
wart, durch fein geiprochenes und dann gedrudtes Wort auf die
deutſche Schriftiprache gewirtt bat, Bismard,
Steht die Thatſache feit, da der Bücherſprache durch einzelne
Schriftjteller ftetig Bollswörter zugeführt worden und dieſe ihr
zum Teil als Beſih für immer veiblieben find, jo läßt ſich auch
die Frage aufwerfen, ob dieſer Hergang nicht vervielfältigt
und unterſtüht werden fünnte dadurch, da man für diefen
Awed pajjend ſcheinende Bauſteme fammelt und zum Gebrauch bereit
legt. Offenbar in Bejahung diejer Frage hat der allg. dDeutfde
Spradverein ſchon im Jahre 1887 als Preisaufgabe geftelt:
»Neinheit und Reichtum der deutjhen Schriſtſprache, gefördert
durch die Mundarten«e. Die mit einer Ehrengabe ausgezeidneie
Bearbeitung dieſer Aufgabe durch Karl Franke iſt unter dem ans
gegebenen Titel 1800 ım Druck erſchienen. Man wird diefer Abs
| handlung das Berdienjt nicht abiprechen fünnen, einen Teil des
37 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprahvereind, XII Jahrgang.
einschlägigen Stoffes (nad Begriffggruppen geordnet) vorgeführt
zu haben. Erſchöpft ift aber ber Gegenjtand natürlich micht ent—
fernt. Und zwar um fo weniger, al& Franke einen nicht unerheb:
lichen Naum der holländiihen Schriftiprache eingeriumt hat.
Dieſe wird ja allerdings als Quelle gelegentlih dienen können,
wenn es fich für uns um den Erſaß jener Fremdwörter älteren
Datums bandelt, deren fid) das Holländische im 16./17. Jahrh. mit
faſt voljtändigem Erfolge entledigt bat. Wenn aber, wie in Frankes
Bud), zur Aufnahme in unfere Schriftipradye geeignete Volks:
wörter (»gefördert dur die Mundarten«) gejanmelt werden
follen, darf neben den deutfchen Mundarten nicht die holländifche
Scriftiprade wie gleichberechtigt herangezogen werden, es würde
denn für jedes der betreffenden Wörter nadıgemwiejen, daß es nidıt
eine Schöpfung der holländiichen Spradjreiniger ift, fondern aus
einer der niederländiihen Mundarten ftammt.
So ift denn auch nad) der gewiflermafien praftifchen Seite
der Bolfswörterfammlung nod) vieles zu thun, und es muß
willtommen geheißen werben, daß der Gedanfe, der Sprachverein
möge die Sadıe der Rolfewörterfammlung in die Hand nehmen,
durch eines unferer Mitglieder, den Oberbürgermeiiter a. D. Geh.
Megierungsrat Dr. Andre in Chemnig, neuerdings mieder angeregt
worden ijt. Der Ausſchuß bat beichtojjen, diefer Anregung Folge
zu geben, und hat mid) beauftragt, die Angelegenheit den Sprach:
vereinsgenofjen vorzulegen, indem ich ihre Wichtigkeit für die
weitere Ausdehnung der Kenntnis von dem Reichtum unferer
deutichen Sprache, jowie ihren Wert für die Erreichung der bes
fonderen Ziele unferes Vereins darthäte. Das habe ich im vor:
jtehenden verjudt. Es find nun aber noch die Mittel und
Wege zu erörtern, auf denen wir hoffen dürfen dem Ziele nahe
zu fommen. Das ijt der ſchwierigere Teil meiner Aufgabe. Es
liegt auf der Hand, da unfer Verein mit feinen über Alldentich-
land verbreiteten Zweigvereinen und Mitgliedern, welche die Liebe
für unjere Mutteriprade zufammengejührt bat, beſſer als irgend
eine andere in unferem Waterlande beftehende Einrichtung ges
eignet ift, eine derartige jpradhliche Umfrage ins Werk zu fepen.
Aber das Nep unserer Zweigvereine hat ſiellenweiſe noch vecht
weite Majchen, durch die bei einem derartigen Fiſchzug allzu
vieies durchichlüpfen möchte. Wir dürfen mun zwar die Hoffnung
begen, daß die Majchen des Netzes der Aweigvereine durch ein=
zelne (unmittelbare) Mitglieder des öfteren ausgefüllt werden
fünnen. Dennocd wird es gut fein, uns erſt zu vergewifiern, wie
weit die Teilnahme für unfere Sprache, die wir bei jedem unjerer
Mitglieder als felbjtverftändlich vorausſeßen, bei hinlänglich
vielen begleitet it von jenem Maße thatfräjtiger Enticlofjen:
beit, das ſolchem Unternehmen erfreuliche Erfolge mit einer ge—
wifjen Sicherheit verbürgt. Sehr verichieden ift ja diefe Aufgabe
von allen denen, die biöher der Gejamtheit unjeres Vereins ges
jtellt wurden. Bei ihnen handelte es fich immer um Beurteilung
bejtimmter Vorlagen des Gejamtvorftandes, hier handelt es ſich
darum, an der Hand allgemeiner leitender Gejichtspunfte und
unter Beachtung befonderer Fsingerzeige zu fammeln, was bie-
ber nicht gefammelt ift. Die Aufgabe hat aber anderjeitö vor
jenen früheren das voraus, daß fie für den einzelnen lodender
ift, weil fie ihm in höherem Grade gejtattet, ſich um ihre Löſung
zu bemühen, und weil fie ferner auch mehr (als z. B. die Be—
ratungen über die in die Verdeutſchungsbücher aufzunehmenden
Erjagmwörter) geeignet iſt, den Stoff für anregende Erörterung an
ben Bereinsabenden herzugeben.
Vielleicht könnte ich für diesmal damit fchliefen und ſogleich
die frage jtellen: wer iſt bereit mitzuthun? Doch empfiehlt
es fi wohl und fann für eine günftige Aufnahme des Gedantens
1897. Nr. 3. 38
twirfen, wenn fogleich kurz angedeutet wird, wie wir die Sadıe
anzufajien gedenken. Wie überall wird aud) hier gelten, daß wer
zu viel auf einmal fragt, wenig Antwort erhält, und darum fann
bie Bitte an die Mitglieder natürlich nicht dahin lauten, e8 möge
jedes an mundartlihen Worten zufammenjtellen, was ihm davon
befannt fei, jondern e3 wird nötig fein, den Stoff ım einzelne
Begriffögruppen zu zerlegen und immer nur eine oder einige zu
gleicher Zeit in Umfrage zu itelen. Dabei wirde zumeilen Ge—
legenbeit fein, auf irgend einen Punkt bejonders die Aufmerf:
fanfeit binzulenfen, auch bereits befannte einjchlägige Vollswörter
und ihre biöher befannten Berbreitungägebiete zu erwähnen oder
die Frage aufzumwerjen, ob gewilfe Wörter der älteren Spradye
nod) irgendwo in Brauch jeien u. dergl. Würde es ſich alfo z. B.
um die Nusdrüde der Mundarten handeln, welche fich auf die
menſchliche Kleidung beziehen, oder um die mundartlichen
Namen der Monate, oder um die Ausdrüde für einzelne Begrifie,
wie fterben, bauen, langſam arbeiten, betrunfen fein
u. dergl., jo wird vielen umjerer Mitglieder, welche Erinnerungen
an ihre hbeimatlihe Mundart bewahren oder die Mundart ihres
gegenwärtigen (oder eines früheren) Wohnfiges kennen zu lernen
Gelegenheit gehabt haben, zweifellos ohne Mühe das eine oder
andere heraehörige Wort in den Sinn fommen. Dieſe würden
dann ihren Beitrag zum Erfolg unſeres Unternehmens geleiftet
haben, wenn fie die betreffenden Wörter mit möglichit genauer
Angabe ihrer Bedeutung und des Ortes oder der Orte, mo fie
von dem Mitgliede gehört worden, ober von denen er genau
weiß, dab fie dort üblich find, an dem unterzeichneten Schrift:
führer des Vereins mitteilten. Bei Wörtern, die in der Gegend
des Zweigvereins gebräuchlich find, dem ein Mitglied angehört,
wilrde es fid) wohl auch empfehlen, an einem Vereinsabend die
betr. Wörter zur Sprache zu bringen, um durch die Beſprechung
mit den Bereinsgenofien die eigene Anficht über die Bedeutung
und über das Berbreitungsgebiet der Wörter zu beftätigen, zu
tlären oder zu berichtigen. Oder der Vorſihende nimmt die Sadıe
in die Hand, fept die beir. Frage auf die Tagesordnung einer
Sipung und teilt dann die Ergebniije der Erörterung der Vereins-
leitung mit. Es ift zweifellos, daß dieje Angelegenheit, wenn
fie qut in Fluß kommt, für unfere Zweigvereine und Mitglieder
eine Duelle reicher Anregung und eine Gelegenheit zu praftifcher
Berhätigung dev Liebe zu unſerer Sprache werden muß, tie fie
fich ſonſt nicht fo leicht und nicht jo — gefahrlos bietet. Denn
auf den anderen Gebieten der Sprache (Laut- und Formenlehre
und Syntax) iſt auch die erfolgreiche Sammlung des Stoffes
meijt nur möglich unter der Worausjegung wiſſenſchaftlicher
Kenntnis der deutſchen Grammatik und Sprachgeſchichte. Volls—
wörter aber kann jeder ſammeln, der nur irgend einige Teil—
nahme für die Vollsſprache beſitzt und im ftande iſt, ein ges
börtes Wort annäbernd richtig zu Papier zu bringen ſowie den
von diejem ausgedrüdten Begriff zu bezeichnen. Ähnliches baben
für die Zwecke des deutichen Spradatlas taufende von Vollsſchul—
lehrern vermodht; wir dürfen alfo vertrauen, daß auch viele von
unjeren Mitgliedern es vermögen werden. Es ijt aber not—
wendig, das Wort in der Lautform zu geben, die es in der
betr. Mundart wirklich hat, nicht aber (oder wenigjtens nicht
allein) in der Form, die es nach der Meinung des Aufzeichners
haben würde, wenn es jchriftiprachlich wäre. Die Meinung
des Aufzeichners lann einen wertvollen Fingerzeig für die Deutung
des betr. Wortes enthalten, fie kann aber auch fehlgeben; iſt
neben ihr das Wort in der wirklich gejprocdenen Form ars
gegeben, fo fan dieſe zur Beftätigung oder Widerlegung der
Auflafjung des Aufzeichners dienen,
39
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. XI. Jahrgang. 1897, Nr. 3.
40
Was aber joll mit dem gejammelten Spradjitojfe
geihehen? Darüber wird ſich endgiltig erit enticheiden laſſen,
wenn etwas davon vorliegt und fich ermeijen läht, ob er ber
idealen Bollftändigteit jehr fern bleibt oder ihr einigermahen nahe
lommt. Zunächſt aber wird es fich empfehlen, die Ergebniſſe für
die einzelnen Gruppen kurz zufammengefaht in der Zeitſchrift zu
veröffentlichen im ähnlicher Weije, wie dies mit den Ergebnifien
der Umfrage nad) dem Worte Hafenbrot vor einiger Zeit ger
ſchehen ift. j
Ich richte Heute nur die Frage an die Nereindgenofjen, und
zwar an bie Zweigvereine wie an die einzelnen Mit—
glieder, ob fie beider Ausführung des hier entwidelten
Planes mitthun wollen, oder ob jie irgend welde Be—
denten dagegen zu erheben haben. Die Zuschriften bitte
ich freundlichſt an mich gelangen zu laſſen.
Im Auftrage des Ausſchuſſes:
Prof. Dr. P. Pietſch
(Berlin W* Mopitr. 12).
Preisausfhreiben der Auskunftei Schimmelpfeng.
In einem Flughefte, das die Ausfunftei W. Schimmels
pfeng in Berlin bei Gelegenheit der Berliner Gewerbeausſtellung
herausgegeben hat, iſt ein Breis von 250 Mt. demjenigen zus
gefichert worden, der dem Geſchäfte »als eriter für die unſchöne
fremdfprachlie Bezeichnung „Rechercheur* ein deutſches Wort
liefert, das die Oberleitung für den Gebrauch geeignet hält und
deshalb fortan gebrauchen würde «,
Aus einem Schreiben der Auskunftei, das dem Unterzeichneten
von einem Mitgliede zur Verfügung geitellt worden ijt, gebt hervor,
daß die bieher eingefandten Verdeutſchungsvorſchläge der »Ober:
leitunge« nicht annehmbar erjdeinen.
»Es zeigt ficdhe, heißt es in dem Schreiben, »daß die Thätig:
feit der Herren, die jept „Rechercheur* genannt werden, vielfach
nicht richtig aufgefaht wird.
Diefe Thätigkeit beftebt weder im Auskundſchaften, infomweit
damit der Begriff eines geheimen Wirkens verfnüpft ift, noch in
einem Einichägen; wir geben nur auf erlaubten Wegen offen zu
Werle, und jede umlautere Nachfrage bleibt dabei ftreng aus—
geiclofien; .... unfere Aufgabe iſt es, geftügt auf die Gegenſeitig—
teit faufmännifcher Interejien, Anfichten und Erfahrungen glaub-
wiürdiger Geichäftstreile einzufammeln und damit fo lange forts
zuiabren, bis ſich nad Muefceidung aller Widerſprüche ein
möglichit vollftändiges und zutreffendes Bild der in Erfundigung
geitellten Firmen darbieter.
Bir legen Wert darauf, daß diefe Aufgabe weder ibrem Gegen:
ſtand noch ihrer Erfüllung nad durch ein unzutrefiendes Wort
verdunfelt werde, wie dies z. B. bei dem fonit ganz glücklich ge
wählten Worte ‚Einichäger* der Tall fein würde.
Vielfach find Wörter wie: ‚Nachfrager, Umfrager, Ergründer,
Aufflärer, Beobachter, Erkundiger, Ertunder, Ermittler, Ber:
mittler, Klarſteller, Nachipürer, Spürmann, Nusforicher, Nach—
foricher, Auskunſter, Kundſchafter, Austundichafter, Kundenprüfer,
Ratſucher, Sichter, Rechtermittler, Sammler, Suchbeamter, Sud:
prüfer, Firmenſucher, Firmenforſcher, Berichtermintler, Kunde—
ſchaffer, Thatbeſtandnachſorſcher, Lichtgeiſt, auch Austunfteirat‘
vorgeſchlagen worden, Wörter, die zum Zeil ſehr nahe liegen,
und zum anderen Teil, wie 3. B. die feßterwähnten, nicht wohl
recht in Betracht fommen tünnen; dies gilt auch von millfürlich
gebildeten Wörtern wie ‚Auskunftiit‘ oder „Berichtner‘,
Wir haben nach dem Worte ‚Ausfunftei‘ länger als ein Jabr-
zehnt gefucht; vieleicht glüdt es einer fpäteren Jeit, für Die
Herren, die als Außenbeamte der Auskunftei im dem vorbeiprochenen |
Sinne kaufmänniſche Auskünfte einholen, eine treifende deutiche |
Bezeichnung zu finden. Jedenfalls aber bleiben wir allen ver: |
bunden, die mit und nad) einer Löſung geſucht haben.«
Der Leiter der Auskunftei ſcheint und auf einem grundfalſchen
Wege zu fein: er will in einem deutſchen Worte jämtliche Ber
griffe vereinigt jehen, die von ihm oder feinen Berufsgenofien im
Laufe der Zeit in das franzöfifche hineingeheimnißt worden
find. Das ijt zu viel verlangt.
Es giebt eine Menge zufammengefepter deutſcher Wörter (von
den Wurzelwörtern gar nicht zu reden, deren Sinn ja nur auf
Übereintommen und Gewohnheit beruht) und noch viel mehr
Fremdwörter, die in ihrer lautlichen Geſtalt nur einen Zeil der
Begriſſe ausdrüden, die wir damit verknüpfen (vgl. Streichhol;,
Dienjtmann, Federmeſſer, Schuhmacher, Morgenihub, Schlaf:
ro uſw. uſw.), und auch ſolche, bei denen überhaupt feiner dieſer
Einzelbegriffe lautlih in die Erſcheinung tritt. Findet ſich, um
nur ein Beiſpiel berauszugreifen, in dem Worte » Schaffner« eine
Spur vom Öffnen und Schliefjen der Wagenthüren, dem Durch
lochen und Prüfen der Fahrkarten, dem Anweiſen der Bläge ulm. ?
Und doc) denfen wir an alle dieje Thätigfeiten, wenn wir das
Wort »Schaffnere hören. Es iſt das lediglich Gewohnheitsſache.
Leider ift das Streben, jämtliche bisher in ein Fremdwort ges
legten Vegriffe bei dem deutichen Erfapmworte nun auch lautlic
zur Geltung zu bringen, felbjt bei den amtlichen Berdeutichungen
mehrfach zu beobaditen, und diefem Streben haben wir Wort:
ungeheuer wie » Süterabfertigungeftelle, Fahrpreisanzeigerdroſchle ·
u. 0. zu verdanken. Mein, man greife den weſentlichſten Begriff
des fremden Ausdrucks beraus, verdeutſche dieſen und überlafie
es der Zeit, die Beibegriffe an das deutſche Wort anzugliedern.*)
Gr. Lichterfelde. F. W.
Der Rechen.“)
Der Stoffel war drei Vierteljahr
Im Franzenland geweſen.
as Deutiche hatt' er ſchier verlernt,
Er konnt' es kaum noch leſen.
Er trat ins Zimmer mit bon jour
Statt mit dem guten Tage.
» Comment — wie jagt man gleich auf deutich?«
War feine dritte Frage.
Bei Tiſch begrüßt! er pommes de terre —
Wie mundeten fie Stoffeln!
»Comment? Wenn ich nicht irre bin,
Sagt man auf deutich: Kartoffeln.«
Nach Tiihe ging er in den Hof.
Da laq ein neuer Rechen;
Der mochte mit dem blanten Stiel
Ihm in die Augen itechen.
»Comment?«e Er zeigte mit dem Fuß
Und trat aufs untre (Ende;
Der Rechen richtet fi empor —
O unverhoffte Wende!
Ein derber Schlag auf Nas’ und Maul
Lehrt plöglich deutich ihn ſprechen.
Er greift nach jeinem Kopf und jchreit:
»J dur verdammter Nechen!«
Friedrid van Hoffe.
*) In diefem Sinne ericheint das oben erwähnte Mort Er—
mittlere als durchaus geeigneter Erfaß für »Rechercheur«.
Die Schräftleitung.
*) Das Heine Gedicht ift uns im Anſchluß an die Brieitaiten-
bemerfung über den Uriprung der Wendung -Ich will dir zeigen,
was eine Harfe fite (vgl. Sp. 13 dieſes Jahrg.) zur Verfügung
geitellt worden. Die Schriftleitung-
41
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 3.
Rleine Mitteilungen.
Herr F. Schroeder in Polohama, der Herausgeber ber
Zeitung »The Eastern Worlde, beabfichtigt, unter dem Namen
»Deutjhe Nachrichten aus Japan« ein Wochenblatt zu ber
gründen, das deutichen Intereſſen und deutſchem Geiſte im fernen
Diten einen Mittelpuntt fchaffen ſoll. Troß unferes alljährlich zu—
nehmenden Handels mit Japan giebt e& dort nody fein einziges
deutſches Blatt, während nicht weniger als 17 engliſche Zeitungen
ericheinen, auf die der deutfche Kauſmann angemwiejen ift, wenn
er fi iiber die Ereigniffe im Lande unterrichten will. Dem
»Proipefte« zufolge jollen die »Deutihen Nachrichten⸗ vornehm⸗
lih dem Handel dienen: hoffen wir, daß fie auch beſtrebt jein
werben, den nationalen Geiſt unjerer Landsleute in Japan ans
zuregen und zu fördern. Den Herausgeber möchten wir aber
bitten, dies Beftreben auch äuferlic durch eine jorglame Bes
handlung unjerer Spradie, namentlich durch ihre Neinhaltung von
überflüffigen fremden Beftandteilen zu bethätigen.
— Bei der Feier des Stiftungsjeites des Neuyorfer » Lieder:
franzes« bat Karl Schurz vor kurzem eine Rede gehalten, die
felbft in der umvolllommenen Geftalt der Beitungsberichte Be—
geifterung erwedt und, wie jeder ſich denfen kann, der die zlin-
dende Beredjamkeit Karl Schurzs kennt, auf die Anwejenden bins
reißend gewirkt haben muß. Vom Liebe ausgehend, das kein
Volk in fo reicher Fülle und fo fchöner Innigkeit hervorgebracht
babe, wie das beutiche, fam er auf die dbeutihe Mutter-
ſprache zu reden, die für jeden denfenden Menſchen ein Schatz
fei, deſſen Wert über das bloße Gefühl hinausgehe. Die Ehr—
fichfeit, die von ben Amerifanern zu den Hauptzügen des deutichen
Nationaldjarakters gezählt werde, Äußere fich auch in der deutſchen
Sprache. In anderen Sprachen, befonder& den romaniſchen, ſei
es leicht, etwas Hübjchklingendes zu jagen, was eigentlich nichts
jei. Im Deutichen gehe das ſchwer. »Die deutiche Mutterjprache
ift nicht die Sprache gleiänerifcher Zierlichkeit. Aber dafür beſitzt
fie um jo mehr alle Orgelregiiter der Kraft, der Hoheit, des
begeijlerten Schwunges, der Biederfeit, des innigen Gefühls.«
Mehr als jede andere Sprache habe fie, die jelbit ſchwer zu
übertragen, die Fähigleit, in fremden Zungen Geſchriebenes
genan wiederzugeben. Die deutihe Sprache biete daher die
gejamten Neichtümer der Weltliteratur. Und dieſen Schatz
müfje der Deuticd Amerikaner fi) und jeinen Kindern bewahren
troß feiner Pflichten gegen das neue Baterland, Tauſende
von Stodamerifanern lernten Deutsch, weil fie den Wert diefer
Sprache zu ſchätzen wüßten. Das mache fie nicht weniger patrio-
tiſch, es mache fie nur gebildeter und geicheiter. »Wenn ich jeher,
fuhr der Medner fort, »wie deutichamerifaniiche Eltern aus bloker
Bequemlichkeit es verjäumen, ihren lindern den Befik der Mutter:
iprache zu ſichern, wie fie das loſtbare But, das fie haben, leicht-
finnig wegwerfen, jo empört fich mein deutiches Herz wie mein
amerifanifcher Berftand. Diele Eltern thum nicht, was fie ihren
Kindern ſchuldig find. Sie begehen an ihnen eine Pflichtverletzung,
einen Raub, eine Sünde, «
Was diefe Worte jo befonders wertvoll und erhebend macht,
iſt der Umstand, daß fie aus dem Munde eines Mannes fommen,
der e3 veritanden hat, fich in feiner neuen Heimat auch bei den
Amerikanern eine hochgeachtete Stellung zu erwerben, und ber
damit zugleich bemeiit, wie treu er im Herzen dem alten Bater-
lande geblieben ift. Hoffen wir, daß fie einen nachhaltigen Einfluß
auf unfere Landsleute jenjeit? des Meeres ausüben werden!
Sprebiaal.
An der Februar: Nr. ift mit großer Anerfenmung der vor:
trefflichen Verdeutſchungen gedadıt worden, die das Boldidmied-
haus Krall in Elberfeld in feiner PBreielifte zur Anwendung ge—
bradıt hat. Gegen eine der dortigen Berdeutichungen tit jedoch
Einſpruch zu erheben. Es heit da: »Jumelen — Geſchmeide
(da$ alte berrliche deutihe Wort!!«.. Aa, das Wort iſt in der
That berrlich, beionderd aber dadurd), doß es fo deutlich zeigt,
was es bedeutet. Das Wort fommt nämlih, wie »geſchmeidig«,
von »jhmiedene, fann fich alfo niemal® auf Juwelen beziehen,
die nur aeichliffen, aber nicht geichmiedet werden. Das romaniiche
Wort »umel« führt auf diefelbe Wurzel wie joie — Freude zu:
rüd; wenn man es alſo wörtlich verbeutfchen wolte, jo fünnte
man »Augenweider, Augentroſt« jagen; da diefe Wörter aber
im Sinne von Juwel ganz ungebräudtich find, jo bleibt wohl
nichts übrig, als einfach Edelgejtein und Perlen zu jagen.
Berlin. M. J.
Bücherſchau.
Franz Irmler, Verſuch, die deutſche Schulgram—
matitk zu vereinfachen. Sonderabdruck aus dem »Schleſiſchen
Schulblatte«. Troppau, im Selbſtverlag des Verſaſſers. 1806.
Irmlers Verſuch die deutſche Sprachlehre zu vereinfachen ift
naturgemäh zugleich der Verſuch einer deutſchen Sprachlehre in
deutichem Gewande. Ob es freilich dazu nötig war, noch einige
Sondergewändlein zufammenzuftüdeln, wie Zweilaut jtatt des
üblihen Doppellautes, Umlautung ftatt Umlaut, eigents
liche und uneigentliche Frage und Rede ftatt unabhängige
und abhängige, und gar Hauptwort für Berb, mährend
das jeht allgemein Hauptwort genannte Subftantiv jchlechtbin
und doch unberechtigt Sachwort getauft wird? Sonſt iſt die
Sprache einfach und Mar; nur mußten ſolche Wendungen ver-
mieden werden, wie: das... Wort fommt auf die und die
Frage zur Antwort (5.15 u. 0.), die Häufung »oder bezüg-
liche (S.18) und die Mittelmortfügung: ohne Sahmwort ges
braudt, wendet man deſſen . . an (S. 28).
Die Sache betreffend wäre von den vier Abichnitten (Laut—
fehre ©. 2, Wortlehre S.2—%0, Saplehre S. 20 — 26, Yehre
von den fremden Formen S. 27) dasjenige, was im feßten von
den fremden Buchitaben und Fremdwörtern geboten ift, befier auf
die zwei erften Abichnitte verteilt worden. In die Lautlebre ges
hörten auc die Andeutungen über die Schreibung der Wörter,
woran die Verwerfung der Dehnm- und der eigentlichen Kürzungs-
zeichen, ſowie die Beichränfung der großen Aniangsbudyitaben auf
die Namen Gottes, des Baterlandes und der Berfonen fowie die
Fürwörter der Anrede wohl Zukunftamuft ift.
Beim Thätigkeitsworte wird man die Anjepung der bloß
umfchreibenden formen mit würde als beiondere bedingende
Ausiageweife und ihre Beichräntung lediglich auf den Hauptſatz
(5.6, 9, 24), wenigiten® für die Volteichule, als einen Forts
ichritt begrüßen; dagegen it die ausdrückliche Abweiiung des
Namens schwache und ftarfe Biegunge faum zu billigen, und
geradezu falſch iſt die Anſetzung aller Beichlsformen in der Ein-
zaul chne e, auch von ſchwachen Verben! Das nennt man die
Sprache behufs Vereinfachung zurechtſtußen. Dasſelbe bedentet
ed, wenn Irmler nach dem au heiten Soße, daß alle zujammen—
gelebten Wörter aebogen (jo!) werden mie die einfachen, die
Mehrzahl Buchjtäbe bildet, von den Eigennamen Wolf und
Graf die Mehrzahl Wölfe, Grafen fordert, weil fie jo ſchon
die Beſonderheit der großen Anfangsbuchitaben hätten, wenn er
vorfchreibt: er hat nicht reden gedurft, weil die übliche Form:
...„bürfen, feinen fhönen Rhythmus babe, wenn er den Weflen-
fall Demoſtheneſens und zu was ben Wemfall: wem anjeht,
wenn er einerſeits geichrieben haben will: Jeder Mann, und
anderjeit® dernämliche, dereine, diecine und ähnlich die
von ihm zu Umjtandswörtern geitempelten Berbindungen: frank»
heitähalber, an findesitatt! Sonſt find, von Stleinigfeiten
zu Schweigen, noch falich die Megel über die ſchwache Biegung
des Eigenichaftswortes (5. 15 und S. 16 Schluß), die Aus:
ichliehung der 3. Vergangenheit und 2. Zukunſt aus dem Haupt:
fape (©. 20) und die Beichränfung der Gatverfürzung auf den
Fall gleichen Subjeltes (S. 23).
Trog alledem und obwohl das löbliche Verfahren, einige
wichtigite Stilregeln gleich bei der Wort: und Saplehre einzufügen,
43
dazu verleitet hat, manches für die ind Auge gefaßte Stufe Über:
flülfige zu erwähnen, foll gern anerfannt werden, daß dieſer
Verfuh, die deutiche Sprachlehre zu vereinfachen, dem Haupt: |
ziele, das für die einfache Schule Wichtigite aus der deutichen
Sprachlehre möglichit einfach darzuitellen, erfolgreich zujtrebt.
Bittau i/S. Theodor Matthias.
Aus den Sweigvereinen.
Machen. In der Januarfitung erörterte Haubtmann Berndt
die fprachreinigenden Beitrebungen, bie fih um bie Mitte
diefes Jahrhunderts in Deutichland geltend zu machen bes |
gannen. Er ging dabei von einem » Aufruf an die Deutichen« aus,
der ſich in dem » Deutichen Roltäfalender« vom Jahre 1843 findet
und in ſchwungvollen Worten zum Kampfe gegen fremde Wörter
auffordert. Oberlehrer Köhn ſprach ſodann über die weitfäliiche
Dichterin Annette von Droite-Hülshoff und Direltor Dr. Ge—
ihwandtner über die vielfache Unrichtigkeit in der Schreib-
weile und der Ausſprache erdfundliher Namen in den
Srenzgebieten. Hierauf erinnerte Stadtbibliothefar Dr. Fromm
an die geiltvollen Ausführungen Arthur Shopenhauers gegen
die Berunftaltung der deutſchen Spradie, und zum Schluffe
machte er Mitteilung über einen Aufruf des einftigen General-
Gouverneurs des Großherzogtums Vera, Juftus von Gruner,
vom Sabre 1813 an die deutihen Jünglinge und Männer zum
Kampfe für deutiche Freiheit. Diefer Aufruf verdiente wegen feiner
feurigen und dichteriſchen Faſſung als deutiches Sprachdenkmal eine
dauernde Stellung in unſerem Schrifttum zu finden.
Berlin: Charlottenburg. Nach Wiederwahl des bisherigen
Vorſtandes in der Hauptverfammlung am 15. Februar fprach an
Stelle des erkrankten Oberitleutnants Dr. Mar Jähns Oberlchrer
Dr. Streidher über: Deutiches Kinderlied und Hinder-
jpiel. Der Vortragende ging von dem groken, durch die ge—
drudten Sammlungen nur annähernd bezeugten Umfange diejer
Vollsdichtung aut, an dem bie deutichen Landichaften nadı feiner
Meinung in nicht weſentlich verichiedenem Mahe teilnehmen. Er
beſprach die allgemeine Übereinftimmung von Stoff und Form im
ganzen Umtreife unſeres Sprachgebietes, zeigte dann dauernde Ers
innerungen geſchichtlicher Ereignifie aus den legten Jahrhunderten
in ſtinderverſen und verfolgte endlich, indem er in Toichen Fällen
nicht fowohl Neudichtung als Umformung annimmt, an einigen
Beiipielen die Entwidlungs: und Wandlungsgeichichte rũckwärts
bis in die heidniſche Vorzeit. — An den Bortrag ſchloß ſich eine
lebhafte Erörterung Über ſprachliche Erſcheinungen der Gegenwart, |
fo über dad Wort »Centenarfeiere Der Borfiger des a. d.
Spradwereins, Oberitleutnant Dr. Mar Jähns, der dem Aus-
ſchuſſe zur Vorbereitung dieſes Feſtes angehört, hatte beantragt, das
haßliche Wort Tentenarfeier durch Hundertjahrfeier zu erfeben.
Diefer Antrag war auch ohne Wideriprud; von der eriten Ver—
jammlung des Ausichufies angenommen worden. Zroßdem wird
in jämtlihen Drudichriiten des Ausſchuſſes das Fremdwort anges
wende. Der Aweigverein ſprach fein lebhafte Bedauern über
dies völlig unberechtigte Vorgehen des geichäjtsführenden Yeiters
aus. Alsdann wurde beichlofien, dem Gejamtvoritande ben » Ent-
wur von Beitimmungen, betreffend die Zulaſſung von Wert-
papieren zum Börlenhandel«e mit der Bitte zu überreichen, er
möchte geeignete Schritte zur Erlepung der zahlreichen, darin be:
findlichen fremden Ausdrücke durch deutiche Wörter thun. Die
eingehendere Beiprechung anderer angeregter Gegenftände, 3. B. |
der Sportiprache, wurde auf die nächſte Sißung verkhoben.
Berlinchen. Am 11. Februar hielt Paſtor Voelfel aus
Deep einen Vortrag Über die Entitehung der Schriftzeichen
und ihr Verhältnis zur Sprade. Nachdem der Redner die
Entwicklung der Schrift von der Bilderfchrift zur Silbenjchrift, und
von dieſer zur Lautſchrift dargejtellt und einen geichichtlichen Uber—
blit über die Schriftarten der alten Kulturvöller gegeben hatte,
beiprach er auch die deutschen Buchſtaben, deren Berechtigung er
betonte. — Der Zweigverein beabfichtigt, nach Art der jogenannten
BVolfsbildungsvereine öffentliche Vortragsabende zu veranftalten.
Bonn.
Förſter einen Bortrag über die Frage: »Erleichtern bie
Fremdwörter die Erlernung fremder Spraden?« Celbit-
verjtändlich verneinte der Vortrager diefe Frage und mies an
der Ausſprache, der Wortbildung und beionders an der Wort:
bedeutung in humorvoller Weife nach, wie hinderlich unfere
Am 25. Januar hielt Privatdozent Dr. Mar |
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 3.
|
44
Fremdwörter für die qute Erlernung der fremden Sprachen find. —
Außer der ⸗Unitas« ift dem Aweigvereine jept eine zweite fatho-
liſche Stubentenverbindung, die »Arminiae, als körperſchaſtliches
Mitglied beigetreten.
Chemnitz. Bezirksſchullehrer Jochen entwarf in der Februar:
verfammiung ein Bild von der Entitehung der ſächſiſchen
Volksſagen, die er nad) ihrem mmtbologiihen Hintergrunde,
‚ ihrem religidien und geichichtlihen Inhalte und ihrem Uriprunge
aus fprachlihen Ericheinungen gliederte.
Citli. Am 1. Februar bielt Profeffior Dr. Wertheim eimen
Vortrag über die Einwanderung des Fremdwortes in die
beutihe Sprache, bie er an der Hand der geſchichtlichen
Ereigniſſe erläuterte. Zum Schluſſe bob der Redner die ver:
ädtlihe und läcerlihe Art des Gebrauchs umnnötiger Fremd—
wörter hervor. Auskultant Mapl gab in einer Iuitigen Bor:
lefung ein Spotibild heillofer Fremdwörterverwirrungen, umd daran
ſchloſſen ſich mufifalifche Vorträge.
Czernowitz. Mad Wiederwahl des Vorſtandes in der Haupt:
veriammlung am 23. Januar ſprach Gymnaſialprofeſſor Johann
Stobielsti über dad Schülerdbeutih in Ezjernowip. Ber
Vortrag war reichlich mit Beifpielen ausgerüſtet, die der Redner
im Laufe der letzten Jahre aus dem Munde der Schüler und aus
ihren Heften geiammelt hatte. Die Rügen bezogen ſich auf Aus—
iprache, Wortbiegung, Wortichaß und Saklebre; die gerügten Febler
erflärten fich teild aus der Wiener Mundart, deren Herrſchaft in
ganz OÖſtreich- Ungarn, wenigfiens in den Städten, fühlbar it,
teils aus dem unmittelbaren oder dem durch die Juden vermittel-
ten Einflufje des Polnischen und anderer ſlawiſchen Sprachen, teils
aus der Belchäftigung mit dem Latein, teil® aus der bei ben
jüngeren Schülern begreiflihen Unbehotienbeit im ſprachlichen Aus—
drude. Als Mittel zur Befämpfung der Fehler empfahl der Bor:
tragende feinen Amtsgenojien, erftens die gleichartiaen Fehler
zulammenzuftellen und fo gruppenweiſe mit den Schülern zu be
iprechen, und zweitens die in der Bukowing geläufigen Sprach—
fehler in einem eignen Buche zu fammeln, das dann den Schülern
und fo manchem Lehrer zur Nichtichnur dienen fönnte. Der Ror:
trag wurde mit grokem Beifall aufgenommen und reate eine Reihe
trefflicher Beiträge und Bemerkungen anderer Mitglieder an.
Dredden. Nachdem in der Jannarſitzung der biäherige Vor—
ftand durch Zuruf wiedergewählt worden war, ſprach Seminarlebrer
Dr. Hläbr über Joachim Heinrih Campe. Ür verbreitete
ſich zunächit über den Lebensgang dieſes Mannes, den er mit
Mecht als einen der geiitigen Väter des Sprachvereins bezeichnete,
und erörterte dann eingehend feine Berdienite um die beutiche
Spradye, bejonder® um die Epracreinigung, jchilderte feinen
Kampf gegen die Verfafler der Zenien und beſprach endlich die
Verdeutſchungen Gampes, von denen fih viele, wie 5. B. band:
lich (für traitabel), Beweggrund (fir Motiv), Stelldichein (für
Rendez- vous) ujw. eingebürgert haben.
Duisburg. An der Februawerſammlung bielt Mittelichul-
lehrer Eider einen Vortrag über den Barabeldichter Friedrid
Adolf Krummacher und feine Beziehungen zu Duisburg.
Hannover. Dem gejchäftlihen Teile in der Hauptverfamm:
fung am 16. Februar folgte ein Vortrag des Oberlehrers a. D.
Dr. Saalfeld aus Berlins Triedenau über Natur und Did:
tung. i
Kiel. Univerfitätäprofeffor Dr. Wolff hielt am 28. Januar
einen Bortrag über eine ſprachliche Reiſe durch das Deutiche
Neih, Oftreih und die Schweiz. Er gab darin nicht nur
die Eindrüde wieder, die er in ſprachlicher Beziehung auf jeiner
Neife gewonnen hatte, jondern verbreitete ſich auch über die Ge—
ſchichte der Sprach: und Bildungsgefellichaiten im vorigen Jahr—
hundert.
Köln. DOberlehrer Dr. Franke behandelte in der Verſamm—
lung am 4. februar den Charakter der deutſchen Lyrik
mit beionderer Berüdfihtigung der Minnedbihtung
und der Maneſſeſchen Licderhandicrift.
Leoben. An der Hauptverfammlung am 27. Januar ſprach
nach Erledigung des geichäftlihen Teiles der Obmann, Verwalter
Aigner, über franz Schuberts Lebensgang und Schaf:
fen. Hieran ſchloß ſich eine gejellige Vereinigung.
Marburg a.d. Drau Die Jahresverſammlung am 10. fie:
bruar wurde durch den Obmann Dr. Mally eröffnet, der einen
45
ausführlichen Bericht über das abgelaufene 10, Vereinsjahr er:
ftattete. Nach Erledigung geſchäfilicher Angelegenheiten jprach
Direltor Friſch über die deutſchen Bollsmärdhen Der
Schluß des Abends war der Unterhaltung gewidmet.
Marienwerder An der Eipung am 19. Februar wurde
der bisherige Borjtand wiedergewählt, und dann hielt Superintendent
Böhmer emen Bortrag über Luthers Bibelüberjepung und
die deutſche Sprade von heute.
Mep. Der Borfiger, Prof. Dr. Seifert, fprad in der jtarf
bejuchten Berjammlung am 8. Februar über die Bereicherung
des Wortidhapes der deutſchen Sprache aus den Munds
arten und erntete mit jeinen Ausführungen großen Beifall. —
Die Mitgliederzahl hat ſich ſtart verwehrt und beläuft ſich z. B-
auf 100 gegen 42 im vorigen Jahre,
Münden Profeſſor Dr. Munder entwarf in der Januars
fipung ein Bıld von dem Leben und Wirken des Dichters Immer—
manı.
Stiefburg Nachdem Geheimrat Dr. Albrecht in der
Dauptverjammlung am 10. Februar über das Werden und
andern deutſcher Wörter geiprochen hatte, erjtattete Obers
lehrer Dr. Hort den Jahresbericht, aus dem die erjreulicdhe
Thatjadye zu entnehmen war, daß die Zahl der Mitglieder in
freiem Wachſen beguiffen it.
Trier. Der Aneı verein hat unter dem Vorſihze des Stadt:
bibliothelars Dr. Fuller in diefem Winter jeden Monat eine
Eigumg abgehalten. Im November ſprach der Borjiper ber
Biel und Weſen des Grimmſchen Wörterbudes; im
ezember trat an Stelle eined Vortrages eine eingehende Auss
jpradye über Ziel und Aufgabe des Vereins, deren Er—
gebnis in dem Wuijage » Studie über Natur und Aufgabe des
deutichen Eprachvereins« durch die Preſſe in Trier verbreitet worden
fit. Die Sıyung am 14. Januar war einer Beiprehung der
Frage der Schrijtgattung gewidmet, wobei ſich die übers
wiegende Mehrheit der Anweſenden zu Gunjten der lateiniſchen
Schrift äußerte.
Zittau, Die Winterverfammlungen wurden am 16. Septbr.
1896 wieder aufgenommen, wobei Oberlehrer Dr. Neumann
über feinen Beſuch der Oldenburger Hauptverjammlung berichtete.
— Am 14. Otibr. jprach Oberlehrer Dr. Matthias über das
Verhältnis von Sprade und Geſchichte, am 11. Novbr.
Prof. Dr. Neehe, zum Teil auf Grund perjünlicher Erfahrungen
in Rußland, über die gegenjeitigen Beziehungen zwiſchen
dem Slaviſchen und Bermaniihen. — Haupiſächlich mit
den Kulturwörtern, Lehn-wie Fremdwörtern, alten und
allerneuſten, welche Gegenſtände der täglichen Lebensſührung bes
zeichnen, beſchäftigte ſich am 9. Dezbr. der Vortrag des Ober—
lehrers Dr. Galle, bei dem Franz Harders Buch, Werden und
Bandern unjerer Wörter, im Verein auflag. — Das neue Kalender—
jahr, das der Zw.s®. mit einer Zahl von 151 Mitgliedern bes
giant, brachte am 10. Febr. 1897 einen Vortrag des Setretärs
Peſchkau Über die Herrſchaft des Tihedrjhen in Zittau
und ihre Nachtlänge. Danadı bat die ältejte (vorgeſchichtliche)
Flutwelle, die unfer Gebiet getroffen hat (freilich wohl feine tiches
chiſche, ſondern eine ſerbiſche) als Nadywirkung jlavijche Bezeich—
nungen für Waflerläufe und Berge (4. B. Natſchwaſſer = Oberlauf,
Scuppen|berg] — Gerichtslbergl), für Orte und Ortsteile hinter-
lafien. Aus der zweiten, die uns ficher von Böhmen ber unter
der Wegenreiormation traf, ftammen die hier jehr zahlreichen
ſlaviſchen Familiennamen und mance Benenmungen, die jlir
Zeitihrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 3.
|
Begenjtände in Haus und Hof in der Umgangsiprache der niederen |
Stände hängen geblieben find, Ähnlich und in denjelben Schichten
macht ich aud) die neuefte Eimmwanderung von tichechiichen Yabril-
arbeitern ſowie nadel= und pjriemenjertigen Handwerkern bemerf:
bar. — Das Hauptereignis des Winters war der am 17, Febr.
im Bürgerjanle des Rathauſes veranjtaltete und jehr zahlreich
beiudyte IV. Unterhaltungsabend, von dem wir elwas auss
führlicher berichten, da er jeines Eriolges wegen wohl nachgeahmt
zu werben verdiente. Auf eine Anſprache des ftellvertretenden
Vorſißers, Nektors Brof. Dr. Schüpe, welche die Ziele und die
Erfolge des Wejamtvereins und unſeres Zweigvereins fchilderte,
folgte eine eigenartige Darbietung, die auf den gedrudten Vor—
tragsordnungen »Altdeutiher Sang und Klang« betitelt
war. Es jollte nämlich der Verſuch gemacht. werden, das alt
deutſche Volkslied nicht nur nach jener textlichen, jondern auch
nach jeiner mufifatiicen Seite vorzuführen. Die Darbieiung
gliederte ſich in drei Teile: 1. Alleſte vollstümliche Xieder; 2. Aus
46
der Zeit des ritterlihen Minnefangs; 3. Aus der Vlütezeit des
Voltsliedes. Oberlehrer Dr. Neumann unternahm es in jeinem
Vortrage, zu den einzelnen Nummern der Vurtragsordnung ben
tulturs, litteraturs und muſilgeſchichtlichen Hintergrund zu malen.
Die Leitung des mufifaliihen Teiles lag in den Händen deö
Mufitdirettord B. Stöbe, der mit feinem vortrefilich geichulten
Gymnalialdor unter nicht endendem Beijall folgende Lieder zu
Gehör bradyte: I. Chrijt it eritanden (Tonfag des Alleluja von
Stobe); 2. Jojeph, lieber Joſephh mein; 3. Lied vom alten Hilde—
brand; 4. Frauenſchöne von Sperwogel; 5. Komm, o fomm, (es
jelle mein (Tonjag von Stöbe); 6. An Frau Vlinne von Wizlav
v. Rügen; 7. Innebrud, id muß dic) lafjen; 8. Wir zogen im
das Feld; 9. Es ging ein Yandsfnecht übers Feld (Tonjag von
Stöbe); 10. Praesulem sanctissinum; 11. Der I auf
dem Zaune jah; 12. Mein Gemüt ijt mir verwirret. (Abzüge der
Bortragsordnung jtellt die Schrift. zur Verfügung.)
Bricjkaften.
Herrn Dr. M...., Zittau. Cie rügen ganz mit Recht die
Unzahl von Fremdwörtern in der Anzeige des Bandagijten und
Drihopäden Franz Schuiter in Dresden-A., Breite Str., der in
der Wr. 3 des »Norreipondenz= Blattes der ärztlichen Kreis— und
Bezirlsvereine im Königreich Sachſen« anfündigt, daß er ſämt—
liche Apparate zur Heſſingſchen Apparato-Therapie (indiciert bei
Deformitäten der BWirbeljäule und der Extremitäten, Fracturen,
Coxitis ete.) unter individueller Berüdjichtigung ihrer Modifi-
eationen „... nach Ordination und unter Uontrole« anfertige.
Iſt es aber Herm Schuſter zu verdenfen, daß er fid) die Aus—
drucksweiſe der Ärzte aneigner, mir denen er zu thun hat? Co
lange das gute Berfpiel der Herren Waldeyer, Hirſchberg,
Bresgen, Holländer u. a. noch jo wenig Nachachtung in den
Streifen ıhrer Fachgenoſſen findet, lann man nicht verlangen, daß die
Händler mit ärzilihen Waren jid) einer reineren Sprache bedienen.
Fräulein Ama Bauer, Kochen a. d. Moiel. Yu unjerer
aufrichtigen freude hören wir, daß Sie beabſichtigen, in dem von
Ihnen berauszugebenden Frauen-Kalender aud im Einne
unjerer Beitrebungen zu wirten, Bon einem fo treuen und eifrigen
Mitgliede war das freilich gar nicht anders zu erwarten. Leider
fünnen wir Ihnen einen Aufſaß, der die Ziele des Vereins in
fnapper und womöglich auch humoriftischer al entwidelt, 3. 8.
nicht zur Verfügung jtellen, machen aber die Leſer der Zeitjchrift
auf hr Unternehmen aufmerfiam. Vielleicht ift einer von diejen
in der Lage, zugleich Ihnen und unjerer Sache zu dienen,
Herrn ©... ., Iglau. Die Einjchaltung des De e
in Formen wie »fing, ging, hing« iſt lemeswegs nötig, fie wider—
ſpricht vielmehr der amtlichen Rechtſchreibung. Übrgens ift die
Yänge in diefen Formen wicht, wie Sie annehmen, eine jpäte,
wohl gar allerzüngjie Willlür der Schreibung, jondern dieje hat
nur dauerhafter bewahrt, was früher wirtlich geiprochen wurde
und in der ſprachgeſchichtlichen Entwidlung wohl begründet war.
Es ftedt darin der Icpte Reſt einer uralten, aber jchon dem
ältejten Zeitabjdynitte des Hochdeutſchen entſchwundenen Bildung,
nämlich einer Eilbenverboppelung, durch die in der indogermanis
ſchen Urfprade wohl alle, im Gotijchen noch eine Anzahl Zeit—
wörter die erzählende Form heritellten. Wo aber das Goriſche
3.9. fefäh lautete, hieß es althochdeutſch fanc, miltelhochdeutſch
noch mit Doppellaut geſprochen fi-ene, und während dies ſchließ—
lich in »finge verkürzt worden iſt, hat ſich die Länge bei hieß,
ſtieß, bielt, blies, lich und andern in Schreibung und Ausipradhe
bis heute erhalten. Sie finden darüber ſchon etwas in dem Auf—
age »Die Entwickelung der deutſchen Sprade ufw.« von Uhle
im X. Jahrg. diefer Zeitichr. Sp. 235 Anmert. — Ihren Vorſchlag.
das Wort »gravierene« in Anlehnung an ⸗-Kupferſtich, Stahl—
ftiche bei Edelmetallen durch »ftechen« (aljo -Goldſtich, Silber—
jtiche) zu verdeutjchen, ſtellen wir Herrn Krall im Elberfeld zur
Annahme anheim. Das in Dftreih gebrauchte Wort »voll
—— ſcheint uns ein recht geeigneter Erſatz für »majfive
zu jein.
Herrn H. . . . Freiberg i/S. Sie fragen in Bezug auf
eine von der Redaltion der »Neuen militäriichen Blätter« heraus:
gegebene Denkſchrift »Zur Aubelfeier des 1U0. Geburtstages wei⸗—
land Seiner Majeftät des taijers und Königs Wulhelm J.«: »Jit
das Bud, welches in die Hände einfadher deutjcher Männer
fommen joll, vielleicht ebenjo mut Fremdwörtern gejpidt, wie jeine
Antündigung?«e Hoffentlich, nicht!
47
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Sprachverelus. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 3.
48
Herm Staatsanwalt H...., Halle Es muß doch noch
viele Leute geben, die ein deutſches Erzeugnis lieber kaufen, wenn
es unter einem franzöfiichen Namen in den Handel tommt, ſonſt
würde der Npothefer Hermann Stip in Halle es ſchwerlich
wagen, feinem » Jahnmundwafjer« die Benennung »Iufaillible«
zu geben. Daß die Scwärmerei für die Verwendung des Frans
zöfiichen meiſtens mit einer recht mangelhaften Kenntnis diefer
Sprache Hand in Hand geht, beweiſt übrigens auch die Antüns
digung des »Infaillible«, das »ü Flacon« (!) 1,25 M. toftet.
Hernm Dr. 9...., Arnjtadt. »Dargeftalte für chemiſches
»Präparate ijt jprachlicy nicht zuläijig. Neubildungen find nur
erlaubt, wenn die betr. Bildungsweiie noch lebendig it, wie z. B.
bei den Wörtern auf sung. So wenig man aber berechtigt iſt,
nad) »luchte (zu »flichen«) etwa »Entflucht« (zu »entfliehen«) zu
bilden, jo wenig darj man aus -Geſtalt: ſtellen« ein »Dargeftalt:
darjiellen« folgen. Auſerdem bezeichnet -Geſtalt« nicht einmal
die Handlung oder ein Ergebnis des »Stellense (wie »Flucht«),
fondern hat jeine Bedeutung ganz eigenartig entwidelt und hat
jegt mit »ftellen« nichts mehr gemein; ja, wahricheinlich hat es
niemals die abjtrafte Bedeutung (— Stellung) gehabt, fondern
iſt erit entftanden aus Aufammenfepungen wie >uns, wohl-, mi:
eitalt«, die das Mittelwort (Partizip) von »ftellen« in der alten
Sn >gejtalte enthalten. Auch »Anjtalt: anftellen« giebt uns
tein Recht, etwa »PDaritalt« zu bilden. Solche erjtarrten Reſte
früherer Bildungsweifen können heute zu Nahbildungen nicht mehr
verwandt werden. Auch auf Wörter wie »Nufgebot, Angebot,
Angebinder u. dgl. darf man fich nicht berufen; fie könnten
höchſtens ein »Dargejtelle« nadı fic) ziehen. Wer aber möchte
das wohl jagen? »Darjtellung« iſt die einzig möglidje und
einzig folgerichtige Verdeutihung von » Präparate, wenn, wie Sie
bemerten, für das (dyemiiche) »präparieren« »daritellen« bereus
üblich ijtz vgl. »jordern, Forderungs für »pojtulieren, Poſtulat«.
Hemd... . . Petersburg, und Gern R.B..., Burg.
Wie Sie uns freumdlichjt mitteilen, hat die von Ernft Edjtein
in feinem Romane »Noderich Lohr« gebrauchte Wendung: »Ür
ſchlipſte ſich die Kravatte« Die Serliner »Boltszeitunge zu
folgender ſcherzhafier Ausführung veranlaft: »Da hierin eine
große Bereicherung unserer armen deutſchen Sprache liegt, em—
pichlen wir dieſes Verfahren. Cine Probe diejes Zukunts—
Romanſlils iſt uns bereits zugegangen. Sie lautet: „Nachdem Edgar
ſich auf das Kanape gejophat hatte, kerzte er cm Talglicht,
bei defjen trübem Scheine er das verjprochene Schreiben an feine
Braut briefte. Dann beinkleiderte er neue Hoſen an,
chemiſettete ein reines VBorhemd um, cigarrte ſich eine Ha—
vanna, liqueurte einen Cognac, fmeiferte ein Pince-nez auf
und beinte ſpazieren.“«
Herren Baitor 8. .., Eisleben. Am Anſchluß an eine Anz
zeige im »Weichsboten« mit der Orlebezeigmung⸗Roßbach de
bat. (aille)e (zur Unterjcheidung von Roßbach a. d. Saale) äufern
Sie Ihren Umvillen über den Gebrauch des franzöfiichen Zuſahes
bei dem Orte, wo der alte Friß dem Franzoſen deuiſche Hiebe
erteilte. Zwar werde in amtlichen Verfügungen und in Zeitungen
jept vielfach der Ausdiud »Schladhten-Nohbad« verwendet,
doch gebrauchten Yeute, die ſich gern einen gelehrten Schein geben
wollten, mit Vorliebe die franzöſiſchen Wörter. Wir teilen Ihren
Umwillen, glauben aber, dab die Madıt der Gewohnheit, nicht
die Abficht, gelehrt zu ericheinen, jo viele veranlaft, den franzöſi—
chen Zufap zu gebrauchen, der, wie Sie andenten, wohl aus ber
geht berrühet, wo Herricher und Adel bei uns nod) ganz in ihrer
Vorliebe für die fremde Sprache befangen waren.
Die jpradıfreundliche Tafelrunde in Schwientochlowitz
machen wir auf die Vriejlaftenbemertung an Herrn Dilthey auf
Spalte 29 der vorigen Nummer aufmertjam, wo die frage:
»Begründet oder gegründet ?« eingehend behandelt iſt.
Herrn J. W. . . . Apolda, Die Mitteilung: „Gelehrtendeutſch“
(Zp. 21 d. v. Wr.) ergänzen Sie freundlicit durch die Bemerkung,
Briefe und Drudiacden für die Vereinsleituug
find an den Borfipenden,
Cbrritteummant a.D. Dr. Mar Jühne in Berlin WW,
Margaretienliraße 16,
daß im Schwediichen Stiefmütterchen »styfmoraviol« oder »tre-
faldighets-blemmae« heifje, und daß pensde, wovon die Mehr:
zahl mit angehängtem bejtimmten Yirtifel pensterna laute, auch
im Schwedildyen Fremdwort jei.
Herrn N. .. . Hamburg. ae Schriftfteller lieben
es ja, zur Vermeidung der häufigen Wiederfehr der Wendungen
sjagte, erwiderte, rief ere uſw. Zeitwörter einzufepen, welche die Ge—
berden, Bewegungen und fonftigen eine Antıvort oder einen Ausruf
begleitenden Thätigkeiten bezeichnen. Herr Hermann Robolsty,
deſſen Mastenballicherz »Wenn man's Allen recht maden
wille (im » Hamburger Fremdenblatt« Nr. 25 vom 30. Jan. d. J.)
Sie uns freundlichit überfenden, geht aber in dem ausgiebigen
Gebrauche, den er von diejer neuften Erfindung macht, jo weit
über feine Vorbilder hinaus, da man an eine foötrtiche Nahahmung
glauben fönnte, die aber ficher nicht beabfichtigt ift. >, Zürne dur
mir nur nicht auch!‘ fahte der Kägersmann der Freundin Hand. —
. ‚Icheine ich mich Schlecht eingeführt zu haben!* jchürtelte er
den Kopf.‘ — ‚Das fehlte noch!* retirirte der... Familienvater.‘ —
‚Bleib etwas zurüd, Bety!‘ 30 R. fein Töchterchen vom Arm
ihres Vegleiters.'e Trop der Kürze der Erzählung liche ſich die
Reihe der Beiſpiele erheblich verlängern, Die angeführten genügen
aber, um Hermann Robolskyé Stil voll zu würdigen.
Herrn &d. . . ., Hannover. Die Anzeige des »Club du
Levant« in der »Deutſchen Reiter-Zeitunge, die Ihren Zorn
erregt, lautet: »Grande manufacture des (!} Tabacs turcs et Club
du Levant. Specialitö: Uigarettes prineeres (!} Dölicatesse (!!!)
des fumeurs. Salon de Ia Represeutation: Berlin, Charlotten=
ftr. 34, a. d. VBehrenftr. (warum auf einmal deutſch?) Rendez -
vous de l’Aristoeratie. Haute Originalite. Haute Nouveauts.
Beitellungen vom 1. November an angen.e Sie meinen, der
»Qlube würde ſich die teure gg nicht geleiftet haben, wenn
er nicht fiher wäre, in gewiſſen reifen Verſtändnis für feinen
fauderwelichen ... . finn zu finden, und daß es joldhe Kreiſe giebt,
ſcheine Ahnen das Kläglichſte an der Sadıe. Uns aud. Die
Anzeige ſelbſt it jo unendlich thöricht in ihrem Miſchmaſch von
Deutic und niederträdtigem Franzöſiſch, daß man eigentlich nur
ein Hohnlacyen dafür übrig haben kann.
Mehrere Zufchriften über die Faſſung einer Anzeige in der
Beilage zur Januarnummer der Zeitichräit veranlaffen die Schrifts
leitung zu der Erflärung, dab fie jür die Anzeigen: Beilage nicht
veranmwortlid) tt.
Geſchäftlicher Teil.
Neue Bweigvereine find in Lugano (Schweiz) unter dem
Vorfige des Herrn Baurats Ph. Mittermepyer und in Trep—
tow a. d. Rega unter Leitung des Herrn Oberlehrers Deder
begründet worden.
Bir rufen den neuen Zweigvereinen ein herzliches Willlommen
zu. Beſonders bemerlenswert ift die Begründung der Ortögruppe
Yugano, mit welcher der a. d. Sprachverein endlich auch in der
unferen Bejtrebungen biöher ganz unzugänglichen Schweiz Fuß faht-
Wir werden um Aufnahme folgender Erflärung gebeten:
Da id) weder umverdientes Lob ernten noch unverdienten Tadel
auf mic nehmen will, erHäre ich, daß das belannte Buch
»Schlecht Deutſch« nicht von mir verfaßt iſt.
Münden, im Februar 1897. Augujt Brunner,
Kgl. Gymnafialprofefior,
Mitgl. des Zweigu. München,
Seldjendungen und Weitrittserflärungen ahrlichet Beitrag 3 Mart,
wofür die Zeirichrift und die fonftigen Dructſchrifien des Vereins geliefert werben)
an en Schapitcliter,
tagsbuhhändler Eberhard Ernift In Berlin W®,
Bilhelmitrahe WO,
Briefe und Drudfaden für die Beitfehrift find am ben Serausgeber, Oberlehrer riedrih Wappenbans In Groß⸗Lichterfelde bei Berlin,
Druteftrabe 8,
Briefe und Aufendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Brofefior Dr. Paul Pietic, Berlin W®, Mopfttaße 12
zu richten.
Bür die Sgrifttettung verantwortlich a 3 ri te drei Wappenban % er. Sirpterfelde. — WBerlag bes allgemeinen deutſchen Eprachvereins (Bühne und Eruf), Berlin.
Drud der Buchdrucderei des Walfenhanies in Halle a. d. ©,
eiflcheitt
X. Jahrgang: Ar. 4.
April 1897.
allgemeinen deu fien Spracjvereins
Regrimdefvon Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorjtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe geitfggeift erichelnt ſahriich zwolfmal, zu Anfang jebes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutichen Epradivereind unentgeltlich
j geliefert (Sapung 3).
Die Beltfgrlft kann auch durch den Buchhandel oder die Voſt
zu BME. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch den Echapmeifter
Eberhard Ernit, Bertin ws, Wlihelmfer. 90. - — - Auflage 16.000,
Inhalt: Johann Lauremberg und die Fremdwörter.
Jobann Lauremberg und die Sremdwörter.
Im Jahre 1652 erjchien in Dänemark und im felben Jahre
auch in Deutjchland ein Büchlein in niederdeuticher Sprache, das
noch heute jehr wertvoll iſt. Es trägt den Titel: Beer Schertz
Gedichte. 1. Ban der Minfchen itigem Wandel und Maneeren.
II. Ban Almodiſcher leder: Draht. III. Ban vormengder Eprafe,
und Titeln. IV. Ban Poösie und Rymgedichten. An Nedders
büdijch gerimet dördh Hans Willmfen L. Rot.
Der Berfaffer diefer Scherzaedichte war der Profefjor der |
Mathematit an der däniichen Ritterafademie zu Sorve auf Ser:
land, Johann Lauremberg. Er war am 26. Februar 1590 in
Roſtock als Sohn des Profeſſors der Heilfunde Wilhelm Laurems
berg geboren. Er beſuchte die Hochjchule feiner Vaterſtadt und
erlangte dort die Magifterwürde. Dann begab er fic; auf Reifen
und durchzog mehrere Jahre lang Holland, England, Frankreich
umd Italien. Nach feiner Müdtehr wurde er im Jahre 1618
Brofefjor der Poeſie in Roſtock. 1623 aber trat er in däniſche
Dienste und wurde Lehrer der Mathematik in Soroe auf See—
land. In diefer Stellung blieb er bis zu feinem Tode am 28. es |
bruar 1658.
Seine jchriftjtelleriiche Thätigkeit war jehr umfangreid. Außer
einer Reihe wiſſenſchaftlicher Werfe verfahte er Gedichte, darunter
auch Schaufpiele, in hochdeuticher, in fateinifcher und jelbjt in
griechiſcher Sprade. Doch feines feiner Werfe hat eine ſolche
Bedeutung gehabt und bis auf unjre Zeit behalten wie feine
Scerzgedichte.
In diejen geißelt Lauremberg die Schäden feiner Zeit, die
Auswũchſe in Lebensgewohnheiten, Tracht und Sprache mit einem
Witze, dejjen Wirkung noch heute fühlbar iſt. Andrerfeits aber
ijt jene Sprade jo unverhüllt derb und von einer jo ungezügelten
Grobheit, daß fie im unſrer feineren und böflicheren Zeit Be—
fremden erregt. Troßdem aber wird ſich feiner dem Eindrude
diejes urjprünglichen, ungelünftelten Humors entziehen künnen,
und jeder wird den Mann bochichägen müjjen, der feinen Zeit—
genofjen jo derb die Wahrheit zu jagen veritand,
Für uns aber, die Mitglieder des allgemeinen deutſchen Sprach—
vereins, ift vor allem das dritte Scherzgedicht von Wert. Denn
die Anfichten, die der Verfaſſer darin ausipricht, decken ich zum
Teil mit unjern Beitrebungen, und manches Wort daraus fünnen
wir ohne weitres in den Dienſt unſrer Sache jtellen.
Von R. Jahnle. — Die Übertreibung. Bon ©. Beile. — Scriftiprache
und Mundart. Bon K. Scefjler. — Kleine Mitteilungen. — Zur Schärfung des Sprachgefühls. — Sprechſaal. — Die Fortichritte
Wuftmanns. Von Th. Gartner. — Bücherſchau. — Zeitungsicau. — Aus den Zweigvereinen. — Brieffaften. — Geichäftlicher Teil.
Im Anfang des dritten Scherzgedichtes verjpottet Yauremberg
den Unbeftand der Mode und das Nachäffen ausländijcher Kleider:
trachten, indem er fich den Schein giebt, ald wolle er beides ver—
teidigen. Dann fährt er fort:
Dit is ein dind, dat nicht wel hedde tho bedüden,')
Wen nicht grötere Dorheit were mand den Lüden.
Dat grötefte Verdreet und ergerlidite Sate
Is de vermengde Nede und allemodſche Sprafe,
Dat Franköfiice Düdjch, dat vör gar wenig Jahren
Erjt upgelamen id umd glyck als nie gebahren.?)
Bei dem Anblid der vielen Kleidertracdhten erlenne man doc)
wenigitens ihre Bejtimmung.
Wen averft einer de vermengde Sprafe hört,
Eo werd he in finen Berftande gang verftört,
He ſteit und gapet dar und weet nicht im geringjten,
Of men van Bajchen ’) fpredt, edr off men jpredt van Pingften.
Freilich wenn ein Deutſcher im fremden Lande, wenn aud) nod)
jo ſchlecht und unbeholfen, die Spradhe des Landes zu fprechen
bemüht jei, jo verdiene das nur Anerlennung. Verzeihen werde
man es auch, wenn einer — wie es wohl auf Seeland geſchehen
mochte — Däniſch und Deutſch mijche, weil er fürchte, ſonſt nicht
verjtanden zu werden. Anders aber fei ed, wenn einer aus Hoch—
mut und aus eitelm Wahn, feine Mutterfprache ſei zu ſchlecht
für ihn, alles Franzöſiſch, das er wiſſe, in feine Sprache eins
flide. Da müſſe man die deutſche Wutterjprade beklagen, und
für den, der fo ſpreche, müſſe man in allen Kirchen bitten, dab
Gott jeine Zunge ftärkn und ihm die Sprache wiederſchenlen
möge, darin er geboren und auferzogen jet.
Seht! ſülck Schipbröd (Schiffbruch) hefft en Düdiche Spraek)
geleden,
De Franhöſche hefft er de Neſe affgefähneben
Und hefit er eine fremde Neje wedder angeflidet,
De fit by de Düdſche Ohren nicht wol jchidet.
Die alten Niederfachien hätten es anders —* die hätten
die Sprache ihrer Altvordern geſprochen. Sie hätten Diener, feine
Pasien (Pagen) gehabt; jie hätten Lohn, feine Gasie (Gage) ge
geben; fie feien in Wagen, nicht in Nuten (Mutfchen) gefahren;
bei ihren habe es Schelmenftüdez feine Butzen (Rofjen) gegeben.
1) Ich folge in der Schreibung genau der Ausgabe von
Wilhelm Braume (Halle 1879). Die Zeichenſehung babe ich ge-
ändert, wo es mir für das Berftändnis nüßlich erſchien.
2) aleichjam nengeboren.
3) Öftern.
4) Das e nad) einem Selbitlaute bezeichnete die Länge.
51
Jetzt jei das alles anders geworden. Jetzt rede man von retireren,
Cojon, allohn (allons), mars (Marſch), devör (devoir), Servitür,
Signor, Dame, Monsör. Bejonders die Anrede Dame würde
früher den Unwillen jedes ehrbaren Mädchens erregt!) haben, jetzt
gelte fie für eine Ehre. Und Monför laſſe ſich jept jeder nennen,
Stalllnechte wie Scherenſchleifer, Fuhrleute wie Küchenjungen.
My deit de Bueck weh, wen ick idt hör.
Laet de Frantzoſen in ere Franßöſche Neben
Beholden er Monsör und fon darmit tho freden....
Bergevet my, dat ick jo vel heb willen praten (ſchwatzen)
Van der — Sprael: ich fant doch noch nicht Taten.
Idt id fo myn Sebred, my geit dörch Mard und Been
Dat Sammeljurium, wen ickt moet hörn und jehn.
AS Beleg für feine Behauptungen erzählt Cauremberg dann die
Geſchichte eines jungen BWeftfalen, der gen Frankreich gezogen
war, um dort Weisheit zu holen, wo »Wuhheit, Verſtand und
Vernuffte zu finden fei, als Dres licht up der Straten«e. Ale
er etwa ein Vierteljahr dort geweſen war, fam er zurück, jo fein
gebildet, wie nur ein Franzoſe es jein fan, und wurde Vogt
und Schreiber auf einem Schloſſe. Eines Tages hatte er Freunde
zu ſich geladen. Er rief darum den Koch zu ſich und ſprach zu ihm:
Escoute, Cuisinier, von meinen Cameraden
Hab ich zwei oder drei zum desieuner geladen.
Dad mir ein gut potage, mit alle appertenance,
Wie mar es & Ja Cour dressiren pflegt en France,
à la nouvelle mode. Du jolt ineontinent
Für diejes dein travail haben ein gut present.
Ih will à la pareille dein Freund fein en effait,
Mach mir die Suppe nur jo, wie id) hab geredt.
Der Koch merkte ſich bejonders die lepten Worte. Aus allen
Binfeln, aus allen Töpfen feiner Küche nahm er etwas und braute
das alles zuſammen zu einem Gerichte jo bunt und fonderbar,
wie die Rede feines Herrn gewejen war, Und als dad Gemengſel
natürlich nicht den Beifall der Schmauſenden fand und der Vogt dem
Koch Vorwürfe machte, da wußte diefer ſich wohl zu verteidigen:
De Supp iS thogericht, als gy mi hebt befahlen,
Gy jeden my, id ſchold jum eine Suppe faten
Even up jüld maneer, als gh hadden geiprafen.
Idt was tho jamen ſchrapt uth Düdichland, Frandrid, Grefen,
So is de Suppe od, je iö van velen ſtüden.
Ein jede vör ſick fülffit hed fi wol fünen schien,
Men?) nu is je vermengt, nu is fe nicht vel werth,
Schmedt nicht na Fiſch noch Fleſch, hefft wedder op nod)
Stert (Schwanz).
Ein Modeget, möge er fich noch jo bunt und eitel Heiden, ſei
dod) nur auswendig ein Thor; wer aber feine deutſche Nede mit
franzöfiichen Lappen bejege, der jei es innerlich. Jenem fige der
Narr im Kleide, diefem in den Sinnen. —
Daran Mmüpft Qauremberg eine Verjpottung der übertriehnen |
Titelfucht. Jeder wolle mit einem höhern Zitel angeredet jein,
als ihm jeiner Stellung nad) zufomme. Beſonders jeien es fremd⸗
ſprachliche Titel wie Praeceptor, Seeretarius, Doctoor, Musicant,
nad) denen ſich die Leute drängten. Selbit die Geiftlichen feien |
von diejer Eitelfeit nicht frei. — Wenn Demotrit, jo fchlieft Laurem—
berg das dritte Scherzgedicht, dies jähe, fo würde er, der allzeit
lachte, bitterlid, weinen, und Seraflit, der allzeit weinte, würde
lagen, dab ihm Lunge und Leber davon krachten.
Nach diejer Inhaltsangabe könnte man Lauremberg für einen
Vorläufer unfres Bereins halten, aber es ift eine Einjchränfung
dam(m)a in Zuſammenhang und äußert ſich unter anderm jo:
Damen up Latin find wilde Segen,
De gerite na de Boͤcke lopen plegen.
lich)
2) man — aber, mur (in Nordoft- Deutichland jehr gebräuch- |
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Sprachvertius. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 4.
52
zu machen. Der Dichter jagt in demſelben dritten Schetzgedicht
von jich:
Ick late ſülveſt wol under tiden
Ein Frangöfifch Wort under dat Düdſche gliden,
Dat gifjt der Nede jülfe Bierlicheit,
Als ein Demant im gülden Ninge jteit.
Und in der That: die Zahl der fremdwörter in jeinen Schet,
gedichten ift für unjre Begriffe auferordentlich groß. Es iſt frei:
lich nicht in jedem einzelnen Falle zu enticheiden, ob er da& fremd:
| wort ald einen Bejtandteil feiner ihm eignen Ausdrucksweiſe
gebraucht oder mur deshalb, meil es zu der Erjcheinung gehört,
bie er verfpottet, und ob er das Fremdwort als ſolches empfunden
bat oder nicht. Für die legte Frage indes giebt Lauremberg ſelbſt
einen Fingerzeig. Ein Teil der Fremdwörter ijt mit lateiniſchen
Buchſtaben gedrudt, die übrigen gleich dem ſonſtigen Texte mit
fogenannten deutichen. Bon dieſen darf man wohl annehmen,
daß fie der Dichter faum als Fremdwörter empfand, daß er fie
vielmehr ald unanftöhige Beitandteile der gebildeten Sprache an:
jah; und deren giebt es eine gewaltige Menge bei ihm.
Selbitverjtändlich können bier nicht alle die zahlreichen Fremd⸗
wörter aufgezählt werben, die fich in den mehr ala 2600 Berien
finden. Es genüge, die zu nennen, die wir entweder mich mebr
fennen oder doc) mur in eimer andern Bedeutung. Dabin gehört
der einftmal® viel gebrauchte Ausdruck Allemode, der aus ä la mode
mit Anlehnung an das Wort »alle gebildet iſt. Nicht mehr kennen
wir die Wörter braveren prahlen, Fripperie Trödelware, genti-
lesse Höflichfeit, Schaffönnie Nbführmittel, Favoern (frz. fareurs)
Bänderjhmud, Törlör qute Sitte (frz. turelure Kehrreim) und
Libery Bücherei. Den Ausdrud »Castelen in der Lucht« für
Lujftſchlöſſer hat Lauremberg wohl nur ſcherzhaft gebildet. Tas
Wort Kalotte gebraucht er für Küppchen, politisch in der noch
beute in Norddentichland geläufigen Bedeutung von geicheit, »eine
Person ageren« in dem urſprünglichen Sinne >eine Nolle ſpielen«
Quartier bezeichnet ihm noch den vierten Teil, Skavot nicht wie
heute das Blutgerüſt, jondern das Schaugerüit des fahrenden
Quadjalbers. Das lateinijche salsa, das heute im der franzöftfchen
Form Sauce gebräuchlich ift, ericheint bei ihm als Salie,
Aus der größern Zahl der mit lateinischen Letterm gedrudten
Fremdwörter find noch weniger zu nennen und zwar nur folce,
die für dem Dichter felbit zweifellos unanſtößig geweſen find.
Dahin gehört der aus der Kaufmannsſprache genommene Aus—
druck item (ebenfo) für Eumme, Poſten in der Nehnung, Avisen
für Zeitungen, Mensur für Versmaß, parfotz aus frz. par foroe
für durchaus, »in ligaten« für »in gebundner Rede« im Gegen:
jap zu dem Ausdruck sin Prosen« Scherzhaft mögen die Wen-
dungen ſein »in finen Credo bringen« für glauben und »ein
experfex malen« für »den Garaus machene Der Ausdrud
baselmanus, der mit dem frz. baisemain (Handfuf) zuſammen⸗
hängt, iſt meines Wiſſens noch heute am Rheine belannt.
Dieſen Fremdwörtern ſteht eine große Menge von Wörtern
gegenliber, die zwar deutſchen Stammes, aber dennoch dem
Mittels und Oberdeutfchen nicht befannt oder doch nicht geläufig
find: die Wörter niederdeutichen oder däniichen Urſprungs. Daß
Lauremberg däniſche Wörter gebraucht, lann nicht befremden, de
er ja den größten Teil feines Lebens auf Seeland zugebradht bat.
Solche Wörter däniſchen Uriprungs find: Byvagd — Stadtrichter,
Gammelmat — Pöteljleiih, Kodedreng — Küchenjunge, fille — Hein,
1) Lauremberg bringt dad Wort Dame mit dem fateinifchen
Lumme — Taſche, öl — Bier, Patten — Brüfte, Sör — Eau,
Staedemö — Kammerjungfer und Tungemal — Mundart. Yon
niederdeutſchen Wörtern mögen nur »alreed — ſchon· und » ſumtnde
— bisweilen« wegen ihrer Verwandtſchaſt mit den engliſchen Auds
ı drüden already und sometimes Enwähnung finden.
53
Die genannten Fremdwörter — in gewiſſem Sinne künnen
auch die Wörter däniſchen Urſprungs dazu gezählt werden —
bilden nur einen Heinen Teil der von Lauremberg gebrauchten,
und fo entfteht die Frage: Wie ſtimmt diefe Ericheinung zu den
Anſichten, die der Dichter im dritten Scherzgedicht ausfpricht?
Lauremberg befimpft alles, was ihm gegen bie gute alte und
einfache Sitte zu verfiohen ſcheint, auf welchem Gebiete «8 auch
fei. Zu den Neuerungen gehört aud) das Einflicken franzöfifcher
Wörter in die deutſche Rede. Darum belämpft er dieſes ale
der deutſchen Mutterfpracdhe unwürdig, nicht den Gebrauch von
Zeitihrift des allgemeinen deutihen Spradvereind. XI. Jabraang. 1897, Nr. 4.
Fremdwörtern überhaupt. Daß feine Gründe ebenjo gewichtig wie |
gegen die franzöjishen Flidwörter gegen alle entbehrlichen remd- |
wörter in die Wagſchale fallen, entgebt ihm, weil er den Begriff
Fremdwörter, wie wir ihn verjtehen, überhaupt nicht fennt.
wendet ſich nur gegen eine Erjcheinung feiner Zeit, nicht gegen
die Folgen ähnlicher Erſcheinungen früherer Zeiten. Sein ges
fundes Gefühl jagt ihm, daß eine Spradhmengerei, wie er fie
geihelt, eine Sünde wider den Geift der deutſchen Sprache iſt;
weiter aber geht er nicht, weil ihm die Veranlaffung dazu fehlt.
Wir können alfo Lauremberg nicht ohne weitres als einen
der Unſern betrachten.
Immerhin aber dürfen wir uns freuen, |
Er
daß ein deuticher Gelehrter in dänifchen Dienften im Jahrhundert |
des unjeligen Dreißigjährigen Krieges jo wader für feine Mutter: |
jprache eingetreten iſt. Und fein drittes Scherzgedicht wird für
alle Zeiten ein ehrwürdiges Denkmal deuticher Gefinnung jein
und fir uns insbejondre eine Herzensftärtung in dem Kampf
für die gute Sadıe.
Elberfeld. Richard Jahnke.
Die Übertreibung.
Übertreibung im ſprachlichen Ausdruck ift unter allen Umjtänden |
dann zu befämpfen, wenn damit nicht bloß größere Deutlichkeit
eritrebt, jondern auch periönlicher Vorteil oder eine andere Neben:
abficht verfolgt wird. Denn naturgemäß leidet jo die Wahrheit
der Darjtellung, die wir doch in erjter Linie bei jchriftlichem oder
mündlichen Gedantenaustaufch zu fordern berechtigt find. Wenn
nun auc ein Menjd) oder Volk vor dem andern Neigung zur
Übertreibung zeigt, jo fäht fi) doch nicht verfennen, daf es damit
in der neueren Zeit bejjer geworben iſt. Immerhin ijt uns, bes
fonders im Titelwejen, noch manches als Exbteil früherer Jahr—
hunderte geblieben, was an die Auswüchſe der römiſchen Kaiſer—
zeit erinnert und darum mit Necht vielfach befämpft wird.
Mod; immer ſpielen bei uns die Superlative eine hervor:
ragende Rolle.
in Briefen und amtlichen Schriftftüden an der Tagesordnung;
woblgeboren reicht häufig nicht mehr aus, da hodwohlgeboren
beſſer Hingt; der geehrte ift dem hochgeehrten, ja dem hochgechr:
tejten oder gar höchſtverehrteſten) gewichen, der ergebene von
dem jeher ergebenen oder treu ergebenjten und wie die jegigen
Höflihfeitsformeln alle heihen mögen, aus dem Felde geichlagen |
worden. Ehre, dem Ehre gebührt; aber niemand vergeſſe dabei,
was er ſich jelbjt jchuldig iſt, und erniedrige fich durch kriechende
Unterwürfigteit und Schmeichelei zum Scranzen. Da berühren
Erlafje wohlthätig, die nenerdings von verichiedenen Behörden
an ihre Untergebenen gerichtet worden find, des Inhalts, daß man
ſich klünftighin ſolches überflüſſigen Beiwerks enthalten folle. Denn
es verderbt nicht nur den Charakter, weil derartige Redewendungen
ojt nicht mit den wahren Gefühlen der Nedenden oder Schreibenden
1) Bgl. Matthias, Sprachleben und Spradjihäden S. 62.
Der gehorſamſte und der allerunterthänigfte find |
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in Einklang zu bringen find, fondern es fordert obendrein noch
unnützen Zeitaufwand. Schon Grimmelshaufen nimmt daher mit
Recht gegen diefen Byzantinismus Stellung; denn er fäht den
Simplieiffimus zum Sekretär des Gouverneurs von Hanau jagen:
> Dies alles find ja Adamätinder und eines Gemächtes mit
einander und zwar mur von Staub und Aſchen! Wie kompt
dann ein jo großer Unterſcheid her? Wllerheiligit, unüberwind⸗
lichſt, durchleuchtigſt! Sind das nicht göttliche Eigenſchaften?
Hier ijt einer gnädig, dort iſt der andere geftrenge, und was
muß allezeit das geboren dabei tun? Man weih ja wohl, daß
feiner vom Himmel fällt, auch feiner aus dem Waſſer entjteht
und daf feiner aus der Erden wächſt wie ein Krautkopf.«)
Nicht viel anders verhält es ſich mit der marktichreieriichen
Empfehlung von Waren und ber übertriebenen Anpreijung von
Erzeugniffen aller Art. Faſt jcheint es, als glaubten zahlreiche
Gejchäftsleute, es gäbe außer einer ſchamloſen Reklame kein wirt-
fames Mittel, den gewünichten Mbjag ihrer Handeldgegenjtände
zu erzielen. Da find die Dinge nicht bloß fein oder gut, Sondern
hochjein, feinſt, ja ſogar hochfeinft oder noch lieber prima und
bochprima; denn der lateiniſche Aufpup fällt nach der Anficht
mancher noch jhöner und angenehmer ins Auge und Ohr. Daneben
lieft man in den Zagesblättern oft Doppeljteigerungen wie bie
bejtbervährtefte Geichäftslage, die ſchönſt gearbeitetiten Stidereien
oder hört von Verjpredyungen, daß die Aufträge mit der größt—
möglichften Scmelligkeit ausgeführt werden follen. Gern läßt
man fih maßvoll gehaltene Ankündigungen gefallen, aber durchs
aus unftattgaft ift es, der deutſchen Sprache in jo gröbficher
Weife Gewalt anzuthun, doppelt verwerflih, wenn die Güte der
Baren in gar feinem Berhältnifje zu den dafür gebrauchten hoch—
trabenden Nedewendungen ſteht. Mit Mecht wird daher dieſes
Gebaren neuerdings als unlanterer Wettbewerb verfolgt.
Dod) auch im tagtägliden Geipräd und in der Unterhaltungs-
fitteratur macht fich jept die Übertreibung ziemlich breit, ja fie
dringt oft genug in Schriften ein, die fich ſonſt eines guten Stils
erfreuen. Während Leſſing einjt ichrieb: »Ich babe nie eine
Schöne göttlich genannt und bin nicht gewöhnt, diejes Wort zu
mißbrauchen«?), verwenden die heutigen Schriftfteller Ausdrücke
wie himmliſch, gottvoll, einzig u. a. häufig, wo ein bloßes ſchön
volltommen genügte. Und wie oft hört man nicht gegenwärtig
ehrende Beimörter wie entzüdend, herrlich, wunderbar, großartig
‚ oder gar grandios, fuperb ufw. über die Lippen der Gebildeten
gleiten! »Die vornehme Welt zeigt fih in ihrer Imgangsipracde
bedenklich nervös, vergeht vor Schnjucht, jtirbt vor langer Weile,
amüftert ſich raſend, ift wütend, wenn ihr etwas zuwider läuft.e*)
Wenn eine Entihuldigung nachdrücklich fein foll, muß fie min-
deftend lauten: »Entfchuldigen Sie vielmals oder taufendmal!«,
als ob eine einfache, ehrliche Bitte um Verzeihung nicht ebenio
gut wäre, Emen großen Lärm fennen vide faum noch: er iſt
marterjchütternd gewejen, ein Schnupfen iſt mindejtens gräßlich,
und die Geduld, die man mit jemand haben muß, iſt fürchterlich
oder gar wahnſinnig. Kurz, mir führen gern die unweſentlichſten
und unbedeutenditen Dinge mit ſtark übertreibenden Bezeichnungen
an und empfinden die Lächerlichkeit des Unmahes bloß deshalb
nicht, weil die Bedeutung der Wörter vielfach verblaßt und durch
langjährigen Gebrauch völlig verwiſcht iſt. Durd die Gemwohns
heit find uns viele Wendungen zur zweiten Natur geworden.
Dft haben wir fie auch von auswärts übernommen, zumal
von den Franzoſen. Denn bei diefen jind, wie ſchon Weber im
* — Kap. 27 ©. 157 der Ausgabe von Keller.
2) Im Tejtament Johannis. Vgl. E. Schmidt, Leſſing II, 691.
3) G. v. d. Gabeleng, Die Sprachwiſſenſchaft. 1591. ©. 240.
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Demofrit hervorhebt, mille compliments, au dösespoir u. a. der-
artige Musdrüde außerordentlid) beliebt. hr adorer bedeutet nicht
mehr ald Gefallen finden ; ihr divin et à enchanter foviel als ſchön.
» Wenn man fragt: ‚Wie geht es Ihnen?‘, jo hat à merveille,
Monsieur, eharmö de vous voir weiter nichts zu bedeuten als
gut.«') Mndere übertreibende Nedensarten wie ſchrecklich lang—
fam, greulich voll jind aus dem Bollsmunde in die Schriftiprache,
beſonders in die Anterhaltungslitteratur, eingedrungen, werben
aber bereit von Schottel®) belämpft mit der Bemerkung, fie
würden oftmals gar fibel zu ſolchen Dingen geſetzt, da nichts
weniger als ſolche harte und erjchredlice Wörter nötig, ia wo
fie ganz unnatürlid) jeien z. B. in Wendungen wie: »Er ift ſchred⸗
lich luſtig, ich mußte greulich fachen.e Mber im Munde des Volls
find jo jtarfe Ausdrücke zu verzeihen. Denn bie jchwerere Aufs
fafjungsgabe des Durchſchnitismenſchen verlangt oft eine Steigerung
der Ausdrucdsweile. Dazu fommt, daß diejem nur das recht leb-
baft vor der Seele jhwebt, was er handgreijlih vor Augen hat.
Daher die große Sinnfälligfeit vieler von jeinen Ausdrücken z. B.:
»&c Habe mir die Beine dabei abgelaufen, das hängt mir zum
Halfe heraus, ich bin ganz Ohr, wie gerädert, er hat lange finger
gemacht, Blut geichwißt, jich die Augen ausgeweint, hört die
Flöhe huſten, fteht das Grad wachjen, läßt fich um den Finger
wideln, jein Geſicht ift noch einmal jo lang geworden, da möchte
man gleid) aus der Haut fahren« u.a. Mit diefen und andern
Redensarten hat das Volk keineswegs die Abſicht, etwas über:
mäßig zu erheben, um zu jchmeicheln oder in irgend einer Weije
Borteil zu ziehen, jondern es will fi) bloß leichter verjtändlic
macden. Seine Rede fiit eben im Gegenjage zu der mehr ab-
gezogenen der Sebildeten durchaus ſinnlich und gegenftändfich. Und
teilt e8 nicht die Anichaulichleit feiner Sprade mit den Dichtern ?
Haben nicht auch diefe die Neigung zu übertreibender Ausdruds-
weiſe? Läßt nicht Schiller im Taucher den dampfenden Giſcht bis
zum Himmel hinauf fprigen und den Schlund fich bergetief er:
jtreden, ſpricht nicht Goethe im Egmont von der himmelhoch—
jauchzenden und bis zum Tode betrübten Seele der Liebenden ?
Allerdings; denn aud) die Dichter wollen in erjter Linie auf die
Einbildungstraft der Hörer und Leſer wirken, nicht auf den fühl
berechnenden und erwägenden Verftand. Aus alledem ergiebt ſich,
daß im Volksmunde und in dichteriicher Darjtellung die Über:
treibung weit mehr am Plage ijt, als im Proſaſtile, namentlich in
der Erzählung und Abhandlung.
Eijenberg ©. M. D. Veife.
Schriftiprabe und Mundart.
Am 1. Juli 1896 Hat Profefjor Dr. Behaghel in Sichen,
Mitglied unſeres Gefamtvorjtandes, zur Feier des Jahresſeſtes
der Großherzoglich Heſſiſchen Ludwigs-Univerſität als ihr der-
zeitiger Reltor eine alademiſche Nede über »Schriftiprade und
Mundarte gehalten‘) Der Hauptinhalt diefer furzen, aber
gedanfenreichen Rede verdient den Bereinsmitgliedern befannt
gemacht zu werben.
Einleitend fpricht dev Berfafjer von den Grundbedingun—
gen jeder Schriftipradie. Eine Scriftiprache im weiteſten
Sinne iſt ſchon gegeben mit jchriftliher Auſzeichnung überhaupt.
Die Macıt des fchriftlic, vorliegenden Beifpieles ruft Nachahmung
1) Bgl. über die zahlreichen exagerations der franzöfiichen
Sprache Falfenheiner in Herrigs Archiv IX, 360 und Gerber,
Die Sprache ald Kunit, Il, 2, 25.
2) Nustübrliche Arbeit von der teutjchen Haubtipradhe, Braun—
ſchweig 1663, ©. 780,
3) Gießen 1596, Hof- umd Univerfitäts- Druderei. 15 ©. 4.
Beitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradverein®. XII Jahrgang. 1897. Nr. 4.
— — — — — — —
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hervor. ⸗Seitdem es ſchriſtliche Aufzeichnung giebt, ſchreibt ein
jeder die Zeichen, die Formen und Formeln, die er von andern
überlommen hat.« So iſt auch die Sprache der altdeutſchen
Denkmäler von Anfang an als eine Schriftſprache zu bezeichnen,
wenn wir auch das Maß der fremden Einflüſſe oft nur ſehr
ſchwierig oder gar nicht ſeſtſtellen fünnen. Dieſe fremden Ein—
flüfje find verſchieden. »Jene Früuheren, deren Borbild wirft,
fönnen Heimatögenofjen des jpäteren Schreibers jein: dann fommt
lediglich eine Miſchung zwiichen älteren und jüngeren Formen
oder eine altertümliche Färbung des gejamten Spracbildes zu
itande. Gehört dagegen Borbild und Nachahmung verſchiedenen
Spracdgebieten an..., fo lann jih eine Miſchung der Mund—
arten in ber jüngeren Mufzeichnung ergeben, und es geſchieht
fogar, daß der Jüngere durchaus unter den Bann jeines Vor—
gängers gerät. Wo beides zugleid) eintritt... . wo eine bejtimmte
Form ſprachlicher Gejtaltung fejten Bejtand gewinnt und für
weitere Kreife vorbildlich wird, da entjteht das, was wir ge—
wöhnlic im engeren Sinn als Schriftipracdhe bezeichnen. «
Weiter beichäftigt fih der Verfaſſer nicht mit der Entftehung
und Entwidlung einer deutjchen Schriftſprache), jondern einmal
mit der Frage der mittelhochdeutſchen Schriftiprade,
insbejondere ihrer zeitlidien und räumlichen Ausdehnung, und
fodann mit der Stellung der Mundarten zur neubod-
deutſchen Schriftiprade, in der Litteratur wie in der münd—
lichen Rede.
Während für die »lateinfrohe« althochdeutjche Zeit eine eigent⸗
liche Schriftiprache nicht zu erweifen ijt, wird eine joldye für die
mittelhochdeutſche Zeit, die Blütezeit der altdeutichen Dich—
tung, jebt allgemein angenommen. »Ihre Hauptmacht entfaltet
fich jeit den 90er Jahren des 12. Jahrhunderts und erftredt fich
dann tief hinein ins 14. Jahrhundert, ja noch darüber hinaus. «
\ Aber auch innerhalb diejer Zeit hat die Schriftipradhe vor allem
nur die Dichtung beberriht, die Proſa nur, »ſoweit fie littera=
riſche Zwecke verfolgte, während die Urfundenfpradye im allge—
meinen zwar nicht reine Mundart, aber doch eine ⸗Ubergangs—
ſtufe zwifchen Mundart und Schriftfpradhe darftellt.« Der Uriprung
diefer Schriftiprache iſt auf dem oberdeutfchen Gebiete zu fuchen
sund zwar im Weſten, auf hänfiic-alemanniihem Boden, wäh:
rend der Diten, die bairifch > öfterreichiichen Qande, der vom Weſten
fommenden Errungenfcajt fi beugten. Die Macht des Südens
mußte auch der Norden im gewiſſem Umfang anerfennen.«e Der
Einfluß des Hochdeutichen zeigt fich vor allem in dem Eindringen
bochdeutiher Wörter in den niederbeutichen Wortihap und zwar
der Dichtung wie der Proja. Die Sprache der Dichtung gebt
noc weiter, fie zeigt auch hochdeutiche Laute und Abwandlung:
formen. ⸗»Es fann feinem Zweiſel unterliegen, dab die nieder:
deutiche Dichtung (des Mittelalters) in den meijten ihrer Glieder
einen Einfluß der hochdeutſchen Dichterſprache erfahren Hat.«
Dann trat im Beginne der Menzeit eine neuhochdeutſche
Schriſtſprache auf. Es war die Sprade, die von den Kanzleien
der Kaiſer und der ſächſiſchen Kurfürjten ausgebildet war, die
num von Luther zum Siege geführt, aber erſt um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts allgemein anerfannt wurde. Diefe Ȇber:
| windung der Mundarten im jchrijtlichen Ausdrud« hat für die
Entwidlung des deutichen Geiſteslebens die größte Bedeutung
gehabt. Ein Nachteil aber fag darin, daß »die neue Einheits—
ſprache nicht allen Aufgaben in gleichem Maße gewachjen war.
Und zwar liegt das bejonders in der Beichaffenheit ihres Wort:
1) Val. darüber den Klugeſchen Aufiag in den Wiſſ. Beih. VI,
©.1-—15.
57
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins, X. Jabrgang. 1897, Nr. 4.
58
vorratd. Unſere deutfhen Mundarten gehen in einem Teile
ihres Wortbejtandes ehr ſtart auseinander, in einem andern
ſtimmen fie überein. Und zwar: je ſinnlicher, je greifbarer die
Anjhauungen, deito größer die Verſchiedenheiten; je verblaßter
die Vorftellung, um fo weiter reicht die bereinſtimmung. Die
Schriftſprache hat natürlich hauptſächlich Wörter aufgenommen
von möglichſt weiten Verbreitungslreis, alſo zumal die Wörter
der zweiten Klaſſe. Co ft. . . eine gewiſſe Werarmung des
fchriftlihen Ausdruds eingetreten, fo wird die Schriftiprache um
jo ungejchidter, je mehr fie dem Daſein niederer Schichten des
Volkes ihre Aufmerkſamkeit zumendet, je mehr fie das Heine
Leben barjtellen will, je mehr fie auf derbe, auf fomijche Wir:
fungen ausgeht.e Diefem Mangel abzuhelfen, wird die reine
Mundart in den Dienft litterarijcher Aufgaben geftellt.
Der Anfang damit wird gegen Ende des 16. Jahrhunderts
vom Drama gemacht. Perſonen niederen Standes, wie Bauern,
Hirten, reden in der Mundart umd erzielen damit meift komijche
Wirkungen. In den Dramen des Herzogs Heinrich Julius
von Braunjchweig ſpricht die luſtige Berjon meiſt niederdeutic.
Auch die beiteren Zwiſchenſpiele, die nad) der Eitte der Zeit den
ernjteren Dramen eingefügt wurden umd ihren Stoff aus dem
Vollsleben Ihöpften, wurden zum Zeil in der Mundart abges
faht, jo von dem Hamburger Nijt, dem Schleſier Grypbius.
In Hamburg drang die Mundart jogar in die Oper ein; in
der Zeit von 1668— 1725 wurden der Iuftigen Berjon, dem
Dienjimäbchen uſw. plattdeutihe Arien in den Mund gelegt.
Auch ganze Stüde wurden in der Mundart gefcjrieben; wiederum
ging bier Hamburg voran, wo wir um 1650 nieberbeutichen
Faftnachtsipielen, um 1725 PBrätorius' Lofalpofjen begegnen.
Weiter werden vom Berjafjer hervorgehoben die Franhkfurter
Schwänfe von Mali aus den 20er Jahren unjeres Jahrhun—
derts und Darmjtadts Haffiiche Lokalpofie: der Datterich von
Ernjt Elias Niebergall aus neuerer Zeit (1841).
An den übrigen Didhtungsarten kommt während des
16. und 17, Jahrhunderts die Mundart nur ſpärlich zur Geltung.
(Hier hätten wohl Laurembergs platibeutiche Scerzgedichte
eine Erwähnung verdient). Im 18. Jahrhundert dient die Mund⸗
art zum Aufputze der befonders von Gleim vertretenen gejucht
vollstümlichen Romanzendihtung. Auch Wieland gebraudt in
den Abberiten ziemlich viele mundartlihe Wendungen. Ein ent
fchiedener Umſchwung aber vollzieht ſich durch die niederdeutichen
Idyllen des Homerüberſetzers Johann Heinrich Voß. »Der
ſcherzhaft parodiſtiſche Ton iſt bier gefallen; faſt zum erſtenmal
in der mundartlichen Dichtung fommt das naive Empfinden, die
Liebe für das Heine Leben zum Musdrude.« Er hat aber ſchon
einen Vorgänger in Caſpar Abel, der mit feiner niederdeutichen
Überfepung von Birgild Hirtengedichten 1729 gegen die bisherige
entwürdigende Berwendung der Mundart Einiprud erheben
will. Außerdem iſt Voß durd) den Borgang des altgriechi—
chen Idyllendichters Theokrit beeinflußt. Der eigentliche Be—
gründer der heutigen mundartlihen Dichtung ist dann Johann
Peter Hebel geworden, deſſen alemanniſche Gedichte 1803 er-
ſchienen. Unter feinen Nachfolgern ragt beſonders Klaus Groth
hervor. Durch Hebel ift auch die jcherzhafte Verwendung ber
Mundart nen angeregt, wie fie weiterhin 3. B. in Neuters
Läuſchen un Rimels, in Nadlers und Kobells pfälziichen
Gedichten Hervortritt. Weiter bat die Mundart in umfajjender
Weiſe auch für die profaifche Erzählung verwandt, darin jedoch
werig Nachſolge gefunden. Wohl aber findet die Mundart aus:
giebige Anwendung in den Geſprächen der Dorigeichichten, be—
Anftoß erfolgt durch das Auftreten neuer Stürmer und Dränger.
Laut tönt deren Ruf nad nadter Wiedergabe der Wirklichkeit.
Wenn fie auch hochdeutſch erzählen, die Reden, die fie berichten,
bewegen fich germe im Gewand der Mundart, und Gerhart
Hauptmann hat mit feinen Webern auch das ernjte Drama für
den Dialekt erobert. «
Wird fo in der Litteratur der Verſuch gemadt, die Kluft
zwiſchen Schriftipradye und Mundart zu überbrüden, jo mifchen
fich beide auch in der mündlichen Mede. Überall dringen durch
Kirche, Schule und Zeitung in die rein mundartlidie Rede hoch—
deutiche Wörter ein. Überall miſchen ſich in die geiprochene
Schriftſprache Wörter und Fügungen der Mundart. Man fann
faft immer auch den gebildeten Nord: und Süddeutſchen an
gewifjen Eigenheiten erfennen. Der Berfafier führt einige Proben
an, 3. B.: ⸗»Im Norden geht Vater mit feinem Jungen jpa=
zieren, um Blaubeeren oder Bidbeeren zu fuden, wenn es
welde giebt, im Süden der Vater mit jeinem Buben, um
Heidelbeeren zu fuchen, wenn es gibt.« Zwiſchen biejen
äuferften Standpuntten fajt reiner Mundart und fait reiner
Schriftſprache giebt es nun die mannigfachſten Mifchungsverbälts
niſſe. »Beſonders häufig iſt jene günzlich grundſatzloſe Miſchung
beider Teile, die man auf plattdeutſchem Boden als Miſſingſch,
in der Schweiz als Großratsdeutſch zu bezeichnen pflegt, und
deren unvergänglichen Typus Frig Reuter in feinem Ontel Bräfig
geſchaffen hat.«
Was das endliche Ergebnis aller diejer Ausgleihungen zwi⸗—
ſchen Scriftjpradye und Mundart fein wird, ift ſchwer voraus-
zufagen. Soviel ift ſchon jet ſicher zu erfennen, daß die reine
Mundart ihrem Untergange rettungslos entgegengeht. Damit
ift nicht geſagt, daß dann alle Verſchiedenheiten in einer völlig
einheitlichen Schriftfprache aufgehen werden. Örtliche Bejonder-
heiten werden ſich in einem gröheren Sprachgebiete immer wieder
berausbilden, und auch zwifchen der geſprochenen und der ge—
ichriebenen Rede wird es immer Berjchiedenbeiten geben.
Dies ift der Gedankengang der Behaghelihen Rede in feinen
wejentlihen Zügen. Es ift nur zu bedauern, dak der Verfaſſer
als Feſtredner gezwungen war, fih in feinen Ausführungen der
größten Kürze und Snappheit zu befleihigen.
Braunschweig. Karl Scefjler.
Rleine Mitteilungen.
In der Zeit vom 15. bis 30. Juli d. I. werden in Marburg a.d.2.
unter der Oberleitung des Herrn Univerfitätsprofefiors Dr. E. Koſch—
wiß, unferes Vereinsgenoſſen, Ferienkurſe für das Franzöſiſche
und das Deutſche abgehalten. Der Preis für den Beſuch der
beiden Kurſe zufammen beträgt 20 M. Karten für einen der
beiden Kurſe allein werden nicht ausgegeben. Der deutjche Kurſus
ift namentlich für ausländijche Lehrer und Lehrerinnen bejtimmt,
will aber zugleid) auch deutjchen Teilnehmern beiderlei Gefchlechts
Gelegenheit zur Ausdehnung ihrer Kenntniſſe des eignen Landes
fowie feiner Kultur und Litteratur gewähren. Bon den Vors
lefungen find zu erwähnen: Deutſches Wirtjchaftsichen in
der Gegenwart (8 Stunden), Profefior Dr. Rathgen; Die
Erziehungslehre Herbarts und die gegenwärtigen Auf—
gaben der Pädagogik ($ Stunden), Profelior Dr. Natorp;
Neligiöfe Ideen deutiher Denker im 18. Jahrhundert,
‚ inäbejondere der Klaſſiler (8 Stunden), Privatdozent Dr. Kühne
mann; Theorie und Praxis der deutſchen Ausjprade
(8 Stunden), Profeſſor Dr. Vietor. Außerdem finden Über:
jonders der oberbayerijhen. »In unjeren Tagen iſt ein friſcher ſetzungs-, ſtiliſtiſche, Deklamationsübungen und Übungen im
*
Ds
59
freien Vortrage ftatt. Anfragen und Anmeldungen find an Herm
Profefior Dr. Kojhwig in Marburg a. d. L., Untere Rofen-
ſtraße 3, zu richten.
— Über einen befonderen Fall nationalen Selbjtbewunt-
jeins berichtet die »Voffische Zeitung « (Mr. 101 v. 2. März 1597)
aus Berlin alfo:
»Es ijt etwas Schönes und Herzerquidendes, |
je etwas Erhabenes, Ehrfurchtgebietendes um die würdige Ber |
thätigung eines wurzelechten, tiefen Nationalgefühls! Und
geradezu rührend wirft e&, wenn ein ſolches Stammesbewuhtfein
Staub und Stürme von Jahrhunderten überdauert bat und in
unfere ſchnellhaſtende, materiell denfende Zeit hineinragt gleich
einem der alten Heimaterde entiprofienen immergrinen Neis, twie
es und zu Scharen und mitzuerleben vergönnt war bei dem präch—
tigen Ehepaare, das vor wenigen Tagen das Feſt jeiner filbernen
Hodhzeit in voller Friſche und mationaler Rüſtigkeit in unjeren
Mauern begangen hat. Wann jeine Vorfahren dem heimatlichen
Boden Frankreichs zuerjt entrijjen wurden, läßt fich mit Sicher:
heit nicht fejtflellen. Der Stammbanm reicht zwar weit zuriick in
die Vorzeit, aber feine legten Wurzeln, bevor fie Frankreich ganz
erreichen, find von dem alles vernichtenden Zahne der Zeit fo
graufam zerjrejien, dab der eigentliche franzöſiſche Stammfit der
Familie und die Zeit der Auswanderung ind deutiche Land fich
aller Anftrengungen ſchriftkundiger Gelehrten ungeachtet nicht mehr
hat entziffern lafien. Nur jo viel jteht jejt: Jahrhunderte find
vergangen ſeiſdem, zabllofe Stürme, Nevolutionen und Kriege
haben getobt in der geliebten Heimat jenfeit de Wasgenwaldes;
Könige wurden enthauptet und verbannt, ihre Herrichaft ſank in
den Staub und ward von Nepubtit, Kommune und Kaiſerreich
abgelöft, und das Hönigtum wurde wieder eingefeßt umd muhte
wieder den Schreden der PVolkäherrichaft weichen, und wieder
wechjelten die Gewalten und wieder wankten die Throne. Aber
ohne Wechiel und Wanken blicb Nationalgefühl und Heimatliebe
bei unferen Emigranten diesieit des Wasgenwaldes. Man lebte,
man dachte, man fühlte franzöſiſch, nur franzöftich, echt franzöſiſch.
War auch der Stammbaum nicht bis über die Grenze zu vers
folgen, ein untrügliches Merkmal wies nach Frantreih bin, ein |
Beweis, der unwiderleglich ift, weil er fortbeweijt und forterbt |
von Geſchlecht zu Geichlecht, von Vater auf Sohn, von Mutter
auf Tochter — der Name, der Kamilienname, fein Name, ihr |
Name. Namen, die nicht die Spur germanijchen Klanges, nicht
den Schatten teutonischen Urſprunges erkennen laſſen, ſondern
franzöſiſch, rein» und urfranzöſiſch ſind! Und als daher die Zeit
ſich erfüllete und das Feſt der filbernen Hochzeit nahete, da be-
ihloß man, unentwegt und voll und ganz die Fahne der alten
Heimat zu entfalten und hochzuhalten, nicht zu achten eines mög=
lichen Ausbruchs des widerwärtigen deutjchen und des nod) wider-
licheren Berliner Chauvinismus — ‚mögen jie, die alles beſpotten,
aud) dieſe unſere tiefheiligiten Gefühle beichnoddern‘, ſagten ſich
Marguerite und George ergebungs- und wiürdevoll — und fie
richteten das Feſt Franzöfiich her, echt franzöfiich vom erften bis
zum legten Buchjtaben. Fir die Speiſelarte des Feitmahles ver:
jtand ſich das ja ohnehin von jelbit: wohlgezählte fünfzehn Gänge,
ſtolz und ſeſt beginnend mit dem ‚Rocher de coquilles a la
suedoise* und dem „Consomm& double aux nids d’hirondelles*
bis zu den „Fruits de France: — alles beimatlid echt! Und
das Feſtbüchlein, das dieje Nationalgerichte enthielt, ward ge-
bunden und zujammengebalten von vergikmeinnichtblauer Schnur
mit vergihmeinnichtblauem Troddelchen. ‚Wie follt ich dein vers
geilen, gelichted Heimatland!" Und vorm auf dem Titelblatt
prangte allen armfeligen deutichen GChauviniften zum Troß in
großen Lettern die Infchrift: „Grand Diner A l’occasion de(jo!) noces
60
d’argent de George Kötter et Marguerite Kötter, ne Tübbecke‘.
So gejchehen und gefeiert — die urkundliche Drudichrift liegt vor
uns —: „Berlin, le 27. Fevrier 1897'.«
— Unter der Überfchritt » Spredht deutſch« findet ſich in den
Alldeutſchen Blättern« vom 7. Febr. d. J. (Nr. 6 ©. 31) folgende
Mitteilung:
» Belanntlic; find bei dem Goldbergbau in der jübafrifantichen
Nepublit auch vielfach deutjhe Beamte und Arbeiter bejchäftigt;
daß diefe dort auch unter nicht immer leichten Verhältniſſen —
die deitichfeindliche Gefinnung der angelſächſiſchen Kapitaliiten
iſt befannt — ihr Deutfchtum hochhalten, dafür liegt uns ein
erfreuliher Beweis in einer Aufforderung vor, die einer dieſer
Beamten an einige deutihe Zeitungen und Zeitichriften gerichtet
bat, die Aufforderung nämlich, fih bei der Anwendung berg:
männijcher Ausdrücde nicht der fremdſprachigen, jondern der deut:
ſchen Ausdrücke zu bedienen.
In der That, in den meiften Blättern, die bei Erörterung
der Verhältnifje in Transvaal aud des dortigen Bergbaues ge-
denten, finden wir die engliidhen Ausdrüde: Minen, Reef, Er-
traftion, Battery, Tanks ufm., während wir doch die guten
deutichen Wörter: Gruben, Lageritätte, Pochwerk, Bortiche uſw.
haben, deren Anwendung gar nicht einmal bejondere Frachtennt-
nifje zur Borausfepung haben muß. Namentlid) aber die Wochen:
ſchriften und wiſſenſchaftlichen Zeitjchriften jollten die Stelle jener
Aufforderung beberzigen, an der es heißt:
‚Die deutjche Bergmannsſprache hat den befonderen Borzug,
faſt vollftändig von Fremdwörtern frei geblieben zu jein, was zum
großen Teil in der Entwidlung des deutichen Bergbaues begründet
ift. Lange bevor es in England einen Bergbau in größerem ms
fange gab, lange vor der Entdedung der heute fo bedeutenden
Bergbanländer Amerifas und Auftraliens gab es in Deutichland
bereits einen blühenden Bergbau. Deutſche Bergarbeiter erit
führten in Öfterreih, Ungarn und Rußland mit dem deutjchen
Betrieb auch die deutſchen bergmänntichen Musdrüde ein, — um
dann fpäter auch in den überjeeiichen Ländern den Ruf deutjchen
Bergbaues zu begründen. Nod heute fommen zahlreiche junge
Leite aus aller Herren Ländern nad) Deutichland, um auf ben
Bergafademien zu Freiberg, Hlausthal oder auch in dem öſſer—
reichiichen Leoben zu jtubieren, während es feinem Deutſchen
einfallen wird, dieferhalb eine ausländiihe Anjtalt zu befuchen.
Wir Deutjche haben allen Grund, auf unjeren Bergbau, unſere
Bergleute stolz zu fein; vernadläjfigen wir daher auch unfere
ihöne Bergmannsiprache nicht!’«
Wir freuen uns des Bundesgenofien, der uns im fernen
Nirita in diefem wadren Landsmanne erjtanden ift, und geme
haben wir Herrn Dr. Lehr, dem Geichäftsführer des Alldeutſchen
Verbandes, einige Abzüge des Verdeutichungsbuches für das Berg:
und Hüttenweſen zur Berjendung nad) Transvaal zur Verfügung
geitellt.
— Bu dem »Gelehrtendeutih« Sp. 21 d. Fahrg.- teile ih
nachſtehend ein Seitenftüd mit, das zugleich als Beſtätigung der
Thatjache dienen fann, daß gerade bei Pflanzennamen die Vor
liebe für Fremdwörter feider recht allgemein ijt. Es läßt ſich
gegen diefe Bevorzugung in wiſſenſchaftlichen Abhandlungen oder
für Fachleute geichriebenen Blättern wenig einmenden; wenn aber
in einer Tageszeitung, in einem der Unterhaltung gewidmeten
Aufſatze fo ofienfundig gegen die Mutterfprache geſündigt wird,
jet ſich der Berfafjer doch leicht dem Verdachte aus, mit jeinen
naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſen glänzen zu wollen; er jollte
dann aber wenigjtens mit größerer Sorgfalt zu Werte gehen, als
es bier geichehen iſt.
61
Die »Halle’iche Zeitung« brachte in Nr. 358 des lepten Jahr⸗
ganges einen Brief über »ein norwegiſches Seebad. Es war
darin der üppige Baummuchs der Umgebung Laurvils geichildert
und mehrmals von Eonimus, Syrivgen und Coprifolium bie
Nede, ſodaß Drudiehler faum vorliegen fonnten. Warum hatte
der Briefichreiber nicht die wohlllingenden, einem jeden befannten
deutichen Benennungen Biaffenläppden, lieder, Geiß—
blatt oder Nelängerjelieber gewählt? Hielt er die lateiniſchen
Namen für vormehmer, jo muhte er wiljen, daß fie Evonymus
und Caprifolium heißen.
Perleberg. B. Janzen.
— In der holländiichen Zeitung »Nieumwe Notterdammide
Courante vom 4. Auguſt v. 3. iſt ein in franzöſiſcher Sprade
abgefahter Brief des deutichen Konjuls, Herm Perl,
an den Vorfteher der Handelsfammer von Rotterdam abgedrudt.
Ein Mitglied unſres Vereins in Rotterdam bemerkt dazu jehr
rihtig: »Sollte es wirtlicy notwendig fein, daß ein deutſcher
Konful in einer bolländiichen Handelsitadt, wo alle Welt ohne
weitere® Deutjch veriteht, und wo im Handel die deutiche Sprache
einen weit höheren Pla einnimmt ald die jranzöfifche, fich der
fegteren in einem Schreiben an die Handelskammer bedient? Und
dabei find die meiſten der Leute, die das Schreiben angeht, ent=
weder bier anſäſſige Deutihe oder auch Holländer, die ficherlich
weit befier Deutſch als Franzöfiich verftehen. Daß die deutſche
Regierung ihrem Konful vorgefchrieben habe, ſich in der nieder:
deutichen Stadt Notterdam der franzöſiſchen Sprache zu bedienen,
ijt doch nicht anzunehmen. Jedenfalls war das früher nicht jo,
und die Vorliebe des jehigen deutichen Konſuls für die franzöfiiche
Sprache fällt bier allgemein auf.«
— Die » Kölnische Zeitung« vom 31. Juli v. J. enthält unter
der Überfchrift »Zeitung&deutjch« folgende jehr bemerkenswerte
Nusführungen: »In der jegigen Ausftellungszeit geben die Bes
richte mancher ſehr ſachmünniſch und geiftreich ſich gebärdender
Berichterjtatter auch demjenigen, der fein verbohrter Sprach—
reiniger ijt, Anlaß zu den fräftigften Ausdrücken des Ürgers.
Die unverbejjerlihen Wiener, die es für bejonders ‚elegant‘
halten, jtatt von einer Austellung von einer ‚Erbofition‘ zu
reden, lafien wir laufen. Aber auch in Norddeutſchland fehlt cs
nicht an ftilverderbendem Stauderwelih, durch das der Berfafjer
ſich das Gepräge eines Zünftigen zu verleihen glaubt. Die neuere
Kunſttritil hat es ohnehin mit einer unheimlich großen Zahl von
‚iften* zu thun, die ſich nun einmal vorläufig nicht ganz aus—
merzen lajjen. Das genügt aber unjern jungen Herren nod) nicht,
und jo taucht denn jet wiederholt das Wort ‚paysagiste‘ für
Landicaftsimaler oder, wie man bisher in der Zunft jagte, ‚Land—
ſchafter‘ auf. Es ijt das eine völlig zweckloſe, plumpe Heran—
ziehung eines franzöfiichen Wortes, das ganz genau ohne jede
Verfeinerung oder engere Begriffsbeitimmung nichts anderes als
der ‚Sandichaftämaler* heißt. Zuerſt führte man unter, Gänſe—
fühchen den Ausdruck, paysagse intime‘ ein, was in den meijten
Füllen eine jehr überflüſſige Kofetterie bedeutete, Dept aber joll
der „paysagiste” Mode werden, nur damit das Anjehen gewonnen
wird, als jei der Berichterftatter in der franzöfiichen Kunst ganz
heimisch, vielleicht Stammgaft in den Barijer Ateliers. Gegen
ſolche Abgeihmadiheit muß zur rechten Zeit Widerjprud erhoben
und den Lejern gejagt werden, daß in den Fällen, im denen ſolche
höchſt fachmänniſch Hingenden Ausdrüde zahlreich in einem Artikel
herummimmeln, der Berjafjer ein Stümper ift, der ſich damit
einen falichen Schein erburgt, oder ein lindiſch eitler grüner Junge,
der eben ein bißchen Olfarbe gerochen hat. Läht man die Sadıe
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1897. Mr. 4.
62
einer Berliner Erpofition gefagt wird, daß ſich wenig chef-
d’euvres, aber jehr viel eroüte in ihr befinden; die Payſagiſten
jeien noch am beften repräjentiert, einige Kolleltionen von Geles
britäten des ancien rögime feien ganz rejpeftabel, auch in der
Seltion der Gravuren jeien einige Naquaforttiten erjter Dualität
höchſt intereſſant; der Totaleindrud habe aber dem Neferenten
nur ein negatives Mefultat ergeben. Es fehle an Eiprit, Elan,
an jtarfen künſtleriſchen Impulſen, und die Defadence, das Zu—
rüdweidyen von einem international fonfurrenzfähigen Niveau fei
für jeden intimen Kenner fo evident, daß auch die größte Bon—
bommie nicht mehr die bisherigen optimiftiihen Anſchauungen
fonjervieren fünne.«
— Die elfahslothringiiche »Bollspartei«, da8 »Organ« ber
elſaß⸗ lothr. Demokratie, erzählt in einem politiichen Briefe aus dem
Münftertbale, der ſich im wejentlichen gegen unſern Bereinss
genofien Piarrer Spiefer in Waldhambach und dejien Schrift
über die Münftertbaler Grufformeln (vgl. Sp. 207 d. v. Jahrg.)
richtet, ein recht Ichrreiches Geſchichtchen. Belommt da ein
Münſterthaler Spezereienhändler Waren aus Kolmar mit einer
Rechnung zugeiandt, auf der fich folgende Poſten finden: » Ein
Ballen Kaffee a.A...., ein Ballen dito d.&....e Die rau
des Empfängers gerät beim Lejen dieſer Worte in die höchſte
Erregung. »Was haft du da für dummes Zeug beitellt«, ruft
fie ihrem Manne zu; »Dito hat bei uns noch fein Menich ver:
langt, gieb e8 nur dem Fuhrmann wieder zurüd.« Wie gejagt,
jo gejchehen. Am folgenden Martttage geht unjer Spezereihänd-
ler nad Kolmar, um ſich bei dem Großhändler zu beſchweren,
wo er aber bei der Aufklärung merhvürdige Augen macht. Nadı
Haufe zurüdgefehrt, wird er ſogleich von ‚jeiner Frau nach der
Antwort des Großhändlers gefragt. »Was er gejagt hat? Ganz
einfach: Du biſt ein R. . du . . h und ich dito. ep hoͤſch's!« —
Der Erzähler zieht daraus die Lehre, daß es doch recht nüßlich
für feine. Landsleute ſei, einige «welche Broden« zu veritehen.
Uns fcheint eine andere Lehre näher zu liegen.
Sur Shärfung des Sprabgefübls.
29) »Beichädigte und ohne 29) Beſchädigte oder nicht
diefen Karton verjehene mit dieſem Umſchlag verſehene
Eremplare werden nicht zus Stüde (Mbzüge, Nbdrude) wer-
rüdgenommen.« (Drudzettel dem nicht zurüdgenommen.
einer Berliner Buchhandlung
bei Verſendung des Bürgerlichen
Geiepbuches.)
30) »Da Seine Stönigliche
Hoheit, der Prinz Albrecht von
Preußen ıc., Regent des Herzog:
tumd Braunſchweig, gmädigit
30) Der Geheime erpedierende
Sekretär J., welder auftrage-
weije mit der Verwaltung der
beider hiefigen Haijerlichen Ober⸗
geruht haben, zu der auf Grund
des Artitels 50 der Berfafiung
des Deutichen Neiches unter dem
14. d. M. jeitens Geiner
Majejtät des Deutichen Kaiſers
verfügten Ernennung des comes
mijfarijch mit der Verwaltung
der bei der Kaiſerlichen Ober—
Kojtdirettion hierſelbſt durch die
RBeniionierung des Poſtrats
M. erledigten Poſtratsſtelle be-
auftragten Geheimen erpedierens
den Sefretärs I. zum Poſtrat
laufen, dann begegnen wir noch Eijays, in denen über die Tableaug | und zu_der nunmehr jtatt-
Rojtdireltion [durch den Rüd⸗
tritt des Poſtrats M.] erledigten
Rojtratsjtelle betraut war, iſt
von Er. Majejtät dem Deutichen
Kaijer auf Grund des Artikels 50
der Verſaſſung des Deutjchen
Meiches unter dem 14. d. M.
zum Rojtrat ernannt worden.
Seine Königliche Hoheit, der
Prinz Albredit von Preußen
uſw., Negent des Herzogtums
Braunſchweig, hat gnädigit ge:
ruht, zu diefer Ernennung und
zu der nunmehr endgilltigen
2*
63
gehabten endgiltigen Über
tragung der gedachten Stelle
an denjelben die landesherr-
liche Betätigung zu erteilen, fo
wird foldes hierdurch befannt
gemadht.« (Braunſchweig. An⸗
zeig. Nr. 269 vom Jahre 1896.)
Übertragung dieſer Stelle an
den Genannten die lanbesherr-
liche Betätigung zu erteilen.
Schlechter Sapbau: ein einziger Vorderjag von 85 Wörtern
mit einem ziwerghaften Nachſaß von 6 Wörtern, der noch dazu
inbaltlo® und darum überflüſſig it.
Denn daß die Belannts
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 4.
machung einer Emenmung eine Bekanntmachumg ift, das |
braucht nicht erjt ausdrüdlid, ausgeiprocyen zu werden, am
allerwenigiten in einem Hauptiag. In den Hauptiaß ge-
hören die Hauptjahen, während Hier die Hauptjachen in
dem Nebenjaß zujammengepferdt find,
»Stattgehabt« un:
richtig für »erfolgte; denn man mühte ergänzen »jtattgehabt
habend«, Hier ift es überflüjfig, wie fo oft. Kanzleiausdrücke:
feitens, gedadte Stelle, an benjelben.
31) »Nur Tannen und die
zahlreich vertretene Stechpalme
zeigten neben überwintert
babenden Brombeerblättern
und wenigen Farren die grüne
Farbe.« (Mitgeteilt von Alb.
Heinge aus D. v. 2, Eine
Sommerihladht ©. 32.)
31) Neben vorjährigen Brom:
beerblättern und wenigen Farnen
zeigten nur Tannen und die
zahlreich vertretene Stechbalme
die grüne Farbe.
Überwintert habend — ſchlechtes Deutih. Karren
heißt: der Farn, Mehrzahl
32) »Diefelben haben bes
fundet, daß fie das genannte
Grumdftücd i. J. 1889 verwaltet
hätten und daß dasfelbe in
diefem Jahre einen Miets—
ertrag von 1965 4 gebracht
habe... Es bleibt der Klage—
anjpruch beitehen, und hans
beit es jich nur um Feftitel-
fung der Höhe besjelben.
Derjelbe iſt . . zu berechnen.«
(Aus einem Tandgerichtlichen
Urteil, nad) Daubenſpeck Die
Sprache der gerichtlichen Ents
icheidungen, 1893 ©. 23.)
Stiere (der Farre, Mehrzahl: die Farren).
: die Farne.
Die Pilanze
32) Sie haben befundet, daß
fie das genannte Grundſtück im
J. 1580 verwaltet hätten, und
daß es in diefem Jahre einen
Mietertrag von 1965 M ge
bradit habe... Der Klage
anſpruch bleibt beitehen, und fo
handelt es fich nur darum, jeine
Höhe feſtzuſtellen. Er ift... zu
berechnen.
Mikbrauch des Fürwortes derjelbe, das im mwefentlichen
nur in der Bebentung »ebenderjelbe« anzuwenden it. — Für
Mietsertrag beſſer Mietertrag, wie Mietwohnung, Miets
haus, Mietgaul, Mietfnecht, Mietvertrag, mietweife.
33) Der türfiiche Botichafter |
33) ⸗Nach einer Mitteilung
der Pol. Korr. aus Sonftanti-
nopel verlautet in dortigen diplo⸗
matijchen Kreiſen ſehr beſtimmt,
daß die vom türkiichen Bot—
ichafter in St. Petersburg ein:
gelaufene Meldung von dem
durd; das Widerftreben ber
ruſſiſchen Regierung gegen eine
gefamteuropäifche Überwachung
der türkischen Finanzverwaltung
herbeigeführten Scheitern des
Vorſchlages zur@anierung der
türtiſchen Finanzen in Yildiz=
in St. Beteröburg hat nach Kon—
ftantinopel berichtet, daß bie
ruſſiſche Regierung einer ge:
' verichmiedeten Edeliteine und Berlen,
' »Räubern« 1. 3:
famteuropälfchen Überwadhung |
ber türfifchen Finanzverwaltung
toiderjtrebe, und daß daran der
Borichlag zur Ordnung der tür:
fiichen Geldverhäliniſſe geicheitert
fei. Wie die Bolit. Korreip. aus
Konstantinopel mitteilt, verlautet
in dortigen diplomatischen Krei⸗
fen mit Beitimmtheit, daß dieie
Nachricht in Wildiz-Niost einen |
| das ich meine Berbeutichung vorfchlage, urſprünglich?«
Kiosf, ungeachtet der damit vers
loren gegangenen Ausſicht auf
raſchen Eintritt einer ausgiebi⸗
geren Hilfe, einen günftigen
Eindrud gemacht habe. (Aus
einer dentich= rufj. Zeitung vom
November 1896.)
Ein ſchwerjälliges Sapungetüm — bei dem erjten Leſen
fauım zu veritehen, da der Saßgegenjtand (»die Meldung«)
von dem Auöfagewort (»gemact habes) durch 42 Wörter
getvennt iſt; durch Zerlegung in zwei Süße und Verwendung
von Heitwörtern an Stelle von Hauptwörtern leicht zu heilen.
Geprüft von den Herren Bebaghel, Brenner, Erbe, Heinke,
ähns, Khull, Lohmeyer, Lyon, Mattbias, Pietſch, Preſſel,
aaljeld, Scheffler, Seemüller, Wappenhans.
Bemerkungen über die vorſtehenden Sätze, Beiträge u. a. bittet
man einzufenden an Profeffor Dr. Dunger in Dresden=N.,
Schnorrſtraße 3.
günftigen Eindrud gemacht habe,
obgleich damit die Ausficht auf
raſchen Eintritt einer ausgichi
geren Hilfe geichwunden fei.
Sprebiaal,
Geſchmeide.
An der vorigen Nummer bat Herr M. J. gegen die Verdeut:
ihung Geſchmeide für Juwelen Einiprud erhoben, weil dat
' Wort jo deutlich fage, was es bedeute, nämlich etwas »@ejchmie-
beted«; Edeljteine aber fünnten nicht geſchmiedet, ſondern mur
geichliffen werden. Das ift gewiß richtig, aber wenn wir jo immer
auf die urjprüngliche Bedeutung der Wörter zurücgehen
wollten, jo würden wir uns die Arbeit der Verdeutichung von
Fremdwörtern unnötig erfchweren, und manches gute deutiche
Wort würde ſich als nicht ſtichhaltig erweiſen. Leider wird und
ja nur allzuoft entgenengehalten, die und die vorgeichlagene Ber:
deutichung bedeute doch uriprünglid etwas ganz anderes; an den
Bedeutungswandel, an die Erweiterung und VBerengerung der
Begriffe wird dabei nicht gedacht. Ich halte ſolchen Einwänden
dann entgegen: »Was bedeutet denn das Fremdwort, für
So
jagt ja aud Herr J., Juwel bedeute urjprünglic Mugen:
weide, jept aber GEdelitein und Perle; bier bat ih alio der
Begriff verengert, Umgekehrt hat er jich erweitert bei dem
Wort Geichmeide, das uribrünglic nur Gefchmiedetes, alio
Metall bezeichnet, dann aber auch die durch den Goldfchmicd
mit Metallen verarbeiteten, oder — wenn ich jo jagen dari —
Übrigens tt diefe Ber:
wendung auch gar nicht neu; man leſe z. B. bei Echiller in den
»In den Staub mit dir, du prangendes Ge—
ichmeide!« (fie reißt Sich die Perlen vom Halfe) und bei Lingg
in den Gedichten II. 190: »Mein ichönes Geſchmeid, Die roten
Korallen. Vgl. Grimms Wörterbuh IV. L 2. Ep. 3938.
Umjomehr find aber m. E. die Ausdrüde »Geichmeidehändler« für
Juwelier⸗ und »Geſchmeide⸗ für »Yumelen« zu empfehlen, als doch
unjere »Aınvelieres zwar ungefahte Qumwelen, d. h. Edelfteine
md Berlen einzufaufen, aber doc nur gefahte Juwelen, d. b.
aljo Geſchmeide zu verkaufen pflegen. Übrigens bat fich der
Begriff von Juwel- nach Grimm (Wib. IV. II. Sp. 2407) gleich:
jallö erweitert, es bezeichnet durchaus nicht nur Perlen und ge
ichliffene und ungeichlifiene Edeljteine, »jondern aud die da—
mit verfepten Kleinodien und Seihmeides. Endlich ſei
noch darauf hingewieſen, daß unſer Verdeutſchungsheft +» Der
Handel« (2. Aufl.) folgendes bringt: ⸗Juwelier — Juwelen—
händler, Geſchmeidehändler, Goldſchmied, Soldarbeiter«, und
daß ſowohl Eigen als Heyje und Sarrazin für Juwelier und Ju—
iwelen aufer anderen die Berdeutichungen »Gejchmeidehändler« und
Geſchmeide⸗ bieten.
Bonn. J. Ernjt Rülfing.
Ich bin doch fehr dafür, fo viel mie immer möglich auf die
uriprünglide Bedeutung der Wörter zurüdzugeben; denn eben
in deren Erkenntnis liegt ihr jittlicher und ihr fulturgeichichtlicher
Wert. — Gern will ich einräumen, dab geichmiedeter Schmud,
der mit Edelfteinen verziert it, Geſchmeide genannt werden fanı;
aber ich möchte doch abraten, Edelgeftein, Perlen und Korallen
als ſolche Seichmeide zu nennen; es jind Sileinode Wenn
Stiller und Lingg anders verfahren find, jo beweijt dies, daß
65
ihnen ber Begriff des Wortes » Beichmeide« nicht zum Bewuhtfein
gelommen war. Unſer Berein, der für die Nichtigfeit, Deutlich-
feit und Schönheit der Sprache eintritt, ſollte dem nicht nach:
folgen, am swenigiten da, wo der uriprünglihe Wortinhalt fo
Har und umverfennbar zu Tage tritt wie bier. Wenn wir den
an und für fich ja unleugbaren und unvermeidlichen Bedeutungs-
wandel auch in Füllen diefer Art gelten lafien, jo jchmälern wir
den Wortinbalt und kommen jchliehlih auf die Bahn, welche
Schirmeiſters fjpahbaft-ernitbaftes Büchlein »Neudeutſche eins
ſchlägt, deſſen oft recht geiitreiche Worichläge nur dann Sinn
haben, wenn man von jedem innewohnenden Wortwert vollitändig
abjicht und lediglich einen auf bloer Übereintunft beruhenden gelten
läht. Dann mag man jtatt Eleftrigität: Elze, ftatt telegrapbieren:
telen, jtatt Zofomotive: Tiewe, jtatt Paragraph: Parf jagen. Damit
wären und ja die Fremdwörter leidlich mundgerecht gemacht,
man bätt’ die Ding in feiner Sand;
fehlt” Leider nut das geiftine Band!
Berlin. M. J.
Lawn- Tennis.
Biel nahdrüdlicer als die Schriftleitung möchte ich gegen das
»Lawne- Tennis vorgehen. Es ericheint unbegreiflich, daß bei der
Verdeutſchung die Hauptjache, der Name, übergangen wurde, um jo
mehr ald das Wort »Lawne- Tennis nicht nur im Deutichen uns
erhört ſchlecht Mingt, fondern auch im Englischen pedantiich ericheint.
Am täglichen Verfehre wird fait ausſchließlich das auch im Deutichen
vollfommen gut Hingende Wort Tennis gebraucht. Man Ipricht,
ſchreibt und drudt »tennis party... tennis player... . tennis
rules... tennis shoese u. dergl. Faſt nur in Sportzeitungen,
wo eine Verwechslung mit dem alten Tennis möglich wäre, iſt
von Lawn- Tennis die Rede,
Auf unferem Tennisplage, dem älteiten in Berlin, wird »beutiche
geipielt, was allerdingd einige Bekannte, die noch niemals die
vaterländiiche Grenze überjchritten haben, recht peinlich berührt.
Eine fangjäbrige Tennisfpielerin,
die England ſehr genau fennt.
Gravieren, Gravdenr.
Herr C. A. Krall in Elberfeld (vgl. Ep. 17 — 1% diej. Jahrg.)
lonnte für gravieren ſchlechterdings feinen paſſenden Ausdrud
finden und würde für entjprechende Vorſchläge jehr dankbar jein.
Ich alaube ihm mit einem Worte dienen zu können und wundere
mich bloß, daß es ihm noc nicht von andrer Seite zugefommen
ift. Ich meine das Wort »fchneiden« Graveur hieße dann oder
heit vielmehr ſchon Scmeider; 3. B. Müngichneider, Stempel-
ichneider, Wappenſchneider (jo aud bei Moſcheroſch, Scherpenteuffel,
Spemann &. 17), alfo auch Gold», Silberſchneider. An Leſſings
» Briefen antiquariichen Inbalts«, die ſich ja zum größten Teile mit
Klopens Buche von den alten, geichnittenen Steinen beſaſſen,
tommt das Wort natürlic) unzählige Male vor: Steinichneider, Stein:
ſchneidekunſt, erhaben, tief, in die Ziefe geichmitten, Schnitt (bei
Bindelmann aud Gravur), flach jchneiden, Stempelicyneider (Laot.
VI, A. 3). In Leſſings Kolleftaneen (Hempel Bd. 10, ©. 44)
heißt e8: »Francia jhnitt auch vortrefilihe Münzftempele, und
in feinem Tagebuche der ital. Reife (Hempel Bd. 19, S. 606): » Bei
dem Abt Galiani einen Voſthumus ſehr wohl geihnitten...
den man ſonſt für einen Mafjinifia würde gehalten haben, den er
aber aus ähnlichen Münzen ein Poſthumus zu jein beiwvies.«
Das Wort »jchneiden« wird demnach nicht bloh von Steinen
gebraucht umd kann aljo in allen Formen, Ableitungen und Ju:
fammenjegungen gravieren erfepen.
Andere ebenfo quite Wörter find m. E. graben und ftechen,
von denen das letztere ſchon in der vor. Nr, diefer Zeitichr. erwähnt
worden ijt (Sp. 46). Leſſing im 22, Briefe ant. Inh.: »Aber wir
wiſſen, dab man in den ältejten Zeiten audı mit Ningen von
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind XII. Jahrgang. 1897. Nr. 4.
blokem Metall fiegelte, in welche die Namen oder Simmbilder |
Benranen waren«, und im 23, Briefe: » Denn man hätte Urjache,
ie, welche die Ringe (jo ſchreibt Leſſing und nicht »die, die die
Ringes, wie Wuſtmann will) geitochen hatten, zu bewundern. «
Ebenſo findet ſich ausgraben für ausgravieren wiederholt. Beide
Wörter können wieder in allen Formen verwendet werden. Wenn
man Kupferitecher jagt, warum nicht aud) Gold», Silberjtedier?
Man würde gewiß den richtigen Sinn damit verbinden. Gold—
gräber geht freilich nicht, aber vielleiht Boldgraber; wenigitens
fenne ich bei uns in Oſtreich den Familiennamen » Steingraber«.
Bien Joſef Bas.
66
Die FSortſchritie Wuftmanns.
Vor einigen Wochen find Wuſtmanns »Allerhand Sprady-
dummheiten« in einer zweiten, verbefjerten und vermehrten Aus—
aabe (1896) erichienen. Wenn man fi die Entichiedenheit und
Schärfe vor Augen häft, mit der Wuſtmann für feine Anfichten
einzutreten pflegt, fo muß man darauf ſehr geipannt fein, wie viele
und welcherlei Fortichritte die neue Ausgabe aufweiit. Ich Tage
teich ⸗Fortſchritte · denn daß der Veriafler, nad) fünfjähriger Über-
egung und durch jo ungewöhnlich zahlreiche Beiprechungen unterftüßt,
fein Buch verschlechtert hätte, wird ja ohnedies niemand erwarten.
I. Auf den eriten Blid bemerft man an der neuen Ausgabe,
daß fie fait um 100 Seiten mehr enthält als die erite; der eigent-
liche Stoff des Buches iſt jogar um ungefähr 130 Geiten ange-
wachen; denn an der Stelle der langen »Einleitunge der erjten Aus—
gabe ſteht jept nur eim furzes »Boriworte. Der Zuwachs ift dreijad).
1. Einige neue Kapitel, Ich habe deren 27 gezählt. Sie
betreffen Dinge, von denen in der eriten Ausgabe fait durchweg
gar nicht die Nede war. 3.8. ©. 93 Falſcher Blural im Präs
difate, »Wenn ein Water oder eine Mutter der Schule ein
Schnippchen ſchlagen« (ftatt: jchlägt), »die vornehme Salondame
wie die jchlichte Hausfrau ftellen (ft. ſtellt) an Dienitboten oft
unerbörte Anforderungen, »jowohl der Wortihag ala auch die
Formenlehre haben Veränderungen erfabren.e In dem zweiten
Beifpiele liegt nach meiner Meinung der Fehler vielmehr in dem
Mikbrauce des wie (ft. und); denn die Mehrzahl »itellen« und
die BWortitellung zeigen, daß der Schriftiteller gar nicht vergleichen,
ſondern verbinden wollte (i. Halatichfa 1883, S. 285). In Frällen,
wie fie das dritte Beiſpiel darstellt, glaube ich den Musdrud mit
»jowohl — als audj« (= et — et) ald ein pluralifdies Subjett
anichen und behandeln zu dürfen. — ©. 106 » Tempusverirrun
beim Jnfinitive, So verblüffende Fälle wie »da mußte ih mi
irren« jlatt »da muß ich mich geirrt haben« würden, meint ®,,
»auf eine etwas ungewöhnliche Geifteöverfaffung ichließen lafien«.
Nicht doch; derlei kommt in flavijhen Kronländern Dfterreichs
vor, weil dieſe Tempusverlegung in den ſlaviſchen Sprachen
Braud iſt. Es wäre daher wertvoll zu willen, bei was für
Landsleuten W. die gelinderen Fehler diefer Art angetroffen hat.
— S. 129 »Wenn — das Fügewort der Zufunft!« Anter diejer
Aufichrift beipricht W. den Unfug, Bedingungsſähe zu Ichreiben,
wo wie, weil, objdhon, ein adverjative® während oder gar
feine Unterordnung der Süße am Plage wäre (ſ. auch Halatjchfa
18583, S. 30f.). Der Berf. hätte auch indem hinzufügen können;
ich leje eben in einer Wochenſchrift: » Deutlic; hat diefe Meinung
Sch. zum Ausdrud gebradt, wenn er bemerft« uſw. Wahrichein-
lich wird fich da wieder ein Krititer finden, der uns die Thatjache
als Neuigkeit erzählt, da aud während und weil einen Be—
deutungswandel erfahren haben u. dgl.; allein es ift zu bedenfen,
daß es ſich im umjerem Falle um eine papierne Modeziererei
handelt, die unjeren Fügewörterſchaß ganz überflüffigerweife, ich
möchte fait jagen mutwilligerweile, in Unorbnung zu bringen
drobt. Tas ift nicht natürliches Sprachleben. — ©. 262 »Mih-
handelte Nedensartene 3.8. »er wurde in Kenntnis von dem
Borfall qejept« (it. von dem V. in Kenntnis geiept), »er nahm
von der Einrichtung eingehende Kennmis « (jt. eingehend K.), zur
Verfügung des Minijteriums ftellen« oder »die Belanntichaft eines
Dichters mahen« (Gaflieismen, it. dem M. zur Verfügung ftellen,
mit einem D. Belanntichaft machen), » wichtig war fiir mich die
Bekanntſchaft mit den Zeitungen, die ich ſchon in meinen Kinder:
jabren madhte« (jt. daß ich ſchon in m. K. mit den 3. Belannt-
ſchaft machte). — S. 284 »Höhenturort für Nervenſchwache eriten
Rangesé«. Durch dieſes Kapitel bat und W. zu der Erfenntnis
geführt, daß unjer Vereinsname »Fweigverein Bukowina des
allgemeinen deutichen Spradwereins« nicht nur ſchwerſällig iſt,
wie wir bisher ſchon fühlten, ſondern auch unrichtig; wir werden
ihm wohl bei Gelegenheit umändern in »Bulomwiner {meig bes
allg. deutichen Spradjv. «
2. Auch innerhalb der alten Kapitel findet man neue Urteile
über Sprachrichtigfeit.. S. 86 5. 8. tadelt er die Redensart » Wie
meinen?« (ft. Wie meinen Sie?), S. 92 »Herr Doktor wiflen«
(it. Sie willen, 9. D.). — Micht alle Urteile, die W. neu
jällt, möchte ich unterjchreiben. S. 40 verlangt er die Formen
hübſcheſte, jüheite, wie man ja allgemein fchreibt, duldet aber
weibijchite, maleriichite, weil diefe Wörter mehrjilbig jeien.
Nach meiner Anſchanung find das nur mundartliche formen, und
es iſt mie nie eingefallen, jo hähliche und unhochdeutſche Formen
67
wie weibiſch'ſte, maleriſch'ſte (ebenjowenig Schulz’ide,
pommer’sche) in ber Profa zu gebrauden; nicht einmal die
Bauern jagen bei und jo. Größte, bejte verbält fich zu jüheite,
weibifchejte wie hatte zu labte, er ficht zu er dichtet
ut. dgl. — 6.46 Ob fünfzehn, szig oder funfzehn, sig,
jei eine ebenfo mühige Frage wie die, ob nüßen oder nußen
richtig ſei; beiderlei Formen feien eben nur mundartlich verjdyieden.
Dagegen muß ich einmwenden: ch will nicht mundartlic, ſondern
ichriftdeutich ſchreiben und ziehe daher die im Schrifttum vor-
wiegende Form fünfzehn, «zig vor. Zwiſchen nügen tintranf.)
und nußen (tranf.) macden die Grammatiter und viele Schrift:
fteller den befannten Untericied, und dem möchte ich nicht preis—
eben. — ©. 320 fragt ®.: »Was will man denn mit einer
Boie? Man hat doc zwei Beine.« Ich würde im Gegenteil
fragen: Was foll id) denn mit einem Paar Hojen? Ich habe
doch nicht vier Beine, umd jede Hoje hat belanntlich zwei Hofens
beine. Die Sadıe fteht fo. Es giebt Gegenden, in denen man
(zufolge Haviidien Einfluſſes oder ohne fremden Einfluh) noch die
Mehrzahl gebraucht, obſchon heutzutage die zwei den Beinen ent:
Iprechenden Teile immer zu einem Ganzen vereinigt find. In der
Schriftjpradye wiegt aber heute der Gebrauch der Einzahl vor; ich
wühte nicht, warum man dieſe Entwidelung wieder rücdgängig
machen jollte.
3. Neu find drittens eine Menge Beiſpiele. Dieje neuen,
zum Teil ſehr lehrreichen Beiſpiele heife ich nicht nur um ibrer jelbjt
willen, jondern auch deshalb willtommen, weil fie mir ein Beweis
dafür find, daß W. nicht milde wird, alles, was er liejt, auf die
Spradjrichtigfeit zu unterfuchen und jo jeinem Werte dienitbar
zu machen.
II. Wichtiger als die Zufäge find die Berbeflerungen, zu
denen ſich W., teilweiſe vielleicht erjt nad) einem Kampfe mit ſich
ſelbſt, entſchloſſen hat.
1. Die Einrichtung des Buches iſt ſich im ganzen gleich
geblieben. (Der Drud ift deutlicher; Brudfehler habe ih nur
drei entdedt, zwei ohne Belang, S. 212 ift der Name Schroeder
unrihtig gedrudt.) Nur ijt zum Borteil der Anordnung des
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Spradvereind XII. Jahrgang. 1897. Nr. 4.
Stoffes den alten drei Hauptitücen ein viertes am die Geite ges |
treten: »Bum Wortihag und zur Wortbedeutung«.
nun alle leritaliichen Bemerkungen vereinigt, die früher an ver-
ichiedenen Stellen des Buches minder pajjend untergebracht waren.
Darin ſind
Zur Bequemlichteit des Lejers iſt aud) ein Wortverzeichnis beigegeben. |
2. Daß W. fein früheres Urteil umſtößt oder abändert, fommt,
foviel ich ſehe, neunmal vor. S. 4 Die Nominative Frieden,
Funken, Gedanken ujw. erklärt er nicht mehr ſchlechtweg für
»faljch«, jondern nennt fie »eigentlicdy faljh«; er fönnte wohl nod |
weiter chen. — ©. 6 des faiferlihden Rom (ft. Noms), des
nordöjtlihen Böhmen (jt. Böhmens) u. dal. jchien ihm früher
»berechtigt«, jet bezeichnet er das als eine Nachläſſigleit · und
ich ſtimme ihm bei. — ©. 7 Ebenſo empfiehlt er jet des Ofs
tobers, des Mais, während er früher nur feititellte, daß die
Formen ohne =& »völlig eingebürgert« feien. — ©. 48 Dem Reit:
worte verderben geiteht er, in der moraliichen (tranj.) Beden-
tung, die ſchwache Nonjugation zu, während er früher zweifelte,
»0b die Unterſcheidung berechtigt jeie. — ©. 76 Wörter wie
fremdipradhlid, neuipradilich mibfallen ihm wie früher,
aber er erkennt jetzt an, daß fie »leider Gottes richtig« gebildet
ind, nämlid) von den »herrlidene Wörtern Fremdipradie,
Neufprahe. Man darf ibm nicht einwenden, Fremdiprade,
Neuſprache fei micht schlechter ald Fremdwort oder Neu:
bildung, jondern muß bedenfen, daf jene Wörter nicht mehr |
heiken al& fremde Sprade, neue Sprade, während Fremd—
wort mehr jagt als fremdes Wort und Meubildung mehr
als neue Bildung. — ©. 156 »Die Hurfürftin lieh den Hofs |
prediger rufen, um fie mit den Tröftungen der Neligion zu er:
guiiden« nennt W. jeht mit Recht einen »jchlechten« Sap, während
er früher gegen diefen Satz »gar nichts einzumwenden« hatte. —
S. 245 Uller vierzehn Tage, aller vier Woden, aller
Augenblide hielt er früher für einzig richtig; jeßt erfennt er,
daß diefer Brauch nur mitteldeutich ift. Aber er fordert dennoch
jeine Landsleute auf, an diejer »mundartlichen Feinheit« feit-
zubalten. Gr untericheidet da ausdrücklich zwiſchen ⸗mundartlicher
reinheit« und »niedrigem Provinzialismus«. ch meine, dah in
erniter Proſa jeder Provinzialiemus verwerflih it. In Wien
jagt man: MN. fpielt jehr gut Billard, aber heute hat er jich nur
geſpielt (d. h. das Spiel nicht ernit aenonmen). Man jagt da
jener: Der Schlüter hatte auf die Auſgabe nicht vergefjen (fondern | gegnen einem (ums, mir) täglich«.
68
fie gemacht), aber er hatte fie zu Haufe vergefien (d. h. liegen
laften). Dürfen wir wegen diejer feinen Intericheidungen jid)
jpielen und auf etwas vergeiien in die Schriftipradhe ein-
führen? Gewih nicht. — ©. 254 Denn als Bergleihhungspartitel
will W. bekanntlich nicht mehr gelten laſſen, weil es veraltet jei;
jett aber geiteht er zu, daß es in mehr denn je noch üblich iſt.
Er jollte nur noch zugeben, daß es audı in der Verbindung mit
als (denn als für als als) ebenio üblich iſt. — ©. 339 Jepts
zeit fit nicht nur häßlich, fondern, wie W. jept einficht, auch
ſchlecht nebildet.
3. Ich kann mich mit wenigen Beiipielen begnügen, um ferner
zu zeigen, daß W. auch in der Beiprechung und der geſchichtlichen
Darftellung der fehlerhaften und der richtigen Sprachformen Fort⸗
ichritte gemacht und vielen Einwendungen vorgebeugt hat. ©. 37
Den undeutichen Ausdrud an Bord Er. Maj. Schiff Möve
erllärt er als eine Nachäffung des Engliſchen. — S50 Däudt
(it. dünkt) hält er nicht. mehr für eine erſt »jegt« entitandene
Nnalogiebildung. — &.99 Das falihe Imperſelt (it. Berf.) in
Siüddeutjchland wird richtig aus der übertriebenen Vorliebe für
das der Mundart fehlende und daher ſchlechtweg ald vornehm
geltende Imperfelt ertlärt. — ©. 103 Die Weglafjung des Wört:
chens worden wird qeichichtlich beleuchtet. — S. 154 »Wenn id)
ein Veeglein jain wirde« uw, ſchreibt W. nicht mehr der öfter
reichiichen Vollsmundart zu, jondern dem öfterreichiichen Jeitungs—
deuiſch. (Allerdings hätten nun die lautlichen Entjtellungen weg:
fallen follen.) — S. 220 Ohne dasselbe (it. ohne es) ſieht er
KM nicht mehr für unvermeidlich an; ſonſt ift das richtige Wort
dafür.
4. Bloß ſprachliche oder ſtiliſtiſche Verbeſſerungen pflegt man
bei der Beiprehung neuer Auflagen faum zu erwähnen; bei einem
Bude über Sprachricdhtigleit aber find das weſentliche Fortichritte,
und ich muß daber wenigitens einige Beiſpiele jolher Verbeſſe—
rungen vorbringen. Es giebt deren dreierlei.
a) Sehen wir zuerſt nad, ob W. feine Ausdrucksweiſe ge—
mildert hat; er war ja in der erſten Ausgabe einigen Kritikern
zu grob geweſen. Er jagt in dem Vorworte zur zweiten Muss
gabe: »Die deutliche und derbe Sprache des Buches zu ändern
bin ich weder imjtande noch gewillt geweien.... Wer recht⸗
ſchaffen liebt und haft, der kann nicht ruhig mit anichen, wie
täglich jchönes, wertvolles Sprachgut weggeworfen wird wie ein
alter Handſchuh und durch Schund- und Schandzeug aus den
Wertftätten balb= und viertelgebildeter Spracdtonfeltionäre erjegt
wird.« Vortrefflich; aber vielleicht bätte man doch bie und da
einen etwas zabmeren Ausdrud wählen können. In der That
iſt nun 3. B. das Wort greulich fat ganz ausgemerzt; wir
finden dafür S. 8 häßlich, S. 35 gemein, ©. 37 widerwärs
tig, ©. 102 umbegreiflich, und die Sprache des Buches ift
dadurd; weniger derb geworden, obne an Deutlichteit zu verlieren.
So iſt auch S. 249 ſchmählicher Fehler durch ablassıiaer
F. ©. 119 toller durch ſchlimmer erjept.
b) Hieran fchlieht fich unmittelbar die Reinigung der Spradıe
von burichitofen oder mundartlichen Ausdrüden und dann die von
Fremdwörtern. Statt majjenhbaft fchreibt W. jegt ©. 12, 127
fortwährend, ©. 90 täglich; ſtatt Hinundhergeihuppts
werden ©. 210 Hinundhergeworfenwerden; das Wort
Hottig iſt aus dem Buche verſchwunden, desgleichen Angewohn—
heit (3.86, 276 Gewohnheit). Won den Fremdwörtern, die
W. erſt in der neuen Ausgabe entfernt hat, nenne ih Kon—
junktion (S. 125 und öfter Fügewort), Ortbographie
(&.200 Schreibung), indirefte Nede (S. 148 abhängige
RN), mechaniſch (S. 135 gewohnheitsmäßig).
©) Aus den fprachlichen Verichtigungen anderer Art will ic)
bier drei auswählen, die alle drei wert wären, in einer jpäteren
Ausgabe den Gegenſtand eigener Kapitel zu bilden. In der
eriten Ausgabe bie e8: »Solche Sätze begegnen mafienhafte,
jebt jagt W. an der entiprechenden Stelle (S. M): »Solden
Sähzen begegnet man täglihe Bon majjenhaft iſt eben die
Rede geweſen. Ob wir die Eäpe und begegnen laſſen oder uns
jeibit den Süßen, ſcheint mir gleichgiltig, obwohl man mit gutem
Grunde jagt »Ein Unglüd iſt ihm begegnet« (hat ibn getroffen),
aber »Er tit Hinderniffen begegnet« (hat H. angetroffen); denn
dort find die beranziehenden Greignijie in Bewegung, bier der
vorwärtsitrebende Menſch. ber zu einer Begegnung gehören
doch zwei. Den Satz aus der eriten Nusgabe muß man alfo
entweder jo berichtigen, wie W. thut, oder jo: »Solche Sätze be:
Es giebt Schriftfteller, die
69
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sptachvereius. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 4.
70
ſich in der Weglaſſung des entf. Objektes, ohne das doch be—
gegnen feinen Sinn giebt, zu gefallen ſcheinen. Schon Halatſchta
1853, &. 19, fpricht davon. — Unmöglich fönnen, unnötig
müjfen oder unerlaubt dürfen iſt gleich unſinnig; nun iſt
aber unmöglich fünnen Mode geworden. Es freut mich, dad;
W. die Stelle der erjten Ausgabe ©. 175, wo zu leſen ftand, |
»daß der Sap unmöglich heißen fann«, unterdrüdt hat. Auch
diejen Fehler beipricht ſchon Halatſchta 1883, ©. 15. — Wuſt—
mann jchreibt S. VII: (Gegenüber der Spracverwilderung) »den
fühlen Beobachter zu fpielen, wäre gerade jo, als wenn ſich der
Gärmer mit dem Mifroflop in der Hand in einen verwilderten
Garten jepen wollte« (ft. jepte!), S. 106 »Wenn jemand anjtatt:
da muß ich mid geirrt haben — jagen wollte (it. jagte!): da
mußte ich mich irren, jo würde man ihn wohl jehr verdußt an:
ſehen« und ©. 132 »E3 würde als arge Biererei empfunden
werden, wenn jemand jagen wollte« (it. fagte!) uſw. Much ein
Modefehler, und um nichts geringer, als wenn Landsleute von
mir in jolchen Fällen »ſetzen wiürdes fchreiben und »jeen möchte «
fagen; dieſe fünnen ſich wenigitens auf den mildernden Umſtand
berufen, daß in der Wiener Mundart der einfache Konj. fepte
(jeget’) ausitirbt. Glücklicherweiſe finden wir, daß W. ſelbſt ſchon
die Unrichtigfeit eines ſolchen wollte erfennt; denn er verbefiert |
S. W: »Ber einmal (auf gewiffe feblerhafte Prädifate) aufmerf: |
jan geworden ijt, der mühte dod jede Spur von Sprachgefühl
verloren haben, wenn er jie nicht jo fchmell als möglich wieder |
abichüttelte« ‚früher »abjchütteln mwollte«).
II. Bon den Fortichritten, die W. gemacht hat oder doc)
zu machen im Begriffe ijt, wäre es nur ein Schritt zu denen,
die ich von ibm noch erwarte, Aber ich will nicht alle Zuſähe
und kleinen Berbefierungen aufzählen, die ich, meiftenteils im
Einklange mit Halatichta, Erbe, Matthias, Heinke oder andern,
anbringen würde. Man erlaube mir nur folgende vier Wünſche
vorzutragen.
Buftmann jpriht von den einzelnen deutjchen Stämmen und
Ländern faft nur um fie zu tadeln; das liegt in dem Wejen feines
Buches. Aber es zeigt ſich an vielen Stellen eine befonders ſcharfe
Spipe gegen alles Sreubifche und Berliniſche. Weil ih nid
dem Deutichen Reiche angehöre, jo fteht es mir befier an als
andern, zu jagen, daß ich in Sachen der deuticen Schriftipracdhe
eine ſolche Art Partitularismus nicht verſtehe. W. zeigt in der
neueren Ausgabe Oſterreich gegenüber eine freundlichere Gefinnung
als früher; es wäre Hug, wenn er in der nädjten Ausgabe auch
mit Berlin bejjere diplomatiiche Beziehungen unterbielte. Zur
Liebe kann man niemand zwingen; aber wir müſſen mit den That-
ſachen red nen.
Bir Öfterreicher find Wuſtmann dafür jehr dankbar, dah er
fih mit unſerem Deutſch jo viel befaßt; unſer Schrifttum fit ja
auch, zwar nicht zu gut, aber doch zu groß, als daß es in einem
Buche über Sprachdummheiten fünnte übergangen werden. Aber
darın möchten wir W. doch bitten, fich über diejes Deutſch noch
bejjer zu unterrichten. Er unterorbnet, er unterbringt jagt
fein Wiener (S. 54); das habe ich erit in Czernowiß fennen ge:
lernt. Er anerfennt, es obliegt ijt zwar in Wiener Zeitungen
nicht ſelten (vermutlich wegen der Herkunft der meiiten Wiener
Beitungsichreiber), aber der Wiener Mundart gehört das nicht
an. Obzwar habe ich zum eritenmal und mit Verwunderung
1859 in einer »Böhmiihen« Sprachlehre gelejen; es ift nicht
wienerijh (S. 120), und wenn es Wiener gebraucen follten, jo
find fie dazu nicht durch ihre Mundart verleitet, jondern durch
die Sucht nadı ungewöhnlichen Wörtern. Beneetiden (S. 300)
habe id) nie gehört, jondern — wer ſich überhaupt diefes papiernen |
Wortes bedient — beneetihn, bencetign oder beneetinga.
Studentiich iſt unterfertigen nicht (5. 300), fondern wie fer-
tigen ein öfterreichiicher Amtsausdrud jtatt zeichnen, unters
zeihnen Er ijt geitanden, gejeilen, gelegen darf man
nicht öfterreichiich nennen (S. 396); denn einerfeits gilt es da
nur, ſoweit das Bairiſche und das Fränkiſche reichen, und ander |
ſeits iſt e8 ja vielmehr allgemein jüddeutic.
Den Diterreichern wirft W. mit Recht vor, rüdmwärts zu
ebrauchen, wo nicht der Gegenjap zu vorwärts gemeint ift,
er der zu vorne (aljo jt. hinten). Aber dann follte er jelbjt
nicht denfelben Fehler begehen, indem er ſchreibt (S. 247): »Ich
eſſe mittags zu Haufe, abends pflege id) auswärts zu eſſen.«
Wir jagen außer Haufe, und fo iſt es richtig. - Das jonder-
bare Auswärtseſſen hatte ſchon Halatſchla 1502 gerügt; da
num W. gerade diejem Beurteiler jemer erjten Ausgabe in jo
vielen Stüden gefolgt ift, jo muß id annehmen, daß in Sadıfen
das Auswärtseſſen üblich if. Wohl befomms! Bei uns geht
das Ejjen immer einmwärts.
In feiner Schrift über Sprachrichtigleit finde ich folgenden
Galliciemus beiprochen; er ift durchaus nicht alltäglich und fällt
mir jedesmal unangenehm auf, er wird aber von W. beiläufig,
vermutlich unbewußt, jogar empfohlen. W. tadelt (S. 267) mit
Recht, dab in Sägen wie »Die Krankheit des Papfles hat ihn
zu einer anderen Lebensweiſe veranlaht« das Pronomen an un—
pajiender Stelle angewandt ift. Ohne Zweifel ift es natürlicher,
alſo bejier zu jagen »Den Papit hat feine Krankheit zu e. a. L.
veranlafte oder » Diele Krankheit hat den Papft zu e. a. 2. ver:
anlaht« oder, wenn man ſchon weih, von men die Rede ilt,
»Seine Arantheit bat ihn zu e. a. L. veranlaßt«. Allein W.
bejjert in feiner diejer drei Weiſen, fondern treibt den Teufel
durch Beelzebub aus, indem er empfiehlt, jo zu ſchreiben: » Seine
Krankheit hat den Papſt zu e. a. L. veranlafte; und ebenjo ent-
ſcheidet er noch im acht anderen ähnlichen Fällen (5. 267 flg.)-
Das ift aber nicht logiich und nicht deuticher Braud. Wenn
feine verftändtich ift, d. b. fofort auf den Papit bezogen wird,
dann geht es nicht an, in demjelben Sape, gleich dahinter den
Bapit zu jagen, fondern es muß ihm heißen. Man darf im
erniter Profa nicht fagen ⸗Karl dachte des Tages nur an fie, er
träumte des Nachts nur von Marie«, wenn jie und Marie dies
jelbe Perſon bedeuten jollen. Iſt aber feine dort nicht verftänd-
lih, d.h. weih der Leſer nicht, auf welche Perſon ſich feine be—
zieht, dann darf man eben jeine nicht ſetzen. Es könnte nun
freilich, wie manches Unlogiſche, aud das zum Sprachgebrauch
geworden fein, dab man an die Spige des Sapes fo ein rätjel-
haftes Fürwort jtellt, von dem man erft jpäter erfährt, worauf
es ſich bezieht; jo ift es wirklich im Franzöſiſchen, aber nicht im
Deutichen; auch bei Wuſtmann finde ich das ſonſt nicht. »Seine
Srantheit hat den Papit veranlaht, die Sigung zu verichieben«
iſt nur dann gut deutich, wenn fich jeine auf einen anderen Mann,
etwa einen Kardinal bezieht, von dem vorher die Rede war.
Bahlreich find die Klippen, die ſich einer tadellofen Wieder:
gabe der unendlich mannigjaltigen Gedanken entgegenftellen. Ob
etwas ſchön geſagt iſt, jelbit ob es richtig gelagt iſt, das iſt zu
gutem Teil Geſchmackſache. Aber je mehr wir miteinander über
die Fragen der Spracdrichtigleit verhandeln, deito geringer wird
die Anzahl der ftrittigen Punkte. Und jo bedeuten die Fortichritte,
die wir bei Wuftmann jeßt, da er wieder das Wort ergriffen hat,
in jo vielen Stüden finden, mehr alö die Bervolllommnung eines
Büchleins: diefe Fortichritte führen uns den Wert einer fachlichen
Kritik bejonders deutlich vor * und ſie laſſen uns voraus⸗
ſehen, daß troß der befannten Uneinigleit und Unfügiamteit der
Deutichen, troß der Verjchiedenheit der Sprachgewohnheiten bei
den bdeutichen Stämmen und trog der Biererei und Modejucht
vieler Scyriftiteller die Neiniqung und Negelung*) unſerer Schrift-
iprache, wie ſie unfer Verein anjtrebt, durch vereinte Kräfte all-
mählıdh erreicht werden wird.
Czernowitz. Th. Gartner.
Bücherſchau.
Hausding, A., Die Fremdwortfrage für Behörden,
Fachwiſſenſchaft und Gewerbe, nebſt einem Verdeutihungss
wörterbuch. WS Dentihrift bearbeitet. Berlin 1897. Karl
Heymanns Verlag. VIu. 194. 8° 1,60 Marf,
In die Reihe der Behörden, die in ihren Veröffentlihungen
und Erlaſſen ausgeſprochenermaßen die Reinheit der Sprad)e
*, Gewiß werden viele Leſer, namentlich Norbdeutiche, eins
einen der Behauptungen des verehrten Verſaſſers diejer Be—
Fass nicht beipflichten fönnen. Was er über das »Nuswärts-
effen«, den »Modejehlere des Gebrauches von wollte (ſetzen wollte)
ftatt des Imperf. Konjumft. (jegte), die feinen Lnterjcheidungen bei
sipielen« und »fich jpielen« und über einige andere Punlie jagt,
fann wohl faum Anſpruch auf allgemeine Anerkennung erheben.
Aber eine völlige Übereinitimmung in folden Fragen wird
ſchwerlich zu erreichen fein. Und darum müjjen wir audy der am
Schluſſe ausgeiprochenen Auffaſſung, als eritrebe der Sprachverein
geradezu eine Regelung unſerer Schriftſprache, widerſprechen.
Für dieſe Auffaſſung bieten die Satzungen des a. d. Sprachvereins
feinen Anhalt. Die Schriftleitung.
71
Zeitſchrift des allgemeinen beutfden Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 4.
72
pflegen und überflüffige remdausdrüde nah Möglichkeit vermeiden
wollen, ift neuerdings auc das Kaiſerliche Patentamt getreten
— eine hocherfreuliche Erſcheinung, die mit dem unlängſt jtatt-
gehabten Wechjel in der Oberleitung diejes Amtes wohl nicht ohne
urjächlichen Zuſammenhang ift und mehr und mehr zu Tage tritt.
Einen Beleg bierfür giebt auch die joeben eridienene, oben näher
bezeichnete Schrift des Mitgliedes des Kaiſerlichen Patentamts
N. Denablap, die, urjprünglich als Dentichrift für den engeren
Kreis der Amisgenoſſen beftimmt, fich im ihrer vorliegenden ers
weiterten Form am die ganze beteiligte Offentlichfeit wendet, vors
zugäweife an die techniſchen und gewerblichen Fachkreiſe und an
die große Zahl der auf diejen Gebieten auftretenden deutichen
Erfinder. 8 namentlih von diejen leßteren in undeutſcher
Sprache und undeutſchen Worterfindungen und Wortungeheuern
eleiftet wird, dafür bietet Hausdings vortreffliches Bud) eine
Fine von Beifpielen. Es iſt jehr begreiflich, wenn einem deut—
ſchen Manne dabei die Schamröte ins Geſicht tritt und er zur
Feder greift, um ſolchem Gebaren —— Und das
thut der Verfaſſer in einer ebenſo ſachlichen wie wirkungsvollen
und zugleich maßvollen Weiſe. Seine Darlegungen, die auch für
alle Behörden ohne Ausnahme beherzigenswert jind: daß amtliche
Kundgebungen allgemeinverftändlid und daher in gutem Deutſch
verfaßt fein follen, dab durd die Klarheit des Ausdruds die
Sicherheit des Rechts gefördert wird — »Stlares Recht, ficheres
Recht · —, daß zu diefem Zweck einerfeits eine Gleichmähigfeit
der äußeren Form bei behördlichen Kundgebungen, anderjeits die
thunlichite Neinhaltung der Spradie von ber gröhten Bedeutung
it, — dieſe Darlegungen entwidelt der Verfajjer Har und über:
zeugend und jtügt fie durch zahlreiche Vorlommniſſe feiner eigenen
Erfahrung und durd) einen zahlenmähigen Nachweis über die er-
Ichredende Häufigteit von Fremdwörtern in öffentlichen Betannts
madungen. Für die ummittelbare Verwendung beſonders wert:
voll ift der zweite Teil der Buches, ein Verdeutſchungswörterbuch
mit mehr als 6000 Fremdwörtern, in welchem en neun die
in der Fachkunde (Technit) und im Gewerbe, ſowie in den damit
im Bufammenbange jtehenden behördlichen Kundgebungen vors
tommenden Fremdwörter mit ihren Verdeutſchungen aufgeführt
find. Durchaus im Geiſte des allgemeinen deuiſchen Sprach—
vereind, der vorläufig unentbehrlidye Fremdansdrüde nidt ans
taften will, hat Hausding in feinem Verzeichniſſe bei jedem Bud
jtaben diejenigen Fremdwörter ausgeichieden und als »bi auf
weiteres beizubehaltende« aufgeführt, für die eine gute Verdeut⸗
ſchung zur Bei noc nicht vorhanden oder befannt ift. Freilich
will er jeine Scheidung nicht als unbedingt beſtimmend hinjtellen,
wie denn in der That diefe Grenze flüffig it und wohl auch nod)
large jlüffig bleiben wird. Wir begrühen und empfehlen Haus-
dings Arbeit aufs wärmfte und hoffen namentlich, daß fie für
die Fachmänner auf anderen Gebieten unferes wiljenichaftlichen
und wertthätigen Lebens den Anſtoß geben möge zu möglichſt
vielfeitiger Sammlung und Herausgabe von Verdeutſchungsver—
zeichniſſen auf den fo zahlreich vorhandenen Sondergebieten,
Berlins Friedenau. D. ©.
Eingejandte neue Drudjchriften.
Rudolf Hildebrand, Beiträge zum deutjchen Unter—
richt. Aus der Zeitfchrift für den deutichen Unterricht. Leipzig
1597, Teubner. 446 ©.
Das Buch enthält in jeinen über 70 Auſſätzen eine faſt un—
erjchöpfliche_ Fülle von —— und beſonders von Anregung
für jeden Deutſchen, der ſeine Mutterſprache lieb hat.
—— — — — — — — —
Und in
welcher Form! Kein Schein von Gelehrſamleit. Man lieſt eigent- |
lich gar nicht, man hört dem Wanne zu, der auch hier, wo er etwa
von metriichen oder grammatiichen Dingen jpricht, jo liebenswürdig
und gemitvoll ijt, wie als » Sonntagäpbilofoph« in feinen Tages
buchblättern, der überall in die Tiefe geht und im Sleinften und |
Unbeachteten, wie Kinderliedern, voltstümlidher Rede, Sprid-
wörtern, das Bedeutjame, Grohe, Allgemeine entdedt und zeigt. |
Alſo keineswegs etwa bloß fiir Leute, deren Sache der deutjche
Unterricht ift.
Eine beiondere Freude für die Mitglieder des Spracvereins it
Hildebrands Antwort auf die befannte Berliner Ertlärung. Dieje
Entgegnung, die obne jeden Anflug von Scyärie den Widerfinn
jenes veriehlten Unternehmens aus ihm felber aufderte, bleibt
immer lefenswert ala ein unübertrefflihes Meiſterſtück rubiger,
heiterer, bumorvoller Überlegenheit.
Berlin. D. Str.
Alfons Thieberg, Biedermaierd Wunderjame Er-
lebniſſe in Ravadolia. Bon ihm jelbft erzählt. Ein Hand-
büchlein für Anarchiſten und alle, die es werden wollen. Berlin
1896, Deutſche Schriftjteller-Genofjenichaft. 191 S. 8. 2M.
Beſchreibt die Abenteuer eines Schulmeiſters mit anardhijtiichen
Neigungen, der in den Anarchiſtenſtaat Ravacholia gebracht wird;
aljo ein Wert in der Art von Bellamys »Nüdblid«, aber
Doc wir haben es hier nur mit der form zu thun. Wenn ein
Bud) ſchon deshalb allein gut genannt werden muß, weil der Ber:
fafier fich bemüht, die Fremdwörter zu vermeiden, jo darf dem
vorliegenden dies Urteil nicht vorenthalten werden.
Bericht über den Zuftand der öffentlihen Armen:
pflege in Zittau. Zittau 1897, Böhm. 318. 8.
Velden Nupen es für die Umjepung unferer Bejtrebungen in
die That ftiftet, wenn jtädtiiche Behörden für unfere Zmweigvereine
gewonnen werden, läßt diejer Bericht aus Zittau erfennen, der
von dem dortigen Stadtrat Miegich entworfen und von deſſen
Setretär Peſchkau verfaßt iſt. Außer in einer alten Werords
nung it er ganz rein von Fremdwörtern und doch frei von Zwang
und Künjtelei.
Wilhelm Urminius, Im Schatten der Ludwigseide.
Köthen 1896, Dünuhaupt. 2. Aufl. 71 S.
Entwirft anmutende Bilder aus dem Leben Ludwigs von
Anhalt, jenes trefflichen deutſchgeſinnten Fürſten, der in der
trübſten Zeit Deutſchlands mannbaft für deutſche Art und Wohl:
fahrt eingetreten ijt und als Begründer und Haupt ber » Frudjt:
bringenden Geſellſchaft⸗ als ein Vorläufer des a. d. Sprachvereins
betrachtet werden fann. Die Spradye des Büchleins ift friich,
far und, wie man es bei einer Schrift über einen Förderer der
Spradjreinheit wohl erwarten darf, frei von überflüfligen Fremd»
wörtern.
Hans Kraemer, Deutihe Helden aus der Zeit Wil—
heims des Großen. Ernites und Heiteres aus der vaterländiichen
Geſchichte. Illuſtriert von erften Künstlern. Leipzig, Bong u. Co.
1. Lieferung. 208. gr. 8. Erſcheint in 15 Lieferungen Al!) 50 Pi.
Gelamtpreis 7,50 M.
Feſſelnd und in reiner Spradye gejchrieben und mit einem
ebenfo reichen wie vortrefflichen Bilderjchmude verjehen.
Karl Stejstal, Prof. Dr., Vorſchläge zur Ergänzung
und Berbejjerung der amtlich feitgejtellten Regeln für
die deutſche Rechtſchreibung. Als Manujkript gedrudt. Wien
1596, Manz. XX u. 76 S. kl. 8.
Hermann von Pfiſter-Schwaighuſen, Germanen—
Spiegel über alldeutſche Künnen und Sprachen. Wien.
15 ©.
Vertritt u. a. den Gedanken, die neuhochdeutihe Schriftipradje
»zum Sanffrite gefamter germaniicher Welt auszubauen. Zu⸗
gelaßen werde jeder germanifche, noc zwiichen Island und Tirol
gänge Ausdrud, jedes mundartlihe Wort, Dadurch jollte unjer
zufünjtiges Bereins- Mittel zugleich die denkbar reihite Sprache
aller Zeiten und Völler werden.e Wer aber joll jie verjtehen?
Derjelbe, Bortrag anlählic der Hauptveriammlung
des Bundes der Germanen zu Wien am 7. Julmondes
1896. Bien, Bund der Germanen. IV u. 286,
Eine begeijterte Verherrlichung des Germanentums, die aus:
flingt in der Mahnung: »Eigene Sprade, eigene Schrift, eigener
Bauſtil, und tuenlichit abweichende Landes-Tracht!«
ee.
Seitungsihan.
Aufſätze ufw. in Zeitungen und Zeitjchriften.
Die Brüder Grimm. — Caſſeler Tageblatt 5. 9. 96. umd
Primer, Brof. Dr, Was verdanten wir den Brüdern
Grimm? Frankfurter Zeitung 16. 10,96, (Schildern das
Leben und die Verdienfte der Brüder Grimm als Märchen
erzähler, Herausgeber des Wörterbuches und als Begrimder
ber deutjchen Witertums- und Sprachſforſchung.)
E. H. Kaffeler Spaziergänge — Kaſſeler Tageblatt uw.
12.7. 96. (Berfpottet u. a. Aufichriften wie » Entröe, diverse
Chosen«, die der Berfafier in Kaſſel gefunden hat.)
Die Endungen air, eur, ier. — Lothringer Zeitung, Meß
(Rr. 208) 8.9. 96. (Kurze Bemerkungen über den Ürſprung
und die Verwendung diejer Endfilben.)
2. Sh., Aus dem Gothaiſchen Sprachſchaße. — Blätter
für Gothatiche Heimatstunde 12.9. 96. (Emthält eine Reihe
von volfstümlichen Namen von Arzneimitteln.)
Die undeutihen Namen von Berlins Schauſtellungs-,
Bergnügungs- und Erfrifhungsitätten. — Deutiches
Lehrer - Familienblatt 27.7. 95. (Ein fräftiges Wort gegen
den ſprachlichen Unfug im der Neichshauptitabt. Eine
Befjerung, meint der Verfaſſer, ſei nur durch das Eingreifen
der Behörden zu erwarten.)
Johannes Zelter, Spradreite aus dem alten Rechts—
leben. — Koblenzer Bolfszeitung (Unterhaltungsblatt) 12.7.96.
(Eine kulturgeſchichtliche Plauderei, in der eine Reihe von
Wörtern und Wendungen wie »Borjtand, Aller quten Dinge
find drei, den Stab über jemand brechen, Helfershelfer« un.
aus dem alten Rechtsleben erflärt werden.)
Wißler, Dr, Die Fremdwörter im Deutſchen zur Zeit
des Humanidmus. — Neue Zürcher Zeitung 26. 10. 96.
(Legt dar, wie die deutihe Spradie durd die Vorliebe der
Humaniften für das Pateinifche entjtellt worden iſt, weist
aufs Luthers Verdienste in fprachlicher Beziehung hin und
beipricht die Latinifierungen der Berfonennamen, der Monate:
namen, jowie die in die verſchiedenen Fächer eingeführten
lat. Bezeichnungen.)
I Diiony, Das Fremdwort in Jugendſchriften. —
Rundihau auf dem Gebiete der Jugend- ujw. Yitteratur.
1. Jahrg. Nr. 1. (Wendet ſich bejonder® gegen die große
Anzahl überflüfjiger Fremdwörter in der Lobedanzichen
Überjegung von Anderfens » Märchen für die Kindertuben«.)
Der Kurialſtil. — Kieler Zeitung 23. 10, 96. (Beipricht die
Vereinfahung des jo oft, aber leider fait ohne Erfolg ver-
ipotteten behördlichen Stiles, über den in lepter Zeit in den
Minifterien vielfach verhandelt worden iſt.)
Bildelm Streitberg, Prof. Dr., Über Spradridtigteit. —
Frankfurter Zeitung 4. 11. 96. (Verf. wendet ſich zumächit
gegen Buſtmanns Auffafjung des »Ridhtigen« in der Sprache
und deſſen Feindjeligfeit gegenüber allem Neuen, beſpricht
die allmähliche Umbildung der Sprache, die es mit fich bringe,
daß es feine für alle Seiten feititehende Grammatik giebt,
und redet der Freiheit der Spracentwidiung das Wort.)
Die Schriftleitumg (GroßsFichterfelde bei Berlin, Drale—
ftraße 3) itellt den Lejern der Zeitfchrift die oben und
früher bier aufgeführten Aufſähe ufw. gerne leihweije
zur Verfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Berlin-Eharlottenburg. An feinem Bortrage am 15. März
über die $remdmwortfrage für Behörden, Fachwiſfſenſchaft
und Gewerbe führte Ingenieur A. Hausding aus, daß die
Hauptbedeutung der Fremdwortfrage für die Behörden und für
die mit dem Erwerbsieben in engem Zuſammenhange jtehenden
Fachwiſſenſchaſten in der nötigen Allgemeinverjtändlichfeit der
amtlichen Verfügungen und öffentlichen Nundgebungen liege. Auf
Grund der deutichen Berufs- und Gewerbezählung wurde ſeſt—
geitellt, dai volles Verftändnis der gebräuchliden Fremdwörter
nur etwa bei 5 v. H. derjenigen zu erwarten jet, für die ders
artige Veröffentlihungen bejtimmt find. Aus diefem Grunde
müßte die qrundfäpliche Vermeidung aller entbehrlichen Fremd—
wörter im öffentlichen Verfchre gefordert werden. Dasjelbe gelte
aber auch von der Sprade der Faächwiſſenſchaften, denen faſt
ausnahmslos qute deutiche Fachausdrücke zur Verfügung jtänden.
Die jogenannte »internationale« Sprache der Wifjenjchaft fei Un—
ſinn und bedürfe einer ernjten Widerlegung nicht; auch erwärme
ſich fein anderes Volk dafür, ausgenommen böchjitens dann, wenn
die Entjcheidung zu Gunjten feiner eigenen Sprache ausfiele.
Glüdlichermeife jei ebenjo wie bei den Bebörden auch bei den
Männern der Willenichaft vielfach) ein fräftigeres Sprachbewußtſein
erwacht. An einer Neihe von Beifpielen zeigte der Nedner, daß
73 Zeitfgrift des allgemeinen deutfhen Sprahpereine, XI. Jahrgang. 1897. Nr. 4. 74
der Gebrauch felbit vermeintlich begrifisflarer Fremdwörter
bäufig Mifveritändnifje und erhebliche Schädigungen erworbener
Rechte veranlaht. Das Fremdwortübel habe aber auch die be-
bentlihe Folge, daß durch die ftetigen Anleihen bei fremden
Spradien, wenn «8 fih um die Bezeichnung neuer Gegenftände
oder Begriffe handle, die deutiche Sprache in ihrem Wortſchatze
berarme und in ihrer Entwidlung gehemmt werde. Bei der
Bildung neuer deuticher Ausdrüde Yale man ſich nicht jo ängſt⸗
lid; an eine genaue Überſezung des Fremdwortes halten und
nicht erwarten, daf das deutſche Erſatzwort gleich von vornherein
jämtliche Begriffe enthalte, die man im Laufe der Zeit in das
fremde gelegt habe. Herr Hausding erinnerte dabei an den Aus—
ſpruch Leifinge: »Was die Lefer vors erfte bei dem deutſchen
Erfagworte noch nicht denken, mögen fie ſich nad) und nach zu
denfen gewöhnen.« Zum Schluſſe wurde der Vorſchlag gemacht
und von den Berfammelten als zwedmähig begrüßt, innerhalb
einer Behörde, wen möglich des Patentamtes, in dem ſich Fach—
wiſſenſchaft, Handel und Gewerbe vereinigen, die Bildung eines
Spradausjhufjes anzuregen, der auf die deutjche Benennung
wiſſenſchaftlicher und gewerblicher Neuerungen hinzuwirlen und
Anfragenden geeignete Vorjchläge zu machen hätte.
Braunihweig. Der Verein beſchäſtigte ſich in feiner Gigung
am 18. März hauptiächlich mit dem in der vor. Nr. d. Zeitfchr. ver-
öffentlidyten Auflage des Univerjitätäprofefiord Dr. Pietſch über
die Sammlung deutjher Vollswörter. Bei der lebhaften
Anteilnahme der Verfammelten für den Begenftand wurde es für
zwedmähig erachtet, einen Ausſchuß zu wählen, der einen Blan
über die Art der Arbeit zu entwerfen und einen Aufruf zu er-
— hat, durch den zur eifrigen Mitarbeit aufgefordert wer—
en joll.
Breslau. Am 15. Februar redete Major z. D. v. Leutſch
in Anlehnung an Julius Erlers befannte Schrift über die Rein—
heit, Nichtigkeit, Deutlichleit und Schönheit der Sprache im
neuen bürgerlihen Gejegbuche und wies überzeugend nadı,
daß in diefem namentlich durch Reinheit der Spradye ausgezeich
neten Werle dem deutichen Spradjvereine ein nicht zu unter:
ichäpender Bundesgenofje erjtanden jei. Am 8. März beiprad)
Prof. Neumann Kleinpauls Büchlein, Das Fremdwort
im Deutichen, und rühmte ebenfo die wiſſenſchaſtliche Behand:
fung wie die überfichtlihe und Mare Darftellung.
Gzernowig. Am 6. März hielt der Landesichulinjpektor
Dr. Karl Tumlirz einen Vortrag über den Seelenglauben
der Germanen und zeigte, daß mande Züge der vordrift
—* Lebensanſchauung noch in Vollsſitie und Aberglauben
ortleben.
Dresden. In der Februarſihung machte zunächſt Profeſſor
Dr. Dunger auf das Spalte TO/L dieſ. Nr. beſprochene Buch von
Hausdding aufmerkam und empfahl es angelegentlichit. Sodann
ſprach Brof. Dr. Adolf Müller über die Fremdmwörterjudt
von Herman Grimm und Theodor Mommſen, die naments
lich bei Grimm, ald dem Sohne Wilhelms und dem Nefien
Jalob Grimms, merkwürdig berührt. Einige Beifpiele aus den
Werfen Herman Grimms teilte der Nedner in Gegenjaß zu den
trefflichen Auslajjungen feines Oheims in dem Aufjape über das
Pedantiſche in der deutfchen Sprache und in der Borrede des
deutſchen Wörterbuches, worin mit feınigen Worten gegen die
ichmähliche Sprachmengung und Ausländerei geeifert wird.
Duisburg. Am 28, Februar veranftaltete der Zweigverein
einen von etwa 900 Perſonen bejucten Vollsunterhaltungsabend,
ber durch eine Anjprache des Vorſihers, Prof. Mehllopf, eröffnet
wurde, Dann jchilderte Lehrer Meyer-Marlau die Bedeutung
der Bollälieder, von denen eine reiche Auswahl durch Chöre
und Einzeljtimmen vorgetragen wurde. Der Abend fand jo großen
Anklang, daß der Verein beabfichtigt, im nächjten Winter mehrere
ſolcher Unterhaltungen zu veranftalten. — An der Hauptverfamms
lung am 19. März wurde der alte Vorjtand wiedergewählt.
Elberfeld. Oberlehrer Dr. Meiners hielt in der Februar:
fipung einen Vortrag über die deutihen Sprachgeſellſchaften
im 17. Rabrhundert, worin er bejonders die Fruchtbringende
Sefellichaft (oder Palmenorden) und die Deutichgefinnte —*
ſchaft behandelte. Er erörterte die innere und äufere Verfaſſung
der Gejellichaften und fennzeicnete ihre Thätigleit für die deutiche
Spradye, namentlicy ihre Verdeutſchungen. Wie berechtigt auch die
iprachreinigende Bewegung jener Zeit war, jo verlief jie doch nad)
75
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Epradvereins. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 4.
76
etwa 70 Jahren im Sande, weniger infolge der Übertreibung und
der übermähigen Betonung von Huperlichteiten als wegen der Teil-
nabmlofigteit des Volles, in defien breiten Schichten es noch zu,
jehr an nationatem Gefühle fehlte. — Der Verein bat vor furzem |
in einer Elberfelder Zeitung eine Spradede errichtet, in der die
Hauptſprachfehler der örtlichen und der auswärtigen Preſſe bes |
ſprochen werden jollen.
Efſen. Die Hiefige Maler und Anftreicherinnung hatte ſich
an ben Zweigverein mit der Bitte gewandt, eins jeiner Mit-
lieder möchte bei Gelegenheit der Tagung des Verbandes der
aler» und Anftreicherinnungen Nheinlands und Wejtjalens einen |
für fie geeigneten Bortrag halten. Rektor Heinede, der dies
übernahm, ſprach nım dort über das Schilder: und Schau:
fenſterdeutſch. Ererläuterte an einigen Beiipielen den Unterichied
zwiichen Fremdwort und Lehnwort, jtreifte die verjchiedenen Eins ı
flüffe auf unfere Sprache und die jpradhreinigenden Beriuce
früherer Zeiten wie der Gegenwart und wies auf das vorbildliche
Vorgehen des deutichen Katjers und der Behörden hin. Ein—
gehend beleuchtete er dann die Beichaffenheit des Schilder: und
Scaufenfterdbeutih nach drei Befichtäpuntten: Fremdes, falſches
Fremdes, falſches Deutih — und bradyte verichiedene Mittel zur
Bejeitigung jener der deutichen Sprache und der Ehre des deut—
ihen Bolfes unmürdigen Zuftände in Vorſchlag. Zum Schluſſe
forderte er die Anwejenden auf, am ihrem Zeile dazu beizu:
tragen, dab die deutihe Sprade mehr und mehr alles fie
verumzierende Fremde abfege, und jo eine alte Erbſchuld des
deutihen Volkes abgetragen werde. — Rektor Heinede wurde ge:
beten, jeinen Vortrag in dem Fachblatte des Verbandes zu vers
öffentlichen. Huch die Vorſchläge des Redners fanden Zuſtimmung,
darunter der wichtigite, nämlich überall mit den Bweiqvereinen
des a. d. Sprachvereins, die durch Bildung von Austunftss
ausſchüſſen ihnen gern an die Hand gehen würden, in Verbin:
dung zu treten. Die Bildung eines ſolchen Ausſchuſſes vollzieht
ſich hier bereits. — Als Vorſiher des Zweigvereins richtete dann
Brofefior Dr. Imme noch einige Worte an die Verſammlung.
Er wies namentlich_darauf bin, daß jchon der nationale Anjtand
es fordere, in der ffentlichleit beſonders auf fich zu achten, und
daß für die richtige Beurteilung des heute hier noch berrichenden
Unmejens nicht die Eindrüde maßgebend fein fünnten, welche die
große Mafje unserer Erwachjenen davon empfinge, denn dieſe jei
ja leider durch die Macht der Gewohnheit ſtark dagegen abgeſtumpft.
Vielmehr hätten bier Fremde und ebenfo auch unſere noch friſch
empfänglihe Qugend ein weit richtigeres und unbefangeneres
Urteil, und gerade in ben Köpfen lernbegieriger Kinder, die auf
ihrem Wege zur Schule gern Leſeübungen anftellten, müfje das,
was ihnen da auf der Straße von fprachlichen Gebilden entgegen:
trete, vielfach eine arge Verwirrung hervorrufen. — Auf das oben
Mitgeteilte wies Proſ. Imme in der Februarſitzung des Zweig—
vereins bin. Alsdann ergriff Rektor Heinede das Wort zu dem
zweiten Teile feines Vortrages über die Eigenart der Schreibs
weile Jobannes Scherrs, wobei er zuerjt die Stühnbeiten, ja
Vergewaltigungen der Sprache erörterte, zu denen ſich Scherr
leicht verfteigt, und alödann die glüdliche Verwertung der Sprach⸗
mittel und die anjdjauliche Kraft gewiſſer Sprachbilder in feinen
Schriften.
Franffurt aM. An der Dantenfigung am 23. Februar
ſprach Oberlehrer DO, Bethge Über die Ausiprade erdfund:
liher Eigennamen. Er vertrat den Standpunft, den auch
Prof. Albert Heinpe in feinem Auffape über die Rechte der
deutichen Sprache im Bereiche erdfundliher Gigennamen (vgl.
Sp. WO— 214 und 225—232 d. v. Jahrg.) eimmimmt, daß
nämlich feineswegs danadı geitrebt werden jolle, fremde erdfund-
liche Eigennamen genan jo auszuſprechen, wie fie in der betref-
fenden Sprache lauten, daß vielmehr die jeit Jahrhunderten bes
ftehenden deutihen Namen fir ausländiiche Städte, Flüſſe uf.
beizubehalten feien.
Freiburg i. Br. An feinem Bortrage über das Recht
der Mundart in der Schriftiprade fam Prof. Heilig aus
Menzingen in der Jahresverfammlung im März zu dem Grgeb-
niſſe, daß eine vollfommen einheitliche Schrijtiprache ebenjowenig
durchführbar ſei, wie eine von jeder mundartlichen Fürbung freie
Ausſprache. Diejer Anficyt pflichteten die Anweſenden ihrer
Mehrzahl nad) bei.
Kaljel. Am 16. März veranjtaltete der Zweigverein einen
zahlreich beiuchten Unterhaltungsabend, an den Oberbibliothefar
Dr. Lohmeyer durch eine Anſprache eine Reihe muſilaliſcher
Vorführungen einleitete.
Leipzig. In der Märzſißzung wurden zunächit geichäftliche
Angelegenheiten (Wahl des Borflanded uſw.) erledigt. Dann
lenfte der jtellvertretende Vorſißer, Oberlehrer Dr. Beer, die
Aufmerkiamteit der Mitglieder auf das Buch von Hausding (vgl.
Sp. 701 d. Nr.) und ferner auf eine noch im Erſcheinen begriffene
dreibändige Sammlung aus allen deutſchen Wundarten von
€. Negenhardt. Auch wurde die frage erörtert, wie fich der
Verein an der Sammlung der Boltswörter beteiligen fünne.
Daran ſchloſſen ſich mundartlihe Borleiungen der Herren Pro:
—* Dr. Weinmeiſter, Rechteanwalt Dr. Peter und des Bor
ibers.
Linz. In der Jahresverfammlung wurden geidriftliche Ans
aelegenbeiten erledigt, nachdem Fachlehrer Bittinger ſich über
Leutbold und Greif als Lyriker verbreitet hatte.
Marburg a.d. Drau. Prof. Dr. Ägidius Naiz widmete
in der Märzverjammlung den Werten Gerhart Hauptmanns
eine eingehende Beſprechung. Daran fchlofien ſich Vorträge von
Gedichten (Frau Helene Kralik) und mufifaliihe Darbietungen.
Münden Im Februar jprad) das Mitglied des Geſamt—
vorjtandes IUniverfitätsprofefior Dr. Brenner aus Würzburg
über den Spradatla& des Deutichen Neihes, jenes ge
waltige Unternehmen, das fich das fait umerreichbare Ziel geitedt
bat, ein fartenmähiges Bild von der Mumdartenverteilung im
Deutjchen Neiche zu geben. An der Hand von Probelarten ſchil—
derte der Nedner die mühjelige Arbeit, der fich ſeit 20 Jahren auf
Anregung und unter Leitung Dr. Wenlers in Marburg zahlreiche
Forſcher, unterftügt von etwa 40000 Gehilfen im Volle, unter:
zögen, um verläffige Grenzen für jede ſprachliche Eigentümlichkeit
im Gebiete des Deutichen Reiches aufzufinden. Gr wies nad)
drücdlich auf die Bedeutung des langſam fortfchreitenden Wertes
bin, das wie fein anderes der bisherigen Hilfsmittel der Spradı-
wiſſenſchaft reihen und gefichteten Stoff bringe, in vielen Rich—
tungen ganz neue Gejichttpunfte für Verteilung, Wanderung
und Verſchiebung der Mundarten eröffne, vor allem für das
Weſen der Übergänge von einem Sprachgebiete zum andern. Prof.
Brenner gab jchliehlich feinem Bedauern Ausdrud, daß bisher
Reich und Einzelftaaten jich dem gewaltigen Werfe gegenüber
allzu fühl verhielten, obwohl mit geringeren Mitteln, als fie die
Erforjdyung des limes Romanus oder die Heritellung des the-
saurus linguae latinae erheiiche, der deutſche Sprachatlas der
Vollendung entgegengeführt werden lönnte. Er jprad die Hoff:
nung aus, daß audı hier wieder private Thätigfeit eine große
nationale Aufgabe löfen werde. — Am 8. März hielt Univerfitäts-
I profefior Dr. H. Paul einen Vortrag über Spradrictigfeit.
Münfter. In der Januarſißung wurde der bisherige Bor:
itand durch Zuruf wiedergewählt (Vorſiher: Univerfitätsprofefjor
Dr. 9. Andrejen, Schriftführer: Oberlehrer Linhoff).
Nürnberg. Der Borjiger, Lehrer und Scriftjteller Franz
Dittmar, fonnte in feinem Kahresberichte in der Haubtverlammt:
lung seititellen, daß die Mitgliederzabl im abgelaufenen Fahre
gewachien iſt, und daf auch die Beitrebungen des Bereins immer
mebr Förderung finden. — Zum Borfiger wurde Herr Dittmar,
zum Schafmeijter Poſtmeiſter Auguſt Schmidt gewählt,
Oldenburg. In der Januarſitßzung eritattete der Vorſitzer,
Pröfident von Müblenfels, den Rechenſchaftebericht. Zahlreiche
Zuſchriften ausmwärtiger Gäſte bei Gelegenheit der Hauptverjammt:
lung haben die hohe Zufriedenheit mit der Aufnahme, die fie bier
fanden, ausgedrüdt. Als Beleg wurde folgendes Gedicht Prof.
Erbes in Stuttgart vorgeleen:
Wir Schwaben Find ein eigen olk:
ir haben harte Nüpfe ;
Wir fingen gern und seinen germ
Nud tragen mehrfach Zopfe.
Wir difnen äußerit ungern mir
Ter Rede voltine Schleuſen;
To baben wir's fauftdid —
Und freudig jhtießen wir in's Herz.
Wer, treu dem Mel ergeben,
Teutich denkt und handelt, ”. und
pricht
In feinem ganzen Leben.
br lieben freunde in Oldenburg,
Ich alaub', ich tonnte zeigen,
Daß mande Zuge unſres Stamms
Sind auch den Frieſen eigen.
Drum war's jo woblig uns zu Wut
Pet Eurtes Urwalds Eidıen,
Und wenn ein tlictifcher Feind ihm droht, Traum Fam es ums fo fouer an
Dann jept «d Schwabenſtreiche. Aus Eurer Merk zu weichen.
Und find wir wirft uns verwandt
Durch unſer Geiſtesgaben,
Jieht fröhlich ſuüdwärts nädhes Jahr
Zum Wiederjehn in Schwaben.
Und ſchimpfen oft anf die - Steuern,
Die Sache ih aber nicht io jchlimmm:
Wir Stehen ſeſt uum Reiche.
77
Neltor Johannes Hat darauf in Berjen geantwortet. Nach
Wiederwahl des Vorſtandes beiprah Oberſt von Lettow—
Vorbed die Fremdwörter bei den Banken, und es wurde |
beichlofien, bei den großen Häuſern in Berlin Schritte zur Für:
derung der Sprachreinheit zu thun. Der Vorſchlag des Schulrats
Dr. Menge, die Oldenburger Preſſe um Überlaſſung einer
Spradede zu bitten, fand allgemeinen Beifall,
Plauen i. V. In den lepten beiden Sitzungen verhandelte
|
|
1}
der Verein iiber Dr. Gerbets Vorſchläge zu einer einheitlichen |
Schreibung der vogtländiihen Mundart und auf Anregung des
Vorſitzers Oberlehrers Dr. 9. Schuller über das — zur
Einführung in die deutſche Litteratur von Hentſchel, Hey und
non, ſowie über die deutiche Grammatil von Wilmanns.
NRatibor. In der Januarſitzung hielt Taubjtummenlehrer
Hofimann einen Vortrag über die Lehnwörter in der deut—
ihen Sprade. — An dem öffentlichen Vortragsabende am
28, Februar ſprach Oberlehrer Engemann über Aderbau,
Gewerbe und Handel der alten Germanen.
Stuttgart. In der eriten Winterverfammlung am 23. No—
vember v. J. berichtete Prof. Erbe über die Oldenburger Haupt-
verfammlung und dann über das Verdeutihungsheit » Die Schule«
von Dr. Scheffler, jowie über die Erlerihe Abhandlung über die
Sprache des bürgerlicdyen Geſetzbuches. — An der Berfammlung
am 11. März wurden zunächſt die Vorbereitungen für die Haupt:
verfammlung beſprochen, und hierauf beichäftigte fich der Vor:
figer mit der neuen Ausgabe der Spraddummheiten von
Wuſtmann, deſſen Berdienften er volle Gerechtigkeit widerfahren
ließ. An Einzelheiten übte er jedoch eine jcharfe Kritik; jo tadelte
er namentlich die hartnädige Nbwehr alles Neuen und Mundarts
lihen bei Wuſtmann.
Brieftaiten.
Herm Dr. G. ®...., Münden Zu der Brieffajtenant:
wort auf Sp. 47 d. v. Nr. betrefis des Wortes »Präparat«
teilen Sie und freumdlichjt mit: »Durh „Darjtellung‘ kann
das Fremdwort nicht wiedergegeben werden, da mit diefem Worte
bereit3 die Thätigkeit bei der Gewinnung eines hemijchen Prü—
parates bezeichnet wird. Leider wird jich kaum ein deutfches Wort
finden lafjen, durch weldes das Fremdwort in allen Fällen zu
erjeßen wäre. Oft fünnen die Wörter ‚Verbindung‘ oder ‚Slörper*
aushelfen, die in der That bäufig in chemifchen Abhandlungen
— werden. „Darſtellen‘ iſt für „präparieren* nicht üblich,
ondern man fagt vielmehr ganz allgemein darjtellen und her
jtellen, aber niemals präparieren, wohl deshalb, weil man unter
‚präparieren‘ vorzugsweile das Herjtellen anatomiſcher Präparate
veritebt.«
Herren P. C. . . . Elberfeld, W.R...., Bremen, &....,
Graz, 8.0.W...., Trieſt. Im Spredyjaale dief. Mr. werden
Sie cine Erörterung über das Wort » Gejchmeide« finden, die z. T.
die von Ihnen ausgeiprochenen Anfichten vertritt. — Die amtliche
(fogenannte Puttfameriche) Rechtichreibung, nach der ſich die Zeit—
Schrift richtet, bezeichnet die Schreibung —8 als zuläſſig. Da
dieſe Schreibung der allgemein üblichen Ausſprache entipricht, fo
ziehen wir fie der andern mit dem niemals hörbaren, aljo über:
flüffigen er vor, überlafjen aber, wie Sie aus die, Nr. erichen
fönnen, unfern Mitarbeitern die Wahl der Schreibung.
Schriftleitung der Eisleber Zeitung. Ihr thatlräftiger Ein-
fpruch gegen den Gebrauch des Wortes »Lentenarfeier« hat
hoffentlich noch in Ihren reifen gewirkt. Es iſt ein erfreuliches
Beiden für die Geſundung unſres Volles in jpradhliher Hinficht,
daf der gleiche Einspruch von vielen Seiten erhoben und aud)
beachtet worden iſt. Das große »Komite für die Gentenarfcier«
in Berlin freilich iſt »umentwegt« bei dem geliebten Kauderwelſch
verblieben. Mit vielem Geſchrei bot man in den legten Tagen
auf den Straßen Berlins das »offizielle Feitprogramm der
Gentenarfeiere aus.
Herrn &...., Ejjen. Sie erbitten Antwort auf eine did)
terifche Zuſchrift, deren letzte Zeilen lauten:
»Dft bat ein Stangenfparpel eine Spargelftange
Und eine Bohnenftange eine Stangenbohne,
© Ihr mir’a lohnt, vielleicht noch Übel Iohnet,
Vereindgwelg gleicht dem Zwelgverein im Hanne. «
Ja, was jollen wir demm beantworten? Wollen Sie nicht Ihre
Frage bejtimmt aussprechen?
78
Herrn Joh. W.. . . Apolda. Auf Ihre Verteidigung des
Ausdrudes »Thätigleitsworte für »Berbum« (vgl. Sp. 10) er=
widern wir folgendes: »Eine Strafe befommene tft ficher feine
Thätigfeit deijen, der die Strafe befommt; aber » Thätigteitäwort «
bezieht fich doch unzweiſelhaft auf die Thätigfeit des betreffenden
‘ Eubjeftes. Auch »faulenzen« lann jchlechterdings nicht ala Thätig-
leit bezeichnet werden, dem es ift ja — »Ilnthätigfeit«.
Deshalb
ericheint der Ausdrud »Thätigfeitswort« nicht zwedmäßig; man
müjte dann, genau genommen, von »Thätigleitd- und Zuſtands—
wörterne« ſprechen. Daß aud) »Zeitwort« nicht unanfechtbar ift,
bat Prof. Dunger jelbjt zugegeben. Entſcheidend muß bier die
Rüdficht auf Einheitlichkeit in der Benennung fein. Darum
verdient der gebräuclichite und, wie die Abjtimmung zeigt, am
meiften begehrte Ausdrud »eitwort« den Vorzug.
Henn N...., Hamburg. Der Gegenjag, in dem Ihre
beiden gefl. Einjendungen ftehen, hat uns ganz eigenartig be-
rührt. Auf der einen Seite ein deutſches Haus in Berlin, die
Herren Lichtenftein u. Co., die in Hamburg ihre Waren unter
der Bezeichnung »English Plated« und »Latest Novelty« anfün-
digen, und auf der andern ein engliiches Geichäft in Blaydon
(Rordengland), das, um jeinen deutjchen Hunden entgegenzu-
fommen, den wohlgemeinten, wenn auch mißglüdten Verſuch macht,
ein deutich abgefahtes Rundſchreiben zu erlafien. Uns erſcheinen
die allerdings ſehr komiſchen Verſtöße dieſes engliichen Hauſes
gegen die deutſche Grammatik lange nicht jo beilagenswert, wie
die » Anglomanie« des Berliner Geſchäfts.
HermW...., Berlin. Die Anzeigen der » Deutichen Wein
ftuben« in Berlin, Leipziger Straße 114, machen durd) ihre von
Fremdwörtern fajt ganz freie Spradye einen äußerſt wohlthuenden
Eindrud. Vielleicht entichlieht ſich der Wirt (oder Pächter?),
Herr Hugo Bomann, dazu, auch die mehrdeutige Bezeichnung
»Ofonome fallen zu lajjen und für »Spezialität« » Befonderheit«
zu jagen.
Ein deuticher Kaufmann, Magdeburg. Sie jchlagen als
Erjag für »Kechercheure (vgl. »Preisausichreiben der Auskunftei
Schimmelpfeng«, Sp. 39 u. 40 d. Jahrg.) das Wort » Bericht:
erftatter« vor mit der einleuchtenden Begründung Was wird
vom Rechercheur verlangt? Er joll Ermittelungen anstellen
und deren Ergebnifie berichten. Man nennt einen ſolchen Mann
im ganzen deutjchen Baterlande, in Handel und Wandel, im
parlamentarischen Wortihap und in allen Berufäarten einen
Berichteritattere. Wir werden dafür Sorge tragen, daß Ahr
Borichlag zur Kenntnis der Austunftei gelangt.
Henn Dr. D...., Zittau, und Herrn Proſeſſor W....,
Tübingen. Ihre gefl. Zuschriften beichäftigen jich ebenfalls mit
dem Worte Rechercheur, Sie empfehlen die Beibehaltung des
von der Auskunftei jelbit gebrauchten Ausdrucks »Nuhenbeamter
der Austunfteir. Damit wird Herr Schimmelpfeng jchwerlich zu-
frieden fein, da ja die Rechercheure nicht feine einzigen Aufen-
beamten find und ihm daran liegt, ein Wort zu finden (mit Recht
oder nicht, das mag dabingeitellt bleiben), das die Thätigfeit der
bis jept mit dem ——* Worte bezeichneten Herren jcharf
kennzeichnet. »Bertrauensmanne« hat vielleicht befjere Aus—
ſichten.
Herrn Apotheler H. Stitz, Halle. Aus Ihrem geil. Briefe
erſehen wir mit Vergnügen, daß Sie die Bezeichnung »Infaillible«
für Ihr Zahnmundwaſſer (vgl. Ep. 47 d. v. Wr.) durch ⸗»Unfehl—
bar« erießen werden, ſobald ſich Ihr Erzeugnis eingeführt hat.
Sollte die Zeit noch immer nicht gefommen jein, wo deutſche
Fabriken ihre Waren von vornherein deutfch bezeichnen fünnen ?
Herrn H. ©ch...., Eutin. Sie fühlen ſich in Ihrem »tiros
leriichen« Heimatsgefühl dadurd; empfindlich gefräntt, daß auf
Sp. 240 d. v. Jahrg. die Form »tiroliſch« jtatt »tiroleriich« ge⸗
braudt worden ift. Dazu haben Sie nun wirklich gar feine Ver—
anlajjung, und zu unjerer Verteidigung fönnen wir uns auf einen
Mann berufen, defien Sachkenntnis Sie wohl nicht anzweiieln wer—
den, auf den Profefjor an der Univerfität Innsbrud Dr. Wader-
nell. Here W,, der in Titeln einzelner feiner Werke die von Ihnen
angegriffene Form anmendet, fchreibt uns freumdlichit darüber:
»Ziroliich wird von Tirol, tiroleriſch von Tiroler abgeleitet. Beides
zu jagen ijt möglich, und beides jagt man, aber tiroliich iſt häufiger
und älter; alle Welt fennt die tiroliſchen Landftände, niemand die
tiroleriſchen. brigens haben fich ſolche Ableitungen von Orts:
namen ganz verjchieden ausgebildet. Niemand fpricht vom öfter
—
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spraqvereius. xu. Jahrgang.
1897. Nr. 4. 80
reicheriſchen Reichſstage, jeder nur vom öſterreichiſchen; ebenſo jagt
—— ſalzburgiſch, ſteiriſch, aber nicht ſalzburgeriſch, ſteireriſch, frei—
lich aber tärntmerifch und jchweizeriich.« Der Sprachgebrauch
entjcheidet eben, und zwar oft redyt willfürlid).
Herm Baitor 9...., Paderborn. Da für »conpieren«
bereits »durchlochen⸗ amtlich als Erfativort eingeführt worden iſt
und ſich gegen dieſes etwas Erhebliches nicht einwenden läht, hätte
»tnipjen« wenig Nusjiht, an die Etelle zu treten. Ob es aber
vielleicht als mehr volkstümlicher Ausdruck der täglidien Mede
nicht noch eine Zukunft hat, kann man nicht willen.
Frau Eh. 9.-Gr...., Marburg (Drau). Zu unferm Be-
dauern müſſen wir Ihre frage verneinen. Die reichsdeutſchen
Zeitungen — von ruhmlichen Ausnahmen abgejehen — ſprechen
genau jo wie Ihre öftreihiichen bei Gelegenheit der kretiſchen
Wirren von Gireulardepeichen,, Integrität, Autonomifierung, Paci-
fieation, Enunciation, Ultimatum, Sommation, Annerion uw.
Da muh man freilich ſattelfeſt in den Fremdwörtern fein, um
dieje dem »iInternationalen« Diplomatenkauderwelſch abgelaujchten
Kunftausdrüde zu verjtehen. Und wie leicht wären dafiir deutiche
Wörter einzufegen, wie aus den befannten Berdeutichungsmörter-
büchern (Dunger, Sarrazin, Sanders uf.) zu erfchen üt.
Herrn Aſſeſſor Sc. Naumburg Die Sammlung
von Fremdwörtern im preuhifchen Finanz⸗ und Juftizetat, die
Sie uns freundlichſt zur Verfügung jtellen, haben wir dem ge
ichäftsführenden Ausſchuſſe mit der Bitte überreicht, fie dem Finanz:
minijter v. Miquel, der ja Mitglied des Vereins it, zur geneigten
Beadytung zu unterbreiten. Bei der wohlmwollenden Koss nicht
nur des Finanz-, jondern aud des Juſtizminiſteriums unfern Be:
ftrebungen gegenüber zweifeln wir nicht, daß einzelne der Aus-
drüde im nächjten Jahre entfernt fein werden.
Geſchäftlicher Teil.
Mit ber Herausgabe des Berdeutjhungsheites »Die
Schule« hat der allgemeine deutjche Spradjverein einen höchſt
erfreulihen Erfolg zu verzeidnen. Das Heft war vom or:
figenden im Namen des Gejamtvorjtandes an die zuftändigen
Minifterien und Oberjchulbehörden der deutſchen Staaten übers
fandt worben mit der Bitte, es prüfen und gegebenenfall® den
unterfiellten Behörden und Schulen zur Anſchaffung empfehlen
zu wollen. Die vorliegenden Antworten lafjen, wenn der erbetes
nen Empfehlung aud) von mehreren Behörden als den herrſchen—
den Berwaltungsgrundjägen zumiberlaufend nicht entſprochen
werden fonnte, doc; überall das beiondere Wohlwollen erfennen,
mit dem das Berdeutichumgäheft von den mahgebenden Behörden
aufgenommen worden ift. Die meiften find der ausgejprochenen
Bitte auch injofern entgegengefommen, als jie das Heft den
unterjtellten Sculbehörden (Leitungen der Gymnaſien, Nealgynts
nafien, höheren Mädchenſchulen, Lehrerjeminare, Boltsfchulen
ujw.) zur Kenntnis mitgeteilt oder durch befondere Verfügung
darauf aufmerkam gemadt haben. Von einem Nbdrud der ers
gangenen Untworticreiben müſſen wir begreifliderweile aus
Mangel an Raum Nbjtand nehmen, möchten es uns aber nicht
verjagen, aus dem Schreiben des preußiſchen Herrn Kultuss
minijterd einige Säße mitzuteilen, weil jie eine jür die Beſtre—
bungen des allgemeinen deutſchen Epradjvereins ſehr erfreuliche
Anerkennung enthalten, deren Ausdruck gerade von diefer bedeut⸗
jamen Stelle aus dopbeltes Gewicht hat:
Ew. Hochwohlgeb. dante ich... . für die Zuſendung des Ber:
beutjchungsheftes »Die Schule«, von dem ich mit befonderer Ge—
nugthuung Kenntnis genommen habe... Ich bezweifle nicht,
daß . .. die mühevolle Arbeit, deren Ergebnis in der ‚Ber:
deutſchung der hauptſächlichſten entbehrlidien Fremdwörter der
Schulſprache! vorliegt, fich in weiten Streiien — meinen BWün-
ihen entſprechend — als anregend und für die Verbreitung
gut deutjcher Ausdrüde nüßlich erweiſen wird.«
Dieſer allfeitig entgegenlommenden Aufnahme entiprecdhend
ift dem auch die Nachfrage nach dem VBerdeutihungäheite bis
jept jo rege gewejen, daß in der kurzen Zeit feit dem Er—
fcheinen bereits die jtattliche Zahl von 18000 Abzügen ihren
Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Hervorragend beteiligt
iind Hierbei die Schulbehörden, wie denn beiſpielsweiſe der Ober:
ſchulrat für Elfahs Lothringen alsbald nach der Herausgabe
300 Abzüge zur Verteilung an die Büchereien der Vollsſchulen
des Reichslandes erworben hat.
Um 14. März d. 5. Kand in Berlin eine Sifung des Ge—
famtvorftandes jtatt, in der nachjtehende Beſchlüſſe von alle
gemeiner Bedeutung geiaht wurden:
1. Die Hauptverfammlung findet diefes Jahr zu Stutt-
gart am 7. und 8. Juni jlatt. VBorverfjammlung am
6. Zuni.
. Der Kafjeler Grimm-Geſellſchaft ward fir ihre Zwecke
ein Beitrag von 300 M. zugemwiefen. Zur Errichtung eines
Simrod-Dentmals in Bonn wurde eine Beijteuer von
200 M. beichlofjen.
3. Der Feſtausſchuß für das im Jahre 1900 beabfichtigte Na=
tionalfeft ſoll eriucht werden, dafür zu forgen, daß alle
Delanntmahungen, die fich auf diefes Feſt beziehen, im
gutem Deutſch erlafjen werden.
Der Antrag des in Sizilien weilenden Schagmeifters, Herrn
Eberhard Ernit, einen bejonderen Werbeausihuß einzujeßen,
wurde auf die Vorſtandsſihung in Stuttgart vertagt, um Herrn
Ernſt Gelegenheit zu geben, ihn jelbft zu vertreten.
Der Borfipende gedachte des vor kurzem dahingeſchiedenen
Profefjors Daniel Sanders, langjährigen Mitgliedes des Ge—
jamtvorjtandes, und die Anweſenden ehrten fein Andenken durch
Erheben von den Sipen. (Die Lebensarbeit des Verjtorbenen wird
in einem fpäter erjcheinenden Nachrufe in diefer Zeitſchrift ge—
würdigt werden. Die — —
Neue Zweigvereine find in Thorn unter dem Borjige des
Direftord der höheren Müädchenfchule Dr. Bernhard Maydorn
und in Neuftettin unter dem Borfife des Profeſſors E, Wille
gegründet worden.
10
Um die pünktlihe Ausgabe der Heitjchrift am erjten jedes
Monats zu fihern, erklärt die Schriftleitung, daß jie nur ſolche
Beiträge für die nächſte Nummer verwerten fanıt, die
ihon vor dem 15. des vorausgehenden Monats ein-
gelaufen find.
Briefe und Drudiaden für die Vereindleitung
find an den Vorfipenden,
Oberftleutnant 0.D. Dr. Mar Jahns in Berlin WW,
Dargoretenitrabe 16,
Dentehrahe und Drudiaden für die Seitieprift find an den Herausgeber, Dberlehrer Frledrich Wappenbans in Orof-Literfelde bei Berlin,
rale
Geldjendungen und © Veitrittöerflärungen (jährlider Beitrag 3 Wart,
—— Sa. und bie fonjtigen Drustichrifien des Wereins geliefert werden)
an afım
Bertagsbuchhändler — ba ah ee Ernie In Berlin W*,
Briefe und Bufendbungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profefjor Dr. Paul Bietih, Berlin W®, Mopfteabe 12
au richten.
Sir die Eopriftieitung verantwortiid): ltd: Brie —X Wapyenhans, q er. »2igterfelde. — _ Bertag des allgemeinen deutſchen Epradivereins (Jähns und Ernft), Berlin.
Drud der Buchdruderei des Waiſenhauſes in Halle a.d. ©.
DZeitchritt
XII. Jahrgang Ar. 5
Mai 1897.
alldemeinen deutſchen Sprachveseins
Begrünoel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diefe Heitigpeift erſcheim jährlich ziwölfmal, zu Anfang jedes Deomats,
und wich ben Witglledern des allgemeinen beutfchen Eprachverelnd unentgeltlich
geliefert Sahung U),
Die Belrihrift kann auch burd den Buchhandel ober die Poſt
zu BE. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch den Schapmelfier
Eberhard Ernft, Berlin W*, Wilkelmftr, 80. — Auflage 16000,
Anhalt: Heinrich von Stephan 7. Bon 9. Dunger. — Ein leuchtendeö Beiſpiel. — Gelee und — Von Clauſius.
— Her von Pfiſter-Schwaighuſen. Bon H.
Dunger. — Der Härkel.
Bon R. Jahnle. — Sprechſaal. — Zur Schärfung des Sprad;:
gefühlde. — Bücherſchau. — Zeitungd- und Beitferriftenichen. — Aus den Bweigvereinen. — Brieftaften. — Geſchäſtlicher Zeil.
Beinrich von Stephan F.
Am 8, April d. I. verfchied in voller Schaffenskraft
das erite Ehrenmitglied des allgemeinen deutjchen Sprach»
vereins, der Staalsjekretär des Reichzpoftamts Staatsminijter
Dr. Keinrich von Stephan. Das ganze deutfche Dolk, vom
Raifer bis zu dem einfachen Landmann in mweltentlegenem
Dörfchen, trauert an feiner Bahre. Denn alle haben dem
Manne zu danken, der das Verkehrsweſen Deutfchlands zu
einer nie geahnten Köhe emporgehoben hat, der durch Grün«
dung des WDeltpojtvereins ein MWohlthäter der Menjchheit
geworden iſt. Aber fein helles, meitfehendes Auge mar
nicht nur auf den Weltverkehr gerichtet; er halte auch ein
marmes fer; für unfere Mutterſprache, die er mie ein
Sprachgelehrter kannte und mit Mleifterfchaft handhabte.
Ihm gebührt das Verdienft, der Spradreinigung die
Bahn gebrochen zu haben, indem er bei der Neubear-
beitung der Poftordnung und der Poftdienftanmeifung i- I.
1874 und 1875 über 700 fremdländifche Ausdrücke durch ein«
heimifche erſetzte und dieſe Derdeutichungen in den amtlichen
Verkehr einführte. Ein kühnes Unternehmen zu jener Seit,
wo man zwar gegen das Welfchtum in Sitte und Sprache
mit orten heftig eiferte, aber weit davon entfernt war,
die Worte in Thaten umzuſetzen. Mit Bohn und Spott wurde
der damalige Generalpoſtmeiſter überſchüttet, als er den
Deutfchen zumutete, deutfche Wörter wie poftlagernd, ein
geichrieben, Sahrſchein, Behändigungsichein ftatt pojte res
ftante, recommandiert, Paffagierbillet, Infinuationsdokument
zu gebrauchen. Aber unbeirrt von folchem wüſten Gejchrei
ging Keinrih von Stephan feinen Weg meiter; mit über
legener Sach⸗ und Spradpkenntnis wies er in Rede und
Schrift, mit ernſtem Wort und treffendem Witz die uns
berechtigten Angriffe zurüc, und heute — denkt niemand
mehr an die alten kauderwelfchen Ausdrüce,
Das Dorgehen des deutjchen Generalpoftmeifters ift vor-
bildlich gemorden für die folgende Seit, Er hat gezeigt,
melcher Weg einzufchlagen tft, wenn man dem Sremdmörter.
unmefen mit Erfolg entgegentreten will. Don oben her muß
dem Übel gefteuert werden, wie es von oben her im die
Sprache eingedrungen ift. Die leitenden Areife müffen für
die Spradhreinigung gewonnen werden, Geſetzgeber, Beamte,
Schriftfteller, Gelehrte, kurz die geiftigen Sührer unferes
Dolkes. Sie haben in den Zeiten der Ohnmacht und des
politifchen Miedergangs die Überflutung unferer Sprache
durch Sremdmwörter verjchuldet, fie haben auch die Pflicht,
die deutfche Sprache wieder in ihr Recht einzufegen. Die
übrigen Kreiſe des Volkes werden von felbit nachfolgen,
mit um fo größerer Sreude, als fie fi niemals das Sremde
ganz zu eigen gemacht haben.
Aber auch noch in anderer Beziehung iſt ßHeinrich
von Stephan ein Wegweiſer fiir unfere Beftrebungen ge:
worden. Eingedenk der Mißerfolge früherer Sprachreiniger
ftellte er den Grundfat auf, daß nicht alle Sremdwörter ver.
deutjcht werden follten, fondern nur die entbehrlichen. Es
fiel ihm nicht ein, für Ausdrücke wie Poft vder Telegraph
nach einem Erſatzworte zu fuchen oder die fremdfprachlichen
Amtsbezeichnungen zu ändern. Aber bei Meueinrichtungen,
wie bei dem Sernjprechwefen, wo der fremde Ausdruch noch
nicht in den allgemeinen Gebraud; übergegangen war, da
ariff er raſch ein und verhinderte die Seftlegung eines neuen
Stremdmortes. Sein Grundfaß war, wie er felbft in einem
Auffage kurz und treffend fagt: »Spradhreinigung — ja!
Sremdmwörterhege — nein! ... es handelt fih gar nicht
darum, eine Sprache zu bilden, fondern eine vorhandene
herzuftellen, die entjtellt worden iſt.«
Deshalb wurde er, der anfangs von einer Dereinsthätig-
keit auf diefem Gebiete wenig Erfpriefliches erwartet hatte,
ı gar bald ein warmer Steund des allgemeinen deutichen
Spradvereins, als er fich überzeugte, daß blinde Reinis
gungsmut hier keine Stätte finde, daß echt deutfcher Sinn
und vaterländifche Begeifterung für die Mutterfprache die
treibende Kraft in diefem Dereine fei. »Die jegige Bewer
gunge, jo fchreibt er in demfelben Auffate, >ift eine allge.
meine, fie ift tief und nachhaltig. Eben hierdurch unterjcheidet
fie fih von ihren gefcheiterten Vorgängern. Jene hatten
mejentlich ein gelehrtes, rein ſprachliches Gepräge, — keinen
nationalen Charakter, Sie befchränkten fih auf einzelne
Sireife, jhon weil die Bildung keine allgemeine war. Sie
entbehrte des mwirkungsvollen Aintergrundes meltgeichicht-
licher Thaten. Die jegige Bewegung hat die ganze Nation
ergriffen: fie ift ein Erzeugnis des Volksgeijtes, naturmwiüchfig
und fittlich berechtigt.« Mit freudigem Danke nahm er daher
83 Zeitfhrift bed allgemeinen beutfhen Spradhvereind. XH. Jahrgang. 1897. Mr. 5. 84
die Ernennung zum Ehrenmitmitgliede unferes Dereins i. I.
1887 entgegen. Er verfolgte die Entwickelung des deutichen
Sprachvereins mit warmer Teilnahme, und als er vor zwei
Jahren bei feinem Amtzjubelfefte von dem Gefamtvorftande
feierlich beglüchmwünfcht wurde, da fchrieb er unter Dankes-
mworten zurüc: »Der allgemeine deutjche Sprachverein kann
demnächft auf fein zehnjähriges Beftchen zurückblicken. In
diefer kurzen Spanne Seit hat er fich durch fein Wirken
— perfer et obdura — raſch zu einem Sammelpunkte der
auf die Reinheit unferer Mutterſprache gerichteten Beftre-
bungen herausgeftaltet und der edlen nationalen Bewegung
bleibenden Rückhalt geſchaffen. Von fo berufener Seite meine
beſcheidene Thätigkeit an unferm gemeinfamen Werke aner-
kannt zu fehen, gereicht mir zur befonderen Genugthuung.
Seien Sie überzeugt, daf meine mwärmfte Teilnahme ebenjo
wie bisher dem weiteren Gedeihen des Vereins zugemendet
bleiben wird.«
Heinrich von Stephan ift den großen Männern, in deren
Gemeinfchaft er an der Gründung und Einigung des deutfchen
Reiches mitgearbeitet hat, in das Grab nachgefolgt. Der un-
ermüdlich thätige Mann, deffen Grundfat; war: Raſten ift
Roften, ift zur ewigen Ruhe eingegangen. Bei feiner Ber
ftattung legte im Auftrage des Gefamtvorftandes der Ge—
heime Baurat Sarrazin in Dertrelung des zu feinem
Bedauern verhinderten Dorfigenden einen Aranz am Sarge
des Beimgegangenen nieder. Aber ift er auch tot, jo wird
er doch in der Erinnerung des deutfchen Volkes fortleben
als einer der Beten und Tüchtigften aus der großen Seit
des jungen Reidyes, und mit befonderer Dankbarkeit werden
alle Sreunde unferer Mutterſprache feiner gedenken.
Ehre feinem Andenken!
Dresden. R. Dunger.
Ein leuchtendes Beilpiel.
Der Aufruf des deutſchen Kaiſers vom 22. März d. 9. »An
mein Heer«, durd; den die deutſche Kolarde bei allen deutſchen
Truppen eingeführt worden iſt, hat auch in ſprachlicher Be
ziehung eine jo große Bedeutung, daß mir uns nicht verfagen
möchten, ihn an diefer Stelle im Wortlaute mitzuteilen:
»An Mein Heer! Das Vaterland begeht heute feſtlich den
Tag, an dem ihm vor Hundert Jahren Wilhelm der Große
geſchentt wurde, der erhabene Herrſcher, welder nadı dem Wil
len der Borfehung das Deutfche Volk der erfehnten Vereinigung
zugeführt, ihm wieder einen Slaifer gegeben hat. Als feind-
licher Anfall Deutichlands Grenzen bedrohte, feine Ehre und
Unabhängigteit antaftete, fanden ſich die lange getrennten
Stämme aus Nord und Süd wieder; die auf Frankreichs
Schlachtſeldern mit Strömen von Heldenbiut befiegelte Waffen:
brüderichaft der Deutichen Heere ward der Editein des neuen
umſchließenden Bundes. Diejer Einigung ift das hehre Dents
mal, weiches die mit Ehrfurcht gepaarte Liebe des Deutſchen
Volfes feinem Großen Haifer, dem Vater des Vaterlandes,
heute widmet, ein erhebendes Zeugnis. Unauslöſchlich wird
diefe Feier eingezeichnet bleiben in allen Herzen, die für Deutfchs
lands Ehre und Wohlfahrt jchlagen, unvergeklid vor allen
denen jein, welche den jieggerönten Fahnen Wilhelms des
Großen gefolgt find und gewürdigt waren, das Werk feines
Lebens vollenden zu helfen. Eine befondere Weihe will Ich
diefem Jubeltage dadurd) geben, daß Mein Heer von nun an
auc die Farben des gemeinfamen VBaterlandes anlegt: das
Wahrzeichen der errungenen Einheit, die Deutſche Kokarde, die
nad dem einmütigen Beſchluſſe Meiner hohen Bundesgenofjen
in diefer Stunde ihren Truppen ebenfall® verliehen wird, ſoll
ihm eine für alle Zeiten fichtbare Mahnung fein, einzuftchen
für Deurfchlands Ruhm und Größe, es zu as mit Blut
und Leben. Danterfillt und voller Zuverficht ruht heute Mein
Blid auf Meinem Heere, denn Ich weih von ihm, dem bie
fürforgende Liebe des Großen Kaiſers von Seinen Zugendjahren
bis zu den legten Augenbliden Seines gottgefegneten Greiſen⸗
alters gewidmet war, dem Er den Seit der Zucht, bes Ger
horjams und der Treue, welcher allein zu großen Thaten bes
fähigt, als ein töftliches Erbe hinterlafien bat, daß es jeines
hohen Berufes immerdar eingedent jein umd jede Mufgabe, die
ihm anvertraut, erfüllen wird. Ihm bejtimme ich deshalb an
erfter Stelle das Dentzeichen, welches ch zur Erinnerung
an ben heutigen Tag geitiftet habe. Möge Jeder, der gewür—
digt ift, das Bild des erhabenen Kaiferd auf feiner Bnuft
zu tragen, Ihm naceifern in reiner Vaterlandsliebe und bin-
gebender Pilihterfülung, dann wird Deutichland alle Stürme
und alle Gefahren fiegreich beitehen, welche ihm nach dem Wil:
len Gottes im Wandel der Zeiten beichieden fein follten.
Berlin den 22. Mär) 1897. Bilhelm.«
Die » Kölnische Zeitung« widmet dem Taijerlichen Erlaſſe fol:
gende treffende Betrachtung: »Wer vermöge feines wijjenidaft-
lihen Berufes oder auc als Liebhaber der Sprachwiſſenſchaſt
daran gewöhnt ift, bei öffentlihen SKundgebungen neben dem
ſachlichen Inhalt aud der ſprachlichen Form feine Aufmert:
famteit zu wibmen, dem wird der... Aufruf des Kaiſers »An
mein Heer« einen nicht gewöhnlichen Genuß bereitet haben. frei:
lich zeichnen ſich die bei feierlihen Anläfien ergebenden Kund—
gebungen der preußiſchen Könige wie die der drei erſten deutichen
Kaifer Schon jeit mehreren Jahrzehnten ebenfo durd) eine Hare
und ſchöne wie durch eine reine Spracde aus. Gleichwohl Tiegt
unjered Wiſſens bier zum erftenmale ber Fall vor, daß fi in
dem ganzen, ziemlich umfangreichen Aufrufe — abgejehen ſelbſt⸗
verjtändlich von dem einmal vorlommenden Worte »Kolarde« —
auc nicht ein einziger undeutjcher Musdrud findet. Daß
bier nicht etwa blinder Zufall gewaltet hat, fondern daß bewußte
Abſicht und, wie angenommen werden darf, die Mbficht einer
ehrenden beutichen Kundgebung fir den erjten deutichen Kaiſer
vorliegt, darüber fann feiner im Zweifel fein, der die Verhält:
nifje und Erſcheinungen auf Iprachlichem Gebiete mit einiger Auf⸗
mertſanileit zu beobachten pflegt. Und wer etwa zweifeln follte,
dem empfehlen wir, irgend eine der zahlloſen Feſtreden aus den
jüngjtverflofjenen Jubeltagen zu lefen, in denen es, aud) in ben
ſprachlich reinften, naturgemäß wiederhallt von »nationaler« Be—
geifterung, »patriotiihem« Denken und Fühlen, von den »idealen«
Gütern der »Natione, von unjerer herrlichen »Armee« ufm. Bon
allen diefen Dingen handelt der Aufruf in diefer oder jener Form
auch, von den Worten aber — und es find dod wahrlich für
den Augenblid ebenfo nabeliegende wie harmloſe Fremdausdrüde
— hat er feind. ebenfalls wird man den Freunden einer reinen
deutſchen Mutterſprache ſchon gejtatten müſſen, ſich diejes von
ſolcher Stelle gegebenen Beiſpiels von Herzen zu freuen und da—
rin zugleich den wohlthuenden Ausdrud eines feſten deutſchen
Reiches, des die Fürſten und Völler Deutſchlands unauflöstich |
Selbſtgeſühls zu erlennen, das das Gute und Schöne auf heimat⸗
lichem Boden zu finden und in heimatlichem Gewande zu pfle—
gen weih.« *)
*) Daf die Leitung des » Armee» Berordnung&blattes« diefen
nadı Form wie Inhalt gleich deutjchen faijerlichen Erlaß in einer
»ErtrasNummer« veröffentlicht hat, ftatt dafür eine Sonber-
nummer zu veranftalten, wollen wir ſelbſtverſtändlich nicht etwa
einem Mangel an deutfchen Selbſtgefühl, jondern vielmehr einer
veralteten deutichen Angewohnheit zufchreiben, mit der nachgerade
wohl gebrodyen werden fünnte. Die Schriftleitung-
85 Zeitfhrift ded allgemeinen deutfhen Sprachvereius. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 5. 86
Gejehe und Formulare.
Dak es möglich iſt, ein Geſetzbuch in gutem, leichtverfländ-
lichem Deutſch zu fchreiben, ift wohl jchon früher befannt gewejen,
bejonders ſeit Erlaß des auch hierin trefflichen Deutſchen Handels-
geſetzbuches. Wie jehr aber ein Geſetzbuch durch eine ſchöne
Sprache gewinnt, ijt niemals jo jehr hervorgetreten, als in dem
Gegenjage zwijchen dem erjten Entwurf unjeres Bürgerlichen Ge—
fepbuches und der Fafjung, in der es nachher an den Reichstag
gebracht und von diefem angenommen worden iſt.
Dem nahdrüdlichen Verlangen vieler Gleichgefinnter verdanlen
wir die Verbeſſerung der Sprache des erjien Entwurfes, und
diefes Verlangen wäre ſchwerlich jo kräftig bervorgetreten, wenn
unfer Spracdigefühl nicht in den legten Jahren, und nicht zum
wenigften durch dad Wirken des deutſchen Spradjvereins, empfind:
licher geworden wäre. Daß die ſprachliche Verbefierung des Ent-
wurfes fo trefjlich ausgefallen ift, wird hoffentlich die Folge haben,
dak die Anfprüche auch bei fünftigen Gefeesarbeiten fteigen. Es
ift nicht zuviel gefordert, daß die Negierungen jedes Reichs- und
Landesgeſetz, bevor fie ed der Vollsvertretung vorlegen, einer
gründlichen ſprachlichen Durchſicht unterwerfen, und daß auch bie
Volfövertretungen an Zufäpe und Mbänderungen, die
aus ihrer Mitte hervorgehen, vor der legten Lejung die Feile
anlegen. .
An Gefepen, die einmal in Kraft find, wird dagegen jo leicht
nichts zu ändern fein, höchſtens daß fie bei Gelegenheit umfang-
reicherer inhaltlicher Änderungen einer erneuten Durchficht unter:
zogen würden. Es ift aber jchon viel erreicht, wenn in ben Ur—
teilen, Beſchlüſſen, Verfügungen, Anordnungen und öffentlichen
Bekanntmachungen, in denen die Geſetze zur Anwendung kommen,
eine gute Spracje gebraucht wird. Denn fast nur auf diefe Weije
fommen die Laien mit den Gejegen in Berührung. Für viele
diefer Fälle find aber Formulare geihaffen, die den Behörben
die Arbeit erleichtern jollen.
Nun wird aber jeder praftifche Juriſt die Erfahrung gemacht
haben, dab alles, was gebrudt an die mit den Gerichtsbehörben
verfehrende Bevölkerung kommt, gar nicht oder nur obenhin ges
leſen wırd. Woher das fommt? Beil die Formulare den häufig
ſchwer verftändlichen Inhalt der Geſetze wörtlid) übernehmen. Die
Formulare bedienen fich, mit einzelnen löblichen Ausnahmen, einer
Sprade, als wendeten fie ſich nur an juriftifch durchgebildete
Berfonen.
Statt viele Beifpiele aufzuzählen, genügt wohl folgendes eine:
Das Preußiſche Zwangsvollitredungsgefep vom 13. Juli 1883
enthält die Borichrift, da bei ber Zwangsverfteigerung eines
Grundjtüdes vor allen Hhpothefengläubigern befriedigt werben
folle dad Gefinde, das auf dem Grundjtüde gearbeitet bat, für
feine Anſprüche an Lohn uſw. aus der lepten Zeit. Und wie
erhält das Gefinde Kenntnis von diefem Rechte? Mn der Gerichts—
tafel, meift aud) an der Gemeindetafel wird der Verſteigerungs—
termin ‚mit folgender wörtlich aus dem Geſehe genommenen all:
gemeinen Aufforderung befannt gemacht:
»Alle NRealberechtigten werben aufgefordert, die nicht von
ſelbſt auf den Erfteher übergehenden Anfjprüche, deren Bor:
handenfein oder Betrag aus dem Grundbuch zur Zeit der Ein-
tragung des Verfteigerungsvermerls nicht hervorging, inöbejons
dere derartige forderungen von Kapital, Zinfen, wiederlehrenden
Hebungen und Kojten, fpäteften® im Verfteigerungstermin vor
der Aufforderung zur Abgabe von Geboten anzumelden, und
falls der betreibende Gläubiger widerspricht, dem Gerichte glaub-
haft zu machen, widrigenſalls dieſelben bei Feſtſtellung des ges
ringjien Gebotes nicht berüdfichtigt werben und bei Verteilung
des Haufgeldes gegen die berüdfichtigten Anjprüce im Range
zurüdtreten.«
Dem Nechtägelehrten ſchon, dem doc in diefer Beziehung vieles
zugemutet wird, macht der fchiwerfällige Saß feine Freude. Dem
gebildeten Nichtjuriften wird er Anlaß fein, ciligft feine Sache
dem Rechtsanwalte zu übergeben. Nun jtelle man fid) aber vor,
mit welchem Beritändnis ein Bauernfnecht den Satz leſen wird!
Ja er fommt nicht einmal über das zweite Wort hinaus. Denn
wober joll er wifjen, was für eine Art von Menſch ein »Meal-
berechtigter« ift, und daß er felbft zu dieſer Klaſſe gehört?
Um dem Vorwurfe zu entgehen bier nur Kritik geübt zu haben,
will ich verjuchen Grundfäße aufzuftellen, nad) denen derartige
Formulare abzufafjen find, und fie an einem nicht zu einfachen
Beifpiele erproben.
Das iſt um fo leichter, als ich fie im wejentlichen Formularen
entnehmen fann, die bereit? im Gebrauche find, die aber leider
zu wenig al® Borbild gedient haben.
Allerdings wäre es beim Entwerfen von Formularen zwedlos,
ſich vorzunehmen, auch ganz Ungebildeten die Sache Har zu machen.
Denn mit einem gewiſſen Grade von Bejchränftheit verbindet fich
regelmäßig eine große Gleichgiltigkeit und Denlfaulheit. Aber es
fafjen fi) doc wohl zwei Aufgaben verbinden: 1. mit wenigen
knappen Säten auch die geiftig geringer Begabten auf die Haupt:
ſache hinzuweifen, wenn fie dadurd; nur aufmerkſam werden und
ſich weitere Aufllärung bei den Behörden holen, die biefe ihmen
gerne geben; 2. räumlich getrennt oder durch andern Drud unter:
ſchieden, die gefeplichen Beſtimmungen, die nach dem Gejepe jelbit
oder nadı dem Zwecke des Formulars mitzuteilen find, in einer
Form zu bieten, in der fich feine ſprachlichen Schwierigfeiten mehr
finden, jo da fie jeder verjiehen fann, der etwas nachdenken ge=
lernt hat.
Durd) diefe Trennung und die gleichzeitige Bezugnahme auf
die genaueren Bejtimmungen im zweiten Teil erhält man für den
erften, den gemeinjahlichen Teil, große Freiheit in der Aus—
drucksweiſe.
Nehmen wir als Beiſpiel die Bekanntmachung des Verſteige—
rungstermines, deren bisherige Faſſung oben mitgeteilt iſt, und
die allerdings gewiſſe Schwierigleiten bietet. In ihr würde den
Anfang folgende gemeinfahliche Aufforderung machen können:
Wer glaubt, aus dem Erlöje der Grumditüde, die zur Ber:
fteigerung fommen, etwas beanfpruchen zu dürfen, muß dies
rechtzeitig beim Gericht anmelden, unter genauer Angabe der
geforderten Beträge.
Insbeſondere gilt dies für den Lohn, das Koſtgeld und
andere Dienjtbezüge, die das Gefinde, das zur Bewirtſchaftung
der Grundſtücke gehalten worden ift, noch zu fordern hat.
Ber das Eigentum an den Grundftücen für fih in An—
ſpruch nimmt, muß bei Gericht fo zeitig die Einftellung des
Verfahrens beantragen, daß dieſe noch vor Schluß des Ver—
ſteigerungstermins erfolgt. Andernfalls kann er nad) dem Zu⸗
ſchlage nur noch auf das Kaufgeld Anſpruch machen.
Im übrigen wird auf die umfeitig mitgeteilten genaueren
Beitimmungen vertiefen.
Das genügt für den gröhten Teil der Lefer. Für Berfonen, die
der Sache mehr Aufmerkſamkeit widmen wollen, fünnten ſodann
die »genaueren Beſtimmungen⸗ die im Geſetze vorgefchriebene
Aufforderung folgendermaßen zerlegen:
Die Nealberechtigten müfjen fpäteftens im Werfteigerungs-
termine, und zwar vor der Mufforderung zur Abgabe von Ges
boten, alle Ansprüche anmelden, deren VBorhandenfein oder Be-
87
trag nicht bereitd am... (Tag und Stunde) ... aus bem Grunds
buch hervorging, inäbefondere alle Forderungen an Kapital,
Binfen, wiederfehrenden Hebungen ober Koften. Dieje Ans
iprüche miüfjen dem Gerichte glaubhaft gemacht werden, fall®
ihnen der bie Verjteigerung betreibende Gläubiger widerfpricht.
Andernfalls werben fie bei Feſiſtellung des geringiten Ges
botes nicht berüicjichtigt und treten bei der Verteilung des
Kaufgelbes gegen die berüdfichtigten Anfprüche im Range zurüd.
Anſprũche, die von ſelbſt auf den Erfteher übergehen, wie
3 B. Grundgerechtigfeiten, brauchen nicht angemeldet zu werden.
Diefe Faſſung wird wohl auf mehr Verftändnis rechnen fönnen,
als die biäherige. Nur mühte der Bollftändigfeit halber noch mit-
geteilt werben, wer zu ben Realberechtigten gehört. Wuch könnte
das Wort »realberechtigt« durch dem ebenjo gebräuchlichen Aus—
drud »dinglidberechtigt« oder durch das erflärende Wort »grunds
ſtücksberechtigt · erfept werden, ohne daß man befürdten mühte,
durch diefe Abweichung von dem gefehlichen Ausdrude Verwirrung
bervorzurufen.
Für die Hier vorgeſchlagene Faſſung ber Formulare beftcht,
wie gejagt, jchon ein Vorbild und zwar in ber in Preußen be—
nußten Bormundsbeftalung, doc) ift aud) hier der Geſetzeswort⸗
laut felbft mit feinen teilweife verwidelten Sapbildungen auf:
genommen.
Simmern. Elaufius.
Betr von Pülter-Shwaighufen.
In einer anerfennenden Beiprehung des Wulfila von W. A.
Bade in Nr. 2 unferer Zeitſchrift S. 24 habe id; bemerkt, daß es
ſich nicht empfehle, gotifche Sprachproben in Edjcrift und mit
großen Anfangsbuchitaben jegen zu laffen, weil es große Anfangs
buchftaben weder im Gotiſchen noch überhaupt in altdeuticher Zeit
gegeben habe, umd weil bei Anwendung der Edichrift die Länges
zeichen wegfielen, die für das Berftändnis von Wichtigkeit wären.
Diefe Bemerkurm bat den Zorn des Herrn v. Piifter-Schwaig-
hufen erregt, der ſich in der Mprilnummer der Zeitichrift ⸗Heim—⸗
dall« in folgender Weije darüber äußert: »Wer den Mangel an
Tonzeichen in Zaches Ausgabe rügt, weiß entweder nicht, daß es
folche im Gotiſchen nicht gab und man für gewöhnlich (?) auch
feine anwendet, da nur o und € immer lang, a, i, u immer
kurz (N; oder aber er ift ein böswilliger Nörgeler wider befjeres
Bifien.e Herr von Pfiſter jcheint die Schrift Zaches leider nur
oberflächlich angejeben zu haben. Denn jelbjt dort fteht auf S. 16
ausdrüdlich, daß ed auch langes a und u im Gotiſchen giebt. Und
wenn er andere gotiiche Sprachlehren verglichen hätte, jo hätte
er gefimden, daß man fait immer die Längezeichen angewens
det hat. Er führt fort: »Und dies jcheint mir der Fall; denn
die weitere Bemängelung der Edichrift ift ebenfo untriſtig⸗; man
önnte nämlich auch über die Edjchrijt Längezeichen ſeßen. Ya
man fünnte —, aber thatſächlich ift es nicht geichehen. And
ebenfo ift e8 Thatfache, daß alle Bermanijten jeit Jatob Grimm,
den Herr von Pfilter ja immer feinen Lehrer nennt, fich der
Lateinjchriit für das Altdeutiche bedienen, auch Prof, Moriz Heyne
in Göttingen, auf den fid) Herr von Pfiſter befonders beruft.
Fa diefer geichäßte Gelehrte erflärt jogar ausdrüdlich in der Ein-
leitung jeiner Sauts und Flexionslehre der altgermaniichen Dia-
lelte: »Die gotiſchen Buchitaben find bei uns mit Necht durch die
bequemen und zureichenden lateiniichen erjeßt worden. «
Tropdem ſchließt Herr von Pfiiter feinen Herzenserguß mit fol:
gendem Sahe, der niedriger gehängt zu werden verdient: »Ent-
weder läge aljo wiederum jchimpflide Unkenntnis des Krittelers
Zeitfärift des allgemeinen dbeutfhen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897, Nr. 5.
88
oder übereinlömmlide Unwahrheit vor, bie man fange ber
im Lager jener Verräter an unferem Bolldtume ja
ihon gewohnt ift.e Herr von Pfiſter meint offenbar damit
die Anhänger der Lateinſchrift. Ich habe dem nichts hinzuzu⸗
fügen, als dab ih — Anhänger der Edſchrift bin. Freilich jämt
es mir nicht ein, deswegen Männer wie Jalob Grimm und Moriz
Heyne für » Berräter an unferem Vollstume« zu halten.
Dresden. 9. Dunger.
Der Därtel.*)
Wat ubfe Wehter") nühdig”) hann, nühdig für all ihr Lävven,
Verligren) fi en Panſiuhn, wi fi mem*) Weht begäffen,?)
Dat uß der Panfiuhn ens fühm®) un luter huhdüchſch plarrt ”)
Un nit emöhl*) den Härlel fahnt, met dem’t as Kent’) geicharıt.
Der Gromet“) lög em Bongert’') druh) —— woͤr en der
ahn,
Sihn Bahr!*) dä reef: »Flöck,“) Sehſfchen,“) loof! Mem Härtel
drop un dran!«
Dat Sehſchen ſäht: »»Mon cher Bapa, was für ein Ding ih dat?
ch weiß nit, was bu damit meinft; denn ich veritch nit platt!
n meiner ganzen Panfion hab nie dies Wort gehürt.««
»Bat?« fäht der Ahl.'') »Häß du dann dö ding Moderſpröch
verlihrt‘
?
Er rähnt ſuglich, rähnt, dat et klatſcht, * maach dich en dã
romet
Un ſcharr doͤmet, womet mer ſcharrt; dann Idmaat bir dä Klehn⸗
e öhmer!«'®)
Dat Sehfchen trippelt doͤ heruhß, en Härfel ftund vür der Gtuff,'")
Di Zäng nö buhßen*) tröt it drop, un mir nig dir nix, Pufl!
Do treds it ehnen an den Kopp m’em*') Still, dä fchloog nit fing.
»>Süh do, dä deuferjc)?*) Härkel!«« jäht dat Seh; doͤ lahnt it ihn.
Das Gedicht ift von Bincenz von Buccalmaglio, dem rheini
ſchen Geſchichteforſcher und Bolksjchriftiteller, der im Jahre 1876
als Motar und Juſtizrat in Örevenbroid) ftarb. Es fteht im Ans
bang (Beihau«) zu den plattdeutjchen Gedichten feines Bruders
Wilhelm Florentin, der unter dem Namen Wilhelm von Wald:
brüht ſchrieb. Die Sammlung ift nad) des Dichters Tode unter
dem Titel »Rhingicher Klaaf- (cheinifches Geplauder) 1869 in
Opladen erſchienen. Die dort gebrauchte Schreibung ift in dem
vorſtehenden Mbdrude genau beibehalten worden, nur die Zeichen:
fegung iſt hie und da verändert.
Elberfeld. Rihard Jahnte.
Sprechſaal.
Gründen — Vegründen.
Am Brieffaften der Febr. Nr. d. Zeitichr. (Sp. 29) ift meine
Anfrage betrefis der Frage »Öründen oder Begründen?« bes
antwortet. Leider kann ich aber nicht fagen, daß die Auskunft
mic) befriedigt oder meine Bedenten beſchwichtigt hätte, Es fcheint
mir fogar zweifelhaft, ob die Beiipiele, die aus älteren Schrift
jtellern für den Gebraud) von »begründen« im Sinne von »grün-
den« angeführt werden, wirklich zutreffend find. Ich finde wenig:
jiens, dab das Wort »begründene« in diefen Beilpielen keineswegs
notwendig die Bedeutung von »etwas Neues fchaffene hat, fon-
dem eher in dem Sinne von »etwas ſchon Vorbandenes fügen
*) Die —— Bei Gedichtes ift durch die den gleichen
Gegenſtand behandelnden Verſe von Friedrich van Hoffs (veral.
»Der Rechen« Sp. 40 d. Jahrg.) veranlaht worden.
Die Schriftleitung.
1) unfre Mädchen (Wichter). 2) nötig. 3) verlernen. 4) mit
einem. 5) begeben hat. 6) fam ſdurch Ri bezeichnet der Dichter
das ofine, nad) a hin Mingende o). 7) lauter bochdeutich ichwagt.
8) nicht einmal. 9) Kind. 10) Grummer (dad zweite Grad).
11) Baumgarten. 12) troden. 13) Negen ftand in Ausjict.
14) Vater. 15) flugs. 16) Kojeform für Sofa, Rofefine. 17) Alte.
18) ſchmeckt dir das Abendbrot. 19) Stube. 20) die Bühne aus:
wärts gelehrt. 21) mit dem. 22) verteufelt, verjlixt.
— nz
89 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchhen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 5. 90
oder beiejligen« aufzufaſſen iſt. In den Zuſammenſtellungen
»ſtiſtet und begründete, »bauen und begründen« iſt leßteres jo
gar geboten, wenn man nicht Tieck und Chamijjo eine nicht®-
ſagende Wiederholung (eine Tautologie) zur Laft legen will. Auch
lonnten Wieland und Goethe »ſich und ihre Leben« doch nicht
ſelbſt »gründen«, jonden nur »begründene d. b. befeftigen. Mit
gutem Grunde jagt daher auc) land: »dak ein Deutichland fich
begründe.«
Indefien, wenn ſich wirtlich einige Beiſpiele dafür auffinden |
ließen, daß anerfannte Sprachmeifter das Wort »begründen« audı
einmal im Sinne von »gründen« gebraucht hätten, verdiente Das
etwa Nachahmung oder liege fich damit das Beſtreben begrün—
den, von zwei Wörtern, die zwei verichiedene Begriffe ausdrüden,
das eine zu verdrängen und das andere für beide Begriffe unter-
jchiedölos zur Anwendung zu bringen?
Ach bin bisher der Anſicht geweſen, daß es ein Vorzug einer
Spracde ſei, wenn fie für jeden bejonderen Vrearifi aud einen
bejonderen beſtimmten Ausdruck bat, und daß man einen folchen
Vorzug zu wahren bedadjt fein jollte. Nun ift aber, wie id)
mich jehr gut zu erinnern weik, in unſerer Sprache, wenigiiens
während eines langen Zeitraums, etwa bis 1877 oder 1878, für
»von Grund auf neu errichten und fir die übertragene Bedeu—
tung »ins Leben ruſen- nur dad Wort »gründen« gebraucht
worden, während »begründen« auf die Bedeutung »mit Gründen
verſehen« (im eigentlichen und übertragenen Sinne: befejtigen und
rechtfertigen) bejchränft blieb. Und entiprach diefe Bedeutung
nicht volltommen der Bildung des Wortes, der Verbindung des
Stammworted mit der Vorjilbe »be«, die — aus »beie abge:
ſchwächt — etwas ſchon Borhandenes vorausfegt? Und wäre nicht
die Beibehaltung diejes beftimmten Sprachgebrauch? wünſchens—
wert? Wäre es nicht gerade des a. d. Sprachvereins Sache,
jedem der beiden Wörter wieder das ihm zufommende Gebiet ans
zuweiſen, anftatt die jet berrihende Mode, fie durcheinanderzu—
würfeln, mitzumachen? Oder jollen wir, um das quie alte Wort
»gründene wieder in jeine Rechte einzuichen, vielleicht warten,
bis die Herren »Gründer«, die am feiner Unbeliebtheit ſchuld
fein jollen, ſich auch in »Begründer« umtaujen und ihre Altien—
unternehmen nur noch zu »begründen« für zeitgemäß haften ?
Der Anfang dazu wird bereit gemacht.
Aachen. N. Diltben.
Sur Schärfung des Spracgefübls.
34) »Wer in die Vollen ans
edt, fojtet ein Glas Bier und
zählt die Kugel, nicht aber die
Kegel.« (Bon einem Kegelichub
in Leipzig.)
35) »Eaft an Caft in pracht⸗
voller Ausjtattung, echt euro:
päifch, reiht fich bier die Straße
entlang, bis weit auf das Trot-
toir feine Sitzpläße ausdeh—
nend.» (Mus einer Schilderung
der deutfchen Meerturnfahrt in
einer Zeitung, mitgeteilt von
Th. Matthias.)
34) Wer in die Vollen ans
et, zahlt zur Strafe ein Glas
Bier (Anecken in d. B. fojtet
e. G. B.); die Kugel zählt, aber
nicht die gefallenen Kegel.
35) In praditvoller Ausjtat-
fung, echt europätich, reihen ſich
bier Kaffeehäuſer die Strafe ent:
lang aneinander, bis weit auf
ben Bürgeriteig (die Gehbahn)
ihre Sigpläße ausdehnend.
Die Einzahl — »reiht ſich — feine Sikpläße ausdehnend«
ift nicht möglich, obgleich die Einzahl »Cafc« vorausgeht, weil
bei der Ausdehnung der Sitzplätze nicht an ein einzelnes Kaffees |
haus, jondern an die ganze Neihe gedacht werden foll,
36) »Die Idee, welde in
der Idee des Dichters lebt,
entipricht nicht ber Jdee, welche
man mit der für ein Kunſtwerk
geeigneten dichteriichen dee
verbindet.«e (Verdeutſchungs⸗
probe von D. Sarrazin, Bei:
träge zur Fremdwortfrage 1887
©. 110.)
36) » Das in der Seele des
Dichters lebende Bild entſpricht
nicht der Vorſtellung, welche
man mit dem für ein Kunſt—
wert geeigneten dichteriſchen
Vorwurf verbindet. «
Beweis für die Vieldeutigkeit mancer Fremdwörter.
Das zweimalige welche nicht ſchön; im zweiten Hall fit die
vollere Form welche bejjer als das ſonſt zu empjehlende be-
zügliche die, weil Fünf einfilbige Wörter darauf folgen.
37) »Am hieſigen Oymmafio
wird zum 1. Mprit die Stelle
eines wifjenfchaftlichen Hilfs:
lehrer vafant, melde mit
einem Gehalt von 1800 4 do⸗
tiert it. Bewerber um Diele
Steffe, welche die Befähigung
zum Unterricht in . . . den alten
Spradien für alle Klaſſen des
Gnmmajii nachzuweiſen vers
mögen, wollen ihre Zeugnifie
einreichen.e (Ankündigung eines
preuh. Magiſtrats vom 21. Okt.
1882.)
37) Am hiefigen Gynmaſium
wird zum 1. April die Stelle
eines wifienfchaftliden Hiljs-
lehrer& frei, die mit einem Ge—
halt von 1800 ,# verbunden iſt.
Bewerber um dieje Stelle, welche
die Befähigung zum Unterricht
in... ben alten Sprachen für
alle Klaſſen des Gymnaſiums
nachweiſen können, mögen ihre
Zeugniſſe einreichen.
Der Gebrauch der lateiniſchen Formen Gymnaſio, Gym—
naſii — veraltet; jetzt nur noch üblich bei Jeſus Chriſtus,
obgleich auch Hier vielfach die Form des erſten Falles für die
übrigen verwendet wird: mit Jeſus, vor Chriftus. Falſch: nad)
Chriſti, wie man oft lefen fan, ftatt nach Chriſti Geburt
oder nach Chriſto; bejjer: nach Chriſtus.
35) Auf der Tagesordnung
der am 11. Nov. 1896 abgehal-
tenen Sigung der Stadtverord:
neten von Salzwedel jtand als
Runtt 6: »Kenntnisnahme von
dem Schreiben des Bezirlsauss
ſchuſſes vom 26. v. M. betr, die
Abgabe einer Gegenerflänung
ſeitens der Verſammlung auf
den Antrag des Magiſtrats auf
Beſchlußſaſſing in der Mei:
nungeverichiedenheit zwiſchen
Magiitrat und Stadtverord-
netenverjammlung über die
Sclachtbofgebühren und den
Schlachthoſetat vom 12. v. Mis.
und Beſchlußfaſſung darüber.«
(Salzwedeler Wochenblatt.)
38)
Funtt 6: Beſchlußſaſſung über
ein Schreiben des Bezirksaus—
ſchuſſes vom 26. v. M., die
Schlachthof: Angelegenheit betr.
»Diefer Sap eignet ſich vor-
züglich dazu, auswendig gelemt
und raſch dreiunddreißigmal
hintereinander hergeſagt zu wer⸗
den.« (Sladderadatich, Brief⸗
laſten.)
Wie es ſcheint, liegt die Sache jo: Über Schlachthof-
Gebühren und Schlachthof-Haushaltplan find Magiſtrat und
Stadtverordnete uneinig geworden.
Der Magiſtrat wendet ſich
an den Bezirksausſchuß mit dem Antrag, darüber -Beſchluß
zu fafjen«.
einer »Begenerllärunge.
Hiergegen wenden fid) die Stadtverordneten mit
Darauf antwortet der Bezirflaus:
ſchuß am 26. Dft. mit einem Schreiben, das in der Sihung
der Stadiverordneten mitgeteilt und zum Gegenftand eines
Beſchluſſes gemacht werden Soll.
Aber wozu diefe Fülle von
Worten, dieje unerträgliche Häufung von Hauptwörtern? Die
Stadtverordnieten wiffen doch, um was es jich handelt.
30) » Die bereits erfchienenen
Lieferungen 1 und 2 haben
durch ihre Schönheit und
Bollendung das größte In—
tereſſe erregt; insbejondere
zeichnet ſich das Werk durch
39) Die bereits erſchienenen
zwei Lieferungen haben durch
ihre Schönheit und Gediegenheit
das gröfte Auſſehen erregt. ns:
bejondere zeichnet jich das Wert
durch feine erftaunliche Billig:
>
9
feit vor anderen ähnlichen Ber:
öffentlichungen aus.
die ftaumende Billigfeit vor
anderen ähnlichen Werten aus.«
(Aus einer BuchhändlersAnzeige
v. J. 1806.)
Schönheit und Vollendung fünnen nicht ala gleic)-
wertig nebeneineinander geftellt werden, da Vollendung die
Schönheit im ſich einſchließt. Der Stridpunft zwiſchen den
beiden Sätzen ijt unrichtig, weil der zweite Sag einen neuen,
mit dem Vorhergehenden nicht zufammenhängenden Gebdanten
enthält. »Staunende Billigfeit« — kann die Billigkeit jelbjt
ſtaunen?
Geprüſt von den Herren Behaghel, Brenner, Erbe, Heinhze,
Jähns, bull, Lohmeyer, yon, Matthias, Pieiſch, Preſſel,
Saalfeld, Schefiler, Seemüller, Wappenhans.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 5.
|
Bemerkungen über die vorjtebenden Säge, Beiträge u. a. bittet |
man einzufenden an Profefior Dr. Dunger in Dresden-N.,
Scmorritrahe 3. u un
Bücherſchau.
Moriz Heyne, Deutſches Wörterbud. Kleine Ausgabe.
Leipzig 1896, ©. Hirzel. 1288 Spalten (644 Seiten). 10 Mt.
Hermann Paul, Deutſches Wörterbuch. Halle 1896,
DM. Niemeyer, 5768 8Mt.
Zwei neue Wörterbücher, jedes mit eigenartigen Borzügen, |
beide furz gefaßt und verhältnismäßig billig im Preife, beide als
bequeme Nacjchlagebücer für das Haus gedacht. Heyne iſt
längjt als Wörterbuchverjafler anerfannt, ſeyt er doc) das große
Grimmſche Wert mit fort (leider unter Beiziehung jugendlicher
Hilisarbeiter), und fein eigenes dreibändiges Wörterbudy iſt als
tleiner Grimm von allen, denen der große nicht ſtündlich zur
Hand ift, mit Dank begrüßt worden. Nun fommt noch ein
Heiner Heyne für Unbemitteltere hinzu. Sein geringer Umfang ift
dadurch erreicht, daß die meilten ſprachvergleichenden Bemerkungen
und der größte Teil der Belegſtellen des Mutterwertes geſtrichen
wurden. Er joll den heutigen Spradgebraud, daritellen (Wort:
formen, Bedeutungen, Geſchlecht, Beugung), alio den Zweiſeln—
den darüber belehren, was ſchriſtdeuiſch iſt, was nicht, Den
Zwed erfüllt das Buch im ganzen und großen gewiß. Aber es
fragt ſich doch, ob man ſich En Führung in allen Ginzel-
heiten anvertrauen darf. Wo man Belege zur Hand hat, fann |
92
eingefegneten Mädchen als Bräuthen; Maus it als Schmei:
delname doc wohl auf Mädchen beichränft; lutheriſch (mir
Ton auf u) bat im fatholiichen Gegenden oft einen feindieligen,
mißtrauiſchen Beigeſchmack; in »lüſtig praſſeln« ſoll Iuitig
nicht das Willige, Luſibehaltende ausdrücken, ſondern die frijche,
raſche, an die Sprünge eines vergnügt Tanzenden erinnernde
Bewegung; val. luſtig knallen. Lebemann iſt nicht nur » Mann,
der im Genuſſe zu leben weiße, fondern der im Genuß aufgeht.
So wäre an manchen Umſchreibungen tadelnd einzufegen. Warum
hat 5. aber überhaupt umicrieben? Was foll Hand — Greif:
glied de8 Menſchen? wei man damit mehr? oder fetten:
bruch — fontinwierlider Bruch? Der deutsche VBenüper
fann alle, nicht eben nur erflärenden Umſchreibungen mijien. Ja
die Mehrzahl der Venüger wäre dem Berf. dantbar geweien,
wenn er überhaupt alles Selbjtverjtändliche, alles ohme weiteres
Klare weggelajjen hätte. Vielleicht wird diejen noch ein Hleinfter
Heyne geliefert, der einer weiteren Drittelung fein Dajein danten
wird ?
Pauls Werk Hat geringeren Umfang und madıt von vom:
berein nicht den Anjpruch, volitändig zu fein, dürfte aber at
Brauchbarkeit Heyne mindeiten® erreichen, wenn nicht übertreffen.
Hier iſt wirflih das weggelaijen, was niemand darin fuct,
—
man an ihnen Sicherheit erlangen, wo dieſe fehlen, muß man |
als lepten Richter den Verſaſſer anerlennen; diejer aber iſt natür—
lich auch Irrtümern ausgelept.
land ijt ihm nicht jo geläufig als der norddeutſche (und mittels
deutiche), daher ericheint ihm manches Wort allgemein, das in
der That nur norddeutſch und allerdings auc aus norddeutſchen
Schrijtwerten Süddeutichen verſtändlich, aber nicht geläufig ges
worden iſt, 3.8. Tiſchler. Dagegen fehlt 3. B. das jddeutiche
Hafner, Häfner (nordd. Töpfer), Tändler (Trödler), Pfrag—
ner (Fragner — Stleinfrämer) ganz. Das neue »Bräus (dad
Spatenbräu), das im Süden noch ganz fremdartig klingt, ſetzt
er al3 allgemein an, indem er irrtümlich annimmt, ein bairiiches
Brän (jächl.) babe fich mit Bedentungsermweiterung in ganz Deutſch⸗
land verbreitet; es ijt ihm entgangen, dak Spatenbräu nur eine
Nbkürzung für Spatenbrüubier, Hojbräu gar von Hoibräuhans-
bier it, dab Briu in Balcım nur den Bräuer bedeutet. (Das
Bräu — Sud, auf einmal gebraute, eingeloitene Menge Bieres ift
in der —— in Baiern — wenn überhaupt noch — nur
den Braubefliſſenen belannt) An gleicher Weile hat H. das
Oberdeutſche noch öfter außer acht gelaſſen, jo z. B. bei Lücke,
abluchſen. Bei Mus wäre etwa zu erwähnen, daß es oberd.
4 T. das Wort Brei vertritt. Sehr reich iſt Hermes Buch an
Kunſt- und Fachwörtern und Härt fie im willfontmeniter Weile
auf. In der Auswahl derjelben wird er es wohl niemandem recht
machen fünnen; ich vermißte bei zufälligem Muſtern die jchönen
Bildungen Lehrgerüſt, Lehrmaß, auch Düſe; Drilibohrer
iſt, nebenher bemerkt, nicht immer ein Bohrer mit Schnur, ſondern
nötig iſt für diefe Bezeichnung, daß die Bohrung durch raiches
Drehen (nicht Schauben) geſchieht. — Sorgſam find die Beden-
tungsverjchiebungen verzeichnet, doch nicht immer ganz befriedigend
und erſchöpfend. So fehlt bei Braut die jchöne Bezeichnung der
Der Sprachſchaß von Süddeutſch⸗
auch die Erklärungen von Fachwörtern, über die Sadwörter:
bücher zu Nate gezogen zu werden pflegen. Paul ift nur Weg-
weijer für vein jpradhlihe Fragen, aber ein ganz vorzüglicer.
Er giebt die nötigen grammatiichen Hinweiſe, meiſt aud die
mittelhochdeutſche Form für die einzelnen Wörter. Die Haupt:
jache ift aber die Beleuchtung des Wortinhaltes aus der Wort:
eichichte; wie fommt ein Wort zu feiner heutigen Bedentung
oder zu verichiedenen Bedeutungen? Darauf wird man bei ihm
die beite Antwort erhalten, ohne in die gelehrte Eiymologie
folgen zu müſſen, für welche Kluge nad wie vor die unentbeht—
lidye Quelle bilden wird. Wo es zur Belebung des Mitgeteilten
nötig ſchien, hat Paul auch Belege aus anerfannten Wufler-
ichrittitellern gegeben, zumal aus unferen grohen Dichten. In
der Regel genügte aber der Hinweis auf die lautlih oder begriff:
lid verwandten Wörter, um völlig aufjulären. Auch die Bor
und Nachſilben haben zujammenfajiende Behandlung erfahren
| (»ente füllt anderthalb Spalten), wodurch es allein jchon ermög-
licht wird, mande feine Färbungen deutlid) Br icheiden.
Das
Berbreitungsgebiet der Wörter und Formen jucht B. möglichſt
zu beitimmen, auch die Gejellichaftsfreife, die Stilarten, denen
ein Wort angehört, endlich die zeitliche Ausdehnung. Damit it
viel mehr gewonnen als mit Heynes Umfchreibungen. Schließlich
fei hervorgehoben, daß Pauls Darjtellungeform micht die gelehrt
pedantiiche iſt, daß fich feine Artikel behaglich und Mar lejen,
und daß es ihm gelingt, eine Menge thariächliher Belehrung
dem Leſer faſt jpielend beizubringen. Die Witglieder des a. d.
Spradwereins, bie jelbit an der Verwirklichung feiner Bejtrebungen
mitarbeiten wollen, werden bei allen Zweiſeln an Paul einen
verläffigen und rajchen Berater finden. Für Ausländer, oder
wo es fich um entlegenere Wortgebiete (Fachwörter) handelt, wird
auch der Heine Heyne beitens empfohlen werden fünnen, der an
Wortnachweiſen viel reicher ift als Paul und den ich nad) Pauls
Bud) als das weitaus bejte Feine Wörterbuh zu bezeicdnen,
trotz der oben vorgebradyten Ausjtellungen, nicht anjtehe.
Würzburg. D. Brenner.
Chop, Mar, Bom Rhein zur Adria. Neifeftudien umd
Shizzen. Mit 12 Abbildungen. Leipzig 1896. Roßbergſche Hof
buchhandlung. 2209 ©. 8,
In diejen zumächit in einer Tageszeitung, dann in Buchſotm
veröffentlichten Aufſäthen jchildert der in weiten Kreiſen befannte
Dufiticrijtitellee (M. Charles) in höchſt anregender und ſeſſelnder
Weiſe den Eindiud, den auf einer im Sommer 1585 unter
nommenen Reife Yand und Leute auf ihn gemacht baben. Zwiſchen
der Zeitungs= und der Buchausgabe beitcht inſoſern ein bedeu—
tungsvoller Unterichied, als der Verfafler, der zu den eifrigſten
Hörderern der Sache des Sprachvereins gehört, in der eriten für
die Heitung beitimmten Niederichrift, beraujcht von Welichlande
Hangveichen und einichmeichelnden Yauten, teilweife wieder in die
Aunsländerei zurüdverficl, während er in der, (fpäteren) Bud:
ausgabe plöplich urdeutſch vor uns hintritt. Über 500 Frend-
wörter jind da gefallen und dem deutichen Erfape gewichen. Bei
einer Vergleichung will es mir jedoch ſcheinen, als ob Chop in
93
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereint. XU. Jahrgang. 1897. Nr. 5.
94
der Verbeutfchung zu weit gegangen fei, und ftellenweife das
allzu gewiſſenhafte Vorgehen die Wirkung der Daritellung etwas
hätte verblafien lajjen. Wenn Ausdrücke, die durch jahrhumdertes
langen Gebrauch in der Weltgeichichte eingebürgert find, die an
gewiſſe Einrichtungen eines bejtimmten Woltes erinnern, durch
Wörter erfept werden, die eine allgemeinere Bedeutung haben,
jo wird die Daritellung ärmer und froftiger. Es geht dody immer:
hin einiges verloren, wenn Labyrinth (dafiir »Seiwirre, für » Frelfens
labyrinth« ſtets »Felswirrwarr«⸗), Phalanr (dafür »Meibene),
Ruine (dafür einmal »halber Trümmerbaufe«) ı. dgl. m. grund—
fäglich vermieden werden, wenn das in ſchwungvoller Schilderung
fo wohlangebracdhte > majeftätiich« mit »ftolj« oder -herrlich«,
»Majejtät« mit »Gröfe« vertauscht wird. So lange wir unfere
Kaiter und Hönige mit Majeftät anreden, können wir dies Wort |
nicht beanstanden, Für » Priejterjeminar« brauchte nicht » Briefters
Ichranjtalt«e gejept zu werden. Wu » Mufilaufführunge für
Konzert⸗, »zlachbildhauerei« und »Frlachbildwert« für » Nelief«,
Scherznachahmung · für »Barodie« werden ſich ſchwerlich einbürgern, |
und was ausjichtslos ift, jollen mir doch nicht einzuführen juchen.
Eine ängftlie Vermeidung von »Nation«, »nationale, »Stil«,
»Elemente, »clementar«e, ſtärkt nur den von unfern Gegnern ers
bobenen Vorwurf der Übertreibung. Weil es unangebracht il,
mit längeren Worten dasjelbe zu jagen, was ebenjo trefiend mit ,
erheblich fürzeren geiagt werden fann, fo hätte nicht » Patents durch
» Beitallungsurfunde«, » Fupe« durch »Vergrößerungsglase, Taxe⸗
durch »Gebührenordnunge, »Alimas durch » Wärmeverhältnifie«
oder gar »BWitterungsverhältnifie« erjegt werden follen. Etwas
anderes iſt es, wenn für jenes »Preisjage, für diejes »Wärme«
oder »Lufte gejagt werden kann. Den Unterſchied zwiſchen
»Station«e und »Halteitelle« darf die Spracreinigung nicht vers
wiichen. »Balton« ijt immer mit »Erfere, » Söller« oder »Wltan«
vertaufcht worden. Nber das Wort iſt deutichen Urſprungs;
Schiller reimt befanntlich » Ton« auf » Balfon« und » Balfone« auf
Krone«. Möchten doc) die Vereinsmitglieder endlich der deutichen
Ausiprache zum Siege verhelfen!
Ohne Grund und vermutlich nur aus Verſehen beibehalten
find nur fehr wenig Fremdwörter, wie »Echo-, »Tranöport«,
»folide « ufiw., die der Verſaſſer an zablreihen Stellen verdeutſcht
bat und ohme Zweifel bei der nächiten Durchlicht fallen lafien wird, |
Für »PVeranda« (indiihen Urſprungs und darum unbedentlich)
würde ich ftatt »Unterdacdhung« das leider fo wenig übliche Wort
» balle« vorichlagen.
Möge der Herr Berfajier bei der nächſten Auflage zwiichen
dem Zuviel und Zuwenig die rechte Mitte finden! Dadurch
würde da® an fich ſchon fo auferordentlicd anziebende Buch noch
mehr an Anziehungskraft gewinnen.
Neuruppin. M. Stier.
— Rihard Wofjidlo, Medlenburgiihe Vollsüber—
lieferungen. Am Nuftrage des Vereins für medlb. Geichichte
berausgegeben. 1. Band. Rätſel. Wismar 1897. XXIV und
3728. gr. 8.
Der erſte Erfolg eines lang vorbereiteten, großartigen Unter—
nehmens, das, einſt vollendet, eine fait unerſchöpfliche Fundgrube
wie für Sitte und Denfweiie des mecklenburgiſchen, aber auch des
deutſchen Volkes überhaupt, jo befonders für die Erkenntnis
feiner Spradhe fein wird. Es giebt noch fitr feine Landſchaft,
aud trotß Rochholz für die Schweiz nicht, eine Sammlung von
äbnficher Reichhaltigkeit umd zugleich mit dieſer Volljtändigkeit der |
Hinweile auf die bereits vorhandenen Sammlungen. D. Str.
Geſchäftsbericht der Aktien-Gefellſchaft Buderusſche
Eijenwerle zu Wetzlar für das 13. Geſchäftsjahr 1896.
Frankfurt a. M. 1897. 15 S. 4.
Ein geradezu muſtergültiger Beweis, daß man auch im deut—
ſchen Geſchäfteleben ſaſt ganz ohne Fremdwörter auslommen
lann! Unſer geihäßtes Mitglied, Generaldireltor Kaiſer in Weplar, |
hat ſich damit ein ſchönes Verdienſt um die Vereinsſache erwor—
ben. Der 15 Druckſeiten umſaſſende Bericht enthält, ſoweit ich |
bemerfe, nur eim einziges entbehrliches Fremdwort, das wohl
lediglich überfehen ift: »pro« (Seite 9) jtatt »für« Ein wieder:
boltes »Lät.« ſcheint nicht dem Borftande zur Laſt zu fallen,
ſondern dürfte auf die Notwendigkeit buchftäblicher Wiedergabe
eines Beſchluſſes der Hauptverfammlung zurückzuführen tein.
»Bilanze, wofür an jener Stelle »Abſchluſß« die dedende Vers .
deutihung wäre, iſt ficherlich nur durd die Rechnungsprüſer
\ bineingelommen. — Nicht aus Splitterrichterei, ſondern lediglich
| um zu belegen, daß ich den vortrefllihen Bericht ſehr genau ges
fefen habe, erwähne ich einer nicht ganz deutihen Wendung, die
häufig wiederfehrt: »In 1896« jtatt sim Jahre 18906. iſt ja
englijch und franzöſiſch. Deutſcher und faufmännifch fürzer wäre
die einfache Jahreszahl (18961. Als Morddeuticer würde ich
Gerechtſame⸗ jagen, will mic aber gern beicheiden, wenn etwa
die (auch von Grimm gegebene) Form »Beredytiame« ein rheis
nijcher oder wejtjälifcher Ausdrud iſt. Für »vertraglih« möchte
ich lieber »vertragdmähig« feßen, auch »faufen« oder »einfaufen«
' Statt »Einfäufe thätigen.«e Aber das jind Kleinigkeiten, die bei
einer jo verdienftvollen Leiftung faum in Betracht kommen.
Hamburg. FW. Eipen.
Auguftin Trapet, Kaiſer Wilhelm I. Rede gehalten
im Schützenhofe zu Koblenz am 22. März 1897. Koblenz 1807.
W. Groos. 56. kl. 8.
Wir müſſen es uns veriagen, auf den Inhalt dieſer Rede ein—
zugehen, die namentlich durch ihre geichichtlichen Erinnerungen
an die Verhältniffe in deutjchen Landen vor 100 Jahren fejjelt;
hervorheben dürfen wir jedoch ihre ſchwungvolle, edle und reine
Spradie, bie in mappe, marfige Sätze geſaßt it, wo es gilt, Ver—
bältnifje umd Thaten zu fennzeichnen, aber in feingegliederten
Perioden dabingleitet, wo fie des Redners eigene Bedanfen und
‚ Gefühle zum Musdrude bringt. FW.
— Friedrid Drofihn, Deutſche Kinderreime ausdem
Munde des Volkes vornehmlich in Pommern. Leipzig
1897. Teubner. 2098. H. 8.
Nach Hermann Dungers Kinderliedern und Kinderipielen aus -
dem PVogtlande (2. Aufl. 1894) wird eine ähnliche Sammlung
aus weit entfernter Yandichaft den freunden dieler Art Vollks—
dichtung hochwilllommen fein, ein Zeugnis für die Ghleichartigkeit
deutſchen Wejens überall. Friedrich Rolle bat dazu ein Vorwort
und zahlreiche Anmerkungen geſchrieben, die aud für die Samm—
fung deutjcher Vollswörier durd den allgem. deutjchen Sprach—
verein wertvolle Ausbeute bieten. D. Str.
Seitungs- und Zeitihrifteniban.
Neue Aufſätze ufw. in Zeitungen und Zeitfchriften.
D. Weife, Die Ausſprache und Schreibart griediicher
Eigennamen. — Leitichrift für den deutichen Unterricht.
11. Rahrg. (1897). 4. Heft. (Vehandelt die Willtür in der
Behandlung griech. Eigennamen und tritt im Gegenſatze zu
Neuerern für die alteingebürgerte, uns durch die Römer
überfommene, von den Humaniften feſtgeſetzte Schreibung,
Betonung und Ausſprache ein, alfo nicht »Alkibiädese jondern
»Aleibindes« uf.)
Prof. Dr. Seifert, Die Bereiherung des Wortſchabes
| unjerer Mutteriprade (Bortrag im Zweigvereine Mep).
— Lothrinaer Zeitung 27.—29. 11. 9. (Erörtert die ver
ichiedenen Mrten der Bereicherung des Wortſchatzes, befaht
ſich eingehend aber nur mit deren erſter, der Anwendung
ichon vorhandener Wörter in neuer Bedeutung.)
Fremdwörter, — Die Zeit 29. 12. 96. (Einige wohlmeinende
Worte der Ermahnung zur Neinhaltung der Sprache, die
beſonders wertvoll werden durd eine grundſätzliche Beiſtim—
mung der Schriftleitung der > Seite, die, wie ſchon der von
Fremdwörtern völlig freie Kopf des Blattes sent auf den
Bahnen unſres Vereins zu wandeln bejtrebt iſt. Auch zeichnen
fi) die leitenden Aufjäge von Naumann, von Serlad
u.a. durch ſprachliche Sorgfalt und Neinbeit fo aus, daß die
Heinen Xusjtellungen, die wir bei einzelnen Mitarbeitern
zu machen haben, namentlich in dem leider noch) als »Nleines
reuilfeton« bezeichneten unterhaltenden und beiehrenden Zeile,
faum in Betracht fommen.)
K. Hindeldenn, Über Inschriften an öffentliden Ge—
bäuden und Dentmälern. — Gentralblatt der Bauver—
waltung 13. 2.97. Mach einer Betradhtung über bie In—
fchriften bei uns umd im Auslande fommt der Verf. zu dem
| Schluſſe, da die Anschriften auf Bauten höheren Ranges
einen zum Gemüte des Volkes jprechenden Inhalt erhalten,
| daher nur in deutscher Sprache verfaht werden jollten.)
I
95
N. —— Sprachſünden. — Neues Wiener Tagblatt
2.97. (Teilweife zutreffende Bemerkungen über jprad)-
5. Fehler und Gejcdhmadlofigteiten, z. B. die Umſtellung
nad) und, doch im einer von Fremdwörtern wimmelnden
Ausdrucksweiſe verfaßt.)
Studie über Natur und Aufgabe des deutſchen Sprad:
vereind. — Trieriiche Zeitung 10. 11. 96. (Weiſt nad,
daß die Pflege der Sprache eine würdige Bethätigung menic-
liher Kraft fei, und dah nicht Akademien von elehrten,
fondern dem Volle jelbit die Pflicht diefer Pilege zufalle;
die Vertretung des Volkes in ſprachl. Dingen babe aber der
a. d. Spracdverein übernommen.)
J. Spiejer, Was wir wollen. 1.
Nectichreibvereins. — Reform 20. 1. 07,
Mühe, die der Unterricht in der Rechtichreibung dem Lehrer
veruriacht; legt dar, wie der Mechtichreibverein durch Auf
klärung der öffentlichen Meinung die Entwicklung der dentichen
Rechtſchreibung in eine ſchnellere Gangart zu bringen ſucht,
und verzeichnet die von ihm vorgeſchlagenen Neuerungen.)
Gut Deutich kann audı bares Geld fein Ein Wort für
Gewerbsteute und Erfinder. — Dresdner Journal 25., 20.
und 27.3.97. (Zerfällt in drei Teile: 1. Allgemeine Be:
denfen gegen die Fremdwörter; 2. Deutſch im Mecht umd
vor Gericht; 3. Wichtigkeit der deutichen Sprache für den
Schuß der Rechte an Erfindungen, Gebrauchsmuſtern und
——— Gutgeſchriebener, wrlungsvoller Auſſatz, für
den ber Berf. offenbar beſonders die Rotheſche Schrift über
den Kanzleiſtil und das Hausdingſche Buch über
worifrage für Behörden ufw. zu . gezogen hat.)
R. Zeitler, Unfer Bild im Spradgebraud. — Der Samm-
ler Nr. 10. (Eine Plauderei über die Berwendung der Tiere
in jprichwörtlicden Nedensarten und Vergleichen. Der Berf.
bejchränft fich nicht auf das Deutjche, ſondern führt auch
zahlreiche Beijpiele aus fremden Sprachen, namentlich dem
Franzöſiſchen, Engliichen und Lateinijchen, an.)
Job, Barlamentd- Deutsch. — Neues Wiener Tagblatt
19. 3,97. (Enthält eine Sammlung von Epradjiehlern, die
der Verf. aus dem furzichriftl. Sipungäberichten des legten
öftreichifchen Parlaments zujammengeitellt hat.)
Lector, Unfer Anriftendeutich. — Die Gegenwart 16.1. 97.
(Entwirit an der Hand der von Klaedenſchen Schrift » Das
Latein im Rechte⸗ ein Bild von der Schwerjälligkeit und
Untlarbeit der Zurilteniprache, deren Mängel bauptiächlic)
durch die Sprache der Nechtsbücher hervorgerufen feien.)
Gründe und Hiele des
Leo, Bedeutung und Wahl unjeres Taufnamens. — |
Sonntagsblatt für das katholiſche Volt 31. 1. 97. (Weiſt
auf die Pilicht bin, in der Wahl pafiender Taufnamen recht
achtſam zu fein, und empfiehlt zum Schluſſe Rücklehr zu den
alten deutſchen Namen.)
Aus dem Sprahenihage des ihwäbiidhen Bauern.
Kölnische Bolfszeitung 11. 11. 96. «(Kine irrefübrende Be-
zeichnung, demm der Auſſat handelt nicht von einer Vielheit
von Sprachen, die der ichwäbiiche Bauer beherrſcht, jondern
von dem feiner Sprabe eignen Wortſchaßze. Enthält eine
Auswahl jchwäbiicher Vollswörter und Sprüche, deren Neid:
haltigkeit, wie der Berf. meint, erſt offenkundig werden wird,
wenn ein Schmellerd bairiischem Wörterbudy ähnliches Werk |
für Schwaben vorliegt. Die beiten Sprüche bat der Verf.,
weil es juſt die derbiten find, fertlafien müjien.)
Sohannes Luther, Der nationale Wert der deutſchen
Schriftipradie. — Tägliche Nundichau 28. 1. 97. Erſt
jeitdem die Schriftipradhe Gemeingut des deutſchen Volkes
geworden, ft eine Verftändigung zwijchen feinen verichiedenen
Gliedern möglih, und damit find die Schranfen gefallen, die
ſich der Einigung der deutſchen Stämme entgegenitellten. Der
Verf. entwirft ein Bild der Entwidlung der Schriftipunde,
wobei er Luthers Berdienjte darum gebührend würdigt.)
Sprachliche Mißſtände. Dresdner Journal 18. 2. M.
(Tritt für die Beſtrebungen unſres Vereines ein und wendet
ſich namentlich gegen unjre Gegner bei der Prejie, fowie | drüdlicher hervorzuheben, nannte er die Wiederholung (leife, lee),
gegen die Spradimengerei im Gejchäftsvertehre.)
Franzöfiihe Ausdrüde in jalſcher Anwendung —
Bommersche Reichspoſt 17. 2. 07.
>
(Beipriht die |
die fremd» |
Zeitfhrift des allgemeinen dentihen Spradvereind. XH.
(Eine Heine Ausleſe Tran |
Jahrgang. 1897. Nr. 5. 96
.
zöſiſcher Wörter, die wir in anderer Bedeutung anwenden
als bie Frangojen felber.)
D. Sarrazin, Denkmalpflege oder Denlmalspilege? —
Gentralblatt der Bauverwaltung 21.4. 97. (Die Frage läht
fih, wie der Verf. ausführt, durch den Hinweis auf den
Sprachgebrauch nidıt beantworten, da es ältere Aufammen-
fepungen mit Denkmal nicht giebt. Die mit dem Stamm=
worte Mal (— Heichen) verbundenen alten Wörter zeigen
fein Bindess. Bei Zufammenfepungen mit pflege fehlt
dies 8 ebenfalls (vgl. Bartpflege, Körperpflege ujw.), außer
wern der Sprachgebrauch es beim Beſtimmungsworte ges
bieteriſch verlangt, ein fall der eintritt bei den auf = heit,
«feit, -ichaft, ung endenden Wörtern (vgl. Gejundheits-
pflege, Nahrungspflege), ſowie bei Zufammenfegungen mit aus-
gejprochener Genetivendung (Leibespflege, Rechtspflege ufn.).
Der Verf. hält das Binde-s in den mit Denkmal zujammen;
gelegten Wörtern für überflüffig ſowie vielfach auch mißlautend
und wünſcht jeinem Gindringen in diefe Wörter entgegen-
zuwirken. Wir ſchließen uns der Anficht des Verf. an: aber
was wird Herr von Pfiſter· Schwaighufen dazu jagen?
Sprachliche Verwüſtung! Verrat an vaterländiihem Gute!)
Die Schriftleitung (Groß-Fichterfelde bei Berlin, Drafe:
ftraße 3) jtellt den Lejern der Zeitjchrift die oben und
früher hier aufgeführten Aufjäge ujw. gerne leihweije
zur Verfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Barmen, In feinem Vortrage über den Stabreim im ber-
ailden Vollsmunde erläuterte Cherlehrer Leithaeufer am
31. Wär zunächſt das Weſen des Stabreimes in der altdeutichen
Dichtung und ging dann auf eine genauere Unterjuchung jeiner
vieliachen Spuren in deutſchen —— ins beſondere am
Niederrhein, ein. An der Hand mannigfacher Belege zeigte er,
wie Schon unfere Hinderjprache, vornehm ih das Ainderlied, reich
mit folchen Reimen ducchfept iſt, wie fie ferner in zuſammen—
gelegten Haupt: und Eigenſchaftswörtern und namentlich in noch
erhaltenen Koppelwörtern aus unſerer älteren Nedytsiprache häufig
wiederfehren. Die meifte Ausbeute an Stabreimen lieferte jedoch
der mundartlice Spridiwortichaß, der auch für das bergijche Land
bei weitem noch nicht jo aufgededt ift, wie er e8 verdient. Nedner
ſchloß mit der Aufforderung, ihn bei der Sammlung vollstüm—
licher Ausdrüde und Wendungen fleißig zu unterjtüßen, damit noch
mancher wertvolle Bauſtein unſeres herrlichen Spradigebäudes ge:
rettet werde. — Seit dem Anfange diefes Jahres hat der Verein
einen erfreulichen Zuwachs von 58 Mitgliedern zu verzeichnen und
ift jeßt doppelt jo ftart wie früher.
Darmjtadt. Der Ymeigverein bat feine Thätigkeit, durch
wöchentlich in den hieſigen Blättern ericheinende Auiflärungen und
Mahnungen über Weſen und Werden deutfcher Sprache, Mih-
branch der Fremdwörter, Vernachläſſigung guter alter Formen ufw.
die Sffenilichkeit für feine Biele zu gewinnen, auch im verflofjenen
Jahre jortgefcht und Bis jeßt im ganzen TO Mitteilungen diefer Art
ergeben laſſen. Wie dem Bonner Jweigvereine, jo gelang es auch
dem hieiigen, die Privatpojt zur Anwendung des Wortes »Stadt-
fartee für das jeither gebrauchte »Gorreipondenzlarte« zu
bewegen. Die landwirtichaftliche Genoſſenſchaftsbank befeitigte aus
ihren Sabungen fämtliche Fremdwörter mit Ausnahme des Wortes
»Porto«; ähnliches iſt von dem biefigen Lehrerverein zu berichten.
Der Borichlag, für »Boltsbibliothet« Vollsbũcherei zu jagen,
ſtieß auf Wideriprudh, indem auf Natob Grimm hingewieſen wurde,
der die Silbe »eie als undeutich verworjen hätte; es wurde aber
wenigstens die Bezeichnung »Leie- und Bücherhalle« eingeführt.
Tresden. Inder Märzfigung wurde auf Anregung des Stadt:
rats Kuhn der Vorſtand beauftragt, darauf hinzuwirten, daß der
Ausdruck »Interimskirche« vom Arenzfirhenvoritande durch
»Notfivches erſeßt werde. Proſeſſor Dunger verlas eine Zu:
ſchrijt von Selundanern eines Dresdner Gymnaſiums, die eine
Sammlung von Sprachfeblern aus eitungen enthielt. Hierauf
ſprach Cherichrer Dr. Karl Müller über Verſtärkungen im
ipradlihen Ausdrucke. Als geeignete Mittel, manches nadı
ferner die doppelte Werneinung, die zwar als unlogiich verurteilt,
ober, wie der Bortragende an einer Fülle von Beiſpielen nachwiet,
von hervorragenden Schriftitellern ohne Bedenten angewendet worden
97
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 5.
98
it. Weiter dienen zur Berflärkung eine Menge gqleichbedeutender
oder nahejtehender Begriffe wie »in Reih und Glied«, »mit Fug
und Kedit«, dann die Borfilben ur, erz, lern, grund, haupt, ftod,
jtein uſp. Der Bortragende machte dabei darauf aufmertiam, daß
Verjtärfungsworte wie > himmel- und >heiden« ihre urſprüngliche
Bedeutung eingebüht haben. Auch in den Verftärtungen zeigt ſich
die jchöpferifche Kraft der deutichen Sprache.
Freiberg i. S. Der Zweigverein hat im verfloflenen Winter:
balbjahre zwei Öfientlihe Bortragsabende abgehalten, den einen
im benahbarten Brand, wo der Vereinsvorfigende, Oberlehrer
Gündel, über $gremdwörterunwejenund Spracdreinigung
ſprach, und den zweiten, einen ſogenannten mundartlichen Mbend,
in Freiberg felbit. Dieſer wurde eingeleitet durch einen Vortrag
des genannten Vorfipenden über Entjtehung, Berbreitung | N
ternd wirfen.
und Wert unferer Mundarten, woran fich mundartlihe Dar—
bietungen ernjten und heiteren Inhalts ſchloſſen. — Durch dieje
Vorträge, ſowie durdy Verfendung einer großen Anzahl von Werbe-
bogen ijt der Verein in den lehten Monaten um mehr ale M Mit:
glieder gewachſen, jo daß ihre Geſamtzahl gegenwärtig 72 beträgt.
Graz. Die Neihe der gemeinfam wit dem hiftorifchen Ver—
eine für Steiermarf veranitalteten Vorträge wurde im Januar
durch die Herren Umiverfitätsprofefioren Dr. Hans von Ywie-
diened (Der Kampf um die Gejcichtswilienihaft«) umd
Dr. Eduard Martinat Uber Pſychologie der Sprache-), im
Februar durh Dr. Sz. Wuladinovid fortgefept, der über den
verichollenen Freipeitsdichter Franz von Sonnenberg fprad.
Im März folgten die Univerjitätsprofejjoren Dr. Arnold 8,
von Ebengreutb (Die Handelsiwege in Inneröſtreich vor
dem 14. Zabrhunderts) und Dr. Eduard Nichter (> Geographiiches
zur orientalischen Frage«), im April Skripter Karl J Gawa—
lowsty Das deutſche Schrifttum Steiermarks im 17. und 18.
abrhumdert«). — Bon dem Schefflerihen Schulhefte bat der
Zweigverein TO Abzüge angefauft und an alle deutſchen Bezirks—
ichulräte Steiermarts verfendet. In der Hauptverfammlung am
10, April wurde der Borftand gewählt, in den der nene Bürger:
meijter von Graz, Dr. franz Graf, eingetreten it. Die Mit:
gliederzahl bat ſich jeit dem Sommer um 26 vermehrt und beträgt
nunmehr 280,
Grimma In der Dezemberjigung ſprach Nedtsanwalt
Schmidt über die Bejtrebungen des Alldentichen Berbandes und
ihre Beziehungen zu denen des a. d. Sprachvereins, und im
Januar der Borfipende, Oberlehrer Püſchmann, über die 2. Auf-
lage von Wuſtmanns Sprachdummheiten.
Kiel. AInftitutsvorjieher Erichjen hielt in der Märzſitzung
einen Bortrag über die Sprachverhältniſſe in Schleswig.
Koblenz Am 31. März veranftaltete der Zweigverein in
der Aula des Kaiſerin Auguſta Gymmafinms einen Nojeggerabend.
Der ald NRojeggervorlefer rühmlichſt befannte Regifieur des Kölner
Stadttheater, Dtto Bed, trug Ernſtes und SHeiteres aus
Nofeggers Werfen vor. Die in großer Zahl erichienenen Mit:
glieder und Gäſte jpendeten dem Vortrage reihen Beifall.
übel. Der dritte deutiche Abend am 10. Februar
brachte einen Bortrag des Herrn Fritz Bley aus Berlin über
die Bedeutung einer vergrößerten flotte für unire Zus
funft; der vierte ımd Ichte am 10. März, dem Geburtstage der
Nönigin Luife, gab Anlaß, das deutiche Weſen und Wirken
diefer hohen, unvergehlichen Frau einem größeren Kreiſe von Yu:
hörern vorzuführen. Redner war Oberlehrer Dr. Schmidt. Nach
ibm ſprach noch Oberichrer Schumann über Eigentümlich—
feiten des Hochdeutſchen in Lübeck.
Nudolftadt. In der erjten Verſammlung diejes Jahres am
15. März erörteric Weferendar von Ketelhodt eine Anzahl von
ſprachlichen Berftöhen in dem neuen Mdrehs und Geichäftshand:
buche von Rudolſtadt. Daran ſchloß jich ein Bericht des Lehrers
Könitzer über die Eitzenſche Schrift vom Mihbraud der
Fremdwörter im Handel,
Stettin.
welcher der Vorſtand wiedergewählt wurde, verla® der Borliter,
Prof. Blajendorff, eine Zuſchrift des Amtsgerichtärats Koch,
nach der fich auch die Frankfurter Nationalverfammlung am
13. September 1848 mit der Sprachreinigung zu beichäftigen Belegen
heit hatte. Aus dev Tagesordnung ftand nämlich folgende Eingabe
verſammlung mögen jich im ihren Meden der deutichen Sprache
bejleiigen und jtatt der umverjtändlichen Fremdwörter deutſche
NAusdrüde gebraudyen. Gründe: Die Verſammlung beitcht aus
lauter Deutichen: die Mitglieder jprechen zu Deutichen für Deutiche,
jollen zu Deutichlands Wohle wirlen und wollen dem Wolle ver:
jtändlich jein. Der nicht gerade wiſſenſchaftlich gebildete Teil des
Volfes fann dergleichen fremdländifche Ausdrücke wie Interpellation,
Anftrultion, Inſurreltion, Deputation uſw. nicht verjtehen. Aus
dem Gebrauche der vieldentigen, meijt unrecht verftandenen Freud⸗
wörter entſtehen Mihverjtändnifie beim Wolfe, während durch
deutiche Ausdrüde die Klarheit des Dentens und die Teilnahme
an den Verhandlungen gefürdert wird, Sodann wird das Beijpiel
der Neichsverfammlung aud in andern Areilen, namentlich auf
die Herausgeber von Zeitungen und andern Tagesichriften ermune
Es wird dadurch zur Veredlung der Geſinnung,
zur Anerlennung des eigenen Wertes beigetragen; es wird in den
Deutſchen das noch allzuiehr ſchlummernde Gefühl des edlen
Stolzes, ein Deutſcher zu fein, geweckt und es wird dadurch die
Berbrüderung aller deutihen Stimme, die Eintradyt unter den—
jelben und die Waterfandsliebe im allgemeinen gefördert: es werden
mithin die wohlthätigen Wirkungen auf das ganze deutiche Leben
ausgedehnt werden«. Muf dieje Eingabe beſchloß die National:
verſammlung, deren Aufmerkſamkeit allerdings damals durch die
ſchleswig⸗ holſteinſche Angelegenheit jehr in Anſpruch genommen
din
durch
wurde, »unter Anerkennung der vaterländiſchen Geſinnung der
Bittfteller zur Tagesordnung überzugehen «.
Zittau. Am 16. März wurde vom Schriftführer, Dr. Mat:
tbia$, das Hausdingiche Bud »Die Fremdwortfrage für
Behörden, Fachwijienichaft und Gewerbe uſwe« gemür-
digt und feine Überreichung an die biefige Handelskammer bes
ſchloſſen. Der Vortrag des Dberlehrers Dr. Koch über bie
deutihen Berjonennamen rief jo lebhafte Erörterungen ber-
vor, daß die Zeit mangelte, zu dem Plane des Sefamtvorjtandes
betreff$ der Sammlung von Vollswörtern beitimmte Stel-
fung zu nehmen. Die eingehende Erörterung diejer Frage wurde
dafiir im der legten Sigung am 7. April von Herrn Krohn ein
geleitet, der Beiträge zur Voltsſprache der Zittauer Land-
{haft gab. Er ging von Stadt und Dorfnamen aus und zeigte
ergleihe der alten und der jegigen Namenäformen, wie
bisweilen nur der Volksmund, oft aber auch die fchriftliche Freit-
ſetzung die alte volfstümliche Ausiprache feitgehalten hat; er be-
ridjtete weiter von Fällen, wo er dem Munde fdhlichter Dorfleute
Formen mit älterem Lantjtande und fchöne Volls- ſowie eigen-
artige Sprichwörter oder doch Spielarten davon abgelaufcht hat.
Es wurde denn auch ein Ausſchuß gewählt, der die Ergebniſſe
feiner Thätigfeit vom nächſten Herbſt ab zur Feſtſtellung des Gel—
tungsbereiches der gefammelten Formen, Wörter und Bedeutungen
den Mitgliedern des Amweigvereins in den regelmäßigen Sikungen
vorlegen ſoll. Gewiſſe nähere Weiſungen über das Wann und
Wie der Sammlungen glaubt man dabei jreilic von der Haupt
fammelftelle noch erwarten zu dürfen und zu jollen.
Brieflaſten.
Herrn Rechtsanwalt K. . . . Düſſeldorf. Die Photo—
graphiſche Geſellſchaft« in Berlin, Krauſenſtr. 36, hat das
Wernerſche Bild >» Moltkes neunzigites Geburtsjejte reproiucieren
' (== wervielfältigen) laſſen und verjendet nun, wie Gie uns freund-
In der Hauptverfommfung des Zweigvereins, in |
lichft mitteilen, Ankündigungen, an deren Kopfe ſich eim Licht:
druck des Bildes befindet mit der Unterjchrift: »Copyright 1897
by Photographische Gesellschaft«. Sollte das Bild nur für die
Länder engliicher Zunge bejtimmt jein? Wozu aber dann die in
deuticher Sprache abgefate Ankündigung? Sehr jonderbar!
Was würden die Engländer jagen, wenn ihnen in engliicher
Sprache eine Nachbildung etwa von Turners Gemälde »Death of
Nelson« angeboten würde mit der deutichen Bemerkung »Nadı:
druck verboten«?
Herm 8$,..., Berlin. Um Ihre Anfrage über die Bedeu:
| tung des von der Schuhfabrit N. Dorndorf in Pöpelwiß ge
des Bereins für deutiche Neiniprade zu Heidelberg: |
»Die Abgeordneten bei der verfaflunggebenden dentichen Reichs:
braudıten Nusdruds »Goodyear- Welt« beantworten zu fünnen,
haben wir uns unmittelbar an den Veſitzer der Fabrik gewandt.
Aus feiner Erwiderung gebt hervor, dak Gondyear der Name
eines unlängit veritorbenen amerikaniſchen Gemwerbtreibenden it,
der eine Machine zum Nähen des Stiefelrandes (engl. welt) er-
funden hat. Dagegen, daß die Dorndorjiche Fabrik ihren Erzeug—
99
Zeitfgrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 5.
100
niſſen den Namen des Erfinder der Maſchine giebt, mit der fie | fie aber nicht in ihrem ernſten Beitreben nadı Folgerichtigleit jo
bergejtellt werden, ift wohl nichts einzuwenden. Warum aber
übernimmt fie zugleich mit diefem Namen das mindeftens miß—
verſtändliche Wort »welte, anitatt es durch ⸗Rand« zu erjegen?
Das iſt kaum noch als Ausfluß des befannten beutichen Fehlers
allzugroker Gerechtigleit gegen das Ausland zu betraditen; das
ift vom ſprachlichen fowohl wie vom nationalen Standpunkte aus
geſchmacklos.
Herrn Prof. A. &t...., Reichenberg. Mus Ihrem freund—
lichen Schreiben erſehen wir mit Vergnügen, daß auf Ihr Er—
ſuchen die Zeitſchrift Kunst für Alle« (Münden, Bruckmann)
in der Nr. vom 15. 4. 97 im Brieflaſten erflärt: »Ihrem im
allgemeinen gewiß berechtigten Wunfche, den Gebrauch der Fremd
wörter einzufchränfen, wollen wir übrigens gern Rechnung tragen.«
Sie find wohl fo gut, uns gelegentlich mitzuteilen, ob die Zeit—
ſchrift ihre löbliche Abſicht auch verwirklicht Hat.
Herrn Notar Dr. G...., Joachimsthal. Gewiß wird der
Sp. 22 d. Jahrg. erwähnte Ausdruck »videant consules« von
vielen —— die ſeine urſprüngliche Anwendung — vor der
Wahl des Diltatord? — entweder überhaupt nicht kennen oder
unbeachtet laſſen. Das iſt aber doch nichts Auffälliges, haben
doch viele Hunderte von Redensarten im Laufe der Zeit ihren
Bearifisinhalt erweitert und ſich zuweilen jo weit von ihrer ur—
ſprünglichen Bedeutung entfernt, daß ihre Herleitung ſchwer ſeſt—
zuitellen iſt. Sie führen jelbft »auf den Schild erbeben« an; denfen
Sie noch an »das goldne Halb anbeten, einen Korb geben, jem.
den Fehdehandſchuh hinwerfen, den Stier bei den Hörnern fallen,
von Bontius zu Pilatus jchiden« u. v. a., ferner an » Maulafien
feilhalten, fein Blatt vor den Mund nehmen« ufw., wo die Er—
Närumng ſchon Schwierigkeiten bereitet.
Herm Major von Tr...., Görlig. Sie rügen die Fülle
ber Fremdwörter, die ein Berliner Profefior der Theologie in
jeinem Bortrage »Das Chriftentum und Niepfchea Herren-
moral« angewendet hat, und teilen uns als Proben zwei Stellen
mit, die wir unfern Leſern gerne zum Beſten geben wollen.
Nämlich der Sinn des Worted ‚gut‘ iſt urſprünglich ein ganz
anderer al® der, den wir damit verbinden, wenn wir es dem
Böjen gegenüberftellen. E3 verdanft dem Pathos der Distanz
jeine Entftehung.« Ferner: »Das Gegenftüd hierzu ift das
Ehriftentum, in dem und durch welches die Sflavenmoral, die
Moral der fleinen Leute und des Ressentiment die Oberhand
gewonnen hat.« a, manche Selehrte haben ihre eigene Sprache!
Wenn fie aber einen für weitere Süreife berechneten Vortrag balten,
jollten fie ſich doch etwas allgemeiner verftändlic ausdrüden.
Herrn Bauinſpeltor &t...., Zerbit. Im Anſchluß an die
Bemerkung über »Inipfene für »coupieren« (vgl. Sp. 79 d. v. Nr.)
teilen Sie und mit, daß Sie auf einer Reife von Linz nach Paſſau
von einem Schaffner die frage gehört haben: »Seid's ſchon
g’zwidt?« und Sie fügen hinzu: »Das Wort ‚zwiden‘ fcheint
mir ein recht bafiendes zu jein, da ja durd das zu häufige
Bwiden der Fahrlarten, wie es jegt beliebt wird, auch die Fahr—
gaſte „g’zwidt‘ werden« Ob ſich die Eifenbahnverwaltungen durd)
Ihre jonit recht einleuchtende Begründung veranlaht jeben werden,
das » Zividen« num auch ald Bezeichnung einzuführen, jcheint micht
anz zweifellos. Beim Wolfe dürfte der Ausdruck auf größere
— zu rechnen haben.
Herrn Lehrer H. M.... Rufach (Elſaß). Einen weiteren
Beitrag zur Erſeßzung von »coupieren« liefert Ihre freundliche
Angabe über das elſäſſiſche Vollswort »pfate oder pfäpee«, das
tichriftdeutich >pfepen-) eigentlih »tneifene bedeute und als
Hauptwort aud in ber Hulammenfehung ⸗Karten- oder Zettel—
pieker« vorlomme. Daß im Elſaß troß der früher franzöfifchen
Verwaltung vielfach für gewiſſe Dinge deutihe Wörter jtatt der
ſonſt im deutichen Neiche dafür angewendeten Fremdausdrücke ge—
braucht werden (jo auch »Narte oder Zettel« ftatt » billet«), iſt
eine jchon oft erürterte Thatſache. Es iſt jogar erwiejen, daß
manche franzöſiſche Bezeihnungen erit unter der deutichen Ver—
waltung in die Bolfsipradhe eingedrungen find. — Herzlichen Dant
für Ihre anerfennenden Worte!
Herm &%...., Königsberg Die Peitung Ihres Stadt:
tbeaters verfährt Icheinbar ganz folgerichtig, wenn fie für die Vor—
jtelung vom 26. März d. X. » Ahonnement suspendu« anfiindigt.
Abonnement« will jie nicht verdeutichen, folglich überfept fie der
eichmähigfeit halber auch aufgehoben⸗ ins Franzöſiſche. Mühte
| Aber
weit gehen, den Wortlaut der gelamten Anzeige ins geliebte
Franzöſiſch zu übertragen? Gin vaterländiihes Stüd (»1812-
von Piordien) in franzöfticher Sprache angelündigt, das wäre doc
einmal etwas Beſonderes!
Frl. A. G. . . . Brüffel Wir empfehlen Ihnen: Herman
Niegel, Ein Hauptſtück von unjerer Mutterſprache, Braunſchweig;
Paul Pietſch, Der Kampf gegen die Fremdwörter, Berlin; die
Vorrede zu Hermann Dungers Wörterbuch von Verdeutichungen
entbehrl. Fremdwörter, Leipzig, und Otto Behaghel, Die deutiche
Sprache, Leipzig. Die Bücher find fämtlich ganz billig.
Herm Stadtpfarrer 9... ., Ebingen. Beſten Danf für
Ihre mit Belegen verfehene Mitteilung, daf; auch Luther in feiner
Bibelüberiegung jtatt des Wortes »gravieren« »graben, aus—
araben und ſchneiden« jagt.
Herm Pfarrer M...., Eichfeld. »Rosmarin- ilt dem
mittellat. »rosmarinus« entlehnt. Die Herleitung von +» rosa
Mariae« iſt lediglich eine jogen. Vollseiymologie, durdy die audı
die Imftellung »Martenroie« ſowie im Engl. da$ Wort »rose-
marye« veranlafjt worden iſt.
Herrn Prof. von S...., Innsbrud. Die »Meraner Zei—
tung« vom 30. März d. J. bringt folgende Anzeige: »Avis pour
Dames! M'" Hollmann aus Wien und Iſchl in Meran Habs-
burgeritrake 6 Billa Oswald empfiehlt jich zur Anfertigung ele—
aantejter Robes, Costumes, Confeetions. Taill(!jor made. Chie
faci!Jons.« Wie fein, wie vornehm ift jolche Sprache! Mit welchem
Hochgefühfe mögen die Mitglieder der »Maison Hollmann« ihre
prächtige >Annonces gelefen haben! Ja es ijt etwas Erhebendes
um dieſe internationale Sprachvermiſchung, und nur nörgelnde
Pedanten, wie wir, fajeln dba etwas von Schnipern oder von
Mangel an nationalem Stolze!
Herrn Prof. U. K. . . Stettin. Sie jchreiben uns: In
dem Nomane ‚Beliebt werden‘ von Wild. Wolters, Dresden
und Leipzig 1805, fommt ©. 20 folgende herrliche Bereicherung
des deutichen Wortſchahes vor: „‚rembrandtalserzieherbraune‘
(Ripsvorhänge). Auch die Gelege der Epradjlehre erweitert der
Berfajier, wenn er ©. 91 Geſchwiſter, denen es erlaubt wird,
eine Gejellichaft zu beiuchen, ganz einfach die ‚erlaubten‘ Ge—
ſchwiſter nennt. Geradezu jchülerhaft it der fehler auf ©. 49,
two geichricben ftebt: „ein ſich aus Kinderihuhen glüdlich heraus-
entiidelter Jüngling“. Natürlih wimmelt es in dem Nomane
von Fremdwörtern, doch das ift man ja von ben „führenden
Geiftern jo gewöhnt, daß man fich darüber bei Nachtretern nicht
wundert.- Das muß ja ſprachlich ein wahres Muſterwert jein!
Serm Dr. €. 3...., Berlin. Die Zufammenziehung, die
in »seiter aus >sageter, »voit« aus »voget« vorliegt, haben wir
zwar auch in »Getreide« aus »getregede« — Ertrag des Feldes,
aber nicht in »Geichmeider. Septeres ift nicht aus einem
etwaigen »gesmiegede« von >»smiegen« (ſchmiegen) zu erflären,
fondern entjtammt der Wurzel, die auch in »Schmied- und
»jchmieden« vorliegt. Die bierhergehörigen Wörter des Althoch—
deutichen find: smid — Schmied, smidön — ſchmieden, smitta
— Schmiede, smida und gismidi — Geſchmeide, eigentlich
Metall, Metallarbeit, smeidar — Metaflfünitler.
Herrn Biarrer J. Ep... ., Waldhambach. Mit Bezug
auf Sp. 46 dieled Nahrganges teilen Sie mit, daß die Formen:
» fieng, gieng, bienge nicht nur in Ihrer Heimat, dem Cliah,
fondern auch in der Schweiz, in der ſüdlichen Hälfte Badens, in
Württemberg, Baiern und Oſtreich diefer Schreibung gemäß auch
lang ausgeiproden werden. Dieje befannte Thaiſache iſt alio
ein Fall, wo die ſüddeutſchen Mumdarten gegenüber dem Norden
und der Schriftſprache das AÄAltere bewahren. Woran ſich nun
aber die Rechtſchreibung zu halten habe, das wäre eine Frage
für ſich, deren Beſprechung jedoch der Sprachverein grundſäßlich
ausſchließt.
Herr Direltor G. . . . Aachen. Wie man ſagt: »das Ber
leſen des Evangeliums, das Unternehmen eines Geſchäfts, mit
dem Schreiben eines Brieſes, beim Leſen eines Buches, durch
Abdrücken des Gewehrs, dad Bernieten der Schrauben, das
Bernageln einer Nanone, das Nufbitgeln eines Hutes, im Be-
wuhtiein feiner Schuld⸗ u. a., wo überall der Wesfall ein ob-
jeftives Verhältnis bezeichnet, jo verftöht auch >das Vorhaben
ded Rhein-Weſer-Elbelanals« nicht gegen die Spracgeieke.
allgemein üblich iſt dieſe WBerbindung gerade bei
"101
Zeitſchrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1897. Nr. d.
dem Worte »Borhaben« wohl nicht, und dem Sprachgebrauche
entiprechender hätte daher die »ölnifche Zeitung« in der löblichen
Abficht, das »Projeete zu vermeiden, lieber von dem Plane
des Rhein-Weſerlanals reden können.
Herm Schriftjteller Moſes J. . ., Trier. In der Febıuarnr.
unter Zeitfchrijt Sp. 22 jteht der Sap: »Es ſihen ja glüdlicher
weile und es jollen in unjern Voltdvertretungen nicht nur Männer
figen, die die lateinische Schulbank gediüdt haben«. Diejer Sag,
zu dem ich mich befenne, bat Ihnen schweren Kummer bereitet,
fo daß Sie jchreiben: »Mein deutiches Sprachgewifjen würde mir
zum ſteinharten Unruhekiſſen, wenn ic) Schweigen wollte.e Ich nehme
an, dal; diefer Kummer anderen wenig veritändlich jein dürfte,
und jepe darum Ihre Einwendungen gegen obigen Satz ohne
weitere Bemerkungen hierher: 1. »Man erhält erit ganz am Schluſſe
ein Berftändnis deſſen, was der Schreiber hat jagen wollene;
2) »Der erfte Abjchnitt klingt bejahend, während der zweite
durch das Wörtden nicht einen verneinenden Anſtrich erhälte;
3) »Semeinfames Subj. der beiden Sapabjdnitte iſt der erſt im
‚zweiten auegeſprochene Begriff niht nur Männer, aljo etwas
höchſt Unbejtimmtes«; 4) »Diejed durdaus unbeftimmte Subj.
findet feine eigentliche Erllärung erst im folgenden Nebenjape, wäh-
rend es durch Anwendung von Eigenjcaftswörtern wie etwa
‚„atademijch gebildete‘ viel früher umd daher ... viel verjtänd-
licher hätte erläutert werden fünnen« Scliehlih hauen« Gie
»den gordiſchen Gedankenknoten folgendermahen auseinander; >Es
fiten ja... nicht nur Männer, die... haben. And aljo möge
es auch bleiben. «
Man kann nur jagen: Gott bewahre die deutiche Sprache
vor folchen Freunden und unjern Verein davor, daß fie auf ihn
Einfluß gewinnen. Spaniſche Stiefel find ja gegen dieſe Regle—
inentierereie, die der Herr Einfender verjucht, ein reines Nlinders
ipiel. Er verfennt auch völlig die ihn bewegende Urjache: nicht
jein »deutiches Sprachgewiſſen; hat ihn angetrieben, ſondern ſein
tiftlicher Sculmeiftergeift Daß und Herr Moſes X... . Ge—
tegenbeit gegeben, einmal zu zeigen, wohin diejer führen fan, |
dafür jind wir ihm zu Danf verpflichtet. p. Pietſch.
Herrn Dr. Philipp L. . . . Greifswald. Als Verehrer
Bilmars fühlen Ste ſich von meiner Außerung über defien » Jdio-
tifon von Kurheifen« in der Märzur. unfrer Zeitichr. (Sp. 34/5) be:
ſchwert. Sie flellen in Abrede, daß Bilmar mit diefem Buche
eine politiihe Pemonftration beabfichtigt, durch die er dem
eben aufgehobenen Kurfürftentum Heſſen Hinterher eine innere |
Dajeinsberechtigung babe verleihen wollen, denn er habe bereits
1827 mit der Anlage des Idiotilons begonnen und 1547 eine |
Probe davon veröffentlicht. Auch ſei es Vilmar nicht eingefallen,
entgegen den Thatiachen, eine ge Abitammung und Sprade bes
ruhende Einheitlichleit des chem.
wie jchon ein Bli in die Vorrede lehre (die mit den Worten
urhejjens erweiten« zu wollen, |
102
beginnt: »Die Volfsipracde des Kurfürftentums Hejien . . . zeigt
ſehr erheblicdye Verſchiedenheiten . . . Kurheſſen umjchließt ebens
ſowol oberdeutſch wie entjchieden niederdeulſch redende Bezirkes),
auch habe Vilmar die Grafſchaften Schaumburg und Hanau aus-
gelhtofien. V. ſei lediglid) dem Vorgange Schmellers gefolgt,
er ja in jeinem bairiihen Wörterbuche den Wortichag der nadı
der Abſtammung jehr verichtedenen Gebiete Baierns zuſammen-
gefaßt habe. Wie diejen darum niemand einer politiichen Des
monjtration zeihen werde, jo jolle man jochen Vorwurf auch gegen
Vilmar nicht erheben, der, um die Dafeinsberehtigung
Kurbejiens zu beweifen, nicht nötig gehabt hätte, eine
wiſſentliche Fälſchung zu beachen.
Wenn mans jo hört, möchts letdlich fcheinen, fteht aber doc
Ichief darum. Daß Vilmar fein Pilettant, jondern ein wiljen=
ichaftliher Foricher und Kenner war, ijt befannt und an der
betreffenden Stelle anerkannt worden. Als folder fonnte er
felbjtverftändlih das Idiotilon nicht aus den Ärmeln fchütteln.
Durch den Nachweis der weit zurückreichenden Vorarbeiten wird
aber in feiner Weije auch eriwiejen, daß Vilmar bei deren jpäterer
Beröffentlihung eine beitimmte außerhalb des Gegenjtandes
‚ liegende Abſicht nicht hätte haben können, »Erweilen« hat Bil-
mar die jprachliche Einheitlichfeit des ehem. Kurheſſen allerdings
nicht wollen — diefen Ausdrud gebe id) gerne als nicht zutreffend
preis: es wäre ja unmöglich geweien — aber vorſpiegeln wollte
er fie. Als Mann der Wiſſenſchaft hätte er nimmermehr ein
Idiotilon von Kurheſſen‘ herausgeben lünnen, weil er wiſſen
mußte und, wie fein Budı zeigt, wirklich wußte, daß er damit
einerjeits innerlih nicht Zujammengehöriges zufammens
ſchweißte, andrerjeits Jujammengehöriges auseinander:
rin — die Grenzen der Mundartgebiete fielen bier jo wenig wie
anderwärt® mit den modernen politifchen zufammen. Wenn aljo
B. ein foldyes Idiotilon herausgab, kann er dies nur als ein
Politiker gethan haben, defjen Gejinnung ja befannt genug. it,
um die legten Zweifel über die Abſicht zu befeitigen.
Der Hinweis des Herrn Einjenders auf Schmeller iſt nicht
jtihhaltig. Denn eine fo hervorragende Stelle Schmellers Wert
in der deutichen Mundartenforihung zweifellos einnimmt, «3 liegt
boch, 1827—37 ericienen, um 30—40 Jahre vor Bilmars
Idioulon, und in der Zwiſchenzeit hatte diefe Forſchung ſehr ers
hebliche Fortjchritte gemacht; was aljo bei Schmeller erflärlich, ift
es nidyt ohne weitere® aud) bei Bilmar. Ferner ift zwiichen »bai-
riſchem Wörterbuch« und »Fdiotifon von Kurheſſen- ungefähr der-
jelbe Unterſchied wie zwiſchen »deuticher Kaifer« und »Kaijer von
Deutichland«, And endlich hat der Begriff Baiern, bairifch« von
jeber auf der Grundlage einer bejtimmten Stammes und Sprad)-
einheit gerußt, der Begriff Kurheſſen niemals. Es muß aljo ſchon
bei der »Demonjtration« fein Bewenden haben, nur würde ftatt
»politiiche« partifularijtiiche Demonjtration zu jagen jein, wie auch
Heinrich Rückert, von dem die Bezeihnung ftammt, in der That
geiagt hat. P. Pietſch.
Geſchäftlicher Teil.
verzeichnis
der 5Sweigvereine des allgemeinen deutſchen Sprachvereins nebſt ihrer Mitgliederzahl
und der geibäftsfübrenden Voritandsbeamten nah den bis zum 26. April 1897 eingelaufenen Angaben.
Name Mits
des ' glieder Geigärtöfilhrende Borhandsbeamte
Bioeigoereind \ Hal
When -. . +». | © ir. Dr. Geſchwandtner, Lori.
Bibliothetar Dr. E. Fromm, Ediriftf.
Altenburg » » . 1 Lchrer Otto Kipplug, Borf.
Schrer Fridſche, Schriftf.
Altena -. .» .». 40 Meltor H. Ehlert, Vorſ.
\ Haupt: Boll» Amts» Kontr. Jaſt, Schrift.
Annaberg . - - 18 Dr, 3 Wildenhahn, Bor.
arnot Wiſſen⸗ Buchhandler R. Lieſche, Schatzuiſtt.
ſchaftl. Verein) Baurat Lunzuer, heilvertr. Vorſ.
Vrofeſjor Buſch, Schriftf. u. Schahmſtr.
Aruftadt. - - - 5 Erof, Lederer, Vorſ.
VProſ. Dr. Groſſe, Schriftf.
Arneswalde 11 TDlrettor Dr. Horn, Vorl.
Name Mits |
des gliedar⸗ Geſchũfte führende Vorſtandabeamte
Bweigvereins Yaht |
Aupsburg . - - 2 | Georg Huber, Buchändter.
‚ "Aurich da Borf, fehlt!
| Koitdir, Kummer, Schriftf.
Barnien . : - » 110 Dir. ®rof. Dr. Sailer.
Oberl. 3, Leithauſer, Schriftf.
Bauten . - . = pa Brof, Dr. Gotth. Ace, Borf.
Com. »Dberl. Dr. Needon, Schriftf.
Bernedarf . . - 2 Meltor Mider, Lori.
Kaufmann Guſt. Eläss, Schriftf.
Berlin: 6barlbe. 1:6 Diretor Gardemin, Lori.
Keltor a. D. Herrmann, Schahmſer.
Berlinden . - - 5 | Willenkb. Lehrer Döbler, Bori,
Lehrer Glaje, Eihapmitr.
Bei den mit * verfchenen Orten fehlen genauere Angaben.
103 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 5. 104°
Rame mit Name Mit:
des lieder: Gelhäftsfüihrende Borttanbsbenmte | des glleder⸗ Geichäftsführende Vorſtandebeamte
Hveigverein® \ zahl Ip | Bwelgverelns Batıl
Bernburs - - - | 19 | Dr. 9. Wilfing. Bar. | rim... . | 108 | @em.-Okeet. Pülhmann. Borf.
| Ingenieur Chanton, Exhriftf. | Dberlchrer Dr. Gran, Schriftf-
"Bielefeld . 45 | Lehrer 9. Blocmter, Borf. Wrohröbröderf . n Schuldir. Käller, Lori.
itterfel® - » » | M | Bergwerfsteiter E. Volgt, Borf. ı Guben ... - 46 Vrof. Dr. Jeutſch, Borf.
” —— E. Con € Echriftf. Karl Hammer, Edriftf.
Blanfenburaa.g. 3 Gen.« Major 4. D. dv. Eranter, Lori. "Salberitadt. . . ı 4 Brof. Dr, Nicmanıt, Borf.
| Rentner H. geters, Schriftf. Galle (Zuake) . . 100 Gym.» Dir. Brof. Dr. Lothholz, Borj.
Vochum21 Dberlehter Dr, G. Vehſe, Vorſ. as —— an Kniübe, Schepmitr.
| u len 223 berl Ir. Tiffel, Rori
Boun. - + + 375 Gmsdireltor H. Söhren, Vorl. gamners rin ned Dr. Sn. Schriftf.
Dr. 3. Ernft —W —— Gannover 21 Mealgynn. «Dir. Ramdohr, Borf,
Boppard. % Dberkteut. a, D. Blum, 8 Be Ss:
Dberl, A. Steluberg, Sbriftf.
Dberl, Dr, Zetdel, —— u. Schriftf. Garb⸗ 4 | Eifenb.»Bau-Jafp. Ian. Mever, Bori
raunihtweilg - - 282 Vantberr Magnus, Vorf. | zung. - . - | | 1. . .
| Überlehrer Vogel, Echriftf. Geidelbera - - 37 Geh. Zuſtizt. Keller, Vorj.
| Start jlberfe, Redner.
Bremen . - » + BL Drd.« Sehr. a. Techn. Frauzistus Hähnel, Borf. Heilbronn a. 9. . 195 Oberftubienrat Melt, Dr. Preſſel, Bor.
Bredlan. . 61 | — — ug a et nn A geiligenftadt | | Dberprägeptor Eifih, Eapmftr.
cm.»Lehrer Pet. Hoffmann apmftr.
Budiweis. |» 2.8. Oymn.«Brof. Johann Böhm, Wort, (Eichsfeld) | 1 Jabritant H. Bernhard, Borf.
| | Ludwig wleijhner, Scriftf. Helmitedt 18 | —— De ul Bei, 2ert.
Buxtehude . \ = | Direftor Dr. 8. Bank, Borf. 1,2 zt. 5 Sutmild. Grit. n. Güege.
Kämmerer Sobannfen, Schaypmite. Sildeöbelm ... er Sandelsichufichrer a ger
—— sı Netlior Q. Sir BGolzminden | m Baugewertſchull. A. Rofabl, Bori.
.. N Realfeulichter Sale, — | | Pürgerf. «Lehr. Hligendag. Schrunf.
IL TU EEEEE ET Eu Saulieekise Ernſt Hefie, Borf. | "Horn md. Ö) 40 5 ersehen A — Bart.
ent Amold, Eihapmeifter, | |
>, > Vu © Buimm Proß. Mbert Tricks, Borf. | Ielen . . . . | 23 | Dberfehrer Rob. Sonfig, Bart.
‘ | Schrtftteiter Otto Anbeokiri Sail Junsbrua 121 ee —— ——
— 13 g N fe, h nuöbrud . . - rof, Dr. R. v. Ecala, "
—— wit: | chrer Ruſchte Borf | Priv. = Dos. Dr. Yuntiebart, Ehapmfır.
wina) . - [70 yeel. Dr. Th. Gartner, Vorf ı Idebor . . . - 2* ye —— A Borf.
| st. Gyınn.=Prof, Karl Wolf, Schri | | Pr Ser
Sana - - 31 ei Kanret —* «Dir. —— Namens (Zadıien). 123 | Lehrer Milde, Vori.
Vorf. Aauſſel | 5 ee PN
Dr. Hehrmann, Schriftf. | iadttammerer Barmer, Schriftf.
adt 16 Malor a. D. von Vſiſter Schwai 8 ‘ Kempen (Bolen) . 65 Dberichrer R. Helnrich, Vorſ.
m Hauptmann Zernin, Fre 2. | | Gymnaftallehrer Rudolph, Schriftf.
Än. - 17; Gummallol« Dir. Dr, Schneider, Borf. BE —— 62 Vaſtor Stubbe, Yorf
» j Wafor Dreber. esepmir. — | Überpoftfefretär Schmidt, Schapmitr.
@öbeln . - . - 42 rof. Dr. G. Sep, \ Mobleng . .» . . |, 38 I. Staatsanw. Echumader, Borf.
2 .» &ymm. + Obert. Dr Trspsz. Schrift: aolberg (Wiſſen⸗ Rechtsanwalt Gracff, Ehriftf.
ortuund . | 42 Oberießrer Sartori, Bor ; u. | ‚Dir. Dr. j e
2 Dr. Overbed, Eatriftt. ' | MONK: RER ” | Sen De
Dredden. - - 150 Dito Graf Siprhum, Vori. | EEE Wr | Bitrgermeift rt,
Gifenb, » Dir. * D. Reichardt, Schahmſtt. et ER a
f P- Kolmar i.@lf. - 82 Regierungs« und Schulrat Renaud, Borf.
Zulöburg . - * Fe re Fe 6m, Schrifif Dber · 2b,» Ger.» Nat Pocınann, Schrifif.
Beſ. ob, Schriftf, |
Süfeldorf . . - wo Vontdir. Lucan, Borf. aðbin a. h. a0 | —— — SAaeerdacn Borf.
€, Garni, Echriftf. und Echapmite. | )
Gdernförde. . . er Kyl. Scm, « Direktor Ehöpya,, Borf, Möninöberg ıPr.). | 61 Bollzeis Hat Lutterforth I. ®., Vorſ.
| "Königshütte Scht.) 43 Brof. Dr. Llimte, Bart.
Sur . u dd ne Lehrer Prodatel I, Eriff.
Blverleld - - - | 217 | Brof. Bucruder, Boif. ' Bonftans. . : -» 13 | Direktor Dr. Aleemann, Vorf.
Obeilchret Dr. cder, Schriſtf. Nnoſchinin (Foien) . 21 | Seminarbireltor Heldrich, Bor.
Elbingerode . - 18 Pollzelrat Maste, Borf, Semlnarlehrer Ernit, Schriftf.
Eichwege 17 Oberichrer Stendell, Borf. "Mötben (Anhalt) . 19 Eeminarichrer Hirſch, Vorl,
- Obert. Dr. Garthe, Schriftf. u. Schahm ſtr. Are... 6 Geh. Nat Dir. Dr. Schauenburg. Bori.
Gen un - - 197 Gym.» Brof. Dr. Imme, Wort, | grof. Bukmann, Schadmiſtt.
Buchhundler Gunther, Schamſit. Arems Donau 135 | Nealichullehrer Dr. Sans Schwab, ori.
Eutin. . 2... au —— — Zi | Vuchhändler Ferd. Drfterreicher, Schapmür.
uchhändler Strube, Ecdapırftr, Mronitadt . . - 3 Gurt. ®rof. Dr. O. Netoliczla, Borj.
Alensburg . - - 17 Oberlehret Dr, Ft. Gracf , Borf. l WMädcenichull. Frig Reimeih, Ehriftf.
Franffurt (Miain) | 113 Dr. €. Gautter, Borſ. Arotoſchin (Polen) 43 Gmmu,«Dir, Prof. Dr. zes. Vorſ.
Stadwerord. Mart, May, Schazmſtt. Pfarter Benade, Schriftf
rei Sachſen⸗ 65 Oberlehter Bündel, Vorſ. vLaibach rain) © Brof. Dr. Franz Riot, ort.
Bveweng 8 Oberichrer Theilich. Schriftf. | I. Eomnig, EHapınfır.
"Arelburg (Breidg.) 50 General v. Saphenaft, Borf, Vanenburg (lb 11 Tir. Prof. Dr. Günther, Borf.
Buchhdi. Eruft Harms, Schriftf. | Schter Hadeler, Schriftf.
"Gablonz a. R. 60 Handelsichuls Dir. Dr. Voigt, Borf, Leer (Dftfriesland) 14 Yymn,» Dir. DOuapp, Borf.
Geislingen a. &t. Burgerſchullehret Adorf Alle, Echriftf. 2eipn (Böhmen) . 23 Oberlehrer Joſ. Juſt, Vorſ.
(ürttemberg) | 16 Präceptor Anodel, Lori. | — 2: — Tragl, Egrittf.
Gleiwitz Schleſien 46 zu. De. Teaser, * * eeivii· = —2— De Bw Erin
aut« Dir. J. Fraentl, Ehriftf. j 5 ai 2
* Leltmeritg (Böhm.) 40 Vrof. Joſ. Blumer, Vorſ.
—— u. ” eh = eg , Bürgerfcts Direktor Yauptvogl, Shrüti.
Pa er 72 tlehrer Dr. Buitav Ü or ] = [
Major a. D. v, Mitlaff, Schriftf. : Sen Sem — De a
X —— 20 . Dr. Ferd. Khull, | I on
— * | Suchändier Hans ngner: @apmfr. | EWR - - > | 26 | Deerichrer Mid, Mark
Sreifenbera Rom.) 40 Prof. Dr. Große, Borf. \ Ping (Donam) Öhr. | TA Gymm.+»Brof, Dr. Franz Thalmayr, Vorl.
1, 2 17 Fabritbeſ. Paul Ehmidt, ort. | Bıof. Dr. Joh. Lechleitner, Ebrifif.
105
Bee. 6
Pirna (Elbe)
Planen (Vogtland)
13
De: Biunih, Sc
Seihäftefüßrende Borkandsbeamte
Buchbbir. Liebe, Borf.
nr Min —— Schriftf. u. Ehapmitr.
a Ga Borf.
Benzet Mittermater, Bort.
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Sol, Dr. Suode 3 ee Schapmitr.
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—* 3. Eapmitr.
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‚Bbere Ing, Engeifard. ‘ehr.
Ey Felſch. Borf:
ettot Echreiber,
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Dber » 2d,» Wer.» Rat er Sant.
Oberlehrer Dr. Th. Etord, ae
Vrof. Dr. 9. b. Buerke,
ee 2. —— — ariſtſuhter
u. Ecapmitr.
* . Michen, Vorſ.
u, el, Extriftf.
f. ifert, Bor.
—E dichard, Schriftf. u. Schahm.
Buhdrud.s Bel. Bruns, Vorj.
Eem.«Dir. Schulrat Bag, Borf.
Brof. Brenzel, Schriftf
Rreisihulinipelt. Dr. Slot, Borf.
Suchhdit. Mag Röder, —
‚Brof. Dr. F. Stiebe, ©
Hauptiehter R. Deye, eat.
Oberlehrer Dr. B. Entcorbi, Borf.
—— Grabbe eg
®rof. Dr, 9. Andreien
Schriftfteler Mattias unbe, Schriftf.
Eſenbahn· Bau· Inſp. Weile, Vorſ.
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Brrf. ©
—ã ae, Schriftf.
Brof. E. Wille, Borf.
== rer Stolmann, Borf.
. Eggers, Schriſtf.
gehee dr. Dittmar, Borf.
Poftmeiitee Aug. Ehmidt, Schapmitr.
2. Mibdendorf, Bori.
Eifenb, » Dir. «Bräf. v. — — Vorſ.
HOofapotheter Weerdes, —
Reg.⸗Nat Schiefſer
Gen.» Selr. #. Stumpf, ei eitf
Staatsamw. Dr. Dölter, Vorſ.
3.8. Reinholdt, Echapmitr.
Bürgermitr. Edimeider, Bor]
re —— Ethriftf.
Dr. 9. &d)
Schrer Pe ect.
Dberlehrer Ahrens, Borf,
Voſtrat Dr. Dehms, ori.
Hoflief, Aleg Hamel, Schapmftr.
Univ.» ®eof. Dr. Mbolf Ste, Bori.
2. . Himpau, Echapmite,
t Manle, 8
Diet, Fentiettr Bine, *
er Dr. Aeemann, Bori.
ſ. Ser, Umverhau, Schriſtf.
Oberichrer Neinig, Borf,
Oberlehrer 3. Engemann, Schriftf.
Bilrgerfh. « Lehrer sun Armold, au
Hausbei. en Henninger, Shapmitr
Borf. fehlt!
Dr. €. Cobes, ——
Viarret J. — ller,
Redıtsanm. DO ehe, aetupr.
24 fehlt!
Berl. Bröller, ——
—** Rhode
tadtfämmerer Dass. Scapmite.
Tübingen
58
E85 5 5£
Zeitſchrift des allgemeinen beutigen Spradvereind, XII: Jahrgang. 1897, Nr. 5.
Schriftſtell.
"Dr. nn QJupler, Borf.
Seinri Hey. En
106
Gehhäftstührende Vorſtandsbeamte
Borf.
Reg.» Eekt. gem, been Echriftt.
Edhapmitr.
Reg.» 2 Dr. Schildt, Borf.
Forftrev. Wilhelmi, ——
Se. ie t u u ae Straft
henlo ——
—* totloſſa, Schrift
Oberlehrer Dr. Prieſe, Vorſ.
Buchhändler La Motte, Borf.
Archidialonus Winter, Borf.
Siatonus Merten, Säriftf.
Reftor Reitner, Borf.
Buhbändter A. Pocwitz, Schapmftr.
En Dr. Btlafendorff, Borf.
Votietr.a.D, #. Epringmann, Schapm.
«Bräf, Dr. von Arnim, Borf.
*2* Bolleste, Schriftf.
Gymnaſtallehter Dr. Meifert, Borf.
en. Mat ı. —— Dr. zn, Bor.
beriehrer Dr en „ Eähriftf
= f. St. Erbe
uchhdir. such, * japınftr.
Landrat Oberländer, Bori
Gerichtejetr. Stüntel, Schriftf.
britbeſ. Dr. Julius Echmelger,
Bee Michael ie ie Striftf,
Dir, Dr. Maydorn, Vorſ.
Oberlehrer Warts, —
Oberlehrer Naſt
Netsanwalt Dr. ne, Schriſtf.
Rantor Wiederhold, Vori.
Lehrer Echröter, Shagmfır.
Ratj. Bantvorft. Fat, Borf.
La Mat Bruns, Bor.
u Rubne, —
Amterichter Geſcher
Ggmnafialichrer Geha. Scriftf.
Oberlehrer Deder, Lori.
—— | Dr. Seuffer, Bo
&ymn,sOberl. Dr. Iſentrahe. FR
— *5— E. Ronmader, Bori.
— Pu ftf.
gr — —— Schapmitr.
Dr Barthelmek , Vorj.
Wolff, Shapmitr.
—— Bernh. — Borſ.
Vfarter 2. Engerling
Wiſſ. Schrer Yorke, Mean. .
Neltor Wilb. Adel, Borf.
Dpert. Röhr, Ariftf.
Oberl. Dr. &lorl, Bori,
Dberl. Dr. — Schriftf.
Oberl. Neuber
Regtianw. Dr. ven. Schriftf.
Advot. Dr. Dominik Kolbe, Borf.
Dr. franz Ritter v. Sprung, Schriftf,
erädt. Schulluſp. Rinkel, Vorſ.
Rektor Jung, Ehriftf. „
Buchhändler Qadewigs, Ehahmfir.
Seminaroberlehrer J. Jeep, Borl.
Buchhändler Stichtenotd, Schapmitr.
Oberamtmann 9, „ Borl.
Kantor Nebring, Ehriftf.
", Schulrat Bolad, Lori.
Hauptiehrer Kellner, Eyrftf.
zul. Braaſch, Vorl.
einb. Jubelt, Ehapmitr.
©berlebrer Dr. feterabend, Borf.
Üveriehrer Nr. Xüdede, Sihapınfır.
———— Dertel. Borf.
Dr. Th. Matthias, Schriftf.
— Schröter, Vorſ.
Lehter J. Wtäfer, Schriftf.
Vfarrer Butters, Vorj.
Boat Dr. *.8 Vorl.
Saalderg; Ehapmitr.
107 Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen
Sprachvereins. XII. Jahrgaug. 1897. Nr. 5.
Uberſicht der Rechnung für das Jahr 1896.
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Beſtand aus dem Borjahe . » » 2 2...
. Beiträge von 172 Zweiqvereinen . . . PT
pas 200 4 — Altenburg 26 MA — Annaberg A — Arıdı
2). — Arnſiadt 176.4 — Arnzwalde MM — Yugdburg
200,2 A — Aurid 8 A — Barmen 116,05 .4 — Bauten 0 A
— Ber * 3,085 A — Berlin» Charlottenburg 24 AM — Ber:
lindhen — Bernburg 44.4 — Bielefeld WM — Bitterfeld GUAM
hang = 102 A — Bechum OD A — Bonn 7A —
Boppard 54.4 — Braunicdweig 573,80 M — Bremen 67 M —
Bredlau 106.4 — Brüfjel 106.05 .4 —ı Bubivelb 52,65 AM —
® * GA — Celle 62.4 — Chemnid 14 A — Eernonwig
“, — Tanzig 64 4 — Darmitade 31,0 A — Döbeln
En — zu. 88,4 — Dresden 584.4 — Düffelberf 210 4
— — A— Ecernſorde AM — "Eger MA —
Elberfeld 310 .M — Elbingerode BI M — Eſchwege 42.4 — Eifen
24.4 — Tlendburg 32.4 — Franutfurt a M. 28,6 — Äreiberale.
18 A — Beeburg VBr. 158 4 — Gablom 17,10.4 — Geiös
7 mAa— jeimip 106,10. — Wörlik 18.4 — Gras
45 A — Greifenberg BO AM — Greiz 42.4 — Grimma 208,6
— Groẽrbhredorf 20 A — Guben 102.4 — Halberitabt SB A —
Selle 192.4 — Hamburg 2 A — Hannover 486 M — Heidel:
berg 74 A — SKellbronn 26 .M — een 374 — delm ⸗
Bar 38,06 A — Hildeäheim TB.A — u 160 A — Hort
7,97. — Iylau 38,88 4 — Innebruct 24, A — Samen
16.4 — Rofiel 591.4 — Kempen 116.4 — Biel 162.4 — Stob-
len; 776 A — Stolberg WO A — Solberg XD A — Stolmar 158,10,
— föln 404,4 — Röni a ler. 162,4 — Rönigehütte RA —
any 141.4 — Stolhmin 46 4 — Söthen 18.6 — |refelb
ſtremb 214,14. — Sraheht 67,84 — „Krotoichte 68.
— Laibad) 51,11. — Leer DM — Leipa 59,57. — Teipzin
UM A— Veitmerig 09,67 A — Beoben 182, 14.4 — Liegnig 3,4
— Linz 126,06 4 — Col BA — übel BOB A agdeburg
261.6 — Mallond 3004 — Mal OD A — Marburg 261,89.
— Marienburg 22.4 — Marienwerder 270.4 — Meiningen 22.4
— Memel 48.4 — Die 100.4 — Minden vb, 108,4 — Mill«
beim 6 4 — Münden 822.4 — Hamm, Würden 118. —
Minfter 02 4 — Natel 33 4 — Neunkirchen 72.4 — Neuruppin
X A — Norden 122.4 — Nümberg 72.4 — Dberhauien 42,4
— Oldenburg 110.4 — Dinabrüd 6 A — Blorzheim 49,50.
— Pima 64.4 — Plauen 274,00 .4 — Plön 50. Potsdam
20 AM — Prag 97,02 4 — Prüm 67,0 A — Ouedtinburg 06 Mk
— Matibor 180.4 — Reidienberg öl BA Mood MM —
Audolitadt Gt A — Ehilbberg 24 A — Schopibeim 68 AM —
Ediwerin 61.4 — Elawenpih 210.4 — Soberheim 42,05 .M —
—— 32,50 4 -Siade A — Siettin 106 A — Sul:
berg OA — Etralfunb 37,80 4 — Etrafburg i/E. 140.4 —
@rradburg UWehtpr. WO M — Etuttgart 182.4 — Sullugen 40 .M
— Teplig 162,15 4 — Tilſit 44.M — Tollemit 34.4 — Tonbdern
A— Torgau 80.4 — Trier 134.4 — Troppan 176,0 4 —
Trarbadh 68 A — Tibin en MM — Um 2. — Berden 38.4
— Berdmold 35.4 — Wermeldfirchen 104.4 — Welel 158.4 —
Ürplar 104 4 — Wien 651.4 — Wierbaden 0.4 — Wil:
beimshanen 11,06 4 — Wolfenbilttel 48.4 — Wolmirdicben 76 4
— Morbis DA — Beip 0 .M — Zerbſt 198.4 — Zittau 258 „M
— Bihopau 44.4 — Amribrüden 44.4 — Blau 90 A)
3. Beiträge von 877 unmittelbaren Mitaliedem ..
4. Für Drudiaden:
5 Erlös aus dem Verkaufe.
Zahlungen für Anzeigen u. Beilagen »
D. —
6. Son ſtige Ginnabwen:
a. Binfen . F ee
b. Berichiedenee . . . EN >12
Darunter Rückzahlung des 2.8 , Didenbn ira (10,40 Ab)
21 856
DD
3037
A 395,80 |
28,56
573
155
A. Einnahme. . .
B. Ausgabe . . .
2083.26] 1. Gefhäftstührung:
29 a. Schreißätlfe
85 b. Ehrung von Mitgliedern:
1624:
57
30 130193
|
1. Schaft bes Buchbalterd . . .
2, Gehalt der Gehilfin im lepten Vierteljahr . 4.
8. Drucſſachen (Bordrude, — ER
u. dal.).
b. Roftgehühren
, bes Borfigenden . .
. bes Stellvertreiendben Borfipenden
des Shriftführers P
des Beifiperd Dr. Saalfeld . .
. der Weihäftsftelle (einicht, — und ® Brad
. des Eihrlftleiters .
. ber früheren Verelusleltung .
2. Büdherei - - - - FREE TERROR ARE
3. Äußere Bereinstpäitit:
a. Hauptverfammlung .
b. Zorftandefipungen . 0
ec, Ausihuhfitungen -» . 0.
d. Reifen für Werbe zwecke
4. Koften der Zeitihrift:
a, Ehrenfiolb
1. dem Edhriftleiter . ;
2. den Müterbeitem. »- . 0. » 120,50
b, Deudtoften p EEE
ec. Bapier
d. Berfendung .
o. Anzeiger.
5. Koiten der Beibeite er
fowie anderer Druckſachen:
a. Ehren ſold
1. dem Schriftfuhrer
2. den Mitarbeitert. » 2 2.“ »
KO. er ae re rare
o. Baplır . . a wert ee
d. Andere Druaſachen
Verſchiedenes:
». Beitruge
1, fUr das Stubentenheim in Elm
2, für den Berein in der Ditmart > 1N,—
Homann -
3
6
1. Inſtandſehen der Ehrentafel für Riegel A 4,—
‚ &hrenfold (Bearb, des Handelönefchbudt) > 100,—
6 c Gewerbefteiter .
d. Aufbewahrung des Etommpermögens .
e. Untauf der Älteren Verbeutidhungsblldher .
f. Beilegen des Auftuſes, Einrücken von Ungeigen .
g. An weigvereine (Drau von Aufrufen, Beihilfen nit.)
h. Miete fiir die @eihäfteränme . ee
i. Kleine Ausgaben .
I]
Überficht.
+. 4 30130,06
ER — 25 773,0
Beſtand 4 1356,16
Nahweiiung des in Staatspapieren angelegten —
5 Stüd 3'/,%, Deutſche Reichsanleihe Buchſt. B. 35491/95 je 20010 . .
1 >» 4 % preuf. an ag — Buchſt. B. 217180 ..
*
—333 oſtdreuß. Mandbriefe But. C. 19641. 12609. 27612
0»
3 >»
l >» 3) °/, Landid. Etr. Piandbriefe 241312.
3 2 4 re ana Konjol3 Buchſt. C. 563996.
l >» » Bucht. D. 404489
. . . +. 10000 A
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Buchſt. D. 328349/54 je 500 m te a 3000 »
je 1000 . 2.0. .8000 >»
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536691. 167652 ie 1000 „4% 2 2... 3000 >»
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— 22600 4
Der Geſamtvorſtand des allgemeinen deutſchen Sprachvereins
Dr. Max Zähns,
BVorjigender.
Eberhard Ernft,
Schapmeifter und Gejchäftsführer.
25 7731
109 Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprahvereind. XH. Jahrgang. 1897. Nr. 5. 110
Die X. Haupfverfammflung
des
nligemeinen deutſchen Spradvereins
findet zu
Stuttgart
vom 6. bis 8, Juni 1897 ftatt.
Feft- und Tages-©rdnung.
I. Sonntag, den 6. Juni 2'/, Uhr nachmittags: Situng des Gefamtvorftandes im Oberen Muſeum,
Kanzelei-Straße 11, Zimmer 4.
5 Uhr nachmittags: Freie Beiprehung der Vertreter. Ebenda im Heinen Saale.
8 Uhr abends: Begrüßung durd den Feſtausſchuß. Ebenda im großen Saale.
8— 10 Familienabend mit allerhand Kurzweil.
Von 10 Uhr an Gemütliches Zufammenfein.
I. Montag, den 7. Juni 81/, Uhr morgens: Erfte Geihäftsfigung im Mujeum, Zimmer 4.
Tagesordnung:
. Eröffnung und Begrüßung der Verſammlung.
. Prüfung der Vollmadıten. (Vol. Ausführung 1.)
. Vorbereitung der Wahlen zum Gejamtvorjtande. (Vgl. Ausführung 2.)
. Bericht des Vorfienden über die Vereinsthätigkeit jeit der Oldenburger Hauptverfammlung.
. Bericht der Rechnungsprüfer über die Rechnung des verfloffenen Geichäftsjahres und Entlajtung.
(Bol. die Spalten 107 und 108 d. Nr.)
6. Bezeichnung der zur Wahl von Prüfern der Rechnung des laufenden Geichäftsjahres berufenen
Biweigvereine.
7. Borlegung eines Voranjchlages für das kommende Geichäftsjahr.
11 Uhr vormittags: Dffentliche Fetfigung im großen Saale des Mufeums.
Begrüßung dur die ftaatlichen und jtädtiichen Behörden.
Feitrede des Herm Dr. Wunderlich, Profeffors an der Univerfität Heidelberg, über
»Das Spradleben in der Mundarte,
2 Uhr nadjmittags: Feſteſſen im großen Saale des Muſeums.
6 Uhr nachmittags: Geſellige Vereinigung auf der Silberburg. (15 Min. vom Mufeum.)
pw
III. Dienstag, den 8. Juni 9 Uhr morgens: Zweite Geihäftsfigung im Heinen Saale des Muſeums.
Vorläufige Tagesordnung*):
1. Beiprehung über Ort und Zeit der nächſten Hauptverfammlung.
2. Vollziehung der Wahlen zum Geſamtvorſtande.
3. Antrag des Herrn Oberlehrers Wappenhans, unmittelbarer auf die Gaſthofsſprache einzuwirken.
4. Erledigung etwaiger Anträge.
1'/, Uhr: Zwangloſes Mittagefien im Stadtgarten.
4 Uhr: Ausflug nad Roſenſtein und Wilhelma, dann Vereinigung im Kurſaale in Kanjtatt.
Bon 9 Uhr abends ab: Zufammenkunft im Heinen Saale des Muſeums.
Für die noch Bleibenden.
IV. Mittwoch, den 9. Juni: Ausflüge nad) Hohenftaufen, Urach oder Lichtenjtein.
Es wird eine Feitlarte ausgegeben (Feitmahl ohne Wein, Beſuch des Stadtgartend ufw.), deren Preis
5 Mark beträgt. Herr Buchhändler Kurz in Stuttgart (Stiftsjtr. 7) überjendet fie nebſt den Feſtabzeichen den
bis zum 1. Juni den Betrag einfchieenden Teilnehmern.
Bom Feſtausſchuſſe ift Sorge dafür getragen, daß während der Geichäftsfigungen die Frauen unter
fundiger Führung. Stuttgarts Schenswürdigleiten bejuchen können.
*) Nur wenn dieſe Tagesordnung eine Veränderung oder Vermehrung erfahren follte, erfolgt noch eine befondere Mitteilung
in der in diefem Falle ſchon gegen Ende Mai erfcheinenden Juninummer unferer Belt chrift; andernfalls tft diefe Tagesordnung endgültig.
111
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Spradvereind. XH. Jahrgang. 1897. Nr. 5.
112
Ausführungen.
1. Da nach Satzung 21 bei der Hauptverfammlung fein Mitglied mehr als 20 Stimmen führen darf, aber
auch Feines eine Vollmacht ohne Genehmigung des Auftraggeber8 an andere übertragen kann, jo ift 8 — um
unnötige Hin- und Herichreiben zu vermeiden — wünjchenswert, daß die Vollmachten, welche die Zweigvereine
ausjtellen, von vornherein mit einem entiprechenden Zujaße verjehen werden, jo daß fie etwa wie folgt lauten:
Vollmacht.
Am Auftrage des Vorſtandes des Zweigvereins
erſucht der Unterzeichnete Herm m...
die Vertretung des Aweigvereins bei der 10. Hauptverfammlung au übernehmen.
Sollte bad von und durch diefe fchriftliche Vollmacht mit unferer Vertretung beauftragte Mitglied ſchon 20 Stimmen
führen, alfo nad) der 21. Satzung feine Stimme mehr annehmen dürfen,
fo bitten wir {
diefe Vollmacht umgehend an den Unterzeichneten zurüdienben zu wollen. —
dieſe Vollmacht an irgend ein amderes Mitglied zu übertragen, das an der Haupwwerſammlung teilnimmt.
2. Der 6. Beitimmung unſerer Gejchäftsordnung gemäß jcheidet von den 36 Mitgliedern des Gejamt-
vorjtandes jährlid) der dritte Teil nach der durd) die Zeit der Wahl bejtimmten Reihenfolge aus. Hiervon werden
zu Ende d. 3. 1897 folgende 12 Herren betroffen:
. Dr. Otto Behaghel, Univerfitätsprofefjor. Gießen.
. Dr. Odtar Brenner, Univerfitätsprofefior. Würzburg.
Dr. Hermann Dunger, Profefjor und Konreltor. Dresden.
Eberhard Ernſt, Verlagsbuchhändler. Berlin.
Dr. $riedr. Hammader, Mitglied des Reichstags. Berlin.
Dr. Mar Jähns, Oberjtleutnant a. D. Berlin.
eFuepmwn
7. Dr. Bild. Laufer, Schriftleiter der Nordd. Allgem. Zeitung.
8. Scheerbarih, Oberlandeögerihtörat. Köln. (Berlin.
9. Schieffer, Regierungs: und Schuirat. Osnabrück.
10. Karl Sedlaf, Schriftleiter d. Oftdeutjchen Rundihau. Wien.
11. Auguſtin Trapet. Koblenz.
12. Dr. Zojef Badernell, Univerjitätsprofefjor. Innsbrud.
Indem der Gejamtvorftand die Wiederwahl diejer Herren empfiehlt, bringt er auf Grund der Gejcäfts-
ordnung nod; folgende Namen in Vorſchlag:
. Dr. Beer, Oberlehrer. Leipzig.
. dv, Brandt, Landesdireltor. Königsberg i. Pr.
. Fritich, Geheimer Negierungsrat a. D. Kaſſel.
. Frieder. Hermann, Profefjor, Gymmafialdireltor. Norben.
. Dr. Mally, Stadtarzt. Marburg a. d. Drau.
. Dr. Theodor Matthias, Oberlehrer. Zittau.
oa
An die Zweigvereine und Die unmittelbaren Mitglieder.
Mit der nächſten Nummer ber Zeitſchrift wird das
VIIL Berdeutſchungsbuch »Die Heillunde«
verjendet. Da das Bud eine ausgeprägte Fachſchrift ift, hält
der Geſamtvorſtand es nidyt ohne weiteres für geeignet zur Vers
teilung an alle Mitglieder. Es wird darum den Bmweigvereinen
zunächſt nur in je einem Mbdrude für ihre Büchereien zugeben;
doch jteht es ihnen frei, weitere Abzüge für diejenigen Mitglieder
zu verlangen, die dem ärztlichen und dem Npotheler: Stande an=
gehören, oder die jonft Anteil an dem Inhalte des Wertes nehmen.
Briefe und Drudfaden für die Bereindleitung
find an den Vorſidenden,
Dberfileutnant a.D. Dr. Mar Aähns in Berlin ww,
BRargaretenjtraße 16,
7. Dr. Alois Pogatſcher, Profefior an der Hochſchule. Prag.
8. Schmidt, Poftmeijter. Nürnberg.
9. Dr. Selig Stieve, Prof. an der Zehn. Hochſchule. München.
10. Otto Graf Bipthum. Dresden.
11. Dr. Richard Weitbredt, Pfarrer. Wimpfen.
12. Dr. Ernft Wülfing. Bonn.
Auch die unmittelbaren Mitglieder, welche das Buch zu haben
wünfchen, werden erfjucht, diejes Verlangen der Gejchäftäftelle
deö Vereins, Berlin W®, Wilhelmftrafe 90, anzuzeigen.
Von der 2. Auflage des
V. Berdentihungsbudes »Die Amtöfprade«
erhalten die Zweigbereine je einen Abzug für ihre Büchereien.
Der Gefamtvorftand.
Dr. Mar Jähns.
worte Sie Belkrit un und —I—— — 8 =
an ben agmeilter
gebuchhändter Eberhard Ernft in Berlin W#,
Bilbelmitrabe W,
Briefe und Drudfaden für bie geitieprift find au den Serausgeber, Oberichrer Friedrich Wappenbans In Groß-Lichterfelde bei Berlin,
Drufeftraße 8,
zu richten u
Bir die Scqhriftleltung verantwortlih: It te drich Wappenbans,
Briefe und Bufendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Brofefior Dr. Baul Pieti in Berlin W®, Mopftrabe 19
ZZ —_— m —7
Gr.» Lichterfelde. — Verlag des allgemeinen deutſchen Eprachvereins (Jihns und Ernf), Berlin.
Druf ber Buchdruderei des Wallenhaufes in Halle a. d. S.
Zeitfiheift
AH. Jahrgang Ar. 6.
Juni 1897.
r
alfgemeinen’deufchen Sprachuereins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Borjtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diele geiticheift erfejeint jährlich gnoötfmal , zu Anfang jebes Dlonats,
I Die Heltichrift kann auch dureh den Buchhandel oder die Poſt
und wird ben Mitglledern des allgemeinen beutihen Sprachverelns unentgeltlich | zu BME, jährli bezogen werden, — Anzeigenannahme durch den Schapmelfter
geliefert (Sapung 3),
Eberhard Ernft, Berlin W®, Wilbelmftr. 90. — Auflage 16000,
FE und: Die fogenannte Ellipie. Bon D. Weile.
— Hötel und Restaurant.
— Nochmals das Preisausichreiben der Auskunftei Schimmelpfeng. — Kleine Mitteilungen. — Zur
Bon Imhoff. Bon
Schärfung des Sprach⸗
— Record, Suggestion,
— — Bücherihau. — Aus den Zweigvereinen. — Geſchäftlicher Teil.
Die fogenannte Ellipie.”)
Mit der Annahme von Wortauslafjungen find die Srammas |
titer allezeit ziemlich freigebig geweien; beſonders im 16. und
17. Jahrhundert konnten fie ſich in dieſer Hinficht faum genug
tun. Denn fie betrachteten den Sag nicht im Zuſammenhange
der Daritellung, fondern als Einzelgebilde und hielten daher, von
der Anficht ausgehend, daß er ſtets ein abgeichlofiene® Ganzes
und darum in fich vollftändig fein müfje, jelbit Ausdrücke wie »er
ift frant und lebensmüdee oder »mein Bruder jchreibt
und rechnet heute« für elliptifch, weil dort beim zweiten Gliede
»er iſt · bier beim erjten Gliede »heute« nicht nochmals gefept iſt,
fondern aus dem Borhergehenden oder Tolgenden hinzugedacht
werden muß. Dah; freilih Sätze wie »er ift krank und er iſt
febenamüde« in Wirklichfeit wohl nur von wenigen geſprochen
werben, ftört ſolche Eiferer in ihren Annahmen nit, ja fie
empfinden vielleicht nicht einmal Mihbehagen über die Wieder-
holung gleicher Redeteile.
Mit größerem Rechte ließe ſich von einer Ellipſe reden in
Füllen, wo die Ergänzung nicht aus den einzelnen Saßteilen,
fondern aus der ganzen Lage der Dinge erfolgt, d.h. aus ben
Umständen und Berhältnifien, unter denen das Mitgeteilte ges
ſchieht. Denn bier ift der vollere Ausdruck gewöhnlich nicht nur
in früheren Spradjperioden zu belegen, jondern häufig auch noch
im Gebraud. So beftehen nebeneinander die Ausdrucksweiſen
>er ergriff das Schwert mit der rechten Hand« und »er ergriff das
Schwert mit der Nedten.» Die Möglichkeit, da8 Wort Hand
fallen zu laſſen, ift darin begründet, daß die ganze im Sahze
enthaltene Handlung zufammen mit dem weiblicdyen Geſchlechte
der Rechten vor jeglihem Irrtum ſchützt. Allerdings, warum
in der einen Verbindung Ellipfe eingetreten ift, in der andern
nicht, warum man aljo (3. B. im Deutichen, Lateiniſchen und
Griechiichen) zwar jagen fonnte »er fchreibt mit der rechten (Hand)«,
aber nicht »er ſtößt mich mit dem rechten (Fuhe)«, läht fich ſchwer
bejtimmen. Sicherlich ift die Häufigfeit des Gebrauchs dabei mit
von Einfluß geweſen.
*) Der verehrte Berfaffer diejes Aufſatzes bat fich aeichent,
diefen Fremdausdruck durd einen deutjchen zu erſeßen. Much wir
bezweifeln, daß das deutiche »Muslaflung«e ohne weiteres,
namentlich al& lberichrift, veritändlid wäre; fo feit jteden mir
ja leider bei der wiiienichaftlihen Namengebung noch in der |
Fremdwörterei. Die Schriftleitung.
Denn wenn die beiden in Frage fommen- |
| den Wörter Jahrhunderte lang in ſeſter Verbindung vorfamen,
jo brauchte man ſchließlich nur das eine zu nennen, um in dem
Hörenden oder Lejenden den Gedanken an das andere wach zu
rufen; und deshalb konnte man fich eben mit der Anführung bes
einen begnügen. Go ift in der Wendung »eine Flaſche
Deidesheimere nicht nur durch die Erwähnung des Gefähes,
jondern auch ſchon durd die Neunung des belannten Weinortes
hinlänglich ficher angedeutet, dab es fih um den dort wachjenden
Nebenjaft handelt. Denn Deidesheimer und Wein find durch jahr:
hundertelange Gewohnheit dem Bewußtſein des Deutichen jo eng
verbunden, daß er jich beim Geſpräche von dem Getränke die Aus—
lafjung des Gattungdnamensd Wein unbedenklich gejtatten konnte.
An anderen Fällen von Nuslafjung ift wohl auch das Muſter
fremder Sprachen, neuerer twie älterer, mitbeſtimmend gemeien.
Denn gewiſſe Musdrüde, namentlich bes Heerweſens, ehren bei
vielen Böllern in derjelben verkürzten Form wieder. Dazu kommt,
daß zwei ſich unterhaltende Perſonen in der Negel an beftimmte
Thatfachen antnüpfen oder diefe als befannt vorausfeßen, fich
aljo häufig mit blofen Andeutungen begnügen fünnen, ohne dafı
fie befürchten müßten, ſalſch verjtanden zu werden. Überdies ift
der eine Menjc oder Voltejtamm mehr als der andere zu ber-
artigen Wortauslaſſungen geneigt; denn je lebhajter jemand ift
und je lebhaftere Auffafjungsgabe er bei feinem Zuhörer voraus—
ſetzen lann, um fo mebr hat er die Möglichkeit, ſich durch Mies
nenspiel und andere Gebärden zu verjtändigen und dadurch Worte
zu ſparen. Ab und zu wird aud einmal ein Musdrud aus
Furcht, jemand zu verlegen, aus Rückſicht auf Wohlanftändigteit
oder aus heiliger Schen vor Mißbrauch mit dem Namen Gottes
u.a. im Geſpräch fortgelajfen, aljo aus gejelligen, fittlihen oder
religiöien Bedenken. Endlich giebt man mitunter einem Sate
durch Unterdrückung eines Wortes etwas Geheimnisvolles und
jucht durch die Unbeftimmtheit der Ausſage die Wirkung zu er:
höhen, 5. B. bei Drohungen wie: »Wart', ih will euch!«
oder lateiniſch »Quos ego!«
Aus afledem folgt, daß die Wortauslaflung in ben verſchie—
denjten Umſtänden begründet fein fann, daß fie aber weit häufiger
\ im Gefpräh als in Drudjcriften vortommt. Die Mundart und
die Umgangeiprache der Bebildeten liefern die zahlreichiten Belege.
Aus dem Schrifttum kommt beſonders die dramatiihe Dichtung
in Betracht, zumal die in ungebundener Nede geichriebenen Stüde
wie Göp von Berlichingen und Minna von Barnheim; am
' wenigjten finden wir die beiprochene Erſcheinung auf dem Gebiete
115
ber Rechtswiſſenſchaft, wo man fich hütet, Worte auszulafjen, aus
Beforgnis, daß Zweideutigfeiten oder jchiefe Auffafjungen ent⸗
ftehen könnten.
Bon dem verjdiedenen Wortarten werden die einen häufiger
als die anderen der ergänzenden Thätigkeit der Einbildungstraft
überfaffen, doch fünnen wohl alle im Zufammenhange der Rede
wegbleiben. Bald unterdrüdt man das Zeitwort (Guten Tag!
Glüdlihe Reife! Gejundheit!: wünſche ich), bald das Haupts
wort (Stoht an!: die Gläfer); hier das Filnwort (Grüß' Gott!:
di, das Eis trägt: und, empfehle mid: id), dort das
Umftandswort (3. B. in dem Ausdrude: er iſt abgefallen,
bildlich — einer Sache untreu geworden, urjprünglich: von dem
Seile gefallen, jo nod in der Zimmeriſchen Chronit 421, 12),
ia jogar einen ganzen Sap fann man fortlajien, z. ®.: Er hätte
binabftürzen können (, wenn ich ihm nicht gehalten hätte);
daf du dich da hineinwagſt! (, begreife ich nicht); wenn ic)
erjt meine Schulden getilgt habe! (, werde id) mehr für
euch thun können)) u.a. So viel ift aber Mar, daß bei manchen
von biejen Wendungen das Bewußtſein des elliptiichen Gebrauches
entweder ſchon geſchwunden oder zu ſchwinden im Begriffe ift;
und gerade auf diefe möchte ich im folgenden etwas näher eins
gehen. Denn es muf jedem, der feine Mutterjprache lieb bat,
von Wichtigkeit fein, die Entwidelung einer ganzen Reihe der
geläufigften Redensarten zu verfolgen.
Wie bei den altüberlieferten bildlihen Ausdrücen die urſprüng⸗
lich ſinnliche Anſchauung ſo verblaßt iſt, daß nur noch ein
wiſſenſchaftlich gefchärjter Blick den Bedeutungsübergang wahr:
nimmt, jo geht es dem Volke auch mit den unvolljtändigen Sägen.
Wie wenige denken bei dem Zeitwort »nach etwas lechzen« noch
an die Grundbedeutung des Leckſeins (lcd — lech, vgl. mittel-
deutſch zerledhzen von Wefähen), wie wenige aber aud bei dem
Sape »der Reiter ſprengt durch die Strafe« daran, daf fprengen
von Haus aus fpringen lafien bedeutet und das Objeft Roß
hinzuzudenlen ift? Hier wie dort ift der Blick des Volfes getrübt,
die Worte gleiten ihm über die Zunge, ohne daß es ſich über
ihre Herlunſt Rechenschaft ablegt. Es braud)t fie gewohnheits⸗
mäßig, etwa wie man ein Kleid trägt, ohne danach zu fragen,
woher der Stoff ftammt, aus dem es gefertigt ift. Ofter giebt
noch ein erhaltenes Verhältniswort einen willtommenen Finger:
zeig für die Vervollftändigung einer folchen Wendung, 3. B. bei
durdfallen, wo und das Wörtchen »durdh« die Wege weijt.
Denn, wie wir aus Joh. Paulis Echrift »Schimpf und Emit«
erfahren, jagte man einſt nicht bloß von ungnädig aufgenommenen
Freiern, ſondern auch von Kandidaten in der Prüfung: »er it
durd den Korb gefallen« (»Aljo fiel der gut Herr durd) den
Korb«), und erjt jpäter, ald man ſich des Urfprungs der Redens-
art nicht mehr bewuht war, konnte auch gejagt werden: »er fiel
durd die Prüfung. Ähnlich wie mit durchfallen verhält es
fi mit vielen anderen Zeitwörtern, die erit fürzlih G. Wuſtmann
als einer beſonderen Behandlung wert bezeichnet hat.) Aus ihrer
großen Zahl wählen wir im folgenden einige der Ichrreichiten aus.
Dahin gehören zunächſt: ausftehen — aus dem Sattel Stechen
und durchſtechen — durd den Zaun ftechen, jenes von dem
Nitterwettlampf zu Roh, diefes vom Turnier zu Fuße hergeleitet,
das unter Kaifer Maximilian auſtam; denn bei dieſem durfte
man nur über die Schranfen ftechen, nicht umten durch, weil es
1) Bgl. H. Paul, Prinzipien der Sprachgeſchichte, 2. Aufl. |
©. 273.
2) Bgl. Grenzboten 1896 ©. 136.
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 6.
116
als unehrlich galt, die Beine der Gegner zu treiien.') Fernet:
durchziehen — durch die Hechel ziehen (vgl. duchbedeln),
ein Stüd aufführen — auf die Schaubühne führen, auf:
warten — auf den Dienjt warten, einem etiwad aufbinden
oder aufheften, nämlic auf die Nafe, etwas aufbringen — auf
die Bahn bringen, aufihieben — auf die lange Bank ſcheben,
anführen — an den Feind führen oder an der Naje führen,
anlaufen laſſen, nümlich den Eber an dem Speer, aus:
friechen aus dem Ei friehen, ausweihen S aus dem
Wege weichen ufw.
Mehrfach finden wir ftatt der Verhältniswörter (Präpofitionen)
andeutende Umjtandswörter wie bei babinterfommen (— hinter
die Schlihe fommen), darauf zu laufen wiſſen (— auf dam
Seile), ſich etwas herausnchmen (= aus der Schüfjel, nim:
lich Fleiſch, Gemüfe u. a.), daran bepen und drauf gehen
lajjen (= ben Hund auf das Wild), herausrücden mit etwas
(= hinter dem Berge hervor, vgl. hinter dem Berge halten und
Hinterhalt), hineinfallen (— in Fuhangeln oder in eine Grube),
etwas herausdfriegen oder herausbelommen (= aus im
bergenden Berftede). In vereinzelten Fällen ift jogar die ver:
fürzte Ausbrudsweife wieder zu Gunſten der längeren aufgegeben
worden, wie bei Hinterführen (bei Stieler ertlärt mit persuadere,
fallere; vgl. bintergehen, binterbringen), das dem umftändliceren
hinters Licht führen wieder Plap gemacht hat.
Vielfach find auch die Umftandsbeitimmungen ganz weg:
geblieben, ohne eine Spur ihres früheren Dajein® zu hinterlafen.
Ber denkt bei bejtatten noch daran, daß es einjt den Zujeh
»zu der Erde« oder »zum Grabe« (Luther, Sirach 38, 16) hatte,
oder bei bejtechen an den goldenen Spieß, mit dem dies geihab?")
Ber bei impfen (urfpr. = pfropfen von Bäumen) an die Kuh—
podeniympbe? Und find nicht auch bei herausftreichen und
aufſchneiden die bejtimmenden Umftandswörter völlig dahin:
geihmunden? Aber noch Opitz jagt in feiner Poeterey 50:
» warn fie (die alegandrinifchen Verſe) nicht ihren Mann finden,
der fie mit lebendigen Farben herauszuftreichen weihe, und Grm
melshaufen im Simpliciffimus 1, 177 braucht noch die Wendung
mit dem großen Mefjer auffhneiden«, die daher wohl auf die
Thätigkeit des Jägers zuräcgeht, der das erlegte Wild ausweidet
und hinterher anderen gegenüber nad) Weidmanns Art gebörig
aufſchneidet · d. b. Jagdgeſchichten erzählt.
Handelte es ſich in den bisher erörterten Fällen um den Ver
fall von Umſtandsbeſtimmungen, jo ift in anderen ein Haupt
wort unterdrüdt worden. Schon Schottel jagt:*) »Man pfleut
im Teutſchen den Feiertag, jo von einem Seiligen oder Engel
den Namen hat, mit Auslajjung des Geſchlechtswortes umd dei
Tages und nur mit der Benennung des Heiligen oder Engels
anzudeuten ald: auf Michaelis etwas bezahlen = auf dei Ey:
engels Michaels Tag, auf Johannis ift JZahresfrift — auf dei
Täufers Johannis Tag« ufw. Dasjelbe gilt von den Wörtern
Jatobi, Martini, aller Heiligen (Tag), aller Seelen
(Tag), vom Sonntage nach Trinitatis (= nad; dem Feſte
der Dreieinigkeit) und von Palmarum (= Sonntag der Pal:
1) Bel. Fr. Haberland, Krieg im Frieden III. Lüdenſcheidet
Programm 1896, S. 66 (mo auch eine Wendung Luthers ange
führt iſt: »Dah Em. Kardin. Heiligkeit mich damit durch einen
Zaun jtechen und jtocherne — verftert angreifen, ſticheln) umd
Wendelin Böheim, Waflentunde 1890, ©. 562 fi.
2) Bol. Bordardt: Wuftmann, Sprichwörtliche Redensarten,
5. Aufl. ©. 445.
3) Wusführliher Bericht von der teutihen Haubiſprache
Braunschweig 1663. ©. 726.
117
men), au von den Monatsnamen Juni und Juli, die ihre
Senitivform bloß dem Umſtande zu verdanten haben, daß fie ges
wöhnlic in Verbindungen wie nono die mensis Juni(i) oder Juny
vorfamen. Gleichfalls durch Auslaſſung erflären fich die Formen
LZeonberger (Hund — Humd der Leonberger, d. h. der Bewohner
von Leonberg in Württemberg), Oberingelheimer (Wein),
Erlanger (Bier), Borsdorfer (Apfel), Nordhäufer (Korn—
branntwein), Biegenhainer (Stod), Heller (Pfennig = Münze
der Bewohner von Hall in Schwaben), Thaler (= Joachims-
thaler Gulden) ') u. a. Diefe fjümtlih auf »er endigenden
Formen find eigentlih Genitive der Mehrzahl, darum auch
unveränderlid}, werden aber in dem genannten Berbindungen als
Eigenihaftswörter, bei fehlendem Subitantiv (Wein, Bier u. }. f.)
dagegen ald Sauptwörter im Nominativ empfunden. Ebenſo
find durch Unterdrüdung des dazu gehörigen Begrifjs zum Range
von Hauptwörtern erhoben worden Bildungen auf sifch wie
Wendiſch — wendiſches Kartenipiel, Bayriſch (ein Glas Bayriſch)
— bayriſches Bier, mhd. Kölsch — Kölniſcher Stoff, blaugeſtreifter
Barchent, Schottifch — ſchottiſcher Tanz. Allerdings erwartete
man hier jtatt der endungslofen Form die hinter dem Geſchlechts—
worte gebräuchliche ſchwache Adjektivbildbung auf se, 3. B. der
Schottiſche, nämlich Tanz, und dieje ijt auch daneben üblich
gewejen, wie denn z. B. Echiller, Kabale und Liebe 3, 2 fagt:
» Worauf man ben erjten Englifchen tanzte.e Dem entipricht der
Gebrauch anderer Völler aus neuer und alter Zeit; id} erinnere
an frz. Polonaise, Frangaise, Anglaise (danse), capitale (ville),
fromage (— lac formaticum); it. siesta (— sexta hora), ma-
remma (= maritima regio, Maremme); lat. Persicum (malum,
perfiicher Apfel — Pfirfihe), Pergamena (charta — Pergamer
niſches Papier, Pergament) u. ſ.f.) Ausgedehnter als in der Schrift:
ſprache der Gegenwart ift die Weglafiung des Hauptiwortes in der
Mundart, wo von Altem, Neuem, Heurigem (Wein), von
Gehadtem (Fleilh), der Braunen (Hub) u.a. die Mede iſt,
wo man jein Schwarzes (Kleid) anzieht und die Kinder jich
beim Abjhiede den Letzten (Schlag, Hieb) geben, deſſen nicht
bewußt, daß fie damit das Wort Lepe (— Abſchiedsſchmaus)
verdreben (vgl. auch zuguterlegt — zu guter Lege) u. a.“.
Wenn man aber die Litteraturiprache genauer prüft und in frühere
Zeiten zuricdgreift, jo findet man eine große Zahl Hauptwörter,
die eigentlich nichts weiter find als jelbjtändig gewordene Adjektive.
Man dente an den Zehnten oder Dezem (— deeima, nämlich
pars), an den Gulden (— golden, nämlich phennine), den
Firn (— alt, vorjährig, nämlich Schnee, vgl. Firnewein), an
die Weichen (= meiden, nämlich Körperteile), während bei
Wörtern wie der Oberit (— oberjte), der Fürft (— erjter
vorderjte}), der Inter (= untere), der Gejandte u. a. nur
die allgemeine Borjtellung einer männlichen Perjon zu Grunde liegt,
gleichwie bei den fächlichen Ausdrüden das Übel, But n.a.
(— das Übele, Gute) das Neutrum zur Bezeichnung des abge-
zogenen Begriffs Hinreichte, ohne dak an eine Ergänzung zu
denlen wäre.
1) Bei Alberus (16. Jahrh.) noch Joachimsthaler — vummus
Joachimieus oder Vallensis.
2) Auf dieſe Weije jind felbit Namen griechiicher Götter:
geitalten entitanden, die urſpr. als Beifügungen zu dem Namen
eines Gottes gebraucht und dann zu jelbjtändigen Gottheiten er: |
hoben wurden, z. B. Phaethon (Sohn des Helios), d. h. leuchtend
(Beiwort des Sommengottes).
3) Bol. auch die jchriftipracdhlich gewordene Wendung »ben
türzeren (nämlich) Hal) ziehen. «
Zeitihrift des allgemeinen bentfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 6.
118
Sit in den oben genannten Beiipielen das durch eine Bei-
fügung beitimmte Hauptwort vor biefer gewichen, fo hat man in
anderen Fällen umgefehrt das beitimmende Glied fallen laſſen.
3. 8. ift aus lotto di Genova, wie man im 17. Jahrhundert das
Spiel nad) feiner Heimat nannte, Qotto, aus poudre de C(h)ypre
(Eypriiches, d. h. nach der Cypriſchen Göttin Venus genanntes
Pulver) Buder geworden; die Inſel Ascension heiht von Haus
aus Ascension de Dieu und Minifter eigentlich Staatäminifter
(= ministre d’ ötat, Staatödiener). Die Bezeihnung Univerjität
leitet jich her von universitas litterarum, Gejamtbeit der Wiflen-
ichaften, Konjtellation von eonstellatio stellarum, Stellung der
Sterne, Gegen von signum erucis, Zeichen des Kreuzes; bei
Himmelfahrt ijt Ehrifti zu ergänzen und in den Redensarten
»einem die Spike bieten« und »das Kleid iſt voll« bie Genitive
»des Schwertes« und »(von) Fledens«. Der Likör namens Korn
ift verfürzt aus Kornbranntwein und der Strumpf aus Hofen-
jtrumpf; denn die jeßigen Strümpfe waren einjt die Endſtücke
(Strumpf bat die Bedeutung von Stumpf) der Beinkleider.
Depeiche fteht für telegraphiiche Depefhe und Zeitung für
neue Beitung; denn dieſes Wort bezeichnet uriprünglich nur die
Nachricht.) Die gegenwärtige Bedeutung entwickelte fi aus der
Überfchrift der ältejten Flugblätter (Neue Zeitung), der Vor—
gänger unferer Tagesprefje; auch die Nedensart: eine Nafe be—
fommen begreift man erjt, wenn man ſich »lange« hinzubenft,
und das Wort morgen aus der Verbindung »(am näcdhften)
Morgen. «
Arch das Objekt iſt in manden Wendungen gefallen, wo
wir es faum noch vermijjien. Mehrere von ihnen lafien fich bei
verjchiedenen Völlern nachweifen, 3. B. ſteuern, appellere (das
Schiff, navem), aufbredyen, movere (da$ Lager, eastra: Gegen-
fat zu auffchlagen), vorrüden, ducere (da Heer, exercitum),
fahren, vehere (den Wagen, currum); meift weichen aber bie
Sprachen von einander ab: jo fann der Römer unfer wajhen =
Wäſche halten nicht mit lavare wiedergeben, fondern muß dafür
lintea lavare jagen, für unſer jchreiben ift er genötigt, litteras
dare einzufegen; für rühren animos movere. Ausſchließlich
deutſch ift der Wegfall des Objeftö bei vom Leder ziehen (vgl.
auch blank ziehen, nämlich den Säbel), herhalten, wobei zu ers
gänzen iſt »den Kopf (zur Hinrichtung)«, wie denn nod bei
Steinbach zu leſen ift: »Er muß feinen Kopf herhalten, ınortem
subiturus est«, während bereits Luther jchreibt: »Er muhte
herhalten und ohne alle Barmherzigkeit fterben.«e Ferner gebören
hierher auf etwas fpannen, wie man aus dem mhd. Zufaße den
muot, daz herze erjiebt, weit ausholen, nämlich die Hand, den
Speer, Stock u. a. (vgl. Luther 5. Mof. 19, 5: er holt mit der
Hand die Art aus, das Holz abzubauen), jengen — fingen
machen, nämlich; das Feuer oder die Gebäude, zur Ader laſſen
(früher an der Aber lajien, nämlih das Blut), einem Tiere
nacjtellen (nämlich die Falle), Namentlich bäufig bleibt das
Wort Ro weg, jo mbd. bei gün läzen und nhd. bei fprengen
— Springen laſſen (j. o.), rennen — rinnen lafien und vielleicht
auch traben (vgl. agſ. thrafian, antreiben). Mehrfad deutet
ein bloßes Fürwort das fehlende Objekt an, z. B. »es« in den
Wendungen: es einem jteden (dad Ziel oder das Schreiben,
nämlid als Stedbrief and Thor), e8 mit jemand aufnehmen
1) So noch bei Schiller, Räuber 4, 3: »Als die Zeitung fan,
ihr wäret tot.« In äbnlicher Weile verfuhren ſchon die alten
Griechen. Bezeichnend iſt in diefer Hinficht die Außerung Heros
dois 7, 201, daß die Thermophlen (— warmes Thor, benannt
nach den dort befindlihen heißen Quellen) von den Ummohnern
bloß Pylen d. h. Thor genannt worden wären.
119
ober es anlegen auf jemand (das wäfen — bie Waffe), es
einem eintränten (das Gifttränfchen). Ähnlich wird das ums
bejtimmte Gefchlechtäwort »ein« gebraucht in den Medensarten,
jemand ein® auswiſchen (nämlich ein Auge, weil der Sieger
bem Unterliegenden in alter Zeit häufig die Flüffigfeit des Auges
ausbrüdte) und einen (Kopf) über die Klinge jpringen
lafjen, wie denn nod Luther deutlich fagt: »Die ihm den Kopf
über die falte Klinge hatten hüpfen lafjen.«
In gleicher Weile wie der vierte Fall kann der dritte vom
Leſer oder Hörer ergänzt werden, z. B. in dem Musdrude dienen
(dem Landesherrn als Soldat), gelafien (mbd. gote geläzen,
Gott hingegeben in der Sprache der Myſtiler)!), Du kannſt dich
empfehlen (Gott; vgl. den Abſchiedsgruß: „Bott befohlen!‘), den
Geiſt aufgeben (mämlic, dem Oberherm des Geiſtes, Gott) u. a.
Weit jeltener ift der Wegfall des Sapgegenitandes z. B. bei dem
Fürwort id, das man öfter aus Beicheidenheit unterdrüdt,?) wie
in bitte (ich bitte), danke (ic) danke), geichweige (ich geſchweige
davon, daß), jodann aber auch bei dem Namen Gottes, den man
ab und zu aus heiliger Scheu nicht ausfpricht, namentlich in Bes
teuerungen wie behüte, bewahre, genade dir (Gott fei dir
gnädig),’) gejegne die Mahlzeit (Gott möge die Mahlzeit
gelegen, gewöhnlich entjtellt in Gejegnete Mahlzeit.) *)
Endlich jind nod) ein paar Worte über den Ausfall des Zeits
wortd hinzuzufügen. Abgefehen von den ſprichwörtlichen Wen—
dungen wie ländlich, fittlich, Ende gut, alles gut und
Aufforderungen wie Scherz bei Seite! Hand weg! oder Be-
teuerungen wie alle Welt! (fchon bei Walther v. d. Vogelweide al
diu werlt 28, 31: fei Zeuge) find hier beſonders beachtenswert
die beiden Wörter dank und troß, die im Nhd. geradezu die
Geltung. von Präpofitionen erhalten haben, aber ihre Erklärung
in abgefürzten Sähen finden. Denn dank feiner Tapferkeit iſt
die Stadt gerettet worden, ift foviel, als: die Stadt ijt gerettet
worden; Dant fei jeiner Tapferkeit dafür dargebracht!
So jehen wir aljo, da ein haushälteriicher Zug durch unſere
ganze Spradthätigkeit hindurchgeht und die Neigung, Wörter
auszulafien, ziemlich häufig ilt. Daneben aber fünnen wir bes
obachten, daß fich auch verfchiedene Arten des Bedeutungswandels
durch Unterdrüdung urſprünglich binzugedadhter Bejtimmungen
erflären, 3. B. die VBerengerung des Sinns und die Änderung
des Gefühlswerts. Denn wenn die Wurzel sek aus der all-
gemeineren Bedeutung des Folgens in die befondere des Schens
(lat.sequi, lautlih — fehen) übergeht oder&fribent den urjprüngs
lich guten Sinn ins Gegenteil umlehrt, jo iſt dies darin begründet,
dat dort das Mittelglied »mit den Augen«, bier die noch bei
Leſſing üblihe Beiligung » elend« fpäter weggefallen ift.
Eijenberg, ©.:1. D. Weiſe.
Hötel und Restaurant.
Kürzlich wurde in der Zeitjchriit (1896, Spalte 157) die An—
ficht geäußert, das Wort Hotel ſei ein vorläufig unentbehrliches
Fremdwort, fofern damit ein vornehmer Gaſthof bezeichnet werden
jolle, insbefondere auch deshalb, weil die Befiger folder Gaſt—
böfe fih nicht entichliehen würden, ſich Gafthofbefiger zu nennen.
Meiner Anficht nad; muß dieſes Fremdwort, wenn eben mög:
1) Bal. Hildebrand in Lyons Beitichrift X, 736.
2) Wohl zuerſt im Briefftile. Vgl. Wunderlich), Der deutſche
Satbau ©. 15.
3) gnaden — mbd. genäden (vgl. begnaden); die vollere Formel
im Egmont 4: ‚num gnad uns Gott!’ und jonit.
4) Bol. Hildebrand in Lyons Beitichrift VI, 729.
Zeitfhrift ded allgemeinen beutfhen Spradpvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 6.
120
geradezu die Anwendung der franzöfiichen Sprache im Gajthojs-
wejen. Ich will nicht jagen, daß Benennungen, wie Hötel de
l’Europe, Hötel de France, de Cologne, de Franefort uns er-
fpart worden wären, wenn dad Wort Hotel für Gaſthof micht
allgemein gebräuchlich geweſen wäre; das Wort ijt aber zweijel-
los ein Hindernis für die Bejeitigung folder Bezeichnungen. Wie
will man denn Hötel de France, Hötel de l’Europe ohne gleich-
zeitige Musmerzung des Wortes Hotel verdeutihen? Doch nicht
etwa in Hotel von Franlreich, Hotel von Europa? Uber aud)
wenn eine Verdeutſchung möglich it, verführt der Gebrauch des
Wortes Hotel bei der einmal vorhandenen Bevorzugung der franzö—
fiihen Sprache auf diefem Gebiete Befiger und Gäſte dazu, ſich
ber franzöfiichen Bezeichnungen zu bedienen, und das hat dann,
namentlich in den Orten großen sremdenverfehrs, leicht die weitere
Folge, daß bei Ankündigungen, Rechnungen ujw. ebenfalld das
Franzöſiſche gebraucht wird, oder diefe doch mit franzöfiichen Wen:
dungen durdjjeßt werden.
Dazu fommt etwas andres. Nur dem Worte Holel haben wir
eine Anzahl Bezeichnungen zu verdanfen, die, wie Hötel National,
Hötel Metropole, Hötel Continental, Central Hötel, Monopol
Hötel, und wie fie alle heißen, in ihrer Farblofigteit nur nod
durch römische Bomamen, wie Quiutus und Sextus libertroffen
werden.
Welche Stufenleiter aber hat die deutfche Sprache für das
Wort Hotel, und welche Bieljeitigleit und Anſchaulichkeit herrſch
bei der Benennung der Gajthöfe in den deutihen Landen, die
noch abjeitd vom großen Verfehre liegen! Hier winkt uns das
Gaſthaus zur goldenen Traube«, dort neben der befcheidenen
»Gajtwirtjchaft zum roten Ochſen⸗ lädt den anfpruchsvolleren
Reijenden der »Gafthof zum König von Preußen« zum Eintritt
ein. Der vornehmite Gaſthof aber, jo belehrt ums ein Orts
fundiger, fei der ⸗Hof von Hollande.
Hotel bezeichnet urſprünglich ein bejonders prächtiges Gebäude,
in&befondere die Wohnung von Standesperfonen. Auch das Wort
Hof, curia, hat diefe Bedeutung. Im 17. Jahrhundert fam in
Frankreich das Wort Hotel für die in neuefter Weife eingerichteten
Gajthöfe auf, wozu das Land oder die Stadt gefügt wurde, für
deren Angehörige es zunächſt beftimmt war. In gleicher Weije
wurde in Deutjchland das Wort Hof gebräuchlich. Die älteren
Gaſthöfe vornehmerer Art hatten denn auch biöher Bezeihnungen
wie ⸗Engliſcher Hof, Hof von Preußen, Mainzer Hof, Kölner
Hof.e Und erjt neuerdings hat man in Berkennung der Bedeus
tung von Hof diefen Bezeihnungen das allein ſeligmachende Hotel
vorgejept.*)
Tas Wort »Hofe iſt in feine alten Nechte wieder einzujeßen,
und mid, dünkt, es fteht an Vornehmheit weit über dem jchon
recht abgegriffenen und heruntergefommenen »Hotel«. Und wer jid
nicht Gajthofbefiger nennen will, mag auf feine Karten den jtolzen
Titel jegen: Beſiher des Europäiihen Hofes.
Nun zu dem Wort Rejtaurant. Es wird fo oft gefagt, daß
der Deutjche für den Raum, wo er jeiner Eigenart, der Liebe
zum Traubens und Öerjtenfafte, huldigt, feine deutſche Bezeichnung
habe. Das Begenteil iſt richtig: eine große Anzahl ift vorhanden.
Da ijt die trauliche Schente, die gemütliche Wein- oder Bier:
jtube, das anfpruchSvollere Wein- oder Bierhaus, der den Süd—
deutſchen eigene Bierfeller und endlich die für den Mafjenver:
tehr bejtimmte Bierhalle,
1) Ein fübdeuticher Gaſthof kündigt fich fogar al$ Hötel de
la Cour (!) de Bade am.
121
Das Wort Rejtaurant ift auch nicht deshalb unentbehrlich,
weil es die allgemeine Bezeichnung fei. Jedes Wirtshaus ver-
ichenft ein &etränt in erjter Linie, jo dab es hiernach die Be—
zeichnung Weinftube oder Bierhaus zu nehmen hat. Dak dort
auch noch andere Getränke verabreicht werden, tit heute jo ſelbſt—
verftändlih, daß es einer bejonderen Erwähnung nicht bedarf.
So verſchwindet denn auch das Wort cafö-restaurant mehr und
mehr. it es in der Hauptiache ein Kaffeehaus, fo follte man
e3 übrigens nit cafo nennen. Man babe den Mut, den die
elſaß⸗ lothringiſche Regierung bei der Verdeutſchung der Strafen:
ichilder gehabt hat, umd jchreibe Kaffee umd fprede das Wort
beutih aus, mit dem Ton auf der eriten Silbe. Eine ſolche
Ausiprache iſt ja ſchon in vielen Gegenden üblich. Und ijt es
denn fo entjeglich, zu jchreiben: Satjers Kaffee, Hohenzollern =
Kaffee ?*)
Es bleibt dad Wort HotelsReftaurant, zur Bezeichnung
von Gafthöfen, in denen auch dort nicht wohnende Bäfte Speijen
und Getränte erhalten, und von Wirtähäufern, die nebenher aud)
Gäfte für die Nacht aufnehmen. Ein völlig entjprechendes Wort
hierfür vorzufchlagen, ift ichwierig, aber auch nicht nötig, da nad)
Lage der bejonderen Verhältniſſe fich leicht ein Erſatz finden läßt.
Die allgemeine Auſſchrift des Gajthofes mag 5. B. in einem Fall
der erjten Art Beteröburger Hof lauten und die befondere Auf-
jchrift über dem Eingangsthor Weinjtube. In einem Fall der
zweiten Art könnte die Benennung Gaſt- und Bierhaus jein.
Man wende gegen diefe Vorſchläge nit ein, dal; die Worte
Reftaurant und Hotels Nejtaurant feiner Hängen als die deutjchen
Bezeichnungen. Das iſt Geſchmacksſache. Zweijſellos aber ift,
daß dieje Worte gerade wie Hotel immer allgemeiner gebraucht
werden und mehr und mehr auf Wirtshäufer und Gajthöfe
geringerer Art Anwendung finden, jo daß in nicht allzuferner
Zeit die deutjchen Wörter ficherlich höher gewertet werden. Aller-
dings find auc fie nicht gegen eine allmähliche Wertminderung
gefeit, aber ſchließlich enticheidet die Bezeichnung überhaupt nicht
über die Güte einer Sache.
Der Haupteinwand aber fommt von anderer Seite. Die
fremden Ausbrüde find, fo fagt man, der fremden halber not-
wendig. Eine joldhe Verteidigung ift eines großen und jelbjts
bewußten Volkes unwürdig. Was zieht denn die Fremden zu
uns? Die Güte unferer Erzeugnifie, die Schönheit unjeres Landes.
Glaubt denn im Ernſt jemand, dab ein Fremder weniger käme,
wenn deutiche Bezeichnungen an Stelle der fremden träten? Ein
Reiſehandbuch über England wird jeden belehren, daß die ge—
ihäftäfundigen Engländer nicht daran denfen, der fremden halber
ihre Sprache zurüdzujegen. Man fomme ihren Wünſchen ent-
gegen, verpflichte jie durch die Vortrefflichteit des Dargebotenen
und beherriche ihre Spradhe. Ja man bringe aud), dagegen läht
ſich in verfehrsreichen Orten nichts einmwenden, fremde Bezeich-
nungen an Gaſthöſen und Wirtöhäufern an, aber da, wohin fie
gehören, an zweiter Stelle. Das wird einen ganz anderen Ein-
drud machen als die VBerleugnung der eigenen Würde und bie
bejhämende AZurüdjegung der eigenen Landsleute, wie jie ſich in
dem alleinigen Gebrauche fremder Bezeichnungen ausdrüdt.
Wer aber einen anderen Standpunft vertritt, der ſei dann
auch jo folgerichtig, wie der Inhaber eines Zigarrenhaujes in
einer großen rheinifhen Stadt, der feine Waren mit diejer Auf:
ſchrift in die Welt gehen läht:
Esquina de oro de Jose Cuellofino ........ Calle alta 63
esquina Calle de escudo.
*), Thatfählich giebt es ſchon in Berlin ein »Kaiſer-Kaffee«
(in der Friedrichſtr.) und das ⸗Kaffee Kloſe· (im der Leipziger Str.).
Zeitfhrift deö allgemeinen deutfhen Epradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 6. 122
Ich würde nicht volljtändig berichten, wenn ich unerwähnt liche,
da Don José Cuellofino feinen für feine deutihen Mitbürger
beitimmten Namen feinen Abnehmern nicht verſchweigt.
Barmen, Smboff.
Record. — Suggestion.
Kaum find wir von einem Gindringling aus der englifchen
Sprache, der Redensart »last not leaste, die noch vor furzem
in jedem Zeitungsartifel, in jeder Novelle und jedem Romane zu
finden war, wieder ziemlich befreit, jo haben ſich die deutichen
Schriſtſteller neuerdings im ein anderes englisches Wort verliebt.
Der Ausdrud Record (vom lateinifchen recordari, ji an etwas
erinnern, ſich etwas bemerken) ſcheint vom engliſchen Nennplape
zuerſt zu uns gedrungen zu fein; er bedeutet da urjprünglid) das
Merkbuch, in welches die höchſten Leitungen, die Siege der
Rennpferde eingetragen werden. Das Wort iſt nun von feiner
urſprünglichen Bedeutung auf die Leiftung ſelbſt übergegangen,
und jo finden wir es bei allen Wettbewerbungen, nicht nur bei
den Jugendipielen, die uns mit einer großen Zahl von engliſchen
Ausdrüden überſchwemmt haben (jiehe Zeitſchrift XII. Jahrgang
Nr. 1 »Deutfhe Lawn-Tennis-Ausdrüdee), jondern aud beim
Fahrradwettlaufen, bei der Kurzſchriſtlehre, beim Meiſterſchach⸗
ipiel, aber auch in den Berichten über die Schnelligteit der Sees
ichiffe, dan auch in den Handelös und Börjenberihten, in Ber
ipredjungen politifcher und voltswirticaftlicher Angelegenheiten,
in Schilderungen gejellicaftlicher Zuftände, in dem Urteil über
Künſtler und Gelehrte. Überall, wo von einer bejonderen Leiftung,
von einer Höchſtleiſtung, von einer Meifterjchaft, von einem
Siege, von einem Erfolge geiprochen werden joll, wird jept
das fo »vornehmellingende Fremdwort Record und zwar oft recht
falich angewandt. Wie wäre e8, wenn die Herren Schriftjteller,
bejonders der Tagespreſſe, anjtatt ſich dieſes meijt halb oder gar
nicht verftandenen Fremdwortes zu bedienen, lieber die obigen
guten Ausdrüde unferer Mutterfprache verwendeten ?
Ähnlich ift et und mit dem Worte Suggestion ergangen,
das mit dem Hypnotismus bei uns eingedrungen ift. Was wird
jeitdem in der deutichen Litteratur nicht alles suggeriert! Und
wieviele, fonit ganz gebildete Leier, die nur in den fremden
Sprachen nicht jehr bewandert find, überjchlagen lieber das un—
befannte Wort und fuchen ſich den ungefähren Sinn aus dem Zus
fammenhange, als daf fie erfi das Wörterbuch zur Hand nehmen,
Und die Schriftfteller wollen und jollen doch allgemein verſtändlich
ichreiben. Die Ausdrlide Suggestion und suggerieren find frei
lic) bequem, weil jich vieles hineinpaden läßt; aber was hat man
denn früher ohne diefe Wörter angefangen? Da hat man ſich
doc; ganz gut für suggerieren mit dem deutſchen »eingeben,
einflöhen, einreden, raten, beeinfluffen, veranlafien,
verfeiten« ufw. beholfen, und jeder hat es verftanden. Man
fieht, für das eine Wort hat die reiche deutſche Mutteriprache
fieben und mehr Bezeichnungen, nur müſſen fi) die Herren Schrifts
jteler die Mühe geben, die jedesmal richtige und paſſendſie zu
wählen. Selbftverjtändli verlangen wir nicht, dab das Wort
Suggestion, wo es in einer wiſſenſchaftlichen Abhandlung fteht
und eine ganz bejondere geiftige Thätigkeit bezeichnet, ein für
allemal durch einen deutjchen Ausdrud erfept werden foll. Aber
nicht jeder deutjche Tagesichriftiteller jol die Mode mitmachen
und, wo er früher »Einmwirtung« oder »Berinflufiung« jchrieb,
heute das Fremdwort Suggestion gebrauden.
Braunschweig. C. M.
123
Nohmals das Preisausihreiben der Austunftei
Schimmelpfeng.
Herr W. Schimmelpfeng, der Befiker der befannten Aus—
funftei, jchreibt der Schriftleitung:
» Zu meiner Preisfrage ‚Erſatzwort für MNechercheur‘, die
Sie in Ihrer geſchähten Zeitfchrift mehrfach erwähnt haben, find
mir jehr viele Vorſchläge zugelommen; darunter findet ſich jedoch
von „‚Aufihlußbejhaffer‘ an bis ‚Bufammenträger‘
feider fein Wort, von dem ic) annehmen fann, daß es fi Bür-
gerrecht erwerben wird. Fir die zahlreichen Wörter und Wort-
bildungen, die wie „Greditftatiftifer, Erperte: und dergl.
oder ‚„Klarheitichaffer, Thatbejtandermittier‘ und dergl.
ohne weiteres als ungeeignet erſcheinen, wird auf feiner Seite
ein Intereſſe beſtehen; ich unterlafie daher ihre Wiedergabe.
‚Ausfunftar‘ iſt zweimal vorgeichlagen; diefes Wort zu wäh-
len, verbietet, fo jagen die Gelehrten, die undeutſche Endung:
bürgert es fi troßdem ein, mir joll es recht fein. Für bie
engere Wahl ergaben ſich nur folgende Wörter: ‚Austunftar,
Austunftswart, Berichter, Berihtwart, Beirat, Cre—
ditwart, Erfunder, Ermittler (weitaus am meilten borges
ſchlagen), Sejhäftswardein, Handelſcheider, Kundmann,
Kundwart, Kürbote, Prüjwart, Sammelwart, Sicht—
wart, Trauhand (im Sinne von Gewährsmann, Bürge ujw.),
VBertrauenswart, Währmeifter, Wardein, Zumwart.‘
Für feins diefer Wörter babe ich mich entſchließen fünnen;
aud meine Herren waren nicht geneigt, ſich eines davon anzu—
eignen; am wenigiten Widerfpruch machte fi) gegen ‚Berichter*
geltend. (Merkwürdig ift, daß die Bildung dieſes Wortes in
unjerer Sprache bisher unterblieben ift, obwohl wir: zurichten,
Zurichter uſw. jagen).
Unter diefen Umftänden kann ich niemandem den ausgeſetzten
Preis von 250 M zuertennen; um ihn aber zur Verteilung zu
bringen, überwied ich 100.2 Herm Carl Küdhenmeiiter in
Friedenau, der ald eriter das Wort ‚Berichter* einfandte, je
75.4 den Herren Mar Gülden, Lehrer in Brand iS., und
Profefior Warth in Kornthal bei Stuttgart (zu Gunſten eines
Epielplages der Kornthaler Gemeinde» Lateinfhule) in danfbarer
Anerfennung der eingehenden Begründung, die fie ihren Vor—
ſchlägen beigegeben haben.
Allen, Damen wie Herren, die ſich an ber Löſung der ges
ftellten Preisfrage beteiligt haben, ſage ich hiermit meinen aufs
richtigiten Dank; ift auch eine befriedigende Löſung micht erjolgt,
jo haben die Verhandlungen doch manche danfensiwerte Anregung
gegeben, die vielleicht im fpäterer Zeit eine oder die andere Frucht
zeitigen wird.«
Rleine Mitteilungen.
Seine Königl. Hoheit, der Prinz Mlbrecht von Preufen,
Regent des Herzogtums Braunfchweig, hat dem Prof. Dr. Riegel,
Muſeumsdireltor in Braunfchweig, unferem Ehrenmitgliede und
Gründer unjereö Vereins, das Kommandeurkreuz II. Klaſſe des
herzogl. Ordens Heinrichs des Löwen verliehen.
— Die Hauptverjammlung und der Vertretertag des All:
gemeinen Deutjhen Schulvereins zur Erhaltung des
Tentihtums im Nuslande findet am Mittwoch, dem
14, Juli 1897, in Jena jtatt. Als Feſtredner ift Herr Profefjor
Dr. Enden (Jena) gewonnen worden; für den 13. Juli plant
die Ortögruppe Jena einen Begrühungsabend auf dem Burgfeller
und für den 15. Juli einen Ausflug nach Schwarzburg.
— Vor der Straflammer des Elberfelder Landgerichts batte
ſich am 5. Mai d. %. der bereits wegen Totichlags und Mord-
Zeitfhrift des allgemeinen deutihen Spradvereind. XII Jahrgang. 1897. Nr. 6.
124
verſuchs verurteilte Erdarbeiter Joſef Duda wegen des Verbrechens
der Doppelehe zu verantworten. Als der Borfiende ihm die
Anklage vorhielt und dabei fiatt »Doppelehe« das Fremdwort
»Bigamie« gebrauchte, erflärte Duda, der aus ben Borer:
nehmungen ohne Zweifel wußte, um was es ſich handelte: » Herr
Präfident, ich Hab’ nie nich was mit Dynamit zu thun gehabt!«
Und als ihm am Schlufje der Verhandlung gejagt wurde, daß
er wegen »Bigamie« zu 6 Monaten Zuchthaus verurteilt worden
jei, wiederholte er, er fei ſich nicht bewußt, ein Dynamit Ber:
brechen begangen zu haben. »Im Publikum erregte er damit
große Heiterfeit!« bemerkt dazu der » Generals Anzeiger für Elber:
feld-Barmen.« Der Fall lehrt wieder einmal, wie notwendig
eine Mare und allgemein verjtändlicde Sprache gerade auf dem
Gebiete der Nechtspflege iſt. Das deutſche Wort würde dem An:
geklagten jchwerlicd Gelegenheit gegeben haben, den Berjtändnit:
lojen zu fpielen und dadurd bei den Zuhörern Seiterfeit hemor:
zurufen, die bei einer joldhen Gelegenheit doc; am mwenigiten am
Platze war. —
Sur Schärfung des Sprachgefihls.
40) »Wünjcdhen wir daher
dem hochverdienten Jubilar
noch viele Jahre geſegneten
Wirkens ſowohl als Lehrer wie
als Gelehrten.« (Aus dem
Zeitungsbericht über eine Jubel⸗
feier in Dresden, Nov. 1896.)
40) Wünſchen wir daher dem
hodwerdienten gefeierten Manz
noch viele Jahre geſegneten
Wirkens als Lehrer wie al Be
lehrter.
Gelehrten iſt nicht möglich. Wenn es von »wünſchen
wire abhängig wäre, müßte es beißen: als Gelehrtem. Aber
das wäre jalfch; denn die Worte »Wirten als Gelehrter« ge
hören zufammen. Wenn als mit einem ausjagenden Hauptwort
ſich auf ein Hauptwort bezieht, das einen Sa vertritt (münichen
wir, daß er wirke ... als Gelehrter), jo muß bei als der erite
Fall ftehen.
»Bei feiner Berufung als auferordentliher
Brofejjor wurde ihm angebotene —, » mein Beruf ala Lehrers,
»jeine Anftellung als erjter Lehrere Nicht zu billigen Sar-
ders (Hauptichwierigfeiten * S. 52): »Seine hohen Vorzüge ald
Schriftſtellers, Geſchichtsſchreibers und Staatsmannes«. Am
beiten iſt es, derartigen Verbindungen durch Änderung dei
Saßzbaus aus dem Wege zu gehen.
41) »Ein Held im Sriege,
im Frieden in jeder Dienititels
fung ausgezeichnet, unter feinen
Kameraden, ja in der ganzen
Armee hochgeachtet und ver-
ehrt, beflagen wir in ihm
einen unſerer Belten.e (Aus
einem Nachruf für einen im De-
zember 1896 gejtorbenen Ge—
nteral.)
41) Ein Held im Kriege, im
Frieden in jeder Dienjtitellung
ausgezeichnet, unter feinen Ra
meraden, ja im ganzen Heere
hochgeachtet und verehrt, wird er
als einer unferer Beſten von
uns beflagt.
Fehler im Sapbau: Ein Held... bellagen wir in ihm.
Allerdings erflärt fih Prof. Seemüller (Annsbrud) entfchieden
dafür, daf man »ſolche aus alter Zeit gerettete Freiheit dei
Sapbaues nicht antajten« folle,
42) »Im großen und ganzen
ist das geijt= und gedantentiefe
Buch jedem bdenfenden Xefer,
der das Leben durchkoſtet hat,
nur beitens zu empfehlen.« (Aus
einer Buchbeſprechung in einer
Zeitung mitget. v. M. Nadel.)
42) Im großen und ganzen it
das geiftvolle und gebantentiefe
Buch jedem dentenden Leer,
der das Leben durdhgetoitet bat,
nur beitens zu empfehlen.
125
126
Nicht durchkoſtet, fondern durchgekoſtet muß es heißen.
Denn es bedeutet hier: alles, was das Leben an Leid und
Freud, an Widerwärtigkeiten und Erfahrungen jeder Art bringt,
der Reihe nad) gründlich kennen lernen, »ſchnecken«, ⸗aus—
koſten ·Durchloͤſten, mit unbetontem durch, könnte, wenn
bie Form überhaupt üblich wäre, nur jo viel fein wie: flüchtig
koiten, hie und da nippen am Leben. Ginen ähnlichen Bes
deutungsunterichied finden wir auch bei anderen Zuſammen—
jegungen mit durd. Man vergleiche: durdygebadenes Brot
und mit Rofinen durchbadenes Brot, durchgeflochtenes Haar
und mit Lorbeer durchflochtene® Haar, ein durchgeblättertes
Buch und ein durchblättertes Buch, er hat die ganze Stadt
durchgebettelt (d. h. von Haus zu Haus) und er hat das Land
durchbettelt, durchgelebte Tage und durchlebte Tage, durch—
geadert und durchackert, durchgezählt umd durchzählt u. a.
Man jagt nicht geifttief, jondern höchſtens geijtestich.
43) ⸗-Ferner iſt darauf zu 43) Ferner iſt darauf zu ſehen,
jehen, dab die Thelen aud) in daß die Hefte bei allen Schülern
ihrem Formate bei allen auch in ihrer Größe übereinitims
Schülern übereinjtimmen, da men, dab... fie mit Seiten-
..., die Seiten der Hefte pagis zahlen verjehen (die Seiten be—
niert werden, dab das Ela= ziffert) werben, dab jtet3 die
borat jtet3 lints, das Eorrec- Nusarbeitung linfs, die Verbei-
tum rechts gejchrieben werde.e ſerung rechts geichrieben werde.
(Aus der Zeitichr. für öſterreich.
Gymn. Bd. 32.)
Geprüft von den Herren Behaghel, Brenner, Erbe, Heinke,
Zins Khul, Lohmeyer, yon, Matthias, Pietſch, Prejiel,
aaljed, Scheffler, Seemüller, Wappenhans.
Bemerkungen über die vorjtchenden Süße, Beiträge u. a. bittet
man einzujenden an Brofefior Dr. Dunger in Dresden-W.,
Schnorrſtraße 3.
Bliberihau.
von Wilpert, Richard, Spracheiterfeiten. Plaubereien.
Berlin 1896. Deutihe Schriſtſteller⸗ Genoſſenſchaft. 1506. 8.
An die Wuftmannjchen » Sprahdummmheiten« und die Minor:
ſchen » Spradygrobheiten« reihen ſich jeßt die Wilpertichen ⸗Sprach⸗
heiterfeitene, ohne indes mit jenen Büchern mehr gemein zu
haben als die Ähnlichkeit des Titeld. Der Verſaſſer beabfichtigt,
feinen Leſern zur Beluſtigung gewiſſe fpradhliche Erſcheinungen,
deren ſich eine heitere Seite abgewinnen läßt, meiſt in Form
von Geſprüchen oder Geſchichtchen vorzuſühren. Ob er ſeinen
Zweck bei allen Leſern erreichen wird, ſcheint mir ſehr zweifelhaft.
Denn von den totgehegten Wißeleien mit Doppelfinnigem und
Widerjpruchsvollem, von den gejuchten Wortklaubereien und wohls
feilen Ralauern wird ein anſpruchsvollerer Leſer ſchwerlich be—
friedigt werden, bejonder® wenn er in der Epradye mehr zu
jehen gewohnt iſt, als die Zielſcheibe eines Wiplings. Wenn
jemand mit aller Gewalt Komiſches oder, was dafür gelten ‚joll,
berbeizerrt, jo merkt man Abficht, und man iſt verſtimmt. Oder
wen jollte es wirflich heiter ſimmen, wenn in einem faft ſechs
Seiten langen Abſchnitte (S.15— 21) falſche Worttrennungen
wie »Schrei s barte für »Schreib= arte, »Beilseide für »Bei=leide ulw.
vorgeführt werden? Ein einzelner Fall der Art fann ja, wenn
er wirklich begegnet, ganz ſcherzhaft wirken; aber eine foldhe
Häufung erdadjter Beiſpiele entbehrt des Wihes, auch wenn fie
in ein Gejchichtchen eingelleidet iſt. Noc einige Broben von der
Behandlungsweile des Verfaſſers. Einmal madıt er fid) über
» Didyterwillfüre luſtig; da heißt es u. a.: »Auch das Herz wird
zu „Herze* erweitert, aber eine Herzerweiterung fann man ſich
eher gefallen laſſen. „Halt!* jagt da ein gelehrter Sprachſorſcher,
a ift doch nicht gang unberedhtigt, z. B. Herze bie es ja auch
ber.‘
feitdem zujammengezogen bat, ja bei Dichtern bridt es jogar
entzwei« ujw. (&. 31)!! Und weiter: », Eine liebende Gemeine‘,
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. Xu. Jahrgang. 1897, Nr. 6.
ee ————— — — —— —— — —
ſagt Goethe.*) Er meint ‚Gemeinde‘; aber wer ſoll's erraten?
‚Ein liebender Gemeiner‘ wäre ſchon verjtändlicher, jo lange
noch jede Köchin ihren ftrammen Krieger hate (5. 32)!! Es h
gr erfreulich, wenn die Ertenntnis der Sprache in weitere
eije getragen wird. Mber gegen dieje Art muß ich doc
entſchieden Einſpruch erbeben. Freiſich will der Verfafjer unzweifel-
haft gar nicht belehren und fürdern, fondern nichts als unters
halten und beiuftigen, auf die billigite und leichtejte Weile.
Drum, wer fih auf jein Nahmittagsichläfchen vorbereiten will,
mag immerhin zu dem Buche greifen; it die Koſt auch nicht
eben ichmadhaft, fo iſt fie doch nicht ſchwer. Zudem it das
Buch — und das ſoll unumwunden anerfannt werden — in
einem guten und leichtflüffigen Deutſch geichrieben, ein Borzug,
der freilich einen gediegenen Anhalt noch mehr vermifjen läßt.
Die ſprachlichen Kenntniſſe des BVerfafjers find im allgemeinen
achtungswert, Im jo mehr muß die völlige Verfennung des
Weſens der Dichterſprache in Erjtaunen jepen (ſ. oben die Beis
ipiele). Dder bat er feine bejiere Einficht hier verleugnet, mur
um wigeln zu können? Auch jonjt begegnen Unvichtigfeiten; jo
jollen die Franzoſen das Wort föte »erjt aus unferm bdeutichen
‚weit‘ gebildet haben« (S. 148), während doch beide Wörter auf
das Lateiniſche zurüdgehen.
Ein Abſchnitt⸗Franzöſiſches Deutſch- (S. 44— 63) ift dem
Fremdwörterunweſen gewidmet. Er gipfelt in einer Übertragung
von Uhlands Gedicht »Des Sängers Fluch« in das Deutich der
Zukunft. »Des Troubadours Vermaledeiung« beginnt mit den
Worten »Es egiltierte — '8 find tempi passati — ein Palais
von grandiofer Statur« ufw. Ich kann diefer auch von anderen
geübten Art des Spotted mit dem beften Willen feinen Geſchmack
abgewinnen. Vom deutichen Spradjvereine wird nicht geiprochen,
obwohl Gelegenheit dazu mar; daß der Verfafler aber auf dem
Boden des Vereines jteht, zeigt die mufterhafte Meinheit jeiner
Sprache, die zum Schlufje rühmend hervorgehoben werden joll.
Braunſchweig. Karl Scheffler.
Theodor Matthias, Aufſatzſünden. Warnende Bei—
ſpiele zu Nup und Frommen der deutſchen Schuljugend und zur
Erſparung vieler roter Tinte geſammelt und erläutert. Leipzig
1897, Voigtländer, Preis 50 Pi. 77 S. 8.
Ein allerliebjtes Büchlein, das man der deutſchen Jugend
nicht dringend genug empfehlen fan. In munterem Plaudertone
geihelt der Berfafjer bie häufigiten Verftöhe gegen den guten
Sprachgebrauch, wie fie von jung und alt gemacht werden. An
qut gewählte Beilpiele, die vielfad, Heiterkeit erweden, ſchließt er
furze, Hare Negeln. Paſſende Stidyworte fündigen den Anhalt
der einzelnen Heinen Abjchnitte an, in denen zujammengehörige
Fehler gruppenmweife behandelt werden. Dad »ernitfrühliche «
Schriftchen ift für unfere Jugend beitimmt; aber auch die der
Schulbant Entwachſenen werden das anſpruchsloſe, hübſch aus:
geitattete Heftchen, das nur 50 Pf. koftet, mit Vergnügen leſen
und — viel daraus lernen. Denn troß feines geringen Umfanges
behandelt es doc einen ziemlich reichen Stoff und regt zum Nach—
denfen über ſprachliche Fragen an. Und daß man fich einem
ficheren Führer anvertraut, dafür bürgt der Name des Verfaflers,
dejien frühere Schriften »Sprachleben und Sprachichäden«, Leipzig
1892, und »Slleiner Wegweifer durd die Schwankungen und
Schwierigkeiten des deutichen Sprachgebrauchs«, Leipzig 1896, mit
a hochgefchägt werben. d. d
Aus den Sweigvereinen.
Altenburg Am 26. März hielt der neu gegründete Zweig—
verein feine erite Sigung ab, in der nach Durchberatung der
Sapungen Lehrer Pröhl einen Vortrag über Luthers Sprade
bielt.
Bonn. Die Erfolge, die der Zweigverein mit den Vorträgen
der Herren Bed und Milan im Berlaufe des Winters erzielt
hat, waren die Veranlafjung, daß am 31. März eine dritte Vor:
leſung und zwar durch Herrn Yudwig Himmermann ftattfand,
Nun, wir ſönnen ja nichts dafür, daß das Herz fi | _
die zahlreich beſucht war.
Iſt Hier die befannte Stelle in Schillers »&lode« gemeint ?
127 Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XH. Jahrgang. 1897. Nr. 6. 128
Frankfurt a. M. In der Mpriffipung ſprach Direftor Dr. | eine Anzahl von deutiden Dichtungen vor. Sprachliche Erörie⸗
Rauſch über den Dichter Blaten und deifen Beziehungen | rungen bildeten den Schluß dei Abende.
zur deutſchen Sprade. Mep. Einer in der Februarſitzung gegebenen Anregung fol:
Frankfurt a. d. O. Voreiner ftattlihen Berfammlung fprad | gend, trugen mehrere Wereinsmitglieder am 29, April Gedichte
Oberlehrer Dr. Günther A. Saalfeld am 28. April über die | im der Mundart ihrer engeren Heimat vor. Der dadurch erzielte
Ziele und Erfolge des a. d. Spradvereind und leitete | Erfolg führte zu dem Beichluffe, im fommenden Winter ähnliche
damit die Aufforderung zur Begründung eines Zweigvereins ein, | mundartliche Vorträge zu veranjtalten.
dem ſogleich etwa 40 Herren und Damen beitraten. Zum Bor- Plauen i.®. Die letzte Sipung, die namentlich von vielen
— ni van Babkızı) sur Galler jungen Lehrern beſucht war, brachte einen lebhaften Meinumat-
orſiber n
Oberpojtdireftionsjefretär Heinede, zum Kaſſenwarte Buchhändler Si. uſch über Otto Schroeders But »Bom yaplırıcı
Wengler und zum Beiiger Bauinjpeftor Heife ermäßft. Stuttgart. Am 14. April verjammelte fich der zur Bor:
Krems. An dem Unterhaltungsabend im April widmete der | gereitung der Hauptverfammlung gebildete Ausichuf;, defien Be:
Vorfiper, Dr. 9. Schwab, dem Staatsjetretär Dr. Heinrich | ratungen auch der vom Gefamtvorftande entjandte Oberlehrer
v. Stephan einen Nachruf, in welgem er bie Berdienfie des | Dr. Saalfeld beimohnte. Zu Ehren Dr. Saalfelbs, der vor
Dabingejhiedenen um die deuiſche Spradie würdigte. Hierauf | 9 Jahren durd einen Rortrag den Anitoh zur Gründung dee
Prach Profejior Julius Beneſch über Kremſer Gaſſen- und | Stuttgarter Zweigvereins gegeben hat, fand jodann eine allgemein
Straßennamen. Berfammlung ftatt, in der Profefior Erbe einen Bortrag übe
Laibach. Herr R. von Januſchowsty behandelte am ſchwäbiſche Boltswörter hielt.
13. April in einem Bortrage die Verbeutihung der Kunit-
ausdrüde im Schaufpiele und wies auf die Wichtigfeit der
deutjhen Bühne für die Erhaltung deutfchen Weſens und deut—
scher Sprache bin. Nach ihm erörterte Brofefior Wallner die
Bedeutung Bismards für die deutſche Sprache.
Leipa. Anfnüpfend an den Aufſatz von Brofefior Pietſch
über die Sammlung deuticher Volkswörter (vgl. Sp. 33/9
dief. Zeitichr. 1897), brachte Oberlehrer Jofef Just eine Reihe von
ihm gefammelter Ausdrüde der hiefigen Mundart für die Begriffe:
1. Kleidung, 2. Speijen, 3. Trunfenheit, 4. Hauen und
Schlagen zur VBeiprehung. Rege Teilnahme der Verſammlung
lohnte dem Redner umd bewies, daß durch joldie Beiprechungen
mancher Ausdrud ans Licht gebracht wird, der jeit Jahren vers
ſchollen ſchien. Sodann beipradh Prof. Alerander Tragl eine
Anzahl deuticher Sprichwörter, wobei er öfters Veranlafjung
hatte, der Auffajjung Borchardts feine eigene entgegenzufeßen.
Leipzig. Die Sigung vom 30. Mpril war einer lebhaften
Erörterung Über eine Anzahl von Fremdwörtern und
die beſte Art ihrer Verdeutihung gewidmet. Die für
diefen Abend gewählten Wörter waren den Mitgliedern im vor:
aus befannt gegeben worden. Der Borjiger, Prof. Dr. Mogt,
betonte ım jeiner Begrüßungsanſprache, daß der Verein Lediglich
durch jein maßvolles Vorgehen jeine bisherigen Erfolge erzielt
babe. Die Erörterung leitete Oberlehrer Dr. Beer ein, indem
er darauf hinwies, daß ſich fait nie ein Fremdwort durch
ein einziges genau entiprechendes deutiches Wort volljtändig wies
dergeben laſſe, denn gerade das unllare Schillern in verſchiedenen
PVedeutungen jei ein Kennzeichen der Fremdwörter. Wan müſſe
auch mit dem Erjaßworte nicht alles jagen wollen, fondern ſich
manchmal mit einem wejentlihen Merkmale begnügen. Aus der
der großen Anzahl bejprochener Wörter jind hervorzuheben: actuell
— zeitbewegend, brennend, drohend, fchlagend, einfchneidend,
wichtig, beachtenswert, wirklich, thatſächlich, naheliegend; finan-
ziell = wirtſchaftlich, rechnerisch, geldlih; Garantiefon = Bes
währgeld, Bürgſchaftsſumme, Hajtfumme, Haftgeld; retouchieren
— liberarbeiten, nachbeſſern, lebte Hand anlegen, ausfeilen;
sensationell = aufiehenerregend, überraichend, verblüffend, ftaus
nenswert, großartig, unerbört. (Die ausführlidien Berichte über
die Sipung in den Leipziger Zeitungen ftellt die Schriftleitung
den Leſern gerne leihweiſe zur Verfügung.)
Marburg a. d. D. Die legte Winterfigung am 14. April
wurde von dem Vorſißer, Dr. Mally, mit einer Anſprache eröffnet,
in der auf die ſprachlichen Verdienite der veritorbenen Dr. Hein—
rich v. Stephan und Brofefior Dr, Daniel Sanders hinges
wieien wurde. Alsdann las der Vortragsmeiiter Berthold Staufen
Geſchäftlicher Teil.
X. Saupfverfammlung,
Ergänzung der Felt: und Tagesordnung.
@gl. Sp. 109 und 110 der Beitichrift.)
III. Dienötag den 8. Juni Uhr morgens: Zweite Geldhäftäfisune.
Tagesordnung:
- Beiprehung über Ort und Zeit der nächiten Hauptverjemm:
lung.
- Bollziehung der Wahlen zum Gefamtvorftande.
. Antrag des Herm Oberlchrer® Wappenhans, ummittel-
barer auf die Gaſthofsſprache einzumirten.
. Antrag des Zweigvereinsd Stuttgart: »Zu den Aufgaben
des allgemeinen deutſchen Sprachvereins gehört auch bie
Pflege der Ausſprache des Deutichen. Der Gejant-
voritand wird gebeten, im Anſchluſſe an die Sprache der
Bühne diejenigen Punkte zufammenzuftellen, auf deren Be
obachtung in allen Schulen jtrengitens gehalten werden folL«
. Antrag des Bweigvereind Krems: »Der Gefamtvoritand
wird erjucht, die ſchönen, 3. T. ſehr alten und in fajt allen
Kalendern (wenigſtens Djtreiche) geführten deutjchen Mo—
natsnamen ftatt der (oder neben den) frembländijchen it
ber VBereinszeitfchrift zu gebrauchen und fo ihre ein
heitliche Einbürgerung in weiten Sreifen zu ermöglichen.«
Mitglieder von Zmweigvereinen, welche da8 Berdeutichungt:
beit über Heilfunde zu haben wünſchen, wollen ſich deshalb
an ihren Zweigverein wenden, da bie Verfendung an jeden
einzelnen von der Hauptgejchäftsftelle auß zu viel Arbeit umd
Koften veruriachen würde.
Neue Aweigvereine find in Frankfurt a. d.D. (vgl. Sp. 127
d. Ar.) und in Wurzen (Borjiger Oberlehrer Dr. DO chme) ge
gründet worden.
| ———— - -— — — — — — — — — — — — — —
—— — ww 18
Briefe und Drudladen für die Vereindlcitung
Geldiendb d Beitrittöerflärungen Beitrag 3 Wert,
find an den Borfigenden, Sie Beitiarife und die —— ——
woſilt die Zeitſ chrifi und die fonftigen Dructſchriſien des Vereins gel
iſtet
Oberitleutnant a. D. Dr. Max Iähns in Berlin We, au den Gcdapmeißter, w
Wlargaretenftraße 16, lagsbuchhändier * = a In Berlin W®,
Yrkh Det und Drudiahen für die Zeitſchrift find an den Gerausgeber, Cberiehrer Hriedrih Wappenbans in Groß-Lichterfelde bei Berlin,
rufeftrabe 8,
Br Briefe und Buienbungen fir die Willenihaftliden Beihefte an PBrofefior Dr. Raul Wietich in Berlin W®, Mopftrabe 12
zu en,
Bappen ,, Gr.» Lichterfelde. — Berlag deb allgemeinen deutfchen Gpradwereins (Jäheb und Ernf), Berfit.
Druck der Buchdruderei des Walfenhaufes in Halle a.d. ©.
> >eitlcheitt
XI. Jahrgang Ar. 7
Juli 1897.
N
allgemeinen deuffihen Sprachvereins
Regrimdefvon Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorftandes er von Friedrich Wappenhans.
Diele Zeitſchrift erielnt fäßetieh mötfmal, ut Anfang jedes Bonats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen beutichen Sprachvereins unentgeltllch
geliefert (Sapıng U). —
|
Die Beitfchrift kann auch durch ben Buchhandel oder die Bot
zu SME. jährlich bezogen werben. — Amzelgenannahme buch ben Echapmelfter
Eberhard Ernit, Berlin we, llihelmftr, wm. — Auflage 16.000,
Inhalt:
— Brieflaſten. — Geſchäftlicher Teil
X. ——— zu Stuttgart. — 7* —S bes Sprachgefühls. — Sprechſaal. — Aus den Zweigvereinen.
X. Bauptverſammlung zu Stuttgart
und 8. Juni 1897,
Der ausführliche Bericht kann erſt in der Auguſtnummer ver-
öffentlicht werden, doch machen wir inzwiſchen folgendes bekannt:
I. Bei den am 8. Juni vollzogenen Wahlen zum Gejamts
vorstande find die Herren Bebaghel, Brenner, Dunger,
Ernit, Hammader, Jähns, Laufer, Scheerbartb, Sed—
lat, Trapet und Wadernell wiedergewählt worden. Neu—
gewählt wurde Herr Dr. Stieve, Profeſſor an der Technijchen
Hochſchule in Münden.
am «.
II. Der Antrag des Oberlehrers Wappenhans, unmittelbarer |
auf die Gaſthofſprache einzuwirken, wurde angenommen. Danad)
foll nach vorheriger Aufforderung an die Zweigvereine zu perjöns
licher Einwirlung auf die Gaſthof-(Hotel-) beſier ein Anſchreiben
an eine größere Anzahl (etiwa 5500) von Gafthöfen im deutſchen
Spradhgebiete gerichtet werden, in dem unter Hinweis auf die
nationale Bedeutung der Sprachreinheit und auf das Beiipiel
verjchiedener deutjcher Fürſtenhöſe die Beſiher aufgefordert werden,
zu erflären, ob fie bereits eine deutjche Speiſelarte führen oder
zu führen gemwillt feien. Die Namen der Gaſthöfe, die zujtimmenbe
Erflärungen abgeben, follen in einer der Zeitichrift beizulegenden
Lijte veröffentlicht, und die Benupung der darin genannten Gaſt—
böfe joll den Mitgliedern empfohlen werden.
IH. Der Antrag des Amweigvereind Stuttgart (»Zu den
Aufgaben des a. d. Spracvereins gehört auch die Pflege der
Ausjprade des Deutihen. Der Geſamworſtand wird ges
beten, im Anichluffe an die Sprache der Bühne diejenigen Bunte
zujammenzufiellen, auf deren Beobachtung in allen Schulen jtreng>
jten® gehalten werden foll«) wurde in folgender Faſſung an-
genommen: »Zu den Aufgaben des a. d. Sprachvereins gehört
auch die Bilege der Ausſprache des Deutichen. Der Ge:
jamtvorjtand wird gebeten, diejem Gegenſtande feine Aufmertiam:-
feit zuzuwenden und ihm in der Zeitichrift Naum zu gewähren«.
IV, Der Antrag des Aweigvereind Krems (»Der Gefamt:
vorstand wird erfucht, die jchönen, 3. T. jehr alten und in fait
allen Kalendern (wenigjtens Oſterreichs) geführten deutſchen
Monatsnamen ſtalt der (oder neben den) fremdländiſchen in
der Vereinszeitſchrift zu gebrauchen und jo ihre einheitliche
Einbürgerung in weiten reifen zu ermöglichen“) wurde zurüds
gezogen und dafür der Antrag des Geh. Baurats Herm Sarrazin
angenommen, ber lautete: »Die Hauptverfammlung erklärt fich
liner Nathauje über
bereit, der frage der deutihen Monatöbezeichinungen näher zu
treten, und erfucht den Gejamtvorjtand, zunächſt Ermittelungen
darüber anzujtellen, welcde deutihen Monatsnamen vorhanden
find, und welche fich zur etwaigen Anwendung am bejten eignen
würbene.
V. Auf das Preisausichreiben des Vereins »Deutſche
Pflanzennamen für die deutſche Schule« (vgl. Sp. 231,2
des X. Jahrg. [1895] d. Zeitichr.) find 33 Arbeiten eingelaufen, von
denen die des Herrn Brofefiors Dr. W. Meigen in freiburg i. Br.
mit dem erjten Breife (600.4), bie des Herrn Oberlehrers Benſe—
mann im Köthen i. A. mit dem zweiten Preife (400 A) aus:
gezeichnet worden üt.
VI Am 7. Juni verlad der Voriger folgenden
Jahresbericht:
Erſt zehn Monate find ſeit unſerer legten in Oldenburg ab-
gehaltenen Hauptverfammlung verflofien. Da wir einmal Stutt—
gart für unfere diesjährige Vereinigung erforen hatten, machten
| e8 enticheidende perlönliche Gründe notwendig, diesmal jchon
früher im Jahre zu tagen, wogegen ſich um jo weniger emijte
Bedenken erheben liehen, als unfere Sapungen für die Abhaltung
der Hauptverfanumlung in erjter Neihe gerade auf die Pfingſt—
zeit hinweiſen.
Wie biöher, jo iſt auch diesmal die Bereinsleitung nad) beiten
| Kräften bemüht geweien, die Ausbreitung und Geltung des
allgemeinen deutihen Sprachvereins zu fürden Es ge
ihah das in verichiedener Weile. Bedeutungsvoll war der Vor—
trag, den unfer Boritandsmitglied, Dr. Günther Saalfeld,
der Berfammlung des deutichen Schriftiteller= Berbandes im Ber-
Die Pflichten des Schrifttums gegenüber
der deutichen Mutterfpraches hielt. Neicher Beifall bewies, daß
dabei gewiß manches fruchtbringende Samentorn ausgejtreut
worden war. Dann richteten wir, gelegentlich des Erſcheinens
der Erlerfchen Schrift über die Sprache des Bürgerlichen Geſetz—
| Dienft,
buches, am nicht weniger ald 8000 Juſtizbeamte des Neiches
Mitteilungen über die Thätigfeit unſeres Vereins und wendeten
uns bald darauf in demfelben Sinne und mit der Aufforderung
zum Beitritt an 700 Offiziere zur Verfügung oder außer
deren Namen und Wohnort und zugänglich waren.
Ferner jandten wir an mehr als 400 Zeitungen zu wieder:
holten Malen Darlegungen unferes Wirtens und legten fünfen
davon jowie dem Deutfchen Litteraturtalender auch unjeren Auf
ruf bei. Eine Behörde, die von Anfang an unferen Beitrebungen
131
132
geneigt war, juchten wir in diefer Haltung danfbar zu beftätigen,
indem wir fämtlihen Oberpojtdireftionen Deutihlands den
Jahrgang 1896 unferer Zeilſchriſt überreichten.
Dieje Wirtſamkeit brachte denn aud) gute Folgen für die Aus:
breitung des Vereins. Zwar haben wir, wie da& unvermeidlich),
auch in diefem Jahre das Erlöjchen von Zweigvereinen zu
beffagen, nämlich in Nordhaufen und in Stolberg. Soldem Ein-
gehen zweier Vereine fteht aber die Begründung von einund—
zwanzig neuen gegenüber. Es find: Altona, Bergedorf, Cilli,
Gottbus, Edernfürde, Eutin, Frankfurt a. O., Glüditadt, Harburg,
Itzehoe, Lauenburg a. E., Lugano, Moers, Neuftettin, Schleswig,
Sonderburg, Stade, Thorn, Tondern, Treptow a. R. und Wurzen.
Auffallender und bedanerlicher Weife befindet fi darunter fein
einziger füddeuticher Ort. — An einer Anzahl von anderen Orten
liegen die Verhältniſſe derart, dal; auf baldiges Bufammen-
Ichließen ber vorhandenen Mitglieder zu ordentlichen Zweig:
vereinen gerechnet werben darf, nämlich in Aſch, Einbeck, Eis—
leben, Gera, Gießen, Gotha, Höchſt, Jena und Stattowiß.
Verbindungen aber, die auf Errichtung von Zweigvereinen Hinz
zielen, find noch mit einer großen Anzahl anderer Orte ans
geknüpft und lafien günftige Ergebnijje hofien. — Bon den
gröheren Vereinen haben einige Fortichritte gemacht, jo Bar-
men, Dresden, Krems und Kaſſel, das jegt mit fajt 500 Mit:
gliedern unjer größter Jweigverein ift. Dagegen ift der von mir
ihon im vorigen Jahre beklagte Übeljtand des Zurüdgehens der
mittleren und Heinen Zweigvereine nod nicht gemildert.
Damals war die durchſchnittliche Vereinsſtärke 66'/,, jept iſt fie
64. Dies weift darauf hin, daß wir in den Heineren Vereinen
regjamer und werbejreudiger auftreten müfjen. Im großen und
ganzen aber ift das Wachſstum des Spradvereins ſehr zu:
friedenjtellend. Während er am erften Auguſt v. J. 171 Zweig:
vereine zählte, hat er jeht deren 190. Bor zehn Monaten bes
trug die Zahl der den Bweigvereinen angehörenden Mitglieder
11354, heute beläuft fie ſich auf 12192; die Zahl der unmittel-
baren Mitglieder aber wuchs von 921 auf 1226! Im ganzen
umfaßt der allgemeine deutſche Sprachverein jept alſo 1M) Zweig-
vereine und 13418 Mitglieder, jeit der Oldenburger Haupt»
verfammlung ein Bahstum von 19 Zweigvereinen und
1143 Mitgliedern.
Bei diefer Gelegenheit bitte ich die Ziveigvereine, mir jedesmal
angeben zu wollen, wenn Mitglieder von ihnen in andere Orte
verziehen, damit ich ihre Anmeldung bei dem etwa dort bejtehenden
Zweigvereine vermitteln kann oder auch die Möglichkeit gewinne,
durch den Anziehenden an feinem neuen Wohnorte einen neuen
Zweigverein zu begründen. Für leßteren Zwed wäre ed mir
auch willfommen, zu erfahren, welde Mitglieder eines Zweig—
vereins nicht an deſſen Nennfig, jondern an irgend einem anderen
Drte wohnen.
Ein bejtechend ſchöner Gedanfe war e8, das Deutſchtum
in Nord: Amerifa für unfere Zwede heranzuziehen. Als der
berühmte Senator Karl Schurz dem Liederkranze zu Neu-VYork
jene begeifternde Rede gehalten hatte, die durch alle unfere Blätter
ging, habe id), gern einer Anregung unſeres Borjtandsmitgliedes,
bes Herrn Karl Magnus, Folge gebend, an Herm Schurz ge
jchrieben, ihm bie freude geichildert, die im Waterlande über
feine Rede herrichte, ihm mit unferen Drudjachen die Mittel an
die Hand gegeben, ji über unfer Walten und Wirken, über
Umfang und Bedeutung unferes Vereines zu unterrichten, und
ihn gebeten, mich darüber zu belehren, ob Augficht dazu vors
handen jei, in den Vereinigten Staaten Zweigpereine zu gründen,
und weiche Wege etwa zu dem Ende einzufchlagen feien. Leider
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Spradivereind. XI. Jahrgang. 1897. Rt. T.
— ee ee 0000000000000 — — —
bin ich auf diefen anfangs Februar geichriebenen Brief bis heute
ohne Antwort geblieben. Daß aber ſelbſt in Südamerifa Teil:
nahme für unſere Beitrebungen bericht, beweiſt die mir jüngft
zugelommene Nummer der in Afjuncion erfcheinenden Paraguay
Rundſchau v. E. Mpril d. J., die unter der Überſchrift »@edente,
daf du ein Deutjcher bift!« unferen » Aufrufe mit treffenden und
glüdlihen Erläuterungen bringt. Es ift aljo gegründete Hoff—
nung vorhanden, da unfer Verein auch jenjeits des Weltmeeres
in nicht zu ferner Beit Fuß faſſen werde.
Die Begründung und Vorbereitung der neuen Zweigvereine
und die Anwerbung der unmittelbaren Mitglieder iſt einerieits
ber aufmerfjamen Beobachtung und dem redhtzeitigen Cingreiten
der Gejchäftsjtelle unfered Vereines zuzujcreiben, die unter
Leitung des Schatzmeiſters, Herrn Eberhard Ernit, jich ie
Aufgaben mit großer Hingebung widmet, anderjeit® der unmin
baren örtlichen Wirkſamkeit des Herm Dr. Saaljeld, Beifigei
des jländigen Ausſchuſſes. So gelang ed diesmal, in jeden
Monate durchſchnittlich zwei Bweigvereine und 110 Mitglieder
neu zit gewinnen.
Im Laufe der Berichtszeit fanden zwei Sipungen des Ant
ſchuſſes und zwei Vorftandsfigungen ftatt, wobei die geftrige mit-
gerechnet iſt.
Der allgemeine deutſche Sprachverein hat einen ſchmerzlichen
Verluſt erlitten durch den Tod feines erjten Ehrenmitglies
des, des Staatsſekretärs Dr. Heinrih von Stephan. Sie
alle wiſſen, wieviel ihm, dem großen Bahnbredier auf dem Ge—
biete des Verkehröweiens, auch unjere vaterländiihe Sache zu
verdanken hat. Wir haben einen herrlichen Kranz von Lorbeer
und Roſen an feinem Sarge niedergelegt, und in unferer Zeit
ichrift hat ibm Hermann Dunger einen warm empfundener
Nachruf gewidmet.
Der Gejamtvorftand beffagt ferner den Verluſt feines Mit:
gliedes, unjeres treuen alten Mitfämpfers, des Ober- und Ge:
heimen Baurates Emil Nüppell, ber jo einfichtig, mutig und
erfolgreich für die Verdeutſchung unferer Eiſenbahn-Fachſprache
gearbeitet und eine fo reiche Wirtfamfeit im Zweigvereine Köln,
ja überhaupt am Rhein entfaltet bat.
Zur Ehre der Dahingefciedenen bitte ich Sie, fih von Ihren
Pläpgen zu erheben. Wir denken ihrer in Dankbarkeit, Liebe und
Verehrung!
Andere Pflichten der Dankbarkeit Haben den Vorſtand be-
wogen, in diefem Jahre wieder drei Spenden zu vaterlän-
dijhen Dentmalen zu bewilligen.
Zu Kaffel, wo Jakob Brimm von 1816— 1829 an ber
Landesbücerei gewirkt, und wo er nad) jeiner eigenen Ausſage
die glüdlichfte Zeit feines Schaffens verlebt, hat fich eine Grimm-
Gejellichaft gebildet, die zumächit ein Grimm: Mufjeum und in der
Folge wohl auch ein Grimm-Standbild zu errichten beabfichtigt.
Uns bei diefer Stiftung zu beteiligen, die dem Andenfen und dem
Weiterwirlen unjered großen Deutjchmeifters gewidmet ift, det
wundervollen Geiftes, den wir ala den Schöpfer unſerer Sprad:
und Volfstunde preifen, das erſchien uns als eine jelbjtverftänd:
lich zu erfüllende Pilicht. Wir haben daher der Grimm - Gefell-
ichaft den Betrag von 300 Mark zugewendet.
In Bonn hat ſich unter dem Vorfiße des Profefjors Dr. Lif-
mann ein Ausſchuß zur Errichtung eines Simrod-Dentmals
gebildet und fich mit dem Antrage um Unterjtügung an den
Spradjerein gewendet, Wir haben 200 Marf dazu bewilligt;
denn Karl Simrod hat, feit er vor nun gerade TO Nahren feine
Übertragung des Nibelungenliedes herausgab, unermüdlich in
gleicher Richtung gewirft wie Jalob Grimm und auferordentlich
133
viel dazu beigetragen, die Erforjchung des deutichen Lebens und
der deutſchen Sprache volkstümlich zu madjen. Bei unjerer
Anwejenheit in Stuttgart wiederholt der Geſamworſtand feine
vor zwei Jahren bewilligte Spende von 100 Mark für das
Scdillermujeum in Marbad).
Der Umfang der Arbeiten unſerer Gejchäftsftelle hat bedeu—
tend zugenommen feit der unvermeidlihen Eröffnung des Ber-
lagsgejchäftes »YJähns und Ernſt«. Unſere früheren Ver—
deutſchungsbücher waren bei Ferdinand Hirt u. Sohn im Leipzig
erſchienen. Mit diefem Geichäfte haben wir uns nun auseinander:
geſetzt, die vorhandenen Rejtbeftände übernommen und lafjen jetzt
alle unjere Veröffentlihungen im eigenen Verlage erjcheinen. Es
find das an neuen Schriften:
1. Das VIL Berdeutjchungsheft »Die Schule« von Scheffler.
2. Die zweite Auflage des V. Berdeutidungsheftes »Die Amtöfpradhe: von
Bruns.
3. Das VI, Werbeutihungsbeit »Die Heilhunde- von Kunow.
4. »Die Eprache des Bilrgerlichen Gefepbuches: von Erler,
b. Das Bilden »Bom neuen Reihe von Schrader.
6. Die 8. Auflage des I. Berdentihungeheftes »Die Epelielartes von Dunger.
Um diejen unjeren Berlag einzuführen und insbefondere dem
Berbeutihungshefte » Die Schule« Abjap und damit Wirkung zu
fihern, fandten wir e8 mit entiprechendem Anſchreiben an alle
Kultusminifterien Deutichlands, an die Abteilung für Kirchen und
Schulen aller preufiichen Regierungen, an die Provinzial- Schuls
follegien, an die Magijtrate jämtlicher größeren Städte und an
die wichtigeren Schulbuchhandlungen. Das preußiſche Unterrichts-
minifterium hat, wie bereits in der Zeitſchrift mitgeteilt worden
ift, diefe Arbeit höchſt beifällig aufgenommen, und überhaupt
bürfen wir mit dem Erfolge, namentlid) jo weit die Städte in
Betracht kommen, wohl zufrieden fein, und hoffen, daß bie Wir:
fung diefes Berdeutichungsbuches ſich als groß und nachhaltig er-
weijen werde, — Auch die Neuauflage der »Amtsiprache« haben
wir an 41 Behörden und 15 Fadızeitichriften verjendet und von den
erfteren hoffnungermwedenden, 3. T. warmen Dank geerntet, Go
ſchrieb mir der Herr Juſtizminiſter Schönftedt:
Ew. Hochwohlgeboren ermangele id} nicht, für das mir mit:
geteilte Eremplar der zweiten Auflage des Buches „Die Amts—
ſprache‘ meinen verbindlichen Dank auszufpreden. Ich werbe
das Buch, dejien Inhalt mein lebhaftes Intereſſe erregt hat,
zur Kenntnis der Beamten meines Ministeriums bringen. «
In Borbereitung befindet ſich:
Der »Ehrentranz beutiher Sprache«.
Bon diefem haben Sie heute als Feſtgruß einen Probe:
abzug erhalten, der jedoch das fertige Werk noch nicht vorftellt
und daher auch noch nicht an die Offentlichleit gehört. Sie wiſſen,
daß der Gedanke diefer Blumenlefe von Dr. Saalfeld ausgegangen
und von ihm auch durch Sammlung der Hauptmafje der vor-
liegenden Gedichte ins Werk gejegt worden fit. Der Aufruf in
der Zeitichrift Hat nur noch vereinzelte Beiträge gebracht. Unſer
erjter Schriftführer, Profeſſor Dr. Pietſch, der ſchon an der
vorliegenden Faſſung Anteil hat, wird nun die Arbeit in Ge—
meinſchaft mit Dr. Saalfeld zum Abſchluß bringen, in$befondere
fie vom fahmänniihen Standpunfte aus einleiten, durcharbeiten
und erläutern. Dann erſt darf fie als fertig gelten und wird in
die Öffentlichkeit treten. Zu allgemeiner Verteilung im Vereine
lann fie nicht gelangen, weil dies eine jo große Auflage bedingte,
da deren Koſten die verfügbaren Mittel überſchreiten würden. |
Jedem Zweigvereine follen jedoch, entſprechend feiner Größe, ein |
oder mehrere Stüde zur Verfügung geftellt werden, wie bies
jüngſthin ſchon, wenngleich in weit geringerem Umfange, mit dem
Hausdingihen Werte über die Fremdwortfrage geichehen
ift, von dem wir 150 Stüd angefauft und verteilt haben. |
Zeitſchriſt des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897, Nr. 7.
134
Die Zeitfchrift, deren Leitung fich auf der vorigen Haupt:
verfammlung jo warmer Anerkennung erfreute, ift von Herrn
Oberlehrer Friedrih Wappenhans in der biäherigen Weife
fortgeführt worden. Gem würde er fie jedesmal zwei Bogen
ſtarl ericheinen laſſen; allein diefem Wunſche ſteht ſowohl die
außerordentliche Steigerung der Koſten als auch das von nicht
wenigen Mitgliedern des Vorſtandes gehegte Bedenlen entgegen,
daß das Blatt dann gar mandjem zu viel Leſeſtoff bringen und
im allgemeinen weniger aufmerffam gelejen werden würde. Geit
der legten Hauptverfammlung brachte die Zeitichriit folgende
größere Aufläße:
» Die Rechte der deutſchen Sprade im Bereid; erdlundlicher Eigennamen «
von Albert Heine.
» Deutfche Lawn - Tonnis - Hırödrikfe « von Freiherru Robert v. Fichard.
» ur Te unſerer Goldſchmlede und Beichmelbehänbler« von J. €.
Wülfing.
Verdeutſchungen Im neuen preußlſchen Stempelfteuergelepes von Schulze.
»Sammiung deuticher Bolltwörter durd den allgemeinen deutichen Sprach:
verein« von Baul Pietic.
Johann Lauremberg und die remdmörter« von Richard Jahnke.
» Die Übertreibung « von ©. Welle,
Schrifiſprache und Mundart« von Karl Scheffler,
» Die Fortichritte Buftmauns« von Theodor Bartıer.
Heintich von Stephan⸗ von H. Dunger.
Weſehe und Formulare⸗ von Clauftub.
Die jogenannte Ellipfe« von D. Meife.
»Hötel und Restaurant« von Imboff.
Daneben erſchienen Heine Mitteilungen, eine Anzahl von Ges
dichten, Berichte aus den Zweigvereinen, Erörterungen im Spred)-
faale und Würdigungen von Büchern.
Entjprechend dem Antrage des Zweigvereind Münden auf der
Oldenburger Hauptverfammlung werden die der Schriftleitung ein—
gejandten Druckſchriften ſowie die in Zeitungen und Zeitichriften
erichienenen Aufſätze ſprachlichen Inhalts kurz gelennzeichnet. Bon
dem Anerbieten der Schriftleitung, die in der Zeitſchrift ange—
führten Auffäge den Mitgliedern zur Verfügung zu jtellen, ijt leb-
haft Gebraud) gemacht worden.
Auf der vorigen Hauptverfammlung beantragte Proſeſſor
Dr. Dunger, in der Zeitichrift des Vereins eine befondere Ab—
teilung einzurichten, in welder häufiger vortommende Verjtöhe
gegen die Reinheit, Richtigkeit, Deutlichteit und Schönheit der
Sprache an beitimmten Beilpielen vorgeführt und berichtigt wers
ben jollten. Diefe Berichtigungen müßten aber vorher von Fach—
leuten aus verschiedenen Gegenden des deutjchen Spradgebiets
geprüft fein. Nachdem mehrere Bereinsmitglieder ihre volle
Übereinjtimmung mit diefem Gedanken ausgeſprochen hatten,
wurde der Dungerſche Antrag einjtimmig angenommen. —
Für die Nusführung dieſes Planes war e$ von befonderer
Wichtigkeit, geeignete Perjünlichkeiten aus verſchiedenen Gegen:
den für den Prüfungsausfchuß zu gewinnen. Zur Freude des
Gejamtvorftandes erklärten jich folgende Herren dazu bereit:
Univerfitätsprofeffor Dr. ©. Behaghel in Gießen, Univerjis
tätsprofefjor Dr. O. Brenner in Würzburg, Profeſſor Karl
Erbe in Stuttgart, Profeſſor Albert Heinge in Stolp, Oberfi-
leutnant Dr. M. Zähns in Berlin, Proſeſſor Dr. F. Khull
in Graz, AUniverjitätsprofefior Dr. Friedrich Kluge in reis
burg i. B., Oberbibliothefar Dr. Edward Lohmeyer in Kajiel,
DOberlehrer Dr. Otto Lyon in Dresden, Oberlehrer Dr. Th.
Matthias in Zittau, Univerfitätsprofefior Dr. P. Pietſch in
Berlin, Oberjtudienrat Dr. Prefjel in Heilbronn, Oberlehrer
Dr. G. %. Saalfeld in friedenaus Berlin, Oberlehrer Dr. $.
| Scheffler in Braunſchweig, Univerfitätsprofefior Dr. Joſ. See—
müller in Innsbruck, Oberlehrer Fried. Wappenhans in
Sroi= Lichterfelde bei Berlin, Univerfitätsprofefior Dr. 9. Wunder:
lich in Heidelberg.
135
Wie man fieht, find Nord und Sid, Dft und Weit unjeres
Vaterlandes ziemlich gleichmäßig vertreten. Das biöher einges
ſchlagene Verfahren ift folgendes: Proſeſſor Dunger wählt geeig-
nete Sätze aus und fügt Verbeſſerungsvorſchläge hinzu. Diefe
Vorlage wird gedrudt und an die Herren des Prüfungsaus-
ſchuſſes verjendet. Diefe tragen auf der Drudvorlage ihre Ab-
änberungsvorjchläge ein und fenden fie an Profeffjor Dunger zu—
rüd. Und nun erſt erfolgt auf Grund diefer Gutachten die Feſt—
ftellung der Säge, wie fie in ber Zeitfchrift abgebrudt werben.
Diefes jcheinbar umftändfihe, zeitraubende Verfahren hat fich doch
jehr nützlich erwieſen. Denn dadurd) wird verhütet, daß fich ein-
jeitige Anfchauungen, perfönlicher Geihmad oder landichaftliche
Eigentümlichkeiten geltend machen. Es ift Thatſache, daß bis
jegt faum ein Sat ungeändert aus dem Prüfungäfeuer bervor-
gegangen iſt. Aber dies genügt nody nicht. Alle Mitglieder
unſeres Vereins werden gebeten, Einwendungen, die fie gegen die
abgedrudten Berbefjerungen zu erheben haben, an den Prüfungs-
ausſchuß einzufenden. Es jollen nämlich fpäter die Süße »Bur
Schärfung des Sprachgefühls« geſammelt herausgegeben werden.
Dabei bietet ſich Gelegenheit, dieje abweichenden Anfichten mit
zu berücjichtigen. Im ganzen icheint die Einrichtung den Bei-
fall der Vereinsgenoſſen gefunden zu haben. Wenigftens find
uns gegneriihe Stimmen nod nicht zur Kenntnis gefommen.
Jedenfalls aber gebührt den Mitgliedern des Prüfungsausichufjes
für ihre gewifienhafte, gründliche Prüfung der Vorlagen der Dant
bes, Vereins,
Bon den unter der Leitung unſeres erften Schriſtführers, des
Herm Profeffor® Dr. Baul Pietich, jtehenden wijjenichaft-
lihen Beiheften ijt im Berichtszeitraume nur Nr. 11 erfcjienen
am 1, Dezember 1896, Es enthält den etwas erweiterten Feſt—
vortrag, ben Profeſſor Dr. Otto Schrader auf der Haupwer—
ſammlung zu Oldenburg über »Die Deutſchen und das Dieer«
gehalten hat, jowie einen Aufja von Dr. E. Edhardt (Dresden)
über »Die deutfche Sprache in den Oftfeeprovinzen.e Die Aus—
gabe des 12, Heftes unterblieb bisher, nicht aus Mangel an Stoff,
fondern weil es angeſichts des heuer jo frühen Zeitpunktes der
Hauptverfammlung zwedmähig erichien, das nächite Heft bis nad)
ihrem Berlauf zu verichieben, damit es auch gleich die Feſtrede
aufnehmen fünne. Iſt doch auch ſoeben erſt eine wifienichaftliche
Arbeit des Bereins erjhienen: das Verdeutſchungsheft der Sprache
der Heiltunde von Oberftabsarzt Dr. Kunow. — Übrigens iſt in
Erwägung gezogen worden, ob nicht an Stelle der zwei bisherigen
Heinen Hefte befjer ein größeres Jahresheft treten fünne, Denn da
die Veihejte im allgemeinen nur umfangreichere Aufjäße bringen,
jo ift die zweimal im Jahre jtattfindende Abrundung auf 2 bis
3 Bogen, meist fehr jchwierig; bei einem Jahreshefte von 4 bis
5 Bogen würde fie viel leichter fein.
Die durch den Aufſatz des Proſeſſors Pietſch in der März
nummer der Yeitfchrift angeregte Sammlung deutſcher Volfs-
wörter durch den allgemeinen deutjchen Sprachverein hat, wie
nicht anders zu erwarten war, bei vielen einzelnen Mitgliedern
und Zweigvereinen einen zum Teil jehr warmen Beifall gefunden,
Die Erklärung, daran mitwirken zu wollen, ift bis jept von
31 einzelnen Mitgliedern und 12 Zweigvereinen abgegeben wor—
den. nen allen ift der Geſamtvorſtand zu aufrichtigem Dante
verbunden; aber es muß ausgeſprochen werden: noch ijt die Zahl
biefer Mitarbeiter zu Hein, und namentlich verteilt fie fich noch
zu wenig in ber wünſchenswerten Weile örtlich über die baue und
Mundartengebiete der deutschen Zunge, als daß fofort an bie
weitere Ausführung des Planes herangegangen werden fünnte.
Es joll daher zunächſt in Verbindung mit einem etwas ausführ-
Zeitfhrift deö allgemeinen deutfhen Spradvereine, XII. Jahrgang. 1897. Nr.T.
136
lidjeren Bericht über die bisherigen Zufagen die Aufforderung zur
Diitarbeit noch einmal in ber Zeitjchrift erlafien werden. Bir
ihon ber erite Aufruf bervorbob, kann es nur fördernd und be-
lebend auf unfere Wereinstbätigfeit wirfen, wenn ihr dies frucht
bare Gebiet dauernd gewonnen wird, und ich mahne darum audı
ihon bier und jept zu eifriger Mitwirkung.
Das vom Berein erlaffene Breisausihreiben über
dbeutihe Bilanzennamen hat großen Anklang gefunden. &
find zu Neujahr 33 Arbeiten eingegangen, zum Teil umfangreide
Schriftftüde. Der treuen, Hingebenden Arbeit der Preiäricker,
der Herren Brofefjoren Behagbel, Dunger, Drubde, Haniır
und Pietſch ijt es gelungen, die Prüfung noch im letzten Augen:
blide zu vollenden und ſich über die Preisverteilung zu einige,
die nachher in der öffentlichen Feſtſizung verfündet werden mir
Id jpreche den Herren Preisrichtern für ihr mühevolles Balz
den allerherzlichiten Dank im Namen des Vereins aus.
Unverfennbar bejtcht das mädhtigfte Mittel, unferem ir
näher zu fommen, d. b. die Reinheit, Richtigleit und Schönhe
der Mutterfprache durchzufegen und fiherzufiellen, darin, Ein
fluß auf die Gejepesipradje zu gewinnen. Zu dem En
find mehrfad, Schritte geihehen. Die Herren Brofefjor Piläge
in Bonn und Eigen, unſer Vorjtandsmitglied in Hamburs,
unterzogen fi der Mühe, dem Entwurf des neuen Handels
geſeßbuches auf die Neinheit feiner Sprache hin durdhzuarbeiten,
und ich geftattege mir, das Ergebnis ihrer Unterfuchungen periön-
lich dem Staatsſekretär des Neichsjuftizamtes zu überbringen un
zur Berüdfichtigung zu empfehlen. Excellenz Nieberding emie
ſich meinem Anliegen gegenüber ſehr wohlwollend und entgegen:
fommend; als der Entwurf aber zur Vorlage fam, zeigte ſich
doc), daß mur verichwindend wenig verbefiert war; ich jcheute
es deshalb nicht, noch einen weiteren Verfuch zu machen, wen:
bete mich an den Borfipenden des betreffenden Reichstagsaus
ſchuſſes, Herm Kammergerichtsrat Dr, Spahn, und erbat jeine
Hüffe. Freilich iſt auch damit nicht viel erreicht worden. Dei
hat mich nicht abgehalten, auch dem Vorfipenden des Ausihufie
für das Gejep über die Auswanderung, Herm Geheimen
Juſtizrat Profefjor v. Cuny, mit dem Geſuch um Beſeiligung
der wenigen in dem Entwurfe noc vorhandenen überjlüffigen
Fremdwörter nahe zu treten. Wenn in diefen Fällen unjen
Wünfhen auch nicht überall machgegeben wurde, fo dürfen mir
uns dod) damit tröjten, daß wenigjtend etwas erreicht ift, umd
daß wir faum hoffen durften, Fremdwörter, die das bürgerliche
Geſeßbuch beibehalten hat, aus Einzelgejegen zu entfernen, di
mit ihm im Zufammenhange ſtehen. Iſt doch auch am 20. Mai
der Antrag des Abgeordneten Beckh, in der Handiverfervorlag
das Wort »Statute durch »Sapungen« zu erjegen, aus dem Grund
abgelehnt worden, weil »Statut« auch an anderen Stellen de
Gewerbeordnung vorfomme. Ähnliche Verfuche, wie wir fie der
Behörden gegenüber gemacht haben, werben jeßt auch von Seite
der öfterreichifchen Zweigvereine ins Werk gejept, wobei Graz &
Führung übernommen hat. — Zur Zeit ift ein eifriges Verein!
mitglied, Herr Ober: Steuertontrolleur Adolf Schulze in Li:
nig, damit befchäftigt, eine Lifte der Fremdwörter dei
Stantshaushaltes zu verbeutichen. Ihre Bejeitigung märt
um fo erwünſchter, weil fie bei der jährlihen Auſſtellung der
Voranjcläge und zwar im jedem einzelnen Dienftzweige immer
aufs neue gebraucht werden und daher immer mehr in Fleid
und Blut unjeres Volfes übergehen.
Nächſt der Geiepesiprache find Amtsſprache und Befehle—
ſprache überaus wichtige Außerungen und Träger der gelamten
Entwidelung unſerer Spradje. Und da ift faum ein Gebiet Io
137
ſchwierig und zugleich jo bedeutungsvoll wie das ber Heeres—
ſprache. Bereits im vorigen Jahre Habe ich angedeutet, daß in
diefer Hinficht im reife unfered Vereines vorbereitende Arbeiten
im Gange waren. Sie find ſeitdem weiter geführt worden, leider
nicht jo nachdrücklich, wie e8 wohl gejchehen wäre, wenn ich diejer
Angelegenheit, an der id) ja perjönlid; warmen Anteil nehme,
mehr Kraft und Zeit hätte widmen fünnen. Doch find jegt vor:
trefilihe Mitarbeiter gewonnen, und ich Hoffe, daß das Unter:
nehmen nun rafcher vorwärts fchreiten werde.
Aber nicht nur die Erlajje der deutſchen Staatäregierungen
und der gejeßgebenden Körperſchaften üben großen Einfluß auf
unfere Spradje aus, jondern auch bie Ankündigungen, Sapungen
und fonftigen Lebensäußerungen aller Vereine, Unternehmungen
und Sejellichaften. Einigen von diefen haben wir unfere Geſichts-
puntte Mar zu legen und fie zu deren Innehaltung zu bewegen
gejucht, mit Erfolg 3. B. beider Hilfätaffe der Poft- und
Telegraphenbeamten und bei dem Verlage des Katechis—
mus für das feinere Geſinde. Für die 15. Hauptverfamme
lung der Deutſchen Möbels Transportgefellichaft hat unfer Mit-
glied Herr Eduard Geude den Antrag gejtellt: »Den lobenss
werten Bejtrebungen des ‚Deutihen Sprachvereins‘, vieler Be—
hörden uſw. entiprechend, haben es fich aud die Mitglieder der
Deutihen Möbeltransportgefellfchaft zur Piliht zu machen, in
ihren Schriftjtüden alle Fremdwörter zu vermeiden, welche durch
gut deutfche Ausdrücke zu erſetzen ſind.« Hierüber wird am 13. Juni
in Baden-Baden verhandelt werden. — Ich jelbft bin ala Mitglied
des Berliner Ausſchuſſes für die feftlihe Begehung der Hundert:
jehrfeier zu Ehren Wilhelms des Großen gegen den abſcheu—
lihen Ausdrud »Centenarfeiere aufgetreten; alle Teilnehmer an
der Beratung, etwa achtzig durchweg hervorragende Herren,
jtimmten mir unbedingt zu — und dann — wurde das Bajtards
wort doch ruhig weiter gebraucht. Als ich dem Borjigenden,
Herm Geheimrat Freiherrn dv. Broich, mein Befremden dar-
über ausſprach, erhielt ich zur Antwort: man fei doch zu ber
Überzeugung gefommen, daf die »Überjegung«e Hundertjahrfeier
leineswegs alle Begriffe in ſich fchliehe, welche fich mit der Be-
zeichnung » Centenarfeier« verbinden ließen. — Das iſt doch ges
radezu unbegreillih! — Ich habe mich ferner perfünlih mit dem
Landtagsabgeordneten v. Schendendorff in Verbindung gejept,
der die große Bewegung zur Feier deutſcher National-
fejte angeregt hat und am ber Spike bes dafür zufammens
getretenen vorbereitenden Ausſchuſſes jteht. Ich drang darauf, daß
bei dieſem vaterländifchen Unternehmen der Reinheit und Schön—
beit unjerer Sprache voll Rechnung zu tragen ſei, und erbot mic),
die Kundmachungen jenes Ausſchuſſes in diefem Sinne durchzu—
arbeiten. Herr v. Schendendorff, der ſelbſt Mitglied des Sprad):
vereins ift, ſprach fein volles Mitempfinden aus, nahm mein
Erbieten auch an, behielt ſich aber die Entſcheidung darüber vor,
welche Ausdrüde fremden Urſprungs body vielleicht beibehalten
werben müßten, weil jie eben üblich feiern und alles darauf ans
fomme, jojort verftanden zu werden und nicht als abjonderlid,
aufjzufallen. — So liegen die Dinge fait Überall. Arg aber ift
ilt, wenn die vom deutſchen Sportvereine veranjtaltete Roß-—
und Wagenichau, die im Mai d. J. zu Berlin ftattfand, unter
dem Namen »Concours hippique« auftrat.
Von einem tungenannten Freunde unferer Sache erhalte ic)
zuweilen Zeitungsblätter mit Reichstagsverhandlungen oder fonjt
dergleichen, in denen die Menge der gebrauchten Fremdwörter rot
unterftrichen ift, jo daß ein ſolches Blatt ausfieht, ala ob es das
Scharlachfieber babe. Darunter ſteht dann mit vorwurfsvoll
großen Schriftzügen: » Früchte! Früchte! Früchte!« — Ja,
Zeitfhrift des allgemeinen dentihen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr.T.
138
in diefen Auſſchrei jtimme id) ein! — Wir aber fünnen nichts
anderes thun, als den Samen ausftreuen. Soll er aufgehn,
wachen und Früchte bringen, jo bedarf es dazu der richtigen
Witterung, d. h. auf fittlihem Gebiete, ded Ernſtes und des
Mutes. Ohne Tapferkeit fann fein Sieg erjodten
werben, und darum rufe ich Ihnen allen zu: Wenden Sie
das, was Sie ala richtig erfannt haben, aud) ent—
ihlojien und beharrlidh im Leben an!
Sur Schärfung des Sprachgefühls.
44) »Mit dem Ende des
17. Jahrhunderts erlitt dieſe
Bewegung (Spracdreinigung)
zwar gewaltigen Abbrud,
ging aber wicht gänzlich zu
Grunde, jondern glomm in
engen Kreiſen weiter, biß fie zu
Anfang unſeres Jahrhunderts
ſich wieder lebhafter hervor—
wagte und nunmehr in ihrer
ganzen Stärke wieder erwacht
ift.e (Mus dem Jahresbericht
einer höheren Schule v. %. 1890.)
44) Mit dem Ende des
17. Jahrhunderts ging dieje Be—
wegung zwar gewaltig zurüd,
hörte aber nicht gänzlich auf,
fondern wirkte in engen Kreifen
weiter, bis fie zu Anfang unferes
Jahrhunderts wieder lebens
diger zu Tage trat und nun—
mehr ihre ganze Stärke von
neuem erreicht hat.
Bildervermengung. Daß eine Bewegung »Abbrud er:
feidet«, »zıt Grunde gebte und »wieder erwacht⸗,
fann man
vielleicht entichuldigen, obgleich das Bild nicht ftreng gewahrt
wird; aber »glimmene, d. h. langfam brennen, fann eine Bes
mwegung auf feinen Fall.
45) » Der Reichẽtagsabgeord⸗
nete für den 10. jächjiichen Wahl:
freis, Herr ©., hat die Güte,
uns über die Gründe, die das
Grofenhainer Tageblatt zu der
Annahme führen mußten, die
Einftellung einer Summe von
50000 „A in den Etat des
Reichdamtes des Innern »zu
Aufwendungen für Einrichtungen
und Veranſtaltungen, welche
allgemeinen Zwecken des deut—
ſchen Handels und Gewerbes
dienen«, ſei auf den von dem
Herrn WUbgeordneten bei der
dritten Beratung des vorjährigen
Etats eingebrachten und befür-
worteten Antrag auf Errichtung
von Handwerferjchulen im deut:
ichen Reiche aus Reichsmitteln
zurädzuführen, folgendes mit:
zuteilen.e (Leipziger Tages
blatt vom 7. Dezember 1896.)
45) In den Haushaltplan des
Neichsamtes des Innern iſt
eine Summe von 50000 4
eingeftellt worden »zu Aufiven-
dungen für Einrichtungen und
BVeranftaltungen, welche allge
meinen Sweden des beutjchen
Handels und Gewerbes dienen.«
Das Großenhainer Tageblatt hat
die Vermutung ausgeiproden,
daß dieſe Einftellung auf die
Thätigkeit des Neichstagsabge:
ordneten für den 10. ſächſiſchen
Wahlkreis, Herm ©., zurüd:
zuführen fei, der bei der dritten
Beratung des vorjährigen Haus:
haltplanes den Antrag einbrachte
und befürwortete, es jollten
Handwerferichulen im Deutſchen
Neihe aus Neichsmitteln er:
richtet werden. Über die Gründe,
welche die genannte Zeitung zu
diefer Annahme führen mußten,
hat der Herr Abgeordnete die
Güte uns folgendes mitzuteilen.
Zwifhen dem regierenden Zeitworte »hat die Büte« und
der ergänzenden Nennform (Infinitiv) »mitzuteilen« jtehen
nicht weniger als 71 Wörter!
den Anfang längjt vergeſſen.
Geprüft von dem Herren Behaghel, Brenner, Erbe,
ähns, Khull, Lohmeyer, Lyon, Matthias, Pietich,
Natürlich Hat man am Schlufie
Kurze Süße!
einbe,
reſſel,
aalfeld, Schefjler, Seemüller, Wappenhans.
Bemerkungen über die vorjtehenden Süße, Beiträge u. a. bittet
man einzufenden an re Dr. ann in Dresden-W.,
Schnorrſtraße 3.
139
Spredfaal.
»Coneours hippique.«
Unter diefer Bezeichnung veranftaltete in diefen Tagen der
Deutiche Sport: Berein in Berlin einen »Wettbewerb für Pferde
und Beipannung.«
Der franzöfiiche Name erjheint doppelt wenig am Plage, wenn
man bedenkt, da an dem Bewerbe auch Arbeitsfuhrwerfe und
Drojchten teilnahmen, für deren Führer ein Konlkurs hippide«
— (diefe hurchtbare Aussprache befam man übrigens nicht nur
in Suticherfreifen zu hören) — doc jedenfalls in die Reihe der
böhmiſchen Dörfer zählte. Der Screiberin diefer Bemerkungen
antwortete ein weißbehuteter Droſchlenkutſcher auf ihre Frage, ob
er fich mit feinem auffallend Hübichen Pferde nicht auch an dem
Wettbewerb beteiligen werde: »J wo, if werde mir doch nich
jelber in Konkurs bringen.e Der Mann lachte dabei und wußte
offenbar, daß er ein Wortipiel machte, aber wie vielen anderen
wird der Unteridied von concours und Konkurs nicht Mar zum
Bewußtfein fommen! Und dag in dem Wipe diefes KHurtichers
> en unbewuhte geſunde Berurteilung ſolchen Fremdwörter—
wejens?
Vielleicht würde eine Anregung des deutſchen Sprachvereins
den Vorſtand des deutichen Sportvereins veranlaffen, das nächite
Mal eine deutfche Bezeichnung für concours hippique zu wählen?
Der eritere fünnte dann jeinen Mitgliedern die Aufgabe itellen,
einige Berdeutichungen des Fremdausdrucks vorzuichlagen, falls
die oben verſuchte: »Wertbewerb für Pferde und Beipannung«
als zu wenig knapp befunden werden follte.*) E. Sch—.
Aus den Sweigvereinen.
Bonn Am 22. Februar fand ein Herrenabend in der
Kaijerhalle ftatt. Das verdiente und in weiteren Kreiſen belannte
und geſchätzte Vorjtandsmitglied des Kölniſchen Zweigvereins
Fritz Hönig trug vor überfülltem Saale eine Reihe eigener Er:
zählungen und Dichtungen in kölniſcher Mundart vor und wurde
durch reichiten Beifall belohnt. — In der icon in der vorigen
Nummer kurz erwähnten Borlefung im Saale der Lejegejellihaft
am 31. März trug Ludwig Bimmermann, »peldenvater«
vom Kölns Bonner Theater, erzählende Gedichte von Avenarius,
Fontane, Laufjs, Muellenbah, Trojan und Wildenbrud vor.
Auch diefe Borlefung fand jo viel Beifall, daß beabfichtigt wird,
ipäter wieder allwinterlich je zwei bis drei ſolcher Abende zu
veranstalten. — Der Wülfingſche Aufſatz über die Sprache der
Soldihmiede und Geſchmeidehändler wurde an hieſige Mit-
glieder diefer Berufe verfandt; ebenjo wurden von dem Berbeut-
jchungsbeite » Die Schule« 181 Abzüge an diejenigen Lehrer und
Lehrerinnen der Stadt Bonn und der Drtichaften der nächſten
Umgebung verteilt, die nicht Mitglieder des Vereins ſind. —
Bon den vom Gefamtvorftande zur Verfügung geftellten Abzügen
des Hausdingicen Buches haben wir einen dem biefigen Handels-
und Gewerbeverein überreicht. — Auf die Anfrage des Profeſſors
Pietſch im Yeitauffage der Märgnr. der Zeitichrift hat ſich unſer
Borftand zur Mitarbeit bereit erklärt. — Mit Genugthuung
fünnen wir berichten, daß Banfherr Louis David nad wie vor
mit Erfolg bemüht ift, feine Börſen-Wochenberichte in möglichſt
reinem Deutſch abzufallen; jie werden in der »Bonner Zeitung «
veröffentlicht, die gleichfalls unſeren Vereinsbeſtrebungen buldigt.
— Ein Ausſchuß it mit den Vorarbeiten zu » Fremdwort:
tafeln für Kaufleute« beichäftigt, die etwa 50 bis 60 der
gebräuchlichften Fremdwörter der faufmünniichen Geichäftsiprache
nebjt auten und bequemen Berdeutichungen enthalten und an
die biefigen Kaufleute verteilt werden follen.
Dresden. In der Aprilfigung widmete Prof. Dr. Dunger
dem eriten Ehrenmitgliede des Sprachvereins, dem veritorbenen
Staatsjefretär Heinrich von Stephan, einen herzlichen Nach—
ruf, in dem er vor allem defien bahnbrechende Wirlſamkeit auf
dem Gebiete der Sprachreinigung fchilderte. Dann beſprach Ge-
beimrat Häpe das Hausdingſche Buch »Die Fremdwort—
frage für Bebörden ufm.«, das er als eine trefiliche Waffe im
Kampfe gegen die Fremdwörterſucht bezeichnete. m der ſich an-
ichliehenden Erörterung verteidigte Apotbefer Hoffmann Die
Fremdausdrücke der Chemie gegen die Angriffe Hausdings.
*) Bl. Sp. 137 Roh und Wagenjhau«. D. Scriftl.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvere ins. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 7.
140
| Elberfeld. Am 23. März ſprach anlählid der eben ver
ſtrichenen 100ften Wiedertehr bes Geburtstages Kaiſer Wilbelms 1.
Oberlehrer Dr. Beder über deutiche Berhältnijje in englifger
Beleuchtung im Anſchluß an Whitman’s Imperial Germany.
In der Mprilfigung bielt Landesbauinſpektor Muffet einen Bor
trag über die Fremdwörterfrage für Behörden, Fachwiſſen—
ihaft und Gewerbe nah Hausdings gleichnamiger Ten:
ichrift, und in der Maifipung folgte der Vortrag des Borfikers,
Prof. Buhruders, über die Fremdwörterel der Schrift:
jteller. (Einen ausführlichen Beitungsbericht über den Muſen
Ken Bortrag jtellt die Schriftleitung gerne leihweije zur Ber:
ügung.)
Halle (Saale), Am 17. Mai hielt der Vorſitzer, Gumnafiol:
direftor a. D. Brofefior Dr. Lotbholz, einen Vortrag über
Wilhelm von Humboldt und feine freunde,
Kiel. Nach Erledigung geihäftliher Angelegenheiten berichten
der Borfiger, Paſtor Stubbe, über dad Bud von Hausding
»Die Fremdwortfrage für Behörden ufiw.«, dad er warn
empfahl.
Lübel. In dem Kahreiberichte, den der Borfiger, Ober:
lehrer Schumann, in der Hauptverfammlung am 23, Mai er:
jtattete, ſchilderte er die Fortichritte, die der a. d. Spracdvereis
im vergangenen Jahre gemacht hat. Dann entwarf er ein Pi
von der Thätigkeit des Lübecker Zweigvereind, deren Erfolge im
| allgemeinen als zufriedenftellend bezeidmet werben fünnen.
Straßburg i. E Am 8. Mai veranftaltete der Amweigvereix
einen Vortragsabend, der aus allen Kreiſen der Bevölterung ftar
bejucht war. Auf eine furze Anſprache, in der der Vorfiger, Ge
beimer Regierungsrat Dr. Albrecht, darauf hinwies, daß der
a. d. Spradjverein nicht etiva, mie jo häufig angenommen um
verbreitet werde, ein fremdwörterhegverein jei, jondern ſich die
Pflege der Mutterſprache in jeder Form zu fördern beftrebe,
folgten Vorträge in hohdeuticher Sprache und in den verſchiedenflen
Mundarten, wie es eben mur in dem Reichslande möglich ifl,
das, als ein Abbild des Reiches im Heinen, Angehö aller
Stämme in fich vereinigt, Dad Mitglied, Schaufpieler Bil:
belmi, trug »Judas Iſchariothe und den »Tod des Tiberius ·
von Geibel vor. Für die gegenfeitige Wertihägung der deutſchen
Stämme ift e8 von gröhtem Nußen, wenn ein Stamm mit ben
mumdartlichen Erzeugnifien des andern befannt wird. So mir
bei Veranstaltungen, die diefe Belanntfcaft ermöglichen, meben
den Bejtrebungen des Spracwereins einer der höchſten vater:
fändiichen Awede überhaupt gefördert, und in diefem Sinne find
ſolche mindartlihen Vorträge aufs wärmſte zu empfehlen. —
Beionderes Berdienft um das Zuftandefommen des Abends bat
ſich der Schriftführer, Oberlehrer Dr. Horjt, erworben. — In
der Hauptverjammmlung am 31. Mai fpradıen Oberlehrer Dr. von
Borries und Profefior Dr. E. Martin über die erſte Liefening
des Wörterbuhes der eljäjjiihen Mundarten, jodam
Oberlehrer Dr. Horjt über das 8 in neuhochdeutſchen Ju:
jammenjegungen. (Den ausführlichen Bericht der »Straf
burger Pojt« über dieje Vorträge jtellt die Schriftleitung den
Leſern gerne leihweije zur Verfügung.)
Brieftaften.
Herrn Rechtsanwalt Pr. v. 9...., Liebenwerda. Bü
fünnen das Wort »Beziehung« nidt als ausreichende Ber:
deutihung Für »Identitäte erachten. Dagegen dürfte »Näm
fichleite gebildet von der (die, das) nämliche, in dem meiften
Fällen ein ausreichender Erſatz fein.
HermM...., Weimar. Ihr Borfchlag, »Bereitunge für
» Bräparate zu jagen, jcheint uns nicht glüdlich zu fein. rum
foll »Bereitung« befier fein als »Darjtellung«e? Derfelbe
Grund, der Sp. 77 dieſ. Jahrg. gegen » Darjtellunge eingewand!
ift, fpricht auch gegen »Bereitung«e Wenn Sie fagen: »In
diefem Worte liegt weniger die Thätigleit des Bereitens auf
gedrückt, es bezeichnet dasjelbe vielmehr das Ergebnis des Be
reitend« ufw., jo ift doch wohl gerade das Entgegengefepte der Fall.
Herm,..., Hannover. Über den Ausdrud »Bücereis
icheint uns durchaus feine Umficherheit zu berrichen. Er wird
nur in dem Sinne von »Bibliothet« gebraucht. Dies hätten
| Sie aus der auch von Ihnen angeführten Stelle in der Zeitichr. VII,
©. 155 erſehen fönmen. Außer den dort genannten Schriftitellem
\ gebrauchen z. B. auch Schefiel und der Sprachforſcher v. d. Gabe
141
Zeitfhrift ded allgemeinen deutfhen Spradvereins. XU. Jahrgang. 1897. Nr.T.
142
lenz »Büchereis in diefem Sinne. Wenn Sie das Wort nur in
der Bedeutung » efamtheit aller Bücyer« verwendet wijjen wollen,
jo ift das ein rein perjönliches Belieben.
Herrn G. ©d. . . -, Leipzig. Mit Unrecht nehmen Sie
Anjtoß an ben guten alten Formen »Barmer Bankverein,
Nordhäufer Bank, lübiſche Küftee ufw. Soll man wirklich
jept »Nordhaufenere trinten? Iſt »lübeckſche Küſte« wirt:
lich wohllautender? Solche Formen find jchulmeifterliher Sucht
nad) Genauigkeit entiprumgen und mit aller Madıt zu befämpfen,
ebenfo die glüdlicyerweie jept verfchwindenden ⸗Rechnenkünſtler,
Zeichnenbuch« ufwm. »Rechenkünſtler, Zeichenbuch« iſt das
einzig Richtige, gerade wie ⸗Waſchhaus« und nicht ⸗»Waſchen—
baus«, — Die »Hyffbänfergejhentartifeihalles iſt ein
Wortungetüm, aber leider find ſolche Bildungen faum etwas Ber
jonderes, da fie gar zu oft »verbrodhen« werden. Die Aushänge—
tajel der Schuhfabrit: »Schnellfohlerei aus neuen guten
Kernleder, innerhalb 1 Stunde fertige iſt jehr ergöglich;
aber wenn ihr Inhaber, wie Sie ſchreiben, ein Orientale ijt, jo
dürfen wir ihm ald einem Ausländer faum einen großen Vorwurf
aus jeiner mangelhaften Beherrichung der deutfchen Sprache madıen.
Herrn MB... ., Neuſtadt i. M., 8OD...., Züri
und Photographiiche Gejellihaft, Berlin. Nach Ihren geil
Mitteilungen wird der bier gerügte Ausdrud »Copyright«
uf. (vergl. Sp. 98 d. Main.) durd) das amerifaniiche Gejep
(Copyright Bill vom Jahre 1892) ebenfo wie bei Büchern und
Mufitwerten auch für den Vertrieb von künſtleriſchen Nach—
bildungen in den Vereinigten Staaten verlangt. Der Photogra=
phiichen Gejellichaft jei es daher nicht zu verdenfen, daß fie ihre
in alle Weltteile verjandten Erzeugnifie mit diefer Formel ver:
che. Gewiß nicht! Wir haben aber auch nicht von den Licht
bildern jelbjt, ſondern von ihrer Anfündigung geiprodıen.
Diefe iſt deutih abgefaht, daher dod wohl auf deutſche
Käufer berechnet, die das amerikanische Geſetz nicht angeht.
Herm Wädtler, Halle a. S. Ein an Sie gerichteter Brief
iſt uns als unbejtellbar zurüdgelandt worden. Wir teilen Ihnen
daher auf diefem Wege mit, daß wir Ahr geil. Schreiben Herm
Krall in Elberfeld zur Verfügung gejtellt haben.
Herrn L. . . . Karlsburg In der Anfündigung feiner
»Projeftiond-Bilder für das Sciopticon« bereichert Herr E. Lieſe—⸗
gang in Düfjeldorf, Eavalleriejtr. 13, die deutſche Spradye um
eine "höne Wortbildung, indem er von der »Brillanze feiner
» Glas - Photogramme« Porichr. Anzuertennen ift ja, daß er be-
ftrebt war, das ihm vorſchwebende Wort »brillances einzus
deutichen. Leider gehört dieſes aber, wie jo mande von biedern
Deutſchen für echt franzöfiich gehaltene Ausdrüde (vergl. belle-
ötage, balleteuse, blamage ujw.), dem Sprachſchatze der —5—
überhaupt nicht an.
Herm A. Cd, . . -, Elberfeld. Sie bezeidinen es als
einen Fehler, »der freilich in beflagenswerter Weiſe an Berbrei-
tung zunimmte, daß Prof. Dr. Weiſe in feinem Auflage über
Ellipje an zwei Stellen das Wort »fortlajjen«e gebraudıt, wäh:
rend er weglafen meint, und berufen fid auf Kluges eiumolo-
giſches Wörterbuch, wonad) »forte = vorwärts, weiter jei. Gie
haben aber überjeben, daß Kluge nicht das nhd. >fort«, jondern
das ınhd. »vort« jo erflärt. Im Nhd. hat fich eben die Bedeutung
von »fort« erweitert; es ijt jept in dem meilten Berbindungen
auch gleich »weq« (vergl. fortlaufen, fortführen, fortgeben, fort:
ebene ujw.), in einigen hat es fogar allein diefen Einn (vergl.
ttjallen, fortihiden). HZahlreiche Belege hierfür aus den beiten
Scriftitellern finden Sie im Grimmicen Wörterbucde. Bon
einem Fehler lann alfo gar nicht die Rede jein.
Herm Reditsanwalt F. . . . Kaſſel. Sie teilen uns freund-
lichit ein Urteil des 4. Eivilfenats des Neichsgerichts vom 30. Df
tober 1895 mit, das zwifchen den Worten: »Ebenfowenig läßt
ſich mit Grund beanjtanden, daß das Berufungsgericht den Ein-
wand des Bellagten« und dem Schluſſe dieſes Sapes »zurüd
gewieſen hat« Einjchachtelungen von 147 Wörtern — die Zahlen
mit einbegriffen — enthält. Und ſolch ein Satzungetüm wird
jelbft von unjerem höchſten Gerichtshoſe in die Welt gejcpt!
U. €, hätte etwa gejagt werben lünnen: »Der Bellagte hat ein—
gewandt 1...., 2... 3... Die Zurückweiſung diejer Ein-
wände durd das Berufungsgericht läßt ſich ebenfowenig mit
Grund beanjtanden....« oder: ⸗Ebenſowenig läht ſich mit Grund
beanjtanden, daß das Berufungsgericht die Einwände des Beklagten
zurückgewieſen bat. Dieje (Einwände) lauten: 1...., 2
3. . . .« Warum muß denn ein Urteil immer im einen einzigen
Sag gepadt werden?
Herm Redytsanwalt Dr. P. . . . Frankfurt aM. Dffen-
bar bat Herr Schimmelpfeng, bei der großen Menge von Zus
ichriften, die ihm gelegentlich ſeines Preisausicveibens für die
beite Verdeutihung des Wortes »Rechercheur« zugegangen find,
Ihren Borichlag ⸗Auskunftſammler« überjehen, da er ihn in dem
Schreiben Sp. 123 dieſ. Jahrg. nicht erwähnt hat. Ein nochmaliges
Eingehen auf das Ergebnis des Preisausſchreibens ericheint ums
nicht zwedhmähig, da der Beſitzer der Auskunftei ja alle ihm ge—
machten Vorſchiäge von der Hand gewicien hat. Das von jo
vielen Seiten empfohlene Wort »Ermittler« dünkt ung übrigens
immer noch der bejte Erjaß für den Fremdausdrud (vergl. Sp. 40
die. Jahrg. Anmertg.).
Herin Dr. M,..., Marburg (Drau). Mit Iebhaften Bes
dauern erjehen wir aus Ihrem geil. Briefe, daß der Name des
Scriftführers Ihres Zwerqvereins bereits zweimal in der Zeit-
jchrift verdrudt worden it. Wir beeilen uns, das Verſehen zu
berichtigen. Der Name muB lauten: Engelbert Scheitl.
Herrn Proſeſſor Dr. B. .. ., Bichen. Vielen Dant für Ihre
freundliche Mitteilung, daß Sie ſchon ſeit Jahren für »Ellipfe«
das Wort »Erjparunge« in Ihren Vorlefungen anwenden. Auch
uns jdeint damit das Wejen der Sadıe befjer getroffen zu wer—
den als durch das Wort ⸗«Auslaſſung«. Jedenfalls foll es in
Zukunft in der Zeitichrift angewendet werden, doc, fünnen wir
einige Bedenlen gegen feinen Gebrauch in Überjchriften ohne jeg—
lichen Zuſatz nicht unterbrüden. Im Zuſammenhange iſt es ja
durchaus verjtändlich, wenn es allein jteht, möchten wir jedoch einen
Zuſatz befürworten, etwa » Wort (eriparung)« oder »ſprachliche Er—
ſparung«. Freilich iſt auch der Ausdruck »Ellipje« an ſich nicht
eindeutig, aber er iſt es thatiächlich im einer Zeitſchrift wie der
unfren, andrerfeits ebenjo in einem mathematiſchen Werte. Sehr
beadhtenswert ift ein bei frügerer@elegenheit gemachter Borjdjlag des
Heren Brof. Pietſch, für »Ellipſe- »VBerjchmweigunge« zu fagen,
Herrn Schriftfteller M. J. . . . Trier. Wir bedauern lebs
haft, daß Sie fid) durch die Bemerkungen des Herrn Proſeſſors
Pietſch im Briejlaften der Mainunmer verlegt fühlen, können
aber unjer Eritaunen über Ihre Auffafjung nicht verhehlen, als
feien Sie darin »Xhres Betenntnijjes wegen verhöhnt«
worden. Etwas Derartiges hat uns jelbftverftändlid)
völlig fern gelegen, mußte uns auch, ganz abgejehen von
anderen Gründen, ſchon mit Nüdficht auf Sapung 2 fern liegen. —
Ihren weiteren Vorwurf, wir hätten ein vertraulicyes Schreiben
der Offentlichteit preißgegeben, weifen wir mit aller Beſtimmtheit
zurüd. Weder in Ihrem Briefe, noch in dem des Herrn Zweig—
vereinsvorfikerd, der ihn uns geſchickt hat, ift nur mit einem
Worte erwähnt, daß Ihre Ausführungen vertraulicher Art feien.
Im Gegenteil haben Sie ihnen durch die mittelbare Überfendung
durch den Borfiger Ihres Zweigvereins (ſtatt unmittelbar an die
Schwiftleitung) den Stempel der Amtlichkeit aufgedrüdt. Den
ebenjo jchweren wie ungerechtfertigten Vorwurf des Vertrauens:
bruches möchten wir uns demnach ganz entſchieden verbitten.
errn J. G. K. . . Bremen. Sollte es ſich bei der Waren-
einpfehlung, die Sie von einem Kölner Haufe in einem Briefum—
ihlage mit dem Vordrude: »Chemical Analytical Laboratory,
Cologne« erhalten haben, nicht um den Irrtum eines der An—
geftellten handeln? Wir können nicht ohne weiteres glauben,
daß fi) ein deutjches Geſchäft für jeinen Verkehr im Inlande
einer engliihen Bezeihnung bedient, nehmen vielmehr an, daii
ein für die Yänder engliicher Zunge beftimmter Briefumschlag aus
Verſehen an Sie gefandt worden ift. — Die »Leipziger Illuſtrirte
Beitung« vom 20, Mai d. X. hat durd; die Verwendung des Aus—
drud® »Einwaggonirunge den deutſchen Wortſchaß im nicht
gerade erireulicher Weije bereichert. Oder jollte dieſes Muſter
von jpradylicher Geſchmackloſigkeit auch ſonſt im Schiwange jein?
In Heyſes Fremdwörterbuche jteht es nicht. Warum wird dafür
nicht die Bezeichnung der Felddienjtordnung »Einladen« oder
das auch noch übliche ⸗Einſchiffung« gewählt?
Herin E. P. . . . in St. Petersburg »Baldachin« im
Sinne von »Leichenmvagen mit Baldachin« zu jagen, iſt zwar
unſres Wiſſens nicht ſprachüblich, dürfte ſich aber redjtfertigen
lajjen durd; den Hinweis auf Ablürzungen wie »Banzere für
»Banzerichifje, ähnlid) ⸗Aviſo«; »Haken« für »Halenbüchſe«,
»Dunamoe für Dynamomaldine, » Frestoe für Frestogemälde
und manches andere.
143
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 7.
144
Herren Lichtenftein u. Ko., Berlin. Zu unfrer Befriedigung
erſehen wir aus Ihrem geil. Schreiben, dab Sie auf unjre Brief:
fajtenbemertung hin (vgl. Sp. 78 dieſ. Jahrg.) den Ausdrud »Iatest
novelty« zufünjtig in Ihren Anzeigen vermeiden werden. Das
gegen meinen Sie, wir thäten unrecht daran, Ihnen aus dem
ebrauche der Bezeichnung »English plated« einen Vorwurf zu
machen, da ſie einmal für ein bejonderes Erzeugnis eingeführt
jei. Sie geben aber felbjt zu, daß der Käufer an den Nusdrud
sengliiche verjilberte Warene gewöhnt werden fönne, nur
fehle es dem Kaufmann an Zeit zu einer ſolchen Gewöhnung, auch
treffe die wörtliche Überjegung nicht genau den Sinn. Ein Fach—
mann, den wir in der Angelegenheit um Mat gefragt haben, ver-
fichert uns, daß das als »English plated« bezeichnete ——
thatſächlich nichts andres ſei als eine aus weißer Metallunter-
lage (Nickelmetall oder bisweilen auch Alſenid, Neuſilber uſw.)
bergejtellte und im engliſchen Silberbade (galvaniſch) verfilberte |
Ware. Die Bezeihnung »engliſch verfilbert« oder sengliihe
Verfilberunge treffe alio genau den Sinn und jei der faufen-
den Welt in Deutfchland unzweifelhaft verjtändlicher als der eng:
liſche Ausdruck, der nichts andres bejage. Nach Ihrer Nuffafjung,
ald babe der Kaufmann feine Zeit, er Kuhden an deutſche
Warenbezeihnungen zu gewöhnen, müßte jchließlich jedes vom
Auslande fommende Erzeugnis feinen fremden Namen behalten,
und das werden Sie doch nicht wollen?
erm F. 8... ., Braz. Gie vewollftändigen die von Herm
€. M. in der vor. Nr. Sp. 122 angeführten Verdeutſchungen für
»Record« durch Erwähnung der Ausdrüde »beite Zeit« umd
»bejte Leiſtung« Ebeſte Zeit« — die fürzefte Beit, in der eine
gegebene Strede zurücgelegt wird; »beite Leijtung«e — die gröhte
Strede, die in einer gegebenen Zeit durchfahren worden fit). Mit
Necht rügen Sie die AZufammenjegungen mit »Record« wie
R..mann, R..breden, R..lijte ufw. Wäre in diefen Aus»
drüden das Fremdwort nicht am einfachiten durch »Beit« zu er
fegen? — Die Bezeihnung >» Fahrradwettlaufen« m dem Auf:
jape des Herrn C. M. ijt allerdings nicht gut gewählt und müßte
durch »Radweitfahren« erjept werben.
Geſchäftlicher Teil.
Die Berfaffer der nicht preißgelrönten Arbeiten über die
deutſchen Pflanzennamen werden erfucht, ihre Niederjchriften
vom Schagmeifter unſers Vereines, Herm BVerlagsbuchhändler
E. Ernit, Berlin W®, Wilhelmſtraße 90, zurüdzuforden. Ans
zugeben ift das Stennwort (und bei den beiden mit »Mutter-
ſprache, Mutterlaut« bezeidjneten auch die Anfangsworte bes Tertes
oder ein anderes bejonderes Kennzeichen), auch ijt eine Perſön—
lichkeit namhaft zu machen, an welche die Rückſendung gerichtet
werden joll.
Zugleich werden die Berfafler der mit »>Sempre avanti«
und »Mutterfprade, Mutterlaute (Unfangsworte: »Ein
Hauch ftarten vaterländiichen Empfindend weht durd die Welt,
und enger fchliehen ſich die Völter in ihre Grenzen ein«) bezeich⸗
neten Arbeiten gebeten, ſich darüber zu erflären, unter welchen
Bedingungen fie geneigt wären, ihre Arbeiten behuſs Verwertung
für die weitere Behandlung der Frage dem Sprachvereine zu über-
lajien. _
In Gießen (Großherzogtum Hefien) Hat fi unter dem Vor:
fie des Univerfitätsprofeffors Dr. Bundermann ein Zweig—
verein gebildet.
Briefe und Drudfaden für die Bereindleitung
find an den Vorſigenden,
Dberftleutnant a.D. Dr. Mar Jähne in Berlin WW,
DMargaretenitraße 16,
Bon dem Aufſatze des Freiherrn Robert von Fidard
» Deutiche Lawn - Tennis- NAusdrüides in der Januarnummer dieies
Jahres find Sonderabdrüde hergejtellt worden, denen eine Liſte
der Verdeutihungen im Tennisfpiele beigefügt ift. Wir jtellen
den Mitgliedern des a. d. Spradjvereins dieſe Abzüge zur Ver—
teilung in Tennisklubs uf. gerne zur Berfügung.
Die Schriftleitung (Groß - Lichterfelde, Draleſtraße 3).
Der Ausſchuß des Grazer Zweigvereins bittet die Leis
tungen jämtlicher Zweigvereine, ihm (zu Händen feines Obmannet
Dr. Ferdinand Khull, Graz, Wielandgafie 2) Abzüge von
deutſchen Speifelarten, bie in @ajthöfen bereits aufliegen,
und von denen die Borftände Kunde haben, einzujenden.
An die geehrien Bereinsgenoffen,
bie auch Mitglieder des Deutichen und Oſterreichiſchen
Alpenvereines find.
Die Veröffentlichungen des Deutſchen und Äſterreichiſchen
Alpenvereines laſſen in Bezug auf Sprachreinheit manches zu
wünſchen übrig. Dieſem Übelſtande würde die Vereinsleitung
aber ſicherlich gerne abhelſen, wenn Mitglieder den Wunſch da-
nach äußerten. Ich möchte nun durch eine Eingabe auf bie
» Gentrales Leitung eimwirten, aber auch Kundgebungen im den
» Sectionen« veranlafien und bitte hierdurch die Bereindgenofien,
die mir dabei behilflich fein wollen, jei es durch Mitunterzeich⸗
nung der Eingabe an die Hauptleitung des D. u. D. A.-V.
oder durch Weranlajfung von Kundgebungen in den Zweig—
vereinen (»Sectionen«), mir dies mitzuteilen.
Mit treudeutichem Gruße
Franz Pichler, Graz, Annenſtraße 59.
Nachdem mein Antrag, ummittelbarer auf die Gaſthofſprache
einzwoirten (vgl. Ep. 129 diefer Nr.), von der Hauptverfammlung
in Stuttgart angenommen worden ift, bitte ich diejenigen Zweig:
vereine und einzelnen Mitglieder, die bereit find, an der Aus—
führung bes Beichlufies mitzuwirken, mir gütigft mitzuteilen,
1. in weldyen ber ihnen befannten Gajthäufer (Hötels, Gaſt⸗
böfe) bereit3 eine deutjche Speifetarte geführt
wird, i
2. welche Gajthojbefiger fie zur Führung einer deutſchen
Speijelarte zu veranlajjen ſuchen wollen.
Da natürlich eine perfünlihe Einwirkung auf die Gaſt—
hausbefiper die meifte Ausſicht auf Erfolg bietet, fo bitte ic) bie
geehrten Mitglieder, fich vecht zahlreich an der Arbeit zu beteiligen.
Zugleich bemerte ich, dah, wenn es der Raum gejtattet, diejemägen
Gaſthöfe, die unſere Beſtrebungen unterftüßen, bereits in dem
fpäter zu verfendenden Anfchreiben genannt werden follen.
Friedrih Wappenhans,
Groß⸗ Lichterfelde, Drakeſtraße 3.
@eldjendungen und
— Beitrag 3 Mart.
wofilt die a umd bie fonftigen Drudichriften des ns gellefert werben)
an ben Echapmeifter,
nebuchhändler Eberhard Ernft in Berlin W*,
Wilhelmftrahe 9,
Briefe und Drudfahen für die geitſchrift find an den Herausgeber, Oberlehrer riedrid WMappenbans in Groß⸗Lichterfelde bei Berlin,
Drateftraße 8,
Briefe und Bufendungen für die Wiffenſchaftlichen Beiheſte an Profeffor Dr. Paul Pietid in Berlin W®, Mohſtrahe 12
zu richten.
Br die Schriftteltung verantwortlid: Srie drie Wappenhans, Gr. Lichterfelde, yon
I
Werlag deb allgemeinen deutfehen Epragvereind (Jihns und Ernft), Berlin.
Drud der Buchdruderei des Waiſenhauſes in Halle a.d. S.
— — > & XI. Jahrgang Ar. s/g.
eit [ ch 15] ff Auguft/September 1897.
—
allgemeinen deu chen Sprachuereins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
Diele Zeitichrift erſchelnt jährlich amdlfmal, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern des allgemeinen deutſchen Spracwereind unentgeltlich
geliefert (Bapung 3).
Die Zeltſchrift kann auch durch ben Buchhandel oder bie Voſt
zu 8 Mt. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannafme durch den Schapmeifter
Eberhard Ernit, Berlin W*, Wilbelmſtt. 90. — Muflage 16000,
Intatt: Bericht über die X. —— — Daniel Sanders. Bon Hermann Wunderlich. — Schriftleitung, Schrift:
leiter. Bon Mattins Linhoff. — Kleine Mitteilungen. —
Sprechſaal. — Bücherſchau. — Brieffaften. — Geſchäftlicher Teil.
Diefe Nummer gilt für die Monate Auguft und September.
Beridt über die X. Bauptverfammlung
am 7. und 8. Juni 1897.
Die ordentlihe Hauptverfammlung fand im Nahre 1897 zu
Stuttgart ftatt. Ihr ging am Sonntag dem 6. Juni nachmittags
2'/, Uhr eine Sipung des Gejamtvorjtandes voraus.
Beiprehung der Vertreter folgte, und daran ſchloß ſich die Ber
' gezahlt worden.
eine Merbereife vom 13. Auguſt bis 7. September 1896 1316,68 „AM
Es dürfte wohl die Frage nicht überflüffig fein,
| ob diefe Ausgaben zu dem Erfolgen der Reiſe oder zu den ander:
Eine kurze |
grüßung der Feitgäfte durd den Bweigverein Stuttgart in den |
Räumen bes Muſeums. Nach einleitenden Worten des Profeſſors
Erbe, Borfipenden des Zweigvereins Stuttgart,
bob jich der |
Borhang für ein von ihm gedichtetes Feitipiel »Das praftifche |
Hausfrauen Anftitut oder die Belehrung zum Spradjerein«, das
von Angehörigen des Stuttgarter Vereins, stud. Stahl und
einer Schar liebliher Töchter Schwabens (Frl. Frida und
Eugenie Märklin, Gertrud und Alwine Schumann,
Klara Schanzenbad, Frida Erbe und Emma Stahl)
aufgeführt wurde. Dann begrüßte Oberjtudienrat Dejterlen die
Berfammlung; in warmen Worten dankte ihm der Borjigende
des Geſamworſtandes, Oberftleutnant Dr. Jähns, und diejer
Austauſch von Herzen tommender Begrühungen fand Tebhaften
Widerhall bei den Anmwejenden.
Am Montag dem 7. Juni eröffnete Dr. Mar Jähns kurz
vor 9 Uhr die erite Geichäftsfipung, die im Mufeum- jtattfand.
Der Borfigende forderte zur Überreichung der Vollmadten an |
Dr. Saalfeld auf, der die Leitung der Wahlen in altbewährter |
Weiſe übernommen habe, und verlas fodann einen Feitgruß des
Profefiors Aurelius Polzer in Graz, der lautete: » Sprad):
bewußtfein ift ein Teil des Vollsbewußtſeins; Bollsbewuhtfein |
aber ift in dem ſchweren Kampfe, der uns deutſchen Oſtmärkern
aufgezwungen ift, die einzige Gewähr des Sieges. Darum Dant
den wadern Streitern für unfere in ihrer Reinheit jo herrliche
Mutterfpracdhe! Dank und Heil!« Nach Erftattung des Jahress
berichtes (vgl. Zulinummer), der mit anhaltendem Beifall auf:
genommen wurde, erjuchte der Borjigende den Schapmeiiter, das
Ergebnis der Rehnungsprüfung für das Vorjahr mitzuteilen.
Eberhard Ernjt: Die Herren, welde die Nechnung des
Vorjahres geprüft, haben fie richtig befunden, aber einen Punkt
beanftandet, nämlich die Ausgabe für Werbereijen.
ftellung lautet:
Die Auss |
»An Herin Dr. Günther A. Saalfeld find für |
weitigen, öfter® namhaft gemachten Bedürfniſſen des Vereins,
wie z. B. Vergrößerung des Umfangs der Zeitfchrift und bejonders
zu dem Wunſche nad Ermähigung der den Zweigvereinen aufs
erlegten Abgaben in befriedigendem Verhälmiſſe ſſehen.« Es
wurde im v. J. in Oldenburg beichlojjen, für derartige Beſtre—
bungen 1000 4 auözufegen. Die Neife nahm aber mehr Zeit
und darum auch mehr Geld in Anipruch, als im voraus beurteilt
werden fonnte. Der Borftand glaubt jedoch diefe Ausgabe ſchon
deshalb verteidigen zu jollen, weil im Laufe des Jahres für
diefen Zweck etwa 600 A an Geſchenken eingingen. Bringt man
diefe 600.4 von den audgegebenen 1316 .% in Abzug, jo find
nod) nicht einmal die ausgeſezten 1000 .4 für Werbezwede ver-
wendet worben.
Reuter (Bonn): Die Unfoften haben nicht nur 1000 4,
jondern mit den Nebentojlen etwa 1700 . betragen. Wir finden
beim Vergleich diefer Zahlen mit der Zahl der dadurch gewon—
nenen Mitglieder, daß die Unloſten zu weit geben. Ich möchte
daher den Antrag jtellen, daß man bei Ausgaben für Werbe:
reifen nicht mehr jo hoch greife. Einen Betrag von 1000 A
fünnte ich vertreten. Bon den für diefen Zwed gemachten Schen—
tungen haben wir in Bonn feine Kenntnis gehabt.
Ernjt: Alle Belege find in Bonn geweſen. Allerdings iſt
bei den Schenkungen nicht hinzugefügt, für welchen Zweck fie ges
macht wurden, doch foll in Zukunft auch das gejchehn.
Borjigender: Nachdem dieſer Punft erledigt, ſonſt aber
fein Anstand gegen die Rechnung erhoben worden ift, bitte ich,
dem Herrn Schatzmeiſter und mir die Entlajtung erteilen zu
wollen. Da kein Widerſpruch erfolgt, betrachte ich die Entlaftung
als vollzogen.
Dunggr (Dresden): Nachdem das Erjuchen ausgejproden
worden ijt, die Summe von 1000 M für Werbereifen nicht zu über-
ſchreiten, möchte ich die Weriammlung bitten, dem Borjtande nicht
zu enge Grenzen zu zichen. Das Geld, welches dem Vereine zu:
fließt, lann nicht bejjer angelegt werden als zu feiner Ausbreitung.
Neue Zweigvereine zu gründen, ift feine leichte Sache, ohne
Koſten überhaupt nicht zu erreichen. Das Wachstum des Vereins
jeit der legten Hauptverfammlung ift jo außerordentlich, daß ich
147
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 8,9.
fagen muß, es kann nicht darauf anfommen, ob dafür 1000 ober |
1700 „4 auägegeben werden. Ich möchte daher bitten, möglichit |
viel für Werbezwede auszuſehen.
Nägele (Tübingen) fragt an, ob beftimmte Grundfäge für die
Anordnung der Werbereifen maßgebend find, und ob der Vorſtand
die ſchwäbiſchen Ameigvereine durch Aujendung eines Werbes |
reifenden unterjtüßen würde.
Vorfigender: Wenn die Bweigvereine in fichere Ausſicht
ftellen, da die Arbeit eines Werbereiienden von glüdlihem Er—
folge begleitet fein wird, jo kommt der Vorſtand ihnen gern ent:
gegen. Er würde es mit Freuden begrüßen, wenn von mancher
Seite foldye Wünſche ausgeſprochen würden. Über Zeit und Um— |
fang der Reife würden ſtets Sonderverhandlungen nötig fein.
Die einzige Perfönlichteit, die ſolche Reifen für uns macht, ift |
gegenwärtig Dr. Saalfeld. Es handelt jic deshalb Stets darum,
feitzuftellen, wann diefer Herr die Zeit dazu hat.
Ernjt erſucht, dem Vorjtande freie Hand zu laſſen und ihm
Vertrauen zu ſchenken.
Neuter (Bonn): Nur nad forgfältiger Prüfung find wir in
Bonn zu der Anficht gelommen, dab es nicht ſchaden könne, wenn
für die Sache etwas weniger Geld ausgegeben werde, Werbe-
reifen find ganz gut, aber die Wirkung, die von einer Stadt
nad) der Nachbarſtadt ausgeübt wird, iſt weit fruchtbringender.
Ich halte daher meinen Antrag aufredt.
VBorjipender: Da dieſe Beſprechung eigentlich zum Bor:
anfchlage gehört, wollen wir bei diefem auf die Sache zurüds
fommen.
Sc teile mit, dah die Zweigvereine Hamburg und Elberfeld
die Rechnungsprüfer für 1807, Köln und Mailand die Vertreter
zu ftellen haben. Ich bitte die Vertreter diejer Zweigvereine,
wenn fie hier anweſend find, ſich gleich zu äußern, ob fie diefer
Ehrenpflicht nacfommen wollen.
Die Vertreter von Elberfeld und Hamburg erklären fich hierzu
bereit. An Köln und Mailand foll geichrieben werden.
Ernjt: Es iſt gewünjcht worden, daß mitgeteilt werde, wo
das Bereinsvermögen liegt. Ich habe darum die Hinterlegungs-
jcheine mitgebradht.
Vorjigender: Ich möchte den Herren Vertreter von Bonn
bitten, die Scheine durchzufehen.
Da Reuter (Bonn) ablehnt, übernimmt Wülffing (Eiber:
feld) die Durchſicht.
Vorfipender: Nun bitte ich Herrn Ernſt den Voranfchlag
für das folgende Vereinsjahr mitzuteilen.
Ernjt: Die Eingänge für 1508 will ich fiherheitshalber auf
25 000 .M annehmen. Für die Ausgaben bringe id, folgendes in
Borichlag:
1. Miete der Sejchäftsräume (wird ſtets wieder
von mir geihenft) . » .» » 250, — MH
2. Screibbedarf und Boftgebühren für. bie
Mitglieder des PVorftandes, die Schrift
leitung und Geichäftsführung 1100,— „
3. Gehälter:
dem Buchhalter und Gcheimjchreiber (in
einer Perſon vereinigt) . 2000,—
der Sehilfin. . . 150,— 200, „
4. Für die Bücherei — 150,— „
5. Hauptverfanmlung, usuh, er Vor:
jtandsjigungen 3 000,— „
6. Werbereiien . 2 2 2 2 2 nn. 1 000,— —
5 4
148
Übertrag: 8 460,.4
7. Schriftleitung der Zeitſchrift und der wiſſen⸗
ſchaftlichen Beihefte . . - » . + 2400,— „
8. Ehrenſold den Mitarbeitern der Beitfchrift 1 500,— „
9. Ehrenfold den Mitarbeitern der Beihefte . 400,— „
10. Herjtellung der Zeitichrift . 5 000,— „
11. Herſtellung der Beihefte . 2 6500,— „
12. Bapier für die Druckſachen des Bereind . 4 000,— .
13. Für unvorhergejehene Ausgaben, zur Ber:
fügung des Borfigenden . . 740,—
25 000,— A
Ich bitte um Ihre Genehmigung.
Wilffing (Elberfeld): Ich habe die Hinterlegungsicheine ver:
glichen und fie richtig gefunden.
Linhoff (Münfter): Ich möchte empfehlen bei Punkt 6
»Werbereifene zu fepen »etiwa 1000 .4#«, damit ein wenig mehr
oder minder ausgegeben werden bar.
Neuter (Bonn): Ich möchte bitten, bei dem guten Papier zu
bleiben, das zur Herſtellung unferer Zeitfchrift verwendet wirt.
Sodann wiederhole ih: Es empfiehlt fich für Werbezwede über
1000 .4 nicht hinauszugehen.
Dunger (Dresden): Ich ichlage vor, einen Betrag von 1500.4
zu Werbezweden zu verwenden. Es wäre außerordentlich wiünjchens-
wert, wenn fich im recht vielen Teilen Deutſchlands Werber
fänden; denn wertvoller ift e&, wenn ein Stammesgenofje kommt
als ein fremder. Jeder Zweigverein, der für Werbezwede Gelb
verlangt, kann ficher darauf rechnen, daß er freudigftes Entgegen:
tommen beim Borjtande findet. Das für die Gründung neuer
BZweigvereine angelegte Geld verzinft fich vortrefflich, abgeſehen
von dem idealen Gewinn, daß in viele Städte unfer Gedanle
getragen wird.
Sarrazin (Berlin): Im vorigen Jahre find 14 Zweigvereine
infolge von Werbereijen gegründet worden. Die Koſten betrugen
1300 .4 Nahezu 600 Mitglieder find gewonnen worden, von
denen alljährlich 1200 4 als Veitrag gezahlt werben. Wenn
wirtlich nach 2 Jahren jänstliche neugegründeten Zweigvereine
wieder eingegangen wären, fo hätten wir nicht nur die Summe
zurück, fondern aud) Wucherzinfen obendrein. Ich würde jür den
Antrag Dunger fein, und wenn es 4000 „4 wären, welche für
diefe Sadye angelegt werden jollten.
Keller (Charlottenburg): Wir find feine Erwerbägenofienfdalt,
die Geld auf die hohe Kante zu legen hat. Wir müjjen es für
unjere Zwecde binausbringen und den Samen ausſtreuen, darum
nicht Inauferig fein.
Vorfigender: Der Schluß ift beantragt. Ich glaube, wit
find uns über diefen Punkt Mar, und ich ftelle den Vorſchlag det
Herm Reuter zur Nbjtimmung, der dahin geht, daß mir mir
bis zu 1000. für Werbezwede ausgeben dürfen. Ich bitte die
Herren, die für diefen Vorſchlag find, die Hand zu erheben. —
Herr Neuter bleibt mit feinen Stimmen allein, — Ich bitte nun,
daß diejenigen Herren, die für den Vorichlag find, etwa 1500 4
auszugeben, die Hand erheben. — Diejer Antrag ift angenommten.
— Ich Habe Ihnen nun eine Einladung mitzuteilen, die von dent
Bunde der Deutfchen in Böhmen an den a. d. Sprachverein
gerichtet iſt und dahin geht, die vom 27. bis 29. Brachmond (Juni)
jtattfindende 3. Hauptverfammlung des Bundes der Deutihen in
Böhmen zu Auſſig zu bejuchen. Wer von den Herren dazu Neigung
hat, den bitte ich, ſich im die Lifte einzuzeichnen, die ich auf dei
Tiſch lege.
Ich bitte nun Herrn Dr. Saalfeld das Ergebnis der Vol:
machtseinreihungen mitzuteilen.
149 Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Sprahvereind. XH. Jahrgang. 1897. Nr.89. 150
Dr. Saalfeld: Es find vertreten: Iwelgverein Stimmen Vertreter
weigverein Etlmmen Vertreter Köln 4 Herr Oberſtabsarzt Dr. Nedeter.
Aachen 2 Herr Fabritant Wülffing. Königsberg 2 „ Dberlebrer Dr. Saalfeld.
Altona 1 „ Geheimrat Sarrazin. Konſtanz 1 „ Profefior Karl Erbe.
Annaberg 1 „ Brofeflor Dr. Dunger. Koihmin 1 „ Verlagsbuchhändler Ernit.
Sarnen 3 „ Fabritant Wülffing. Köthen 1 „ Brofefior Dr. Brenner.
Baupen 1 „ Dberlehrer Dr. Beer. Krefeld 1 „ Fabrilant Wülffing.
Bergedorf 1 F Brofefior Dr. Brenner. Krems 3 „ Gasanitaltsfeiter Lodtmann.
Berlin-Eharlotten- Krotoſchin 1 „ Reltor Herrmann.
burg 3 „ Dberlehrer Wappenhans. Lauenburg 1 „ Brofefior Dr. Pietſch.
Berlinchen ı pe PR z Leipzig 4 „ Überlehrer Dr. Beer.
Bielefeld 1 „ MReltor Herrmann. Leoben 2 „ 2rof. Dr. Hofmann v. Wellenhof.
Blanfenburg l „ DOberlehrer Dr. Saalfeld. Liegnig 1 „ Dberlehrer Holzapfel,
Bochum 1 ,„ Fabrikant Wülffing. Lübed 4 „ Geh. Juſtizrat Dr. Keller.
Bonn 8 „ Dr. Lehrer Reuter. Lugano 1 „ Berlagsbuhhändler Ernit.
Boppard LI; M n Magdeburg 3 „ Dberlebrer Dr. Saalfeld.
Braunſchweig 6 „ DOberjtleutnant Dr. Jähns. Marburg 2 u Brof. Dr. Hofmann v. Wellenhof.
Breslau 2 „ Ded. Lehrer Reuter. Marienwerder 3 „ Gymn.sDireltor Dr. Brocks.
Burtehude 1 „ ®Brofeffor Dr. Brenner. Meiningen l „ Brofeflor Dr. Brenner.
Gelle l Proſeſſor Dr. Pietſch. Memel 1. Geh. Reg.-Rat Prof. Yaunhardt.
Ehemniß 2. Beofefior Dr. Dunger. Mep 3 „ Beofefior Dr. Seifert.
Gzernowig l „ Brofellor Karl Erbe. Mülheim 1 „ Brofejfor Dr. Pietſch.
Danzig 1 Profeſſor Dr. Bietic. München 4 „ Brofeflor Dr. Stieve.
Döbeln 1. Profefior Dr. Dunger. Hann.» Münden 2 „ Geheimrat Sarrazin.
Dresden 7 u Geheimrat Hüpe, Miünfter 3 „ Scriftjteller Linhoff.
Düfjeldorf 2 „ Geh. Reg.-Rat Fritſch. Natel 1 „ Vrofeſſor Dr. Pietſch.
Duisburg 3 „ Dr. Lehrer Reuter. Neunkirchen I „ Dberlehrer Dr. Saalfeld.
Edernförde 1 „ Dberlehrer Dr. Saalfeld. Neuruppin 1 „ Dr. Lehrer Reuter.
Elberfeld 5 Proſeſſor Buchrucker. | Neuftettin 1 „ rofeflor Dr. Brenner.
Eſen 3 „ Vroſeſſor Karl Erbe, Norden 2 = ri >
Flensburg 1 „ Dberlehrer Wappenhans. Nürnberg 1 „ Poſtmeiſter Schmidt.
Frankfurt a. Nm. 3 „ Schrififtellee Dr. Gantter. Oberhauſen I „ Fabritant Wülffing.
Frankfurt a.d. DO. 2 „ Oberlehrer Dr. Saalfeld. | Oldenburg 2. Profeffor Karl Erbe.
Freiberg i. ©. 2. Bwieflor Dr. Dunger. Pirna 1. Geheimrat Häpe.
Freiburg i. B. 2. Profefjor Karl Erbe. Ploen 1 „ Geheimrat Sarrazin.
Sörlit 2 „ Dberlehrer Dr. Saalfeld. Potsdam 3 „ Dberlehrer Dr. Matthias.
Graz 5 u Brof. Dr. Hofmann v. Wellenhof. Quedlinburg 1 „ Dberlehrer Dr. Saalfeld.
Greifenberg l „ DOberitleutmant Dr. Jähns. Roftod 1 „ Brofefior Dr. Brenner.
Greiz 1 „ Gebeimrat Sarrazin. Schopfheim 1 „ Dberlehrer Wappenhans.
Grimma 3 „ Überlehrer Dr. Beer. Schwerin 1 „ Brofeffor Dr. Pietſch.
Sroßröhrsdorf 1 „ Dberlehrer Wappenhans. Slamenpiß 2, Reltor Herrmann.
Buben ı ” " Sobernheim 1 „ Brofellor Budruder.
Halle a. d. ©. 2 „ Gymn.-Direftor Dr. Lothholz. Sonderburg 1. Geh. Reg.:Rat. Prof. Yaunbardt.
Hamburg 5 „ Kaufmann Eitzen. Stettin 2 „ Dberitleutnant Dr. Jähns.
Hannover 5 „ Bymn.-Direftor Schäfer. Straljund 1 ,„ Lberlehrer Dr. Saaljeld.
Harburg 1 „ Veheimrat Sarrazin. Strahburg- Ef. 2 „ Dberlehrer Dr. Horit.
Heidelberg 1 „ eh. Quftizrat Dr. Keller. Strasburg-Weſtpr. 1 „ DOberlehrer Dr. Saalfeld.
Heilbronn 3 „ Dberjtudienrat Dr. Preijel. Stuttgart 2° „ Profefjor Groß.
Heiligenftadt 1 „ Rektor Herrmann. Thom 2 „ Dberlehrer Dr. Saalfeld.
Holzminden 2 „ Dberlehrer Wappenhans. Tollemit 1 „ Berlagsbuchhändler Ernit.
Hom 1 „ Gasanftaltsleiter Kodtmann. Zondern 1. Geh. Reg.-Rat Prof. Yaunhardt.
Annsbrud 3 u Brofejfor Dr. v. Scala. Trier 2. Fabritant Wülffing.
Ibzehoe 1 „ Profeſſor Dr. Pietſch. Trarbach 1SOberſtabsarzt Dr. Redeker.
Kamenz l „ Reltor Herrmann. Tübingen 1 „ Brofefior Nägele,
Staffel S „ GStadtlämmerer Barner. Verden 1 „ Dberlehrer Dr. Saaljelbd.
Kempen 1 „ MReltor Herrmann. Versmold 1 „ Verlagsbuchhändler Ernſt.
Kiel 2 Oberlehrer Dr. Saalfeld. | Wermeläticchen I „ Fabrilant Wülffing.
Koblenz 7 „Oberſtabsarzt Dr. Nedefer. | Wefel 2 „ Dberftabdarzt Dr. Redeker.
Kolberg I „ Vroſeſſor Dr. Pietſch. Weplar 1 „ Brofejior Dr. Brenner.
Kolberg I 1 J PR " Wien 2 „ Dr Schmarbda.
Kulmar 2 „ DOberlehrer Dr. Horijt. | Wolfenbüttel 1 „ Meftor Herrmann.
Zeitſchrift bes allgemeinen beutfhen Sprahvereind. XII. Jahrgang. 1897. Mr. 89, 152
151
Bweigverein Stimmen Vertreter
Wolmirsleben 1 Herr Rektor Herrmann.
Worbis L 7. 2 .
Burzen iz J
Beik 1 „ Geh. Neg.-Rat Prof. Launhardt.
Bittau 4 „ Überlehrer Dr. Matthias.
Eigen (Hamburg): Zu meinem berzlidien Bedauern habe ich
geftern vernommen, da Herr Oberlehrer Wappenhans gejonnen
ift, die Leitung der Zeitjchrift niederzulegen. Wenn bei ums in
Hamburg ein großes Bankhaus einen verdienjtvollen Direftor hat,
umd diefer äußert den Wunſch, ſich zurücdzuziehen, jo hält man
Umſchau, ob nidyt die Stelle eines Verwaltungsrates frei ift. Um
dieſes Beifpiel bier anzuwenden, würde ich den Vorſchlag machen,
Herm Wappenhans in den Geſamtvorſtand zu wählen; denn der
Mann verftceht etwas von der Sache, und feine Mitwirkung ift
wertvoll.
Bevor ich ſchließe, möchte ich zweierlei hervorheben: 1. ich
fpreche nicht im Namen des Geſamtvorſtandes und bitte meine Worte
als eine perfönfiche Ausführung anzufehen; 2. ich habe von Herrn
Wappenhans kein Recht erhalten ihm aufzujtellen, möchte aber
die Anregung gegeben haben.
Bappenhans (Berlin): Ich möchte auf ein Verfahren des
Kafjeler Zweigvereins hinweiſen, da es in geichäftliher Hinficht
wichtig iſt. Der Zweigverein Kaſſel hat durch die Verſendung der
Beitfchrift feine Unkoſten, jondern er verdient fogar etwas daran.
Dabei befommen die Mitglieder die Zeitichrift raſch und pünktlich)
zugeftelt. Dies geſchieht fo: fir das Recht, jede Zeitfchrijten:
nummer in ein von ihm herausgegebenes Anzeigenblatt zu heften,
bezahlt ein Buchhändler dem Zweigvereine 50..% und übernimmt
die Verſendung der Zeitichrift. Ach lege dem übrigen größeren
Ziweigvereinen dringend and Herz, dies Verfahren nachzuahmen.
Barner (Kafiel): Ich möchte die Herren Vertreter bitten, die
Schriften, die in einem Zweigvereine herausfommen, aud den
übrigen Zweigvereinen zufommen zu laſſen. Dann aber erfuche
ih den Gejamtvorjtand, die unmittelbaren Mitglieder, die in
foldyen Städten wohnen, wo BZmweigvereine find, zu veranlafien,
diefem ABweiqvereine beizutreten.
Borfipender: Wir find nicht in der Lage ein unmittelbares
Mitglied, das unmittelbare Mitglied bleiben will, zu veranlafien,
in den Zweigverein einzutreten. — Ach ſchließe die Sihßung.
Launhardt (Hannover): Meine Herren, id) mache den Bor:
ſchlag, Herrn Ernſt ein »Wader!« zuzurufen für die große Mühe,
die er durch die Necdhnungsführung und durch die Buchführung
des Wereins übernommen hat. (Weichicht.)
Um 11 Uhr vormittags verfammelte fich im großen Saale
des Muſeums eine jtattliche Geſellſchaft zur Feitfitung, der die
Vertreter der Behörden und eine große Zahl von Damen bei-
wohnten.
Borfigender: Ach freue mid, gleich zu Anfang der Ver:
jammlung von einem Briefe Kenntnis geben zu fünnen, den der |
Kabinettächef Sr. Majejtät des Königs von Württemberg an den
Voripenden des Zweigvereins Stuttgart gerichtet hat, und in dem
es heißt:
»Ich habe nicht verfehlt, Sr. Königl. Majeftät von der an
Pfingſten dahier ftattfindenden Hauptverfammlung des a. d.
Spradjvereins Kenntnis zu geben und zugleich Allerhöchſtder—
felben Ihre der Verſammlung gewidmeten Schriften » Der
ſchwäbiſche Wortihape und ⸗Fünfſmal ſechs Güte über die
Ausſprache des Deutichen« zu umterbreiten. Seine Majeftät
gerußten, diefelbe mit Intereſſe entgegenzunehmen und laſſen
Em. Hohmwohlgeboren für die durd die Entjendung beihätigte
Aufmerffamteit gnädigjt danken, auch der Verſammlung einen
fhönen Verlauf und guten Erfolg wünjcen.«
Zwei Drahtgrüße find eben angelommen, von den Zweig
vereinen zu Marburg a. d. Drau und Frankfurt a.d.D. arts
fendet. (Sie werden verlefen.) Ich erlaube mir nun an Herm
Oberftudiendireltor Plankh die Bitte zu richten, das Wort cr
greifen zu wollen.
Oberſtudiendireltor Plankh: Hochverehrte Gäſte! Im Ar:
trage Sr. Exzellenz des Herm Staatäminifters des Sirhen-
und Schulweſens Dr. v. Sarwey, der zu feinem Bebdanem
verhindert war, diefer Verſammlung anzumohnen, der aber
mit dem Iebhaftejten Intereije die Beſtrebungen des deutice
Spradjvereind verfolgt und ihm das beite Gedeihen winik
begrüße ih Sie an dem heutigen Tage aufs herzlichſte wm
ſpreche meine freude darüber aus, daf der Verein für die
Verſammlung Stuttgart ald Ort gewählt hat, womit er zugleit
anspricht, daß er die Hoffnung hege, jeine Bejtrebungen würder
auch; in dieſer Stadt einen fruchtbaren Boden finden.
Unfere deutiche Sprache in ihrer vollfommenen Reinheit ber
zuftellen, iſt nicht bloh die Aufgabe der Gelehrten, ſonden
die Gefamtaufgabe des deutſchen Volles. Jeder einzelne ke
das Recht und die Pflicht, bei diefer Aufgabe mitzumnirten.
Welche Freude liegt nicht in dem Gedanken, daß man bemiie
fei, felbit Baufteine zu dem großen Werke beizutragen. Rich
bloß fich und dem deutichen Volke ſoll man treu jein, ſondern
auch der deutihen Sprache und ihrem deutſchen Geiſte. Hierbei
giebt e3 nur einen Weg, den alle cinzuichlagen haben, das it
die geiftige Entwidelung der deutihen Sprache, die nichs
Fremdes umd feine willlürlichen Abweichungen duldet. Unter
biefem Gefepe jteben nicht nur die Erwachſenen, fondern aud
die Schüler, denn alle Yernitoffe münden in die beutihe Mutter:
jprache ein und empfangen von ihr ihr wahres Licht und Leber
Wenn wir den Schülern im Unterrichte die verfchiedenften Kenn:
nifje beibringen, fie würden des echten Glanzes entbehren, wenn
nicht der Sormenfchein der Mutlerſprache über ihnen leuchtete
Unfere Aufgabe ift es, unfere Schüler dahin zu führen, dei
fie nicht ruhen, bis daß fie für ihre Gedanken, für ihr Ge—
fühlsleben den vullfommenen Ausdrud in ihrer Mutterſpracht
finden. Ich darf fagen, der Unterricht im Deutſchen im unſern
Schulen ift auf dem rechten Wege und muß zu den redten
Zielen führen. Haben Sie, die Herren Führer und Mitglieder
des Vereins, auch in der Gegenwart manche Schwierigkeiten zu
überwinden, hoffen Sie auf die Zukunft, auf die deutfche Jugend.
Sie haben, hochgeehrte Herren, es fi) zur Aufgabe geitelt,
Siebe und Beritändnis für unſere herrliche deutjche Sprach
unter dem Wolfe zu verbreiten: fein unbedeutendes Wert cher
in der jeßigen Zeit, wo die Willkür der einzelnen ſich bie
madıt und ſich über die Geſetze des Schönen hinwegſetzt. S
wünſchen Ihnen für die viele Mühe, die Sie fich machen, ca
ichönes und ficheres Gelingen. Möge das deutiche Voll ir
fiherer Ertenntnis, wie notwendig es iſt, daß es ſich das ur
ſprüngliche geiftige Gut, die Sprache, in vollfommener Walt
aneigne, ſich um Sie fharen und Ihrem Wirten Kraft um
Nachdruck verleihen. Unſere nationale Größe beruht zu ale
meiit auf der geiftigen Kraft. Der deutſche Geift muß zuglei®
als Sprachgeiſt in unjerem Volle mächtig werden, damit ©
groß erſcheine im deutichem Wort und im deutſcher That
Lebhafter Beifall.)
Im Namen der Haupt: und Reſidenzſtadt Stuttgart begrühtt
jodann Stadtrat Lotter die Verfammlung. Er meinte, den
153
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897, Nr. 8/9.
154
Schwaben werde ber Vorwurf gemadjt, daß fie dem Sprachvereine
gegenüber im Riüdjtande wären. Ganz unrecht hätte man damit
nicht, doc liege das im Charakter der Schwaben, die etwas von
außen Gelommenes nur ſchwer aufnehmen wollen. Dennoch jet
auch hier manches gethan worden. Die ftädtiiche Verwaltung habe
dad Beitreben, die Fremdwörter auszumerzen, doch werde fie
dabei merfbar aufgehalten durch die unteren Beamten, die oft
fremde Wörter gebrauchten, um ihre Bildung zu zeigen.
Der Vorſihende, Dr. Mar Zähne, dankte im Namen des
Bereins für die freundlichen Worte der Begrühung. Stuttgart
habe ſich in den letzten Jahren jo entwicelt, wie jelten eine Stadt,
es wäre darum fein Wunder, wenn es den Mitgliedern des
Sprachvereins bier bejonders gefiele. Bon jeher fei im Schwaben:
fande die Erziehung gepflegt worden, und durch fie mie durch
feine Dichter habe Schwaben eine Bedeutung für unfere Mutter:
ſprache erlangt, die weit über feine Grenzen gehe. Der Gejang,
der in der Nitterzeit vom Hohenitaufen erklungen, habe nie ganz
geichwiegen; die größten und merfwürdigiten Dichter feien auf
diefem Boden gewachſen, und durch ihre Spracde, die Dichteriprache,
wäre der Einfluß Schwabens auf die dDeutjcdhe Sprache unermeh-
li) groß geworden.
Profefjor Dr. Pietſch verlündete nun die Ergebnijje des
Preisausſchreibens »Dewifhe Pflangennamen für die deutſche
Schule«
Der Erfolg dieſes Preisausſchreibens iſt ein überraſchender
geweſen auch für den, der ſchon vorher überzeugt war, daß für
die hier geitellte Aufgabe ein wirkliches Bedürfnis vorläge. Es
find bis zum Echlufie des Jahres 1896 33 Arbeiten eingegangen,
die fofort den Preisrichtern in Gießen zugejendet wurden, dann
den beiden Dresdener Herren und endlich mir felbit zugingen.
Auf Grund der vorgelegten Urteile der Breisrichter hat der Vor—
ſtand befclojjen, das Ergebnis zu verfündigen.
Der 1. Preis wird der Arbeit zuerfannt, die das Kennwort
trägt:
»Dem Deutijhen ziemt es deutih zu jein in Wort
und Schriit.«
Der Verjaſſer vertritt den nad Anſicht der Preiörichter einzig
richtigen Standpunkt, daß die deutſche Namengebung der Bilanzen
nicht ben Anſpruch erbeben darf, den Anforderungen der Wiſſen—
jchaft zu genügen. Er erörtert in zutreffender Weije die Gejichts-
punfte, nach) welchen die Auswahl unter den vorhandenen beutichen
Vollsnamen der Bilanzen vorzunehmen ift. Die Arbeit berubt
auf gründlichen, wiſſenſchaftlichen Kenntniſſen und zeigt umfafjende
Belejenbeit in den einjchlägigen Schriften. Sie ift auch anregend
und geihmadvoll geichrieben.
Als Berfafjer ergiebt ſich aus der beigelegten Briefhülle, die
ich Hiermit eröffne: Profefjor Dr. Meigen, Freiburg i. Br.
Der 2. Preis wird der Arbeit mit dem Kennwort »Alles
zum Nupen« zuerkannt.
Auch dieje fteht im der Hauptſache auf dem richtigen Stand»
punftte und bietet gründliche und jadhgemähe Erörterungen. Bes
fonders wertvoll ift das beigegebene Namenverzeichnis, das alle
beutichen Bilangenfamilien berüdfichtigt. Indeſſen jteht diefe Arbeit
in jprachlicher Beziehung hinter der erftgenannten erheblich zurüd.
Diele Arbeit hat, wie die beigefügte Briefhülle ergiebt, zum Ber:
fajier: 9. Benjemann, Gumnafial- Oberlehrer in Köthen.
Auch unter den übrigen Arbeiten finden ſich noch mehrere
tüchtige Leiftungen, die es bedauern lafien, daß nur zwei Preife
zu vergeben find. Die im ihnen niedergelegte Summe wert:
voller Arbeit läßt fich für die weitere Behandlung und ſchließ—
liche Löſung der Aufgabe, der deutſchen Schule beutiche Bilanzen:
namen zu geben, vielleicht dadurch wenigitens zum Zeil nupbar
machen, daß der a. d. Spradjverein einige von ihmen gegen
eine Entidjädigung erwirbt, um jie bem jpäteren Bearbeiter der
Namenlifte zur Berfügung zu jtellen. Hier find beſonders zu
nennen die Arbeiten mit dem Kennworte »Sempre avanti«e
und von den beiden mit dem Kennworte »Mutterjprade,
Mutterlaut, wie jo wonnejam, fo traute« bezeichneten bie-
jenige, die mit den Worten beginnt: »Ein Hauch warmen vater
ländiihen Empfinden® weht durd die Welt, und enger ſchließen
fi die Wöller in ihre Grenzen ein...«
Nun beftieg Profejjor Dr. Bunderlic (Heidelberg) die Redner⸗
bühne und hielt feine Feitrede über ⸗Das Spradleben in
der Mundarte, welche mit größtem Anteil angehört und mit
lebhaften Beifall aufgenommen wurde. Sie wird in den » Wijjens
ſchaftlichen Beiheiten« veröffentlicht werben.
Darauf ſchloß der Borfigende die Fejtverfammlung.
Um 2 Uhr begann im großen Saale des Mujeums das Feſi—
mahl, an dem fich mehr als 100 Perjonen beteiligten.
Den erjten Trintſpruch brachte der Vorfigende, Oberjtleutnant
Dr. Mar Zähne, auf Se. Majejtät den König von Württenz
berg aus. Sodann erhob ſich der Vorſihende des Stuttgarter
Zweigvereind, Profefjor Erbe, und brachte den beiden Herrichern,
die über deutſchen Böltern walten und der Welt den Frieden er-
Halten, den Kaifern von Deutſchland und Oſterreich ein Hoc aus.
Beide Nedner Hatten für ihre Trinkſprüche die Kunſtſorm des
Sonetted gewählt. Es folgte während des Mahles noch eine
Reihe treffliher Neden. Dr. Saalfeld gedachte des Gründers
des GSpradjvereind, Herman Riegel, und deſſen, ber dad
Deutſche Reich geſchmiedet, des Fürſten Bismard. Beiden
wurde der Gruß der Verſammlung drahtlic überfendet. Der
Wortlaut der Drahtgrüße fit: 1. Die 10. Hauptverjammlung des
a. d. Sprachvereins fendet dem hochverehrten Stifter und Ehren:
mitgliede des Vereins danfbaren Gruß und aufrichtige Huldigung.
2. In hehrem Stolze gedenft der a. d. Sprachverein bei feiner
zehnten Hauptverfammlung feines hodwerehrten Ehrenmitgliedes
als des Begründers des Deutfchen Reiches und der deutſchen
Einigkeit und bringt ihm Huldigung und Treugelöbnis dar.
— 3.8. Eipen (Hamburg) ſprach auf den erjten und zweiten
Vorſihenden des Vereins, Diretor Lothholz (Halle) auf das
Gedeihen des Schwabenlandes, Dr. Horjt (Straßburg » Ef.) lieh
in faunigen Worten, Emil Engelmann in ſchönen Reimen die
Damen leben. Boftmeifter Schmidt (Nürnberg) brachte im Namen
des Pegneſiſchen Blumenordens als des älteften noch heute bes
ftehenden Spradvereins in Deutſchland dem a. d. Sprachvereine
herzlichen Gruß und feiner Hauptleitung ein Hod. Dem Bor:
fipenden des Stuttgarter Zweigvereins, dem Leiter des Feſt—
ausſchuſſes, Profefjor Erbe, galt der Trinfipruc des Profefiors
Wunderlid.
Um 5'/, Uhr verfammelten ſich die Teilnehmer am Schiller-
dentmale. Die Kapelle fpielte » Die Himmel rühmen des Ewigen
Ehre«. Dberftleutnant Dr. Mar Jähns ergriff dad Wort,
feierte Friedrich Schiller, den Dichter, als den größten Künſtler
des deutſchen Bolfes und legte an feinem Denkmal einen Franz
nieder, den Frl. Erbe bereit hielt. Der Chor »O Schupgeift«
ſchloß die lurze aber erhebende Feier. — An zwanglojer und ge:
mütlicher Weile verbrachten die Feitgenofien dann den Reſt des
Tages auf der Silberburg.
155
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Spradvereind, XH. Jahrgang. 1897. Nr. 89.
Die 2. Geſchäftsſitzung eröffnete der Vorfipende Dienätag den
8. Juni morgens 9 Uhr im Heinen Saale des Mufeums. Er
erfuchte, die Wahlzettel am Borftandstiiche abzugeben, wie die
Vollmachten, die etwa noch zurücgehalten jeien.
Dr. Horjt (Straßburg): Der Vorſland hat in erjler Reihe
die 12 Herren zur Wiederwahl empfohlen, die aus dem Vorſtande
ausſcheiden, in zweiter Neihe zwölf andere Namen genannt. Bon
lepteren find mir manche durch ihre Tätigkeit im Verein befannt,
unter den eriteren giebt es ſolche, von denen ich nie etwas gehört
habe. Vielleicht find unter ihnen PBerfonen, denen wir einen Ge—
fallen thun, wenn wir fie nicht wiederwählen. Der Borjtand
wird darüber am beiten Bejcheid wiſſen, ibm erſuche ih um
Auskunft.
Vorſitzender: Ich glaube, das darf ich nicht tbun, es fünnte
leicht den Eindrud machen, als ob id ein Stichwort ausgeben
wollte, was ich unter allen Umſtänden vermeiden möchte.
Reuter (Bonn) meint, die Frage tauche zu ſpät auf.
Erbe (Stuttgart) teilt ein Schreiben aus dem Kabinett Er.
Königl. Hoheit des Herzogs Albrecht von Württemberg mit. Der
hohe Herr habe von den Feftichriften und der Geſchäftsordnung
der 10. Hauptverfammlung mit Intereſſe Kenntnis genommen
und bedauere lebhaft, ihr nicht anmohnen zu fünnen.
Dr. Saalfeld (Berlin): Die Herren Prof. Groß: Stuttgart,
Dr. Beer: Leipzig und Linnhoff-Münſier haben fich bereit er-
Närt, mich bei den Wahlgefchäften zu unteritügen.
Borjipender: Wir treten nun in den 1. Punkt der Tages-
ordnung ein: Beſprechung über Ort und Zeit der nächſten
Hauptverfammlung. — Der Geſamtvorſtand Fit geftern zu dem
Entjchluffe gefonmen, der Berfammlung vorzuichlagen, im nädhjten
Jahre die Haupwerſammlung ausfallen zu lajjen. Wir fparen
dabei nicht nur Koften, jondern auch Zeit. Da wir jet inner—
halb eines Zeitraumes von 12 Monaten zwei Hauptverſammlungen
gehabt haben, kämen wir damit wieder ins richtige Fahrwaſſer.
Lodtmann (Krems): Zwei Städte im Südoften, Troppau
und Neidyenberg, haben jeit Jahren den Verein eingeladen, die
Hauptverfammlung in ihren Mauern abzuhalten. Ach erjuche
daher für das nächſte Jahr Troppan oder Neichenberg zu wählen.
Dr. Matthias (Zittau): Im Namen des Zweigvereins Zittau
und im Namen des Bürgermeifters der Stadt lade ic) den Verein
nad Bittau ein. Der Ort liegt in der Mitte Deutjchlands, die
Bevölferung würde es fich zur Ehre redinen, die Verſammlung
begrüßen zu dürfen, und in ihrer Gejamtheit am Feite teilnehmen.
Wülffing (Elberfeld): Ich bin dafür, daß eine Hauptverfamm-
lung jtattfindet; der Berein muß zeigen, daß er beſteht, auch
fordern es die Satzungen.
Dunger (Dresden): Sapungsgemäß (23) iſt es geitattet, daß
die Hauptverfammlung ausfällt. Ich möchte befürworten, daß es
geichieht. Früher Hatten wir die Verſammlung jährlich nötig;
nach den Verhältnijjen, im demen ſich jet der Spradjverein be-
findet, ijt diefe Notwendigteit nicht mehr vorhanden. Dann aber
ipricht dafür micht nur die Geldfrage, jondern ganz befonders die
Rüdjicht auf unſern hodwerehrten Herrn Borfigenden, für den
eine ſolche Verfammlung ein gewaltiges Maß der jchwerjten Arbeit
mit fich bringt.
Vorsipender: Eine folche bloß perſönliche Rüdjicht möchte
ich dabei nicht in die Wagichale werfen. Die Arbeitäfaft verteilt
fich zudem auf eine Reihe von Köpfen. Sie jpielt bei der Haupt-
verjammlung nur injofern eine Nolle, al® dazu lange Borberei-
tungen und dauerndes Ansaugefafien vieler Einzelheiten nötig
find. In Bezug auf die Zeitfchrift find wir dabei jedesmal jehr
gedrängt, und das übt einen großen Nüdichlag auf die Thätigkeit
des Schriftleiterd aus.
Sarrazin (Berlin): Ach gehöre verjchiedenen Vereinen an
und lenne nur ſolche, die ihre Hauptverfammlungen alle 2 Jahre
abhalten. Die Teilnahme daran ift aber viel größer, als fie bei
uns iſt. Ich möchte darum vorjchlagen, die Hauptverfammlung
im nächſten Jahre ausjallen zu lajjen. Schwer iſt's auch, für
die Hauptverfammlung die nötigen Borträge zu erhalten. Ber
das Hinz und Herichreiben, das Ablehnen und Wiederanftager
mitgemacht hat, wird dieſen Geſichtspunkt würdigen.
Vorfipender: Ich möchte zunächſt darüber abjtimmen lajien,
ob die Verſammlung im nächſten Jahr ausfallen ſoll oder nicht.
Ver für den Ausfall ift, erhebe die Hand. — Das iſt unzweiſel—
hajt die Mehrheit. — Die frage des Ortes würde erjı Ipäte
ind Auge zu fallen fein, da japungsmäßig die Feititellung det
Ortes nicht in der Hauptverfammlung jtattfindet. — Wir fommen
zu dem 2. Punkte der Tagesordnung, dem Antrage, unmittel:
barer auf die Sajthofsjprache einzuwirlen.
Wappenhans (Berlin): As nah Gründung des Gprad
verein® der Beſchluß gefaht wurde, Verdeutſchungsbücher heraus:
zugeben, verdeuffchte man zuerjt die Epeifelarte. Das Büdlan
erlebt jept die dritte Auflage, ein Beweis dafür, daß unier
Thätigleit nach diefer Seite hin gewürdigt worden ift. Denneh
werden alle aufmerkſamen Beobachter finden, daß die Speifefarte
in den meiften Gaſthöfen verwelicht iſt. Der Sprachverein it
daher berufen, nad diefer Nichtung hin weiter thätig zu fein.
Wie aber fol das gejchehen? Eine Verjendung von Drudjaden
würde nicht viel helfen, Vorträge auf Gaftwirtstagen, wie fie
ſchon gehalten worden find, auch nicht; denn wenn auch im der
Feftftimmung die Annahme der Anträge erfolgt, im nüchternen
täglichen Leben bleibt alles beim alten. Man könnte ferner daran
denfen, jich an die Verleger der großen Neijchandbücher, Mener
und Bädeler, zu wenden und fie bitten, die Gaſthöfe mit einem
Sterne zu bezeichnen, die deutjche Speijefarten führen. Auf ein
Entgegenfommen diefer Herren ijt aber nicht zu rechnen. Die
perſönliche Einwirkung iſt das Allerbefte, fie muß im Auge be
halten werden unbejchadet des Antrages, den id) ſtelle. Auf ber:
ſönliche Einwirkung iſt aber nicht Überall zu rechnen, Wir haben
eine große Neihe von Städten, in denen feine Ameigvereine und
feine Spradwereinsmitglieder find. In großen Städten iji die
perfönliche Einwirkung auf fremde Gafthofsbefiger unter Umſtänden
recht peinlich. Aus rein idealem Gefühle heraus werden nur
wenige Sajtwirte fich bereit finden, unfere Beftrebungen zu unter:
ftügen, wohl aber fünnen wir einen Drud auf fie ausüben.
Ich ſchlage nun vor
nach vorheriger Aufforderung an die Zweigvereine zu periön:
liher Einwirkung auf die Safthof= (Hotel) befiger ein Anichreiben
an eine größere Anzahl (etma 5500) von Bajthöfen im deutjchen
Sprachgeblet zu richten, in dem unter Hinweis auf die nationale
Bedeutung der Spracdreinheit und auf das Beiſpiel verichiedener
deuticher Fürſtenhöſe die Beſitzer aufgefordert werden, zu erklären,
ob fie bereits eine deutiche Speifelarte führen oder zu fübren gewillt
jeien. Die Namen der Gafthöfe, die zuftimmende Erklänmgen
abgeben, jollen in einer der Zeitſchrift beizulegenden Lifte ver
öffentlicht und die Benupung der darin genannten Gajtböfe full
den Mitgliedern empfohlen werden.«
Die Kojten dafür werden nad meiner Berechnung 500 4
betragen, wovon 200 „A als Beitrag eines Herrn abgehen, dr
die Sache angeregt hat, aber ungenannt zu bleiben wünſcht, ſe
dah der Sprachverein 300 M zu tragen hätte. Ich hebe hervor,
dab es mir fern liegt, von den Gaſthofsbeſikern zu verlangen,
fie jollten überhaupt feine franzöſiſche Speijetarte führen. Die
fremdländifchen Gäſte eines Wirtes mögen auch fernerhin von
157
dieſem berüdfichtigt werden. Wir dirfen aber verlangen, daß in
deutihen Ländern der deutiche Gaſt nicht vernadyläjjigt werde. —
Es wird immer wieder gefordert, der Sprachverein jolle mehr ins
tägliche Yeben eingreifen. Hier ift ihm die Gelegenheit geboten,
erfolgreich zu wirten und gerade auf cinem Gebiete, wo die
Berwelihung und Sprachmengerei eine den Nationalgefinnten
beichänende, den Freund der Wutterjprache betrübende Höhe
erreicht haben. Ic lege Ahnen meinen Antrag ans Herz.
Lodtmann (frems): Ich bin mit dem Antrage einverjtanden,
doc findet fich ein Fehler in der Koftenberechnung. In ihre iſt
nur auf ein Nundjchreiben Rüdjicht genommen; es bedarf aber
mehrerer, die von Beit zu Zeit wiederfehren, damit fich die
Sadıe einführt. Bei uns find gedrudte Speijelarten in Gebrauch,
in denen der Wirt nur den Preis ausfüllt. Um fie zu verdeutfchen,
jegte fi) der Zmweigverein mit den drei Drudereien der Etadt in
Verbindung. Diefe ftellien die Speifefarten nady feinen Angaben
ber, und die Wirte können num nur deutſche Speiſelarten kaufen
oder müſſen fich bejondere druden laſſen und mehr dafür zahlen.
Dr. Dunger (Dresden): Der Boritand hat ſich mit dem Antrage
beichäftigt. Die Anfichten waren geteilt. Manche Bedenken wurden
dagegen erhoben: die Sadye ſei ausſichtslos, der Verein würde
fi, eine Blöhe geben, wenn nur minderwertige Gajthöfe in die
Lifte fimen, die Unfoften würden viel größer fein als angegeben.
Ich kann die Bedenken nicht teilen. Ausficht auf Erfolg iſt nur
dann vorhanden, wenn man immer und immer wieder bohrt.
Hier find die Ausfichten um jo bejier, als unjer Vorgehen den
Birten einen unmittelbaren ®orteil verichaffen fann. Für man-
chen, der ſchwanlkt, ob er eine dezutſche Speifelarte einführen joll,
dürfte diefes ausichlaggebend fein. Ich bezweifle auch, daß der
Berein durd) einen Miherfolg blohgejtellt wird. Wir haben einen
Zeitfhrift des allgemeinen dentihen Spradvereind, XI. Jahrgang. 1897. Nr. 89. .
idealen Zwech, den wir verfolgen; wird er nicht erreicht, iſt es
nicht unjere Schuld. Dur die Speifefarte aber läßt ſich für
unjere Beitrebungen redyt wohl etwas erreichen, denn fie fommt
in viele Hände. Viele Leute werden dadurch veranlaft, über fie
zu reden, fi, über jie zu ärgern, und beides ijt wichtig. Denn
wer überhaupt einmal über die Frage der Spradjreinigung nad):
denkt, ift für uns gewonnen. Wenn erjt einige Gaſtwirte voran
gegangen und in die Liſte aufgenommen find, werden andere ſchon
nachfolgen. Ich glaube, hier ijt ein Boden, auf dem wir reiche
Frucht erwarten fünnen. Wer nidjt jäet, der fann nicht ernten.
Hier iſt Gelegenheit zu jäen.
Reuter (Bonn): Auc der Zweigverein Bonn hat die Er—
fahrung gemacht, dal; Leute, die einmal an Verdeutſchungen ge
arbeitet haben, für den Sprachverein gewonnen find. Darım frage
ich, ob nicht die Waftwirte zur Mitarbeit herangezogen werden
fünnten. Gelingt das, fo wird ihr Gefühl gewedt, und fie gehören
zu uns.
Barner (Kaftel): In Kaſſel gehören die meiiten Gajtwirte
zum Berein, führen aber nicht deutſche Speijelfarten. Der Zweig—
verein wird im nächſter Zeit Speifetarten herſtellen laſſen und fie
den Wirten zur Berfügung ftellen. Ich bin für den Antrag,
möchte aber die Zweiqvereine erfuchen, bei Verteilung der Rund:
ſchreiben thätig mitzwwirten.
Dr. Horjt (Straßburg): Ich empfehle, nicht nur auf die Wirte,
fondern aud) auf die Küche einzuwirken; jie find es, die die Speifen
benennen und die Beranlajjung geben, daß die welichen Narten
ausgeichrieben werden.
Erbe (Stuttgart): Als Vorarbeit für die Nusführung des
Antrages möchte ich empfehlen, daß fämtliche Zweigvereine an-
geben, was in diejer Angelegenheit von ihnen gejchehen iſt. Könnte
man auf eine guöhere Zahl bedeutender Gajthöfe, die in unferm
158
Sinne vorgegangen find, hinweiſen, jo würde der Eindrud auf
die andern größer fein, und die Sache mehr Erfolg baben.
Dr. Matthias (Zittau) tritt dafür ein, daß Überall, wo
Zweigvereine vorhanden find, durch dieſe mit den Gaſthöfen ver:
fehrt werde.
Dr. Brenner (Würzburg): Mir ericheinen die Ausfichten des
Antrages nicht fo jchlimm, da es ſich bei dem Widerftand ber
Gaftwirte nur um Selbſttäuſchung handen. Sie glauben auf ihre
Säfte einen großartigen Eindruck zu maden, wenn fie Fremd—
wörter gebrauchen. Stellte man aber Erhebungen an, jo wiirde
es ſich ergeben, daß auch den Leuten, die auferhalb des Epradı:
vereins ſtehen, gar wenig an den franzöſiſchen Namen gelegen
iſt. Wird es ihnen doch oft ſo gehen wie mir. Ratlos ſtehe ich
manchmal in ganz gewöhnlichen Bierwirtſchaften ſolchen Wörtern
gegenüber. Möchten nur alle Gäſte, die damit nichts anfangen
fönnen, darauf hinweiſen, ſo würden die Wirte einſehen, daß fie
auf falſchem Wege ſind.
Dr. Dunger (Dresden): Ich ſchlage vor, daß wir in der Zeit—
ſchrift die Zweigvereine auffordern, die Gajthöfe zu nennen, die
für diefe Frage in Betracht fommen, und daß wir, gejtüßt auf
dieje Lifte, zu Beginn des Winters, nicht jept, weiter vorgehen.
Dr. Seiffert (Meg): Es dürfte fich empfehlen, aud) die
Bahnhofswirtſchaften ins Auge zu faſſen. So viel ich weih,
find diefe in Breufen von dem Herrn Miniiter veranlaft worden,
deutiche Karten zu führen. Es wäre nun Aufgabe der Zweig:
vereine in den Bundesstaaten, Schritte zu thun, damit die dortigen
Eifenbahnverwaltungen dem Beijpiele Preußens folgen. Dann aber
fünnten wir jelber mehr ihun, als biäher geſchehen ift, wir find
ja mehr als 13000 Leute. Ich bezahle keine Rechnung, auf der
Logis« oder Nota« ſteht. Wollen die Leute Geld, braudyen jie
ſchon dentjche Wörter. Wenn alle 13000 fo verführen, jo wäre das
das bejte Mittel, auf die Wirte einzuwirten. — Ich meine übrigens
nicht, daß es angezeigt iſt, hier über die verſchiedenen Vorſchläge
abzuftimmen, jondern nur über den Hauptantrag. Die Art und
Weiſe, in der vorgegangen werden joll, jollte dem Vorſtande
überlafjen werden.
Borjigender: Ich glaube, daß der von Herm Seiffert ge
machte Vorſchlag richtig ft, und bringe den Antrag Wappenhans
zur Abjtimmung. — Der Antrag iſt angenommen.
Wir fommen zum 3. Punkte der Tagesordnung, dem Ans
trage des Zweigvereins Stuttgart:
»Zu den Aufgaben des a. d. Sprachvereins gebört aud) die Pflege
der Ausipradje des Deutichen. Der Gejamtvorjtand wird gebeten, im
Anſchluß an die Sprache der Bühne diejenigen Punkte zufammen-
zuitellen, auf deren Beobachtung in allen Schulen jtrengitens ge-
halten werden foll.«
Erbe (Stuttgart): Ach babe mir erlaubt, der Hauptverfanmm:
fung fünfmal ſechs Sätze über die Ausſprache des Deutſchen vor-
zulegen, und möchte nur einige Worte hinzufügen. In der Sipung
des Geſamtworſtandes, wo über diefe Sache verhandelt wurde,
waren jämtliche Vertreter der Wiſſenſchaft der Anſicht, daß damit
nichts anzufangen jei. Ich bätte vieleicht nach diejem vernichten:
den Urteile gar nicht den Mut gehabt, hier noch das Wort dafür
zu ergreifen, wenn ich nicht ähnliche Erfahrungen ſchon bei der
erjten Veröffentlichung diefer Säge gemacht hätte. Es gelang
mir vielfach; den Gegner zu einem (freunde der Sadıe zu machen.
Vielleicht vollzieht ſich auch bier ein ſolcher Umſchwung der Mei:
nung. Die Mundart und die Imgangsiprade jollen durch
diefe Süße nicht beeinfluht werden, fie find nur für die Schule
aufgeftellt, ihr aber notwendig als Waflen der Notwehr gegen
Einflüfje verfchiedener Art. Als folhe nenne ih das Verlangen
2*
159
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sptachvereius. XII. Jahrgaug. 1897. Nr. 89.
160
von Schulmännern, die jeden Buchftaben jo ausgejproden haben
wollen, wie er dafteht; den Dünfel einzelner Landjchaften, die
ihre Ausſprache für die allein richtige halten; ferner den Anjpruch
mancher Sprachverbeſſerer, daß die Ausſprache des Deutichen, bie
fie ſich zurecht gelegt, für die Schule mujtergültig fein ſolle. Biele
vertreten bie Anficht, man müſſe die Sprache ich jo entwideln
laffen, wie fie ſich felber geftalte, jo aber befümen wir m. E.
eine Ausſprache, die alle Kraft und Schönheit verloren hätte.
In Fällen der Ungewißheit und des Schwankens hat der a. b.
Spracverein die Pflicht einzugreifen, damit die Reinheit, Nichtig-
feit, Deutlichteit und Schönheit der Sprade bewahrt bleibe,
Darum geht mein Antrag dahin, der Spradjverein möge die
Sadje irgendwie in die Hand nehmen und für die Schule irgend-
welche leitenden Gefichtspunfte aufjtellen. Ob meine Vorſchläge
brauchbar find oder nicht, iſt zunächſt Nebenfache, es handelt
fid) bloß um den Hauptgedanten. Im Grundjap ijt die Frage,
die uns beſchäftigt, ſchon auf der Hauptverfammlung in München
angenommen worden. Unter den fechs Leitſähen, die damals
von Prof. Dr. Dunger zu der frage »Was fünnen wir von
der Schule im Sinne unjerer Bejtrebungen erwarten?« auf:
geftellt und von der Verſammlung einftimmig angenommen wor:
den find, lautete der dritte: »Befonderes Gewicht it auf den
mündlichen Gebrauch der deutfchen Sprache zu Tegen... man ge
mwöhne die Schüler auch an eine gute Ausſprache, die fich im
ganzen möglichſt an die Sprache der Bühne anfchliehen fol, ohne
durch das Streben nach Vermeidung aller mundartlichen Anklänge
ind Gezierte zu fallen.« Zu unferm damaligen Beſchluſſe fehlen
nur noch einige Einführungsbeftimmungen; helien Sie, daß fie
geichaffen werden; viele werden Ihnen danten.
Dr. Brenner (Mürzburg): Der Gelamtvorftand kann den
Antrag aus dem Grunde willtommen heiken, weil er Anlaf giebt,
eine ſchwache Seite in unferm Sprachleben aufzudeden. Die Ichönfte
Rede wird oft durch die Iandichajtlich gefärbte Einfleidung, durch
die Ausſprache, ungeniehbar. Wer erfannt hat, daß es ihm hieran
fehlt, der ift jchlimm dran, denn er findet feine Hilfe. Der Sprad):
verein fol nad Erbes Antrage diefe Hilfe bringen, er joll eine ein-
heitliche Ausſprache nad) beftimmten Regeln ſchaffen und ihre Durd)s
führung in die Hand nehmen. Hierfür fann fid) der Geſamtvorſtand
nicht erwärmen. Bisher haben wir unfere Aufgabe darin geſehen,
die Schriftſprache, al& das geiitige Band der deutſchen Stämme, zu
pflegen. Wir haben Erfolge gehabt, doch feinen abſchließenden,
denn riefengroß ift die Mufgabe. SoM zu der ungelöften nun
eine neue hinzulommen? Der Danziger wird nie jo ſprechen, wie
der Straßburger. Nuc in Frankreich und England ift Einheit
der Aussprache nicht erreicht, ja fie wird dort nicht einmal ans
geitrebt. Wenn wir aber troßdem ans Wert gehen wuflten, wo
follte die Einheitsausſprache hergenommen werden? Die Gewohns
heit mühte aufgegeben, eine andere angenommen werden; dadurch
fümen die Gegenfäpe zum Bewuhtiein, und es entjtiinde ſtatt ber
Einheit ein Streit aller gegen alle. Wollen wir aber das Un—
wahricheinliche annehmen, man einigte ſich: wer traute fich zu,
diefe neue Ausſprache zu lehren, wer wollte dem Nichtichwaben
die verschiedene Ausſprache von ⸗zei⸗ und »aut« beibringen, dem
Bayern die echten weichen »b,d, ge eintrichtern oder dem Nord:
deutjchen abgewöhnen? Gefept aber, die Lehrer jänden Mittel, die
ideale Ausſprache in den Schulen zur Beltung zu bringen, würde
nicht auferhalb der Schule die angeftamımte Art durchſchlagen?
Der a. d. Epr.=®. würde feine Kraft zerjplittern und verbrauchen,
wenn er die Einigung der Ausſprache mit kräftigen Mitteln er-
ftrebte. Seinem Wefen aber ift es angemejjen, wenn er bei feinen
Mitgliedern und durch jie bei den Unbelehrten das Verſtändnis
für eine gute Ausſprache bei gehobener Rede zu mweden und zu
fördern jucht, vor allem durch lebendiges Borbild.
Reuter (Bonn): Als praftiicher Lehrer weil; id), daß dieſer
Gegenſtand wichtig und für die Schulen ein Bedürfnis iſt. Über
verjchiedene Punkte lönnte eine Einigung herbeigeführt werden,
darum bitte ich den Antrag anzunehmen.
Dr. Lothholz (Halle): Wie vielen, fo würde es auch mir cr
geben: troß beiten Willens wäre ich nicht imflande, meine Aus-
ſprache zu ändern.
Erbe (Stuttgart): Meinem Antrage geichieht viel zu viel
Ehre, wenn man davon fpricht, ich wolle eine einheitliche Aus:
ſprache herjtellen. Ich will mur einige Punkte herausgreifen, de:
mit die Lehrer im allgemeinen willen, woran fie find. In ger:
maniftichen Dingen find manche Lehrer nicht allzu jehr zu Han
und in den Spracdjlehren findet man wenig, das über die Aus
ſprache Auskunft giebt. Darum wollen wir einmal ganz beſcheider
fejtjtellen, worüber wir einig find, um eine Grundlage für das zu
ſchaffen, was in der Schule verlangt werden muß.
Nägele (Tübingen): Meines Erachtens handelt es jih um
zwei auseinanderliegende Dinge. Das eine ift die Not, die
in der Schule thatjächlidy herricdht, das andere ijt die reine Ver
einsangelegenheit: will der Sprachverein dieje Sadje im feine Auf:
gaben hineinziehen? Nach dem Beifalle zu jchliegen, welcher der
Nede des Herin Profejjor Brenner gejpendet wurde, dürfen mir
wohl nicht hoffen, daf der ganze Antrag Erbe angenommen wird;
ich möchte aber wenigjtens ein Stüd reiten, den eriten Bunt,
und den Antrag fo ftellen:
»3u den Aufgaben bed a. d. Sprachvereins gehört auch die
Pilege der Ausſprache des Demtſchen. In der Zeitjchrift iſt der
Beiprechung diefer Frage Raum zu gewähren.«
Erbe (Stuttgart): Ich bin zufrieden, wenn der Antrag Nägele
angenommen wird. Es ift dann wenigſtens etwas erreicht. Die
Erörterung diejer Frage wird in der Vereinszeitſchrift recht viele
denfbare Leſer finden und dazu beitragen, daß die Schule ſich
der Sache annimmt. Die Lehrer werden das, was in der Zeit:
fchrift fommt, erproben und der Jugend mitteilen. Darum ziehe ich
meinen Antrag zu Guniten des von Nägele geitellten zurüd.
Dr. Beer (Leipzig): Ich ſpreche mich für den Antrag Nägele
aus. Den Antrag Erbe will ic zum Gegenjtande der Verhand
lung an einem Abende im Zmeigverein machen, um mid) zu über:
| zeugen, wie die Mitglieder dazu fteben, und möchte empfehlen, es
in anderen Zweigvereinen auch zu thun.
Dr. Horjt (Straßburg) meint, die Echule fünne viel für die
Ausſprache thun, doch müßten erft die Lehrer dafir gewonnen
werden. Der Spradverein habe feine Veranlaſſung in diefer Sadıe
vorzugehen.
Borjigender: Wir jtehen jet einem veränderten Antroge
gegenüber. Meiner Anſicht nach ließe ſich auch der Antrag Erbe,
ſobald man ſich mit der erſten Hälfte begnügt, obne weiteres an-
nehmen. Mit Genehmigung des Herm Prof. Erbe möchte idı
den Antrag jo fafien:
» Zu den Aufgaben des a. d. Sprachvereins gehört aud) die
Pilege der Ausipradıe des Deutichen. Der Gefamtvorftand wird
gebeten, dieſem Gegenſtande jeine Aufmerfiamkeit zugumenden und
ihm Raum in der Zeitjchrift zu gemwähren.«
Der Antrag ijt angenommen. — Wir gehen nun zum legten
Punkte der Tagesordnung über, zu dem Antrage des Zweig:
vereins Krems:
»Der Gefamtvoritand wird erjucht, die jchönen, zum Teil
jehr alten und im fait allen Kalendern (wenigſtens Ofterreichs
geführten deutſchen Wonatänamen jtatt der (oder neben den)
jremdländifchen in der Vereinszeitichrift zu gebrauchen und fo ihre
einheitliche Einbürgerung in weiten reifen zu ermöglichen.
161
Sodtmann (Krems): Weder im Sinne meines Zweigvereins
nody in meinem liegt es, übereifrig in der Sache zu fein und
Dinge bineinzuzerren, die nicht an der Zeit find. Die Mehrheit
ift gegen meinen Antrag, doc hoffe ich, daß fie, nachdem ich
meine Gründe auseinandergeiept habe, jagen wird: in diefem Sinne
find wir einverftanden. In faſt allen öjterreichiichen Kalendern
wird die deutiche Monatebezeichnung neben die andere gefeßt. Es
beißt da z. B. Januar, Eismond, Kältemond. Ähnlich möchten
wir es auch in der Zeitſchrift des a. d. Spradwereind haben. Die
Deutjchen an der Spradhgrenze find genötigt, ihr Deutſchtum bei
jeder Gelegenheit zu betonen; das geichieht insbeſondere auch
durch Benußung deuticher Wörter und Musdrüde. Aus der An—
wendung folder Wörter in Briefen ergiebt ſich ſofort, ob ihr
Schreiber ein Hämpfer für die deutfche Sache ift, man erlennt,
wie man zu ihm ſteht. Die Bezeichnungen der Monate find in
den verichiedenen Gegenden des Reichs verichieden, wir möchten
aber gern über einheitliche Monatsbezeidhnungen verfügen, die der
Jahreszeit entipredyen und leicht verftändlich find. Im dieſem
Sinne bitte ich, den Antrag anzunehmen, und erjuche ich den
Spradverein, eine Auswahl vorzunehmen. Diejenigen, die er
für pafjend und richtig hält, jollen uns recht jein, doch wird es
fit) empfehlen, die Namen den öfterreichiihen Amtsfalendern zu
entnehmen.
Dr. Dunger (Dresden): Der Antrag ftellt fih nunmehr ganz
anders dar als vorher. Das iſt erfreulich, denn mehr als jonft
möchten wir in diefer Zeit, in welcher die Deutich- Ojterreicher in
einem jo ſchweren Kampfe um ihre Sprache begriffen jind, ihnen
die Hand reichen und fie, fo weit als möglich, unteritügen. Eine
Menge Schwierigleiten ftehen freilich der Ausführung des Antrags
entgegen. Wie Kaffee und Nafao, jo find aud die Monaté—
namen Lehnwörter geworden. Manchen diefer Namen fieht der
gemeine Mann ihre fremde Herkunft nicht mehr an. Er würde
es nicht verftehen, wenn z.B. Mat mit feinen Verbindungen
wie Mailuft, Maiwein aus der Sprache gejtohen und ungebräudh-
lihe Worte dafür eingeführt werden jollten.
Nah den Ausführungen des Herrn Antragitellers fann der
Boritand die Sache mun anders anfehen. Ach möchte in Vor:
ſchlag bringen, den Gegenftand für eine Preisaufgabe in Aus—
ficht zu nehmen. Vielleicht fünnten zwei Preije auegeſehzt werden;
der erjte für die Arbeit, welche am beiten für die Einführung
redet, der zweite für die, welche fid) am beiten dagegen auss
ſpricht. Würden dieſe Aufjäpe in der Zeitſchrift abgedrudt, jo
fönnte die Angelegenheit zuerjt in den Zweigvereinen beſprochen
umd im einer jpäteren Hauptverſammlung zur Entſcheidung ge:
bracht werden.
Linhoff (Münfter): An den im Deutſchen Neiche allgemein
gebräuchlichen Monatsnamen zu rütteln, halte ich für bedenklich,
wir würden uns lächerlich machen. Ich bin daher dafür, die
Sache ruhen zu lafjen,
Wülffing (Elberfeld): Im Auftrage des Zweigvereins Wer-
melsfirchen habe ich für den Antrag in der Faſſung zu ftimmen,
daß die deutjchen Bezeichnungen neben die fremden zu ſetzen find.
Dr. Hofmann v. Wellenhof (Graz): Der Anficht, die frems
den Monatsnamen wie die Wörter Hafao und Kaffee als Lehn-
wörter zu betrachten, trete ich entgegen. Die Deutichen hatten
weder die Früchte noch die fie bezeichnenden Wörter. Deutjche
Monatenamen find immer vorhanden geweien, fie lauten mur
nad den Landesteilen verjchieden. Eine dankbare Aufgabe des
Spracvereind wäre «8, eine Einigung auf vernünftiger Grund:
lage herbeizuführen und Übertreibungen entgegenzutreten. Gin
Preisausfchreiben über die Frage »Was fpricht für die Einbürges
BR Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereius. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 8/9. 162
rung deutiher Monatsnamen und welche deutihen Monatenamen
find zu empfehlen?« heiße ich willfommen, ablehnen aber möchte
ich die Ausjepung eines zweiten Preifes für eine Arbeit, die ſich
dagegen wendet.
Vorſitzender: Es ift Schluß beantragt. — Der Schluß ift
angenommen. Der Herr Antragjteller hat das Schlußwort.
Lodtmann (fremd): Wir brauden an der Spradgrenze
aus deutichpolitiichen Gründen zur Betonung des deutſchen Stand:
punftes die deutfhen Wörter. Geben Sie uns diefe und unter:
ftügen Sie damit unſere deutfchen Beftrebungen. Durch ben
Drud der deutichen Wörter neben den anderen werden große
Koften nicht entſtehen. Wählen Sie Namen, die Ihnen als die
brauchbariten erjcheinen, gewähren Sie uns aber dieje Berüd:
fichtigung.
Borfigender: Habe ich die laut gewordenen Anfichten richtig
verjtanden, fo ift große Geneigtheit vorhanden, dem Wunſche von
Krems entgegenzufommen. Bedenten dagegen erwächſt nur aus
der wiljenichaftlihen Gemwifienhaftigteit, die ein Kennzeichen aller
Freunde unjerer Sprache ift, fofort die Wahl zwifchen den Aus-
drüden zu treffen. Darum möchte ich vorjchlagen, die Sadye jo
zu fajien:
»Die Hanptverjammlung erflärt fich damit einverftanden, am
Kopfe der Zeitichrift neben den gemöhnlichen fremden Monate:
namen auch deutiche zu gebrauchen und beauftragt den Gejamt-
vorstand, die Feſtſtellung jolcher deutichen Monatsbezeichnungen
in einer ihm geeignet erſcheinenden Weiſe herbeizuführen. «
Damit ifi eigentlich ein neuer Antrag gejtellt, und ich frage
daher, wer dazu dad Wort ergreifen will.
Launhardt (Hannover): Für wünſchenswert halte ich es,
daß wir alle deutichen Beitrebungen in Öfterreich unterjtügen, bier
handelt «8 jich aber nur um etwas fehr Kleines. Ich fürchte,
wir machen uns damit lächerlich. Darum ſage ich: alles wollen
wir unferen Brüdern in Öfterreic) zuliebe thun, nur nicht, uns
lächerlich machen.
Dr. Hofmann v. Wellenhof (Graz): Wie der Spradjverein
ſich dadurd; lächerlich machen fol, daß er neben die alten fremden
Monatönamen deutiche feßt, vermag ich nicht einzujchen. In
Dfterreich werden deutfche Monatönamen bejonders in nationalen
Kreifen gebraucht. Da der Spradwerein auch nationale Be:
ftrebungen bat, werden die meiften Lefer ed in der Ordnung
finden, daß ſchon am Kopfe der Zeitſchrift das deutiche Gepräge
derſelben betont wird. Nichts iſt zu kleinlich und nichts iſt zu
Hein, was unſere Sache fördern und weitere Kreiſe in unſere
Bewegung hereinziehen kann.
Lodtmann (Srems): Ich ſtimme gern dem Abänderungs—
vorſchlage des Herrn Vorſitzenden zu.
Vorſitzender: Ich möchte dann über meinen Vorſchlag ab—
ſtimmen laſſen.
Launhardt (Hannover): Zuerſt muß die Vorfrage entfchieden
werden, ob ſich heute ſchon zwedmähige Verdeutſchungen finden.
Vorfigender: Herr Geheimrat Sarrazin hat mir einen
Antrag überreicht, der lautet:
»Die Hauptverfammlung erflärt fich bereit, der frage der
deutſchen Monatsbezeichnungen näher zu treten, und erſucht
den Gejamtvorjtand, zunäcdit Ermittelungen darüber anzuſtellen,
welche deutichen Monatsnamen vorhanden find, und welche ſich
zur eitwaigen Anwendung am beiten eignen würden. «
Diefer Antrag weicht von meinem ab, id) ziehe meinen Antrag
zu Gunften des von Herm Sarrazin gejtellten zurüd.
Wappenhans (Berlin): Ich möchte darauf hinweiſen, daß
meiner Überzeugung nach die Annahme diefed Antrages gleich—
bedeutend mit einer Ablehnung der Anregung des Zweigvereins
Krems wäre.
163
Lodtmann (frems): Ich habe diefelbe Empfindung wie der
Vorredner. Ich bitte darum, den Antrag des Borfipenden an:
zunehmen.
Häpe (Dresden): Der Gejamtvorjtand würde fich nicht dazu
veritehen, die Form des Antrages zu benupen, um durch eine
Hinterthür der Sache zu entihlüpfen. Der Vorſtand wird die
Sache unbefangen behandeln; fommt er auf gute deutſche Namen,
fo ift er deutſch genug, ihnen auch zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Borfipender: Wer für den Antrag Sarrazin ift, den bitte
id) die Hand zu erheben. Der Antrag ijt angenommen. — Der
geitern an Dr. Riegel gefandte Drahtgruß ift heute von ibm
wie folgt beantwortet worden: » Die fehr gütige warme Begrühung
erwidert mit freundlichem, herzlihem Wunſch für das Wohl des
Sprachvereins Riegel.“ — Es bleibt nun nur übrig, das Er-
gebnis der Wahl zu verfünden.
Dr. Saalfeld (Berlin): Ich Habe die Pilicht, den Herren,
die mir bei Feititellung der Wahl geholfen haben, meinen Dant
auszufprechen, ich glaube aber in Ihrem Einne zu handeln, wenn
ich den Dank der Berfammlung binzufüge. Das Ergebnis der
Ergänzungswahlen zum Gejamtvorjtande it folgendes: Bon
123 vertretenen Zweigvereinen find 239 Stimmen abgegeben worden.
BWiedergewählt wurden:
mit 229 Stimmen Prof. Dr. Herm. Dunger, Sonreltor in
Dresden,
„ 229 . Dr. Mar Jähns, Oberftleutnant a. D. in
Berlin,
„ 28 = Scheerbarth, Dberlandesgerichtärat in
Köln,
„ 226 er Dr. Behaghel, Profefior an der Univerfität
Gießen,
226 — Dr. Wackernell, Proſeſſor a. d. Unwerſität
Innsbruch,
„ 214 ö Eberhard Ernſt, Berlagsbuchhändler in
Berlin,
„ 210 „ Auguſtin Trapet in Ehrenbreitenftein,
„ 19 F Dr. Hammader, Reidystagsabgeordneter
in Berlin,
„ 193 er Dr. Brenner, Profeſſor an der Univerjität
Würzburg,
„ 178 n Dr. Lauſer, Geh. Hofrat, Echriftleiter der
Nordd. Allg. Zig. in Berlin,
Sedlak, Echriftleiter der Oftdeutichen Rund—
ſchau in Wien.
Neugewählt wurde mit 167 Stimmen Dr. Stieve, Brofefior
der Techniſchen Hocdichule in München.
Auferdem erhielten Stimmen: 79 Oberlehrer Wappenbans
(Berlin), 63 Oberlehrer Dr. Matthias (Zittau), 46 Dr. J. E. Willf-
fing (Bonn), 22 Poſtmeiſter Schmidt (Mürmberg), 7 Stadtarzt
Dr. Mally (Marbach a. d. Draw), 7 Dr. A. Pogaticher, Profefior
an der Hochſchule zu Brag, 7 Graf v. Bipthum (Dresden), 5 Ober:
lehrer Dr. Beer (Leipzig), 3 Dr. R. Weitbrecht, Pfarrer in Wimpfen.
Vorfigender: Durd das Ergebnis der Wahl iſt uns ein
neues Borftandsmitglied zugeiallen. Ich frage Herm Proſeſſor
Dr. Stieve, ob er die Wahl annimmt.
Dr. Stieve (Münden): a.
Vorſitender: Ich bin jehr erfreut darüber, namentlid) dar
über, dab ein Bertreter aus Süddeutſchland gewonnen iſt. Wir
verlieren den hochgeehrten Herm Schieffer, doch bin ich darüber
einigermaßen getröjtet, weil er früher wiederholt aejchrieben hat,
er bäte darum, nicht wieder gewählt zu werden.
„ 110 pr
a
u Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Eprahvereins, Xu. Jahrgang. 1897, Nr. 89.
Te
164
Ernjt bittet, dem Aüdeutichen Berbande, der morgen in
Leipzig tage, einen Gruß zu jenden.
Borjigender: Der a. d. Sprachverein ift vom Alldeuhſchen
Verbande zur Tagung in Leipzig eingeladen worden. Wer dagegen
ift, daß wir dem Berbande einen freundſchaftlichen Gruß übe-
mitteln, den bitte ich die Hand zu erheben. — Niemand. Der
Gruß joll geiendet werden. — Damit find unjere diesmaligen
Gejchäfte abgemwidelt. Ich bitte die Herren, meinen Dant für
ihre liebenswürdige Thätigfeit entgegenzunchmen. Ich ſchließe die
Sitzung.
Fritſch Kaſſel): Ich bitte Sie, meine Herren, daß Sie mi
mir dem Herm Borfigenden den Dank ausſprechen für die treit
liche Leitung der Berfammlung. Daran knüpfe ich die Bitte un
die Hoffnung, daß er noch lange Jahre unjer Vorjigender bleibt
Lebhafter Beifall.)
Ein zwanglojes Mittagefien vereinigte einen großen Teil da
Feſtteilnehmer um 1'/, Uhr im Stadtgarten. Dann folgte be
herrlichitem Wetter ein Ausflug nad) der Wilhelma und dem
Roſenſtein. Im Hurgarten zu Nannjtatt, wo der Bürgermeilte
der Stadt, Herr Naft, den Sprachverein in freundlichen Worten
willtommen hieß, ward der Abend verbradt.
Am 9. Juni machte ein Teil der Feſtgenoſſen, der ſich durh
den niederflürgenden Negen nicht zurüdhalten lich, einen Ausflug
nach der Nebelhöhle und der Burg Lichtenftein, deren Beſichtigung
in freundlichiter Weije durch den Befiger, den Herzog v. Uradı,
gejtattet worden war, Als die Gejellichaft die Bahnwagen ver:
ließ, hörte der Negen auf, und jelbjt die Eonne trat dann umd
wann aus den Wolfen hervor. Es würde zu weit führen, den
Verlauf diefes Ausfluges hier eingehend zu ſchildern, doch mu
dem Zweigverein Stuttgart, jeinem Borjtande und insbeſondere
den Herren Proſeſſor Erbe und Buchhändler P. Kurtz der ber;
lichte Dant ausgejprochen werden für die gewinnende Freundlich—
feit, die fie allen Teilnehmern entgegengebracdht und für die große
Mühe, die fie auf fi genommen haben. Die Tage in Stuttgart
werden allen Teilnehmern eine dauernde und liebe Erinnerung fein.
Daniel Sanders.
Seit lange ift es feinem deutſchen Sprachſorſcher mehr gelungen,
auf fo weite Kreiſe unjeres Volkes mit feinem Namen und mit
feinen Arbeiten einzumirten, als dies dem ehemaligen Schulvor:
Stande zu Altjirelig vergünnt war, der in diefem Jahre an jeinem
Geburtsorte ein ungewöhnlih langes und arbeitreiches Leben
als Privatgelehrter beſchloſſen hat. Wohl giebt die Wifjenichaft
meiſt andere Urteile über ſolche Erfolge ab, als die Leſerkreiſe,
die durd) fie gewonnen werden; aber mit der Thatjache als jolder
bat ſich auch die wifjenichaftliche Forichung abzufinden, und es win
immer von Nupen jein, die Urſachen aufzudeden, die ſolche Er:
ſcheinungen gezeitigt haben. Kennzeichnend nad) diefer Seite war
ſchon der erfte Schritt, mit dem Sanders in die Offentlichteit
trat, jein Angriff auf das deutſche Wörterbuch der Brüder Grimm.)
Sanderd — am 12. November 1819 zu Aliſtreliß geboren —
jtand damals im 33. Lebensjahre und war jomit genau wm dies
jelbe Zahl von Jahren jünger als die großen Männer, die er
angrifi. Er hatte aus den erjten beiden Lieferungen des Wörter;
buches die Überzeugung gewonnen, daß dieies »in feiner ganzen
Anlage und größtenteils auch im feiner Nusjührung durchaus
*) » Das beutjche Wörterbuch von J. Grimm umd W. Grimm,
frittich beleuchtet von Dr. Daniel Sanders, Hamburg 1552+; em
zweites Heft folgte 18553.
165
verfeglt« fei, umd dieje Überzeugung fuchte er unter Borausftellung
des Einnipruches: » Heilig achten wir die Geifter, aber Namen
iind uns Dumft« durch eine Neihe von Ausſtellungen und Er—
gänzungen zu begründen. Diefer Verſuch begegnete auf Seiten
der wijjenichaftlihen Forſchung einem einmütigen Ausbruche der
GEntrüftung. Das » Litterariiche Gentralblatt« gab diejer Empfin:
dung einen ſehr fräftigen Ausdrud, indem es in der Nummer 43
bes Jahres 1852 jchrieb: » Seine (des Verfaſſers) allerdings mit
Belejenheit in der heutigen Sprade — aber auch nur diejer —
zulammengetragene Beleuchtung enthält außer einigen lächerlichen
Verſtößen . . . die zeigen, daß der Berfafjer aller ſprachgeſchicht-
lichen Kenntnifje bar it und auch nicht im ftande fein würde,
einen einzigen Artifel des Wörterbuches jelbjtändig zu entwideln,
und neben vielen unpafienden, verwerflihen Bemerkungen, auch
einzelne mehr oder weniger brauchbare Nadıträge und Berich—
tigungen, die von den Berfafjern bei einer zweiten Nuflage viel-
teicht berüdjichtigt werden dürften; aber dergleichen lieblofe und
free Splitterrichter hat ihr Werk nicht im geringiten zu fcheuen,
jondern fann fie gleihmütig vorüberziehen lafjen. Es fünnen nod)
mande umd reichere Beiträge geliefert werben, ohne daß das Wert
des Wörterbuchd dadurch irgend bedroht würde.«e Es war not:
wendig, diefen Satz in feiner ganzen Ausführlichteit wiederzugeben,
weil er die Stimmungen und Empfindungen fennzeichnet, mit
denen — wie noch heute in der Wifjenfchaft — ſchon damals der
Kampf zunächſt geführt wurde, bis jpäter am Ende die Mact
der Thatjachen und das Gewicht der Beweisgründe mehr zur
Geltung kamen. Denn in den Einzelheiten, die Sanders zufammen-
jtellte, liegt viel mehr Brauchbares, ald man anfangs zugeben
wollte; ungerecht und ungehörig war aber der Gebrauch, den
er von diejen Einzelheiten machte, und gänzlich verfehlt war der
Standpunkt, von dem aus er das angegriffene Wert betrachtete.
Aber gerade in diefem Grumdirrtume berührte fi Sanders auf
dad engite mit der Anſchauung der breiten Schichten unjeres
Volles, die noch heutigen Tages, wenn fie Überhaupt von dem
Wörterbuche der Brüder Grimm wifjen, in diefem etwas anderes
fuchen, als fie darin finden. Sanders erwartete ein Nadıichlage-
werk, bequem und überfichtlich, damit ein jeder jo raſch ald mög—
lich die Antwort fände, für die er eine frage bereit hätte. Die
Brüder Grimm planten einen großen Bau, in dem der deutjche
Wortſchatz von unten nad) oben in geſchichtlicher Darjtellung feinen
Entwicklungsgang vor Augen führte — ein Kunſtwerk für Kenner
und Liebhaber, nicht ein Handwertäzeug für Bedürftige und Neu:
gierige. Es waren getrennte Anſchauungskreiſe, in denen ſich die
Berfafjer und die Beurteiler bewegten, da gab es feine Brücke
vom einen zum andern. Der Beijt Ndelungs, der für die Be-
bürfniffe des Augenblicks gearbeitet, der an den begrifflich ge:
ſchulten Verſtand ſich gewendet hatte, war in Sanders wieder
lebendig geworden, und da® war ganz naturgemäh und berechtigt;
denn der rüdjchauende Geift der Brüder Grimm hatte für den
Nugenblid eben wenig zu bieten und er muhte überdies die—
jenigen fremd anmuten, deren Stärke im begrifflihen Denten
wurzelte. In Sanders haben beide cben gelennzeichnete Eigens
ſchaften eime einjeitige, aber auferordentlid, lebendige Vertretung
gejunden, und das waren auch die Kräfte, mit denen er feine
ausgedehnten Erfolge gewann. Er verstand fid auf die Bebürf-
nijje deö Tages; er jeßte gerade an den Punkten ein, wo bie
wiſſenſchaftliche Forſchung verfagte, und andererfeits bejah er
im hoben Mahe die Gabe derjenigen Darstellung, die auf
weitere Kreiſe berechnet iſt. VBerftandesmähig war jein Vor—
trag, frapp und auf das Nötigite bedacht feine Darbietung, und
jeder Hufgabe, die er anpadte, hat er in feiner Weije die ab-
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XII Jahrgang. 1897. Nr. 8/9.
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ſchließende Löfung gegeben. Ihm wurde dies freilich leichter als
anderen; da® Schwergewicht wifjenjchaftlicher Ausrüftung zog ihn
nicht zu Boden, der Schwung der Begeifterung riß ihm nicht
fort, liebevolle Berfenftung in Einzelheiten lockte ihn nicht auf
Seitenwege.
Von ſeinem Geſchick, in die Lücken, die die Forſchung offen
gelaſſen hatte, mit eigener Arbeit einzugreifen, zeugt gleich der
Hauptvorwurf, den er den Gebrüdern Grimm machte. Die zeit-
genöſſiſche Sprade und Dichtung war im deutjchen Wörterbuce
mit Abficht, aber ſehr zum Nachteile des Wertes, vernadjläffigt
worden; Sanders verwandte feine ganze Kraft gerade auf jie.
In ihre mwurzelte feine Beleſenheit, auf ihr fuht der eigentliche
Wert feiner eigenen fpäteren Wörterbücher. Schon 1854 hatte er
das » Programm eines neuen Wörterbuches der deutichen Sprade«
entworfen, 1859 — 1865 wurden bie drei Bände gedrudt, die das
»Wörterbuch der deutichen Sprache mit Belegen von Quther
bis auf die Begenwart« umfaht. Am Berlaufe feiner mühevollen
Arbeit Hatte wohl auch der Berfajjer eingefehen, daß es leichter
ift zu tadeln als ſelbſt zu jhaffen, aber andererjeit8 hat er wie—
derum der Welt gezeigt, daß er im Stande war zu ſchaffen und
nicht bloß zu tadeln. Einen Fortichritt in den Anjchauungen und
in der Erfenntnis des Verfaſſers dürfen wir vielleicht darin erbliden,
daß das Vorwort, dad Sanders dem Werte mitgab, ganz darauf
verzichtete, die abgeichlofjene Leiſtung an dem großen Wörterbuche
der Brüder Grimm zu mejjen. Nur verjtedt und als Ausſprache
der zeitgenöfjiichen Kritik führte er an, »daß es den Wortſchaß,
die Bedeutungen und Anwendungen der einzelnen Wörter, ihre
Fügungen und grammatiſchen Verhältniſſe in einer Vollſtändig—
feit darlege, hinter der alle anderen Wörterbüder bei
weitem zurüdblieben.« Das heißt freilich den Mund noch
viel zu voll genommen, aber es läht doch durchbliden, daß der
Berfafier die Vorzüge feines Werkes in der Beſchränkung auf
bejtimmte Aufgaben fuche, die mit den Gauptzielen des Grimme
ſchen Wörterbuches nichts zu thun haben. Denn durd alle Einzel:
heiten bekundet jich immer wieder die Grundverſchiedenheit der
Abſichten, die Sanders im Gegenfage zu den Grimms verfolgt;
und man darf nicht müde werden, auf diefen Gegenſatz hinzu—
weifen, weil die weiteften reife immer und immer wieder das
eine Werk am andern meſſen. Bei ſolchem Bergleid; aber wird
das höher jtehende Werk leicht einbühen, weil man zumeift die
That der Brüder Grimm von der Höhe ihrer Aufgaben berab-
ziehen muß, um fie gegen die naheliegenden Borzüge des Sanders-
ſchen Buches in die Wagjchale werfen zu fönnen. Sanders hat aus
Nüplichkeitögründen bie gangbaren Fremdwörter in fein Buch auf:
genommen, die Grimm der ganzen Anlage nad fern halten
mußte. Sanders hebt als einen Vorzug hervor, daß von ben
Ableitungen diejenigen nicht befonders aufgeführt werben, »die
fih nad) Sprachäbnlichteit eben überall bilden lajien.«e Der Ge
ihichtöjchreiber dagegen muß gerade darauf befonders Wert legen,
zu erfunden, in welden Fällen die Sprache von den Möglich—
feiten, die ihr zu Gebote flanden, Gebrauch gemacht hat und in
weichen nicht. Ihn veizt es, zu erſorſchen, welche Eigenjcafts-
wörter formen auf bar, ig, lich ableiten und wie früh dieje aufs
treten. In den Mbleitungen auf er und erin für handelnde
Berjonen 3. B. ftedt ein gutes Stüd Sittengejchichte, und es ijt
durchaus nicht gleichgiltig, ob und wann zu Formen wie Lehrer,
Künſtler die an und fir fid) möglichen und leicht verftändlichen
Bildungen Lehrerin, Künstlerin auflommen. Bon diefem Stand:
punkte aus vergleiche man einmal die Stihworte Lehrerin,
Lehrfrau, Lehrfräulein bei Grimm mit den bürftigen An—
gaben bei Sanders. Diefe Dürftigfeit hängt teilweiſe mit einer
167
äußerlihen Anordnung zuſammen, auf die Sanders bejonders
ſtolz war, und die er ſchon in dem erjten Angriff auf die Grimm
jelbjtbewuht vorbrachte. Lehrjrau und Lehrfräulein würde
Sanders als Zufammenfegungen unter Grau, Lehrerin ald Ab-
leitung unter Lehrer behandeln. Er glaubt dadurd, das Zus
jammengehörige beiammen zu halten und kürzer erledigen zu
lönnen. In Wahrheit zerjtört er die feineren Zufammenhänge
und wird der Gelbjtändigteit der einzelnen Bildung nicht gerecht.
Unter Frau und Fräulein bat auch das deutihe Wörterbuch
einen kurzen Vermerk über die gangbarjten Zuſammenſetzungen,
bie darin an Ort und Stelle nachzuſchlagen find; ſolche Zufammen-
feßungen aber wie Yehrfrau und Lehrfräulein gehören ihrer
ganzen Bedeutung nad) in den Zufammenhang der Lehre und
des Lehrens, wo fie allein Farbe und Geſtalt gewinnen, allein
das Recht, vermerkt zu werben, erlangen. Noch deutlicher aber
ald dad Mangelhafte diejer äußeren Anordnung ergiebt jich ein
anderer Mangel aus den obigen Darftellungen. Sanders geht
jeder Sinn für das Geſchichtliche in der Sprache unjeres Volkes
ob, für ihn ift der Wortihap nur eine Sammlung von Teil
bejtänden unjerer Grammatik; für die beiden Grimm ift ber
Wortſchatz ein Spiegel der Gejhide unjeres Volkes, ein Zeugnis
für feine Sitte und für feine Anjhauungen, eine Schapfammer,
in der die bleibenden Güter deutfchen Stammes bewahrt werden,
ein Bericht über die Wandlungen, denen ihre Faſſung und Form
jeweils unterlag. Daraus ergiebt ſich denn auch der vieljeitige, freis
lich meijt nur im Berborgenen wirkende Einfluß, den das Grimmijche
Wörterbuch) bis jet fchon ausgeübt hat, während das Wörter:
buch von Sanders breit an der Oberfläche weiter wirtt. Die Bücher
lajien ſich gar nicht alle aufzählen, die Heutzutage ganz und gar
auf den Krücken herumlaufen, die fie fi au& dem Wörterbuche
der Brüder Grimm geihnipt haben; in den reifen des allgemeinen
deutichen Sprachvereins find gerade fie am meisten verbreitet und
beliebt. Wohl aber fann man die Gegenprobe machen; die meiften
Bücher, die jo fiher und ſelbſtbewußt über alle Geheimniſſe unferer
Sprache Beſcheid zu geben wifjen, fie verftummen meift und werben
tleinlaut, wenn es fih um die Schlußwörter des Buchſtabens G.
oder um diejenigen von ©. T. uſw. handelt, aljo um Wörter, die
noch nicht im Grimm bearbeitet vorliegen. Man mache jich ein-
mal das Vergnügen diefer Probe, und man wird ſtaunen. Auch
Sanders wird gelegentlih benüßt, aber lange nicht in dem
Grade wie er als Gewährdmann genannt wird. Sein Wörter:
buch bietet für den wifienichaftlihen Benutzer eine jehr willlom⸗
mene Sammlung der Belege aus der neueren Sprache. Es ijt
ihm darum auch oft — jo neuerdings wieder von 9. Paul in dem
Vorworte zu deſſen Wörterbuch — für dieje wertvolle Babe ge-
dankt worden. Die Wahrheit verlangt aber auch, es auszufprechen,
daß der Verfajjer auf dem fruchtbaren Boden, den fein findiger
Blick eripäht Hatte, doc; recht gemächlich erntete, dak er nur eben
das mitnahm, was ihm gerade am Wege jtand, Daß die Ernte
trotzdem fo reichlich ausfiel, ift mehr das Verdienſt des Bodens,
Ich hatte aus Anlaß meiner eigenen Arbeit am Wörterbuch der
Brüder Grimm Gelegenheit, die Darbietungen von Sanders, die
ich vielfach mit Dank benupte, auf ihre Quellen zu prüfen, und
immer wieder überrafchte mich neben der großen Ungenauigfeit,
mit der die Belegjtellen verzeichnet werden, die Willtür, mit der
aus dem reichen Bejtand ausgewählt worden war. Micht dad
treffendfte Beifpiel wurde unter vielen ausgewählt, nicht der Sab
herangezogen, in dem Ort und Gelegenheit der neuen Spradı
bildung anſchaulich hervortrat, und felten nur werden Lieblings:
neiqungen und Wendungen, die für die Anſchauung der Schrift
jteller bezeichnend find, ins rechte Licht geitellt; nein! in allen
Zeitfgrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XIL Jahrgang. 1897. Nr. 8/9.
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Fällen war nur ein Bejtreben maßgebend: ein Beiſpiel zu finden,
das fich im Rahmen der gewählten Darjtellung pafjend verwerten
laſſe. Denn auch das ift bezeichnend: bei Sanders jtand dei
Gefüge der Daritellung von vornherein ſeſt, die einzelnen Belege
gaben nur die Füllung ab für die im voraus erwogenen Unter:
abteifungen, bei Grimm ſchmiegte jih die Darjtellung den je:
weiligen Bebürfnifjen an, die fich bei der Durdarbeitung der
Beijpiele erjt herausjtellte. Daher bei Grimm das Ungleichmähige,
die Widerfprüche in der Anordnung, die Sanders feinerzeit mur
mit dem Scheine der Berechtigung rügte. Während bei Grimm
für die Entwicklung des einzelnen Wortes die Geſchichte den oberiten
Sliederungsgrumd abgiebt, jodah die Bedeutungen und Verwen
dungen möglichft anſchaulich in zeitlicher Folge ſich entfalten umd
ablöjen, ift für Sanders die begriffliche Gliederung der oberfte
Srundjag, an dem er auch feinerzeit das Werk der Grimm zu
mefjen gewagt hat. Die abgezogenen Begriffe, die in der Sprach
entwidlung am Ende ftehen, fommen bei ihm at den Anfang;
die Bedeutungsgruppen, die erſt eine nachdenlliche Überlegung
einzeln jondert, die ſich aber in der natürlichen Spradyentwidlung
mit Vorliebe durchkreuzen, klafſen bei ihm weit auseinander.
Und innerhalb diejer Gruppen ordnet Sanders, nachdem er
wenigftens unjerem Luther die Ehre des Vorranges gegeben, die
übrigen Beiipiele nad) der Neihenfolge der Anfangsbuchitaben ihrer
Verfaſſer. Das wäre an und für fid fein Mißgriff bei einem
Wörterbuche, das in erjter Linie den Wortgebraud der einzelnen
Schriftjieller im Auge hätte — ein Unternehmen, das längjt ein
dringendes Bedürfnis wäre — aber bei einem Wörterbudhe, das
die Schriftfteller nur heranzieht, joweit fie der Worterflärung
dienlih find, mußte die Reihenfolge durch jachlihe Gründe be—
jtimmt werben.
Der äußere Erfolg, den Sanders mit feinem Wörterbude
errang, war ein ganz aukerordentliher. Das zeigt nicht nur die
Neuauflage, die 1876 nötig wurde, das zeigen noch mehr die
zahlreichen Ergänzungswörterbücher, Fremdwörterbücher, die der
Unermüdliche zuiammenjtellte und immer wieder abjegte. Mit
diefen Erfolgen hängt aud wohl die Neigung des Berfaffers zu-
jammen, jeine Forſchungen auf anderen Gebieten der deutſchen
Sprache ebenjall® in der Form eines Wörterbuches zu veröffent-
lichen, einer Neigung, der das orthographiihe Wörterbud
(1875) und das Wörterbud der Hauptſchwierigkeiten der
der deutſchen Sprade (1872) entitammten.
In der Frage der Rechtſchreibung hielt Sanders die Mittel:
linie ein zwifchen den ungeduldigen Neuerern und den Männern der
Wiſſenſchaft, die ſich nur ſchwer entichlieken fonnten, in die natur
gemäße Entwidlung der Schriftiprache mit willkürlichen Entſchei⸗
dungen einzugreifen. Sanders hatte die Frage der Nechtichreibung
ſchon im Plane zu feinem erjten Wörterbuche reiflich erwogen; den
feitftehenden Schreibgebrauch wollte er jchonen, nur bei Streitfragen
und in Fällen des Schwanfens den Grundjag ftrengerer Folge—
richtigkeit einbürgern. 1873 erjchienen jeine »Borjchläge zur
Feitjtellung einer einheitlihden Redticreibung für All:
deutichlande, denen 1874 ein zweites Heft folgte, und die 1875
zum »Orthographiſchen Wörterbuch« fich erweiterten. Auch
bier hält Sanders an jeinent alten Grundfage feit, daß am Ge
meingültigen im Schreibgebrauche nicht gerüttelt werden dürfe und
daß nur das Schwantende und Geloderte Gegenjtand der Ent
ſcheidungen und Beflerungen werden ſollte. Neben dem Ziele der
Folgerichtigkeit macht ſich hier jedoch ein neuer Gedanke geltend, »das
Verdeutlihungsitrebene, das nadı ihm bei gleichlantenden Wörtern
verjchiedenen Sinnes (thon und ton, während er thor — thär
und thor — Narr nicht unterjcheidet) hervortrete, und dem auch
169
von Seiten der Wiſſenſchaft zu folgen ſei. Auch Hier alfo ver:
einigen fich wieder die beiden Grundkräfte, die überall bei San:
ders hervortreten, die verſtandesmäßige Betrachtung des Sprad)-
ſtoffes und die Nüdficht auf dad Bedürfnis der Bebürftigen.
Die nächte Folge diefer Schriften war, daß aucd Sanders in
die » Konferenz zur Herjtellung größerer Einigung in ber deutfchen
Rechtichreibung« berufen wurde, die im Januar 1876 im preus
Biihen Kultusminifterium zu Berlin zujammentrat. Sanders,
der einer ber wenigen war, bie weder ein Amt noch ein bes
fonderer Auftrag in diefe Verſammlung geführt hatte, der ihr
einzig und allein durch die Erfolge feiner Schriften angehörte,
trat doch in den Berhandlungen jelbjt gar nicht hervor. Da—
gegen entfaltete er im dieſen Fahren eine um fo größere jchrift
ſtelleriſche Thätigleit. Die 70er Fahre bedeuten den Höbepuntt
feiner Leijtungsfähigleit, die fih mehr und mehr den Fragen des
Sapbaues und der Spracdjrichtigfeit zuwandte. Hier hat er aller:
dings nirgends etwas Neues, Bahnbrechendes geſchaffen, aber er
hat unendlich viel gefammelt, beobadjtet und mit reiferem Urteil
auch Belchrung geipendet. Einen Mittelpuntt für alle dieſe
mannigfaltigen Beitrebungen, ein Ausdrudämittel für die lange
aufgeipeicherten Beobachtungen und Einzellenntniſſe jchuf er ich
in den SOer Jahren in der » Jeitjchrift für deutfhe Sprache«,
deren erſtes Heft im Mpril 1887 erſchien. Die Form, die er hier
für feine Mitteilungen wählte, war allerdings nicht dazu anges
than, die etwas trodene und verjtandesmähige Kot ſchmachhaft
zu geftalten. Proben aus gebumdener und ungebundener Sprache
begleitete er bald mit fachtundigen, bald mit jchulmeifternden Be—
merkungen, ohne irgendwie Zufammenhänge herauszuarbeiten,
ohne große Züge der Spradbildung und Sprachverwilderung
beobachten zu lajien, ohne lebensvolle Darjtellungen zu geben.
Beitimmte Vorzüge des Wörterbuchichreibers rächten fi an dem
Scriftfteller, der über die deutſche Sprache jchreiben wollte,
Wenn ich recht unterrichtet bin, iſt auch der äußere Erfolg diejer
Zeitſchrift weit hinter dem der übrigen Unternehmungen des ers
folgreihen Mannes zurlidgeblieben. Es it hier nicht am Plage,
eine Vermutung darüber auszuiprechen, welches Urteil wohl die
Nachwelt über den in der Gegenwart ganz auferordentlid, ge:
feierten Mann fällen wird. Dieſes Urteil wird jedenfalls im
wejentlihen davon abhängen, inwieweit neuere Wörterbücher,
wie das von Heyne, das ältere von Sanders erfeßen oder ver:
drängen. edenfall® aber wird man im fpäteren Tagen faum
begreifen fünnen, daß Sanders mit den Brüdern Grimm ver:
glichen und im diefem Bergleiche über die beiden Brüder gejept
wurde. Sch kenne Bücher, die fogar auf wijienichaftlihen Wert
Anſpruch machen, und die ald Gewährsmann immer wieder Daniel
Sanders anführen, obwohl eine ganz andere Quelle der Belehrung
in jedem einzelnen alle aus dem deutſchen Wörterbuche der
Brüder Grimm fließen würde. Soldje Verſchiebungen allerdings
wird die Nachwelt zurückdrängen; und darauf müfjen mir ſchon
heute aufmerkſam machen, ohne die ganz bejtimmt hervortretenden
Vorzüge und Berdienfte von Daniel Sanders wirklich ſchmälern
zu wollen.
Heidelberg. Hermann Wunderlid.
Schriftleitung, Schriftleiter.
Zu der Zeit, als der allgemeine deutiche Sprachverein gegründet
ward, zeigten fait alle deutjchen Zeitungen und Beitjchriften in
ihrem Rahmenwerle verhältnismähig viele entbehrliche Fremd—
wörter. In diefer Beziehung ift aber, feitdem der Verein das
Sprachgewiſſen wach hält, allmählid) eine ganz bedeutende Befjerung
Zeitſchrift ded allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XII Jahrgang. 1897. Nr. 8/9.
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eingetreten. Es gingen immer mehr Blätter dazu über, die Sprad)=
reinigung aud) dadurch zu pflegen, daß fie ihr Rahmenwerk von
unnötigen Fremdwörtern mehr oder minder jäuberten. Und mande
Blätter, die neu entjitanden, vermieden von vornherein die ins
Auge gefahten Fremdausdrücke volljtändig oder zum Teile.
Bon allen hier in Betradht fommenden Fremdwörtern aber
haften wohl am fefteiten Redaction, Redacteur. Dieſer Bes
zeichnungen bedienen fich auch jet noch gar manche Blätter, die
andere Fremdwörter forgfältig vermeiden. Und doch bilden Schrift:
leitung, Schriftleiter einen guten deutſchen Erjaß für fie.*)
Dies iſt aud) von einer Reihe von Zeitungen und Beitichriften
anerfannt worden. Daneben finden ſich einzelne Blätter, die zwar
den beutfchen Ausdruck Schrijtleitung anwenden, aber zu—
gleich das Fremdwort Nedacteur gebrauchen. So macht es
3. B. der » Deutiche General- Anzeiger« (Berlin). Noch andere
vermeiden bie Fremdausdrüde Nedaction, Redacteur (indem
fie einfady den Namen des Echriftleiterd mit dem Worte »Verant-
wortlich« verbinden), erſetzen fie aber nicht. So verführt z. B.
die »Schlefiiche Zeitunge (Breslau). Inter völliger Vermeidung
der Fremdwörter Nedaction, Nedacteur wenden num die
beutichen Bezeihnungen Schriftleitung, Schriftleiter oder
eine diefer beiden Bezeichnungen u. a. die folgenden Blätter an:
Alademiſche Blätter (Berlin); Allgemeine Deutfche Univerfitäts -
Beitung (Berlin); Allgemeine Kunt-Chronit (Wien); Aus Deutſchen
Bergen (Aubig); Blätter des Schwäbiſchen Albvereins (Tübingen);
Borkumer Bade = Zeitung und Fremden= Lifte; Cafjeler Allgemeine
Beitung; entralblatt der Bauverwaltung (Berlin); Das Bolt
(Berlin); Der deutihe Vollsbote (Prag); Deutiches Vollsblatt
(Wien); Deutiches Wochenblatt (Berlin); Deutihe Verkehrs—
Blätter und Nilgemeine Deutiche Eijenbahn: Zeitung (Leipzig);
Deutſche Bolfszeitung (Reichenberg); Deutiche Wacht (Dresden);
Deutsche Zeitung (Wien); Deutſch-Soziale Blätter (Leipzig);
Die Poſt reifender Kaufleute Deutichlands (Leipzig); Die Zeit
(Berlin); Eisleber Zeitung; Fremdenlifte für das Königliche See:
bad Norderney; Grazer Wochenblatt; Minden-Lübbeder Kreis-
Blatt (Minden); Münfterfcher Morgens Anzeiger (Münfter, Weit:
falen); Münſterſches Tageblatt (Münſter, Wejtfalen); Norderneyer
Bades Zeitung u. Anzeiger; Nordweſt (Bremen); Djtfriefiicher
Eourier (Norden); Pfälziſches Muſeum (Kalſerslautern); Reform
Norden); Seehund, Fremdenlifte für das Nordfeebad Juiſt;
Vollswirthſchaftliches Börienblatt (Berlin); Zeitſchrift des allge:
meinen deutichen Spradwereins (Berlin); Zeitfchrift für Baunvejen
(Berlin). -
Zeitſchriften umd Zeitungen, die in ihrem Rahmenwerfe die
Ausdrücke Schriftleitung, Schriftleiter anwenden, find hier—
nad schon nicht mehr gerade jelten. Hoffentlich ift die Zeit nicht
mehr fern, wo man in deutſchen Blättern nur noch dieje guten
deutschen Bezeichnungen findet. **)
Münſter i.®. Mattiad Linhoff.
*) Über dieje Bezeichnungen iſt in diefer Zeitfchrift ſchon wieder:
holt geiprochen worden. 165; VII 22, 55 und 143; IX 40.
Die Schriftleitung.
*) Gerade auf dem Gebiete einer angemefjenen Reinigung des
Rahmenwerls der Zeitungen von den immer wiederlehrenden Fremd:
wörtern Medaftion, Redakteur, Abonnent, Abonnement, Erpe-
dition, Beitungsfpediteur, Inſerat uſw. it den Zweigvereinen und
den einzelnen Bereinömitgliedern ein dankbares Feld fruchtbringen-
der Thätigfeit geboten, auf dem überall gearbeitet werden follte.
In der Negel wird bier durch perfönliche Einwirkung am leich—
teten etwas erreicht. Wir vermuten — zum Teil wifjen wir es —,
dah unter ben oben aufgeführten Fällen mande find, bei denen
ber Erfolg einer folchen unmittelbaren Thätigkeit zu danlen iſt.
Die Scriftleitung.
171
Zeitfhrift des allgemeinen deutſcheu Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr.89.
172
Rleine Mitteilungen.
Um 13. Juli d. 3. feierte Herr Bergwerksleiter Zachariae
zu Bleialf das fünfzigjährige Gedenkfeſt feines Einiritts als Berg:
beamter in den Staatsdienſt. Den mannigiahen Glückwünſchen,
die ihm zu diefem Tage dargebradjt wurden, ſchloß ſich auch der
Spracverein an. Der Borfikende jandte — obwohl etwas ver:
jpätet, da er von Berlin abweiend war — folgenden Drahtgruß
an den Gefeierten: »Dem treuen Vorlämpfer für die Neinheit
und Schönheit der deutichen Mutterſprache ſendet zum 50 jährigen
Jubelfeſte herzlichen Glückwunſch der Vorjtand des a. d. Spradıs
verein® Dr. Mar Jähns.« In diefen Glückwunſch von Herzen mit
einzuftimmen, hat der ganze Verein Urſache. Gilt er doc einem
Manne, der, lange bevor der a. d. Spradyverein ins Leben ge:
rujen wurde, in feinem Sinne wirkte, fich jofort nad) feinem Er—
ftehen ihm anſchloß und unabläffig bemüht war, die Mitglieder:
zahl des Vereins zu heben und defien Bejtrebungen immer mehr
Eingang zu verichaffen.
— Dad Großherzoglid Medlenburgiihe Staats—
minifterium in Schwerin hat am 22. Juni d. J. folgende
Bekanntmachung erlafjen: >
»Se. 9. der Herzogs Regent haben es mihfällig bemerft,
daß in amtlichen Schriftitüden ohne zwingenden Grund lateinifche
und andere fremdipracdige Uusdrüde zur Verwendung gelangen.
Die Großherzoglichen Behörden werden daher angewiejen, ſich
im amtlichen Verkehr unter Weglafjung aller nicht unumgäng—
(id) notwendigen Fremdwörter nur der deutichen Sprache zu
bedienen. Zu beachten wird hierbei fein, daß durch Erfepung
von Fremdwörtern durch deutjhe Ausdrüde feine LUntlarheit
oder Zweideutigleit entſtehen darf, auch geſetzlich feitgelegte
Nusdrüde unangetaftet bleiben müjjen.«
In nationalen reifen als hervorragender Förderer unferer kolo—
nialen Bejtrebungen wohl befannt und hochgeſchäht, hat ſich
der Herzogs Regent durch dieſe erfreuliche, von ihm veranlafte
Kundgebung einen neuen Anspruch auf den Danf aller Deutſch—
gefinnten erworben. Hoffen wir, dak man in M.-Schw. num
aber nicht bloß den Wuft überflüffiger Fremdwörter befeitigen
wird, ſondern auch dazu angeregt werben möge, den mittelalters
lid) anmutenden Amtsjtil zu beflem, über defjen feltiame Aus-
wüchſe in diefer Zeitfchrift mehrfach der Stab gebrochen worden ift.
— Das »AYuftizminifterialblatt jür das Königreid
Bayern« vom 14. Juni d. I. enthält einen Hinweis auf die |
' Freilich als Titel im bürgerlichen Leben wird dieje trocdene, tref:
fende ni er Ne ſchmachaft ericheinen, da würde man mob
2. Auflage des Verdeutihungsbudes »Die Amtsfpradye« von
Karl Bruns, der mit den erfreulichen Worten jchlieft: » Die Juſtiz⸗
behörden werden auf diefes ſehr brauchbare Werfchen bejonders
auſmerkſam gemad)t.«
— Auf der Wanderfammlung dbeuticher Gewerbeſchul—
männer zu Pfingsten d. J. hielt unſer Mitglied, Herr Kofahl,
Lehrer an der herzoglihen Baugewertichule in Holzminden, einen
Bortrag über das Fremdwort im gewerbliden Unter:
richte. Er vertrat darin den Standpunkt, daß das Fremdwort
aus dem Unterrichte an Gewerbeſchulen möglichit zu befeitigen ſei,
und legte an einer großen Zahl von Beiſpielen überzeugend dar,
welche deutſchen Wörter man dafür im einzelnen Falle einzufegen
habe. Seine Ausführungen fanden den allgemeinen Beifall der
Verfammiung. Der Vortrag wird demnüchſt in der »Zeitichrift
für gewerbfihen Unterricht« abgedruct werden.
Sprebiaal.
Fern oder Ferner für Fernſprecher?
wie uns mitgeteilt wird, jemand wegen der Hindernifje, die das
Wort ⸗Fernſprecher« der Bildung von Ableitungen von diejer
Verdeutihung bietet, jtatt defien das Wort »der Fern» vor,
wobon er fernen, anfernen und Fernerin (Telephonijtin} ges
bildet wiſſen will. Durch Vermittlung der Scrijtleitung fragt
nun ein Vereindgenofje an, ob nicht der Ferner (für Telepbon)
richtiger wäre. Bon »richtig« lann in unſerm Falle kaum bie
Rede fein, jondern nur davon, ob dieſe Bildung durch bereits
vorhandene geftüßt werden kann. Da iſt nun zu erinnern, daß
3: B. Schläger das Wertzeug und den Sclagenden, ebenio
bolzipalter, Eierjieder, Zräger, Halter, Hefter ujw.
Perſonen und Sachen bezeichnen. Als Zeitiwort wäre dazu richtig
fernern, nach dem Vorbild von jhneidern, ichuftern, aber
doch nur Äuferlich richtig; denn diefe Zeitwörter heißen doch eigent-
lich das Handwerk eines Schneiders oder Schuſters treiben (ge
werbsmähig oder vorübergehend für eigenen Bedarf)*). Die Bil-
bung »Ferner« hat aber nur Sinn, wenn man fich ein Zeitwort
»fernen« vorausdenkt; ⸗Ferner« ift der Menſch oder dad Wert:
zeug, das »jernte; fernern hätte einen fcherzenden Nebenbegrifi.
Die Frage nun, ob Fern oder Ferner, wird eigentlid von
der, ob fyerner eine jprachgemäße Bildung fei, nicht berührt. Es
wilde, falls beide auf den Plan treten, nur eine Machtfrage jein,
welches fiegt. Bertürzungen werden wohl oft, aber nicht immer
nad dedenden Vorbildern geſchaffen. Für Fern liehe fich ein
joldyes noch ſchwerer als für ferner finden, wenigjtens auf deutjchem
Boden; Photo für Photograph, Stereo für Stereoffop gelten
nicht für unerhört, die Tram für Trambahn hat fich jtellenmeile
eingebürgert. Aber Gelb oder Gelber für Geldgieher, Schnell
oder Schneller für Schnellieher (Sinetogaraph), Schlicht ober
Sch lich ter (legteres noch dentbarer wegen »jchlichten «) für Schlicht-
bobel werden uns unnatürlich vorfommen, Bel »Feıner« wird
man beim erjten Hören an eine Vorrichtung zum Entfernen denten.
Unjere Abkürzungen geben mit Vorliebe den Weg, daß für eine
enger umgrenzende Form eine weitere gelegt wird. Der Fahrer
iſt der Fahrlanonier, der Scherer der Tuchſcherer, Seper der
Scriftfeper, Druder der Buchdruder. Wörter wie Glajer,
Schreiner, Scloffer, Maurer, Lederer find alte Ab:
feitungen von Hauptwörtern, feine Abkürzungen. Will man nicht
darauf warten, wie das Bolt ſich in natürlicher Übereinkunft den
Fernſprecher abfürzt und ſich mundgereht macht, dann wird man
wohl am einfahjten »Sprecdere jagen; daß es mit dem fern:
ſprecher geichieht, wenn ich von Berlin nach Leipzig ſpreche, wird
jeder fid) denten; für telephonieren wird aljo ſprechen oder bins
preden genügen. Gewöhnen wir und noch an die Wendung »an
jemand jprechen« (wie an j. jchreiben, telegraphieren, telephonieren),
jo wird dem Bebürfnifie genügt fein, Das Hauptwort em:
iprecher fünnte daneben immer noch fortgebrauct werden; aber
ftatt Fernipredhitelle, samt, genügt jhon jetzt Sprechitelle ufm.
Allerdings Telephoniftin durch Sprederin zu verdeutichen iſt
ebenfo verkehrt als unnötig; fie ſpricht nicht — wenigitens iſt es
nicht ihr Hauptberuf — — ſie ſchaltet um, iſt alſo Um—
ſchalterin, Umſchaltefräulein oder auch Umſchaltedame
ſagen: »Frl. NN. iſt im Umſchaltedienſt oder Fernſprechdient
angejtellt«. Vielleicht findet auch für ſie der Volkswiß Rat.
Erinnert fei ichliehjlicd daran, daf; das zum Hauptwort » Bejprädie«
ehörige Zeitwwort »jprachene früher allgemein war und noch heute
maß und bairiich, am Rhein wie in Schleſien und jonit
noch üblich iſt umd fruchtbar gemacht werben fünnte.
Bürzburg. D. Brenner.
Bücherſchau.
— Dr. Rud. Kleinpaul, Das Fremdwort im "Deuts
ihen. Leipzig, ©. 3. Göſchen, 18596. 1768. 8. SO Fi. j
In vier Hauptabichnitten behandelt der Verfaſſer das ſchiet
unüberjehbare Gebiet der ffremdiwörter im Deutſchen. Im eriten
Hauptabfchnitt zeige er am einer reihen Zahl von Beijpielen die
Beziehungen des Deutichen zu denjenigen Sprachen, denen Die
meilten unjver Fremdwörter entitammen, zum Lateiniſchen, zu
' den »welfchen« und den jlavifcden Sprachen, zum Juden
deutſch und zum Miederdentihen und Engliſchen.
' Hauptabicmitt behandelt er »die Naturgeſchichte des Fremd
In ber Kuninummer der Zeitichrift »Deutiche Treue« jchlägt, |
Im zweiten
wortse. Er weijt darauf bin, daß zu scheiden jei zwiſchen are
wörtern und folden, die altes Bemeingut der indogermaniidien
*) jernern aljo sein Ferner fein«,
173
Sprache find; er fennzeichnet die verſchiednen Arten des Ein—
dringend von Fremdwörtern in eine Sprache, die verſchiednen
Grade der Einbürgerung und die Urfachen diefer Verſchiedenheit
und führt endlich eine Anzahl von Heimfömmlingen an, d. b. von
ſolchen Wörtern, die urſprünglich deutſches Spradgut — in einer
fremden Spradye Aufnahme gefunden haben und dann als Fremd—
wörter zu und zurüdgefchrt find. Im dritten Hauptabjcnitte
beipridt Kl. die Hauptgebicte der Entlehnung, insbejondre die
Namen von Menſchen, Orten, Ständen, Tieren ufw. m vierten
Hauptabicnitt bejpricht er die Verfuche, die gemacht worden find,
die Zahl der Fremdwörter zu beſchränten, und die Wege, die zu
iefem Ziele führen: die Andentihung und die Werdeutichung durch
Überiegung, durch Neubelebung alter Ausdrüde und durch Eins
jegung finnvenvandter Wörter bejonders auf den Gebieten der
Kirche, der Schule und der Naturwiſſenſchaſt. Ein ⸗»Regiſter«
erleichtert die Benußung des Büchleins.
Daß der. Verf. ſich bei zweifelfaften Dingen nicht Tange mit
den Bermutungen amdrer aufhält, jondern mutig feine eigne
Anſicht jagt, ijt bei dem Zweck und dem geringen Umfang des
Buches natürlih: als Grundlage für wifjenichaftlihe Forſchungen
ſoll es ja nicht dienen. Einzelheiten bier zu beipredien, dürfte
zu weit führen. Nur daß »maujetot« aus dem lateinischen mor-
tuns umgebildet jein jollte, Hingt doch gar zu jonderbar, als
da es ganz verſchwiegen werden dürfte.
Schon der Umitand, daß Kl. die aus dem Niederdeutichen ins
Hochdeutſche übergegangenen Wörter mit den aus andern Spraden
entnommenen auf eine Stufe jtellt, lehrt, daß er bei der Be
handlung der Fremdwörter ein etwas eigenartiges Verfahren ans
wendet. Ebenio ſcheidet er nicht zwiſchen den gemeinhin jo genannten
Fremdwörtern und den Lehnwörtern. So fommt es, daß man
Wörter in jeinem Buche findet, die feiner darin erwartet, und
manchen harmloſen Deutichen, der jeine Sprache liebt, wird ein
Graufen bejallen, wenn er hier erfährt, dab er eigentlich garnicht
deutjch redet, fondern Spradyen aus aller Welt.
Bei einem Buche über das Fremdwort im Deutjchen iſt es
wohl nicht unbercchtigt, nad) dem Standpunft zu fragen, den der
Berjajier den Fremdwörtern gegenüber einnimmt. Meint er fie
befämpfen zu jollen, oder hält er fie für wertvolle Bejtandteile
unirer Spradhe? Leider muß ich geiteben, dab ich diefe Frage
nicht beantworten fan. SU, hält es für eine Schande, ſich
in Fremdwörtern zu gefallen (S. 146), er nennt es ebenjo
eine Schande, daß man in Deutichland aus Vornehmthuerei nicht
einmal für Bater und Mutter deutiche Namen braucht (S. Tl).
Er jagt (S. 146 5): »Die Schmaroger, die guten deutschen Worten
den kn wegnehmen, find natürlich ohne weiteres abzuſchaffen
— eine Viſite zu machen, eine Theatervorftellung zu inbibieren,
eine Enauete zu veranftalten, Recherchen anzujtellen, ein
Entree zu erheben, diefe Facon de parler bat feine Entſchul—
digunge. Klingt das nicht, als wenn Kl. auf dem Boden unjer®
Spradivereins jtände? Aber derjelbe Mann erklärt (5. 145)
turz nach der Erwähnung unſres Vereins den Kampf gegen
die Fremdwörter im großen und ganzen für ausjicht®-
los, in gewiſſen Fällen fogar für nicht wünſchenswert.
Er meint, um diejen Kampf ſiegreich durchzuführen, müßten wir
die Ketten zerreißen, mit denen wir an den Himmel geichlofien
find, und die Kultur rüdgängig machen, deren Seqnungen wir
‚geniehen. Er jieht in manchem Fremdworte einen föjtlichen Beſitz
(S. 162) und iſt der Anficht, unjre mit Fremdwörtern
durchjegte Sprade jei der glüdlihe Anſaß zu einer
Weltſprache (!) (5. 10). Klingt das nicht, als mühten wir
dieje köſtlichen Beſißtümer mit allen Kräften jhüpen und hegen,
damit wir und immer mehr dem erjtrebenäwerten Hiele nähern,
dereinjt >die Weltſprache- zu jprechen ?
Aus feinem Buche aljo vermag ih nichts über Kleinpauls
Stellung zu der Fremdwortfrage zu erfahren. Da iſt es denn
mit Freuden zu begrüßen, daß Kl. nody an einer andern Stelle
über die Fremdwörter gehandelt hat, nämlich in der Beilage zu
der » Münchener Allgemeinen Zeitung« vom 8. und 9. April 18%.
Der umfangreiche Auffag trägt die Uberichriit: Die Sprad)-
fhulden der Deutihen. Mit dankenswerter Offenheit nennt
Kl. es da pedantiſch, daß aus Grimms Wörterbuch alle fremden
Wörter, wenn fie nur balbwegs undeulſch Hingen, ferngebalten
werden; er nennt das Fremdwörterbuch eine »anderen Nationen
anz unbelannte, zopfige Einridtunge. An einer andern Stelle
agt er: »Es liegt ein gut Stüd deutſcher Beicheidenheit in den
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradvereins. XH. Jahrgang. 1897, Ar. 8/9.
174
deutſchen Fremdwörterbüchern und in den Verdeutſchungswörter—
bücher, in dem ängſtlichen Streben des deutſchen Midels,
die Fremdwörter auszumerzen«. Noch befremdlicher Hingt, was er
weiter jagt: »O, ed giebt gar viele Helden in deutihen Landen,
gar viele Thefeufie und Herkuleſſe, die ſich aufmachen, das Vater:
land von den fremden Ungeheuern und Drachen zu befreien, aber
höcdjtens ein paar Müden totidylagen und ein Fihes Fröſchchen
fangen und die weiteren Mannesthaten wohlweislich bleiben laſſen,
weil fie recht qut fühlen, dak ihre Kraft nicht ausreicht. Solche
bramarbafierende Federhelden, die für die Sprads
—— ihr Leben lajjen wollen, ereifern ſich pas
triotijch, geraten in edlen Zorn und fangen mit ihrem
turzen Berjtande an, auf die franzöfiiden Frembs
wörter loszuhauen« Gemahnt das nicht an die berühmte
»Erflärung«e vom 28. Februar 1559? Der Sprache nad) ja,
aber die Unterzeichner jener Erklärung waren fich doch wenigitens
defien bewußt, was fie wollten. Kleinpaul ijt jih aber darüber
völlig unklar. Wenigitens jchließt er feinen Aufſatz, deſſen Rich—
tung durd die angeführten Stellen zur Genüge gefennzeichnet
wird, mit den Worten: »Schliehen wir mit den kernigen Worten
Vater Jahns, der die Menichen wieder turnen gelehrt hat: „Ein
Voll, das jeine eigene Spradye verlernt, giebt fein Stimmredt
in der Menjchheit auf. Mag es alle Weltſprachen begreifen
und bei Babel Turmbau zum Dolmetich taugen, es ift kein Volt
mehr, fondern nur ein Mengſel von Staarmenfcdhen‘«. Ent:
weder verjtehe ich Jahn nicht, oder ich veritche Mleinpauf nicht;
eine dritte Möglichten aber ijt mir noch wahrſcheinlicher, die näm—
lich, dak Kleinpaul weder Jahn noch jich jelbit veriteht. — Wer
jo widerjprechende Anfichten zu äußern wagt, wie es bier Klein—
paul in feinem Buche und in feinem Muffage gethan hat, der muß
freilich mit Husdrüden wie »turzer Berjtand«e und »bramar:
bafierende Federhelden⸗ um jich werfen, um die Mängel feiner
eigenen Ertenntnis zu verbeden!
Doch ich fehre zu dem Buche zurüd. Dem Kundigen lann e8
nicht ſchaden, und wer fich nur über irgend ein Fremdwort Be—
lehrung bolen will, der greife dazu. Aber wer ſich über die
Fremdwortfrage unterrichten will, der jei davor gewarnt. Es
würde ihn mur verwirren. Unſre Bejtrebungen vor allem läßt
der Verfafjer in einem falichen Lichte erfcheinen. Und gerade das
ijt fo gefährlich für den Unkundigen, dab Stleinpauls Stellung
zu und nirgendwo deutlich Hervortritt. Herrn Kleinpaul aber rate
ıch, dem Worte Jahns, das ihm ja doch gefallen haben muß,
recht innig nadzudenten. Vielleicht lehrt es ihn erkennen, daß
es wirklich eine gute Sache ıjl, dem fremdiwortliebenden deutſchen
Michel die Schlafmütze von den Ohren zu ziehen.
Elberfeld. Rihard Jahnke,
Dr. Günther. Saalfeld, Schreib’ deutſch! Das Büch—
lein von der deutſchen Briefftellerei. Berlin 1807, Seehagen.
2108. 8. geh. 2,50 Mt., geb. 3 Mt.
Wer für die Abfafjung von Briefen, Anzeigen, Eingaben an
Behörden u. a. einen —— Ratgeber jucht, dem fann man
dieſes vor furzem erichienene Buch unferes Vorſtandsmitgliedes
Dr. Saalfeld mit qutem Gewiſſen empfehlen. Er findet bier eine
reiche Fülle guter Mujter für alle möglichen Berhältnifie des
Lebens: Verlobungs» und Todesanzeigen, Zeugniſſe für Dienſt⸗
boten, Einladungsſchreiben, —S und Beileidsbriefe, Biit⸗
und Dankſchreiben, Geſuche bei Behörden, Miet: Verträge, lepts
willige Verfügungen ujw. Der Hauptvorzug diefer Schrift be=
ſteht darin, daß alle diefe Schriftftüce in quter, gewandter Sprache
und in reinem Deutic abgefaht find, und daß ſich in ihnen das
wirkliche Leben widerjpiegelt. Viele diefer Briefe lieft man mit
wirklicher Teilnahme, weil uns feine und liebenswürdige Menſchen
darin entgegentreten. Die vorausgeicidten Vorbemertungen ents
wideln in Mmappen Worten, welche Anforderungen die qute Sitte
und ein gebildeter Geftimad an den Screibenden ftellt. Eine
ſchüßenswerte Veigabe ift die Einleitung, die in Anlehnung an
das Wert Steinhaufens eine anziehende kulturgeſchichtliche Überſicht
über die Entwidlung des deuiſchen Briefes bietet; und ebenfo
wird vielen der Anhang willlommen fein, der das Wiſſenswürdigſte
aus dem Gebiete des Poſt- und Telegrapbenweiens enthält und
nügliche Winte iiber Anreden, Titel, Auf- und Unterfchriften giebt.
Dresden. 9. Dunger.
15
Brieftaften.
Wegen Raummangel8 hat eine erheblicdye Anzahl ſchon gejeßter
Antworten für die nächte Nr. zurüdgelegt werden müſſen.
Herrn G.8...., Wien. Mus der Probe öfterreichiichen
NAmtöftiles, im beionderen des Wiener Magiitrats, die Sie uns
freundlichjt überfenden, möchten wir wenigjtens einen Eak zur
Kennmis der Leier bringen, defien Wirkung wir durch feinerlei
Bemerkungen zu beeinträchtigen wünſchen. Er lautet: „Was die,
betrejiend die Durchführung des Beſchluſſes in dem Proteite
zum Nusdrud gebrachten ganz allgemein gehaltenen Befürchtungen
betrifft, fehlt auch diesfalls dermalen jede Bafis zu einem
behördlichen Einjchreiten, da Bejchwerden, welche ſich auf conerete
Fälle beziehen würden, nicht angeführt worden find.«
em A. D. . . “ Trarbach. In einer Brieitaftenantwort
der Mainummer (vgl. Sp. 99) ſind zwei Stellen aus einem Vor—
trage des Profefjord Dr. Kaftan über das Chrijtentum und
Miepiches Herrenmoral angeführt, Sie meinen, daß die darin
—— recht ungewöhnlichen Fremdausdrücke (»Pathos der
istanz« und » Ressentiment«) den Bortragenden » deswegen nicht
als Schuld angerechnet werden können, weil fie zu Niebſches ges
wöhnlihem Wortihaße gehören und in jener Schrift an Stellen
ftehen, wo die Lehren dieſes Philoſophen, offenbar mit möglichiter
Anlehnung an feine eigentümliche Ausdrudsweije, dargeftellt wers
den.e Das war dem Einjender wohl entgangen, jedenfalls er-
fcheint un® der Gebraud jener Ausdrüde nun in andrem Lichte.
Es fragt ſich aber, ob der Bortragende ſich dieje merlwürdige
Namengebung ohne weiteres zu eigen gemacht hat oder ob er jie
nur gerwifjermahen mit Anführungsjtridien gebraudıt.
Herm W. Gr...., Chriftianjtadt a. Bober. Der bei
Ihnen (wie in ganz Schleſien) gebräuchliche Ausdrud »Böhme«
oder »Behme fir Groſchen ijt nichts anderes ald »Böhme«
d. h. »böhmifcher Groſchen« Die erjten Groſchen find um 1300
in Prag geprägt worden. Die » böhmiichen« oder »prager Groſchen ·
fommen in Urkunden und Chronilen des ahögehenden Mittelalters
jehr häufig vor.
un H. N...., Bielefeld. An der Bildung ⸗»Aus—
funfteie nehmen Sie mit Unrecht Anſtoß. Erſtens giebt es nicht
bloß die Ableitungsfilbe rei, richtiger serei, jondern auch =ei;
und zweitens werden mit diefen Silben nicht nur von Zeitwörtern,
jondern auch von Hauptwörtern Ableitungen gebildet, meiit zur
Bezeichnung eines Amtes, einer Thätigkeit oder auch des Ortes
einer ſolchen, 3. B. Stuterei, Schäferei, Molkerei, Ziege—
lei, Bücherei, ferner: Hausvogtei, Kämmerei, Föriterei,
Pfarrei, Küſterei u. v. a. Der Bildung »Austunftei« jteht
— das freilich dem Niederländiſchen nachgebildete »Haufs
ahrtei«
Mitglied, Wiesbaden. Die Verhöhnung des Ausdrucks
»Schriftleitung« in der Briefkaſtenantwort der »Jugende,
Nr. 27 (1897) it zu thöricht, als daß wir uns darüber erregen
fönnten, Über ſolche Angriffe thäte man am beiten, zu laden,
wenn fie nur genug Humor bejähen, der ja diejer fonjt jo be—
acıtenswerten Jeitſchrift leider fait ganz fehlt. (Das bischen
Humor, das fich darin findet, borgt fie in zumeiſt vom Auslande.)
Aus der in dieſer Nr. veröffentlichten Liſte der Zeitungen und
Beitfchriiten, welche die Nusdrüde »Schriftleitung« und » Schrift:
leiter« angenommen haben, mag die »Nugend« erjehen, daß die
von ihr jo übel vermertte Neubildung ſchon recht viel gebraucht
wird, ſich aljo ihrem Spott zum Troße dody Eingang verſchafft.
Herm F. Sch. ..., Hannover. Au der Brieffajtenantwort
über »English plated« (vgl. Sp. 143 d. v. Nr.) teilen Sie uns
freundlichit mit, dab man doc zwijchen einer Berjilberung
und einer Silberplattierung zu umterjcheiden habe, injolern
Briefe und Drudfaden für die Bereindleitung
find an den Borfigenden,
Oberleutnant a.D. Dr. Mar Jahns in Berlin WW,
Dargaretenitraße 16,
| Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 59.
2
176
die Verſilberung durch ein galvanifches Bad, die Silberplattierung
durch Auflöten von dünnen filbernen Platten geichehe. Wie unier
Gewährdmann, verwerien aber auch Sie den Gebrauch der Be
zeihmung »English platede, die je nad) dem Verfahren durd
»englifch plattiert« oder »engliich verfilbert« zu erſetzen jei. für
»plattierte fünnte man ja »beplattet« fagen, doch it die
Endung »ieren kaum noch als undeutich zu betrachten. Welke
Unzabt von gut deutich gewordenen Wörtern mühten wir ans
unferer Mutterfpracdye entjernen, wollten wir die Endung zieren
antajten!
Herrn 3.6.8. ..., Bremen. Die Sp. 142 ausgeiprohen
Vermutung erweift fi durch ein Schreiben der Herren €. Hupert
u. Ko. in Köln als zutreffend. Der an Gie gelangte Brid:
—— mit engliſchem Vordruchk iſt lediglich aus Verſehen für
das Inland verwendet worden. Daß aber deutſche Geſchäfte, di
viel mit dem Auslande verkehren, dies in der Sprache des fremden
Landes thun, farın ihnen doch faum verdacht werden: das Deutjch
ist noch nicht Weltiprache, und wenn es weiter in jo empörender
Weife unterdrüct wird, wie jept in Ofterreich, dann können wir
es noch erleben, dak unfere Wutteriprache, ftatt ſich auszubreiten,
immer mehr hinter denen andrer Länder zurüdtritt.
Henn €. €,..., Berlin. Daß die Reichshauptbank in
ihren Vordruden die Wörter »Depofitume und »Depojital:
ſchein« verwendet, iſt bedauerlih. Warum jagt fie dafür mic:
»Verwahrgute und Verwahrſchein« ' Much die Bezeichnung
»Komtor zur Aufbewahrung verihlofiener Depofiten« fünme
vermieden werden, obgleich es ſchon ſchwer ift, dafür eine hut,
gut deutfche Faſſung zu finden, Vielleicht würde ſich > Aus
ewahrungsjtelle (entſprechend dem jept jo viel gebrauchten
Worte ‚Sejhäftsjtelle‘) für verichlofiene Wertjahen
empfehlen. Vorſchläge nimmt die Schriftleitung gerne entgegen
Geſchäftlicher Teil.
Am 6. Juni d. J. fand nachmittags "/,3 Ugr in Stuttgart
eine Sipung des Gejamtvorjtandes ftatt, im der nad:
ſtehende Beſchlüſſe von allgemeinerer Bedeutung gefaßt wurden:
1. Die Berfündigung der Preisverteilung findet durd; den
Schriftführer des Vereins, Profefior Dr. Pietſch, auf der
Hauptverfammilung ftatt.
2. Der Hauptverfammlung wird der Vorſchlag gemacht, dit
Hauptverfammlung im Jahre 1898 ausfallen zu lafjen.
3. An Stelle des durch Tod aus dem Borjtande gejchiedenen
Geb. Baurats Nüppell wird Oberft 5. D. Schöning in
Dresden zugewäblt, ihm auch die Leitung des Ausſchußes
übertragen, der über die Verdeutſchung militärischer Aus
drüde in der Ariegähmitiprache beraten foll.
Ich wiederhole die in der vor. Nr. ausgefprocdhene Bitte an
die geehrien Mitglieder, an der Ausführung meines Antrant?
bezüglich der Gaftbofiprade (vgl. dieje Nr.) thatkräftig mitzu—
wirfen und jtelle vom 1. Septbr. d. 3. an Abzüge des an die
Befiger von Gajthöfen gerichteten Drudjchreibens zur Ber
fügung. Zugleich bitte ich um Angabe derjenigen Gaſthofsbeſiher,
die ſich nad) Empjang des Schreibens mit ihrer Eintragung in
die Liſte einverftanden erflärt haben.
Friedrich Wappenhans,
Grob = Lichterfelde bei Berlin, Drafeftrake 3-
Geldfendungen und Weitrittderflärumgen (jäbelider Beltrag 3 Mar,
wofür bie Zeitſchrifi und die fonitigen Trudioriheen deb — gellefert werden]
an den a
tagsbushändler Eberhard Ernft in Berlin W®,
Wilhelm ſtra be 90,
Briefe und Druckhachen für die Zeitſchrift find am den Herausgeber, Oberlehrer Frledrich Wappenhane in Groß⸗Lichterfelde bei Berlin,
Drateftraße 8,
au
dur die Eepriftleltung verantwortlig: Zriedrid Wappenhans, Gr.-Ligterielde. — Verlag deb allgemeinen beutkien Gpradhvereins (Jägns und Era),
—— und Zuſendungen für die Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profeſſor Dr. Paul Bietfch in Berlin W®, Mopftraße 12
Berl
Drud der Bucdbruderet des Walfenhaufes in Halle a.d. ©.
1 Seitfeheitt "7"
allgemeinen’deuffchen Sprachvereins
Regründefvon Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorjtandes —— von Friedrich Wappenhans.
Die Beitichrift Ks ge dur Im Buchhandel * bie Bot
zu 8 Mt. jährlich bezogen werden. — Anzeigenannahme durch den Schapmeilter
Eberhard Ernit, Berlin W*, MWilbelmitr. 90. — Auflage 16250.
Diele geitichrift ericheint jäßeridh pmötfmal,, zu Anfang jedes Monats,
und wird den Mitgliedern bes allgemeinen beutichen Sprachvereins unentgeltlich
geliefert Sadung 24).
Aubalt: Bi Sammlung deutſcher Vollswörter. Bon P. Pietſch. — Eine wichtige Nundgebung des preußiſchen Staate-
miniſteriums. Bon O. S. — Die Heimat des Schiffäramens »Jadıts, Bon J. Franck. — Gut deutich allewege — bis in die Knochen!
Bon R. Palleste. — Zur Verftändigung über die Ausſprache des Deutihen. Bon Th. Gartner. — Aus Friedrich Theodor Viſchers
Auch Einer«e. Bon Richard Jahnfe. — Neue Berdeutihungen, Bon Karl Bruns. — Erfte oder dritte Perfon? Bon K. B. —
Kleine Mitteilungen. — Sp predhiaal. — Zur Schärfung des Sprachgefühls. — Bücherſchau. — Zeitungsichau. — Aus den Zweig:
vereinen. — Brieflajten. — Geſchäftlicher Teil.
* * ſchließen möchten. Ortliche Verhältniſſe werden nur von ſehr
Sur Sammlung deutſcher hollswörter. wenigen Zweigvereinen als ein ſtichhaltiger Grund gegen ihre
Es ift an der Zeit, kurz zu berichten, welche Erfolge die An- | Beteiligung angeführt werden können — es wird vielmehr wie bei
regung gehabt hat, mit der ich im Auftrage des Ausſchuſſes in allen unſern Bejtrebungen immer weſentlich auf das Vorhanden—
der heurigen Märznummer unver Zeitichrift an die Zweigvereine | fein »der zähen, ftillen Begeifterung«, wie Rudolf Hildebrand es
und einzelnen Mitglieder des allg. deutſchen Sprachvereins heran: | ausdrüdt, anfommen. Wo dieje bei einem Mitgliede des Zweig:
getreien bin. Danfbar iſt anzuerfennen, daß in den eingelaufenen | verein®, das zugleich auf andere zu wirken veriteht, vorhanden
Zuſchriften manch warmes Wort begeifterter Zuftimmung umd iſt, wird unfre Sade im allgemeinen und im befonderen auch die
freudiger Bereitwilligfeit zur Mitwirkung gefallen ift; aber die | Volfswörterumfrage eine gute Statt finden.
Geſamtzahl diefer Erklärungen ift doch auch hinter beicheidenen | Solche Männer find gewiß auch vorwiegend diejenigen, die für
Erwartungen jehr zurüdgeblieben. NReferendar H. Nump (Berlin) | ihre Perſon fi zur Mitwirkung an unjerm Vorhaben bereit er—
fagt in feiner von einem warmen Berftändnis getragenen Zuſchrift: Härt haben. Ihre Namen follen bier Platz finden, als Beifpiel
er hätte erwartet, dak wir bald einen Verzweiflungsſchrei nach und Aufmunterung für andere, aber auch um ſchon jeht einen
Art des Mannes mit dem Wunſchringe ausſtoßen würden, auf | Überblick zu ermöglichen über die Gebiete und Orte, die durd)
den es Thaler regnete, und mit aufrichtigem Erjtaunen habe er aus | fie vertreten werden, Daher iſt der Wohnort beigefügt, und wo
dem Jahresbericht erjehen, daß erjt 43 Thaler langiam hereins | dies befonderd angegeben worden, in Klammern auch die Munds
getröpfelt feien, zu denen er fich mum den 44. beizutragen erlaube. | art, über welde und aus welcher die betreffenden Herren zu
So jugendlich Fühn find unfre Hoffnungen nicht gewefen, aber wir | berichten fich erbieten, weil fie ihnen am meiſten vertraut ift.
haben namentlich geglaubt, daf wir bei den Zweigvereinen mehr | Der Stand wurde beigejept, jofern er in ber Zuſchrift genannt
Entgegenfommen finden würden. Bisher haben von diefen, deven | oder fonjt befannt war. .
Sejamtzahl doc) ſaſt 200 beträgt, erſt elf: Berlinden, Bonn, | Es find Aufchriften eingegangen von den Herren: Dr. med.
Boppard, Braunihweig, Chemnig, Elberfeld, Grimma, | Franz Ahrendts, Arnſtadt. — Oberbürgermeilter a. D. Geh.
Magdeburg, Münden, Wermelsfirhen, Zittau eine bes | Negierungdrat Andre, Chemniß. — Major a. D. Bauer,
ftimmte Zujage ihrer Mitwirkung gegeben. Nur in Ausficht geftellt | Lichtenthal b. Baden-Baden. — Dr. Bender, Münden [Frant-
haben diefe Zuſage die Zweiqvereine Efjen, Frankfurt a.d. Oder | furt a. Main und Umgegend, aber auch oberbairiih u. ſchwäbiſch).
und Kafjel, alle aus befonderen äußeren Gründen, die vor der | — Profeffor Blajendorff, Stettin. — Univerfitäts- Profefjor
Hand eine Beſchlußfaſſung über die Angelegenheit verhindert haben. | Dr. ©. Brenner, Würzburg. — Brofefjor Brunner, Münden.
Der Zweigv. Leipa (Böhmen) jchliehlich hat jeine Teilnahme dadurch | — Dr. Fr. Tartellieri, Joachimsthal in Böhmen. — Ober:
befunder, da er einen Abzug der Schrift von Anothe über die | lehrer Dr. C. Franke, Borna [mweitmeißniihe Moda]. — Karl
Martersdorfer Mundart einjendete. Es fehlen Hier alſo noh | Garnich, Düſſeldorf [bergiihe Moda... — Realjchul- Profefior
Bweigvereine, die an Mitgliederzahl und Rührigkeit hervorragen, | P. Grajel, Graz [deutiche Anfiedlungen im Banat (Ungarn)]. —
und die Vermutung wird einigermaßen berechtigt fein, dab wohl | J. Hartleb, Darmitadbt (Odenwald: Erbad und Birkenau). —
auch anderwärts lediglich zufällige äußere Gründe einer Ertlärung | Volklsſchullehrer A. Hellmann, Eichen b. Kreuzthal i. Weſtfalen
in diefer Sache bisher entgegengeftanden haben mögen. Ins- | [Siegerländer Mda.]. — Reltor Jacobaſch, Beurhen a. d. Oder.
bejondere mag vieleicht auch der Zeitpumft, zu dem die Sadye an | — Prof. Dr. Kewitſch, Freiburg i. Breisgau Konitz i. Weit:
die Bweigvereine gelangte, mit Schuld tragen; halten doch wohl | preufen]. — Fr. Sangenwiejche, Bünde i. Weftfalen. — Ober:
die meilten von ihnen den Sommer über feine VBerfammlungen | Ichrer 3. Ceithäufer, Barmen [niederrheinifh]. — Adminiftrator
ab. Wir bitten alſo, dab jetzt bei Wiederaufnahme derfelben | Löper, Garlsburg b. Züſſow [Medlenburg und Vorpommern).
recht viele Zweigvereine die Sache der Volfswörterumfrage bald | — Oberbibliothekar Dr, Edward Lohmeyer, Kaſſel. — Prof.
auf ihre Tagesordnung ſehen und ſich den obengenannten an= | Dr. Luid, Graz Umgegend von Wien]. — Gymnaſiallehrer a. D.
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Beitigrift ded allgemeinen deutihen Spradvereind, XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
150
Dr. Heinr. Meyer, Wiesbaden [Fürjtentum Rapeburg]. — Dr.
med. 8. Ötter, Oeynhauſen. — Ev. Pjarrer ®. v. Oven, Fleis—
bad, Rgbz. Wiesbaden. — Gymnafial-Oberlehrer Balleste,
Kattowig [Straljund und Umgegend). — Bidert, Darmitadt
(Odenwald: Erbach und Birkenau]. — Karl Reininghaus,
Graz. — Brofefjor a. d. techniſchen Hochſchule Neiniper, Graz.
— Notar Dr. Rietſch, Neuern i. Böhmen. — Neferendar Herm.
Nump, Berlin [Redlinghaufen]), — Felix Sarrazin, Dort:
mund. — Amtsrichter Dr. Schotte, Berlin. — Joſef Schürer,
Wien. — DOberlehrer C. Shumann, Lübeck. — Seminarlehrer
cand. min. Sellſcho pp, Neuflofter i. Medlenburg: Schwerin. —
Amtsrichter Uhde, Sinsheim an der Eljenz (Baden). — Unter:
forder, Eger. — Fabrikbefiger Job. Wiedemann, Apolda. —
Brof. Wilhelm, Pilfen. — Dr. Winterſtein, Kaſſel. — Ober:
lehrer Richard Woſſidlo, Waren i, Medi. [Medlenburg].
Demerft fei, daf einige diefer Herren nicht ſowohl erllärt haben,
mitarbeiten zu wollen, als vielmehr nur ausgejprocden haben,
daß fie dem Unternehmen freundlich gefinnt feien, und dieſe Ge-
finnung durch Hinweiſe und Winke oder Überfendung einzelner
Schriften über Mundarten, ähnlich wie der oben genannte Zweig:
verein Leipa, befundet haben. Aus den Aujchriften einiges hervor:
zubeben, worin unfer Unternehmen entweder in einer bejonderen
Beleuchtung ericheint, oder für die Ausführung Natjchläge er:
teilt werden, wird nötig und nützlich ſein. Doch wird dies befjer
vertagt, bis noch weitere Zufchriften vorliegen, und unjer Unter
nehmen feine endgiltige Ordnung erhalten kann. So fei an diejer
Stelle nur als von bejonderem Werte die Beteiligung der Herren
Prof. Dr. Brenner (Würzburg) und Oberlehrer R. Woſſidlo
(Waren), hervorgehoben, die beide über reiche Erfahrungen auf
dem Gebiete der Sammlung von Boltsüberlieferungen verfügen;
wir werden von ihrem Mate und ihren Sammlungen oft und
gern Gebrauch machen, und wollen hoffen, da unjer Verein, ber,
nad) Woſſidlos Ansicht, >auf diefem Gebiete zweifellos Großes
feiften fanne, auch wirklich etwas Achtenswertes leiſten wird.
Sit nun aud) vor allem noch weitere Beteiligung von Zweig-
vereinen und einzelnen Mitgliedern notwendig, jo wird es doch
möglich) fein, mit denen, die ſich bisher zur Teilnahme erboten haben,
einen Verſuch, gewiſſermaßen als Kraftprobe, zu wagen. Sehen
erjt andere, wie üngefähr verfahren werben foll, und weicher Art
bie Anforderungen an fie find, fo wächſt wohl mandem die Luft und
der Mut. Und obendrein liegt zur Anftellung einer ſolchen Probe
auch noch eine befondere Beranlafjungvor, es iſt dies der auf
ber legten Hauptverfammlung hinfichtlich der deutfhen Monatör
namen gefahte Beſchluß. Dieſer lautet: »Die Hauptverfammlung
erflärt ſich bereit, der frage der deutſchen Monatsbezeichnungen
näher zu treten, und erfucht den Geſamtvorſtand, zunächſt Ers
mittelungen darüber anzuftellen, welche deutſchen Monats—
namen vorhanden find, und welche fich zur etwaigen Anwen—
dung am beiten eignen würben.« (Itſchr. 1897, Sp. 162/3.)
Welche deutichen Monatsnamen im Mittelalter im Brauch
gewejen, darüber giebt Karl Weinholds trefflihes Büchlein »Die
deutſchen Monatönamen« (1869) nahezu erihöpfende Auskunft.
Auch auf die Neuzeit und die Gegenwart iſt öfter Nüdficht ges
nommen, doch find die Angaben darüber naturgemäh weniger
volljtändig. Auch find ſeit dem Erſcheinen des Buches 30 Jahre
ind Land gegangen, die von der Volfsüberlieferung und der
Vollsſprache wahrſcheinlich mehr weggewiſcht haben als jonjt Jahr:
hunderte. Und wenn heute der Gedanke einer Erfepung der
fremden Monatsnamen durdy heimische von manden Seiten mit
Feuereifer verfolgt wird, jo kann man ein ſolches Streben an fich
nicht verwerfen — und e& ijt ja auch ftarf genug geweſen, die
nn — — — — — — —
Annahme des erwähnten Antrages zu bewirten; — aber wen
irgend mehr dabei herausfommen foll als ein für die Gelamtke
unjres Volles gleichgiltiger Sport einzelner Perfonen oder ir
pen, jo wird man nicht fortfahren dinfen, nach blokem Ge;
biinfen und perjünlihem Gefallen Liften deutiher Monatsnamn
aufzuftellen, zu gebrauchen und von andern das Berjtehen m
den Gebrauch zu fordern. Man wird weiter fich darüber far
werden müſſen, daß gewiſſe Monatönamen, wie befonders Wir,
April und Mai, unausrottbar find, und daß z.B. bei Januar dx
Erſetzung durch die Lehnwortform Jänner allen billigen Anſprüchen
genügen würde, weiter aber, dab für die übrigen in eritr
Neige nur deutfhe VBezeihnungen in Betracht fommen
können, welche heute wenigstens in einem Teile Deutſch
lands noch lebendig find, erſt dann ſolche, die es einjt waren,
und gar nicht moderne Neubildungen. Somit ift alſo für je
weitere Erörterung diefer Angelegenheit die wichtige Vorfrage zu
beantworten:
Sind noch heute in den einzelnen Gauen Deutid:
lands an Stelle der jhriftdeutihen Monatönamen
beim Volke andere im Gebrauch? Welde jind es, welde
Monate bezeichnen jie und wo gelten fie?
Diefe Frage möge als erſte unfrer Vollswörterforjchung der
Zweigvereinen und Mitgliedern vorgelegt fein, die daran ſich be
teifigen zu wolen erflärt haben, aber auch allen anderen, dx
auferdem ſich zu beteiligen wünſchen. Einiges jei zu mähe
Erläuterung noch hinzugefügt.
Weinhold führt in der Einleitung zu feinen » Monats
namen« aus, daß es gemeingermaniſche Monatsbezeichnungen
nicht gegeben haben könne, weil die Benennungen der einzelnen
germanischen Völler ſehr von einander abweichen. Auch ale
gemeindeutſch Fönnen nur wenige deutſche Bezeichuungen an:
gefehen werden, 3. B. Hornung. Es hat dies offenbar feinen
Grund darin, daß die Germanen urjprünglicd Zeitangaben
nach Jahreszeiten, nadı Saat und Ernte und jonitigen Wirtichaftt:
vorgängen, nad) Wetterperioden, nach Tieren und Gewächſen, die
zu einer beftimmten Zeit befonders hervortreten u, dgl., bevorzugten
vor der genaueren Angabe von Tag, Woche und Monat. Dieſe
Neigung hat ſich bejonders beim Landvolfe bis heute vielfach er
halten: »In der Ernte«, »in der Saat« uw. bört man öfter ald
sim Julie, »im Märze ufw. Damit hängt zufammen, daß die
Bezeichnungen der Jahreszeiten zuweilen als Monatsnamen vor
lommen, 3. ®. Herbft für September, Oftober oder November,
daß Monatsnamen mit ihnen gebildet werden, und deren Be
deutung dann zwiſchen mehreren Monaten ſchwankt, wie Herbft⸗
monat gleichfalls zwiſchen September, Oltober und November.
Auf derartiged wäre zu achten und wenn möglich, anzugeben, in
welchem Grade Monatsnamen überhaupt vom Wolfe gebraudt
werden und wie weit e8 noch der alten Gewohnheit nachhängt.
Sodann wäre immer die ganze Reihe der 12 Monat!
namen, wie fie an dem betreffenden Orte in Gebrauch find, feit:
zuſtellen; alſo nicht bloß die anzugeben, welche von den ſchrift
deutichen verfchieden find, fondern auch die, melde mit den
legteren übereinjtimmen, und zwar möglichit getreu im der beſon⸗
deren mundartlichen Ausſprache. So iſt auch zu verfahren, wenn
irgendwo nur die ſchriftdeutſchen Bezeichnungen gebraucht werden.
Die Ortlichteit, im der die Namen gebräuchlich find, ift mög?
lihft genau zu bezeichnen. Es it immer befier und wichtigen,
daß einzelne Ortichaften genannt werden, von denen der Berichtet
genau weiß, daß ein beftimmter Name dort üblich iſt, als dab ei
jeine Kenntnis von einigen Orten gleich veralgemeinert und ei
größeres Gebiet nambajt macht, für defien ganze Ausdehnung die
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XH. Jahrgang. 1897, Wr. 10.
182
—t —— — — — — — — — — — — — —— — — — — —
Angabe bei näherer Prüfung doch vielleicht ſich nicht als zutreffend
erweiſen wũrde. Diefe nähere Prüfung anzuftellen, ift aber nicht
überall möglid. Weniger it mehr in jolden Angaben.
So bitte ih nun die verehrten Wereinägenofjen, fich der
Monatönamen anzunehmen und mir etwa innerhalb 6 bis 8 Wochen
die Ergebniffe mitzuteilen. Darüber wird dann in ber Zeitjchrift
zu berichten fein.
September 1897. Profefjor Dr. P. Pietſch.
Berlin Wee, Mogitr. 12.
Eine wichtige Rundgebung des preußiſchen $taats-
minifteriums,
Für den Gejchäftsverfehr der preußiſchen Staatös und Ge—
meindebehörbden hat das Staatsminiſterium vor kurzem »Grund—
züge« aufgejtellt, die in erjter Linie eine PVereinfahung des
Gejhräftsganges zum Zwecke haben, ich aber aud im Sinne
unferer Bereinsbejtrebungen über die Amtsiprade der Bes
börden in einer Weije äußern, die von allen Freunden unjerer
Sprache mit Genugthuung begrüßt werden wird. (Gleich der erfte
Abſchnitt der »Grundzüges beginnt mit folgenden vortrefflichen
Anweilungen für den » Amtsjtile:
» Die Screibweife der Behörden foll fnapp und Mar jein,
ihrer Stellung zu einander und zum Publikum aud in der Form
entiprechen und fich der allgemein üblichen Sprache des Verkehrs
anſchließen. Entbehrlihe Fremdwörter, veraltete Kanzlei
ausdrüde und überflüffige Kurialien find zu vermeiden. Der in
engen Grenzen zu baltende Gebraud; von Höflichkeitswendungen
muß weſentlich dem Taktgefühl überlajjien bleiben. Sie können
auf die Ausdrüde „gehorjamft, ergebenft‘ oder ‚geneigtejt, ges
fäligit‘ beſchrünkt oder, fofern nur bie erforderliche Höflichkeit
ber Ausdrudsweije im übrigen gewahrt wird, ganz weggelaſſen
werden... Häufungen und Steigerungen, wie 3. B. ‚beehre
mid) ergebenft, jehr gehorfamjt, ganz ergebenst‘ find zu vers
meiden... Als Vorbild für die Sprachreinheit kann das Bilr-
gerliche Geſetzbuch dienen; die Schrift Nothes ‚Über den Kanzlei⸗
ſtil“‘ giebt geeignete Fingerzeige für eine richtige Ausdrucksweiſe.«
Diefe Säße ftehen an der Spitze der »Grundzüge« und zeigen,
daß deren Abfichten, jomweit fie auf die ſprachliche Seite bes
Geſchäftsverkehrs der Behörden Bezug haben, fich mit den Bes
ftrebungen und Bielen des a. d. Sprachvereins vollitändig been.
Das beweijen ebenjo die von den einzelnen Minifterien ergangenen
Verfügungen, mit denen die vom gejfamten Staatsminifterium
feftgeitellten » Grundzüge « nebit kurzen begleitenden Erläuterungen
ben Einzelbehörden zur Beachtung mitgeteilt worden find. In
diefen Verfügungen findet ſich u. a. der Gap:
»Die richtige Wiedergabe entbehrlider Fremdwörter wird
duch; Wörterbücher, wie da8 vom Allgemeinen deutſchen
Sprahverein herausgegebene: ‚Die Amtsiprade‘
(Berlin 1897) ) erleichtert.«
Unfer Sprachverein hat allen Grund, fi diefeß Erfolges
feiner Bejtrebungen von Herzen zu freuen. Daß eine jolche
Kundgebung vom Gefamtminijterium des größten deutjchen
Bundesjtaates ergangen ift, daß fie für alle preußiſchen Bes
hörben, und zwar für die Staatds wie Gemeindebehörden, die
Richtſchnur abgeben foll für die ſprachliche Behandlung ihres
Schriſtwerkehrs aller Art, daß fie, folchergejtalt mit dem höchſten
amtlihen Anfehen ausgeftattet, zur Kenntnis auch des letzten
*) Preis 080.4 Bu beziehen durch die Seichäftsitelle des
Vereins, Berlin W*, Wilhelmjtrahe 90,
Beamten der legten Behörde gelangt, — das alles verleiht ihr ein
Gewicht, deſſen Bedeutung und Einfluß wir hoc) anſchlagen dürfen.
> Früchte! Früchte! Früchte!« — dieje vorwurfsvolle Mahnung
hat, wie der Borfigende unſeres Vereins am Schluſſe feines
Jahresberichts auf der Ieften Hauptverfammlung in Stutts
gart erzählte, ein Ungenannter mit großen Schriftzügen auf
Beitungablätter geießt, in denen er die in Lanbtagöverhands
lungen uw. gebraudjten Fremdwörter ſämtlich rot unterjtrihen
hatte, und die er dem Vorſißenden dann durch die Poſt einfandte.
Nun — wir meinen, wer Mugen hat zu jehen und Obren bat
zu hören, der fann über die «Früchte · unjerer Beftrebungen nicht
im Zweifel ſein. Man vergleiche doch einmal Schriften und
Beitungen von Bedeutung aus dem Jahre 1885, da der Sprad-
verein gegründet ward, mit gleicyartigen Schriften und benjelben
Zeitungen von heute, und jeder Unbefangene wird die »FFrüdte«
erkennen müſſen. Und wenn heute alle Welt von »Sprachreins
beit« u. bergl. fpricht, der eine im Ernſt, der andere im Scherz,
biefer erfreut, jener geärgert — find das nicht alles Früchte und
zwar anjehnlihe Früchte? Gewiß, nur reif find die Früchte
noch wicht; dazu gehört eben Zeit, viel Zeit, und noch mehr
Arbeit, viel Arbeit! Das verfennt wohl jener ungebuldige
Freund unferer Sache: mehr als für irgend eine andere Arbeit
gilt für die Vejjerung und Veredelung einer Sprade der alte
Sag: »Gut Ding will Weile haben!e — Mit diejer neueften
Frucht, den »Grumdzügene des preußiſchen Staatsminiftes
riums mit ihren Sprachlihen Anweiſungen, die erfichtlich auf
dem Boden des a. d. Sprachvereins erwachſen find, dürften
aber auch ungebuldigere Vereinsgenoſſen nicht unzufrieden fein,
und eine ſolche Furcht ift wohl danach angethan, die Hoffnung
auf endlichen Erfolg neu zu beleben und zu fräftigen. Frei⸗
fich: reif ist auch fie noch nicht; denn niemand wird glauben, daß
nun mit einem Schlage alle preuhiichen Beamten fich nur noch
in quter, fnapper, Marer und möglichjt fremdiwortlofer Schreib»
weife und Sprache werden vernehmen laſſen. Vielmehr können
auch hier die Wirkungen nur allmählich hervortreten, werden auch
bier die Früchte nur langſam reifen. Indeſſen ift allen Mitgliedern
des Sprachvereind, auch denen, die nicht preußiſche Beamte find,
hierbei offenbar eine Mitwirkung möglich, da jeder auf Grund
der Kundgebung des Staatäminifteriums ſich die Freiheit nehmen
mag, ſprachliche » Beamtenvergehungen« gegen die »Brundzlige«
in irgend einer jchielihen Form zu rügen, indem er — je nad)
feiner perfönfichen Stellung zu dem Übelthäter — beiſpielsweiſe
auf die ergangenen Vorſchriften »zart anipielt«, den Sünder leife
erinnerte, »verwarnte oder »vermahnt«, ihm einen »Wint mit
dem Zaunpfahle erteilt«, oder aber ihm die »Grundzügee kräftig
unter die Nafe reibt«. In je freundblicherer Weife und mit je
mehr Humor das gefhieht — guter Humor iſt ja überhaupt
ein noch bei weiten unterjhäßter, überaus wirfamer Bundes:
genofje unferer Arbeit —, um fo eher wird aud) dieſe vortreff:
liche jüngite Frucht zur Reife kommen.
Friedenau. D. ©.
Die Heimat des Schifftsnamens Jacht«.
Es wird heute immer mehr Gebrauch, den Namen der jcharf
und leicht gebauten, ſchnellen Waflerfahrzeuge, Jacht, ftatt mit
J mit N zu Schreiben.) Wie es fcheint, iſt dieſe Schreibung
jogar amtlich feftgejeßt, und im den Kreiſen unjerer flotte und
*) Am Jahre 1578 fagte Weigand in jeinem deutſchen Wör—
terbuch noch: »Die Form Jacht ijt die übliche, Yacht bei uns jetzt
mehr außer Gebrautche.
183
des Wafjerfports foll auch die englifche Ausſprache ⸗-Jott « voll-
jtändig eingebürgert fein. Das ift ebenfo fehr zu bedauern, wie
es ungerechtfertigt it; Nacht it durchaus Fein englifcher Name,
viel eher ein deutſcher.
Den älteiten mir befannten Beleg enthält das niederländiich -
lateiniiche Wörterbuch Kiliaans aus dem Jahre 1599: inght, iaghte,
erflärt als ein leichtes, beſonders jchnelles Schiff. Als älteften
deutjchen Beleg führt das » Deutjche Wörterbich« an aus Bödlers
» riegsichule« 1668: »die Jagten find eine andere Art der Spiegels
ichiffe, welche fehr geihmwind fegeln.« Dann folgt Joh. Leonh.
Friſchs »Teutſch⸗lat. Web. (1741). Durch Adelung fand eine
faljche Etymologie Eingang, indem er meint, Jacht, Jachtſchiff
fünne jowohl von »Fagd« und »jagen« abgeleitet werden als
auch unmittelbar von »gach, jach⸗ und der letzteren Mbleitung
den Vorzug giebt.
Neben jacht, jachte hat Kil. auch jachtschip, und ebenſo
gilt bei und Jachtſchiff, z. B. bei Stieler (1691), Leſſing, Ade—
lung und fpäteren. Darin haben wir die urjprüngliche Form zu
erfennen, woraus ⸗Jacht⸗ durch Bereinfahung entitanden iſt,
wie 3. B. »Panzer« aus »Banzerichiffe, » (Drient:) Erpreß« aus
»Erprefiguge. »Jachtschip« iſt abgeleitet von mittelniederl. jacht
»Berfolgung, Eiles, das nicht ganz dasjelbe ift, wie unſer
-Jagd«, aber mit diefem zu »jagen« gehört, wie »Trachte zu »tragen,«
»Macht · zu smögene Much aus dem Plattdeutichen Oſtfrieslands
wird jagt, jacht »Eile, jchnelles Treiben z. B. von Luft und
BWaffere verzeichnet, während die Zugehörigfeit des im früheren
und jepigen Niederdeutichen verbreiteten Zeitwort$ jachten »mwild
umberlaufen und lärmen«, sich abjachtern »ſich abhegen« zu
ben bier befprochenen Wörtern nicht ohme weiteres fejtitebt. Die
Herleitung wird noch bejtätigt durch eim mit -Jachtſchiff« gleich
bedeutendes, unmittelbar von »jagen« abgeleitetes jageschiff, das
im älteren Nieder- und Hochbeutichen gebräuchlich geweſen ift.
Wie die Standinavier und Franzoſen, jo haben aud) die
Engländer Sache und Wort erft von den Holländern erhalten.
Wir haben dafür die bejtimmteften Zeugnifie. So z.B. in den
Tagebücern von Samuel Bepys') und John Evelyn,?) aus denen
wir erfahren dag die Jacht, zunächſt als holländiſches Luſtſchiff
bezeichnet, erft in den jechziger Jahren des 17. Jahrbunderts in
England befannt wurde. Die erfte hatte der König von ber oſt—
indiichen Kompagnie zum Geſchenl erhalten. Da im Engliichen
das j eine andere Ausſprache Hatte, führte man in das entlehnte
Wort ein y ein, oder auch behielt e8 bei; denn auch die Nieders
länder jchrieben ftatt j öfter ein y. Much bei uns iſt deshalb
die Schreibung ⸗Yacht⸗ möglicherweiſe niemald ganz verfchmwuns
den, die Regel war jedoch durchaus, daß man, wie auc in dem
Niederlanden, zu dem einfacheren »« zurückkehrle. Der Gebrauch
von heute ift ohne Zweifel bloß englijhe Mode, wie die Aus—
ſprache Jott. Die Engländer bedenken ſich audı heute nicht, die
Ausſprache fremder Wörter zu verändern. Die Verbindung von
Vokal und cht war ihnen nicht geläufig. So haben auch die
Schweden jackt und die Franzoſen die Ausſprache inck einges
führt. Aber warum jollten wir, nachdem der Buchſtabe 9)
wenigitens im Anlaut glüdlic aus unferem Miphabet verichwuns
den fit, die englifche Screibweife und Ausſprache erborgen, zus
mal bei einem Worte, das cher uns als ihnen gehört? Der
1) Herausgeg. London 1875.
8. Nov. 1660,
2} Herausgeg. London 1862. S. unter dem 1. Dft. 1665.
Hefbant, der engl. Verfaſſer eines nieder. engl. Wörterbuchs ge—
braucht im Jahre 1658 zur Überfepung des holl. jacht das Wort
yacht noch nicht.
©. unter dem 15. Aug. und |
Zeitfhrift des allgemeinen dentfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10, * 184
Name jacht war ohne weiteres auch für die Niederdeutte
verftändlidh; überhaupt gab es damals fiir dad Bollsbenurkz
in ſprachlicher Beziehung noch faum einen Unterfchied zwite
nieberdeutich und niederländiich; das letere war auch der Nam
für da& erſtere. Wir fönnen bei manden Ausdrücken des Su
weſens*) oder auch) anderer Hulturgebiete gar nicht jagen, ob i
niederdeutich oder niederländiich find, da in den felteneren Fällen
die Lautform die Frage enticheidet.
Man darf ſich aud nicht darauf berufen, daß die jeige Bau—
art der Jacht ihre Ausbildung in England erhalten habe, wm
der Wafjerfport von dort aus zu und gelommen jei. Denn die
Sache kann ſich noch fo jehr verändern, der Name braucht darum
nicht zu folgen; ſonſt würde der Sprache der Boden entzogen
Ganz anders als die heutige Nacht von der des 17. Jahrhunderts
ift das Schiff unjerer Tage von dem Fahrzeug unterſchieden, dei
die alten Germanen als skip bezeichneten, mit einem Namen,
der damals auch zugleich noch »Wefäh« und früher wielleicht bloi
ein auögehöhltes Baumſtück ohne jede weitere Vorrichtung be
deutete. Sollen wir etwa diejenigen Namen ausmwärtiger Ort,
in denen wir noch nach bejjerer Art deutihe Formen bewahren,
wie Lüttich und Mailand, auch mit der fremden Form vertan
ſchen, weil diefe Städte Heute doc etwas ganz anderes find, al
zur Zeit, da jene deutichklingenden Namen entjtanden? And
ein etwaiges Bedürfnis, die Oſtſeejacht von der englifchen Jas
zu unterjcheiden, vermöchte die Mode nicht zu rechtfertigen.
Am Grunde find es ja Vorzüge, dak wir eher als ander
geneigt find, fremdes Verdienſt anzuertennen, daß mir fremde
Spracden lernen und uns um das Berjtändnis fremder Verhält⸗
nifje bemühen. Wir wilfen, daft die FFortichritte im Bau und
der Verwendung der Jacht den Engländern zu verbanten fin),
und meinen das auch dadurch anerfennen zu müfjen, da wir und
ihres Namens bedienen. Aber vergejien wir nicht, daf wir mit
diefen Vorzügen mehr als je allein ſtehen, daß man von der
Zugend fein Brot efien kann, zumal nicht in einer Zeit, ba der
gefteigerte Kampf ums Dafein aud) andere Anforderungen an
die Völker ftellt, die gleichfalls zu fittlichen Mächten werden.
Unfere Engländerei gäbe noch manden Stoff zu Bemerhkun—
gen. Wie oft hört man z. B. Heute deutiche Eltern von ihrem
»Babye reden. Ich habe das Wort auch wohl ſelbſt gebraucht,
war aber doch vecht betroffen, als ich neulich in einer deutſchen
Beitung las, daß eim Kindermädchen »Stelle zu einem Baby:
fuche. Alſo bis dahin hat die, weſentlich auch durch unſere
höheren Töchter umd ⸗Fräulein⸗ geförderte Unart uns jdon
gebracht, daß auch den Dienjtboten das Kind ihrer Herricet
dad baby ijt! Dahinter jtedt aber nod mehr, als der über
flüfige Webraud eines Fremdworts. Ich fürchte, wenn eine
deutſche Mutter von ihrem Baby ſpricht, dann demft fie vor
allem an die Puppe, die man von der »perjeften« Wärterin —
bald vielleicht von der nurse — im »elegantene »Baby- Wagen:
zur Schau führen läht, an das Heine Weſen, das man heute
im übermäßig kurzen Kleidchen mit mächtiger Schärpe herum-
flattern läht, morgen mit einem amerikanischen ⸗Hängerchen⸗
und Schmachtlocken ald altes Weib verkleidet. Ich kann mit
aud wohl noch denlen, daß es das Spielzeug iſt, dem man feine
tändelnde Zärtlichkeit widmet; aber die Hoffmung der Familie,
das teure Piand der Gattenliebe, vor dem die Innerlichkeit der
deutjchen Seele verftummt, das ift es ficher nicht mehr. Dem
*) Bol. den Auffap des Marines Oberpfarrerd Goedel »Er
was von der deutſchen Seemannsſprache ⸗ in der Mainununert
1896 dieſer Zeitſchriſt.
——
185
Engländer iſt dad Wort baby ein natürlicher, ein felbitgewachie-
ner Name, wir hingegen fühlen ihn nicht im Innerſten. Das
ebrlihe deutiche Wort Kind⸗ würde uns vielleicht unliebſam
an die Fiererei und Unnatur jenes Aufpuges mahnen, das ers
Borgte baby läßt fie ſich ruhig gefallen. Wie ſtets in der Sprache
ſtehen Name und Sache in fortwährender, gegenjeitig ſich fördernder
Wechſelwirkung.
Als mir bei dem erwähnten Geſuche des gebildeten Kinder—
mädbdchens zum Bewußtſein fam, wie leicht man ſich von der Ge—
woohnheit anſtecken läht und auch einmal ftatt von unferen Kindern
von unferen babies fpricht, da mußte ich mir jagen, daß es aud)
auf diefem Gebiete gilt, der erften Verſuchung fräftig zu widerjtehen.
Bonn. J. Franck.
Gut deutſch allewege und — bis in die Rnochen!
Will denn das deutiche Bolt noch immer nicht aus feinem
Schlummer erwahen? Wollen Taujende und aber Taufende,
d.h. die bei weiten größere Zahl unjerer Stammesgenofjen, noch
immer nicht jehen, was zu Tage liegt, daß die Sprade, die fie
ſprechen, ein elender Miſchmaſch ift, nicht deutich, nicht franzöſiſch,
nicht Fiſch, nicht Fleiſch? Daß ihr Deutſch dem Narrentleide
gleicht, das mit allen möglichen bunten Fliden bejept ijt, den
Thoren zur freude, den Vernünftigen zum Spott? Ad, daß
ihr falt oder warm wäret; aber nun jeid ihr lau! Spredit dodı,
wenn ihr durchaus wollt, ein ehrlihes Franzöſiſch, oder — noch
lieber — ſprecht ein ehrliches Deutich, — aber eins von beiden;
errötet jedoch fortan bei dem Gedanken, weiter dent alten Schlen—
driam zu huldigen, der uns Deutiche zu einem Spott des Aus-
landes madıt.
Barum Scharen fich denn Völter, deren Selbjtändigfeit unters
gegangen ift, um ihre Wutteriprahe? Warum treten fie jo nach—
drüdlich fir deren Mechte ein? Iſt es etwa ein mühiger Zeit:
vertreib, um ihre Kraft, die fie im großen Weltgetriebe nicht
mehr nach Wunſch bethätigen fönnen, wenigitens auf irgend einem
Gebiete geltend zu machen? Oder geichieht es nicht vielmehr
in der richtigen Erwägung, daß die Spradie ihr leßtes und
höchſtes Heiligtum ijt, mit dejjen Untergange auc das Denfen und
Fühlen ihres Volkes und damit ihr Volkstum überhaupt vom Erd—
boden verichwinden mu? Wohlan, ift denn die Spradje ein jo
wertvolles Befigtum, fo bewahrt fie doch vor Entmweihung und
behandelt fie wenigſtens micht ſchlechter, als ihr euren äußeren |
Bejip behandelt.
Fa, tft denm die Gefahr wirffich jo groß? hört man entweder |
mit ſpöttiſchem Lächeln oder doc zum wenigjten mit überlegenem
Tone und mitleidigem Achſelzucken fragen.
deutichen Provinzen auf dem Spiel; fein Verluft eines Abjap-
gebietes für den dentichen Handel oder ähnliches droht. Aber
webe dem Volk, das erjt dahin gelommen ift, nur in der Eins
buße an äuferen Gütern ein wirkliches Unglüd zu ſehen, das
nicht erfennt, daß mit der Vernachläſſigung unferes idealen Befit-
ſtandes auch ein guter Teil unferer Bolfätraft auf Nimmerwieder-
jehen dahinſchwindet!
Oder lit es eiwa feine Gefahr für unjer Bolfstum, wenn nod)
immer 95 von 100 unjerer Vollsgenoſſen nicht eine Minute fang
reden können, ohne vielleicht ein Dupend entbehrlider ausläns
bifcher Wörter in den Mund zu nehmen? Warum müht ihr denn
durchaus parterre jagen, wo ihr die einfachen deutſchen Wörter
sunten, zu ebener Erde, Erdgeihofe habt? Warum fprecht und
Ihreibt ihr (ich durchblättre nur die erjte beite Zeitung, die mir |
in die Hand fällt) pro anno, pro et contra, Quartal, Entröe,
Zeitfchrift des allgemeinen deutiden Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
Stehen doc; feine |
Obmann des Stuttgarter Zweiges, Profefior K. Erbe.
186
gratis, per fofort, Offerte, à Meter 1 Mf., Nouveautes, Ma-
jorität, das Mille, brillant, Eau de Cologne, Couvert ufw. ufto.,
wo euch dafür die guten deutfchen Ausdrücke »das Jahr, für und
wider, Vierteljahr, Eintrittgeld, umfonft, fofort (zu fofort), Ans
gebot, das Meter I ME, Neuheiten, Mehrheit, dad Taufend,
herrlich (vorzüglih, ausgezeichnet), Kölniſches Waſſer, Brief-
umſchlag · zur Berfügung fteben? Schämt ihr euch, als Neuerer
aufzufallen, wenn ihr ein reines Deutih redet? Ober fürdhtet
ihr, als weniger vornehm angejeben zu werden? — während bod)
die wahre Vornehmheit im Stolz auf unfere Eigenart liegt! Ober
— jeid ihr zu bequem zum Denten?
Zwingt euch doch nur erft einmal wenigftens eine Zeitlang,
gut deutſch zu denken und zu reden! Einzelne Fremdwörter werden
euch von vornherein als überflüffig ericheinen; andere gebraudt
ihr vorläufig im Drange des Augenblid3 weiter, bis ihr bald
von dem, bald von jenem bemerkt, dab es unnötig fit, und fo
vergrößert ſich nadı und nad (demm nod) tft fein Meifter vom
Himmel gefallen!) der Kreis von Fremdwörtern, bie ihr als ent-
behrlich ertennt. Bei diefer fländigen Richtung eurer Gedanken
auf das hohe Ziel, thätige Glieder eures Volkes zu fein, erftarkt
ihr immer mehr in eurem Deutjchtum, und die anfängliche Scheu
davor, mit eurem »neumodiichen« Deutſch aufzufallen, wird jchlieh-
lich der Scheu weichen, euere Sprache mit fremden Fetzen zu vers
unzieren; denn ihr habt mitlerweile gelernt, bewußten Stolz
auf euer Volkstum zu empfinden. Laßt fie doch ſpötteln, die
Läffigen umd die ⸗»Feinen⸗, daß ihr euch plöglich »fo anderd«
ausdrüdt, und vertraut der befruchtenden Wirfung euerer Rede
und euere: fittlichen Ernites! Noc eine Weile, und mand einer,
der bisher kopfſchüttelnd beifeite geitanden, oder euch troßig mit
dem ganzen hohlen Wortihwall eines Verteidigers des »guten
alten« Sprachgebrauchs entgegengetreten ift, wird durch die ziel-
bewußte Sicdyerheit, mit der ihr euer echtes, unverfälichtes Deutich
redet, erichlittert werden und fchlichtern beginnen, zunächſt bier
und da vielleicht in fcherzendem Tone, dann aber allmählich mit
bem Zone voller Überzeugung ein wirkliches Deutſch zu gebrauchen.
Möchte es bald dazu fommen, dak weite Kreife unjeres Volles
auf diefe Weife fühlen lernen, da mehr und mehr jeder Deutſche
dahin gelange, jeinen Stolz nicht zu jehen in dem Gebrauche eines
fremdartigen, jrangöjelnden Kauderwelſch, jondern in der Bes
thätıgung des Grundſaßes: Gut deutſch allewege und — bis in
die Knochen!
Kattomwiß. R. Palleste.
Sur Deritändigung über die Ausſprache des Deutichen.
Am 8. Juni d. I. hat die Hauptverfammlung in Stuttgart
den Gejamtvorjtand erfucht, der Pilege der Ausſprache feine Aufs
‚ merfjamkeit zuzumwenden und diefem Gegenſtande in der Zeitichrift
Naum zu gewähren. Dadurch ift dem Verein ein neues Feld
nationaler Arbeit eröffnet, und das verdanken wir dem waderen
Nicht
in der Entdedung diejes Feldes jehe ich das Verdienſt, denn
was liegt näher, als daß fich ein Sprachverein mit der eigents
lichen Spracde, der geſprochenen Sprache beſchäftigen muß? Es
ift vielmehr der Mut und das Geſchick zu rühmen, mit dem
Erbe die brennende, aber wegen gewifler Schwierigfeiten immer
wieder beijeite geichobene Frage einer alldeutichen Muſterausſprache
durch eine eigene Schrift*) und durch den Antrag feines Zweig—
*) Fünfmal jehs Süße über die Ausſprache des
Deutſchen. Als Grundlage für eine Verſtändigung über die
Aussprache des Deutſchen zujammengejtellt von K. Erbe. Stutts
gart, Paul Neff, 1897. 16 ©. gr. 8%,
>
—
187
Zeitfrift des allgemeinen deutidhen Epradpereins. X. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
188
vereines dem ganzen Vereine zur Behandlung vorgelegt hat.» Es
it jo bequem zu jagen: »Der Danziger wird nie fo jpredyen wie
der Straßburger«, oder; » Mit dem bejten Willen wäre ich nicht
im jtande, meine Ausſprache zu ändern«; jo haben ja wirklich
achtbare Teilnehmer an jener Verſammlung eingewendet. Allein
die Danziger und die Straßburger Gebildetenausſprache nähern
ſich einander ſchon jetzt; ſie ſtreben ſchon lange, ohne von ein—
ander zu wiſſen, demſelben Ziele zu: Ablegung der landſchaft⸗
lichen Eigentümlichteiten. Gerade zu der Probe der Mundart
Danzigs finden wir in Firmenichs befanntem Sammelwerte in
der erjten Auflage (vom Anfange der vierziger Jahre) die Be-
mertung gemacht: (die plattdeutice Dlundart,) »wie fie am Ende
des vorigen Jahrhunderts in Danzıg nod allgemein und vor—
herridyend war, und zwar im gejelligen Leben... . mehr ald
Hochdeutſch geſprochen wurde.« Auch Straßburg dürfte, zumal
jeit 1870, jein Gebildetendeutſch von mancher alemannijden und
frangöfijchen Bejonverheit gereinigt und die Ausſprache verfeinert
haben. Und fo geht die Webildetenausjpradje überall, wenn auch
mit verſchiedener Geſawindigkeit, ſchon lange nad) demjelben durch
den Nebel herausleuchtenden Punkt hin: nad) einer alldeut—
ſchen Muſterausſprache. Die VBeranderungen der Ausſprache
vollziehen ſich nicht nur »mit dem beiten Wiltene, fondern zumeijt
unbewußt, auf der Schulbant.
Sollen und können wir da etwa ruhig zujehen und abwarten,
wie weit ſich die Gebildetenausipradhe im jeder Landſchaft dem
fernen Ideale nähert? Nein. Wir jollen es nıcht, weil uns die
Beſchleunigung diejes nationalen Foriſchrittes am Herzen Itegen
muß, und wir können es gar nicht, wenn wir als Yehrer, Pres
diger, Schaujpieler oder nur einfady als Väter an der Wejtaltung
der Webildetenausipradye des fommenden Geſchlechtes mitzuarbeiten
berufen und gezwungen jind.
Es handelt fid) aljo um eine alte Sulturarbeit, an der jich
bisher jeder Dorfihullehrer und jeder gebildete Familienvater
nad Möglichtert und nad) Gutdünken beteiligt hat; wir brauchen
fie nur weiterzuführen, aber eben von jept an gemeiniam, nad)
Übereinfunit und nach einem fejten Plane.
Die einzige größere Schwierigkeit, die num gleich im Anfange
zu überwinden it, befteht in der Vereinbarung einer mujter-
gültigen Ausjpradje. Erbe zeigt, auf weldiem Wege dieſe Eini-
gung allmählid) zu erreichen ijt: man ftelle zunächſt die Punkte
der Aussprache zujanmen, die mar ſchon jept der Schule als
bindende Borjchriften empfehlen kann, und einige ſich dann Schritt
für Schritt auch Über die jtrittigiten Punkte.
Diefer Arbeitsplan iſt jehr glücklich erſonnen, ein wahres Ei
des Kolumbus. Man denfe nur, wie ſchwierig, langıvierig, ja
unmöglid es wäre, im Öejamtvorjtande oder in einem bejondern
Ausichujje gleid) auf einmal eine Muſterausſprache des Deutſchen
mit allen Einzelheiten fejtzuitellen. Ginige Bejtimmungen bins
gegen — es brauchen nicht einmal fünfmal ſechs zu jein — fann
man bald aufitellen, und dem Schulunterrichte wird ſchon damit
ein Vorteil zugewandt fein. Bon Jahr zu Jahr werden ſich die
feiten Punkte mehren, die Anjichten werden ſich m immer weiteren
Kreijen aufflären und ausgleichen, und die jungen Männer unter |
ung können es erleben, daß »die jchredliche, die kaiferloie Zeile |
der deutichen Gebildetenausjpracdhe der Geſchichte angehört. Die
Stettiner werden noch immer von den Straßburgern zu unters
jcheiden fein, vor allem durd den Tonfall ihrer Rede, dann etiva
durch ſchärfere und fürzere Ausſprache der kurzen GSelbitlaute, |
durch geräufchvollere Schleiflaute, durch längeren Verſchluß bei
gedoppelten Verſchlußlauten o. dgl.; aber es wird doch jchon eine '
—
Sprache ſein, gleich verſtändlich für alle Deutſche und für die
Fremden.
Die erſte Stufe für dieſen allmählichen Aufſtieg bat Erbe in
feinem Scrifigen auszubauen begonnen. Er ſtellt darm ie
ſechs Säge auf: über die Selbjtlaute, die Verſchlußlaute, die Re
faute, die Liquidae und Über die Tonftelle; daran fchlieht er ud
fechs Buntte, über die demnächſt entjchieden werden jolle. Indem
er feine dreißig Eäpe dem Verein vorlegt, jpricht er nur eben das
erfte Wort zu der gewünjchten Vereinbarung, und es it wohl
begreiflich, dak es nicht am Widerfpruch fehlen fan. Ich mil
beute nicht auf Einzelheiten eingehen*), ich möchte nur die grund
fäglihe und allgemeine Mahnung ausfpredien: Nicht gegen
den Strom ihwimmen! Das wäre unnatürlid) und ver
geblich. Vor allem ift auf einer hinreichend großen jtatijtichen
Grundlage für alle Punkte der Ausſprache feitzuftellen, 1. mas
die Mehrheit der gebildeten Deutſchen für mujtergültig hält —
das wird ungefähr mit der Ausſprache der großen Bühnen zu:
fammenfallen — und 2. wie die Mehrheit der Gebildeten that:
fählid) ausipridt. Bevor diefe (von Wetor ſchon begonnene)
Arbeit gethan iſt, fann man, meine id, zu feiner Entſcheidung
ichreiten. Nachher aber wird man in allen Stüden einer ftar
überwiegenden Mehrbeit ohne weiteres nachgeben müſſen. &
wird man — um zwei Beijpiele zu bringen — gewiß mit Erk
für die Ausſprache des anlautenden fps und fts wie jchp= un)
jchts ensjcheiden müfjen, wenn es ſich berausitellt, dab dr
hannöveriihe Ausſprache auferhalb der Nordweitede nur ve
einzelnen Schullchrern gebilligt und von feinem Gebildetenkreik
im übrigen Deutjchland tharfählih geübt wird. Aber gegen
Erbe wird man am der üblichen, einheitlichen Ausſprache aller
ei (ai), au und eu (äu) fejthalten, wenn man erfährt, daß aufer
halb Schwabens alle Gebildeten diefer Ausſprache anhängen und
auch thatjäcylich nicht zweierlei ei, au oder eu kennen. Erbe be
ruft fid) da auf die Mumdarten, in denen ja durchweg die gejdict-
lich verjchiedenen ei, an und eu verjchieden ausgeſprochen würden.
Richtig; aber nur im Schwäbijchen, foviel id) wei, giebt dat
drei Baar Zwielaute, jonit ift das eine ci, au oder eu noch oder
ſchon ein einfacher Selbjtlaut. Man mühte alfo, dem Vorſchlage
Erbes zufolge, faft in ganz Deutichland völlig neue (ſchwäbiſche,
Zwielaute einführen; wer hätte die Macht, ſolche Umwälzungen
durchzuſühren? Nicht jo leicht wird die Entſcheidung dann zu
treffen fein, wenn die thatfächliche Gebildetenausſprache von der
für mufterglutig amerfannten abweicht, z. B. wenn man finden
jollte, dah die Mehrzahl der Gebildeten das gejchleifte oder das
gerolte Zäpfchen=r in Übung hätte und dennod) eine betrücht
liche Mehrheit theoretiich für das Bühnen: und Bauernsr (dat
BZungenipigensr) ftimmte. Wan mühte dann zwijchen der natilt⸗
lichen und der fünjtlihen Strömung wählen.
Mit der Zeit werden alle Schwierigfeiten bejeitigt werden.
Nur friſch ans Wert! Schon im Laufe diefes Winters könnten
alle 190 Zweigvereine über die fünfmal ſechs Säpe Erbes ihre
Stimmen abgeben; wo kein phonetiſch geſchultes Mitglied (;- B. ein
ſog. Neuphilotoge) dem Verem angehört, wird man fid leicht
durch Gmladung eines geeigneten Gajtes die nötige Hilfe ver
ichaffen können. ine Hilfe ijt nötig; es muß eine phoueliſch
geſchulte Perſon bei jedem der 30 Sähe Erbes mir ein paat
Worten erflären, auf was für Unteriheidungen es anfommt. Nadı
diejer Erklärung wird jedes Mitglied gleich jagen können, weldt
*) Zu den erjten 24 Sähzen babe ich fhon in Lyons Zeit:
ſchrift }. d. dt. Unterricht 1897, S. 274— 280, gejagt, was mt
notwendig jchien.
189
Ausſprache es für muftergüftig hält. Welche Ausſprache es ſelbſt
in Übung hat, wird in manchen Fällen erft der Sadverftändige
zu beurteilen im ftande fein; denn der Laie glaubt oft irrigerweiſe
gerade jo auszufprechen, wie geichrieben wird.
Auf dieſem Wege könnten wir in furzer Beit an 190 ver-
ichtedenen Orten des deutſchen Spradhgebietes über alle 30 Sätze
abjtimmen. Die Berichte über die Abftimmungen hätten zu jedem
Safe zwei Urteile zu enthalten: 1. mas für mujtergültig an—
gejehen und 2, wie gewöhnlich ausgeſprochen wird. Die Urteile
der Minderheiten und das Stimmenverhältnis dürften nicht fehlen.
Der Sachverſtändige müßte genannt werden und das Recht haben,
Bemerkungen anzufügen. Alle Berichte wären an den Gejamt-
vorstand, zur Veröffentlihung bejtimmte NMuszlge davon an die
Scriftleitung der Zeitſchrift zu fenden.
Ezernowig, September 1897, Th. Gartner.
Aus Sriedribd Theodor Difhers »Auch Einer«*)
Am 30. Juni 1807 iſt Friedrich Theodor Viſcher zu Lud⸗
wigsburg geboren; er würde alfo, wenn er noch unter uns weilte, in
diefem Jahre fein 90. Lebensjahr vollendet haben. Darum wollen
wir feiner als eines großen Toten danfbar gedenfen! Wenn auch
die Zahl derer, die ihn kennen, nicht jo groß iſt, wie fie fein follte,
fo haftet doch in denen, die jeine Werke fernen und verjtehen
gelernt haben, der Eindrud diejer eigenartigen Schöpfungen um
io feſter. Manchem der Ülteren unter und wird der gelehrte
Profeſſor der Hithetit durch feine Bäntelfängerfieder befannt ge:
worden fein, die er unter dem Dednamen Philipp Scartenmeyer
veröffentlichte, manchem ber Jüngeren durch den jogenannten dritten
Teil des »Fauſte«. Am eigenartigiten aber erfheint der Dichter
in feinem Noman ⸗Auch Einer«.
Es ijt eine feltfame Geſchichte, die einem da erzählt wirb.
Aber es ftedt eine Fülle von Geift und Herzenstiefe in dem Bude;
freilich man muß »die Obertöne zu hören« veritehen. Die Form
ift oft gar raus und abjonderlich; was man fo fchulmähig einen
Roman nennt, das ift dieſes Dichtwerk nicht. Sein Wert jtedt-in der
Fülle tiefer Gedanken, an denen befonders das Tagebuch reich ift,
dad den Hauptteil des zweiten Bandes bildet. Aus ihm finde
bier die Kennzeichnung der Sprachen einen Pla als ein Beiſpiel
zugleich der durchaus eigentümlichen Ausdrucksweiſe Viſchers. Er
fagt dort: Ȇbrigens fann man die Sprachen auch fo einteilen:
das Engliſche reine Aufter, fchleimig mit Seegeruh, dad Stas
lienifche Notwein mit Orangen, das Franzöſiſche Liqueur und
Bistuit, das Deutjche gutes Roggenbrot mit Rettid und fräftigem
Dier, das Holländifche ganz Hering«.
Was uns aber ganz bejonders veranlafien muß, aud im
Spradwereine des Dichter zu gedenten, das find einige Stellen
aus jeiner köſtlichen Piahldorfgejhichte, die den Hauptteil des
erjten Bandes ausmacht. Hier entfaltet fi) des Meiſters ganze
Kraft; jein Humor und feine unnahahmliche Handhabung der
Sprache kommen bier im reichitem Maße zur Geltung. Dan
fefe nur die Schilderung der Nauferei, die bei dem Freitichmaufe |
unter den biedern Piahlbauern ausbricht! Bei diefer Belegen:
heit giebt der Dichter auch der Fremdwörterei einen gelnden
Schlag. »Ihr Speileplap wurde jo ihr Turmplaß; ihre Körper,
edig und jcdhwerfällig von harter Arbeit, wurden durch dieſe
Knetungen (jept: massage) geihmeidigt; die Schlägerei hatte eine
Zeitſchrift bed allgemeinen deutihen Spradpereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
*) Diejer Beitrag war zur BVeröffentlihung in der Juni⸗—
oder Julinummer beitimmt, mußte aber wegen Naummangels |
zurüdgelegt werden. Die Scriftl.
190
musfelbildende — fage griedhiih: myoplastische — nebenbei zu
erwähnen auch eine entichteden verdauungsfördernde Wirkung«.
Deutliher noch tritt Viſchers Stellung zu den Fremdwörtern
anderswo hervor, nämlich in den Anmerkungen zu dem »Speids
zettele des Feſtes. Er jagt da: »Wir glauben uns verpflichtet,
ben Speiszettel zu geben; menu dürfen wir ja nicht fagen. Die
Piahlmänner hätten fich geichämt, das weliche Wort zu gebrauchen,
wenn fie e8 gefannt hätten. Sie verabiheuten alle unnötige Ents
lehnung aus fremden Spradhen«. An einer andern Stelle ſchreibt
er: »Wir jagen jegt Sauce, weil wir uns bes guten Worts
Brühe dadurd beraubt haben, da wir es verächtfich von un—
fauberer Flüffigleit gebrauchen. Dieſe Einſchränkung hatten ſich
die Pfahlbewohner noch nicht beilommen laſſen, daher ſich aud)
nicht in die Lage gebracht, für ein ganz ausreichendes eignes Wort
ein fremdes Wort zu entlehnen«e. Und an einer dritten Stelle
heit es: »Es ift zu wiſſen, dab die Piahlleute den Namen
Cotelette noch nicht fannten. Hat doch ber Berichterjtatter mits
zuteilen, daß manches Kahrtaufend fpäter, nämlich in feiner
Knabenzeit, noch fein Menich Cotelette, alle Welt nur Ripps
fein fagte«. Um dieſe Stellen recht würdigen zu fünnen, muß
man wien, daß der Noman im Jahre 1879 erfchienen ift, alfo
zu einer Zeit, als der Sprachverein noch nicht beſtand. Sie
bilden ein wohlthuendes Gegenſtück zu der vielberufnen Erklärung
der »Führenden« aus dem Jahre 1859. Daß ſich Viſcher, der
wahrlich das Recht gehabt hätte, ſich zu den führenden Geiftern
zu rechnen, jener Erflärung nicht angefchloffen haben würde, wenn
er fie erlebt hätte, ift nach dem Mitgeteilten wohl nicht zweifelhaft.
Er ſtarb am 14. September 1887.
Elberfeld. Nihard Jahnke.
fleue VDerdeutihungen.*)
Die im Laufe der Spradreinigungsbewegung entftandenen
Berdeutichungsbliher und ähnlichen Scriften enthalten mande
guten Vorjchläge, die biöher nur geringe Beachtung gefunden
haben. Solde mögen bier mitgeteilt werden. Welche davon
empfehlenswert jeien, unterliege der Prüfung.
Verzeichnis.
Adresse Anfchrift. — Agrarier (im abjprechenden Sinne) Land⸗
wirtler (vgl. Foriſchrittler). — Alibi Abweile. — Ampbibie Lurch.
— Analphabet Schriftunfundiger. — Auditeur Kriegsanwalt. —
Automat Selbjtverfäufer. — Bacillus Stäbling. — Benefiz
Ehrenabend. — Biblii)orhapt Sammelmappe. — Buffet falte
Küche. — Canalisieren beſchleuſen (»Schleufe« bedeutet in Sachſen
foviel wie Wafjerabzug, Rinnitein). — Oelluloid Zellhorn. —
Chaiselongue Halbjoja. — Charlatan Schaumſchläger. — Civil-
liste Krongedinge. — Clichs Druditod. — Closet (Spül:)Abfit.
— Commers Feittrunt (vgl. Fejtefien), zerfällt in einen ordent-
lichen (officiellen) und einen zwanglofen, gemütliden
(inofficiellen) Teil (Fidelitas). — Compost Miihdünger. —
Contingent (z. B. bei der Branntweinſteuer) Zumaß. — Con-
*) Unter den von dem verehrten Verſaſſer mitgeteilten Ver—
deutichurgen befinden ſich verichiedene, die uns vet gemagt
zu fein und wenig Ausficht auf Anerkennung zu haben jceinen.
Wie aber Bücher, jo haben auch Verdeutſchungen ihre eigenen
Scidjale, wurde doch z.B die Erfepung von responsabel durch
»perantwortlichh« von den Zeugenoſſen Campes als völlig unan-
gemeflen verworien. Unter dieſem Gefichtspunfte haben wir
dann unſere Bedenken gegen den Abdruck mehrerer der Vorſchläge
fallen laſſen, zugleich in der Hoffnung, daß fih an diefe Ber:
öffentlihung ein reger Meinungsaustaufch fmüpfen werde, deſſen
Ergebnis wir jpäter befannt zu geben beabjichtigen.
Die Scıhriftleitung.
3%
-
191
ventionalstrafe Strafgedinge (da8 deutſche Bürgerliche Gejepbuch
hat leider das viel weniger Mangvolle Wort + Bertragsitrafe«
vorgezogen). — Correctur (im Drudweien) Druckſſicht — ſowohl
für die Handlung des Durchſehens, wie für das in Betracht
fommende Scriftftüd anwendbar. — Denaturieren (Branntwein)
entreinigen — hinfichtlich der ſprachlichen Zuläffigkeit vgl. man die
Bildung »entfeitigen« von »feit« abgeleitet und »verihönen« von
»ichön« gebildet; hiernach dürfte die Bildung aus einem Eigen:
ichaftswort geftattet fein. — Depositen Hinterlagen Gogl. Ein-
lagen). — Disconto Abzins. — Egoist Jchling. — Etui Gehäuje.
— Explosion Entladung. — Flacon Riechfläſchchen — Fontaine
lumineuse Glanzbrunnen, Leuchtborn. — fundiertes Einfommen
gefeitetes Einfommen. — General- und Special- Bollmadt Samt:
und Sonder-Bollmadt. — Gendarm Landjäger. — Graveur
Stempelſchneider. — Great attraction Ölanznummer. — Identität
Nämtlichkeit. — Ingenieur Werner. »Werfner« ift ein ebenſo all»
gemein wie dad Fremdwort lautended Erſatzwort von edler Be—
deutung, das Zufammenjegungen, je nach dem betrefienden Fache,
zuläßt und an Gewerbe, Gewerk, Bergmwerf, aljo an das an-
tlingt, womit der J. es zu thun hat; es ift ſprachlich richtig gebildet
(vgl. Glödner, Täjchner, Bantner). Eine beſſere Verdeutſchung
für das böfe, tiefeingewurzelte, ſchlechterdings nicht in ein Lehnwort
ummanbelbare Fremdwort giebt es nicht. Ehe man fie vorjchnellver;
wirft, ertväge man lieber erjt längere Zeit ihre Brauchbarkeit. —
Inspector Wart, z. B. Gutswart, Baumwart. — Klystier Einguß,
Einlauf. — Leihbibliothek Bücherleige. — Lymphe Impfe. — Medi-
einalwein Kranlenwein. — Mikroskop Kleinrohr (vgl. Fernrohr). —
Militarismus Goldaterei. — Monocle Einäuger. — Motor Treiber
(fowohl die Kraft wie die Maſchine). — Notar Urkundner. —
Ordonnanz (auch) Aufwärter. — Panopticnm Scauhalle. —
Papeterie Briefbejtedt. — Pensionär Nuhegehaltner (vgl. Piründner).
Periode (auch) Umzeit. — Placat (auch) Schautafel. — Programm
Anſage. Diejes Wort läßt ſich ſowohl für die im Ausficht ge—
ftellten »Borträge« wie für deren Verzeichnis, den » Spielzettel«
verwenden. Im Mufitweien mangelt e8 bisher an einer befjeren
Berdeutfchung. »Anjage« dürfte allen Ansprüchen gerecht werden.
Das Wort findet fich ſchon in der Sprache der preußiichen Hof:
behörden, allerdings in etwas anderer Bedeutung. — Rangieren
(Eifenbahnwagen) umſehen. — Rangierzug Umſeßzzug. Wir ran-
gieren — wir jegen um (nämlid) Wagen). — Repräsentantin Haus-
vorfteherin. — Rouleau Roller. — Saldo Beitand (der auf der
einen, der Sollfeite oder der Habenjeite den Ausgleichpojten
bildet, aljo für den einen oder den anderen Teil den » Beitand«
ausmacht. — Sarkophag Scaufarg. — Serviette Vortuch. —
Speeialarzt Facharzt. — Toilette Pugtiih. — Vegetarier Frucht⸗
freund, Fruchteſſer — der fih von den -Früchten des Feldes«
nährt. Vgl. 1. Buch Moſe, Kap. 4, B. 3/4. — Veranda Haus—
laube.
Torgau. Karl Bruns.
Erite oder dritte Perion!
» Die Geburt eines Fräftigen Jungen zeigen hoch—
erfreut an,
Berlin den 1. Juli 1894,
Eduard Schulze und Frau.
So lauten viele Geburtsanzeigen, und ähnlich find oft Wer:
ehelihungs= und Todesanzeigen gefaht. Vom Standpunft der
Sprachlehre läht jich gegen die Wortfafiung und gegen die Wahl
der dritten Perfon wohl nichts einwenden. Leider aber bringt
der Druder dadurch, daß er den Zuſammenhang ziwiichen dem
Beitfhrift des allgemeinen dbeutfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
192
eigentlichen Wortlaut der Anzeige und der Unterjchrift durch
Hineinjhiebung des Datums zwiſchen beide Teile und dund
den Punkt Hinter >ane unterbricht, meijt etwas Fehlerhaftes in
das Blatt oder im die zur Verſendung fommenden gedrudien
Briefe. Wenn das Datum neben die Unterfchrift gedrudt würk,
was meift der geringe Spaltenraum der Zeitungen nicht zuläht,"
jo wiirde auch der Punkt hinter »ar« mweggelafjen werden, und
alles wäre in bejter Ordnung. Wer auf dieje Ordnung Ben
legt und nicht haben will, daß SKrittler ihn der ungenligenden
Kenntnis jpradhlicher Regeln bezichtigen, der faſſe lieber die An-
zeige nad) folgendem Muster:
»Die Geburt eines kräftigen Jungen zeigen wir hoch
erfreut an.
Berlin den 1. Juli 1994.
Eduard Schulze und Frau«
Durch diefe Wahl der eriten Perſon wird der Punkt binter
»an« berechtigt; denn der Saß ſchließt bier wirklich ab. Das
Subjekt ift im. eriten Teile der Anzeige enthalten. Über einen
andern Fehler bei ähnlichen Anzeigen vgl. Heinge -Gut Deutſche
S. 93.
Torgau. K. B.
Rleine Mitteilungen.
Dr. Auguſt Shmits in Köln beging am 26. September
d. I. die Fünfundzwanzigjahrfeier als Erjter Schriftleiter d
Kölniſchen Zeitung. Dr. Schmits hat feit Jahrzehnten im
Sinne des allgemeinen deutichen Sprachvereins eine zwar ftille,
aber überaus vege Thätigfeit entfaltet, die nicht nur durch die
große Verbreitung des von ihm geleiteten Weltblattes, jondern
auch durch das Gewicht feines Namens auf dem Gebiete der
Sprachwiſſenſchaft zu einer ungewöhnlich fruchtbaren geworden it.
Wir jprehen dem treuen Mitarbeiter auch an diefer Stelle den
herzlichſten Glücdwunih aus.
— Herr Hofjpediteur Eduard Geude in Dresden hat, wie
ſchon Ep. 137 erwähnt worden ift, auf der Hauptverjammlung
der beutjchen Möbeltransportgeiellichaft, deren Ühren:
mitglied er it, folgenden einjtimmig angenommenen Antrag ge
jtellt: »Den lobenswerten Beitrebungen des deutſchen Sprad
vereins, vieler Behörden ufw. entiprechend, haben es ſich audı
die Mitglieder der deutichen Möbeltransportgeiellfchaft zur Pflicht
zu machen, in ihren Schriftitüden alle Fremdwörter zu vermeiden,
weiche durch gut deutiche Ausdrüce zu erjepen find.« Der An
trag ift im eingehender Weije begründet worden, u. a. durd Ab—
druck eines Gejhäftsbriefes mit 30 entbehrlichen, aber durchaus
nicht ungewöhnlichen Fremdwörtern und desjelben Briefes mit
den entipredyenden Verdeutſchungen. Wir beglüdwünfcden Herm
Geucke zu jeinem waderen Vorgehen. Ahmte jedes Mitglied des
Sprachvereins jeinem Beifpiele nad), indem es im Kreiſe feine
Berufsgenofen ebenfo thatkräftig für unſere Sache einträte, je
fämen wir dem Ziele der Befreiung von der Fremdwörterſeucht
jhneller nahe. Leider aber herrſcht unter gar zu vielen Mit
gliedern des Vereins die Meinung vor, alle Schritte mühten
von dem Voritande ausgehen. Bei Anträgen an die Staate—
behörden ift diefe Anficht ja durchaus berechtigt und auch den
Sapungen entiprechend, nicht aber, wo es ſich um die Einwnkung
auf Berufsgenofjen, auf Vereine und auf ſtädtiſche Behörden
*) Diefer Grund füllt weg, wenn Ortös und Beitangabe
unter die Namen der glüdlichen Eltern geiet wird, und bei
Streihung des Punttes hinter »an« wäre die Anzeige dann
ſprachlich unanfechtbar, Die Schriftleitung-
193
handelt. Bei folhen muß der Vorſtand auf die Mitarbeit des
Einzelnen rechnen.
— Sehr Erfreuliches weis die »Nürmberger Stadtzeitung« v.
5. Juni d. I. aus den Verhandlungen des Magiitrats von
Nürnberg zu berichten. Der jtädtiihe Schulrat, Herr Dr. Glau—
ning, dem von unſerm Vereine das BVerdeutihungsheit » Die
Schule- zugelandt worden war, bat dem Biichlein jeine volle
Aufmerkjamkeit zugemwendet, und er beantragte in der Sipung am
4. Juni die Anſchaffung von 50 Abzügen des Heftes, um fie
unter den Lchrern der verichiedenen Schulen in Umlauf zu ſetzen.
Herr Dr. Glauning bemerkte dazu, daß man die Beſtrebungen,
der deutichen Sprache in der Schule zu ihrem Nechte zu verhelfen,
unterftügen folle. Die in dem Hefte gemadten Berdeutichungs:
vorjchläge beruhten auf gründlicem Studium und jeien jehr qut.
Herr Baurat Weber ſprach hierauf die Bitte aus, daß auch für
die Beamten des jtädtiihen Bauamts 10 Stüd des Büchleins
angeihafft würden, denn wenn ed urjprünglich auch nur für die
Schule bejtimmt fei, jo enthielte es, wie er bei perfönlicher Durch—
ficht gefunden habe, doc) vieles, was auch jeine Beamten ges
brauchen könnten. Im Anſchluſſe hieran führte der Bürgermeifter,
Herr Dr. v. Schuh aus, er habe wiederholt Verfügungen an
alle Umtszimmer gejandt, dab deutjche Ausdrücke verwendet werden
follten. Bielfach geichebe dies ſchon, jo z. B. bei den befannten
»Submiffionen«, aus deren Ankündigungen alle Fremdwörter ent⸗
fernt jeien. Tropdem hielten manche Leute immer nod an dem
alten Sciendrian fejt und beſonders folde, die diefe Ausdrücke
garnicht verjtänden. Er habe die Erfahrung gemadit, daß gerade
die, die fie nicht veritchen, Fremdwörter am liebften gebrauchten
(Heiterleit). Er hoffe, dab es mit der Zeit immer befjer werden
würde; es fei ja auch jchon weſentlich bejjer geworden. Hierzu
bemerft die »Nürnberger Stadtzeitunge: »Es darf tmjerem
Magijtrate und in allereriter Reihe Herrn von Schuh jelber nad:
gerühmt werden, daß er in den legten Jahren viel, jehr viel für
die deutiche Sprache gethan hat; nicht nur im der Bejeitigung
von überfläffigen Fremdwörtern, fondern auch darin, daß auf
fhöngefügte, fmappe, klare Sprache gehalten wird, Die Erlafje
und Kundmachungen, die Schriftftüde des Nürnberger Magijtrats
fünnen in diefer Beziehung unter denen aller deutjchen Städte
eine erjte Stelle beanipruchen.«
— Wo man es wahrlich nicht vermuten follte, umgarnt der
Fremdwörterteufel die Jugend ſchon. Sit’ id) da nad) dem Weib:
nachtsſeſte unter einer erwartungsvollen Kinderſchar vor einem
Nuppentheater, auf dem meine Kinder ein paar neue Stücke
vorführen wollen. Aber da bodert und hodert es. Was ich fie
doch verlegen mache, denk ich, werde doch aber bald ärgerlich auf
fie, bit ich merte, daß es vegelmähig Fremdwörter find, bei
denen fie die Zunge bredien. Nun galt mein Ärger freilich nicht
mebr den armen Kindern, fondern dem Berleger, der deren
Zunge und Berjtändnis Ungehöriged zumutet. Man höre nur:
in Aſchenbrödel, dramatiſchem Märden in 3 Akten, kommt
gleich in I, 1 vor: Ceremonienmeiſter. — Vergeßt nur diefen
Paſſus nicht. — Durch ihre Spionage, — wie fie alle Mi—
nen, alle Kräfte der Hofetterie Springen laſſen, — einhalbdugend-
mal Ideal. Yun 12 ruft Vater Detlef ehauffiert nad) feinen
fremdbenamften Töchtern Futilia und Fadette, befichlt, daß man
Toilette made; doch will er jich trop dem Vorwurf jeiner rau,
er nehme für Aſchenbrödel Bartei, nit ehauffieren. Als jie
1, 3 nod) in derangierten Toiletten betroffen werden, be-
dauern fie, daß fie nicht find en grande toilette, find pref—
fiert und thun fofett, und der Ceremonienmeiſter wirft gar
mit franzöfiihen Broden um fi, wie; Mais mon dieu —
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvere ins. X. Jahrgang. 1897. Mr. 10.
‚194
cher pöre — ä revoir. In III ift mir noch aufgefallen,
refpectieren, probieren, magiſch. — Der geftiefelte Kater
war etwas reinlicher; aber wenn auch nicht Revier und Audienz,
fo hätte doc) aud da Reipect, Referenz, Paſſion und Equi-
page, und wie in allen Stüden Att und Szene gewiß entbehrt
werden fünnen, Vielleicht find die Büchel noch gedrudt, als es für
fein galt, wenn Kinder recht bald ein paar fremde Broden radebrechten,
weil fid) aud) die Großen dadurd) als »fultivierter legitimier=
ten« Unberedtigt ift das Verfahren auf alle Fälle, da die Mehr:
zahl der Kinder in dem Alter, für das diefe Heftchen berechnet find,
weder Fremmörter verfichen noch Franzöfiih konnen. Der wahre
Märhenton klingt befanntlich aud) anders. Bor allem aber
lann heut der Borjtand des Sprachvereins, auf 13000 hinter
ihm stehende Mitglieder geftügt, den Druder und Berleger
Oehmigke & NRiemjchneider in Neu-Ruppin darauf hinweis
jen, daß es jet der von Mein auf zu pflegende gute Ton gerade
der am jeinjten deutich Gebildeten ift, rein deutſch zu ſprechen.
Wenn das der Vorſtand thut, beichert uns das nächſte Weib:
nachtsſeſt oder dod) das erjte nad) dem Verbrauch der alten Ab—
züge ficherlich gereinigte Neuruppiner Stüde für die Kinderbühne.
Bittau. Tb. Matthias.
Sprediaal.
Die in der Beſprechung des Buches von Chop »Bom Rhein
zur Adria« auf Ep. 92 die). Jahrg. enthaltenen Ausführungen des
Hrn. Poof. Stier in Neuruppin werden jchwerlich überall die
Zuſtimmung der Leſer gefunden haben, Die von Chop gewählten
deutichen Ausdrüde find größtenteil® derart, daß fie dem Beur-
teifer ohne den Vergleich mit den uriprünglich gebrauchten Fremd—
wörtern vermutlich gar nicht als »Berdeutichungene aufgejallen
wären. Wenn der Titel »Majeftät« aud jelbitverjtändlich
nicht anzutaften ijt, jo kann »majeſtätiſch« bei der großen Zahl
von Wörtern, die unferer Sprache für den Begriff ftolger Herr-
lichteit und Grofartigfeit zu Gebote ftehen, ganz wohl ents
behrt werden. Ebenſo lajien ſich an Stelle von Ausdrüden wie
»Qabyrinthe, »Phalanrs 1. dergl., die doch immerhin nur
dem gelehrtsgebildeten Teile unjeres Volkes vollfommen geläufig
find, qute und bezeichnende deutiche Wörter und Bilder anwenden,
ohne daß man die fremden Bezeidinungen gleich überhaupt aus—
zumerzen braucht. Das gilt auch von »Nation« und -Ele—
mente (das beiläufig in etwa einem Duhend verfchiedener Be—
griffe Anwendung findet und jchon deshalb möglichſt vermieden
werden ſollte). »Stil« und »upe« können unbedenflid als
deutiche Lehnwörter (im engeren Sinne) gebraucht werden, obs
wohl fich gegen das durchaus übliche »VBergröherungsglase
troß jeiner größeren Länge nicht das mindejte einwenden läht.
Gegen den Sag, es fei »unangebracht, mit längeren Worten das—
jelbe zu fagen, was ebenio treffend mit erheblich) kürzeren (d. h. frem-
den) gefagt werden fanın«, muß; aber Einfprud erhoben werden.
Nicht auf Buchſtaben oder Silben mehr oder weniger fommt es
bei einer deutſchen Schrift an, jondern auf gemeinverjtändliches,
reines, ſchönes Deutih,. Und jo können die »Witterungss
verhältniffee und ⸗-Wärmeverhältniſſe« unter Umſtänden
dem kürzeren »Klima« ſehr wohl vorzuziehen fein; thut's im
gegebenen Falle die kürzere »LKuft« oder »Wärme« — um fo
bejier! »Balfone und »Beranda« find troß ihres deutfchen
und indijchen Uriprungs vermöge Betonung und Form »fremd«
- geworden und deshalb feineswegs »unbedenklich», jo wenig wie
Fauteuil«, das auch deurfchen Urſprungs ift. Übrigens findet
jih in der Fachpreſſe für »Beranda« ſchon feit Jahren das an—
heimelnde Rort »Hauslauber. Unter den Ausdrud »Station«
(old Sammelnamen) fallen im amtlichen deutfhen Eiſenbahn—
weien: 1. Bahnhöfe, 2. Haltejtellen, 3. Haltepuntte; von einer
Verwiſchung des Unterſchiedes zwiſchen »Station« und »Haltes
ſtelle« lann hiernach nicht wohl geiprochen werden. In der Regel
bedient man ſich für »Station« am beiten des deutichen Wortes
Bahnhof. Ob Chop für die von ihm befeitigten Fremdwörter
in allen Fällen den bejten Erſatz gefunden hat, mag dahin
geitellt bleiben. Das Beftreben aber, zum deutichen Volke deutich
und in deutſchen Worten und Bildern zu jprechen, verdient rüds
195
baltlofe Anerkennung, und hoffentlic werden die von Herrn Stier
ze. Ausitellungen und Mahnungen den Berfafjer bed
uches veranlaffen, bei einer nächiten Auflage nicht etwa zu
Fremdausdrücken zurüdzufehren, fondern jeiner Schrift ein wenn
möglid) noch beutfcheres Gepräge zu geben.
Friedenau.
Die vorſtehenden irre bieten manche danfenäwerte
Ergänzung zu meinen früheren Ausführungen, aber feine Wider-
legung. Ich möchte den Herrn Geheimrat Sarrazin zunächſt
bitten, ſich einmal auf ben Standpunkt zu verjegen, auf den ein
Zweigverein in der Provinz, der ſich die Spracreinigung in
jeinem Städten angelegen jein läht, durch die Umſtände geſtellt
wird. Wie oft werde ich gefragt, ob diejed oder jenes Fremd⸗
wort von unferm Vereine beibehalten oder verworfen werde! Da
meine Bemühungen, eine Thätigteit des Geſamtvereins zur Ents
ſcheidung folher Fragen herbeizuführen, feinen Anflang gefunden
haben, jo bin ich perlöntich genötigt, felbit eine ſolche Grenze zu
iehen, daß ich derartige Fragen bejahen oder verneinen kann,
un lautet mein Urteil über Chop dahin, daß er biefe Grenze
wohl etwas enger hätte ziehen fünnen. Wenn wir »Balton«
(von » Balten«) durch »Erfer« (das nach Grimm auf arcus oder
arca zurüdgeht) oder »Söller« (von solarium) oder »Altan«
(altane ift ebenjo gut italienisch wie balcone oder palcone) vers
brängen wollen, fo ift damit gar nichts gewonnen, zumal man
unter »Erfer« etwas anderes zu verftehen pflegt; wenn alfo jenes
Wort von feiner Reife über Frankreich mit dem Naſenlaut aus-
epußt als balcon wieder zu uns gelommen und jo, wie Herr
rrazin jehr richtig Sagt, troß feines beutjchen Uriprungs ver:
möge Betonung umd Form uns fremd geworden iſt, fo babe ich
mit vollem Rechte aus diefer Thatiache die Aufgabe des Vereins
bergeleitet, endlich der deutichen Ausſprache zum Siege zu ver-
helfen. Wie es rüdjichtslos gegen den Leſer it, dasjelbe mit
viel Worten zu fagen, was ebenjo gut mit wenig Worten gejagt
werden kann, fo halte ich es auch für eine Unböflichteit gegen
den Hörer, einen Begriff, für den es ein jeit Jahrhunderten ein-
gebürgerted, allgemein verjtändliches Lehnwort oder meinetwegen
aud (mofern ed nur nicht undeutichen Klang Hat) Fremdwort
giebt, das aus zwei Silben befteht, durch ein fünf» oder fieben-
It Erſatzwort auszudrüden. Kürze des Ausdruds iſt immerhin
ein Borzug, der unter Umjländen mit in die Wagichale geworfen
werben fann. Wem in einer Verſammlung nur 10 Minuten zu reden
erlaubt ift, der wird ſchon nach diefem Grundfag handeln. »Mujif«
ift ebenfo ein Lehnwort wie »KHonzerte; was gewinnen wir alfo,
wenn wir »Slonzert« verdrängen wollen durch »Mujilauffüh-
rung«e? Sit ed nicht bejier, den Heißipornen, die das von den
Konzertgebern verlangen und jo unjerm Verein den Vorwurf der
Übertreibung zuziehen, durch die Erklärung entgegenzutreten, daß
wir »Slonzert« unbedenklich beibehalten? Wenn Herr Sarrazin
ganz richtig fagt, die von Ehop gewählten Ausdrücke feien »gröftens
teils derart, daß fie dem Beurteiler ohne den Vergleich mit den
urjprünglich gebrauchten Fremdwörtern vermutlich gar nicht als
Verdeutſchungen aufgefallen wärene, jo wird doch dadurch meine
Behauptung nicht widerlegt, daß durch die bei der zweiten Aus—
gabe angejtellte Fremdwörterjagd die überaus ſchöne Darftellung
etwas gelitten hat. So gewih »königlihe Bradt« mehr jagt
als »große Pracht«, jagt auch — Majeſtät« (erite
Nusgabe) mehr ald »erhabene Größe« (zweite Ausgabe), Wenn
Chop von einem ⸗Felſenlabyrinthe; redet, durch das fich die
alte Gottharditrahe verliert, jo ift durch die nachträgliche Ver—
taufchung mit» FelSwirrwarre die wohlangebradhte Vergleichung
mit dem alten an Irrwegen reichen, fünftlihen Bauwerke geradezu
befeitigt worden; und wenn die in der Hoffirche zu Innsbruck in
voller Rüftung daftebenden Erzbilder der 28 Herricher von Chlod-
wig bis auf Albrecht IL. in der eriten Ausgabe mit der macedo>
nichen »Bhalange« verglidien wurden, die zweite Musgabe aber
dafür »Reihen« feht, jo ift auch hier die Darftellung ärmer und
frojtiger getworden. Das ift doch eine unleugbare Thatfache. Der
Gebrauch aber von Ausdrüden, »die doc immerhin nur dem
gelehrt gebildeten Teile unjeres Volkes volltommen sei finde,
fann m. E. einer nur für gebildete Leſer bejtimmten Reijebefchreis
bung nicht zum Vorwurfe gereichen.
Neuruppin.
D. Sarrazin.
M. Stier.
Zeitſchrift des allgemeinen beutfhen Spradhvereind, XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
196
Sur Schärfung des Spradgefühls.
46) » Derjelben Anficht mögen
wohl auch andere fein, von
denen ich jehe, daß fie in
diefer Beziehung ebenfo ver—
fahren wie ich.«“ (Mus einem
Überjegungsbuche.)
46) Derjelben Anſicht mögen
wohl aud) andere jein, die, wie
ich ſehe, in biefer Beziehung
ebenjo verfahren wie ich.
UÜberſetzungsdeutſch — in der lebendigen, natürlichen Rede:
weile nicht gebräuchlich).
47) »Tieferjchüttert iiber die
plöglihe Todesnadhridt
meines getreuen Mitarbei-
ters, des Herrn... fann id
nicht unterlafjen, demſel—
ben innige Worte des Danfes
in die Ewigleit nadzurufen.«
(Aus einem Nachrufe.)
7) Tief erichüttert durch die
Nadriht von dem plößlichen
Tode meines getreuen Mitarbeis
ters, des Herrn .. . fühle ic
mich gedrängt, dem Heimgegan-
genen innige Worte des Danles
in die Emigteit nachzurufen.
Der zweite Fall »meined Mitarbeiterd«e hängt nicht von
dem ganzen Worte Todesnachricht ab, jondern nur von bem
erften Beftandteile der Aufammenfegung.
» Kann ich nicht
unterlafjene — fteife, falte, nichtsfagende Redendart. Statt
»bemielben« müßte es heißen: ihm, diejem; der gehobenen Aus-
drucksweiſe entiprechender: dem Heimgegangenen, Berewigten,
Abgeichiedenen.
48) »Zurüdlommend von
Weimar, wo die Bühnengenofjen-
ſchaft getagt und gefeiert,
gab’s Hier für diefelbe noch
eine Feitvorjtellung und einen
Ball.ce (Aus einer Berliner
Plauderei von E. 8.)
48) Für die Bühnengenoffen=
ſchaft, die in Weimar feitlic
getagt hatte, wurde hier nad
ihrer Rucklehr noch eine Feſt⸗
vorſtellung und ein Ball ver⸗
anſialtet.
Zurückkommend mühte ſich auf Feſtvorſtellung beziehen.
BWeglafjung von hatte.
49) »Man glaubte zunächſt,
daß das im Cement eingelagerte
Eijen einer fortdauernden Ber:
ftörung durch Orydation aus-
gejegt fein und daher eine Quer:
Ichnittöverminderung erleiden
müſſe. Die Braris hat aber
das Gegenteil ergeben.«
(Aus dem Stein der Weifen
1892 mitget. dv. Hans Krones.)
Für diefelbe unſchön.
49) Man glaubte zumädit,
daß das in Cement eingelagerte
Eijen einer fortdauernden Zer⸗
ftörung durch Verroftung ads
gelegt fei und daher eine Quer:
ichnittöverminderung erleiden
mühe. Die Erfahrung hat dies
aber nicht betätigt.
Nicht im Cement, weil nicht von einem bejtimmten Cement
die Rede ift.
einen Vorgang handelt, der fich von felbjt vollzieht.
Praxis bier nicht paffend, weil es fi um
Der
legte Sag unlogiih: das »egenteil« einer Querjchnittäver:
minderung wäre eine Querfchnittävergröherung, wovon natürs
lich feine Rede fein fann.
50) »Da wird fie (Autigone)
denn doc dejjen inne, daß
fie viel mehr am Leben Hangt.«
Flecleiſens Jahrbücher f. Philol.
1897, S. 269.)
Jambiſches Versmaf.
50) Da kommt Antigone doch
zur Ertenntnis, dab fie viel
mehr am Leben hängt.
11 einfilbige Wörter in einem Sape
von 14 Wörtern; da denn doch deſſen — gleicher MAnlaut.
Das an fi) lobenswerte, wenn auch nicht ganz burchführs
bare Bejtreben, bangen, hing, gebangen und hängen,
hängte, gehängt zu unterfcheiden, darf uns nicht dazu ver:
197
führen, die Form hangt zu gebraucen. Als ftartes Zeit—
wort ift hangen abzumwandeln: Ich hange, du hängft, er hängt,
wie ich fange, du fängit, er fängt; aber ſchwach: ich bange,
du bangft, er bangt, ich verlange, du verlangjt, er verlangt.
Geprüft von den Herren Bebaghel, Brenner, Erbe, Heinge,
ähns, Khull, Lohmeyer, yon, Mattbiad, Bietih, Prefiel,
aalfeld, Scheffler, Seemüller, Wappenhans.
Bemerkungen über die vorſtehenden Säge, Beiträge u. a. bittet
man einzufenden an Profeſſor Dr. Dunger in Dresden-A.,
Schnorritraße 3.
Bücherſchau.
Wunderlich, Hermann, Unſere Umgangſprache in der
Eigenart ihrer Saßfügung. Weimar und Berlin, Emil
Selber. 1894. XIV und 271. 8,
Was bisher auf dem Gebiete der deutichen Spraclehre ges
leiftet ift, hat durchweg die Schriftiprade zum Gegenitande,
die Sprache, wie fie gejchrieben und gedrudt, aber nicht, wie fie
im täglichen Qeben geſprochen wird. Dieje, die Umgangsiprace,
ift von der Forſchung nur gelegentlich in einzelnen Punkten herans
gezogen; fie ift noch viel jtiefmütterlicher behandelt als die Mund—
arten. Eine vortreffliche Umterfuchung ihrer Grundbedingungen
und ihrer Hauptunterjchiede von der Schriftjprache bietet jept der
Heidelberger Prof. Wunderlich, der feinem rühmlichjt befannten
Werle über den deutichen Sapbau (1892) das oben verzeich-
nete Buch, eine der bedeutenditen neueren Ericheinungen auf
dem Gebiete ber deutſchen Sprachkunde, hat folgen lafien.
Schon das erfte Hauptitüd »Nede und Schrifte zeugt von
feinem Gefühle; es erörtert den Gegenjag der gejchriebenen und
der geiprochenen Rede, den verichtedenen Einfluß, den Auge und
Ohr auf die Bildung des ſprachlichen Ausdrucdes haben. — Wohl
nirgends jtehen Umgangs» und Schriſtſprache in einem jchrofferen
Gegenjage zu einander als in der Art, die Rede zu eröffnen.
Deshalb behandelt der zweite Abichnitt »die Eröffnungsjormen
des Geſpräches«;, wobei 5. B. die verfchiedenen Formen der An—⸗
rede eine eingehende Behandlung erfahren. — »Die Umgangs—
ſprache wendet fih an fleine Vertehrätreife und erlaubt ſich dess
halb auch bequeme und nachläffige Toilette.« Dies zeigt ſich ein=
mal in dem Streben, nur das Mötigfte zu jagen, das durch
Sadjlage, Tonabitufung, Mienenipiel und Gebärde feine Vervoll⸗
ftändigung erhält, ſodann aber in einer gewiſſen behaglichen Fülle
des Ausdruds: während derSchreibende reichlich Zeit zum Überlegen
und Durchdenken hat, ehe er den funftvoll gegliederten —* zu
Papiere bringt, ſieht ſich der Sprechende gend anders zu Nach⸗
trägen, Berihtigungen, Einfchräntungen und Erweiterungen vers
anlakt, und das führt zu loderem Aufbau der Rede, zu einer
Berſchwendung der ſprachlichen Nusdrudsmittel. Diejen beiden
entgegengefepten und fich vielfach kreuzenden Grundgeſetzen des
Sprechens hat der Berfafjer den dritten und vierten Äbſchnitt
ewidmet: »Der jparjame« und »Der verſchwenderiſche
Es unjerer Imgangjpradee; ber dritte bejdyäftigt fich vor
allem mit den zum Teil jälfchlich jo genannten Ellipien (Nuss
lafjungen), bei denen vielfac, das Fehlende gar nicht ausgelafjen
ift, fondern von vornherein nicht bingehört, der vierte mit den
Wiederholungen, Steigerungen, nachträglichen Einſchränkungen ujw.
— Eine Folge davon, dak ſich die Umgangsiprahe an Heine
Verkehrskreiſe wendet, it auch die ungemeine Beweglichkeit, der
die Spradjformen nad ihrem Bedeutungsgehalte ausgejept find,
die Neigung zu Meubildungen, die von der Schriftiprache gemieden
werden. den gegenüber fteht wieder ein zähes Feſthalten am
Alten, das fich bejonders in dem loderen Gefüge der Umgangs
ſprache ausdrüdt, in der einfachen Art, wie die Säße untereinander
verfnüpft werden und fich gliedern (Abneigung gegen Bindewörter
und Nebenfäge ujw.). Dieje beiden Eigentümlichteiten bilden den
Inhalt des fünften und ſechſten Haupiſtückes: »Der Tauſch—
wert unferer Formen und Formeln«; »Die Altertüm—
lichleit der Prägung.«
Das Vorftehende jo feine volftändige Darlegung des reichen
Inhaltes jein, jondern nur ungefähr andeuten, in welcher Richtung
ſich die Unterfuchungen beivegen. Der Berfafjer hat feine ſchwierige
Aufgabe mit ſcharſem Blicke und feinem Gefühle für das Eigen:
artige der mündlichen Rede gelöjt. Bei der Natur des Gegen:
ftandes lann von einer erjchöpfenden Behandlung keine Rede Ein.
Zeitfhrift des allgemeinen beutfhen Sprachvereins. XU. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
198
Aber die großen Gefichtäpunfte, unter bie ſich die Einzelheiten
unterordnnen lajjen, die Richtlinien für die Beurteilung der Um—
gangsiprache in ihren eigenartigen Erſcheinungen find in gewiſſem
Sinne abſchließend erörtert. Dad Wert bietet eine file der
fruchtbarſten Anregungen, aud) wo es in Einzelheiten zu Wider:
ſpruch herausfordert. Es wird die Grundlage aller künftigen
Forſchungen auf diejem Gebiete bilden.
Die zahlreichen treffenden Beilpiele entnimmt der Berfafjer
vorwiegend dem naturalifliihen Scaufpiele der Gegenwart; Su-
dermann, Hauptmann und andere bilden jeine Hauptquellen.
Dieſe Schriftfteler find gewiß dazu geeignet, weil fie die Sprache
des täglichen Lebens im allgemeinen ungmeifelhaft treu wieder—
eben. ber hat man die Gewähr, dab fie überall von dem
influfie der Schriftipradye völlig frei find? Und dann: war es
nötig, für ganz geläufige Formeln, wie »ad) jo, außer Nand und
Band« uſw., Belegitellen aus Sudermanns Heimat anzuführen ?
Gewiß erhalten die Beobadıtungen dadurch feiten Grund und
Boden; aber ich meine, der Berfaffer hätte ein Recht gehabt, ſich
auf die mündlichen Quellen mehr zu verlaflen. Daß er aud) die
Dlundarten heranzieht, ift felbftverjtändlich; bier finden fich feine
Beobachtungen über den Unterſchied zwiſchen jüd- und norddeuticher
Sprechweiſe. Nicht minder ift immer darauf bingemiefen, daß
viele Fügungen der Schriftipradhe in der mündlidyen Rede ihre
Erklärung finden.
Eine befjere Anordnung und jchärfere Gliederung des Stoffes
wäre erwünſcht geweien. Es ift feine ganz leichte Yufgabe, ſich
durch das Bud) hindurchzuarbeiten. Gewiß liegt das zum Teil
an der Eigenart des Gegenjtandes, an der Vielfältiglen der Er-
ſcheinungen und der manmgfachen gegenjeitigen Durchkreuzung
der — Kräfte. Aber eine Üüberſichtlichere Geſtaltung des
Stoffes hätte ſich doc wohl gewinnen laſſen. Dem Werte bes
Buches thut dies indes feinen Abbruch. Es fei jedem, dem an
einer tieferen Erfenninis feiner eigenen Sprache gelegen ift, aufs
wärmfte empfohlen.
Karl Scheffler.
Braunſchweig.
Verdeutſchungs-Wörterbuch. Unter Mitwirkung von
C. Schmelzer, Gymnafialdireftor in Hamm i. W., bearbeitet
und herausgegeben von Wilhelm Bartholomäus, Rektor in
Hamm i. W. Bielefeld, U. Helmid. 0.9. VIII und 210 S. 8.
Im Jahre 1887 richtete der Lehrer Meyer-Markau aus
Duisburg in der Verjammlung des rheiniſchen rg gi
vereind zu Elberfeld die Aufmerfiamteit der rheiniichen Lehrer auf
die Ziele des allgemeinen bdeutjchen Spracvereins durd feinen
Vortrag über die Stellung des Lehrers im Kampfe wider die
Fremdwörter. Im Anjcluffe hieran et die Verſamm⸗
lung den Redner, in Verbindung mit den Zweigverbänden die in
den Vollsſchulen gebräuchlihen Lehr» und Lernbücher auf ihren
Fremdwörtergehalt zu prüfen (vgl. Ztichr. I, 223). Dies geſchah
binnen Jahresfriſt. Der gefammelte Stoff wurde der Helmichſchen
Berlagshandiung in Bielefeld zur Verfügung geitelt, und von
diefer wurden der Rektor Bartholomäus und der Gymnaſial—
direftor Schmelzer, beide in Hamm i. ®., mit feiner Bes
arbeitung betraut. Das a ar ihrer Arbeit liegt in dem oben
verzeichneten Buche vor, odurd; die Veröffentlichung jo lange
verzögert ift, wird im Vorworte nicht gejagt. Abgeſchloſſen muß
die Arbeit ſchon lange fein. Das geht aus dem auf S. VII
jtebenden Verzeichnifje der benupten Bücher hervor, das von den
Verdeutichungsbücern des a. d. Spradwvereins nur das erite,
1888 erjcienene (die Speifefarte) nennt. Zwar trägt weder das
Titelblatt noch das Vorwort eine Jahreszahl; aber es ift an—
zunehmen, daß das Buch erjt kürzlich erichienen iſt.
Doch wie dem auch jei, es liegt uns ein gutes und braud)-
bares Verdeutſchungswörterbuch vor. Freilich jaht es feine Auf-
gabe ſehr weit und führt auch ſolche fremdſprachlichen Wörter und
Wendungen auf, die nicht eigentlich Fremdwörter genannt werden
fönnen, 3. B. yes, nous verrons, dolce far niente, o tempora!
o mores| ufw., ferner Bezeichnungen für fremde Begriffe, die
fih überhaupt nicht verdentichen lafjen, und gar Eigennamen, jo
Muse und Nemesis, Adonis und Nestor, Hellenen und Myr-
midonen, Hibernia und Lusitania, Nestorianer und Pelagianer,
Bojar und Sobranja u. v. a., auch die Namen der Sonntage wie
Rogate ujw. Was zur Erklärung diefer Ausdrüde hinzugefügt
ift, ift doc) fein Erfag, keine Verdeutichung, fondern eben nur
eine Erklärung, und jo haben es gewiß auch die Herausgeber
199
gemeint. Aber auch in anderen Fällen, bei fyremdwörtern im
4%; Einne, kann manches nur als Erklärung angefehen werden,
3. B. Kachou »ein Mittel gegen Hujten; Atemverbejjerungsmittele,
Omnibus »großer, vielfitiger Lohnwagen« (daneben »Sefrlichafts-
mwagen«), Opium »eingetrodneter Mohnſaft · u. a. So find auch
mande Lehnmwörter aufgenommen, wie »abproßen, Bibel, Dom,
Kanzler« ujw.; auch bier fann es fich nur um Erläuterung des
Begriffes, nicht um Werdeutihung bandeln. Kurz, das »PVers
deutihungsmwörterbuch« will zugleich ein » Fremdmwörterbucdhe fein;
diefe Doppeleigenichaft ſcheint mir aber dem Zwecke des Wertes
zu ſchaden, jedenfalls nicht zu nützen. Meines Erachtens hätten
alle ſolche Wörter entweder nicht aufgenommen oder beionders
getennzeichnet und dann dem Buche ein umfafjenderer Titel gegeben
werben jollen.
Was nun die eigentlichen »Verbeutichungen«, alfo den Haupt-
zweck des Ganzen betrifft, jo muß ich mich darüber fehr an—
erfennend ausſprechen. Die Erfagwörter werden reichlich geboten,
fie. find beſonnen und maßvoll ausgewählt und angemejien ges
ordnet. Das jchließt nicht aus, daf im einzelnen mancherlei ges
befiert oder hinzugefügt werden könnte, wie auch das Worwort
jelber bejcheiden zugeſteht. Jeder, der fich einer ähnlichen Arbeit
unterzogen hat, kennt ihre Schwierigkeiten, weih, daß es unmög-
lid) ijt, etwas alljeitig Befriedigendes zu liefern. So wird wohl
mandem »dralle unter den Berdeutichungen von adrett nicht zu:
jagen; bronzieren »eine Erds (joll heißen Erz-) oder Kupferfarbe
g « ift mehr Erllärung als Erfag; »erleuchtet jein« fit feine
erdeutichung von inspirieren, fondern von inspiriert sein ujw.
Doch ich) verzichte darauf, weitere Ausftelungen im einzelnen zu
machen; für eine neue Auflage werden die Herausgeber von jelber
eine nochmalige Durdarbeitung vornehmen. Dabei mühten aud)
die Angaben über die Hertunft der Wörter nadhgeprüft werden.
Hier fit nicht alles ganz zutreffend. Kaper (— »Geeräuber«)
ftammt: nicht aus dem Lateiniihen, fondern aus dem Nieder:
ländijchen. Futteral iſt nicht franzöfiih, jondern die mittellatei-
nische. Weiterbildung eines deutichen Wortes. Fumarole ift nicht
lateiniſch, ſondern italieniſch. Unter Kolon find zwei ganz vers
jchiedene Wörter (dev Kolön und das Kölon) in irreführender
Weife vermengt ujw. — Im Vorworie find mir die Ausdrücke
seine einmiltigliche gleiche Schreibweife« und »des allgemeinen
nationalijhen Bewuüßtſeins« aufgefallen.
Im ganzen ift das vorliegende Wert jehr empfehlenswert; es
wird hoffentlich recht fleihig benupt werden und zum Bejten unjerer
guten Sache recht jegensreich wirken. .
Braunſchweig. Karl Scheffler.
Sprachpfychologiſche Studien. Bier Abhandlungen über
Wortftellung und Betonung des Deutichen in der Gegenwart,
Sparjamfeit, Begründung der Normalipradhe von Walther
Reidel, Dr. phil. Halle a. S., Mar Niemener, 1897. 337 ©. 8.
Das Buch, das recht wichtige ragen behandelt, ift in einer
umerträglien Breite und zum Teil in einem beklagenswerten
Deutid) geichrieben. Und bei all den Arten verichiedner Präge,
bei dem bunten Durcheinander von Behauptungen und Beweiſen
gelangt man faum dazu, zu erfennen, was der Berfafier denn
eigentlih will. Aber da er jelbit den Vorwurf der Breite vors
ausgejehen bat und jeine Darftellung felbit durchaus nicht für
beffagenöwert hält, jo lohnt es fich nicht, ihn darauf aufmerkſam
zu machen. Indeſſen darf man von jeiner Begabung — und
Begabung ſpricht aus dem Bude — hofien, daß ihm dieje
Faſſung jeiner Gedanken dereinſtmals als eine Jugendverirrung
ericheinen werde. Sollte das Buch eine zweite Auflage, etwa in
einem Drittel des jepigen Umfangs, erleben, fo wird es immer
noch Zeit fein, genauer auf den Inhalt einzugehn.
Elberfeld. Richard Jahnke.
Die ſiebente Großmacht oder Der Schatten. Luſtſpiel
in fünf Alten von Friedrich Dukmeyer. Leipzig, Ernſt Wieſt
Machf., 1896. 136 S. 8. 150 M.
Das Stüd iſt nicht für die Bühne beſſimmt worden und das
mit Recht. Diejes Luftiptel, das gegen die » Modernen«, befonders
gegen Sudermann, gerichtet ift, mag qut gemeint fein, aber um-
erquiclicher als dies find auch die Stüde der » Modernitene« nicht.
Die gen Sprache kann nicht Über die Froſtigteit der Witze
und die unglaubliche Albernheit der Handlung hinwegtäuſchen.
Es handelt ſich um die Gründung einer Zeitung, die den Namen
Zeitfärift des allgemeinen deutfhen Epradvereind, XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10:
an
»Die fiebente Großmacht« führt. Dabei enthüllt fich eine Reibe
von Schriftitellern in einer efelbaften Eitelfeit und Gemeinben
Dem Berfafier wäre es zu wünſchen, daf er freumdlichere Bilder
aus Deutichland nad) Turfeftan — dort iſt das Stüd verfaft
worden — mitgenommen hätte,
Jahnke.
Elberfeld.
Bald und Wild in der Bibel, Bon Fritz Mücke. Ne:
damm, I. Neumann, 1896. 127 ©. 8.
Das Büchlein iſt friſch geichrieben und enthält mehr, als die
Aufihnijt verspricht.
€. J
Dr. Karl Scheffler, Oberlehrer, Das etymologiſche Be:
wußtſein mit beſonderer Rückſicht auf die neuhochdeutſche Schrift
ſprache. 1. Teil. Wiſſ. Beilage zum Jahresbericht des Neuen
Gymnaſiums in Braunſchweig.
Der Wortvorrat unſerer Sprache beſteht und bildet ſich fort
in einer Bielbeit von Wortgruppen, die fih um gemeinjame Ur
bejtanbteile, Wortitämme, jammeln. Solche Zufammengebörigteit
jtellt jich dem natürlichen’ d. h. von Gelehrſamkeit unbeeinfluhten
Bewußtſein des Sprecenden und Hörenden häufig anders dar
als der wiſſenſchaftlichen Ertenntnis der Spracgeihichte. Da
aber die Weiterbildung des Woriſchatzes in der Hauptiache nicht
von der Epradywifienichaft, jondern vom natürlichen Sprachgefühl
Ka wird, jo leuchtet ein, wie wichtig in diefer Hinſicht das
erhalten diejes natürlichen Bewußtſeins, die naotürliche Auf:
fafiung der Wortverwandtidaft iſt. WBeränderung entweder ber
Laute oder bes Wortfinnes oder das Ausiterben der Stammwörter
kann zur Folge haben, daß uriprünglid; wurzelverwandte Wörter
gegenwärtig nicht mehr in ihrer verwandiichaftlihen ZJuſammen—
gehörigteit empfunden werden. Aber das Maß diefer Loderung
urjprünglicher Zuſammenhänge bewegt ſich auf einer ganzen Stufen-
leiter, je nach der Stärke, in der diefe Urſachen einzeln oder mehrere
miteinander wirten.
Darüber enthält die Arbeit Scheffler fehr forgfältige und in
hohem Grade anziehende Beobachtungen, für jedermann anziehen),
weil ja jeder an dem allgemeinen Sprachbewußtſein beteiligt ii.
Nuc der Laie, der mehr als eine flüchtige Unterhaltung jucht,
wird fie daher mit Befriedigung lejen und mit Nutzen.
Die verſprochene Fortſepung wird mit Freude begrüht und das
Ganze hoffentlich einmal aus dem Schlupfwintel und der unhand-
lichen form eines Schulberichts in die zugänglichere Geſtalt eines
Buches gebracht werden, Dann könnte getrojt noch da umd dert
3 B. über »vergeuden,' Gefahr, Ungeziefer« aus Liebend-
wirdigfeit gerade gegen den Nichtſachmann eine Deutung hinzu—
geicht werden.
Berlin. D. Streicher.
Joh. Hug. Eberhard, Synonymiſches Wörterbud
der deutidhen Sprade. 15. Aufl. Bon Dr. Otto Lyon.
Leipzig 1806, Grieben. 10116, 8°,
Die alte Eberhard’iche Sammlung finnverwandter Ausdrüde,
deren 13. Auflage Otto yon im Jahre 1882 nad) dem jepigen
Stande der Wiſſenſchaft gründlich umgearbeitet hat, liegt jept
bereit® in 15. Auflage vor, ein Beweis, welcher Wertihägung
ſich diefes Hilfsmirtel für dem richtigen Gebrauch unſerer Mutter:
| Iprache erfreut. Lyon, durch dejien Neubearbeinung des Heyſe'ſchen
| Fremdwörterbuchs (17. Aufl., Hannover 1893, Hahn) dem alten
Werke der erite Blag auf diefem Gebiete gefichert worden ift, bat
auch die trefflice alte Arbeit Eberhards nicht nur um mehr ald
tauſend Ausdrüde bereichert, jondern auch durch jchärfere Er:
‚ Märung der Wörter und genauere Abgrenzung ibrer Bedeutung
' gegenüber den fjinnverwandten Ausdrücken weſentlich verbeiiert.
Mit Erfolg verwendet er hierbei die Wortableitimg und die Wort:
aeichichte. Er ſucht die Grundbedeutung jedes Wortes auf und
führt vielfach ältere Formen an. Auch auf fragen des Sprach⸗
gebrauchs geht er ein, wie bei der und welder, wie und als.
Hier und da erhalten wir auch kulturgeſchichtliche Aueblicke, wie
‚ ber Faſtnacht und Frau und Weib. ab er auch im Sinne des
a. d. Sprachverein® zu wirken fucht, zeigen uns Wörter wie Gaft-
hof u. a. Bei jedem Worte iſt die Überſetzung ins Engliſche,
grapzonſche, Italieniſche und Ruſſiſche hinzugefügt.
EEE UBER EEE EEE BEE
201
Das Verhältnis der Äſthetik zur Ethik bei Schiller.
Von Dr. Gerhard Heine Köthen, Ernſt Buchheim (J. A.
Elverd Nachf.), 1894. 56 S. 8. 80 Pig.
Die Abhandlung, die einen brauchbaren Führer durch die ein-
Ichlägigen Schriften Schillers abgiebt, ift in einer verhältnismäßig
reinen und daher verjtändlihen Sprache geichrieben. Sie fann
als ein Beweis dafür dienen, dak man auch bei wiſſenſchaftlichen
Arbeiten ohne einen Wuſt von Fremdwörtern austommen fann.
—— hätte ſich noch manches Fremdwort vermeiden laſſen.
rt eine breitere Öffenttichteit ift die Arbeit weder bejtimmt nod)
geeignet.
E. 3
Feſtbuch für das neunte Kreisturnfeſt in Qübed,
August 1897.
Bericht über das 43. Verwaltungsjahr der Lübeder
Turnerſchaft.
gr dieſen beiden Schriften macht fi die ſprachlich befiernde
and unſres Mitgliedes Dr. Zillih in übe in trefflichiter
eife geltend: fie jind in musterhaft reiner und guter Sprache
abgejaßt.
Neunzehnter und zwanzigſter RehenjchaftssBericht
des Bereins zurfonfirmanden:Ausöftenerung zu
Dresden. 1895 und 1896.
Während der 19. Bericht noch eine ganze Neihe von fyrembd- |
wörtern aufweilt, find diefe im 20. Berichte in gemandter Art
durch deutſche Ausdrücke erfeht worden, was wohl dem ſprach—
reinigenden Einfluſſe des Vorſihenden, Sekretärs Arthur Rogge,
zu verdanlen iſt.
28. Jahresbericht über die Wirklſamkeit des Frank—
furter Gefängnisvereins, erjtattet durch den Ehrenvorfigenden,
Rechtsanwalt Dr. Bonfid.
Wie alle Beröffentlichungen
Dr. Bonfid in Frantiurt aM.
U
ihre jpradjliche Reinheit aus.
unferes verdienten Mitgliedes
‚ Jo zeidynet ſich auch diefe durch
Seitungsihan.
Aufſätze in Zeitungen und Zeitichriften.
Adolph Heil, Die Fremdwortfrage — Die Hritit Nr. 142,
19. 6. 97. — Der Berf. meint, der Kampf gegen die Fremd⸗
wörter habe zum unbeitrittenen Siege geführt, die Aus—
merzung alles entbehrlichen fremden aus unferer Sprache
ei jo gut wie vollendet Den Kampf gegen die armieligen
Iberreite diefer Eindringlinge nennt er einen Kampf gegen
Windmühlenjlügel, der nur von den Behörden und Yite-
raten gie würde, nicht aber von dem berufenen Kämpfer,
dem Volke. Die noch beitebende Vorliebe für lateinische
Wörter — diefe giebt der Verf. zu, von der für die frans
zöſiſchen fcheint er aus Mangel an Selbiterfenntnis nichts
zu ahnen — werde durch deu lateimifchen Unterricht genährt
und würde mit deſſen Beſeitigung allmählich ausgerottet
werden, obne Lücken im Deutichen zu binterlafien. Vom
reinen Nüplichkeitsftandpunfte jei die Ausmerzung der Fremd⸗—
fwörter nicht zu erftreben, was unter Hinweis auf das
Englische nachzuweiſen gefucht wird. Bei einer reinen Sprache
wie der deutſchen, feien aber jchönheitlicde Erwägungen maß—
gebend, von denen aus die Beteiligung am Hampfe gegen
die Fremdwörter unbedenllich ſei. Diefer verlange jedoch)
"ganz andere Mittel als die bisher verwendeten, nämlich
Stärlung des nationalen Gedantens im Volle. Der Auflag
leidet an einem empfindlichen Mangel an rolgerichtigteit,
enthält aber manches Beachtenswerie. Den a. d. Sprach—
verein kennt der Berf. wohl nur oberflächlich.
Der bildlihe Ausdrud in der elfälfiichen Volksſprache.
— Strahburger Poſt. 15., 22. u. 20. 11. 96. — Ein jehr ges
gediegener und gefällig geichriebener Aufiag, der in einer
längeren Ginleitung das Wejen bes bildlichen Ausdrucks
im allgemeinen erörtert, die im Zeitungsweſen und im
neuzeitlichen Nomane überhandnehmende VBildervermengung
rügt, dagegen die Kraft und Klarheit der ſprachlichen Bilder
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Spradpvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 10.
202
des Volkes hervorhebt und dann aus dem reichen Bilder:
ſchatze der elſäſſiſchen Mundarten viele meift der Tierwelt ent=
ſtammende Beiipiele vorführt.
Die Fremdwörterei. — Deutich- öfterreichiicher Nadfahrer.
5. u. 20. 10, 5. u. 20. 11.96. — Richtet eine kräftige Mahnung
an bie Radfahrer fich überflüſſiger Fremdwörter zu enthalten,
und giebt ein ausführliches Verzeichnis von Fremdwörtern
nebit ihren Werdeutichungen und der Angabe ihres Meder ai
das ſich aber nicht auf die Kunſtausdrücke im Madeliport bes
fchränft, fondern auch viele jonft gebrachte jremdiprachige
Bezeihnungen enthält. Das Verzeichnis ift, wenn aud in
Einzelheiten anfehtbar, als eine trefflihe Vorarbeit für ein
Verdeutichungsbucdh »Der Sport« zu betrachten, das der a.
d. Sprachverein hoffentlich bald in Angriff nehmen wird.
U. Kofahl, Das Fremdwort im gewerblidhen Unter-
richte. PBortrag auf der 9. Wanderverjammlung des Ber-
bandes deuticher Gemwerbeichulmänner. — Beitichrift für ges
werblichen Unterricht 1. u. 15. 7. u. 1.8. 97. — liber diejen
erfolgreichen Vortrag ift bereit® Sp. 171 berichtet worden:
er geht von einer allgemeinen Betrachtung des fyremdivort=
unweſens aus, beſpricht im bejonderen die Wörter » Eyitem,
intereffant, Programme, und wendet fich dann zu den Kunſt⸗
au&drüden in der Mathematif und den übrigen Fächern des
gewerblichen Unterrichts.
Plaudereien über das Binde-s. — Voſſiſche Zeitung 19.,
20. 1. 21. 8. 97. — Eine geiſt- und humorvolle, dabei er—
ichöpfende Darftellung dieſer beikumftrittenen Frage. Der
Verf. wurde dazu durch eine Reihe von Anfragen angeregt,
bie fein Aufſatz » Denkmalpflege oder Denfmaläpflege ?« (vgl.
Sp. 9) veranlaft hatte. Bon Jean Pauls 12 Briefen über
die »s⸗Krätze · ausgehend, giebt er an der Hand von Traut⸗
manns Schrift »Der ſ-Unfug«s Aufſchlüſſe über die geichicht-
liche Seite der Frage, beipricht dann das Verhalten einer
großen Anzahl einzelner Wörter in der Zufammenjegung und
legt dar, daß ſich zwar ein allgemein giltiges Geſetß über
den Gebrauch des Binde-s nicht aufjtellen läht, wohl aber
für Gruppen von Wörtern Regeln vorhanden find. So
nehmen das =8 an: alle weiblihen Wörter auf =heit, »Eeit,
sichaft, sung, ton und =tät. Kein Bindess aber haben
die Stoffnamen, Flußnamen, die auf einen betonten Selbit-
laut oder einen Doppellaut ausgehenden Wörter, ferner die
Wörter auf »er, «el (mit 7 Ausnahmen). Der Berfajjer
ſchließt mit der ſcherzhaften Mahnung:
»Iſt das Binde⸗s noch zweifels
haft, ſo ſchickt's zum Zeufel«.
Namen: Moden. — Deutiche Tageszeitung 8. 5. 97, — Weift
auf die Wichtigkeit der hen a bin, erörtert deren
Moden und tritt dafür ein, die Namen nicht mehr gedanken—
108, jondern an die Familienüberlieſerung antnüpfend zu
wählen.
Philipp Loich, Zur Beurteilung von Bilmars Idioti—
fon von Kuürheſſen. — Heſſiſche Blätter 15. 5. 97. —
Eingehende Erörterung über den Ep. 101/2 behandelten
N Streit zwiſchen dem Berfafjer und Prof. Pietſch.
9. von Pfiſter-Schwaighuſen, »Ein deutiher Sprad-
verein« — Eiöfeber Yeitung 21. 5. 97. — Eine Bemerkung
in der Bücherſchau der Aprilnr. die, Beitichr. iiber das
Druchheft »Germanenipiegele giebt dem Berf. Veranlaſſung,
nicht nur über den Beurteiler den Stab zu brechen, der nach
der »ngediegenen Art neutümlicher Kritteler« und mit »ver—
plüffender(!) Befangenheit« verfahren jei, jondern auch dem
Spracverein im allgemeinen jeine Sünden vorzuhalten und
das alles in der dem mwaderen Borkimpfer für unverfälichtes
Urteutonentum eigenen, nicht eben geichmadvollen Sprache.
Natürlich werden die Yateinichriftler wieder »vaterländiiche
Böjewichtee genannt. Warum nicht gleih Schurfen, Lum—
ben?
Bag. Heeger, Über die Herkunft einiger Wörter der
pfälziihen Mundart. Pilzisches Muſeum 1. 4.,
1.5., 1.6. 97. — Weiſt von einer Reihe von Wörtern nadı,
daß fie nicht, wie Dr. Ph. Keiper in 2 Abhandlungen ans
gegeben hatte, fremden, fondern deutichen Urſprungs find,
fo von »pinſen, anmerren, rippeln, räppeln, Spell uw.
beutihen Monatänamen und der »Ullgemeine
deutſche Sprachverein« — Heimball 15. 2. 97. — Abdruch
13
ı Dr.
Die
203
eines Briefmwechfeld zwiſchen dem I. Schriftführer des a. d.
en Prof. Dr. Pietih, und dem Obmanne des
» Bundes der Germanen«, Herrn 9. K. Kernrenter in Wien.
Gegenſtand der Vriefeiit die vom Bunde der Germanen befür-
wortete Verdeutſchung der Monatönamen, auf die näher ein-
zugehen Prof. Pietih im Namen des Ausſchuſſes ablehnte.)
Die Schriftleitung (Broß-Lichterfelde bei Berlin, Drafe-
ftraße 3) ftellt den Lejern der Beitichrift die oben und
früber bier aufgeführten Aufſähe ufw. gerne leihweiſe
zur Verfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Kafjel. Der Aweigverein hat beſchloſſen, ein Jahrbuch heraus:
zugeben, deſſen eriter Jahrgang unter der Schriftleitung des Stadt-
fümmeres Ludwig Barner erjdienen ift. Das Jahrbuch legt
unächſt die Zwecke des a. d. Sprachvereins dar, enthält dann die
eſonderen Beitimmungen für den Zweigverein Kafjel, ferner eine
Überficht über die Entwidlung des Zweiqvereind, ein Verzeichnis
der in der Vereinsbücherei befindlichen Werke und eine Lifte der
Mitglieder, deren Anzahl jept 550 beträgt. Über die rege Thätig—
teit des Vereins ift bereit mehrfach im der Zeitichrift berichtet
worden; wir möchten aber noch einmal auf das vortreffliche Vers
fahren bei Berfendung der Beitfchrift an die Mitglieder aufmerkjam
machen, das der —* eingeſchlagen hat. Ein Buchhänd-
ler hat dieſe Verjendung übernommen und dafür das Recht er:
halten, jede Nummer in ein von ihm herausgegebenes Anzeigen:
blatt zu heiten. So erhalten die Mitglieder die Zeitfchrift punkt—
lich, geheftet umd aufgeicmitten und dem Berein erwachſen nicht
nur feine Koften, jondern der Buchhändler bezahlt ihm jogar nod)
SOM. für das Anzeigenblatt. — Statt der vom Grazer Bereine
hergeitellten und empfoplenen Rechenzettel, die fiir Norddeutich-
land wenig Wert haben, da fi die Kellner bier nur felten
ſolcher Zettel bedienen, hat der Kafieler Verein Buchhändler—
Empfangsbeiheinigungen druden lafien, auf deren Nüd.
jeite, wie bei den Grazer Nechenzetteln eine Reihe der gebräuch—
lichten Fremdausdrücke verdeutſcht find. Ferner hat er verſchie—
dene, geihmadvolle Poſtkarten mit Anſichten von Kafſel
und Umgebung in größerer Menge beritellen laſſen. Die
Karten find mit dem Wahlipruche des Vereins ausgeftattet und
werden zum Preiſe von 3 Pig. das Stück abgegeben.
Laibach. Am 10. Juli hielt Proſeſſor Dr. Riedl einen Vor—
trag über die Borgeihichte des Goetheſchen Fauſt.
Münfteri.®. In der Yunifipung erjtattete Schriftiteller
Mattias Linhoff Bericht über die Hauptverjammlung in Stutt=
gart, und dann hielt Dr. Westamp einen Vortrag über das
alte und dad neue Reich, im dejlen Eingang er ausführte,
daß der Sprachverein bemüht ſei, zugleich mit deutjcher Sprache
deutjchen Sinn zu pflegen. Ein Mittel zu diefem Zwecke jei es
aber, wenn wir uns die Entwidlung der deutichen Geichichte vor
Augen führten, wenn wir erfennten, daß die Einigung des Vater—
landes nichts Zufällige, ſondern die Folge gejchichtlicher Ent:
wicllung ſei.
Prüm. Der Vorſiher, Kreisſchulinſpeltor Klauke, erörterte
am 12. Juli in eingehendem Vortrage die Mängel unſerer
Schrift und unserer Nedhtihreibung. Als erjirebenswertes
Ziel zur Erlangung einer einheitlichen Schreibweile wurde bie
Regel »für jeden Yaut nur ein Zeichen« bingejtellt. Ansbefondere
wurde darauf hingewiejen, wie jehr ſchon der erite Unterricht durch
die verschiedenen Schriftarten, durch) große, Meine, deutiche, Tateis
nijche, gejchriebene und gedrudte Schrift, erichwert wird, ſowie
durch die Verichiedenheit der Yaute, die durch denjelben Buchſtaben
zur Daritellung gelangen 3. B. »ge in wagen, wiegen, gleiten,
und durch die Mannigialtigleit der Zeichen, die für denſelben
Laut im Gebrauche find, man vergl. »ch« in weich und »ge in
wenig. Der Vortragende Hält die fog. lateinische, runde Schrift
für die zum Weltgebrauche pafiendite. In der ſich anſchließenden
Erörterung fam man auf die Schwierigfeiten zu fprechen, welche
die verfchiedene Ausſprache in den verjchiedenen Gegenden ber
Vereinbarung einer einfachen und allgemeinenen Schreibieije ent-
gegenjtellt. Oberlehrer Dr. Kreuſer erklärte fich bereit, in einer
jpäteren Sikung einen Vortrag über die richtige Ausſprache
des Deutichen zu halten.
Zeitſchrift des allgemeinen deutfhen Sprachvertius. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 10, 204
Brieftaften.
Herren Dr. A. Sch. .. Dresden, Rettor J. . . Wermelß
kirchen, H. K. . . Bremen, X. Heidelberg u.a. Der ai
Sp. 169/70 d. vor. Nr. von Mattias Linhoff veröffentlichten Lie
bon Zeitungen und Zeitichriften, welche die Ausdrüde » Hedattion«
und » Redakteure vermeiden und dafür »Schriftleitung « und » Schrift:
feiter« (auch bloß »Leitung, Leiter«) jagen, find nad) Ihren gell.
Mitteilungen folgende Blätter hinzuzufügen: Frankfurter Boll:
bote, Pharmaceutiihe Tentralballe für Deutihland
(Dresden), Wermelsfirhener Zeitung, Unfer Hausarzt
(Berlin), Deutihe Romanzeitung (Berlin), Heimball
Berlin), Deuticher Boltsbote (Heidelberg), Deuticdsöiter:
reihijher Radfahrer (Wien).
Herren Eu. R..., Bremen. Der mit » Idealismus « über:
ichriebene Aufjaß der Nr. 10 de8 »Deutihen Proteitanten: ”
blatted« dom 6. März beginnt mit den Worten, die jeder Pre—
diger beherzigen follte: »Ich verwende in meinen Predigten nur
ausnahmsweiſe Fremdwörter, denn meine Gemeinde begreift fie
nicht. Ich finde auch, daß fie in Predigten überhaupt nicht an
ihrer Stelle find. Sie pflegen zwar zu den Wörtern zu gehören,
‚die zur rechten Zeit fich einftellen‘, aber wenn man ſich mar
die Mühe nimmt, eim wenig zu juchen, fo ift unfere beuthe
Mutteriprahe an guten Wörtern und deutlichen Wendungen reich
genug, um fie fajt gänzlidy) entbehren zu können. «
Herm H.R...., Berlin. »General- Feldmaridall:
Prinzs riedrih-KarlsvonsPBreußen- Eicher! So laute
nadı Ihrer geil. Mitteilung die Infchrift in Goldbuchitaben auf
einem Steine am Fuße der zu Ehren des »roten Prinzen« in de
Schöneberger Hauptitrahe gepflanzten Eiche. Pilgert dorthin, br
Freunde unjerer Mutterjpradye und fehet, wie dieje im nächſtet
Nähe der » Metropole der Intelligenz« gepflegt wird! Dazu be
merten Sie: »Wenn fo die berufenen Geiſter in erhabener Stel:
lung in Stein und Erz zum Bolfe reden, was foll man da von
dem Spracgefühle des gemeinen Mannes erwarten, das doch
weſentlich durch das tãglich Geſchaute und Gehörte gebildet wird!«
Herm ME. ..., RARADIEg Sehr Erfreuliches bringt
das Aprilheft d. %. der »Lehrproben und Lehrgänge aus
der Praxis der Gymnaſien und Nealichulene wo es in
den » Mitteilungen der Herausgeber (Dr. W. Fries und Prof.
Dr. R. Menge) unter Nr. 4 heißt: »Die —— werden
in Zulunft mehr als bisher beſtrebt fein, in ihren Beiträgen und
Mitteilungen fich der entbehrlichen Fremdwörter zu enthalten, und
richten diefe Bitte auch an die Herren Mitarbeiter«.
Herrn Dr. #...., Neuern Die Sleditihien find eine
Pflanzengattung aus der Familie der KHaffien, die ihren Namen
durch Linne nach dem Direktor des botanischen Gartens in Berlin
Gleditſch (1714— 1786) erhalten haben und deren befanntejte
Art »Gleditschia triacanthos«, der Zuckerſchotenbaum, Schoten-
dorn, aus Nordamerifa für Biergärten bei uns eingeführt worden iſi.
Hrn A. G...., Hamburg. Her Martin Ed in Frank—
furt a. M. folgt mit der Bezeichnung »Distributeur für Toilette-
Rapiere nur dem früber noch mehr als jept hervortretenden Be
jtreben, franzöfijhe Namen Dingen zu geben, über die man ge
wöhnlich zu ſprechen vermeidet. Schmeichelhaft iſt das eigentlich)
für die Franzofen nicht, umd in diefer Verwendung wären bie
Fremdwörter noch am ehejten zu ertragen. Aber auch bier find
fie überflüſſig und ſomit auch verwerflic.
Herrn R. . . . Münſter i. W. Die Vezeihnung » Abonne-
ments poste« auf den Streifbändern fir nachzuſendende Zeitungen
ift, wie uns ein höherer Poftbeamter jchreibt, durch das Welt-
poftübereinfommen vorgefchrieben, ſoweit es ſich um die Sendung
nach fremden Ländern handelt. innerhalb des deutichen Reichs
u. Ofterreichs muß ſich auf dem Streifbande die Auffchrift bes
finden: »Zeitungſen) von.... nad....«. Bei Poitanitalten
mit wenig umfangreichem Zeitungsverlehre werden zur dienstlichen
Erleichterung und zur Erſparung von Drudfoften die beiden Auf
ichriften vereinigt, oda diefe Anjtalten für ihren gefamten Ber:
lehr nur eines Bordrudes bedürfen. Dieje Vordrude jollen eigent⸗
lich überhaupt nicht in die Hände der Zeitungempfänger gelangen. —
Ihre Befürchtung, man fehre jeit dem Tode von Stephans zum
alten Kurje zurüd, ift demmad) unbegründet.
205
Herrn M.€E, ...., Trieſt. Die in der Fachſprache der Blumen:
a. überhandnehmende Fremdmwörterjucht ift auf Sp. 263 des
Jahrg. (1895) dief. Zeitfchr. von Friedrih van Hoffs in einem
dort abgedrudten Sinngedidhte trefflich gegeibelt worden. Was der
Dichter aber ſ. Z. nur für möglic hielt, iſt nad der von Ihnen
eingejandten Anzeige zur Wahrheit geworden. Herr Zyta in
Klattau (Böhmen) bezeichnet fit) darin ala »Melkenijt«. Ob
Brof. dv. Hoffs fi) freuen wird, dab feine Prophezeiung einge:
troffen ift? Die Anzeige des Zyta enthält aber neben verſchie
denen überjlüffigen Fremdwörtern aud den Ausdrud »blühbare
Eremplare« »Eremplar« wird in Gartenwerken ja oft auch von
Pflanzen gebradht und mag daher nod) hingehen; aber »blühbar«
üt eine recht bedenkliche Neubildung. Die Endung bar bezeichnet
die Möglichkeit und wird an Yeitwörter nur dann gehängt, wenn
diefe paffiven Sinn haben, Greifbar ift ; B. das, was ge—
riffen werden fann. In »blühbar«e ift blühen jedoch, alttiviſch
t was blühen fann). Das Wort ijl daher faljch gebildet und
zu verwerfen.
Herm L.. . Neubabelsberg. Das »Potsdamer In—
telligenzblatt« ſcheint, getreu dem Charalter der Stadt, für
deren »ntelligenz« es jorgt, die Überlieferungen der Zeit Fried⸗
richs d. Gr. in fprachlicher Hinficht zu pflegen. Anders iſt es nicht
verjtändlih, dak es Ankündigungen mit der Liberjrift »Aver-
tissements« verfieht (vgl. Nr. 134 vom 10,6.97). Die freund-
lichſt Überjandte Anzeige ift dem ſcherzhaft jo genannten » Gefühls-
ausſchuſſe ⸗ zugegangen.
Coblenzer Bollsfreund, Koblenz. Sie bitten uns, eine An—
zeige Ihres Blattes »in Change« zu veröffentlichen und unſere
»Changeanzeige« Ihnen bald zuzujenden. Über einen etwaigen
»ChangesBertehr« erfuchen wir Sie, mit der Gejchäftsitelle zu
verhandeln. Die Scriftleitung bemerft Ahnen, daß der Schluß
aus der Sprache Ihrer gedrudten Bitte auf Ihre fonjtige Aus—
drudsweife nicht eben günjtig für diefe ift. Sollte ſich eine Zeitung,
die ihr Deutſchtum jo ftart betont, nicht lieber einer veineren,
ſchöneren, überhaupt mehr deutjchen Sprache bejleihigen ?
ern 3. Sdı..., Köln. Das niederdeutiche »derfammere
(= Satritei) it aus dem mhd. gerwekamere entftanden, von
gerwen (= gerben) in feiner früheren weiteren Bedeutung »be-
reiten, rüjtene, alfo etwa — ⸗»Rüſt-, Vorbereitungdfammer« —
»hamebücden« oder »Hagebüden« ijt das Eigenſchaftswort
u »Hageln)bucdee (Hagen = Hain, daher auch Hainbuce) =
Beikbude (Carpinus betulus) und verdankt feine bildlicdye Vers
wendung der derben, knorrigen Urt des Weißbuchenholzes.
Herm &, Pr. ..., Liebejhig. Mit Unrecht befehden Sie
u. E die Endung sei (inöbejondere in Bücherei) Gewiß ift
fie fremden (romaniſchen) Uriprungs; aber fie wird ſchon im Mittel-
hochdeutſchen am zahlreiche deutſche Wortjtämme angefügt, z. B.
»buoberie — Büberei, jegerie = Jägerei, rouberie = Rüuberei«
ufm, Heute it die Zahl der jo gebildeten Wörter unbegrenzt,
weil fie befonders von jedem Zeitworte abgeleitet werden fünnen,
meiit mit tadelndem Beifinne; Fr. Th. Viſcher bildet jogar einmal
von »fein : Seinereis (Huch Einer 1, 277). Die Endung zei hat ſich
aljo als’eine lebensfähige Ableitungsfilbe bewährt, die wir als eine
Bereicherung unferer Uusdrudsmittel anzujehen haben. Sie zu
bejeitigen, haben wir weder das Recht noch die Möglichkeit. Oder
follen wir im Ernſte der ungezäblten Menge jo fejt eingebürgerter
Wörter, wie »Malerei, Bildnerei, Schniperei, Bäckerei, Fiſcherei,
Förfterei, Molterei, Spielerei, Zauberei« uſw., den Krieg er:
Hären? — Ihr Vorſchlag, für »Bücherei« lieber »Sebüches zu
jagen, dürfte nicht viel Teilnahme finden. Zwar iſt das Wort
richtig gebildet; auch iſt die Fähigkeit der Borfilbe ger, Neu:
bildungen zur Bezeichnung von Sammelbegrifien zu ſchaffen, noch
nicht ganz erlojchen; »&eäjt, Gefelſe, Gezweig« u. m. a. jind ziem-
lich junge Wörter. Aber volle Lebenskraft lommt diefer Wort-
gruppe nicht mehr zu, d. 5. wir können nicht beliebig von jedem
inzelbegriffe mit der Vorfilbe ge= einen Sammelnamen ableiten.
Ein »Gejtühl: Stuhl« berechtigt uns noch nicht, etwa zu »Bant::
Gebänte zu bilden; dürfen wir nach den Mujter von »Gebüjch«
und »Gehölz« auch »Gewäldes jagen? Bei ſolchen Neubildungen
ift die Äuferfie Vorficht anzuwenden. So wollen wir denn das
Wort »Gebüce« lieber ungeboren fein lafjen und dafür fernerhin
» Bücherei verwenden, zumal ſich dies jchon ziemlich eingebürgert
hat, und namhafte Schriftfteller zu jeinen Gunjten angeführt
werben können (vgl. Sp. 140 d. Ig.)
errn A. d...., Berlin. Unter Einjendung eines » Entröe-
Billetse der Nusflellung am Hurfürjtendamm in Berlin jchreiben
Zeitihrift bed allgemeinen deutſchen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Mr. 10.
206
Sie: » Hoffentlich vertritt Herr von Bodbielsti die Grundjäpe
des a. d. Spradvereins ald Staatsjelretär des Reichspoſtamts
bejler als als BVorfipender der Transvaal-Außsftellungss
Berwaltung.«e Pas hoffen auch wir, dod) möchten wir für den
angeführten häßlichen Ausdrud den genannten Herrn nit ohne
weiteres verantwortlich maden. Wahricheinlidy weis er von dieſer
Geſchmackloſigleit eines der Gejchäftsführer der Austellung über—
haupt nidhts. Wichtig wäre es, zu erfahren, wo die »Entree-
Billets« gedrudt worden find, man fönnte dann die Drucerei
bitten, diefen ſprachlichen Unfug abzujtellen.
Herrn F. D...., Hamburg. Herr Charles (!) Zaujmann
in Reutlingen verjendet, wie Sie uns freundlichſt mitteilen,
eine engliſch abgejahte Antündigung, die fo reih an Schnigern
ift, daß bei ihrer Verbejjerung recht viel rote Tinte fließen müßte.
Diefer Antündigung ift auf der zweiten Seite eine Preislifte für
Wolldeden in deuiſcher, aber auch recht fragwürdiger Sprache
beigefügt. Es ijt bier alſo feitzujtellen, daß ein deutjches oder
doch wenigitend auf deutſchem Boden befindliches Handelshaus
den traurigen Mut bejigt, deutichen Saufleuten jeine Waren halb
in englifcher, halb in deuticher Sprache anzubieten, ohne ſich dabei
einer diefer Sprache fehlerfrei bedienen zu können. Im dieſem
Falle lann es ſich nicht um den Irrium eines Angeftellten han—
dein, bier liegt offenkundig ein Überflui an internationalem Ges
fühle und ein Mangel an jprahlihem Berjtändnifje vor, der
eine ernjte Nüge verdient.
Herrn F.©...., D. Die Frage: »Ihr Fräulein Tochter
oder Ihre Frl. T.«? wird im den einichlägigen Büchern ver-
ichieden beantwortet. Wuſt mann (Allerband Sprachdummheiten)
erflärt »Ihre Frl. T.« für das einzig Nichtige, da das befig-
anzeigende Fürwort ſich auf »Tochtere nicht auf »Fräulein«e bes
ziehe. (Bom rein logiſchen Standpunfte iſt das auch unzweifele
haft). Andrejen (Sprachgebrauch und Spradhrichtigfeit) giebt
zwar aus demjelben runde dem Ausdrud »hre rl. T.« den
Vorzug, bezeichnet den Gebrauch aber als fchwantend. Matthias,
defjen vortrefflices Buch »Spradhleben und Sprahjchäden« joeben
bei Brandftetter (Leipzig) in 2. m. erjchienen ift, erachtet beide
Fügungen für möglich, ſcheint aber »Jhr Frl. Te für fpradhe
gebräuchlicher zu balten. Schluß daraus: Es ijt feincs von
beiden falſch.
Harn #.&h...., Hannover. Bu ben Bemerkungen über
»English platede (vgl. Sp. 143 und 175) teilt unſer Gewährs—
mann uns mit, dab er nicht habe fejljtellen wollen, welche vers
ſchiedenen Arten von Berfilberungen überhaupt unter den eng—
lichen Ausdrud fallen könnten, jondern nur, welche Verdeutſchung
für die Ware des Sp. 143 —— Berliner Hauſes in Frage
füme. Für dieſe Ware jet aber nad) Art ihrer Verſilberung
lediglich, die Bezeichnung »englifch verfilbert« am Plage, da
von einer Silberplattierung dabei nicht die Rede fein fünne.
Hern W...., ©. »Das Gebäude droht dem Einfturze
ift unbedingt faljd. Man könnte jagen: »D. G. droht den Eins
fturze (drohen tranfitiv mit dem 4. Falle dejjen, was man droht).
Der man fage: »Dem Gebäude droht der Einfturze (drohen
intranfitiv mit dem 3. falle des Bedrohten). Weide Ausdrudds
weifen find möglich, weil das Gebäude ſowohl als drohend wie
ald bedroht aufgefaht werden fann. Die von Jhnen genannte
Faſſung ift aber eine unerlaubte Verquickung der beiden richtigen.
Herm M.®...., Düjjeldorf. Die von Ihnen vor:
geſchlagene Verdeutichung für Lawn Tennis »Nepballe, die Sie
den Ausdrücken »Streis» und Sclagball« nadgebildet haben, hat
die Vorzüge kurz und treffend zu jein und verdient daher alls
gemeine Anertennung. Wie Sie aus der legten Seite diefer Nr.
erjehen fünnen, haben wir fie und bereits bdanfend zu eigen
gemacht.
Herrn M...., Odnabrüd. Die Ausdrudsweile »Haupts
verjammlung zu Stuttgarte halten wir trop Wuſtmann für richtig.
Früher war »zju« bei Ortsnamen auf die frage wo? allein üb-
lih. Heute ih es allerdingd im allgemeinen durch »in« vers
drängt; aber es ijt erlaubt und untadelig, wenn es ſich um
menschliche Thätigfeiten oder ihre Ergebnijje handelt. So würde
man heute nicht mehr fagen: »Zu Hamburg berrichte die Cholera,
zu Nom find die Nächte kühle; wohl aber darf man »eine Vers
jammlung zu Stuttgart, eine Dentmalfeier zu Koblenz« jtatt-
finden lajjen. Indeſſen ift nicht zu leugnen, dab auch in ben
angegebenen Grenzen »zue in ſchlichter Rede mehr und mehr zu
ſchwinden beginnt; man wird jchwerlich noch fagen: ich wohne zu
207
Berlin, er ftudiert zu München⸗. Aber wo die Sache jelbit oder
die Gelegenheit eine feierlichere oder jürmlichere Ausdrucksweiſe
erfordert oder zuläßt, iſt Zu⸗ noch heute durchaus am Plage,
alfo nicht blos in der gehobenen Spradhe des Dichters und Redners,
fondern auch 3. B. da, wo es fich um feitliche Veranſtaltungen
handelt (wie in den oben angeführten Beiſpielen), in titelhajten
Bezeichnungen »Hochſchule zu Jena, Zweigverein zu Bonn« und
in ähnlichen Fällen.
Ham J. Sch.. . Frankfurt aM Mit Veziehung auf
die Brieffajtenantwort Ep. 176 ſchlagen Sie vor, » Depofttum«
durch »Niederlages, zu eriegen, und meinen, das Wort fünne
dann ebenjowohl das niedergelegte Gut, wie auch das Gebäude
bezeidinen, in dem es verwahrt wird.
wird, mie fie mitteilen, auf allen deutichen Zollämtern »Yager-
ichein« gejagt, doc) jei dafür im Geſchäfteleben auch »Legiceine
ebräudylid. Der Ort, wo die hinterlegten Papiere oder Wert:
ars untergebracht jeien, wäre danadı, jeiner Beichnfienheit ent—
iprechend, zu nennen: »Legliite, Legſchrank, Legkeller, Lagerhaus,
Yegftube, Yegipeicher.e Dieje Vorſchläge find beachtenswert; das
Erſaßwort »Schreibjtube« für » Comptoire hat aber u. E. wenig
Nusficht auf Einführung; man ſchreibe »Nontor«, wie man all
gemein fpricht, und man hat damit ein dem Deutſchen munds
recht gemadjtes Fremdwort, alſo ein Lehnwort.
Herrn 8, Th. 8. ©... ., Hannover. Indem Sie in Bezug
auf die Bentertung im Brieffaften Sp. 100/101 die rein gramts
matifche Nichtigfeit des dort beiprochenen Ausdrudes »das Bor:
haben eines Ems: Weferlanalde zugeben, verwerfen Sie
ihn doch aus einem anderen Grunde durchaus. Denn Sie wollen
für fubjtantivierte Zeitwörter oder wohl für alle Hauptwörter, die
eine Thätgleit bezeichnen, die Verbindung nur mit ſolchen genes
tiviſchen Beitimmungen zulaſſen, die auch wirklich das Objett des
Beitwortes bilden können. Demnad) dürfe man vom Bernageln
einer Kanone, vom Bau eines Hauses reden, weil man
eben eine Kanone vernageln, ein Haus bauen könne. Das»Bor:
haben eines Kanals« dagegen erjdeint Ihnen als ein un:
erhörter Ausdrud. Freilich entipridyt dem häufigen übertragenen Ge—
brauche des Zeitwortes »ich habe vor, etwas zu thun« genau mur
die Verbindung des entipredjienden Hauptwortes mit foldyen, bie
ſelbſt wieder ein Thum bezeichnen, und Ste fordern demgemäh auch
in unferem alle: »Borhaben eines Htanalbanes«. So hat man
den Bau eines Haufes vor, eine Reiſe u.a. Aber es iſt doc
wohl auch allgemein üblich, einen langen Weg, ein großes Wert,
ein Geſchäfi vorzuhaben, wenn man vorhat, den Weg zu
gehen, das Werf auszuführen, das Geihäjt zu bejorgen.
Fällt doch bei der Anwendung des Wortes im eigentlichen (micht
übertragenen) Sinne jene Beichräntung überhaupt weg; denn
jeden beliebigen Gegenftand, an dem man arbeitet, hat man in
der Negel vor ji), nämlich vor feinen Händen; von Schriftwerf
fagt man ebenfo bezeichnend »unter der Hand«. Difenbar aber
fpielen, wie die oben erwähnten Ausdrücke zeigen, bei diejem
Sprachgebrauche die eigentliche und uneigentliche, die ſinnlich—
örtliche und die geiftig übertragene Wortbedeutung ineinander. Um
fo weniger darf man daher an Stelle des auslübrlicheren Auss
drudes »Borhaben einen Kanal zu bauen« die kürzeren »einen
Kanal vorhaben« und »das Vorhaben eines Kanals« ſchlechtweg
verdammen. Gewöhnlich ift insbejondere der letztere gewiß nicht,
dad muß man zugeben umd ift in der betr. Turgen Benterkung
auch zugegeben, auf Grund natürlich eben der Erwägungen, die
unterlajien zu haben Sie dem Verfafjer zum Borwurfe machen.
Daß Eie ſchließlich die andere Verdeutſchung des unmüpen » Bros
jetted« durch ⸗Plan eines Kanals« nur von einem gezeidneten
Plane gelten lafien, diejem Wort aljo feiner engeren, bejonderen
Bedeutung zuliebe die weitere, allgemeinere verfagen wollen,
iſt ungereditfertigt, wie Sie bei näherer Beſchäftigung mit dem
Worte »Blan« felbit zugeben werden.
Briele und Drudjadhen für die Vereinsleitung
find an den Borfipenden,
Dberftleutnant a.D. Dr. Mar Jähns in Berlin W®,
Diargareienftrabe 16,
Für »Depojitalicheine |
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Sprachvereins. XU. Jahrgang. 1897, Rr. 10.
— — — — —
208
Geſchäftlicher Teil.
Vorgehen in Sachen der Gaſthofſprache.
Der mehr als 11000 Mitglieder zäühlende Alldeutſche Verbaud
der alle nationalen Beſtrebungen und ſomit auch die des Sprat;
vereins unterjtügt, hat fich unjerm Vorgehen gegenüber den Galı:
hofbefigerm angeſchloſſen und dem Unterzeichneten gejtattet, Diet
in feinem Nundjchreiben zu erwähnen. (Bgl. Sp. 144, 150,5
und 176.)
Von dem Nundichreiben find bisher etwa 5500 Stüd uns
mittelbar an Gaſthofbeſiher verfandt worden. Die verhältnis:
mähig nur ſpärlich einlaufenden Zuftimmungserklärungen beweijen
aber, wie richtig die mehrfach ausgeſprochene Anficht war, dab
zur Erzielung eines nennenswerten Erfolges die Mitarbeit der
Zweigvereine mötig fei. Allerdings haben verichiedene Zweig:
vereine und einzelne Mitglieder Abzüge des Schreibens erbeten
und erhalten, dod) ift, von Ejjen abgejehen, wo Brof. Dr. Imme,
der verdiente Vorfiper des dortigen Zweigvereins, durd) feine
rührige Thätigkeit nicht weniger als 11 Gaſthöfe für uns ge
wonnen bat, über gute Ergebnijje ſehr wenig berichtet worden.
Es ergeht daher die nodmalige Aufforderung an
alle Mitglieder und befonders an die Zweigvereinsvor:
ftände, fih an der Ausführung des Antrages rege zu
beteiligen, wenn irgend möglich durch perſönliche Beein—
fluſſung von Gajthojbeiipem oder wenigitens durch Verſen—
dung von Rundfhreiben, die ihnen bei dem Unterzeichneten
ur Verfügung jtehen.
dur venar Feb Friedrid Wappenhans,
Grofj- Lichterfelde bei Berlin, Drakeftraße 3.
Berdeutichungen im Nebballe (— Tennisipiele).
Das Mitglied des Gefamtvorjtandes, Bantherr Karl Mag:
nus in Braunschweig, hat eine große Anzahl von Tafeln mit
einer Lite von Werdeutidjungen der Tennisausdrüde herſtellen
lafjen und 1000 Stück davon dem a. d. Sprachvereine geichentt.
Die Sejchäftsitelle (Berlin W.s, Wilhelmſtr. 90) iſt bereit,
ſoweit der Vorrat reicht, den Zweigvereinen Abzüge unter Kreuz
band unentgeltlich zu liefern.
Zugleich werden die Mitglieder gebeten, der Gejchäftsitelle
Tennisvereine nambaft zu machen, an welche die Tafeln unmittel:
bar geſchickt werden lönnten.
Neue Zweigvereine find entitanden in: Gera (Reuß j. L.: Schrift:
führer U. Lanich), in Eisleben (Bori. Neltor Ebeling), in
Höchſt a. M. ( Vorſ. Dr. German, Schriftführer Dr. Errleben),
in Königjtein im Taunus (Vorſ. Kgl. Oberförjter Elze), in
Bingen am Rhein (Vorſ. Realſchuldirelior Dr. Walter), in
Birkenfeld i. Fürjtent. (Vorj. Gymnaſialdireltor Brof. Dr. Bad,
Schriftführer Dr. Barnjtedt) und in Aſchaffenburg (Vorl.
Rechtsanwalt Wilhelm Müller).
Drucfehlerberichtigung
Spalte 146 (Rr.8/9) mu es heiſſen: vom 13. Auguſt bis 17. September 15%.
Geldfendbungen und Beitrittöerflärungen (Jäßeticher Beitrag 3 Matt,
wofllt die Beitichrift und die jonjtigen Drucſchrifien det ns gellefert werben)
an den Ecdapmeliter,
gebuchhänbler Eberhard Ernft in Berlin W®,
Wilbelmfirahe W,
Briefe und Druckſachen für bie Zeitſchrift find an den Herausgeber, Oberichrer Friedrich Wappenbans In Grob⸗Lichterfelde bei Berlin,
Drateitrahe 8,
su richten,
Briefe und Zufendungen für die Willenihaftliden Veibelte an Brofefior Dr. Paul Bteti in Berlin W®, Mopftrahe 12
Bür die Epriftleitung verantwortlid: Sriedrid Wappı enh an &, br. Lichterfelde. — Berlag x allgemeinen Veutigen Epracvereins (Jähns und Erufe), Berlin.
Drud der Bucdrusterei des Walſenhauſes in Halle a. d. ©.
1 Deitlcheift
XI. Jahrgang Ar. 11.
November 1897.
*
auſdemeinen deutſehen Sprachuereins
Begrünoͤel von Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von Friedrich Wappenhans.
und wird ben Mitglledern des allgemeinen deutſchen Sprachdereins unentgeltlich
Diefe Beitichrift erichelnt jährlich zmölfmal, zu Anfang jedes Monats, |
geliefert (Sahung 4).
Anhalt: Hülfe oder Hilie? Bon Karl Scheffler. — High - Life.
TH. Heyſe. — Kleine Mitteilungen. — Zur Schärfung des Sprachgefühls.
vereinen. — Briejtajten.
Die Keltihelft kann auch durch dem Buchhandel ober die Koſt
zu 8 Dt, jährli bezogen werden. — Anzeigenannahme durch ben Schapmeifter
Eberhard Ernft, Berlin W®, Wilhelmftr. 90. — Auflage 16250,
Von Rich. Jahnke. — Karl Wilhelm Ludwig Heyfe.
Epredyfaal. —
Bon
Bücerfchau. — Aus den Zweig⸗
Bülfe oder Bilfe!
Bei diejer Überichrift wird vielleicht mancher Leſer fopfichüttelnd |
fragen, was denn in dieſer Heitjchrift die Erörterung einer jo
unerheblichen Trage folle, zumal aus dem Gebiete der Rechts
fchreibung, das body von dem Vereine grundjäglich ausgeichlofien
it. Die Art aber, wie jene frage fürzlich beantwortet worden
it, wird hoffentlich eine Beiprehung in diejen Blättern als bes
rechtigt erjcheinen laſſen.
In dem kirchlichen Monatsblatte für die evangeliicen
Gemeinden Rheinland und Weftfalens (12. Jahrg, 8. Heft,
Auguft 1897, ©. 205/6) wird eine Zuſchrift des Divifionspfarrers
a. D. Carſted in Bonn veröffentlicht, der bittere Klage führt über
die feit etwa 20 Nahren um ſich greifende Schreibung Hilfe jtatt
Hülfe Diejes »häklihe und währige Worte, die urjprünglich
nur ſüddeutſch⸗katholiſche Form, breite ſich auch in evangeliichen
Streifen immer weiter aus zu Ungunjten der lutheriicyen form
Hülfe, die geihichtlih und phonetiic die richtigere jei. Er mahnt |
dringend, auf kirchlicher Seite an der lepteren Form feſtzuhalten
und nicht dazu zu helfen, »daß diejes jchöne und jedem Evan
geliichen durch feine Bibel bejonders teure Wort aus dem deutichen
Sprachſchatz verdrängt wird.« Dies das Wejentliche in den Aus-
führungen des Verſaſſers.
Dagegen iſt nun mancherlei einzuwenden. Zunächſt iſt es
unzweifelhaft, daß beide Formen geſchichtlich berechtigt find. Ob
die Form mit Üü aus der anderen hervorgegangen ift, oder, was
wahrjdjeinlicher ijt, ob beide auf urjprünglicher Ablautsverichie-
benheit beruhen (ähnlich wie Binde und Bund), thut hier nichts
zur Sadıe. Wichtig aber ijt, daß ſich ihr Vorlommen nad den
Mundarten regelt. Die Form Hilfe ijt im wejentlichen ober:
deutſch, jie überwiegt durchaus im Aithochdeutichen (hilfa neben
Süden noch heute Herricht, wie aud) der Verſaſſer zugiebt.
helfa) und im Mittelbodydeutichen (hilfe, helfe), Die Form mit
ü (u) ift dagegen vorwiegend mittel und niederdeutich, vgl.
mitteldeutich im 14. Jahrhundert hulfe, altniederd. hulpa, mittel
niederd. hulpe, meuniederd, hülpfe), niederländifd; hulp. Aber
die Scheidung geht nicht ganz dur. Auch im Althochdeutſchen
findet jich hulfa, andererjeits im Altniederdeutichen helpa und im
Mittelniederbeutichen helpe. Wenn Luther feiner mitteldeutichen
Mundart gemäh Hülfe (genauer hulff, wo u wie ü zu fprechen
ift) geichrieben und das Anſehen feiner Bibelüberjepung diefer
Form weite Verbreitung verſchafft bat, jo Hat fie doch nie die
oberdeutiche Form Hilfe verdrängen fünnen, die vielmehr im
Dan
fann aljo nicht fanen, daß die Form Hülfe »geichichtlich die rich-
tigere« ift, jondem man muß beide als gleichberechtigt aner⸗
fennen.
»bülfe«, jo heißt es weiter, »ſpricht man ferner auch jeft
noch in ganz Nord- und Mitteldeutichland, fo daß dieje Form...
auch phonetiſch die richtigere ilt.« Das gilt aljo wieder nur von dem
nieder = und mitteldeutfchen Teile unjeres Baterlandes. Der Süden,
das eigentlich hochdeutſche Gebiet, fpricht aber Hilfe, für ihn
wäre alſo died die phonetiſch richtigere Form. Soll das ganz
‚ überjeben, die eine Hälfte des Sprachgebietes gar nicht mitgerechnet
| werden? Man muß gerecht fein.
Ich ſelber jpreche und jchreibe
als Norddeuticher, wie der Berfaiier, Hülfe Dies ift die mir
vertraute und liebgeiwordene Form; aber das giebt mir fein Recht,
jie für die allein richtige zu erklären,
Auch vom üjtbetiihen Standpunkte aus fcheint der Verfafjer
die Frage entjcheiden zu wollen, indem er Hilfe für »häßlich
und währig« erflätt. Damit lodt man feinen Hund vom Ofen.
‚ Dem Süddeutſchen erjcheint vermutlich die Form Hülfe nicht
minder häßlich, er findet fie vielleicht breit und plump. Soll
hier ein rein jubjektiver Geſchmack enticheiden, der ſich noch
dazu nicht auf jachliche Merkmale, fondern nur auf die Madıt
der Gewohnheit gründet? Oder ericheinen etwa dem Verfaſſer
die Zeitwortformen hilf, hilft, Hilfft, die diefelbe Lautfolge
enthalten, auch ⸗häßlich und währig?« Ich bin feft überzeugt,
daß er an diejen formen noch niemals Anſtoß genommen hat.
Nein, es iſt lediglich; eine Sache der lieben Gewohnheit; in der
Lautfolge liegt nichts, was jenes abjprechende Urteil rechtfertigen
lönnte.
Wie die Sache einmal liegt, kann keine von beiden Formen
weder geſchichtlich noch phonetiſch für ſalſch, noch auch für häßlich
erflärt werden. Die eine gehört mehr dem Norden und der Mitte
Deutſchlands an, die andere mehr dem Süden. ine Einigung
ift bier nicht erzielt; alſo ift vorläufig beides anzuerlennen, wie
es auch z. B. die amtliche preußiiche Rechtſchreibung thut. ber
das ijt eben der Schmerz des Verfaffers, daß »von Preußen und
den meiſten Mittelftaaten in allzu großer Höflichleit gegen die
jübdentichen Länder Hülfe und Hilfe für gleich richtig erklärt
werden, Hilfe aber vorangeftellt wird«, während » Bayern und
Württemberg troß der eben wiederhergejtellten Einigung Deutich-
lands feine Rüdjiht auf das Gejamtvaterland nehmen, jondern
die im Süden vorherrichende Mundart (jo!) Hilfe für bie allein
211
richtige Schreibung erflären.e Hierin fieht er den eigentlichen
Es handelt ſich ihm alfo um übel angebrachte Einheitäbejtrebungen
der norddeutfchen Staaten, die von den jüddeutichen jchnöde zus |
rüdgewiejen werden! Das heißt doch aus einer Müde einen
Elefanten machen. Ich will ihm aber dies alles zugeben und
frage nur: Wäre diefe angebliche Nachgiebigkeit des Nordens wirt:
lich jo ſchlimm und foldyes Ereiferns wert? Müßte man darin
nicht vielmehr den Beginn einer Einigung über die Schreibweiie
des Wortes begrüßen? einer Einigung, in der jid) der Norden
dent Süden fügte? Erjcheint überhaupt eine Einigung in dieſem
Punkte wünichenswert, jo mühte doc) die eine Seite, ganz einerlet
welche, ein Opfer bringen. Und das Mitteldeutiche iſt in fo
vielen Dingen den Spradeigentümlichteiten des Südens gegen-
über ſiegreich geweſen, daß man über ein Nachgeben in einem
vereinzelten, unmejentlichen Punkte gar fein Wort verlieren jollte,
Aber der Verfajier legt offenbar noch mehr Gewicht auf die
religiöfe als auf die politiiche Seite der Frage, Er iſt geneigt,
es als einen Berrat an der Sprache Luther oder gar an dem
evangeliihen Gedanken anzujehen, wenn ber lutheriſche Deutiche |
fünftighin Hilfe und nicht mehr Hülfe jagt! Da wäre e8 wohl
auc als eine Verleugnung des protejtantijchen Gewiſſens zu bes
Hagen, dab 3. B. die echt mitteldeutichen Formen gleuben und
Heupt, die Luther ftets gebraucht und die fi) zum Teil bis in
das 18. Jahrhundert erhalten haben, nachher völlig aufgegeben
find? rüber ipielte in dem Streite der Mundarten der Bes
fenntnißgegenfag, bejonders auf fatholiicher Seite, eine Rolle.
Der Süden hat ſich lange gegen das Eindringen der »lutheriſchen
Sprache« der Bibelüberfegung gewehrt; bis in das vorige Jahr—
hundert ijt bejonders von Jeſuiten ein erbitterter Kampf dagegen
gefiihrt worden. Man leſe darüber den lepten Abichnitt von
Friedrid Kluges jprachgeichichtlichen Aufjägen »Bon Luther
bis Leſſinge. (weite Auflage. Straßburg 1858.) Das ijt aber
jept ein überwundener Ztandpunft. Das Zeitalter der Aufklärung,
das Aufblühen des klaſſiſchen Schrifttums hat endlich den völligen
ſprachlichen Zuſammenſchluß von Sid und Nord herbeigeführt,
und wir freuen uns auf beiden Seiten diejer Einheit. Und mın
wird eine am fich unerheblice mundartliche Werichiedenheit von
evangeliicher Seite mit dem Unterſchiede der Bekenntniſſe vers
quidt und von einer »fatholiichen« Form Hilfe und einer »evange-
liſchen⸗ Form Hülfe geiproden! Ich möchte ganz entſchieden
Einſpruch dagegen erheben, dab man heute den Gegenjap des
Belenntniffes in ſprachliche Fragen hineinzerrt. Das ift einmal,
vom Standpunkte des deutjchen Einheusgedankens aus betraditet,
nidıt Hug; und ſodann entjpricht es auch nicht den Thatſachen.
Mundartlidie Abweichungen Haben mit der Verſchiedenheit des
Glaubens nicht® zu thun; bier jpielt mur der Stammesunterichied
eine Nolle. Der katholiſche Weſtſale wird doch wohl auch Hülfe
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 11.
oder Hülpe jagen, wie der proteſtantiſche Württemberger Hilfe. |
‚ in hippiicher () Sprache nennt man diefe Eigenſchaft . bodennabt'«
Alſo weg mit dem häßlichen und unrichtigen Gegenſatze einer
»tatholiſchen umd einer »evangeliichen« Form! Es handelt ſich
nur um eine nords und eine ſüddeutſche Form, die aber beide
— um es noch einmal zu jagen — zur Beit als berechtigt an—
zuerfennen find.
Braunſchweig. Karl Scheffler.
High-Life,
Vor kirzem*) wurde mir von eimer nicht näher bezeichneten
» ?rilial- Erpedition« Die Ausgabe des »High-Life« vom 1. Mat
*) Der Beitrag ift im Mai gejchrieben worden.
212
| biefes Jahres ald Werbenummer zugefandt, und da das Blatt
Grund für das Vorbringen von Hilfe jeit etwa 20 Jahren. |
jtolz als »eitichrift für die vornehme Welt« bezeichnet it, io
unterzog ich es, nicht ohne einige Spannung, einer BDursakt.
Nun kann ich nicht behaupten, daß mid; der Inhalt ingenieur
angezogen hätte, im Gegenteil würde ich, was den angeht, da
Blatt jofort bei Seite gelegt haben, aber die Form überroiäk
mid) fo fehr, dab ich ihr einige Zeit geopfert babe, Und mein
Erſtaunen wuchs, je weiter ich lad. — Dieje »Zeitichrift für die
vornehme Welt« ift in einem Deutsch geichrieben, das jede andır
Bezeihrung als vornehm verdient.
Daß Tageszeitungen im allgemeinen jchlechtes Deutſch bringen,
ijt ja befannt, und wenn irgendwo, jo iſt es da verzeiblid. Die
Haft, mit der ihre Auffäge und Mitteilungen vor die Üffentlib-
feit gebracht werden, macht es ertlärlich, dak die Sprache darin
oft unfertig und liederlich if. Much darf man der Zeitung und
ihren Scriftleitern nicht aufbürden, was die Schuld der vielen
Mitarbeiter ift. Und daß unter den Mitarbeitern einer Jeitung
alle Bildungsftufen zu finden find, ijt wohl begreiflid. Etwas
Andres aber ift es, wenn ein Blatt mur dreimal im Monat er
icheint, wenn es für die vornehme Welt beftimmt ift und Männer
mit adligem Namen zu feinen Mitarbeitern zählt. Da fam
weder Haft der Veröffentlichung noch Bildungsmangel bei den
Mitarbeitern zur Entjchuldigung angeführt werden. Da dar
man füglich ein vorbifdlidhes, ein »vornehmes« Deutjch erwarten
Davon habe ich aber in der mir vorliegenden Nummer faum ce
Spur gefunden. Nur weiß ich nidyt, was ich mehr tadeln
den Schwulſt der Darftellung, die Fremdwörterei oder die ge
radezu plebejerhafte Behandlung der Sprache. Dieje drei &
icheinungen find freilich) jajt immer vereinigt zu finden. Sit
entipringen eben berjelben Urſache: der geſchmackloſen Sucht, die
fehlende Gedanfentiefe durch Wortgeflingel zu erjegen. So it
e8 denn auch bier nicht möglich, die drei Arten von Sprachmiß
handlung zu jcheiden, fie ſtehen in der Regel einträchtiglid in
einem Scte bei einander,
Ich gebe zum Beweiſe für meine Behauptungen zunädjit einige
Proben aus den » Frübjahrsbetrachtungen vom Arnoſtrande.« Eit
‚ beginnen mit dem jehmwungvollen Sape: »Bei dem alljährlicen
Erodus der eleganten Welt aus Spreeathen, wenn bier der büjtert
Engel der saison morte feine ſchwarzen Fittige träge breitet und
\ wie mit einem lebentötenden Mantel die noch vor Kurzem Froh—
finn und Luftbarfeit wiedertönenden Berliner Salons bededt,
flüchtet ſtets eine Heine Schar. . . mad) Florenz.« Diefe Stadt,
heit es dann weiter, »ijt diefer Tage in analoger Weife wie
das alte Rom in Erregung verfegt worden durch den Bubenſtreich
eines mentefapten Pands Piraten aus der Romagna. Yon dem
italienifchen Thronfolger berichtet der Verjafier des Aufjapes: »Der
Prinz gehört zu der Klaſſe der Sipriefen mit einer Heinen Vario-
tion: er fieht nämlich ganz wahrſcheinlich (!) aus, wenn er fiht,
erhebt er ſich aber, jo hat es den Anichein, al® ob er noch ſäße —
Einer »franzöfiichen Plaudertafche« plaudert der Verſaſſer Tel
gende jchöne Säße nad: »Der junge Herr ſcheint . . . . davon
zu träumen, wie er eines Tages die Welt überraſchen werde mit
verjchiedentlichen Offenbarungen feiner nod) ſchlummernden Talentt,
nit Hymnen, Gemälden voller Profopopdten (!) und Perjonii-
fationen..... Er pofiert als Disziplinär und unbeugjamer Chef
und giebt fich jelbit den Ichmerzhaften Typus eines Strofegen
vom Gamaſchentnopf.« Etwas duntel klingen die Worte: »Madamt
erfreut fich einer wunderbaren Ähnlichteit mit der Kaiferin Eliie-
beth von Üfterreih, wozu nicht im geringiten ihr herrliches
ſchwarzes Haar beiträgt, aber feinerlei Verwandtſchaſt bereditigt--
213
Schöne Wendungen enthält auch die Veiprehung der Oper
Haſchiſch.⸗ Da heit ed: »Den Haupterfolg verbanft die Oper
der Regie und tadellofen Inſcenierung. Ob dies Herr Delmar
minutiös angeordnet, oder ob dies Herrn Teplafis gelitigem Auge |
entjprungen (!), jedenfalls war das Bild...
Zum eriten Male ein naturaliftifches Stüd Orient auf der Bühne,
ohne märchenhafte Übertreibung, ohne hafchende (') Effefte. Nur
bei Sonnenuntergang erglühte der maurifhe Bogengang etwas
zu lange in einem unwahren Karminrot; fonjt aber wurde man
tharfächlich in den Orient lebenswahr (!) verjept.« ine gefällige
Bildung ift auch das Wort »Mufifdramaftandpunft.« Durch ge-
drungene Kürze zeichmet fi der Eat aus: »Herr Stammer ald
Omar war ftimmlicd herrlich, darjtelleriich zu phlegmatiſch.
Zu diefer Mufifbeiprehung paßt eine Stelle aus den Kunſt—
berichten: »E8 ijt thatlächlicdh jonderbar und ungerecht, daß der
Salon Honrath et van Baerle jo wenig von ben Berlinern be-
fucht wird . . . Der Gourmet kann bier die feiniten Namen (!),
mit denen er jeinen Salon ausſchmücken will, finden.e In der
Beſprechung einer Geſangspoſſe findet fich die Stelle: Inzwiſchen
foll ihre Nichte Marie das Haus verwalten, was dieje um jo
lieber thut, nachdem (1) an ihre Wohnung anftohend (!) der von
ihr verehrte Mar Kleemeier wohnt. — Bon demielben Verfaſſer
— 08 ift anſcheinend der »GChefredalteur« des Blattes — rühren
folgende Süße her: Herr Schreiber ..... war al® Stauffacher
von einem fo (!) Unnatur: Pathos, daß man Stauffachers hehre
Geſtalt einfach nicht wieder erfannte.« — » Herr Pohl war pradıt:
ein vollendetes. |
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereinẽ. XII Jahrgang. 1897. Nr. 11,
214
nicht wiſſen jollte, die amtlichen Erlaſſe unſtes Kaiſers (vergl.
Spalte 33/84 dieſes Jahrgangs). Möge das Veiipiel, das dort
gegeben ift, ganz bejonders auch in den Streifen, an die ſich das
beſprochne Blatt vomehmlih wendet, vorbildlich und belehrend
wirfen! Mögen jie daraus erlennen, daß zu der wahren Vor—
nehmheit aud eine vornehme, edle Sprache gehört! Vornehmheit
voll wie immer in feiner Attinghaufenfeele.s — »Eine zu vers |
führende, anitändige, mit allen entzücdenden Reizen geichifderte
Toledad wird dargeitellt von einer hochübertragenen, künstlich
naiven, total unglaublichen Dame, einer wandelnden Charcuterie,
deren jein follende (!) Grazie geradezu widerlich wirkt. — Es
ſei genug der Proben! Nur das eine will ich noc Hinzufügen:
die Feuilletonbeilage zum High-Life« führt den tieffinnigen
Namen »Defjert und Paättijferie.«
Was joll man zu ſolch einem Deutich jagen? — In dem
Blatte heit es an einer Stelle: Die Mufit iſt zu dumme, um
ein Wort darüber zu verlieren.« Dieſen Sap, der jpradylich durch—
aus auf der Höhe des Blattes jteht, auf -High-Life« felbit an-
zuwenden, liegt nahe, Sein Inhalt und feine Sprache find zu
dumm, als dak man viele Worte darüber verlieren follte. Aber
es iſt eine Zeitichrift für die vornehme Welt, und darum dürfen
wir nicht achtlos daran vorübergehen. Es genügt auc nicht,
darüber zu jpotten und fich etwa damit zu tröften, daß das Wort
»pornehm« jo ernft nicht gemeint jei. — (Eine Stelle — jie
beit: »Nirgends vornehmes Halbweltparfün« — berechtigt zu
diefer Annahme). — Nein, die Erſcheinung ift im höchiten Grade |
beflagenswert, Angehörige des deutichen Adels laſſen fich eine |
Zeitichrift mit ſolchem Inhalt, in jold einer Sprache bieten, ja
fie arbeiten jelbit daran mit. Sie, die ſonſt vielleicht jeden Ver—
ftoß gegen die äußern Formen unangenehm empfinden, Die
ficherlich das größte Gewicht auf Wohlanjtand in Kleidung und
Lebensgewohnheiten legen und ſich ſelbſt einer peinlichen Sorg—
falt auf diefem Gebiete befleifigen, fie mißhandeln ungeicheut die
Sprache, dieſe edelite Bethätigungsform aller Bildung. Sie, die |
der Sprache aber beruht auf Einfachheit, NRichtigleit und Rein—
heit, nicht auf Schwulit, Negellofigkeit und Fremdtümelei.
Elberfeld. Rich. Jahnte.
Rarl Wilhelm Ludwig Bepie.
Die unlängſt begangene Hundertjahrfeier der Geburt Kaiſer
Wilhelms I. gemahnt uns deijen, daß auch fo mander feiner
Altersgenoſſen ſich um das deutſche Volt verdient gemacht hat,
wenngleich in anderer Weife. Dem allgemeinen deutichen Sprad):
vereine liegt es nahe, dabei eines deutſchen Sprachſorſchers zu
gedenken, der, gleichfalls 1797 geboren, in Berlin gelebt und ge:
wirft bat.
Karl Wilpelm Ludwig Heyie (geb. 15. Oftober 1797,
geit. 26. November 1855) iſt al& bejcheidener, jtiller Gelehrter nur
durch feine Vorlefungen an der Univerſität einem kleineren Ktreiſe
ihm verehrungsvoll laufchender Zuhörer perſönlich näher getreten,
ohne dab feine Verdienjte um die deutiche Sprachforichung all
gemeinere Würdigung gefunden hätten. Zwar erfreuten ſich die
von jeinem Pater, dem befannten Sculmann und Grammatifer
Koh. Chrift. Aug. Henie, begründeten ſprachwiſſenſchaftlichen Werte
(» Deutiche Schul» drammatik«, » Leitfaden zum gründlichen Unters
richt in der deutjchen Spraches und bejonders das » yremdwörter-
buch«), deren weitere Bearbeitung nad) deſſen Tode er übernahm,
und 26 Jahre lang fortführte, einer großen Verbreitung und einer
zum Teil bis heute noch andauernden Beliebtheit; jein Hauptverdienjt
beitand jedoch feineswegs in der unermüdlich treuen, auf Vervoll-
fommmung biefer Werke gerichteten Sorgfalt, vielmehr in feinen
jelbftändigen ſprachphiloſophiſchen Forſchungen, mit denen
er bereits 1820, nod vor Wild. v. Humboldt, ganz neue Wege
betrat. Erjt nad) feinem Tode erichien 1556 jein »Syjtem der
Sprachmwiijenicafte, im deſſen Vorrede der Herausgeber,
Dr. 9. Steinthal, ibm nachrühmt: »Seine Gedanlen über
Weſen, Urjprung, Entwickelung der Sprache waren theilweife ſchon
vor dem Erjcheinen von Humboldis großem Werke Harer und fejter
formulirt, als dies im letzterem geſchehen ift.« — Über Karl
Heyſes 1849 vollendete »handwörterbud der deutſchen
Sprache« äußert Dr. Steintbal: »Wem es darum zu than fit,
zu jehen, wie die verichiedenen Bedeutungen eines Wortes wahr:
haft wifjenfchaftlic, anzuordnen find, wird faum irgendwo jo mujter-
hafte Beilpiele finden, wie in dem genannten Wörterbucde; ....
und wäre es auch im feinem eriten Wiertel jo bearbeitet wie die
drei legten es find, es würde jelbjt nach Vollendung des Grimme
ſchen Wörterbuches feinen hohen Werth ganz ungeſchmälert be—
haupten. Aber and) wie es jet vorliegt, wird es eine nothwendige
dem Volle audı hierin ein Worbild jein follten, jchreiben ein |
Deutich, wie es der dümmſte Schulbube nicht jchreiben darf.
Oder gilt es vielleicht gar für vornehm, ſich über alle Regeln
der Sprachlehre und des jprachlichen Anjtandes — es giebt wirt:
lic einen ſolchen — hinwegzuſetzen? Iſt eine jorgfältige Aus—
drucksweiſe vielleicht nur für bürgerliche Kreiſe gut und jchidlich ?
Dak dem nicht jo fit, das lehren jeden, der es fonit noch
Ergänzung jenes großen Wertes biden.e — Steinthal ſchließt
mit den Worten: » Möchte der Verjafier nad) jeinem Dahinſcheiden
auch da die volle Anerfennung finden, wo fie ihm bei Pebzeiten
nicht zu Theil geworden war. «
Angefichts der hundertjten Wiederfehr von Karl Heyies Ge—
burtstag dürfen wir uns wohl hieran erinnern lajien.
St. Petersburg. Th. Henie.
215
Rleine Mitteilungen.
Am 21. Oftober d. I. iſt in Arnftadt f. Thüringen einer der
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Sprahvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 11.
52) »Thatfächli) fommen
einzelne Barteien bei den Stich⸗
wahlen regelmäßig jehrungünitig
eifrigften Freunde der Bejtrebungen des a. d. Sprachvereins in forte (Mus einer Dresdener
den Streifen der Gajtwirte, Herr Oslar Maempel, der Beſitzer
des den Befuchern von Arnſtadt wohlbefannten Gafthofes » Zur
goldenen Henne«, geftorben. Die Mitglieder des Sprachvereins
werben dem wackeren Vorlämpfer für die Neinheit unjerer Mutters
ſprache ein freundliches Andenken bewahren.
— Einer umferer Bereinsgenofien, der ſich beſonders im
öffentlichen und gewerblichen Leben um die Ausmerzung der
Fremdwörter jehr bemüht, im feiner Umgebung nur veimes
Deutſch duldet und jede Errungenfchaft in diefer Hinficht mit
großer freude begrüßt, fam während feiner heurigen Sommer-
reife auf einen vielbefuchten Musfichtäpunft des Harzed. Im |
dem dort vorhandenen größeren Gajthaufe ſollte nad) mühſamer
Banderung auch eine Erfrifchung genommen werden. Bei Durd):
fiht der Speifefarte erſtrahlte plöplih das Geficht unjeres Ver:
deutjchungsfreundes, und froblodend verfündete er den Reiſe—
genojien den Siegeszug, den nad) der vorliegenden Starte die
Vereinsbeftrebungen bereits bis auf die höchſten Spiten Deutfch-
lands gemacht haben: die Speijelarte war durchweg deutſch!
In hervorragendem Drude prangten die einzelnen Gerichte wie:
Brübfuppe, Kalbs: Rippjtüd, Lendenſchnitzel, Gewürztes von Wild,
Eingemachtes ufw. und nur beicheiden, um den ausländifchen Be-
ſuchern auch Nechnung zu tragen, jtanden daneben in Klammern die
franzöfifchen Benennungen: Bouillon, Cötelettes, Filet, Beefsteak,
Wildragoüt, Compote u. dergl. — »Diejes gute Beiſpiel verdient
eine ausdrücdliche, öffentliche Anertennung!« Geſagt, gethan. Der
in der Nähe befindliche Wirt wurde an den Tifch gebeten und ihm
von unferm Freunde eine, auch für die umſihenden anderen Gäſte
berechnele und deshalb deutlich vernehmbare Dantrede für jeine
Förderung der reinen deutihen Sprache, die allenthalben Nadı:
ahmımg verdiene, gehalten. Der wegen diefes unerwarteten Lobes
anfänglid) etwas verlegene Wirt fahte ſich indes raſch, wurde mit
der Länge des ihm geipendeten Dantes immer jelbjtbewuhter und
befräftigte Ichliehlich die mit dem Dante ausgefprochene Hoffnung
auf weiteres erſprießliches Wirken im diefer Richtung mit der Ents
gegnung: »Das ift gewiß, denn jo eine Speijefarte ijt doc gleich
eine ganz andere Schoo ſe (chose)!« — Wer lacht da? Jeden—
falls hatten alle Umſißenden die größte Mühe, ihre Lachmusleln
im Zaume zu halten, aber geichmedt hat unjerem Gewährsmanne
das » Lendenjchnigel« mit Bratkartoffeln doch viel beſſer als am
folgenden Tage das Filet- Beefsteak anglais mit pommes frites
im »Hötel zum Deutſchen () Hauſe- im einer grüßeren Stadt
Hannovers,
Sur Schärfung des Spracgefübls.
51) »Hierdurch ftatte allen, 51) Hierdurch jtatte ich allen
die mir bei dem mid; am 12.cr. denen, die mir bei meinem Uns
betroffenen Unfalle ihre Hilfe fall am 12. d. ſd. M.) Hilfe
feifteten, meinen beiten Dant geleitet haben, meinen bejten
ab.e (Aus einer Zeitungsanzeige, Dant ab.
mitgeteilt von Dr. Wilfing.)
Der mid; betroffene Unfall falih flie: mir zugejtoßene,
widerfahrene oder: der mich betroffen hat; fürzer: mein Unfall;
er. (currentis nämlich mensis) — laufenden Monat, diefes
Monats. Für leiſteten beſſer geleiftet haben, weil die That-
fache der Hilfeleiftung nicht erzählt wird, fondern als vollendet
anzuſehen ift.
Beitung vom 23. Auguſt 1807.)
216
52) Thatjählich kommen tir-
zelne Parteien bei ben Etih-
wahlen regelmäßig jehr ungüniig
weg.
Verwechſelung von fort und weg. ES ift nicht von dem
Fortlommen der Parteien, fondern von ihrem Mißerfolge bei
den Stichwahlen die Nede.
In diefem bildlicyen Gebraucht
beißt es: gut weglommen, ſchlecht wegtommen u. ä.
53) »Zu dem Ende wird
die Deutiche Kolonialgeſellſchaft,
ohne die freie Tätigkeit ihrer
Abteilungen und Mitglieder hier:
für eingujchränfen, ihverjeits zur
Belehrung weiterer reife bes
fonder& geeignete, von verlegen:
den Ausfällen gegen abweichende
Meinungen frei zu haltende, da=
gegen die Notwendigfeit der ges
jteigerten maritimen Wehr:
baftigfeit des Reichs und dieallen
erwerbenden Klaſſen des Volls
zu gute fommende Produk—
tivität der hierzu erforder:
lihen Mebrausgaben, ſowie die
finanzielle Befähigung des
Reichs zur Beitreitung derjelben
in gemeinverjtändlicher Sprache
nadjweiiende Artifel und Aufs
jäße, welche von einem bejon-
deren Komitee des Ausſchuſſes
zu prüfen find, durch die Deutiche
Kolonialzeitung und mit Hilfe
bes hierzu fich bereit findenden
Teild der deutichen Preſſe, ſo—
wie durch Ylugichriiten thuns
lichſt verbreiten und dement⸗
jprechende Borträge veranjtals
ten.« (Mus einem Antrage auf
der Hauptverfammlung ber D.
Kolonialgejellichaft 1897.)
54) »Eine Ausnahme bilden
' nur Witwen nah mit den
initemmähigen Bezügen an
ben staatlichen Lehransialten
und an willenichaftlihen In—
jtituten angejtellten Berfonen.«
' (Aus einem öſterreich. Geſetze
vom 14. Mai 1596.)
53) Zur Belehrung weiterer
Kreiſe wird daher die Deutice
Kolonialgejellichaft, ohne die freie
Thätigfeit ihrer Abteilungen und
Mitglieder einzufchränten, ihrer:
ſeits geeignete Aufjäpe, die vor-
ber von einem beionderen Aus:
ſchuſſe zu prüfen find, thunlicht
verbreiten und zwar durch die
Kolonialzeitung und mit Hilfe
des hierzu bereiten Teiles der
deutichen Preſſe ſowie durd
Flugfchriften. rei von ver
lependen Ausfällen gegen ab
weichende Meinungen, follen die
Aufjäpe in gemeinverjtändiide
Sprade nachweiſen, daß ie
Steigerung der Wehrhaftigte:
des Reichs zur See eine Kot:
wendigleit ijt, daß die hierzu
erforderlihen Mehranagaber
fruchtbar angelegt find und aller
erwerbenden Klajjen des Volls zu
gute fommen, und daß dat
Reich zur Vejtreitung dieſer
Koiten wirtichaftlich befäbigt fi.
Auch jollen dementipredende
Vorträge gehalten werden.
54) Eine Ausnahme bilden
nur Witwen von jolden Ber:
ionen, die an den jtaatliden
Schulen oder an wifjenidal:
lihen Anſtallen mit dem ord
nungsgemäßen Bezügen ange
jtellt waren.
»Witwe nach einer Perſon⸗ — mundartlic; nad mit
— Häufung von Verhälmiswörtern.
55) »Wezüglich der gebrach⸗
‚ ten Mitteilung, dak ein Kerl
‚ ein Mädchen überfallen babe,
iſt diefelbe dahin zu berich—
tigen, daß es fih um ein zu
Beuel begangenes Berbrechen
bandelt.e (Mus einer Bonner
Beitung.)
55) Unſere (Die von um
gebrachte) Mitteilung, dab ein
Kerl ein Mädchen überfalen
habe, iſt dabin zu berichtigen,
daß —
Klaſſiſches Beiſpiel für den Mißbrauch von bezüglich
und derjelbe.
217
Sprechſaal.
Neue Verdeutſchungen.
Unter den in Nr. 10 (Sp. 1901) durch Herrn Karl Bruns
in Torgau vorgeichlagenen, großenteil$ vortrefilihen > neuen Vers
deutfchungen« finden fich einige, die auf das dem Herrn Verfaſſer
offenbar fremde, technische Gebiet gehören und daher leider nicht
gelungen find. Das gilt indbejondere von Ingenieur — |
erfner«, eine Bezeihnung, die nad) des Herrn Bruns Mei—
nung an Gewerbe, Sewerf, Bergwerk, »aljo an das anllingt, wos
mit der Ingenieur e8 zu thun hate, ſprachlich richtig gebildet
fein (vgl. Slödner, Täſchner, Banfner) und wojür eö eine beſſere
Verdeutichung nicht geben jol. Dagegen ijt einzumenden, dal;
die Thätigleit des Ingenieurs fih wejentlich anders äußert und
auf anderen Vorausjegungen berußt, als die im übrigen gewiß
nicht minder ehrenwerte des Slödners, Täſchners ufw. Die Auf:
gabe des Ingenieurs ift es zunächſt, Werke zu fchaffen und zwar
Werfe auf folchen Gebieten der Baukunſt, wo vor allen Dingen
eine höhere wiſſenſchaftliche und gründliche jachliche (praktiſche),
nicht aber fünftleriiche Beranlagung und Ausbildung, alſo eine
höhere Meifterichaft, nicht aber Künftlerichaft erforderlich iit. Beim |
Architekten ift das Umgelehrte der Fall, bier treten die Fünitleri- |
4
ihen Geſichtspunkte in den Vordergrund. Man kann aljo füglich
den Architekten ſchlechtweg als Baufünftler, den Angenieur als
Baumeijter bezeichnen, wie das in der That bereits vielfach ges |
ichieht.*) Dak aud der Maurermeiiter fih häufig Baumeiiter |
nennt, und der jog. »Regierungsbaumeiiter« ald ſolcher noch
lange fein Meifter it, thut dem Anjehen wirklicher Meifter ebenio
wenig Abbruch, als etwa cin fih als » Broiejjor« bezeichnender
— ———— die Leuchten der Wiſſenſchaft verdunkelt. Die
aumeiſter unterſcheidet man alsdann nach der Gattung von Bau—
werfen, die zu ſchaffen fie bauptiächlich berufen find, und zwar
verdienen fie jtrenggenommen den Namen Meijter erit dann, wenn
fie ihre Befähigung zur Schaffung von Meijterwerten dargeihan
haben. Die Erbauer der Eajt-Niver-, der Forth-, der Towers
brüde, oder, um im Sande zu bleiben, der Grünenthaler,
der Miüngjtener Brüde uw, das jind Brüdenbaumeifter; die
Schöpfer der Eemmering-, Brenners, Gotthard-, Arlbergr,
Pilatus-, Jungjraubahn find Eijenbahnbaumeijter. Der Nord:
oftjeetanal und in&bejondere die Negelung der Unterwejer find |
Werke von Waflerbaumeijtern. Dieſe wenigen Beiſpiele fjollen |
keineswegs die Werdienite der Schöpfer jo vieler anderer Meiiter
werfe, die unſerer Zeit ibr Gepräge mit verliehen haben, ver-
kleinern; fie follen vielmehr, als bejonders voltetimlich, lediglich
zur Kennzeichnung defjen dienen, was ich fagen will. Dah jeder
ſolche Meifter, auch wenn er fich auf ein enger begrenztes Gebiet |
feiner unit verlegt, ohme gleichzeitige Kenntnis der übrigen Ge- |
biete nicht beitehen fönnte, fei mur nebenbei bemertt. Ahnlices |
gilt ja aud vom Architelten, vom Arzte, vom Ghemiler, vom |
Nechtsgelcehrten. Außer den genannten Gruppen von Bau
meiftern haben wir dann noch Feitungs-, Schiffe, Maichinen- |
baumeijter u. dgl. Die Bergbautunſi befindet ſich in der be= |
neidendwerten Lage, neuer Verdeutſchungen in diefem Sinne nicht
u bedürfen. Dort find uralte, treffende deutihe Kunſtwörter
—— wie Bergmeiſter, Kunſtmeiſter, Schichtmeiſter, Mark:
er.
Der Envägung wert wäre vielleicht die Verwendung oder |
Umbildung des Ausdrudes » Schaffer«, womit der Tiroler den-
jenigen bezeichnet, der anzuordnen, zu bejehlen, mit Unterſtütung
von Hilisträften etwas bervorzubringen, zu ſchaffen hat. Das
ähnlich klingende »Schaffner« für Eiſenbahn-Kondukteur, ein
nicdıtsfagendes Wort, welches nur in einem Teile Deutſchlands
verftanden und angewendet wird, jedoch, als bis jept einzige Ver—
beutichung, fich bereit& in der Schriftiprache einzubürgern beginnt,
fünnte man füglich durch » Zugwart« erfegen, zumal Kondulteur
und Bahnwart auch dienſtlich gleich zu ftehen pflegen, Der Ober:
fondukteur heißt ohmedies auf vielen Bahnen längit » Zugführer«.
Mit dem »ngenieur« dürfte es eben gehen, wie mit dem |
»Öenerale MiS lepteren einmal jemand zum »MAllvoran« machen
wollte, rief ihm, wenn ich nicht irre, Sarrazin zu: »Langſam
voran!«
Das zweite Wort, gegen das ich Bedenken hege, fit: »Ans
ſpettor — Warte, Die Nnipeftoren beim Ingenieurbauweſen
find höhere Beamte. Diejer richtigen Auffaſſung entipricht auch
*) Bol. Sarrazin Verdeutichungswörterbuc. |
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Pr. 11.
218
Sarrazind Verdeutſchung: Auffichtsbeamte. Bahninipeftor heißt z. B.
der oberſte Ingenieur und Leiter des Bau⸗ und Bahnerhaltungs⸗
dienftes der Brennerbahn. Beim Bau diejer Bahn, wie der
übrigen Linien der öfterreichiichen Südbahn, wurde der Inſpektor
auch Bauleiter genannt. Was man dagegen unter einem Bahn-
wart oder Bahnmärter zu verstehen hat, iſt wohl allgemein befannt.
Das Rangieren von Eiienbabnzügen endlich, da& die Her—
jtelliung einer bejtimmten Meihenfolge der Fuhrwerle bezwedt,
dürfte demgemäß vielleicht bejier dur »Umreihen« oder doch
»Imstellen, Zuredtitellen, Zurechtſchieben«, als durch
»Imfegen« zu bezeichnen fein. Das Wort »Verfchiebedienft«
ftatt Nangierdienft iſt übrigens bereits im Gebrauche.
Münden. Franz Kreuter.
Etage.
Der Oberlandesgerichts: Präfident in Köln Hat fürzlich eine
Verfügung erlafien, worin er wieder an die Vermeidung von
Fremdwörtern erinnert, insbejondere aber auf die Bejeitigung
des Wortes Stage dringt. Bisher jtagierte der Referendar
beim Landgerichte, oder er befand fich im der Nechtsanmalts-
ftage; nach Beendigung des gewöhnlichen Borbereitungsdienjtes
hatte er noch die Überjtage durchzumachen; er behandelte wich:
tige Fülle nur mit dem Stagenchef ufw. Die Verfügung ſchlägt
nun als Erfapwörter Bejhäftigung, Zweig und Abjchnitt
des RVorbereitungädienites vor.
Das erjtere Wort aber wird durchgängig genügen. Der Reie-
rendar wird nunmehr beim Oberlandesgeridyte beihäftigt, wenn
' feine Bejhäftigung beim Nectsanmalte beendigt ift. Man fan
aud) ohne Bedenlen von der Überbeihäftigung ſprechen. Ein
Erjapiwort für Üüberſtage- iſt notwendig, das vorgefclagene
Wort ift richtig gebildet und wird nad) längerem Gebrauche den=
jelben Begriff wiedergeben wie das Wort Uberſtage. Nur das
Wort Stagendef wideriteht jedem Verſuche der Berdeutichung.
Wer nicht eine leicht zu findende Umichreibung vorziebt, jondern
für jedes Fremdwort eine genaue Überjegung verlangt, der muß
feinen Stagenchet neben dem Küchenchef und andern Chefs be-
halten. Oder wäre eim Lefer diefer Zeitfchrift in der Lage, mir
ein kurzes Erjapwort zu nennen? J.
Komparent.
Der Entwurf eines Neih&gejepes Über die freiwillige Berichts:
‚ barteit beſleißigt fich einer fremdmörterreinen Sprache und bringt
unter anderem auch eine VBerdeutichung für das Wort Kompa—
rent. Er ſchlägt dafür Beteiligter vor. Dies Wort giebt
aber den Begriff micht richtig wieder umd wird auch zu Verwir—
rungen führen. Unter Komparenten verſteht man die bei Auf—
nahme einer Urkunde erihienenen Perjonen, in deren Anterejje
fie erfolgt; beteiligt bei der Aufnahme können aber auch andere,
nicht erichienene Perjonen fein, Gläubiger, Erben. Es muß
‚ deshalb eine Verdeutſchung gefunden werden, die diefe Perjonen
nicht umfaht, und da bietet fih m. E. als natürlichite der Er—
ichienene, ein Wort, das audı fchon vielfad) gebraucht wird. *)
‘ Der eine ober andere Fachgenoſſe fann vielleicht diejen ir
bejtätigen oder einen befjeren Vorſchlag machen.
Tennisausprüde,
Su der Oftobernummer der Zeitichrift (Spalte 206 u. 208)
macht fich die Schrijtleitung die von einem Düfjeldorjer Mitaliede
vorgeſchlagene Verdeutſchung des Wortes »Tennise durch »Nep-
ball« zu eigen. Ach müchte dagegen empfehlen, von der Ber
deutichung dieſes Wortes, das gar nicht etwa ein rein engliiches,
jondern ein internationales ift, abzuiehen. Woher das Wort
ftammt, haben die Epradigelehrten bis jest noch nicht endgültig
entichieden. Aber joviel ſteht feit, daß es einzig und allein für
das Spiel überall gebraucht und verftanden wird. Unſere deutichen
Tenniefpieler würden gar nicht damit einverjtanden jein, wenn
wir ihnen diejes Wort verleiden und ihnen dagegen die Ver—
deutichung »Megball«, obwohl dieje auch ganz gut, furz und treffend
ift, aufdrängen wollten. Wir müflen e8 vermeiden, Berbeutichungen
vorzujchlagen, mit denen wir vorausfichtlich fein Glück haben werden;
damit jchaden wir unjerer Sadıe.
Die englischen Ausdriide (boy, game, play, thirty ufw.)
fol man durch qute deutfche auf den deutſchen Spielpläßen ers
iegen, wie es auf den Tafeln, die jept vom Spradjvereine ver
) Die rheinische Notariatsordnung Spricht von » Erjcheinenden«.
219
breitet werden, vorgefchlagen wird. Auch das Wort »lawn« fann
und muß, fortbleiben, da wir meiſtens gar nicht auf Nafenpläpen
Ipielen und das Wort Tennis allein das Spiel genügend bezeichnet.
Aber weiter zu gehen und uns durch libereifer die fämtlichen
deutſchen Tennigfpieler zu Gegnern zu maden, davor möchte id)
waren.
Braunfhweig. E mM.
Bücherſchau.
Dr. Heinrich Vockeradt, Direltor des Gymnaſiums zu Reck⸗
linghauſen, Praktiſche Ratſchläge für die Anfertigung des
beutjhen Aufjages in Regeln und Beijpielen. 2. Auflage.
Paderborn 1896. IV u. 12068. 8°,
Much dieſes Buch, das für dem engeren Kreis der höheren
Schule beſtimmt ift, verdient doc darüber hinaus befannt zu
werden. Es iſt die Frucht reicher und mannigfaltiger Erfahrung
in Wiſſenſchaft und Schule. Unmittelbar aus dem Unterricht er—
wachſen, giebt es in anſprechender Form Anweilungen, wie der
Stoff der betreffenden Aufgabe zu jammeln und zu ordnen ift,
wie die einzelnen Teile des Aufſatzes behandelt werden müſſen,
und zwar weniger in allgemeinen Regeln, ald an lebendigen
Beifpielen, indem es bejtimmte Aufgaben teils in kurzen Umrifjen,
teild in voller Ausarbeitung vorführt. Bejonders hervorzuheben
ift die vorausgeſchickte furze Stillehre, die mit fnappen, marligen
Worten in Form der Anrede an die Schüler die wichtigiten Megeln
über den quten Spracgebraud, zuſammenfaßt. Der BVerfafjer
fchreibt einen vortrefjlihen Etil und ſteht, wie die Reinheit der
ar beweift, ganz auf dem Standpunfte des a. d. ar
Homers Odyfjee überjegt von Prof, Dr. Johannes Ehlers.
Hannover, Karl Meyer. 1897. 213 8.
Eine empfehlenswerte Überfegung des unjterblichen Gedichtes
in Herametern, bie im allgemeinen recht qut umd —X aller⸗
dings im einzelnen nicht frei von mannigfachen Härten iſt. 8. ©.
J. Barth, Deutſche Lehnwörter. Für die Schüler der
oberen Klaſſen zufammengeftellt. Beil. 3. Jahresbericht d. Kgl.
Gymm. z. Saarbrüden. 1897. 62 ©.
Nach einem Überblid über die geſchichtliche Entwidlung der
deutichen Sprache bejtimmt die Meine Schrijt zumächit den Unter-
ſchied des Lehnwortes vom eigentlichen Fremdwort und giebt einige
ſprachgeſchichtliche Kennzeichen für das Alter gewijjer Entlebnungen,
worauf die verichiedenen Mittel aufgezeigt werden, wodurch ſich
unfere Sprache fremdes zu eigen gemacht hat. Dann wird eine
große Anzahl Lehnwörter nad) der Abjtammung aus dem Kel—
tiihen, Griechiſchen, Lateinischen, Franzöfiichen ujw. angeführt
und erläutert. Die Schrift macht feinen Anipruch auf wiſſenſchaft⸗
liche Selbftändigfeit; aber der reiche Stoff in fo furzer und über:
fichtliher Zufammenftellung wird auch auferbalb des vom Ber-
fafier bedachten Kreijes ungelehrten, aber wihbegierigen Leuten
willtommen jein. D. Str,
Lieder aus dem Metzer Lande. Franzöſiſche Volkslieder,
verbeutjht durch Emil Erbrid. Mep, Paul Even. 1803.
VI und 8 S. kl. 8.
Sehr gelungene Übertragungen in gefältiger und einfchmeicheln-
ber Sprache, freilich, wie der Berf. jelber jagt, feine wortgetreuen
Überfegungen, jondern ſinngemäße Nachdichtungen. Den Freunden
des Vollsliedes beitens empfohlen. K. ©.
Mitteilungen aus der Literatur des 19. Jahrhun—
derts und ihrer Geſchichte. Ergänzungäheft zu »Euphorion«,
Zeitichrift für Literaturgefchichte, heransgegeben von A. Sauer.
Band 2, Bamberg, €. E. Buchner (fo!) Verlag, Rudolf od,
159. 192€ 8 4M.
Das Heft enthält wertvolle Beiträge für die Kenntnis einiger
Dichter des 19. Jahrhunderts, von denen KHeinrid von Klett,
Theodor Körmer, Clemens Brentano, Mörite, Trreiligrath und
Gottfried Keller genannt ſeien. Die Sprache ift natürlich in den
einzelnen Auffägen ſehr verſchieden, doch tritt in feinem ein Über:
u von Fremdwörtern hervor.
E. 3.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XH. Jahrgang. 1897. Nr. 11.
zz — —
220
Klee, Gotthold, Grundzüge der deutſchen Litteratur:
geſchichte. Für höhere Schulen und zum Selbſtunterricht
Zweite verbeſſerte Auflage. Dresden und Berlin, Bondi. 1897,
VI und 146©. 8.
Dies vortrefflice Buch, das fih allgemein der wärmiten Auf:
nahme erfreut, hat, verdient jedem embfohlen zu werben, ber fid
einen kurzen Überblick über die Entwidlung des deutjchen Schrift:
tums verihaffen will. Die ſachliche Behandlung wie die Dar:
ftellung ſtehen auf gleicher Höhe. K. S.
Vater Peſtalozzi. Bilder aus dem Leben des großen Er—
zieher8 von Friedrih Polad. 2. Auflage. Bonn, F. Sön—
neden, 189%. 94 S. 8.
Ein berzerquidendes Büchlein! Die Sprache ijt fo warın, jo
einfach) und dody lebendig, jo echt volfstümlih, daß das Meine
* in feiner Volls⸗ und Schülerbücherei fehlen ſollte.
G. Böttiher u. K. Kinzel, Denkmäler der älteren beutichen
Litteratur für den litteraturgeſchichtlichen Unterricht an höheren
2ehranftalten. III, 2: Martin Quther. 1. Schriften zur
NReformationsgefhihte und verwandten Inhaltes.
Bon Dr. Rid. Neubauer. Zweite verb. u. verm. Auflage.
Halle a. S., Wailenhaus. 1897. 1,80 M.
Obwohl für die Schule bejtimmt, verdient dieje Auswahl dad
auch den weiteſten Streifen der älteren Gebildeten und Bildung:
juchenden, wie fie der Spracverein fammelt, aufs märmite
empfohlen zu werden. Denn alle die, denen die Schule eine
wirkliche Einficht in Luthers Bedeutung für die Entwidlung unjerer
Schriftipradhe jchuldig geblieben ift, können hier das an ihnen
Verſäumte nachholen, ohne irre gehen zu fünnen in der Würdigung
de3 Mannes und der Nuffafjung feiner Gedanten Fiir die rechte
Würdigung der Perfönlichkeit Luthers ift durch die Mannigfaltigfeit
der Auswahl geforgt, und gerade das bringt ihn dem Leſer um
fo näher, daß er in Briefen an den Bater und den fürjtlichen
Herrn, in Predigten und Gelegenheitsichriften den nämlichen tief:
ründigen, heilig emjlen und alles umjpannenden Geijt wehen
Füpte, er in ben großen Reformationsichrijten »Arı den chriftlichen
Adele, »Bon der babylonijchen —— und »Won der
Freiheit eines Chrijtenmenjchen« lebt und webt. Uns im Spradı-
vereine geht freilich ganz befonders Nr. 10 an, eine Würdigung
der Lutherichen Bibelüberfepung und ein Abdruck des-Sendbriefs
vom Dolmetihen«, fowie die ein befonderes Verdienſt der zweiten
Auflage ausmahende Vermehrung der Proben, die im Anhange
außer aus der Bulgata aus je einer ältern hoch- und niebers
deutichen Überſezung und aus den Lırtherbibeln von 1524 und
1545 geboten find. in Vergleich diefer vier Überfepgungen, wie
er font fo bequem nirgends ermöglicht iſt, wird einerjeit® von
der noch vielverbreiteten kindlichen Auffaſſung befreien, als habe
Luther in feiner BVibelüberfegung ein Werk wie aus dem Nichts
eihaffen und wie mit einem Echlage die neuhochdeutiche Schrift:
Ft »gemadt«e, Anderſeits wird ein beſſerer Einblid in
Luthers liebevolle jahrzehmtelange Arbeit an der Bibelüberjegung,
durch die er der Heiligkeit des Buches und dem Geijte der
Mutteriprache gleich gerecht zu werden firebte, davor bewahren,
denen zuguftimmen, die neuerdings — aus Mode und aus Be:
rechnung — Luthers gewaltiges Verdienſt um die Förderung
unfrer Schriftiprache zu verkleinern beflifien find. — Höchſt danfenss
wert find die ſehr zahlreichen und forgfältigen Anmerkungen unter
dem Terte, da fie verdienſtlicherweiſe nicht bloß auf das fachliche
Berftändnis abzielen, fondern auch, was für Quther durchaus not
hut, jede Abweichung feiner Sprade in Form und Wortbedeutung
vom heutigen Sprachſtande gewiſſenhaft ertlären.
Bittan. Theodor Matthias.
Luiſe Rheſe, Bratbüchlein zur Herjtellung nahrhafter
und wohlichmedender Bratipeiien ohne Fleifch. Hannover, Spon-
holtz. VI und 25€. 8. 40 Big.
Unfre beflagenswerte Unwiſſenheit in der Kochkunſt macht es
und unmöglich, den Wert des Büchleins für den Haushalt zit
beurteilen; daß es ein nüglicher Ratgeber für freunde der Pflanzen⸗
koft iſt, scheint fein Erfolg zu erweifen, denn es iſt inzwiſchen ſchon
in zweiter Auflage erſchienen. Vom jpradylihen Standpunkte
aus dürfen wir aber das Büchlein aufs wärmſte empfehlen: die
Berfafierin handhabt unjre Mutterfprache lar und gewandt, und,
was bejonders lobenswert ijt, fie vermeidet alle überflitifigen
a
Fremdwörter. So ſteht das Heine Werk in wohlthuendem Gegen—
lage zu den Büchern ähnlichen Inhalts, die gewöhnlich in ihrer
Namengebung mehr franzöjiich als deutich find.
Theodor Echtermeyer, Auswahl deutjher Gedichte
für höhere Schulen. 32. Auflage. Herausgegeben von Ferdinand
Becher. Halle, Buchhandlung des Waijenhaufes. gr. 8. XXX
und 950 &. lingeb. 3,60 Mt.
Der neue Herausgeber der bekannten Gedichtſammlung, Gym⸗
naefialdireftor Dr. Becher, hat, von dem Gedanfen auögehend, dak
in den bisherigen Auflagen dem vaterländiihen Empfinden der
Jugend nicht genügend Rechnung getragen worden jei, Männer
wie Ernſt Morih Arndt, »den Trıbun der Deutichen gegen welfche
Tüde«, Theodor Körner und Emanuel Beibel mehr zu Worte
tommen und Ernjt von Wildenbruc als neuen auf dem Plane
eriheinen laſſen. Langatmige Gedichte (5. B. von der Droite:
Hilshoff und von Ammermann) find verihmunden, um Martin
Greif, Konrad Ferdinand Meher, Rudolf Baumbadh u. a. Plap
zu maden Auch tommt Fri Reuter zu jeinem Rechte und
Heinrich Heine ift etwas mehr herangezogen, doch ift von diefem
das mit »jFrieden« überjchriebene Gedicht gejtrichen worden. Wir
ſtehen unter dem Eindrude, als babe die vortreffliche Sammlung
durch des neuen Herausgebers jorgfältige Bearbeitung nicht uns
wejentlih an Wert zugenommen; doc) ift zu bedauern, daß bie
Form des Vorwortes feineswegs feinem vortrefflihen Inhalte
entipriht. Es wimmelt da von überflüfligen Fremdwörtern, die
Pr jo 7 zu meiden waren, als das Bud; für die Jugend bes
timmt ift.
Rudolph Berger, Über böhmifhes Staatsrecht. 1897.
128. 8.
Die Empörung über die feinem Volle in Böhmen angethane
Schmach und über die Geſchichtsſälſchung der Tſchechen hat einen
mannhaften Deutichböhmen hier veranlaht, tichechijches Lügen-
gewebe zu zerftören durch den Nachweis, »daß die heutige
deutihe VBevölferung Böhmens mit der einft marfos
mannijhen Urbevölterung biutsgemein ift, dab ihr
darum das Erjtgeburtäredht im Lande zufteht, und bie
Stellung der Slawen lediglid diejenige geduldeter
Bäjte gegenüber verjtattendem Wirtsvolke ijt.« Die
Schrift iſt feſſelnd umd in reinjtem Deutſch verfaßt. In ihrer
fnappen und begeijterungsvollen Sprache ſcheint fie jehr geeignet,
die vielfad noch jo unklaren Vorjtellungen über die böhmiſchen
Staatsverhältnifje, namentlich bei den Reichsdeutſchen, zu befeitigen
und dieſe aus der mit Necdt von dem Verſaſſer verhöhnten Gleich—
giltigfeit ibren Etammesbrüdern in der Oſtmark gegenüber empor-
zurütteln.
Die Schhriftleitung die. Blattes (Gr. Lichterfelde, Drateftr. 3) iſt
im Beige einer größeren Anzabl von Abzügen des Heftes, die
fie den Mitgliedern unentgeltlich zu Berfügung ftellt.
Aus den Smweigvereinen.
Arnſtadt. Auf Anregung verichiedener Mitglieder des Zweig—
vereins find im den —— —— der neuen Auflage des
»Wohnungs- und Geſchäftsanzeigers« der Stadt Arnſtadt
eine ganze Reihe von Fremdausdrücken durch gute deutſche Wörter
erjegt worden. So iſt für Leihbibliothet Bücherleihgeſchäft
5 — worden, ſtatt Kommiſſionär Geſchäftsvermittler, ſtatt
ietualienhändler Gemiſchtwarenhändler, für Friſeur Haar—
tünſtler, für Agentur Vertretung. An Stelle von Speditions
geichäft ift der Nusdrud Büterbeförderungsgeihäft verwendet
worden, jtatt Galanteriewarenhandlung Shmud- und Spiel—
warenhandlung, der Graveur hat dem Schriftitecher, die Manu—
fatturwarenhandlung der Schnittwarenhandlung weichen müjjen.
BerlinsCharlottenburg. Den fehr zahlreich zur erſten
Winterfigung am 19. Oltober erichienenen Mitgliedern bereitete
Oberregijieur Max Grube vom Kgl. Schaufpielhaufe einen hohen
Kunftgenuß durd) den Vortrag von Gedichten, deren Auswahl er
den Verſammelten überlaſſen hatte. Obwohl es fid zum Teil
um Dichtungen handelte, die dem Bortragenden unbefannt waren,
die er daher aus dem Stegreife vorlas, veritand er es doch durch
feine geijtreiche und eigenartige VBortragstunft, eine padende Wir:
fung auf die Zuhörer auszuüben, die Herm Grube ihren Danf
Zeitfhrift bes allgemeinen beutfhen Spradpereind, XII. Jahrgang. 1897, Ar. 11.
für jein freundliches Eingehen auf ihre Wünſche durd) lebhaften |
222
Beifall ausdrüdten. — Aus den geichäftlihen Mitteilungen, die
ber Borliger, Direltor Gardemin, machte, iſt hervorzuheben,
daß der Vorſtand ein Preisausſchreiben für die beiten Ver—
deutfhungen folgender Wörter veranjtaltet hat: 1. Cocon,
2. Conditor (Conditoreiwaren), 3. Confitüren. 4. Galanterie-
waren, 5. Materialmaren, 6. Parfümerien (Parfum, parfü-
ınieren), 7. Quincaillerien (Quineailleriewaren), 8. Maculatur
(maeulieren), 9. Jet, 10. Kinetograph. — E# find 10 Breije
zu je 5 Marf ausgejept worden. Die Berdeutfhungs:
vorſchläge find mit einem Kennworte verfehen bis zum
30. November 1897 an Direktor Gardemin, Charlottenburg,
Berliner Straße 138, zu jenden Beizufügen tjt ein
verſchloſſener ——— mit demſelben ffennworte,
der den Namen des Abjenders enthält.
Chemniß. Der Zweigverein eröffnete am 14. September jeine
Winterfigungen mit einem Bortrage des Profefiord Walther über
Goethe und das Hoftheater zu Weimar.
Darmjtadt. An der Amtsjprade des hiefigen Bürger:
meijters iſt u.a. der Fremdling »Submijjion« verabſchiedet
worden. Früher hieß es: »Auf dem Wege der Submiffion ver-
geben«, ſpäter deutich, aber noch umftändlich: »Auf dem Wege
der Verdingung vergebene, jept kurz und bündig: »Die Arbeiten
werden verdungen.«
Dresden. In der eriten Winterſitzung ſprach Oberſt a. 2.
Schöning über Verdeutſchungen auf dem Webicte des
Heerweſens. Der Vortragende wies in kurzer aeichichtlicher Eins
leitung auf die Einflüfje bin, die fich ſchon im Mittelalter durch
—— und Kreuzzüge, zur Zeit der Reſormation durch italie-
nische und jpaniihe Söldner, im Dreißigjährigen Kriege durd)
Kriegsleute aller Völler in der deutichen Heeresſprache geltend ges
macht haben. Der Uriprung der jtehenden Heere füllt in das Zeit-
alter Ludwigs XIV, das vielen Gebieten, ganz bejonders aber dem
Heerweien den Stempel franzöfiichen Geiftes aufdrüdte. So fommt
es, daß fait alle qrundlegenden militärischen Benennungen wel-
ichen, meist franzöfifchen Uriprungs find. Schon früh begann der
Kampf gegen die Fremdwörterei im Heere: jo erjchien 1814 ein
umfajjendes Verdeutſchungswörterbuch der Kriegsſprache; aber erjt
nad) 1870 führten die Verdeutichungsbejtrebungen zu wejentlichen
Ergebnijien. Voran ging der große Generalſtab in feinen friegs-
geſchichtlichen Schriften, die jedoch ohne —— ſprachlichen
Einfluß geblieben wären, wenn nicht die Jahre 1887 erſchie⸗
nene Felddienſtordnung und die Schießvorſchrift für die Infanterie
amtlich der Spracreinigung im Heerweſen die Bahn gebrochen
hätte. In diefen Schriften wurden etwa 200 bis dahin gebrauchte
Fremdwörter verdeutſcht. Sertdem fahren die Kriegsminiſterien
zielbewußt, doch mahvoll fort, in jeder neuen Drudichrift ent-
behrliche Fremdwörter auszuſcheiden. Tropdem haben noch immer
fait alle grundlegenden Benennungen fremden Wortlaut. Bon
226 amtlihen Bezeichnungen von Behörden und Truppenlörpern
iſt faum ein Dupend deutichen Uriprungs. An einer Anzahl von
Beijpielen wies der Bortragende die jajt unüberwinblidien Schwie⸗
rigkeiten mach, die fich einer —— Verdeutſchung jämt-
licher Grundbenennungen entgegenjtellen würden, und zeigte an
den mancherlei mwohlgemeinten Vorſchlägen das oft Unpraktijche
oder Gejchmadloje der geplanten Verdeutſchungen. Zum Schlufje
warf Oberit Schöning die Frage auf: Hit es zwedmähig und
zeitgemäß, daß der a. d. Spradverein die weitere Verdeutſchung
der Heeresiprache zu fürdern ſucht? Und wenn dieſe Vorfrage
bejaht wird: Soll er dahin ftreben, alle Fremdwörter, auch die
Grundbenennungen, zu verdeutichen oder joll er vorläufig nur die
feichter zur überjegenden Fremdwörter verdeutichen? Salt alle
Redner jtimmten dem Bortragenden darin bei, daß, wie bisher,
nur allmählich und mahvoll vorgegangen werden dürfe, daß zwar
noch vieles Fremde ausgejdieden werden lönne, mandes aber
3. 3. als Lehnwort beibehalten werden müſſe.
Leipzig. Pwyfeſſor Schullerus aus Hermannftadt in
Siebenbürgen hatte es freumdlichit übernommen, an dem erften
Vortragsabende des Winterhalbjahres am 3. Oltober über die
Litteratur jeines Heimatlandes, des Landes der »jieben
Burgene, zu fpreden. Bor dem Eintritt in die Tagesordnung
erinnerte der Borfiger, Profefior Dr. Mogf, an den ſchweren
Berluft, den der Verein durd den Heimgang des Reichsgerichts
rates Schwarz erlitten habe. Er begrüßte jodann den Redner
des Abends, den er eine Sauptitüge der deutichen Kultur im
Siebenbürgerlande nannte. Profejjor Schullerus dankte für die
223
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Epradvereins. XU. Jahrgang. 1897. Nr. 11.
224
Teilnahme, die den fernen Stammmesbrüdern von ben Beriams |
melten entgegengebracht werde; ſie jeien aber ſolcher Teilnahme
auch würdig und hätten ein Necht darauf durch die Tree, mit
der fie troß fchwerer Bedrängniſſe feithalten an den nationalen
Überlieferungen ihres Landes und an feiner deutichen Sonderart.
Die ESiebenbürger Sachſen find deutſchen Blutes, fie fühlen ſich
eins in der Bolfsjeele mit den Stammesgenoſſen im deutichen
Meiche, fie empfinden deutſch, fie denfen deutich. Dies wies der
Bortragende in feinen Überblide über die ſiebenbürgiſch- ſäch
ſiſche Litteratur nad), indem er die bedeutendjten Ghejtalten des
Schrifttums feiner Heimat in lebensvoller Schilderung feinen Zus
börern vor Augen jtellte. Profeſſor Mogl Heidete den Dank der
Berjammlung in das Gelöbnis, den wackeren Stammeäbrüdern
im Magyarenlande allewege mit dem Herzen nahe zu fein und
an ihrem Ergehen in Freud und Leid allezeit ireu Anteil zu
nehmen.
Zittau. Am 13. Oft. nahm der biefige Zweigverein feine
regelmäßigen Winterverfammlungen (immer den zweiten Mittwoch
jedes Monats) wieder auf. Den Hauptgegenſtand des erften Abends
bildete ein Vortrag des Oberlehrers Dr. Matthias über die
Mundart in Epriitian Weiſes Schaufpielen. Weile hat
Bürger und Bauern bis auf Alang- und Sprechweile, haupt:
ſächlich aber nad) ihrem Wortgebrauh und Bilder und Sprich—
wörtervorvat zu lennzeichnen geſucht. Nach den Nadweiiungen
des Redners hat vor reichlich 200 Jahren unjere Mundart —
natürlid — gerade jo geflungen wie heute, auch fajt über die
jelben Wörter und Bilder verfügt wie heute. Für die vom Eprad)-
verein ins Auge gefahte Sammlung von Bollswörtern aber ergab
jich einmal eine ziemliche Menge eigenartiger Bedeutungsfärbungen
für auch ſonſt gebräuchliche Wörter, ſodann aud eine ftattliche
Reihe heut in der Echriftiprache wie im biefigen Vollemunde
abgeitorbener Ausdrüde, die vor reichlich 200 Jahren die hieſige
Mundart nody mit dem mittelhocdhdeutichen Schrifttum gememſam
hatte; es feien nur genannt: die Urthe (= Kneipe, Zeche), werf-
lid (= wunderlich) thun und wertliche (= fünitliche) Nüſſe,
—— ſein, gätlich thun, ungeheit (ungejchoren: ungehiwet)
laſſen.
Brieflaſten.
Herrn L. .. . Münſter i. W. Ihre Forderung, »der Par—
thenons zu jagen, weil das griechiſche Wort männliches Geſchlecht
babe, ericheint uns nicht berechtigt. Das ursprüngliche Geſchlecht
ift bei Entlehnungen jehr ojt verändert, meiit unter dem Einflufje
begrifflih verwandter Wörter. Das lateiniiche männliche murus
wurde bei uns: die Mauer (vgl, die Wand), das weibliche ancora:
der Anfer (vgl. der Stein; ahd. senchilstein — Anler), das ſäch—
liche corpus: der Körper (vgl. der Leib) uf. uſw.
vielfach der Fall bei Eigennamen, befonders erdkundlichen. Deutſch
ift die Mhone und die Tiber, troh des männlichen Geſchlechtes
im Franzöſiſchen oder Lateinischen bezw. Italieniſchen. Sie haben
ſich eben nach den allermeiit weiblichen deutichen Flußnamen auf
se umd ser gerichtet. Nur Sleinlichfeitsfinn oder Gelehrtendünkel
fünnen dazu verführen, daß das fremdipradhliche Geſchlecht bei-
behalten wird. So entipriht aud das Bartbenon und nicht
der P. dem beutichen Sprachgefühle. Es hat jidı an Ähnliche
Wörter angeichlofien, die von vornherein ſächliches Geſchlecht haben,
insbefondere an Pantheon. Vgl. übrigens Itſchr. VI, &p.8— 10.
Herm J. W. .., Apolda. Wir find Ihnen dankbar für den
Hinweis darauf, daß in Ihrer Gegend die alte Unterſcheidung
zwiſchen »Forte (— vorwärts, weiter) und »weg * noch aufrecht
erhalten wird und »fort«e im Sinne von »weg« als Fiererei er-
icheint. Gewiß wäre es wünjchenswert, wenn dieſe Unterfcheidung
durchgeführt werben könnte; aber angefichts des weitverbreiteten
Sprachgebrauces, der »forte auch im Sinne von »weg« ver-
Briefe und Drudjaden für die Vereinsleitung
find an ben Morfipenden,
Oberſtleutnant a.D. Dr. Mar Jüähns in Berlin WW,
Margaretenftraße 16,
Dasielbe iſt
wendet, muß jeder derartige Verjuch als ausſichtslos erſcheinen
Übrigens ift diefer Sprachgebrauch doch nicht bloß morddeutik,
fondern er findet fich auch bei mittel» und oberdeutihen Schuh
ftellern, 3. B. bei Luther (1. Moſ. 33, 12; Judith 10, 11 um),
Schiller (Tel 1,1: ihr Habt ihm fort geholfen), Hauff (als ich zur
Fahne fort gemüht), Grillparzer u. v. a.
Hein €. 3...., Berlin. Die Nebenvorftellung, die man
nad) Ihrer freundlichen Mitteilung in Gera mit dem Worte » kit:
hoj« verbindet, daß er immer einen Hof zum Ausipannen für
die Wagen der Landleute haben müsje, it gewiß injofern ur
iprünglich, als in alten Zeiten wohl alle Gaſthöfe jo eingerichtet
waren. Andererſeits aber bezeichnet mar heute mit » Hof, Gaſt⸗
hoi« unzweifelhaft auch ſolche Gebãude, die auf das Ausſpannen
feine Nüdjicht nehmen, und es würde uns willfürlich ſcheinen,
‚ auf jenen Nebenbegrifi etwa eine Unterſcheidung zwiſchen »@aft:
bofe und »Hotel« zu gründen. »Hof« oder ⸗Gaſthof· ericheint
uns nadı wie vor als —* ausreichende Verdeutſchung für
»Hotele. — Das ruſſiſche labka — »Meftaurante kommt nicht
vom deutihen »laben« ber, ſondern iſt ein echt ſlaviſches Wort,
das urſprünglich » Bank, Bude« bedeutet. Ob es gelingen wird,
von »faben« ein Erjagwort für » Rejtanrant« zu bilden, erſcheint
uns zweifchhaft.
Hein Y.M...., Börz Die »Rote Kreuzlonferenz« des
Neuen Wiener Tagblatte® vom 21. Sept., auf die Sie freund:
licht aufmertiam machen, ift ein ſchäßzbarer Zuwachs zu der er:
heiternden Sippe des stedernen Handſchuhmachers«, der »reiten-
den Artilleriefajerne«, der »durchgebrannten Käjeverkäuferin« uſw
— Das ebenda vorfommende »PBerjonalice für Perfonalnab:
richten ſoll wohl die Einzahl zu dem häufigeren »Perjonalien«
jein. Schöner wird's dadurch freilich nicht.
Heren Stu... -, Halle a. d. S. Beiten Dank für Ihre freund:
lichen Mitterlungen! Daß bei der Eriten £. 8. privilegierten Donaus
Dampficiifahrt Geſellſchaft jämtliche Reiſende 25 Kilo FFreigepäd
»genichene, hat uns in beredhtigtes Staunen veriept. Es fit
nur gut, daß es auf der Donau feine Seekrantheit giebt. — Der
»Evidenzbaltungsgeometere, der dem öfterreichiichen Kanzlei—
ausdrude sin Evidenz halten⸗ — »auf dem Laufenden erhalten:
‚ fein Dajein verdanft, wird hoffentlich mit manchem anderen [chünen
Titel dereinjt verſchwinden.
Herm Ehw...., Niederröblingen. Die Wörter »Mein:
that, Meintbäter, Meinwerf, Meinreder, die Simrod in feiner
Bearbeitung des Heliands verwendet, hängen allerdings, wie Sie
richtig vermuten, mit »Meineide« zuſammen. Zu Grunde liegt
ein altgermaniiches mein (als Eigenidajtswort = falſch, als
Hauptwort — Faljchheit, Frevel, Verbrechen), das noch in mittel«
hochdeuticher Zeit ſowohl alleinjtehend wie in Zufammenjegungen
bäufig gebraudıt wurde, 3. B. dü was der rät mit meine von
den recken getän (Nibel.). Bis in das 16. Jahrh. Hat ſich die
ı Formel »Mein und Morde erhalten, darüber hinaus nur die
Zuſammenſetzung »Meineid« Simrod aber hat, ähnlich wie
‚ Uhland, manches aitdeutjche Wort wieder zu beleben verſucht.
Herren J. .. . Löpen, W. . . . Heidelberg ud EN...
Tübingen. Sie machen freundlichſt darauf aufmerfiam, daß
fi) das Wort »Bewäldes, vor defien Bildung Sp. 205 gewamt
öit, in Uhlands Gedicht »der Schenk von Limburg« Str. S findet.
Das vereinzelte Vorlommen eines ſolchen Wortes bei Dichter
würde allerdings u. E. feine allgemeinere Verwendung nicht ohne
weiteres rechtfertigen. Immerhin geben wir zu, dak die Wahl
jenes Beiſpieles nicht ganz glüdlich war, da es fich eben bei
einem noch dazu ſprachlich jehr hochſtehenden Schriftiteller findet.
Denken Sie ſich alfo für Wald ; Gewälde ein anderes Beilpiel,
etwa Wieſe: Gewieſe. Den allgemeinen Cap, daß ſolchen Bıl-
dungen feine volle Lebenekraft mehr innewohnt, halten wir in
' feinem ganzen Umfange aufrecht.
| Geldfendungen und Beitrittserflärungen (jäbrliher Beitrag 3 Marl,
! woflir die Zeteichrift und die ſonſtlgen Drudichrifien des Bereins geliefert werben)
i an den —n
| erlagsbuchhändter Eberhard Ernft In Berlin W®,
| Wilhelmitrabe 90,
Briefe und Druckſachen fir die Bektichrift find an dem Herausgeber, Oberlehrer Friedrich Wappenbans in Groß⸗Lichterfelde bei Berlin,
Drufeftzahe 3,
zu richten.
Briefe und Zufendbungen für bie Wiſſenſchaftlichen Beihefte an Profeſſor Dr. Paul Pieti in Berlin We, Mopftraße 12
EHE IT — — Pa — — — —— —— —— — —
Bär die Ecriftleitung verantwortlich: Griedrid Wappenbans, Gr.⸗Lichterfelde. — Berlag des allgemeinen deutſchen Sprachvereins (Jahns und Ernſth, Berlin.
Drud der Buchdruderei des Wailenhaufes in Halle a.d. ©.
Diejer Nummer liegt eine Aufündigung von Theodor Storms fämtlihen Werken — nene Ausgabe — bei.
—
5 Seiftguift "33"
altgemeinen’deuffchen Sprachuereins
»egrimdefvon Herman Riegel.
Im Auftrage des Vorftandes herausgegeben von Friedrich Wappenhan?.
Diefe Heirichrift erſchelnt jährlich geudlfmal, zu Anfang jedes Dlonats, | Die Beltichrift farın auch durch ben Budsandel ober bie Bolt
und wird den Mitgliedern bes allgemeinen deutichen Spradverelns umentgeltlih | zu BME, jährlich besogen werben, — Anzelgenannahme durch ben Schapmelfter
geltefert (Sagung 24). | Eberhard Ernft, Berlin W®, Wilhelmftr. 90. — Auflage 16260,
U — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — 1 |
Inhalt: D. Martin Luther und der heutige Sarrazinismus. (Offener Brief an Herrn Franz erg Bon Dtto Sarrazin. —
Bühnendeutich und Bebildetendeutih. Bon Th. Bartner. — Der Aufdrud der neuen Brieflarten. Bon H. Dunger. — Zur Schärfung
des Spradhgefühls. — Sprechſaal. — Bücherſchau. — Zeitungsſchau. — Aus den Zweigvereinen. — Brieſtaſten. — Geſchä äftlicher Teil,
D. Martin Lutber und der beutige Sarrazinismus. | fchlägigen Fragen in völliger Ruhe, Objeftivität und Sachlichfeit
ö | unterhalten. Nur auf einige Stellen Ihres Aufſatzes, in denen
Offener Brief*)
Sie den Namen Sarrazin oder meine Schriften heranzichen, oder
j von . ‚ aber mid; zu Anderen oder anderen Anſchauungen in irrigen
Otto Sarrazin an Keren Sranz Sandvoß in Weimar. Borausjegungen und Unterjtellungen in Gegenjag bringen, muß
Sie haben mir, ſehr geehrter Herr, die Ehre erwiejen, in | ich notgedrungen eingehen.
Ihrem Aufſatz mit der obigen Überſchrift im legten (November-) In diefer Beziehung liegt mir vor allem daran, einen Jrr-
Heite der „Preußiſchen Jahrbücher“ (S. 319— 330) eine Sprach⸗ tum perfönlicher Art richtig zu ftellen, der durch den Schluß
reinigungöbewegung unferer Tage mit einem von meinem Namen Ihres Auffages beim Leſer notwendigerweife hervorgerufen wer—
abgeleiteten Ausdrud zu bezeichnen. Da Sie vor der Abfafjung | den muß. Sıe legen hier (S. 329) eine Lanze ein für die »ein
Ihrer Arbeit meine der Eprachreinigungsfrage gemwidmeten weni- dringliche Beihäftigung mit dem Lateinifhene«, das uns » Jahr:
gen Schriften jelbftverftändlich mit der dem deutichen Gelehrten | Hunderte entlang« zur Bildung des grammatiſchen und ſtiliſtiſchen
eigenen*&ründlichkeit gelejen und daraus erjehen haben, daß ih | Sinnes gedient habe, und fliehen mit den Worten:
in diefer Bewegung namentlih aud) ald Warner und Mahner Und nun foll der umwifiende, öde, geſchmackloſe, ja freche,
zur Vorſicht und Bejonnenheit zu wirlen bemüht geweſen bin, jo | pietätlofe, lächerlich -bornierte Sarrazinismus herrjhen? Wir haben
weiß id) ja, daf Sie mit den zürnenden allgemeinen Teilen Ihrer die Stirn, den vierhundertiten Geburtstag des Magifters Phi:
Ausführungen nicht auf den Mann zielen, ſondern auf eine | fippus zu feiern, des großen Praeceptoris Germaniae, wir, die
Richtung: denjenigen Purismus und Übereifer nämlich, der fih | wir in wahnfinniger Blindheit fein Wert, die brave deutfche
im Verdeutſchen aller und jeder Fremdausdrüde nicht genug thun | Lateinſchule, verwüften und zerftören? O wie bald, wenn wir
fann, der da meint, alle vorhandenen Fremdlinge aus der deute noch eine Weile im Banne des Banaufentums und der Blau:
ſchen Spracde furzweg mit Gewalt verbannen zu fünnen, der ſich ſtrümpfe oder Schreibweibcden mit der ⸗Reſormſchule« fo fort:
darin gefällt, felbjt für Jahrhunderte alte fremdiprachliche Bes | wirtichaften, werden wir dem wahrlich nicht jo leicht zu veparie-
griffe, Titel und dergleichen neue deutſche Wörter zu jchmieden, | renden und wieder gut zu machenden Ruin oder Umfturz bejammern!
der lieber heute als morgen dem General und Admiral, dem | Dagegen, wider jolhen bildungsfeindlidhen Umſturz wünſchte ich
Profeffor jamt dem Doftor, allen Miniftern, Präfidenten und | ein Umfturzgefeß. Musae barbarizant, die Mufen kauderwelſchen,
Direktoren den Garaus machen möchte ujw. Hierin teile ic Ihren | Hatte einmal ein deuticher Fürft, Landgraf Morig in Hefien,
Standpunft vollfommen, und jo fünnen wir uns über die eins | (1619) in ein Stammbuch geichrieben; was wird die Gejchichte
*) Der im Novemberhefte der »Preuftichen Jahrbücer« unter | von der mufiihen Bildung der glorreichen Epoche des bewaffneten
der obigen Überſchrift erfchienene wunderliche Auffap von Franz Friedens bdereinit zu melden haben ?«
Sandvoh (Kanthippus) in Weimar wird vielen unferer Leſer Geſtatten Sie mir hierzu die Berichtigung, daß ich über die
entweder * * Jahrbüchern⸗ oder aus den ze. Ber | ragen der »Reformichules wie der Mädchen Öiymmafien nie ein
Spr 2. * n fi
ren ber Tape (ge nd aus mi. 3 De | Aha gefien mo öfentih gefgt habe. Tel aber Habe 1
durchaus gegen die Beitrebungen des allg. deutihen Spracjvereims | mich bei gegebener Gelegenheit öffentlich als Verehrer der huma—
richtet, jo wollten wir ihm anfänglich in der Heitichrift eine kurze ; niſtiſchen Bildung befannt. Freilich habe ich dabei wohl auch aus—
— ——— * —— —— * —— neh geſprochen — und daher mag die Verwechſelung entjtanden fein —,
ara Fan eye Dieser nor = Geimerr Ban in daf; meine Überzeugung von der fittigenden Kraft der mufiichen
dem foeben erichienenen Dezemberbefte der »Preufi. ZJabıb,« ; Bildung oft jtark auf die Probe geftellt ward und mandmal beinah
abfertigt. Doß die Leſer der » Jahrblicher« und ihr Heraus: Schiffbruch zu leiden drohte, wenn ich gejehen babe, in welch mujen-
wart, Kr Ba —“ ee * | und grazienfremder Weiſe Männer der humaniſtiſchen Wiſſenſchaften,
allgemeinen deutſchen ———— erfahren, erachten nn für deutſche Gelehrte, in hartem Schriftkampfe ſich befehdeten, wie fie
untere Sache ais einen großen Gewinn, den wir Herm Sandvop | zuweilen in rechthaberiſcher, abſprechender, ja ſelbſt perſönlich ges
zu danfen haben. Die Schrijtleitung. | häffiger Art einander verunglimpften oder fich mit Kraftausdrücken
227
traftierten und mißhandelten, von denen auch nicht ein einziger
in einem Komplimentierbudh der Mufen Aufnahme gefunden
hätte. Sie werden mir entgegnen, ſolche Berirrungen und Un—
arten feien immerhin Ausnahmen und kämen jedenfall® nicht vor
infolge, fondern troß der humaniftiichen Bildung, — worin ich
Shnen denn allerdings beipflichten muß.
Sie beginnen Ihre Abhandlung (S. 319) mit der Anführung
eines Goetheſchen Gedichts wider die Sprachreiniger und bringen
auch weiterhin Goethe (beiläufig auch Schiller) und namentlich
Luther zu mir und meinem perjönlihen Wirken auf dem Gebiete
der Sprachreinigung in Gegenſatz. Über Goethes und Schillers
Stellung zur Fremdworifrage tit nachgerade jo viel geichrieben
worden,*) dab ich mich Hierzu kurz fajjen fann. Mit einem
groken Aufwand an Geijt und Sammelfleii find ihre Scrijten
daraufhin durchforſcht und alle Stellen ausgezogen und beleuchtet
worden, in denen fie fih Über die Sprachreinigung oder über die
Neinheit der Sprache, ſei es ihrer Zeit, ſei es von grundfäglichen
Standpunften aus geäußert haben. Und dann ijt der eine Zeil
der Ausjprücde von den Freunden, der andere von ben Gegnern
der Sprodreinigung, der Parteiauffafjung entiprechend, für oder
wider in Anſpruch genommen oder fruktifiziert und ausgebeutet
worden. Offen gejtanden, hat mic) diefe Art der Beweisführung
mandmal etwas gemahnt an die bekannte Abſtimmung durch
Majoritäten und Mehrheiten, zugleid) auch an das Wort Bis—
mards, daf ſich mit der » Statiftif« durch entiprechende Zufammens
fafjung und Gruppenjtellung der Zahlen Alles beweijen lafie.
Mafgebender und beweisträftiger hat mir immer die Unterfuchung
nad dem trefflihen Worte des Evangeliften geſchienen: »An
isren Früchten follt ihr jie erkennen.“ Sie bellagen (S. 320), daß,
wie Jean Paul gegen dad Ende jeiner Laufbahn, jo auch in
unjeren Tagen Guſtav Freytag ſich »jehr überflüfjigerweije«
von der Sprachreinigungsſeuche »unterfriegen ließe. Nun, unfere
Dichterfürjten haben ſich von derielben Seuche ebenfalls beide
unterfriegen lafjen: fie haben in fpäteren Ausgaben ihrer Werke
verdeutjcht, im Hinblid auf den damaligen verwelichten Zus
jtand der deutichen Sprache jogar merkwürdig kühn und weit-
gehend verdeuticht. Um bei dem zu mir in bejonders ſcharfen
Gegenſatz gebrachten Goethe zu bleiben, jo hat namentlid er
in frevelhafter Verfündigung gegen die »Nomanitad der europäis
ſchen Hulturwelt« (5. 323) ſich nicht geicheut, jogar deren eijern-
jten Bejtand mit rauher Hand anzutaften: Aiyl, Disziplin, egois
ſtiſch, Generation, Harmonie, Original, Trophäen, Prozeß ufw.
— jelbjt jolche klaſſiſche »Weltworte« find ihm in jeiner fpäteren
Laufbahn nicht mehr heilig geweien, find der » Spracreinigungss
feuche« zum Opfer gefallen und durch feine — Goethes — eigene
Feder zu ganz gewöhnlichen deutſchen Schugorten, Mannszucht,
ſelbſtiſch, Zeitgeichlecht , Übereinftimmung, Urbild, Kampfgewinnſten,
Rechtshandel uſw. erniedrigt worden — vieler welihen Frembdlinge
gar nicht zu gedenfen. DO. Dehnicke giebt darüber in einer Ub-
handlung »Goethe und die Fremdwörter« im Jahresbericht des
Sohanneums zu Yüneburg, 1892, lehrreiche Aufjchlüfje. Sie
werden mir darin zujtimmen, daß Goethe mit der Tilgung diejer
Beltworte die Schönheit feiner Sprache zu erhöhen, zugleich aber der
Berjtändlichteit feinen Eintrag zu thun glaubte, und ebenſo einig
find wir darin, unſerm Dichterfürſten, der ja fein Spradyjtümper
war, in beiden Beziehungen ein durchaus kompetentes und zus
*) Bergl. u. U.: Ludwig Bellermann, »Aus Schillers
Dichterwertftatt« in der Sonntagsbeilage Nr. 6 und 7 zur »Voſſ.
Beitg.« vom 6. und 13. Februar 1587; Herman Niegel,
»Einige Außerungen Goethes und Schillers über die Spradhe«,
Beitichr. des a. d. Spradwereins, VIII I ff.
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Mr. 12,
— — — — — — — — — — — —— — — — — — — — — — —
228
ſtändiges, ja maßgebendes Urteil zuzuerlennen. Und dahet ſche
ich zu Goethe als meinem Herrn und Meiſter im Berbeutiden
auf, nehme ihn hierin für mich in Anſpruch und werde fünder
beftrebt bleiben, fein gelebriger und eifriger Schüler zu fein. &r
er heute, hundert Jahre ipäter, unter vielfady veränderten Eprat::
verhältnifien, wo zahlreiche von Goethe gebrauchte und im jeinen
Schriften ftehen gebliebene Fremdwörter von feinem Menihen
mehr geichrieben oder geſprochen werden, in deren Bejeitigung
etwa jo weit gehen würde, wie ich, ob er vielleicht mod) weiter
gehen würde und wie weit, darüber find wir leider auf perjäns
liche Mutmahungen angemwiejen, das wiſſen Sie nicht, ich nicht,
wir alle nicht.
An mehreren Stellen (5.319, 320, 324) werfen Sie mir
den in meinem Verdeutſchungswörterbuch gebrauchten Ausdrud
»Dedworte vor, den Sie mir zujchreiben und dem Sie Goethes
»Surrogatwort«, wie ich annehmen darf als das Beſſere, entgegen-
halten. Ob das »Dedworte von mir ftammt, vermag ich mit
Sicherheit nicht zu jagen. Sollte ed der Fall fein, jo muß ih
eine ungewöhnlich glüdlihe Stunde gehabt haben, als es mir
aus ber jeder floß. »Surrogate ift nad) älterem und neuerem
Sprachgebrauch, entipredyend der (hier libertragenen) Bedeutung
bes lateinijchen subrogare oder surrogare, unter allen Umſtänden
ein minderwertiger Erfaß, während es dem ebenfalls ge
braudjten, neutralen und unbejtimmten »Erjagwort« nicht an der
Stimm geſchrieben fteht, ob der Erjag dabei ein guter oder mange:
bafter it. Ein »Dedwort« fann dagegen nur einen vollmwers
tigen Erjag bieten. ch berufe mich da auf das Zeugnis unferer
ichärfiten Disziplin und Wiſſenſchaft: der Mathematil. Das Ver
hältnis zwiſchen Dedwort und Surrogatwort wird ziemlid, Har
verdeutlicht durch das Berhältnis der »Lehren vom Dreied«, deren
twir uns Beide von der Duarta ber entfinnen: nämlich von der
»Dedung der Dreiede« und der »ihnlichleit der Dreiede«. Die
Deckung giebt die völlige Gleichheit in jeder Hinficht, und fo dns
Dedwort den vollwertigen Erjag, und zwar jo bejtimmt und
einleuchtend, da es bei ihm der Hervorhebung durch Gänjefüb-
den erjt gar nicht bedarf. Seine Hare Bedeutung wird durch
eine freundliche Heine Hänſelei vielleicht erſt recht ins volle Licht
gerüdt.
Nun aber Luther. Sie führen eine Anzahl von Stellen
aus Luther »Tiichredene ins Feld (ihr Fundament und
Grumdfefte — »mit Superftition und Aberglaubene — »man mu
Patienz und Geduld haben; uſw.) und bemerken gleid) bei der
dritten (»jo würde er feine Tyrannei dupliren und zwviefächtigene)
mit Betonung (5. 325): »Es ift jehr zu beachten, daß Luther
nicht jagt verdoppeln, wie Sarrazin gar nicht anders (fiebe
bei ihm unter Duplifat, Duplum) weih, da er noch fühlt, doppel
ift das lat. duplus«,
Ja — — id) ringe nad einem Ausdrud, um Ihnen nicht
weh zu thun, und finde keinen. Am mildejten wird es ſchon her:
ausfommen, wenn ich einfad; fonftatiere und fejtitelle, daß von
diejen füntlihen Stelien, mit denen Sie nahezu drei Drudieiten
der ⸗Preußiſchen Jahrbüchere füllen, Luther nicht eine einzige
geihrieben hat, aud nicht die vom Duplieren und Zwiefächtigen.
Damit wir uns nicht mißverjtehen: Sie reden dod von
D. Martin Luther, geb. 1483 zu Eisleben, geit. ebendajelbft
1546? — Nun aljo: dann irren Sie ganz und gar und thum
mir bitter unrecht, wenn Sie gegen meine Schriften diejenigen
Luthers ausijpielen. Indeſſen, Sie thun es bona fido und un:
wifjentlich. Oder wären Sie nicht imftande, einen Unterſchied
zu machen zwiſchen Luthers echtem Spradgebraud im feinen
eigenen Schriften und dem Sprachgebrauch derjenigen, die
229
feine mündlichen Üuferungen nad) kurzen Aufzeichnungen für
den Drud bearbeiteten, wie es bei ben »Tijchreden« der Fall
war, bie außerdem zum Zeil erft viel fpäter ausführlich nieder:
geichrieben wurden, als fie mündlich entjtanden waren? Mir
gegenüber ift der Gedanke ausgeiprochen worden, Sie hätten
Ihren Lefern ein »Schnippchen jchlagen« wollen, indem Sie ihnen
eine Anzahl Stellen aus den Tijchreden als »genuinen und echtene«
Luther vorfepten und fo die Leſer verleiteten, fi) daraus ein
»Bild von Luthers Stellung zu dem fogenannten Fremdwörter:
Unweſen⸗ (mie Sie ſich S. 329 ausdrüden) zu machen. Sc bin
biefem häßlichen Gedanken auf der Stelle in Ihrem Namen mit
vollſter Entrüftung und Beftimmtheit entgegengetreten.
Aber ich möchte Ihnen in diefer heillen Situation und Lage
gern möglichſt weit entgegenfommen und will einmal mit Ihnen
annehmen, die Stellen feien ſämtlich von Quther geichrieben oder
die Nachſchreiber jeien bis auf jedes einzelne, von Luther ge-
brauchte Wort völlig zuverläffig und unfehlbar gewejen. Wenn
nun » Quther« hier überall mit Vorliebe zu dem eben gebrauchten
Fremdworte auch gleich das entiprechende deutſche giebt (S. 323),
follte er dann nicht feinen Zuhörern und Leſern gegenüber, die
doch nicht alle Latein verftanden, nicht alle eine muſiſche Bildung
genofjen Hatten, eine Erflärung des von ihm gebrauchten
Wortes für angebracht oder gar nötig gehalten haben? Mir —
ih bin freilich fein Lutherforſcher — ſchien diejer Grund zu
ſolchen Nebeneinanderstellungen von jeher jehr plaufibel und ein-
leuchtend, Bor allen Dingen aber: ift denn dies Nebeneinander:
jtellen fein Verdeutſchen? Verdeutſcht Yuther hier nicht viels
mehr überall und fortgefegt, und das in einer Art — nicht nur
mit alten, jondern jelbjt mit neuen oder in neuer Bebeutung ans
gewandten Wörtern —, die alles, was ic) und was andere neben
mir hierin je geleiftet haben, tief in den Schatten ſtellt? Co
wenigitens hat's Ihr ⸗Luther« gemacht, der wirfliche Quther viel
feltener, weil er in feinen Schriften verhältnismäßig jelten Frenid⸗
wörter anwendet.
Übrigens jagen Sie bei diefer Gelegenheit, und zwar im un-
mittelbaren Anſchluß an eine Kennzeihnung meines Vorgehens
und im Gegenfat dazu (©. 324): » Wie fehr diefes befcheidene
Zeitſchrift des allgemeinen beutfhen Sprachvererins. XH. Jahrgang. 1897. Nr. 12.
Nebeneinanderjtellen des Fremdworts und des eignen, zunächſt
mur jubjeftiven Vorſchlags dem heutigen Verfahren vorzuziehen
ift, wird fich zeigen.e Auch diefen Vorwurf verdiene ich nicht.
Ganz ebenjo, nur in der Form bier und da etwas abweichend
— das ewige »unde zwijchen Fremdwort und Verdeutſchung
Mlingt auf die Dauer etwas ermüdend —, habe id in meinen
Schriften verfahren. Wer bie Stellen audziehen will, findet
reichte Beute: ſchoclweiſe ftehen fie zur Verfügung. Ich begnüge
mic, einen einzigen Abſah aus der Einleitung zu meinem Vers
deutihungswörterbud (2, Aufl., Berlin 1889) mit einigen ums
wejentlichen Kürzungen anzuführen, gebe zugleich die Verſicherung,
daß auch ich dies Mebeneinanderjtellen feiner Zeit in aller Bes
jcheidenheit ausgeführt habe. Es heit da in der Einleitung
(S. XIV) bei Beiprecdjung des Fremdwortes »Idee«, ber griech.
1öfe, welche für Blato das »Urbild der Dinge jelbjte war, u. a.:
»Der Dichter begeijtert fich für eine Idee, einen großen
und erhabenen Gedanken, und dem Werfe des wahren
Künstlers wird immer eine künſtleriſche Idee, ein fünftleriicher |
oder Kunſtgedanke zu Grunde liegen. Aber das Bild, die
dee, welche diesmal in der dee, der Scele des Künſtlers
gelebt, entſprach nicht der Idee, dem Begriffe, welchen man
mit der für ein Kunſtwerl geeigneten Jdee, einem geeigneten
tünſtleriſchen Vorwurf oder dichteriihen Stoff, zu verbinden
pflegt. Es war eine plöplice Jdee, ein Bliggedante, ein
230
plögliher Einfall... Er Hatte hiervon freilich felbit wohl
eine unllare bee, eine undeutlihe Borftellung, aber zu der
Idee, dem Entihluß, von der weiteren Durchführung jeiner
uriprünglichen Idee, feines alten Entwurfes abzuftehen, ver:
mochte er ſich nicht durchzuarbeiten. Die abweichenden Mei—
nungen feiner freunde hielt er für verfehrte Ideen, für irrige
Anſichten, umd es wurde bei ihm jchliehlich zur figen Idee, zu
einer Wahnvorftellung, zum fejten Wahne, fie mißgönnten
ihm nur die Vollendung jeiner Idee, feines Planes... Aber
weiter: Die Anſchauung oder Idee, daß es verhärtete Gemüter
giebt, in denen auch die letzte Idee, ber legte Funfe von Menſch—
lichkeitägefühl erlofchen it, beruht keineswegs nur in ber Idee
oder Einbildung. Es ift aber ein Zeichen von augenblidlicher
Erregung und Übertreibung, wenn jemand, nur weil beifpiels:
weiſe der auf den Tiſch gebrachte Salat einen etwas faden Ge—
ihmad hat, feine Köchin mit der Behauptung anführt, fie habe
von der ganzen Kochkunſt nicht die leiſeſte Idee, nicht die blafje
Ahnung, bloß weil fie unterlaffen hat, eine Kleinigleit, einen
Tropfen, ein Tröpfchen, ein wenig oder etwad — kurzum
seine Idee mehr Eifige an den Salat zu thun. — Ile —
armer Plato!«
Dies MNebeneinanderjtellen dürfte an Häufigkeit nichts zu
wũnſchen übrig laſſen, liefert Ihnen wohl aud) zugleich den Be—
weis für die Notwendigkeit zahlreicher Verdeutfchungen für
ein Fremdwort (bier haben Sie z. B. für die eine »Idee« über
zwei Dußend gute, alte, deutſche Ausdrüde), worliber Sie mir
— bei Erwähnung des Wortes » Syfiem« in meinem Buche —
auch Vorwürfe mahen (S. 319): »ad), du lieber Gott, da ftehen
nicht weniger al3 einundfünfzig ‚ Dedwörter‘!« Cie haben übrigens
falſch gezählt, es find ihrer zweiundjechzig.
Bei diejer Gelegenheit noc eins. ch bitte Sie, in Ihrer
Abhandlung den Sa zu leſen (S. 323): »Die Romanitas blieb
durdyaus für ihm (Luther), dem grumddeutihen Mann, das
Fundament aller Gefittunge, — und danach den Saß folgen=
dermaßen zu lejen: »Die Romanitas blieb durchaus fr ihn, den
grunddeutichen Mann, der Wurzelboden aller &efittung.« Sie
werden mir zugeben: wie matt, wie leblos, ja wie nichtsfagend
ift dieſes ⸗Fundament«; — dagegen wie fraftvoll, wie lebendig,
twie bilderreich der »Wurgelboden«, aus weldem Einem der ganze
kräftige, gefunde Erdgerud fruchtbarer Scholle entgegenbuftet!
Nun wohl, Sie haben »Wurzelboden« geichrieben, nicht » Funda-=
ment«, wie ficher viele andere gethan hätten. Ich aber habe
Ihren prächtigen » Wurzelboden« in meinem Berdeutfchungswörters
buch unter »Fundament« und »Bafis« flugs nachgetragen und
damit die hierfür jchon gegebenen etiva dreißig Verdeutſchungen
noch um eine weitere wertvolle bereichert. Mir iſt oft der Vor—
wurf der »fremdmwortjägereie gemacht worden. Nein, nicht auf
die Fremdwortjagd gehe ich, jondern auf die Pirſche nach guten,
bezeichnenden deutſchen Wörtern. Und was der durd) lange
Übung und Erfahrung geihärfte Spürſinn dann erjagt, das wird
alabald in eigens bereitgehaltener Jagdtaſche ficher geborgen. Die
Strafe für diefen Jagdfrevel jehe ich freilid) voraus. Es wird
ein grimmer Waldhüter, der mich für einen Wilderer hält, über
mic; fommen, wird der Welt zeigen, » was bei dem Verdeutichen
berausfommte, und wider mich die Anklage erheben, ich wolle in
Zukunft alle nem zu erbanenden Denkmäler, ftatt auf ſolidem
Fundament, auf feſtem »Wurzelboden« errichten. Den weijen
Dann darf ic) zur freundlichen Belehrung und janften ⸗Abſchlach-
tung« dann wohl an Sie verweilen.
Im Anschlu an den Pſeudo- und jaljchen »Quther« fomme
ich zu Ihrer Frage und Antwort auf S. 323: »Mber warum
231
giebt er (Luther) nicht bloß das beutfche Wort? Einfach darum
nicht, weil er fein Sarrazin, kin Stephan war, ber ſich
angemaft hätte, einen Einfall, eine Möglichkeit, bie ihm gerade
fam, zum Geſeß für alle Andern zu machen, einfach darum
nicht, weil er nicht zu den anmaßlih-ummvifienden Neinigern
gehörte, denen ihre fchulwigigen Surrogatwörter allemal aus
reichend feinen, das Gemachte dem Gewachjenen und Gewor-
benen gleich wert.«
Der bier erhobene Borwurf, meine Einfälle, meine ſchul—
wißigen Surrogatwörter in anmahlicher Weife zum Geſetz für alle
Andern haben machen zu wollen, wiegt gewiß ſchwer, und es
liegt mir ob, ihm durch bemweisträftige urkundliche Belege als ums
zutreffend zurückzuweiſen.
Da Eie den von mir hoch verehrten verewigten Staats—
fetretär v. Stephan mit mir in einem Atem und gleihem Aus
fammenbange nennen, jo werden Sie es nicht unbillig finden,
wenn id; mich dabei des Toten ebenfalld3 annehme.
Zu meinem großen Leidwejen fann ich den einftmaligen
Generalpoftmeifter Stephan von dem gemaditen Borwurfe aller:
dings nicht völlig freifprehen. Er erließ am 31. Dezember 1874
eine Verordnung, in der für etwa 60 Fremdwörter aus dem Bes
reiche bes Poſtweſens Verdeutſchungen gegeben und die Pojt-
beamten angewiejen wurden, fid) fortan im dienftlichen Ver—
fehr biefer deutſchen Ausdrüde zu bedienen. Dak er damit dieſe
feine Einfälle nicht nur für die Taufende von Beamten, jondern
auch »für alle Andern«, wenigſtens für einen großen Teil des
deutſchen Volles zum Gefege zu machen »fich anmaßte. — wer
wollte das leugnen? Und wer wollte das nicht jhaubervoll, höchſt
ſchaudervoll finden? Gegen fotbane Anmaßung erhob fich denn
auch alsbald vielfacher und lauter Wideripruch. Die Verdrängung
ber »guten alten Ausdrüde«, die »rankhafte Neuerungsſucht «
wurden lebhaft beflagt; geiftvolle, weitblidende Männer erhoben
laut ihre warnende Stimme und wielen naddrüdlic auf die Kon—
fufion und Spracdverwirrung hin, die ſolchem »übereilten« Vor:
gehen naturgemäß folgen müffe. Hatte dod) Stephan beiſpielsweiſe
ſchlankweg für Sektion » Ubteilung«, für Nationale »Standeslifte«,
für Eouvert »Briefumichlage vorgeichrieben uff. Mean werde
ſchon fehen, welche Wirmiffe daraus entjtiinden, wenn die Ge—
richt8ärzte demnächſt über flattgehabte »Leichenabteilungen« bes
richteten, wenn die Zeitungen von einer » Standeslijten= Bewegung «
in Deutfchland fprächen, wenn man ein Diner und Mittagefien
zu zehn » Briefumschlägen« beftellen würde uff. Alle diefe wohl- |
begründeten Warnungen ſchlug der Generalpoſtmeiſter in den |
Wind. Und nicht nur das. In anmaflich- unwiſſendem Dünkel
berief er eine Anzahl von Gelehrten und Sprachforſchern (die er
foldhergeftalt zu Mitfchuldigen feines Thuns machte) und über:
rafchte die Welt mit einer zweiten Verordnung vom 21. Juni
1875, im der er dieſes Mal nicht weniger als 700 fremde Aus—
drüde in Acht und Bann that: aljo ein Vergehen im Rückfall
und unter erichwerenden Umständen! Und doch muß ic), fo ſchwer
es iſt, feine Verteidigung zu führen wenigstens verjuchen. Erſtens
handelte er nämlich, wie er in einem fbäter veröffentlichten, an
Daniel Sanders gerid)teten Briefe felbft bezeugt, »auf aus—
drüdlichen Beſehl unſeres großen Neichöfanzlerd.« Nun, mas
das bedeuten will, bedarf feiner weiteren Ausführung. Als
zweiten Milderungsgrund made ich die Machtfitlle geltend, die
einem Manne in folder Stellung in die Hand gegeben iſt und
die gar leicht zu einer etwas weitgehenden Minwendung — wenn
Sie wollen, zum Mißbrauch — der Amtsgewalt verleitet.
Beitihrift ded allgemeinen deutihen Spradvereind. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 12.
232
Lehre vom »Nedjt des Stürferen« erinnert, meinetwegen aud an
das »Fauftrechte, gebe ich zu. Immerhin rechnet einmal ber
Erfolg zu den Beweifen. Den Erfolg Stephans in der Sprach
reinigung auf dem &ebiete des Pojtwejens bezweifelt aber heute
faum jemand mehr, und wenn man eine Enguöte und Umiroge
beim deutſchen Volle veranftalten wollte, ob es zu dem alten
| fremden Poftausdrüden zurüdzutehren wünſche: fie fiele mit er
drüdender Mehrheit zu Stephans Gunften aus! Wenn mic
nicht alles täujcht, jo ift fogar die Geſchichte ſchon jeft dabei,
Stephand Verdienſte nicht bloß auf dem Gebiete des Poſtweſent
rüdbaltlo8 anzuerkennen, ſondern ihm, troßdem er kein zünftiger
‘ Spradhgelehrter war, dennoch auch einen hohen Plag anzumeiien
Als
dritten Entlajtungsgrumd für Stephan endlich führe ich an — |
feinen Erfolg. Daf; diefer letztere Beweisgrund bedenklich an die |
unter denjenigen Männern, die, mit ungewöhnlich vieljeitiger
Sprachtunde begabt, ſich um bie beutiche Mutterſprache wohl:
verdient gemacht haben. —
Ein folder Gewaltmenfc num, wie ber veremigte Generalpoit:
meister, bin ic) nie geweien, und fo fann ich Ihren Vorwurf mit
gutem Gewiſſen zurlickweiſen. Nie habe ich jemand angemwiejen,
beitimmte Ausdrüde zu gebrauchen, nie meine Einfälle anderen
zum Geſetz machen wollen.
Zuvörderſt find die Verdeutſchungen, die ich in meinem Wörter:
buch gebe, nicht meine Einfälle, wie Sie anzunehmen jcheinen,
fondern ich habe lediglich — mit verſchwindend wenigen Aus
nahmen, die wohl an den zehn Fingern herzuzählen fein werden —
die Einfälle anderer in möglichit großer Zahl fompiliert und gejam-
melt. Ebenjo wenig ſcheinen mir meine » Surrogatwörter allemal
ausreichend « (S. 324), Wie wenig anmahlich ich in allen diefen
Beziehungen denke, dafür folgende Beweife:
Am Vorwort zu meinem Berdeutfchungswörterbuche heißt es
(S. V):
»Für manches Fremdwort fehlt unſerer Sprache überhaupt
noch der bezeichnende Ausdruck ... Will und kann man ſich dann
nicht zu einer erflärenden Umſchreibung entſchließen ..., fo thut
man jedenfalls am beiten, das Fremdwort einftweilen beijus
behalten ... Der Berfafjer glaubt, fich bei dieſer Gelegenheit noch
beſonders gegen die etwaige Annahme verwahren zu jollen, als
halte er jedes ber in dad Wörterbuch aufgenommenen Fremd
wörter unter allen Umftänden für erjegbar und überjegbar;
das ift ebenjowenig der Fall, wie durd das Fehlen eines fren-
den Ausdrucks angedeutet werden foll, derfelbe ſei im Deutichen
nicht wiederzugeben.«
Ferner (S. XVIII): »Bur richtigen Auswahl bes deutſchen
Wortes muß der Schreibende ſich vor allem darüber Har fein,
welchen Begriff er mit dem Fremdworte, deſſen Übertragung er
beabfichtigt, zum Ausdrud bringen will; er muß dem Schreiben
volle Klarheit der Gedanken vorausgehen laſſen ... In diefer
Thätigkeit ſcharfen Denlens, diefer Tumübung des Geiftes, fan
nun der Wörterbuchichreiber dem Benuper leider wenig behilflich
fein... Die Anſprüche, die das Wörterbudy an den Benuper
jtellt, gehen aber noch weiter: es mutet ihm auch eine ziemlich
weitgehende Urteildrüchtigfeit in Bezug auf guten Geſchmack und
Ipradjliches Feingefühl zu... (5. XXI): Der Bennger aber wird
ſich bei der Auswahl vorzuichen und überall gegenwärtig zu halten
haben, daß eigentlich bei jedem Ausdrud ein Warnungstäfelden
angebracht fein jollte mit der Inſchrift: Diefes Wort ift mit Vor:
ficht zu gebrauchen!«
Soviel über das von Ihnen »des Spahes halber ſchon be
nubte Buch Sarrazind«, das Ihnen »in erichredender Form zeigt,
was bei dem Berbeutfchen beraustommt« (S. 320). Ob Sie es
nicht einmal des Ernftes halber verfuchen möchten, unter ernit:
233
after Beachtung der in Vorwort und Einleitung gegebenen Ans
weifungen, die Sie bisher wohl nur überjehen hatten?
Schliehlih zu meiner » Anmaßlichkeite noch folgende wenigen
Worte aus meinen » Beiträgen zur remdwortfrage« (Berlin 1887),
die vor nunmehr elf Jahren geichrieben und in einem öffentlichen
Vortrage gefprochen wurden (©. 8):
»Und wenn (bei den heutigen Spradreinigungs = Beitrebungen)
aud andere Männer noch, ich will nicht jagen fchmollend oder
grollend, aber doch noch umthätig zur Seite ftehen, fo ift das
durchaus natürlich. Es iſt nicht jedermanns Sache und überhaupt
ein zweifelhaftes Vergnügen, mit dem Aufwand befonderer An—
ftrengungen fi, namentlich in vorgerüdteren Jahren, in
neue Verhältniſſe hineinzuleben, plöglich gewifiermaßen eine andere
Sprache führen zu jollen, anders jchreiben, nach neuen Wörtern,
Ausdrüden und Wendungen ſuchen zu follen, da ſich doch die
alten mühelos und bequem darbieten. Hier foll jeder billig Nach—
fiht üben, ſoll feiner den andern verfegern und feiner den andern
ichulmeijtern wollen. Ach neige mic jogar der Anficht zu, daß
das heut Iebende erwachjene Geichlecht, daß wenigſtens wir Älte—
ren uns von den Fremdwortichladen nicht ganz mehr werden frei
machen fönnen, daß wir vielmehr Zeit unjeres Lebens »alte
Sündere bleiben werden.«
It denn nun diefer Sarraziniämus wirklich jo »fredh, jo uns
wiſſend, öde, geſchmacklos, jo pietätlos, jo lächerlich» borniert ?«
Nicht ganz zutreffend und mehr beftimmt als freundlich jagen
Sie in der Anmerkung auf S. 328: »Ginge es nad) Sarrazin,
jo gäbe es jortan in Deutjchland auch wohl feinen » Prozeh« und
feine » Brozeffion« weiter. Er ahnt natürlicd; nicht, daß der
Rechtsſtreit« in feinem erſten Bejtandteile nur ein etwas Älteres
lat. Lehnwort (jo jagt man, wenn man das Fremde dulden
muß), nämlich reetum iſt . . .« Micht zur perjönlichen Abwehr,
ſondern lediglich zur Ehrenrettung der braven Lateinſchule, auf
deren Bänten id) einitmals gejejien habe, verjichere ich Hiermit in
aller Form, daß uns alles zu rectus, a, um Gehörige ordnungs-
mäßig beigebracht worden ift, daß ich aud) gelernt habe, daß
unjer »Recht« mit dem fat. rectum urverwandt it, daß dad-
jelbe »Recht« aber fein auf dem lat. reetum beruhendes Lehn—
wort ift. Darin irren Sie thatſächlich, trop Ihres bejtimmten
Ausſpruchs ex cathedra und von oben herab. Bielmehr ift
Recht ein indogermanifdyes Gemeinwort, defjen Wurzel reg ſich
in dieſer und jener Form in zahlreichen älteften und neueren
Spracden wiederfindet. Da vorauszufehen ift, daß dieſer Lapſus
und Irrtum Ihnen ald Germanifien von den zünftigen Sprach—
gelehrten mit didem rotem Strich als ſchlimmer Fehler angeredynet
werden wird, jo drängt es mid) zu jagen, daß ich diefem Ber-
ſehen feine Bedeutung beimeſſe. Wohl aber liegt mir daran, dem
von Ihnen erwedten Eindrude vorzubeugen, als ob das Wort
»Nechtöjtreit« etwa mich zum Bater hätte. Ich fünnte recht ſtolz auf
den Zungen fein, muß dem aber ausdrücklich entgegentreten, jchon
deshalb, um mid) nicht, wenn auch nur durch Stillſchweigen, mit
fremden Federn zu jchmüden. Mein, das Wort fommt ſchon in
Gerichtsordnungen des 16. Jahrhunderts vor und wird jeitdem
häufig gebraucht. So finden Sie es beiſpielsweiſe auch bei Schiller,
der in jeiner Maria Stuart den Ritter Paulet (vermutlich, weil
dem Dichter das Wort »Prozeh« nicht »in das Versmaß pahtee),
fagen läßt (1, 8):
Es find Unziemlichkeiten vorgegangen
In dieſem Rechtsſtreit, wenn ich's fagen darf.
Daß Schillern ſelbſt Übrigens bei dieſer jträffichen Verdeutſcherei
das Gewiſſen ſchlägt, geht klar aus der Entſchuldigung hervor,
Zeitſchrift bed allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 12.
234
die er dem Ritter Paulet in den Mund zu legen für nötig hält:
»Rechtöftreit, wenn ich’8 jagen darf.«
Zugleich imputieren und unterjtellen Sie mir hier aber einen
Standpunft zur Frage der deutichen Lehnmwörter, den ich niemals
eingenommen babe, Mit wahrem Wohlbehagen habe ih ein
Doppeltes aus Ihrem Aufſatz neu gelernt, nämlich die beiden
mir bis dahin unbelannten Lehnwörter »jich ermayen« von
Hans Sachs (S. 326), das ich mit Ihnen reizend, fogar überaus
veizend finde, und die »ghetempertheite (temperantia) meines
trefflichen Landsmannes, des Wejtjalen Johannes Veghe, ber
es eben nicht, wie Sie (S. 321) fagen, »bei dem lateiniſchen
Worte beläfte, ſondern »in ehrlicher Arbeit des Aneignens und
Eindeutihend« (S. 321) ein nad) den Geſetzen und Regeln feiner
Mutterſprache gut und völlig einwandfrei gebildetes deutſches
Lehnwort ſchuf. Ich danfe Ihnen aufrichtig für diefe Belehrung;
ift es auch die einzige, jo iſt mir die gleichwohl köftlicher Gewinn.
Und in dieſer guten Gefellichaft ſchreibe ich ald Gegenbeweis gegen
Ihre Unterftellung folgende Süße hierher, mit denen ich vor zwölf
Jahren meine Berufsgenofien vom Baufah*) warnte, deutiche
Lehnwörter anzutaften (»Beiträge zur Fremdiortfrage« ©. 78):
»Durdaus verwerflich endlich it das Bemühen, die aus
fremden Sprachen entlehnten, bei uns von alter® her ein—
gebürgerten Wörter zu bejeitigen oder durch deutiche Neubildungen
zu erfegen... Wer etwa Wörtern wie der Achſe, dem Filter,
der Sondel, Grotte und Gruppe, dem Jubel, der Kaſſe und Klaſſe,
dem Kabel, Mustel, Bendel, Pulver, Quader und Tempel, der
Lifte, Masle, Klauſe, Paufe, Negel, wer der Zıffer und Nummer
das deutiche Heimatsrecht verfagen will, wer die Form, den Grad,
den Mari, Plan, Buls, Punkt und Reft bejeitigen, wer uns
den Traß umd ben Tuff nehmen will famt dem Krater, der bei
ihrem Werden beteiligt war, wer den Eiſenbahnen ihre Nampen,
Tender und Tunnel mihgönnt — wohlgemerft ihre Tünnel,
während Zunnel® und vollends Tunnels in Dentichland nicht
geduldet werden follten —, wer bier überall jhonungslos aufs
räumen will, der begeht freilich einen fo ungeredyten wie thörichten
Raub an feiner Mutterfpracde: denn einen Erſatz würde
er ung ſchwerlich zu bieten vermögen, und fünnte er es auch, jo
wird das beutiche Volk vorausfichtlic; wenig Neigung haben, jeine
Vorfchläge anzunehmen, die es mit Recht für überfläjfige und
wertloje Geſchenke halten mwürbe, «
Alſo, ich dulde die Lehnmwörter nicht etwa bloß deshalb, weil
ic) fie dulden muß, wie Sie (5. 328) behaupten, fondern ich habe
igre Beibehaltung immer verlangt, habe den, der fie der
deutihen Sprache nehmen will, ſogar einen »Näuber« geſcholten.
Und fo darf ich hoffen, Sie nadı allen Richtungen überzeugt zu
haben, daß ic von jedem gewaltthätigen Vorgehen auf ſprach—
lichem Gebiete, imjonderbeit auch auf dem Gebiete des Ber:
deutichens, weit entfernt und nicht ganz der Unmenſch bin, den
Sie bei Bildung des Wortes Sarra»zinismus« in mir vermutet
zu haben ſcheinen.
Nun aber, ehe ich zum Schluß fomme, noch eine Kardinal:
und Hauptfrage! Daß Sie mit Ihrem Aufſatz einen bejtimmten,
Mar erfannten Zweck verfolgen, dak Sie auf ein feites Ziel hin-
arbeiten wollen, verftcht ſich von felbit. Mir iſt es aber leider
völlig unklar und gänzlich dunkel geblieben, wo der
eigentlihe Zwed, das Endziel zu fuchen if. Das fann
jelbjtredend perſönliche Bornierts, Beſchrünkt- und Bejangenheit
fein. Aber wen immer ich bei zahlreichen Umfragen darum ans
*) Aus diefem Lefertreife erklürt fich die Auswahl der weiter:
hin angeführten Lehnwörter.
2
235
gegangen bin, überall diefelbe Antwort: »Ich weiß nicht, was
er mille. Wohin richten fih alſo Ihre Ziele und Wünſche in
der Spracireinigungsfrage? Soll an dem gegenwärtigen Fremd—
wörterbeitande nicht gerührt noch gerüttelt werden? Und wie
würden Sie diefen Beitand eventuell und verneinendenfall® näher
umgrenzen, wenigftend jo präter propter, zirfa und ungefähr?
Oder follen, z. B. zu Schup und Schonung der »NRomanitase,
nur die aus dem Lateiniſchen oder aus toten Sprachen übers
haupt entjtammenden Fremdwörter erhalten, die übrigen dagegen
preiägegeben werden? Dber follen wir à la Luthers Tiſchreden
und in der Weife jeiner Zeitgenoffen den Fremdwörtern jedes—
mal, oder doch in der Megel, oder aber nur biöweilen die Ber:
deutſchung hinzufügen? Nicht etwa aus Übermut, fondern der
Probe halber habe id) an mehreren Stellen meines »Briefes«
diefes Beifpiel befolgt, das Sie ja auch ſelbſt an mehreren Stellen
Ahres Aufſahes gegeben haben. Habe ich meine Sache jo nım
gut gemacht oder noch nicht völlig genügend? Und wie joll’s
beſſer gemacht werden? Daß Sie nicht nur mic), jondern zahl
reihe Leſer der »Preußiihen Jahrbücher« durch eine möglichit
Hare Antwort zu lebhaften Dante verpflichten, davon dürfen Sie
überzeugt fein. j
Zum Schluß mu ich um Entichuldigung bitten, daß ich vors
bin mehrfach, auc in Bezug auf Cie, dad Wort »Gegner der
Spracreinigunge gebraucht habe. Dak Sie in folder Allgemein:
heit des Ausdruds fein Gegner der Sprachreinigung ſchlechthin
find, das beweiſen Sie zu meiner aufrichtigen Freude durch das
Bugeftändnis (5. 320): »geme gebe ich zu, daß nur zu oft Flüch—
tigkeit oder Bequemlichkeit . . . uns zu gejchmadlofer, unnüher
Überladung (mit Fremdwörtern) verleiten.« Dem trete ich rüd-
haltlos bei. Und darum will ich die Hoffnung nicht fahren
lafien, doch mit Ihnen ald einem begehrenswerten Mitarbeiter
von großer Kraft und Fülle des Wortes — wenn es jein muß,
aud des Sraftiwortes — auf dem Felde verftändiger und bes
fonnener Spracreinigung noch einmal Schulter an Schulter
lämpfen zu können.
Berlin, im November 1897.
Blibnendeutih und Gebildetendeutic.
Unter Bühnendeutſch verjtehe ich Hier die Ausſprache des
Deutſchen, deren ſich der Schaufpieler befleifjigt, wenn er keine
Mundart, nicht einmal eine mundartliche Färbung wiedergeben
will. Im ernjten Drama, oder wenigitens an den ernjten Stellen
des erniten fchriftdeutichen Dramas, will und fol der Schaus
ſpieler das Deutiche mujterhaft ausſprechen. Damit alle Schaue
jpieler einer großen Bühne, jo genau als überhaupt möglich, die
gleiche Ausiprache anwenden, überläßt der Bühnenleiter die Ents
ſcheidung in den ftrittigen Punkten der Ausſprache nicht dem
einzelnen Scaufpieler, fondern ſchreibt Regeln vor, Es bejteht
übrigens für das Bühnendeutich ſchon eine gemeindeutfche Über
lieferung; verhältnismäßig werige Fragen find durch diefe UÜber—
fieferung noch nicht gelöft und werden von den gefeßgebenden
Bühnenleitern verichieden beantwortet.
Ic fage hiermit nichts Neues; ich will nur darauf hinweiſen,
daß das Bühnendeutic denjelben Weg wandelt wie das Gebil—
betendeutich, dab es ihm aber um eine jehr bedeutende Strede
vorausgeeilt ift. Sein Wunder, Die Abjtreifung der landſchaft⸗
lichen Eigentümlichkeiten fällt den meiften Menichen jchwer, dem
Scaufpieler nicht; jie Ijt für den Schaufpieler eine Berufspflicht
und eine Brotfrage, für die meilten andern Menfchen nid.
Schaufpieler und Bühnenleiter find meiſtens über das Gebildeten-
Zeitfhrift des allgemeinen deutfhen Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Wr. 12,
eu —— — —
236
deutſch verjcjiedener Länder und Landichaften wohl unterrichtet;
diefe ihre Erfahrung und ihr ausgebildeter Gejhmad haben fie
ichon lange dazu befähigt und ermächtigt, in Sachen der Aus:
ſprache ein maßgebendes Urteil abzugeben und als Vorbild zu
bienen.
Das unter diefen günstigen Umftänden fo früh gefeftigte Bühnen:
deutſch Hält ſich To geſchickt mitten zwiſchen allen landjcaitlihen
Abarten der Gebildetenausſprache, als ob alle gebildeten Deutichen
einmal in einer Berfammlung über die Sadje beraten und ab-
geftimmt hätten. In allen deutſchen Bauen hat man das Gefühl,
daß die Bühnenſprache der gewöhnlichen Gebildetenausſprache des
Landes durch eine höhere Veredlung Überlegen ift; und diefe Ber:
eblung beiteht in der Wbjtreifung der legten landichaftlichen Eigen
tümlichleiten. So fühlt und denft man, und jo verhält es ſich
in der That — abgejehen von einzelnen unficheren oder unvoll⸗
tommenen Punlten im Bühnendeutich.
Es fragt ih nun: wie follen wir und dem Bühnendeutich
gegenüber verhalten, wenn wir, dem Antrage Erbes entſprechend,
darangehen, die mujtergliltige Ausſprache des Deutjchen durd
allmähliche Vereinbarung fejtzuftellen ?
Der Antrag Erbes (d. h. des Stuttgarter Zweigvereins) hatte in
feinem urjprünglichen Wortlaut fhon »den Anſchluß an die Sprache
der Bühne« empfohlen. Bei den Abänderungen des Antrages
durd; Nägele und Jähns find diefe Worte ausgefallen, aber
foviel fid) aus dem Sihungsberichte in unjerer Zeitjchrift (Sp. 158
bis 160) erjehen läßt — nicht zufolge eines grundjäglichen Be
denkens.
Mein beiläufiger Hinweis auf die Bühnenſprache in der Oftober-
nummer (Sp. 188, 3. 17) war noch nicht gedrudt, als ich in der
Deutichen Zeitung (Wien, 8. Oftober) den Antrag las, den Prof.
Siebs aus Greifswald in der germaniftiihen Abteilung des
Allgemeinen deutſchen Philologen- und Sculmännertages in
Dresden gejtellt hatte:
»Die im ernjten Drama übliche deutihe Bühnenausſprache
pflegt als Norm für die deutſche Ausſprache zu gelten. Sie iſt
aber im deutſchen Sprachgebiet nicht durchaus dieſelbe und it,
vom wiſſenſchaftlichen Standpuntte betrachtet, nicht im jeder Be
ziehung zu billigen. Deshalb ift aus orthoepiihen Gründen für
Bühnen- und Schulzwede eine ausgleichende Regelung der Aus—
ſprache wiünfchenswert; fie ift aber auch darum wichtig, teil der-
einft etwaige Berbefferungen der DOrthographie auf ihr werden
fußen müſſen. Vor allem ift nötig:
1. die Unterſchiede der Ausſprache zwijchen den einzelnen Bühnen
des ober=, mittels und niederdeutſchen Sprachgebietes auszugleichen,
fei es nad Mafgabe der Sprache der Gebildeten, fei es nad)
bijtorischen oder äjthetiichen Geſichtspunkten;
2. die Unterfchiede in der Ausſprache des einzelnen Lautes zu
bejeitigen, die nur nad) Mafgabe der Orthographie willkürlich
geichaffen find und von der Wijjenfchaft verworfen werden.
Die germaniitiihe Seltion der 44. in Dresden tagenden Ber:
ſammlung deuticher Philologen und Sculmänner wirde es mit
Freude begrüßen, wenn der Deutiche Vühnenverein bereit wäre,
fih zu gemeinfanter Arbeit an diefem nationalen Werke mit der
germaniftiichen Wiffenichaft zu verbinden.«
Der Kölniſchen Zeitung (vom 4. Oktober) entnehme ich die
Nachricht, daß zu wiſſenſchaftlichen Vertretern für Norbs, Mittel:
und Süddeutschland die Profejjoren Siebs (Greifswald), Vietor
(Marburg) und Seemüller (Innsbruch) bejtimmt worden find.
Es ift ſehr erfreulich, dai auch die Germanijten in Dresden
die Notwendigkeit eingejehen und ausgeſprochen haben, daß eine
ausgleichende Regelung der Mufterausfprache vorgenommen werde,
237
und daf fie felbit daran mitarbeiten wollen. Den von Erbe ges
wünschten Anſchluß an die Sprache der Bühne ſetzen fie al& felbit-
verftändlih voraus umd laden gleich den Deutichen Bühnenverein
zur gemeinfamen Arbeit ein. Die Unterjchiede im Bühnendeutſch
verfchiedener Städte find auszugleichen, und zwar vor allem nadı
der borwiegenden Ausipradye der gebildeten Deutjchen. Dazu
könnte unfer Verein die unumgänglich) notwendige Statijtit der
Gebildetenausiprache liefern. Außerdem wollen die Ghermaniflen
auch vom hijtorischen und vom äfthetiichen Standpunkt aus Ent-
ſcheidungen treffen — gewiß nur in jolden Fällen, wo fie ſich
auf feine hinreichende Mehrheit der Gebildeten fügen Tünnen;
denn der »hijtoriichee Standpımft würde zu Anadronismen mih-
braucht, wenn man das hiſtoriſch Bewordene durch ſchon hiftos
riſch Gewordenes wieder verdrängen wollte. ch jage »wolltes,
da ich überzeugt bin, daß die wirkliche Durchführung folcher Rück—
ichritte oder Neuerungen gegen den Gebrauch der Mehrheit nicht
gelingen würde. Und jo komme ich wieder, wie in der Oftober-
nummer (Sp. 188), auf meine Mahnung zurüd: Nicht gegen
den Strom ſchwimmen!
Unter diefer Borausfepung wird unjer nationales Wert ges
lingen. Es wird gelingen, wenn Spradverein, Bühnenverein
und Germanijten gemeinfam arbeiten; es wird aud dann ges
fingen, wenn fie getrennt arbeiten. Denn ihre Ergebniffe mü jjen
übereinjtimmen, wenn fie gleich reblic) und umjichtig nur den
»andauernden Ausgleichsvorgang, durch den wir ſchließlich gewih
zu einer Einheitsausjprache gelangene (Kluge), in jeiner natür—
lichen Richtung durch die Schule und die Bühne zu beſchleunigen
fuchen. Unter dieſer Borausfepung fällt auch jeder Einwand gegen
die Möglichkeit umd gegen die Berechtigung des Unternehmens
unferes Bereines und der Germaniften in nichts zujammen.*)
Czernowitz. Th. Gartner.
Der Aufdruck der neuen Briefkarten.
Die vor kurzem neueingeführten Brieflarten haben den Freunden
der deutichen Sprache eine arge Enttäufhung gebradt. Bisher
war man gewöhnt, in dem amtlichen Muslafjungen bes Reichs—
poftamts ein gutes, reines Deutich zu lejen. Aber der auf den
Dedel der Kartenbriefe aufgedrudte Vermerk läht in diefer Be-
ziehung leider viel zu wünſchen übrig. Er lautet: »In den—
jenigen Berfehrsbeziehungen zum Auslande, wo das Brief-
porto 20 Pf. beträgt, ift das Franko um 10 Pf. in Marten
zu ergänzene Diefer Cap, in dem von Stephans Geift fein
Haud zu verjpüren ift, hat mit Recht allenthalben Befremden
hervorgerufen, wie zahlreiche Zuſchriften an die Leitung unjerer
Zeitſchrift und verichiedene Zeitungsaufläge beweilen. Unter
21 Wörtern find zwei Fremdausdrücke: das allerdings viel ges
brauchte, aber nicht unerjegbare Briefporto und das wunder
lihe Franko ald Hauptwort. In den Rojtverdeutichungen
Stephans ift franko als Eigenſchafis- und Umftandsiwort mit
frei überjegt. Giebt es denn auch ein Hauptwort Franto?
Vielleicht in der Fachſprache der PRoftbeamten, aber nidjt in der
Spradie des gewöhnlichen Yebens. Umſonſt juchte id) danach
in den Fremdwörterbüchern von Heyle= Lyon, Heyſe-Böttger,
Petri, Sanders, SKiefewetter, Looff, Krepihmar, Kebrein, Weber,
Campe, umjonjt in den Verdeutfhungsbücern von Sarrazin,
*) Die (Hoffentlich unbegründete) Furcht vor »hiſtoriſchen⸗
Schrullen und »äjtbetiihene Kunſtſtücken muß Friedrich Kluge
dazu getrieben haben, dem Beſchluſſe der Germaniften in Dresden |
durch eine längere Bemerkung in der Münch. Allg. Ztg- entgegen-
zutreten und dabei das Kind mit dem Bade auszuſchütten.
Zeitſchrift des allgemeinen deutſcheu Spradvereind. XII. Jahrgang. 1897. Nr. 12.
238
Sanders, Eigen, Hausding u. a.; al3 Haubtwort fand ich nur
Francatur verzeichnet, aber nirgends Franko. Die neue Eins
richtung der Brieftarten hat uns alfo aud ein neues Fremdwort
gebradjt, — als ob wir nicht fchon genug und übergenug davon
hätten! ber abgefehen von den beiden Fremdwörtern — Die
ganze Ausdrudsweile erregt Anſtoß. Wie fteif und ſeierlich Hingen
aleich im Anfange die »Verfehrsbeziehungen zum Auslandes! Was
ſoll fich der gewöhnlihe Mann unter diefer geheimnisvollen Wen—
dung denfen? Dazu fommt, daß die Verwendung des »wo« in
Beziehung auf die vorausgehenden Worte »in denjenigen Ber:
fehröbeziehungen zum Wuslande« mindejtens gewagt if. Denn
man jagt doch nicht derjenige — wo. Und das »wos ift gerade
an biefer Stelle um jo bedenklider, weil die Worte sim Aus—
lande« unmittelbar davoritehen, jo daß man in die Verſuchung
fommt, das »1w0« auf das Ausland zu beziehen. Ich denfe, auch
ein weitherziger Beurteiler wird eingeitehen müſſen, daß diefer
Satz unter feinem glüdlichen Steme geboren ift. Aber wie joll
man ihn umändern? Die Kölniiche Zeitung ichlägt folgende Faſſung
vor: »AAuf Briefe ind Ausland, die einer Gebühr von 20 Pf.
unterliegen, find 10 Bf. in Freimarten binzuzulleben«, oder:
»Briefe ind Ausland, die ufm., find mit weiteren 10 Pf. zu
franfieren.e Die zweite Faſſung ift kürzer; aber, abgejehen von
dem Worte franfieren, das man doc; beſſer durch »frei machen«
erjept, iſt dabei nicht deutlich angegeben, in welcher Weiſe das
Freimachen bewerfitelligt werden foll, ob vor dem Boftichalter
oder durc Auftleben von Marten. In der eriten Fafjung it dies
far angegeben; aber dab 10 Pf. Hinzugellebt werden follen,
wenn aud in Marken, will mir nicht gefallen; aud) die Wendung
»einer Gebühr von 20 Bf. unterliegene klingt etwas nadı Stanzleis
deutih. Wollte man kurz jagen — iſt eine 10 Pf.- Marke hinzu-
zuffeben«, fo wlirde damit die Verwendung von zwei 5 Pf. Marten
ausgeichlofien fein, was offenbar nicht beabfichtigt ift. Ferner
mühte e8 doch wohl »Klartenbrief« ftatt » Briefe heiſſen. Ach möchte
mir folgenden Vorſchlag erlauben: »Bei Verwendung nach dem
Auslande — außer Dfterreich« Ungarn — find diefe Kartenbrieſe
noch mit Freimarfen im Werte von 10 Bf. zu verjehene — oder:
»müjen dieje Kartenbriefe mit freimarken im Gejamtbetrage von
20 Bf. verjehen fein.e Bei diejer Faſſung iſt deutlich ausgejprocen,
welche »Bertehräbeziehungen zum Nuslande« das »Franfo« von
20 Bf. verlangen, und in welder Weife diefes zu ergänzen iſt.
Als Ausland gelten für die Post allg auferdeutfchen Länder mit
Ausnahme von Oſterreich- Ungarn. *)
Dresden. 9. Dunger.
*, Nach einer Zeitungsmeldung ift der bemängelte Mufdrud
bereits durch eine andere Faſſung erjept worden. Er joll jept jo
lauten: »Das Briefporto iſt für Kartenbriefe bei einfachem
Gewicht 10 Bf. für Deutſchland, Oſterreich- Ungarn einjchliehlich
Bosnien und Herzegowina, Grenzverlehr (30 km) mit Belgien,
Dünemart, Niederlande umd der Schweiz; für die übrigen
Länder 20 Pf.« Auch diefe Faſſung ift nicht glücklich. Wozu die
lange Nuizäblung? Daß Bosnien und Herzegowina jept zu
jterreich gehören, ijt belannt. Die Beitimmungen für den Grenz—
vertehr jind nur für die Gegenden von Bedeutung, wo man ſolche
Erleichterungen fennt; für die Allgemeinheit find fie ohne Belang.
Unſchön iſt das zweimalige Brief in »Briefporto fir Karten:
briefee Warum nicht gut deutih: »Die Gebühr für Karten—
briefe beträgt 10 Pf.?« Bei »Örenzverfehrs fehlt das Geſchlechts⸗
wort: (für) »den Grenzverlehr mit Belgiens. Und ein fehler
(hoffentlich nur ein Drudfehler, obgleich es faum jo ausfieht) iſt
die Form »Miederlande« — » Örenzvertehr mit Niederlande«?!
Es heißt doch wohl: »mit den Niederlanden«.
2*
239
Zeitfhrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. XI. Jahrgang. 1897. Nr. 12.
Zur Schärfung des Sprahgefibls.
56) »— wir haben fortwäh-
rend Gelegenheit, ſtolz über die
Leichtig- und Selbſtver—
ſtändlichkeit zu Staunen —.«
(8. F. in ber Zeitſchrift für
d. Unterr. 1897 ©. 474.)
56) — wir haben fortwährend
Gelegenheit, ftolz über die Leich⸗
tigfeit und Selbjtveritändlichkeit
zu jtaunen,
Silbentniderei, die an die berüchtigten Do⸗ und Ali—
mentationsflagen erinnert.
57) »Trauerweiden umſchatten
das vom dunklen Epheu und
Immergrün umiponnene Grab,
was eine Frau im jugend:
lichen Alter bededlt.« (Mus einem
Schulaufſatze.)
57) Trauerweiden umſchatten
das von dunklem Epheu und
Immergrün umjbonnene Grab,
das eine frau in jugendlichen
Alter bededt.
Vom und im unrichtig, weil nicht von einem beftimmten
Epheu oder Jugendalter die Rede it; was falich für das.
58) »Fürftin H. v. Bl. fordert
in einem Aufruf die an Eng:
länderinnen verheirateten, ſowie
die in England domicilierten
Deutichen zu einer Subjtrip=
tion für das lommende dia-
mantene Jubiläum der Kö—
nigin Viktoria auf und ſchlägt
vor, die gelammelten Gelder zu
der auf Wunſch der Königin die
Gejtalt eines ‚Inſtituts von
Subiläumsihweiten‘ anzu
nehmenden Nationalgabe beis
zuſteuern.« (Aus einer Zeitung
mitgeteilt von R. Schildt in
Danzig.)
»Fordert — aufe zu weit voneinander getrennt.
58) Fürſtin 9. v, Bl. fordert
in einem Aufrufe die an Eng—
länderinnen verheirateten fowie
die in England wohnbajten
Deutjhen auf, eine Sammlung
für das fommende diamantene
Jubelfeit der Königin Viktoria
zu veranjtalten, und jchlägt vor,
die gefammelten Gelder zu der
Nationalgabe beizuſteuern, die
auf Wunſch der Königin die
Geſtalt einer Stiftung von Ju—
biläumsfchweitern (?) annehmen
fol.
Eine
anzunehmende Nationalgabe ift eine Gabe, die angenommen
werden joll.
Ebenſo fehlerhaft: ein abzugehbender Aug
ftatt: ein Zug, der abgehen joll, oder ein abzulajiender Yug-
Geprüft von den Herren Behaghel, Brenner, Erbe, Heine,
Zähne, Khull, Lohmeyer, yon, Matthias, Pieiſch, Brefiel,
Saalfeld, Scheffler, Scemüller, Wappenhans.
Bemerkungen über die vorjtehenden Süße, Beiträge u. a. bittet
man einzufenden an Profeffor Dr. Dunger in Dresden: N.,
Schnorrſtraße 3.
Sprebiaal.
Anzeigenftil.
In Nr. 10 der Zeitichrift (Sp. 191) wird die Frage erörtert,
ob man ſich in Familienanzeigen der erften oder dritten
Perſon bedienen folle. Dieſe Frage wäre gar nicht möglich,
wenn der Gebrauch nicht von dem Natürlichen und Zunächtlie—
genden abgeirrt wäre. Es handelt ſich um Anzeigen, in denen
jemand etwas von ſich mitteilt. Wozu ift denn die erite Perſon
da, wenn micht fiir dieſen Fall? Der immer mehr um ſich greifende
Gebrauch der dritten Berfon hat feinen vernünftigen Grund, Diele
Scheu vor dem »ich« erinnert mich immer an die Unfitte, das
Fürwort der erſten Perſon wegzulaſſen oder für »ich⸗ »meine | wörter annehmen. Mit ausgeiprochener Beziehung darauf bietet
WWenigfeit« zu ſehen. Aus logiichen Gründen ift aljo m, E. die
erite Berjon entichieden vorzuzieben.
Aber auch ſprachlich halte ich die Anzeige in der dritten Perſon
nicht für unanfechtber. Sie lautet:
»Die Geburt eines kräftigen Jungen zeigen hocerjreut an
Eduard Schulze und Frau.e
Zunãchſt erblide ich im der Stellung des Sapgegenftanded am
Ende des Sapes eine Härte. Es liegt bier eine Abweichung von
dem Gebrauche vor, die durch nichts begründet ift als durd) das
240
Verlangen, die Unterichrift gefondert von dem übrigen Teile der
Anzeige eben zu fönnen. Der Grund ift alſo papiernen. Zweilens
aber enthält die Anzeige geradezu einen Verſtoß gegen die Geſehe
der deutſchen Wortjtellung. Veitcht die ——— aus zwei
Zeilen, jo ſteht die Perſonalform an zweiter Stelle, der andere
Teil am Ende des Soped. Das »an« fann aljo nur am Ende
bes Sapes jtehen, und der Sap muß heißen: »Die Geburt...
zeigen E. Sch. und Frau hocherfreut an« Man vermeidet die
Härte und den Verſtoß, wenn man den Sapgegenitand an die
Spipe der Anzeige ftellt, wo er fich ebenfo deutlich abhebt wie
am Ende, Aber, wie gelagt, die dritte Perfon ift überhaupt
nicht am Plate.
Bon einem anderen GejichtSpunfte habe ich gegen beide Anzeigen
etwas einzuwenden. Weshalb wird in diefen Anzeigen (mie auch
in Briefen) immer gefagt, daß man etwas anzeigt, mitteilt?
Das ijt doch fo ſelbſtverſſändlich, wie etwas nur jein fan, und
damit, da dieſe Wendung der Sprache zum Schmucde dent,
wird fie fchwerlich jemand verteidigen wollen; es entiteben im
Gegenteil bei langen Mitteilungen Sapungerüme, indem die Haupt:
face, das Mitgeteilte, in den Nebenjap gejtellt wird. Wan gebe
den Inhalt, das Ereignis, fo ausführlih, wie man will, aber
man jage dem Leſer nicht, daß man auf einem Anzeigeblatte ihm
etwas anzeigt oder in einer gejchriebenen Mitteilung ihm etwas
mitteilt. Dit jemand nicht genug unterrichtet, oder iſt das ſprach
liche Schönheitsgefühl eines anderen geftört, wenn er lieft:
» Heute wurde uns ein Mräftiger Junge geboren.
Eduard Schulze und Frau.«7
Huf dieſe Weile werden auch die ſchönen Umftandewörter (hoch⸗
erjreut uf.) bejeitigt, die, weil ichablonenhaft geworden, gar
nicht® zu bedeuten brauchen; denn die Verſuchung, Freude und
Trauer zu Markte zu tragen oder gar zu heucheln, iſt bet diejer
Form der Anzeigen nicht jo groß wie bei jener, Das iſt ein
zweiter Gewinn.
Kafſel. E. H. Zergiebel.
Bücherſchau.
Anna Bauer, Deutſcher Frauen-Kalender.
feld 1898. Sam. Lucas. 2 Mi.
Dieſer gut ausgeſtattete, mit einem geſchmackvollen Titelbilde
verſehene Abrelßlalender für das Jahr 1898 verzeichnet nicht
die Gedenktage geſchichtlicher Perſonen und Ereigniſſe, ſondern
bringt für jeden Tag im gebundener oder ungebundener Rede
Betrachtungen, die ſich auf die verichiedenjten Gebiete weiblicher
Thätigfeit eritreden. Der Beruf der Frau als Gartin und
Mutter, ihre Stellung im Staate und zu den forderungen der
Neuzeit, erziehliche und fittliche ſowie rein praftiiche Fragen fommen
darin zur Erörterung. Sie find den Werten von Otto v. Leimer,
v. Egidy, Martın Greif, Nofegger, Ernſt Ziel, Frieda Schanz
Trojan, Heiberg und vielen andern entnommen. Die Heraus
geberin, die eim treues Mitglied des Sprachvereins ſeit jeiner
Begründung ift, beitrebt fich, aud) die Sprachreinbeit durch bier und
da veritreute Heine Abbandlungen und Gedichte zu fördern. Manche
der geichiet ausgewählten Erzählungen erftreden fid) über mehrere
Blätter, fo dafj der Kalender weit über 365 Seiten enthält. Da
die Einrichtung getvoffen iſt, daß man nur die Angabe des Tages,
Elber⸗
nicht aber die ganzen Seiten abzureiiien braucht, jo wird deren
Berzettelung vermieden und dem Befiker des Kalenders verbleibt
zu Ende des Jahres ein ganzer Band mit wertvollem Inhalte.
Das Angenehme iſt aljo in vorteilhafter Weije mit dem ac nen
vereint, und wir lönnen dem deutichen rauen und Jungſtauen
den Kalender in jeder Beziehung aufs wärmſte empfeblen.
Lichterfelde. Fr. W.
Im März iſt in der Feitichrift die Anregung gegeben worden,
der Sprachverein möchte fich einer Sammlung deuticher Bolt
die von Karl Erbe verfahte Feitichrift zur 10, Hauptverfammlung
eine mundartliche Unterſuchung über den ſchwäbiſchen
Spradichag. Stuttgart bei Ad. Bonz u. Co. 1897. 8. 42©.
Die Heine Gelegenheitsichrift ftellt eine Anzahl ſchwäbiſcher Rolls
wörter, von denen übrigens ein großer Teil auch anderen Mun
arten befannt ift, zulammen und fucht fie durch Aufdedung ihrer
Beziehung zur Schriftiprache der Gegenwart und früherer Zeit:
räume unferer Sprachgeſchichte auch zu erflären. Sit auch die
Behauptung der allüberwiegenden Wichtigkeit des Schwäbiſchen
241
für die neubochdeutihe Schriftiprache nicht unanfechtbar, fo bient
doch das Schriftchen an feinem Teile feiner Aufgabe, nämlich die
Heritellung eines volljtändigen Wörterbuch diefer Mundart zu
unterftügen. Dies für alle Landſchaften, die ebenfalls noch keins
haben, auch in Ungriff zu nehmen, hält der Berfajjer für den
—* zu der beabſichtigten Sammlung deutſcher Vollswörter zu
gelangen.
In dieſem Sinne enthält auch einen Beitrag dazu und einen
ſehr ſchäßzbaren Franz Knotbe:»Die Markersdorfer Mund:
art. Ein Beitrag zur Dialeltlunde Nordböhmens«, bereits 1895
erjhienen in B.⸗ Leipa, im Verlage des Norbböhm. Erturfions-
Hubs. 1286. Nad) einer ausführlichen Lautlehre der Mundart
und einigen Bemerlungen zur Wortlehre und Wortbildung (darin
eine Sammlung gangbarer Fremdwörter), folgt das Wörterbuch,
das den Beſtand in einer wiſſenſchaftlich genauen, freilich nicht
leicht fesbaren Schreibung daritellt, die Bedeutung jedes Wortes
umifchreibend erläutert, die Belege aus anderen Mundarten nad)
den befannten Hilfsmitteln und, wo nötig und möglich, auch aus
der Borgefchichte der deutfchen Sprache hinzufügt.
Berlin. O. Streider.
Dr. Hißbach, Zur Behandlung der Sprachgeſchichte im
deutihen Unterricht unfere Seminars. I. Teil. Zwöliter
Bericht des Lehrerfeminars zu Weimar 1897. 53 ©.
Die Schrift will allerdings zunächſt dem befonderen Zwecke
dienen, für die betreffende Lehranftalt den grammatijchen Unterricht
auf Grund der Spracgeichichte zu vertiefen. Cie kann aber auch
anderen Lehrern nüglich fein und Nichtlehrern nicht minder. Denn
wer ohne Kenntnis der Sprachen oder früherer Stufen unſerer
— nur von deren gegenwärtigem Zuſtande aus ſich einen
berblick über die Gelege des Wortions und deren Wirkung, der
BVortbiegung und Zuiammenfegung verichaffen will, dem kann die
—— Schrift mit gutem Gewiſſen empfohlen werden. Sie
ann dazu helfen, im Sinne unferes Vereins Verftändnis und Liebe
zu unferer Mutterfprache auch in die lreije des Volles zu tragen.
Berlin. D. Streider.
Zeitungsſchau.
Aufſätze in Zeitungen und Zeitſchriften.
Franz Sandvoß, D. Martin Luther und der heutige
Sarrazinismus. — Preußiſche Jahrbücder, Novemberheft
1897. — Diefer in der Heftigfeit feiner Sprache nur noch
von feinem Mangel an Folgerichtigkeit übertroffene Aufſatz
bat außer dem offenen Briefe des Gehelmrats Otto Sar—
razin und dem Bortrage des Oberlehrer® Dr. Oskar Strei-
der im Zmweigv. Berl. - Eharl. (vgl. Ep. 225 ff. u. 242 dief. Nr.)
bisher noch in folgenden Zeitungen Abfertigungen veranlaft:
Deutiche Zeitung (Unterhaltungsbeilage) vom 2. Novbr.,
Voſſiſche Zeitung vom 3. Novbr., Neue Preußiſche
(»Kreizse) Zeitung vom 4. Novbr., Kölniſche Zeitung
vom 6. Novbr., Täglihe Rundihau vom 11. Novbr, (Bon
Dr. Günther U. Saalfeld, der am ausjührlidyiten auf die
Einzelheiten eingeht), Voſſiſche Zeitung vom 23. Movbr.
(Bon Prof. Dr. Dunger).
M. von Schröter, Mojed Mendelsfohns Verdienſte um
die deutſche Sprade. — Im deutichen Reid. Zeitſchr.
des Gentralvereind deutiher Staatsbürger jüdiichen Glaubens,
Nr. 6 (Juni) 1897. — Der Verf. will den Nachweis führen,
einerjeits daß Menbdelsjohn die Juden durch feine Bibelüber-
fegung die deutjche Sprache gelehrt und ihnen jo den Eintrit
in die europäliche Kultur ermöglicht habe, anderſeits daß die
ra Philoſophie ihm die Grundlegung zu ihrer ſprach⸗
ich vollendeten Darftellung verbanfe. Won der Proja M.s
wird gr dak die himmlische Muſil feines Entels aus ihr
zu tönen jcheine.
Hermann v. Pfifter-Schwaighufen, Die nationale Nas
tionalitäts-Nation. — Eisleber Zeitung Nr. 250, 25. Ofe
tober 97. — Der Verf. eifert gegen das Wort »Matione und
feine Ableitungen (»ichimpflicher und efeler denn das Fremd—
wort national möchte jedoch kaum irgend anderes gedadıt
werdene), wofür er » Diet« oder »Volfheit« jagt, und Ipricht
fi gegen die geplante Mbhaltung von »Nationals Feiten«
aus, an deren Stelle eher » Deutichtiimliche Landes: fFeile«
Heiner »nur bündiſch gefügter Gruppen« zu empfehlen ſeien.
Zeitſchrift bes allgemeinen dbeutfhen Spradvereind, XII. Jahrgang. 1897. Nr. 12,
242
Martin Stier, Weldhe Fremdwörter follen beibehalten
und welche bejeitigt werden? Vortrag im Zweigvereine
Neuruppin. — Märtiiche Zeitung (Unterhaltungsblatt) 31. Ok:
tober 97. — Geht von dem Gedanken aus, daß durch den
a. d. Epradjverein das ſprachliche Gewiſſen überall gejchärft
worden fei und nur jelten grundjäglicher Widerſpruch gegen
feine Forderungen laut werde. Dieſer Wideriprudy werde
aber durch Übertreibungen hervorgerufen, denen ber Berf.
durch Aufzählung der Klaffen von Fremdwörtern, die beis
zubehalten oder zu befeitigen feien, entgegentritt. Diefe Aufs
zäblung geſchieht an der Hand und unter Ergänzung des
Auffages von Hermann Dunger in der eriten Nummer diejer
Zeliſchr. (1886) »Welche Fremdwörter find nicht zu belämpfen ?«
Daran ſchließt ich eine Beiprediung einzelner Wörter und
endlich eine eingehende Betrachtung der Gaſthofſprache.
Die Shriftleitung (Groß-Lihterfelde bei Berlin, Drafe:
ftraße 3) ftellt den Lejern der Zeitſchrift die oben und
früher bier aufgeführten Aufjäpe ufw. gerne leihweiſe
jur Verfügung.
Aus den Sweigvereinen.
Berlin: Charlottenburg. Die zahlreich verlammelten
Mitglieder des Aweiqvereind erfreute der Kal. Hoſſchauſpieler
Hugo Hartmann am 12, November durch den meilterhaften
Vortrag von Gedichten Baumbachs, Wildenbruchd und Dahns.
Dann ergriff Oberlebrer Dr. Ostar Streider das Wort zur
Zurüdweilung des bekannten Angriffes auf den a. d. Sprad)-
verein und im bejonderen auf dejjen Borftandsmitglied Geh. Baus
rat Sarrazin in den Preußiſchen Jahrbüchern (vgl. Sp. 225 ff.
diefer Nummer). Der Vortragende beleuchtete zumächit die An—
feindungen, die der Verein ſchon früher von den Preußiſchen Jahr:
büdhern erfahren bat, und fmüpfte in feiner Widerlegung des
neueften Sandvoßſchen Angriffes an den Vortrag von Friebrid
Kluge über »Spracreinheit und Spracdreinigung« an, in dem
ber a. d. Sprachverein die glängendite Rechtfertigung feiner Bes
ftrebungen durch den Nachweis erhalten habe, daß diefe mit dem
natürlihen Entwidlungsgange unferer Mutterſprache ſelbſt übers
einſtimmen. Entgegen nämlich der einfeitigen Nuffafiung, bie
Fremdwörter blok als Schädlinge der Mutteriprache zu betrachten,
habe Kluge in ihnen aud eine Quelle für deren Bereiherung
ertannt und an jchlagenden Beifpielen dargethan, dak fie das
deutsche Sprachgefühl fort und fort »weden und wader erhaltene,
Denn der fremde Eindringling errege nidyt nur regelmäßig bald
die twachjende Gegenwehr des natürlichen Sprachgefübls, jondern
auch die ſchöpferiſche, neubildende Sprachkraft. Zum Beweiſe
dafür habe Kluge u. a. auf die Ausdrücke hingewiefen, im denen
gleihbedeutende deutiche und fremde Wörter jcheinbar geradezu
albern an einander gereiht werden, wie » Eramensprüfung, treis
bendes Agens, reitende Kavallerie. Der Auſſatz von Sandvoh
enthalte nun durch eine lange Reihe namentlich Luthers Tiſch—
gejprächen entlehnter Beilpiele diefer Art, wie »Hiftorien und
Geſchichten, Superitition und Nberglaube, revocieren und wider:
rufen ujw.«, eine immerhin vecht erfreuliche Bejtätigung jenes
von Kluge dargeſtellten Gedankens. Die Gleichartigfeit dieſer
Verbindungen nämlich bezeuge auch die Gleichartigkeit des allen
zu Grunde liegenden geiltigen Vorganges. Dem lebhaften Redner
in einem lateingewöhnten Kreiſe jei immer zuerft das fremde
Wort aefommen, aber unmittelbar darauf muß ſich ihm aud) das
Bedürfnis der Verdeutlichung und VBerdeutichung eingeitellt haben,
das durch die Hinzufügung des gleihbedeutenden einheimiſchen
Begriffes befriedigt und bezeugt werde. Mber weit davon ent-
fernt, dieſen naheliegenden Schluß aus feiner Zuſammenſtellung
u ziehen, made Sandvok davon eine ganz andere Nußantwens
ung. Er folgere nämlich daraus, dak Luther ein gejchworener
Feind der heutigen »zum Teil grauenvollen Verrohung und Ber:
fimpelungs unjerer Sprache fein mühte, d. h. der Arbeit des
a. d. Spracvereind. Der Redner wied an der Hand des Sand:
voßſchen Auffages nach, wie unklar der Verfafler in feinen Aus—
führungen fei, in welche Widersprüche er ſich verwidele, umd zeigte,
daß ibm die Veftrebungen des Spradjvereins, den er in fo maß—
lojer Weiſe angegriffen habe, offenbar völlig unbelannt feien.
Braunihweig. In der Oftoberjikung fam namentlich die
Sammlung deuticher Vollswörter durdy den Sprachverein und die
Saftbofiprache zur Erörterung. Kommerzienrat Wolff und Lehrer
Reiche haben ſich bereit erklärt, ihre Kräfte dem eriten_ Unter—
243
Zeitihrift ded allgemeinen deutfhen Spradvereind, XIL Jahrgang. 1897, Wr. 12.
244
nehmen zu widmen. Bei den Bemühungen, die Wörter » Meftau-
tation« und »Rejtaurante durch deutfche, den Gaſtwirten angenehme
F erſetzen, hat ſich hler das Wort »Schänfe« guten und leichten
ingang verſchafft. So haben wir bier jetzt je nach der Lage ber
Wiriſchaften entweder in der Nähe eines üffentlihen Gebäudes:
»Rathausihänfe, Martthallenichänte, Padhofihänfes uſw. oder
nad) den Stadtteilen und Strahen benannt: »Hagenſchänle, Hohes
thorſchänle, Wendenringicänte, Liebfrauenichänfe, Betriichänfe,
Burgichäntes uſw. Außerdem haben aud die Namen von be:
rühmten Männern Beranlafiung zu Bezeichnungen gegeben, wie
bei: »Leffingihänte, Friedrich Shülhehmihänfee. Andere Zweig⸗
vereine werden mit der Empfehlung, des Wortes » Schänfe« gewiß
auch guten Erfolg haben,
Breslau. Am 25. Oftober gab ein Bericht des Vorſihers
Proſeſſor Dr. Neumann über Heinpauts Büchlein » Das
ser im Deutſchen« Beranlaffung zu einer lebhaften
eiprehung über einzelne in ihrem Urfprunge zweifelhafte Wörter.
Chemnig. Das Stiftungsfeft des Zweigvereins wurde durch
einen Feſtgruß des Schuldireltord Heſſe eröffnet, dem fich ein
Vortrag des Buchbändlers Feller über Sitten und Gebräude
im Lebensgange eines Altbayern anſchloß. Das Feftlied
war von Lehrer Jochen verfaht und geihelte die Fremdwöriter—
ſucht. — In Berbindung mit dem »Bildungsverein Deutichland«
wurde am 10. November ein Bortragsabend veranftaltet, an dem
Schriftleiter Zwed über Robert Hamerling als deutid-
nationalen Dichter jprad).
Dresden. Der Familienabend am 28. Oktober war zahl-
reich befucht und wurde durch den Vortrag des Gedichted » Mutter:
fpradie« von Rittershaus durch Fräulein Stein eingeleitet. Hier:
auf folgte eine Anſprache des Geheimen Juſtizrats Genjel über
»Spradhe und Sprachverein«, und nachdem dann die Tons
funft durch Fräulein Edwards und Herm N. Elsmann zu
ihrem Rechte gelommen war, bielt Profefjor Dr. Dunger einen
Vortrag über den Vorſchlag Schirrmaders, die Fremdwörter
dadurch im Deutſchen einheimiſch zu machen, daß man fie ein-
deutiche, d. h. mundgerechter mache. (Der Bortrag wird demnächt
in dieſer Zeitjchrift veröffentlicht werden). Zum Schluſſe las Ober:
lehrer Zähler zwei felbjtverfahte mundartlihe Dichtungen vor.
Eifen. Bei der Belprechung der Rundfrage nad) den im
Volle noch gebräuchlihen deutihen Monatsnamen, mit der
fi) die erite Winterverfammlung am 16. November beichäftigte,
ergab es ſich, daß die Bezeichnung des Februars ald Spörkel
in der Ejiener Gegend noch vorlommt. In feinem Vortrage
»Deutihe Mythologie nad dem heutigen Stande der
Wiſſenſchaft« hob ber Borfiger, Brofefior Dr. Imme, hervor,
daß die nod vor kurzem herrichende Anjicht über die deutiche
Mythologie heute nicht mehr ftichhaltig jei. Die bejonders in ber
Edda niedergelegten Anfchauungen über die norwegiſch- isländiiche
Sötterwelt feien eine eigentümliche Neuſchöpfung des Nordens;
fie bezeichneten das Ende, nicht den Anfang der ganzen (Ente
wicklung. Man untericheide jept eine niedere und eine höhere
Mythologie; jene beſchäftige fi mit dem Seelen= und Dämonen—
glauben, dieſe mit dem Wötterglauben im engeren Sinne. Der
Vortragende beichränfte feine Darlegung auf die jeelifchen Wejen,
zu denen zunächſt das unter Führung des wilden Jägers durd)
je Lüfte jagende wlilende * und die unter Frau Holle in den
Brunnen und Teichen fortlebenden abgeſchiedenen Seelen gehören;
fodann die Alpe oder Maren, die Walfüren, die fogenannten
Folgegeiſter (Doppelgänger, Werwölſe, Berſerler), die Schidjals-
göttinnen (Normen), endlich die Hexen, deren älterer Name » Ins
holdinnen« ſei.
Kottbus, Oberlehrer Dr. Saalfeld erläuterte in der Nos
vemberfißung in längerer Rede die Entitehung, Geſchichte und
die Ziele der Spradreinigung und ſchloß mit der Aufforde-
rung, dem Bereine beizutreten.
Magdeburg. Nach einem Vortrage des Borfikers Profeffor
Dr. Knoche am 25. Oftober über die friefiiche Voltsdichterin
Stine Andrejen berichtete Oberlebrer Dr. Bhılippfon über
die bisherigen Erfolge det Bereins bei feiner Sammlung
magdeburgiiher Bolfswörter.
Marburg a. d. Drau. Die Neihe der Winterverfammluns
gen wurde an Schillers Geburtstage vom Vorfiper, Dr. Malin,
mit einer Anjprache eröffnet, und daran ſchloß ſich ein Vortrag
ded Erof. Dr. Prem über Bajlionsfpiele, der mit einer Er
örterung der noch nicht entidjiedenen Frage nad) dem Urfprunge
des deutſchen Dramas begann. Der Annahme, daß fih das
Drama aus den gottesdienftlichen Gebräuchen entwicelt habe, fiche
die Meinung entgegen, daß es uriprünglic im Bolte heimiſch ge
wejen und erit jpäter von den Dienern der Kirche für deren Amede
verwendet worden jei. Alsdann behandelte der Medner die Ent:
ftehung und Entwidlung der Paſſionsſpiele im allgemeinen und
verweilte jchliehlih eingehender bei den Oberammergauer Spielen.
Münden Mad einen Berichte des Vorſitzers, Bf,
Dr. Stieve, über die Stuttgarter Hauptverfammlung ſprach
Rechtsanmalt Püp am 8. November über »Die Sanzleis,
Berichts: und Geſetzesſprache« — Der Zweigverein gedenft
feine Bejtrebungen in diefem Winter micht nur duch die k
mäßigen Monatöverfammlungen, jondern auch durch öffen
Vorträge zu fördern.
Neuruppin. F der Oltoberverſammlung wurden zumädit
die vom Gejamtvorftande gegebenen Anregungen (Mollswörter,
Gaſthofſprache uſw.) erörtert, und dann beſprach Prof. Martin
. Stier die Frage: »Weldhe Fremdwörter follen beibehalten
vn — bejeitigt werden?« (Vgl. Aufſätze uſw. Spalte 242
ef. Nr.).
Potsdam. Die verſchiedenen nationalen Vereine der Stadt
veranſtalten in dieſem Winter gemeinſam ſogenannte bdeutice
Abende. An dem erſten dieſer Abende, im Oftober, verbreitete
fich Oberlehrer Grell über die Beitrebungen und Erfolge
des Sprachvereins und fhilderte in eingehender Weiſe defien
Entwiclung, feine Thätigfeit und jeine Ausdehnung.
Früm (Eifel), Einem Berichte des Kreisſchulinſpeltors
Klauke über das Wachstum des a. d. Sprachvereins folgte der
Vortrag des Oberlehrers Dr. Kreuſer über» Die Verſchieden—
beiten der Ausiprahe des Schriftdeutihen und ihre
Gründe«, worin er betonte, daß man den Unarten der Aus:
fprache fräftig entgegenzutreten habe. Es jei daher freudig zu
begrüßen, dah der a. d. Spradwerein munmehr auch die Frage der
richtigen Ausſprache in den Kreis feiner Aufgaben gezogen habe.
An der Hand ber befannten Schrift von Karl Erbe legte der
Bortragende dar, wie man zur Berftändigung über die Verſchieden-
heiten der Ausſprache gelangen fünne. Zum Schluffe ſprach Gym⸗
naſiallehrer Hebler über Die Vorteile der Steilſchrift.
Reichenberg. In ſeinem —— über »Die Geſchichte
ber Spradreinigunge legte Prof. Anton Bielohlamel am
20. DOftober dar, wie das ungeheure Heer der Fremdwörter im
Laufe der Kahrhunderte in die deutiche Sprache eingedrungen,
und wie der Kampf gegen die Fremdwörter fait immer dam am
beftigften entbrannt jei, wenn durch die deutichen Lande ein
jriicher Aug mationaler VBegeifterung ging. Troß ber mannig
ſachen Berirrungen, die ſich die früheren Spradjreiniger durch
ihre Übertreibungen zu Schulden fommen lieken, jei doc ihr
Wirlen nicht erfolglos geblieben, und ohne jie wäre ſchwerlich
der mächtige Umſchwung der Meinungen eingetreten, wonadı der
nnnüße Gebrauch von — *— heutzutage nicht mehr ala
ein Zeichen der Bildung, jondern vielmehr der Seiftesarmut oder
Denkfaulbeit gilt. Wer an dem Wahlſpruche des Spradvereins
zu deuteln wage, verrate, daß ihm jegliches Verſtändnis für bie
Ehre der deutſchen Sprache und für völkiiches Empfinden über:
haupt abgehe. — Der Zweigqverein bat eine Reihe von überflül:
figen Fremdwörtern in Aufichriiten der Straßenbahn auf eigene
Kojten durch deutiche erjepen laſſen.
Straßburg. Einen nicht bloh —— ſondem
auch im fittengeichichtlicher und politiſcher Beziehung feſſelnden
Vortrag hielt Dr. Kaſſel am 28. Oltober üder »Die Ber:
fleinerungsiorm und das Fremdwort im Eliäfiiichen«
Wiührend der erite Teil der Ausführungen des Redners einen
Emblid in das innere Leben des Volles gewährte, zeigte ber
zweite Teil das Volt mehr im öffentlichen Leben, in feinem Ber:
fehre mit der Außenwelt. Seine ſüddeutſche Mundart wendet
die Verfleinerungsform in ſolchem Umfange an, wie die elſaſſiſche.
Am häufigiten iſt dieſe Form in der Kinder« und Kojeipradie,
wofür der VBortragende eine Fülle von Beiſpielen erbradte.
Eines von ihnen, bei dem es ſich um die Worte einer Mutter
zu ihrem weinenden Kinde handelt, lautete: »Wafele denn, min
Hämmele? Heſch Hungerle? Heſch Durftele? Heſch Wiwile?
Het dich e wüſte Flochele gebeißelt? Kommele, min Schefele!
Mieichlich nit grinle! S’mächelet nix! s Mẽterle gẽbelt im liwe
Kindelen e Schmützele, no derfels au zuem Miöterle Hichle, no
ichlefelets jhön.e — Es liegt auf der Hand, daß in einem Lande,
das zwei Jahrhunderte lang politisch zu Frankreich gehört hat,
die franzöjiihe Sprache bejonderen Einfluß auf die einheimijche
Mundart ausgeübt hat. Daher find denn die von der Vollsſprache
aufgenommenen fremden Wörter überaus zahlreich, doch hat das
Volt fie fi vielſach mundgerecht gemacht, und niemals ijt es der
fremden Sprache gelungen, die deutjche Mundart zu verdrängen.
Thorn. Bor einer größeren Zuhörerichaft hielt der VBorfiper,
Direltor Dr. Maydorn, am 29. Oktober einen Vortrag über
»Wohlklang und Neihtum der deutihen Sprache.« —
In dem geichäftlichen Teile der Situng beſchloß der Verein, ſich
an der Sammlung von Bolfswörten und an dem Vorgehen
wegen der Gafthofiprache zu beteiligen. Die Mitgliederzahl be-
läuft ſich auf 90. An den Boritand find durch Zuwahl einge
treten: Landgerichtsdireltor Graßmann, DOberbürgermeijter
Dr. Kohli, Generalleutnant und Gouverneur Rohne und Yand-
rat von Schwerin.
Trier. = der Sitzung am 22. Oftober legte der Borfiker,
Bibliothefar Dr. Keuffer, feine Abſicht dar, die vom Spräch—
vereine gethane Arbeit dadurch nupbar zu machen, daß in den
Berfammlungen die beiten Veröffentlihungen des Hauptvereins
eingehender bejproden würden. Er erörterte genäht an der
Hand des Berdbeutichung&buches » Der Handel« die faufmänniiche
Sprache und ging dann zu der Sammlung von Bollswörtern
über, einem Gegenflande, der eine lebhafte Ausſprache unter den
Mitgliedern hervorrief.
Wermelstirdhen Nachdem der Schriftführer Lehrer
Wegner in der Sihung am 8. Novbr. über die Vollsbücherei
Bericht erjtattet hatte, ss der Borfiger, Nettor Idel, über
»Bergiihe Redensarten und Sprichwörter« An einer
reihen Auswahl von Voltswörtern zeigte er, daß diefe teild ver-
altete Ausdrüde, teils hochdeutiche Wörter in anderer Bedeutung,
teild mundartlice Wörter oder ſolche feien, die aus fremden
Sprachen ftamnten.
Bittau, Am 10. Novbr. ſprach Oberlehrer Dr. Neumann
über das Berhältnis Schillers zur hochdeutſchen Schrifts
ſprache und über die Frage, an melden Mujtern und Meiftern
der jugendliche Dichter jeine Sprache gebildet bat. Dabei wurde
ausgeführt, daß die jchwäbiichen Beitandteile der Jugendipradje
Schillers jeit feiner Nicderlafjung auf mitteldeutſchem Boden in—
folge des perjünlichen Verkehrs mit den oftiähfiich-thüringiichen
Yandäleuten, bejonders G. Körner, aus jeiner Spradie ver:
ſchwinden, und daß die Sprache des jungen Schiller den Einfluß
namentlich der Yuther= Bibel, Klopjtods und, was die Führung
des Geſprüchs anlangt, bejonders den Leſſings zeige. — Dem
Vortrage ging eine Umfrage nad dem Webrauche deuiſcher
Formen der Monatönamen voraus. Die Erörterung ergab,
da ſolche hier nicht gebräudlid find; nur wird im benachbarten
Deutihböhmen Jenner und Feber gejagt; auch wurde ges
äußert, daß die Erjegung der Namen Juni und Juli durch
leichter unterjcheidbare ein Vorteil jein würde.
Brieftaften.
FEW, Stade; Einer Medlenburgerin, Braun:
ſchweig; Herm N... Breslau. In Ihren gefälligen Bus
hriften predien fih die beiden Damen gegen, der Her für
ie Erjegung des Wortes » Tennis« durd) Vepbalte aus. Die
Damen meinen, das deutiche Wort würde gebraucht, um einen
Ball zu bezeichnen, der das Net jtreift, es fünne daher dasielbe
Wort nicht für das ganze Spiel gelten. Herr N. bält als Sad):
verftändiger dad Wort »MNepball« für durchaus einwandfrei und
meint, daß der a. d. Spradjverein fid derartig zarte Bedenten,
wie jie Herr C. M. .. in Braunichweig en Spalte 218 der
vorigen Nummer geäußert hat, nicht zur Richtſchnur jeines
Handelns machen dürfe. Dem Einwande der Damen ijt entgegens
zubalten, daß auc bei andern Spielen ein beftimmter Vorgang
oder ein Teil des Spieles dieſelbe Bezeichnung führt wie das
gefamte Spiel, jo bei Shah, Stat, Dame. Die Bedenken könnten
vielleicht aud, durch die Hinzufügung des Wortes » Spiele zu
»Mepball« zeritrent werden. Dieje Hinzufligung der einen Sübe
wäre aber der Einbürgerung des Wortes gewiß hinderlich, weil
es dann eine Silbe mehr ald »Tennis« hätte. Übrigens legt
die Schriftleitung der ganzen frage fein großes Gewicht bei; die
Hauptjadhe iſt die Verdrängung der rein engliſchen Spielausdrüde.
Herm P.&t..., Altenburg. Der von Ihnen aus einem
Schuleraufſatze (Beichreibung eines Trauerzuges) mitgeteilte Gap:
»Dann fam die Herzogine (db. h. der Sarg, in dem die
Herzogin lag) zeugt u. E. durdaus nicht von einer groben (es
dantenlofigteit, da das Zeitwort »fommen« in mannigfaltigiter
Weiſe frei verwandt wird, auch von leblojen und abftraften Dingen.
Da man insbejondere von einem lebenden Menſchen unbedenklic
fagt: »er fommt gefahren«, obwohl er jich doch in diefem Falle
nicht jelber bewegt, fo fünnte man füglich dasjelbe auch von einer
Leiche jagen. Anderjeits iſt nicht zu leugnen, dak jener Gap,
eben weil es fich um eine Leiche handelt, einem edlen Sprad)-
gebrauche nicht entjpricht. Aber in einem Schüleraufjage ift er
verzeihlic und jedenfalls nicht als Unſinn zu bezeichnen.
Herrn K. v. W. . . Pera. Das artilleriftiiche »Proge« oder
vielmehr die urjprüngliche männliche Form »der Prop« iſt ein Lehn⸗
wort aus dem Italieniſchen. Hier bezeichnet baroccio oder biroccio
{vom lateiniichen birotus — zweirädrig) einen zweirädrigen Karren.
Daber die älteren und nod) Landfeaftlichen Ausdrülde Barutſche
und Birutſche. Die Form Protz entſtammt wohl der Mundart von
Benedig, wo das Wort birozzo lautet. So Diez im Wörterbuche
der rvomanijchen Spradyen und danad) die deutfi Wörterbücher
von Grimm und Heyne. Ein anz anderes Wort ijt natürlich
»dber Protze — aufgeblafener Menſch; dies iſt echt deutfc und
jtammt aus dem Bayrlichen, wo es eigentlid die Kröte bedeutet.
— Zu »blühbare (Sp. 205) weijen Sie darauf hin, da man
auch von »haltbaren Farben, dauerbaren Stoffen und erplodier-
baren Eubjtanzen« jprede. Bon diefen Ausdrüden hat ſich aller=
dings der erjte nicht nur in dem pafjiven Sinne (»haltbare Ans
fichte = die gehalten werden lann oder die ſich halten läßt),
jondern aud in dem aktiven (>»haltbares Zeug⸗ — das hält) ein-
—— die anderen beiden aber ſcheinen uns ebenſo bedenkliche
ildungen zu fein wie »blühbar«e und manche andere, z B.
»verwitterbare, »ormdierbare. Nach dem herrichenden Sprach⸗
gebraude fann die Ableitungsfilbe «bar zu Neubildungen nur in
dem paljiven Sinne verwandt werden. ab der Ausdrud »blüh-
bare für jeden Deutſchen fofort verjtändlih und, wie Sie meinen,
für Handelögärtner thatſächlich unentbehrlich ift, vermag feine
Bildung nicht zu rechtfertigen.
HerinP...., Tübingen. Sie jtellen mit Bezug auf Sp. 223
folgenden Unterſchied zwiichen »fort«e und »wege auf: »jort heißt
nicht bloß vorwärts, weiter (— voran), jondern zwar weg, aber
einem neuen Ziele zu. Bei ‚weg’ denten wir nur an die Ver-
neinung: hinweg, hinein in das alles verichlingende Nichts. Er
ift weg — räumlid; und geiftig nicht mehr vorhanden; er iſt fort
— er hat fi) nad) einem neuen Ort aufgemadt«. Uns jcheint
dieje Scheidung nicht ganz frei von Epipfindigkeit zu fein und
außerdem dem Sprachgebrauche auch —2** Scriftiteller
nicht zu entſprechen. In der Sp. 224 angeführten Stelle aus
Tell (ihr Habt ihm fortgeholfen) iſt doch gewiß nicht gemeint:
weitergeholfen, auch nicht an ein neues Ziel gedacht, fondern nur
daran, dab Baumgarten von diefem Orte verſchwunden iſt.
Andersivo jagt Schiller: »damit nahm er Stod und Hut und
wilchte forte und Grillparzer: »fort, Gedanle!« Auch an dieſen
Stellen fann eine unbefangene Erklärung dem »fort«e nur bie
Bedeutung zu Grunde legen, die Sie für »mwege aufjtellen.
Herrn M..., Breslau. Bon Herzen gern würden wir Ihnen
ein pafiendes Gigenichaftswort für »teilweije« nennen, wenn
wir nur eins wühten. Wir haben nur die Wahl zwiſchen einer
Umſchreibung (»eine teilweije beftehende Ermerböunfäbigteit, teils
weile erfolgende Emeuerung«) und der Verwendung von »teil-
weije« als Eigenſchaftswort (»eine teilweiſe Emenerung«). Das
letzte iſt ſchon unzählige Male gejagt, aber immer noch nicht
anerkannt, im Gegenteil, e8 hat wiederholt die tieffte fittliche
Entrüftung bedeutender Männer hervorgerufen. Gildemeijter jagt
in feinen »Efjayse, ibm mache ein adjettiviich gebrauchtes teilweife
jedesmal Ohrenſchmerz, und Zreitichte erflärt es für ein An—
zeichen von gänzliher Verrohung unſeres Sprachgefühld. Nun,
das ift u. E. viel zu meit gegangen. Wenn es ſprachgewaltigen
Männern wie Lejling (»aller ſtüdweiſen Schilderung « Laokoon) und
Bismard (»teilweife Vernichtung eines Wertes«) von ihrem Sprach⸗
pefühle gejtattet wird, wenn wir ferner jehen, wie auch jonft
Imjtandswörter einfach zu Eigenichaftswörtern erhoben jind und
als joldye heute ohne jedes Bedenken gebraucht werden (j. B.
zufrieden, vorhanden«), fo jollten wir doch etwas vorfichtiger in
der Beurteilung folcher Neuerungen fein. Freilich müſſen wir
offen geftehen: aud) wir haben eine gewifje Abneigung -gegen(eine
247 Zeitſchrift des aligemeinen beuijgen Spragpereine, AH, Jabrgang. 1894. Yir 12,
—— rg —— ae —— —— Um 14. November d. J. fand in Berlin eine Sipun
wir fönnen ihr nicht unbedingt den Ktrieg erklären und glauben, | e '
daß fie mit der Zeit fiegreich durchdringen wird, ohne dann noch eher —— > — — gefahten
ald Verrohung zu gelten. Es fei noch binzugefügt, daß z. B. 9 geme SCHUNG.
auch Georg v. der Gabeleng, der nicht Fish ein Sprachſorſcher, 1. Der von der Hauptverjammlung ı7 Stuttgart geſaßte Bes
fondern auch ein Spradmeifter war, »teilwerje, bruchſtückweiſe, ſchluß, die Hauptverfammlung im Jahre 1808 ausfallen zu
raſſenweiſe unbedentlicd als Eigenihaftswörter verwandt hat. — { d bed n { der 6 3
Alſo, wenn Sie ſich ihm nicht anſchließen wollen, dann entweder affen, be arf nad) dem Bortlaute er Satzung 23 noch
Umfchreibungen oder — partiell! der Beltätigung durch eine jchriftliche Abftimmung ber
Herrn G. St. . . Nürnberg. Mac Ihrer geil. Mitteilung Hweigvereine. Eine ſolche wird daher zu Anfang nächſten
bat ein Beamter Ihrer Bahnverwaltung einem Neijenden, der fid) Jahres eingeleitet und dabei zugleich jeftgeftellt werden, im
bei einer Auseinanderfegung des Wortes »Schajfner« bediente, welcher Weile, falls der Ausfall der Hauptverfammlig
die Belehrung zuteil werden laſſen: »In Bayern giebt es feine beftäti ind. die ei [ d _
Schaffner, da giebt e8 nur Condufteurer. Der gute Mann ejtätigt wird, die einer ſolchen zufallenden Gejcäjte eis
bat wohl einmal etwas von »MRefervatrechtene läuten hören und ledigt werden jollen. N
fühlte fich durch den Gebrauc des »preußijichen«e Wortes verlegt .
— ganz im Gegenjage zu den höheren Behörden in Bayern, die 2. Der Gelamtvorftand hat den bicherigen Ausſchuß und za
der allgemeinen bdeutichen Sache aud) durdy ihre Verordnungen in die bisher innegehabten Ämter aufs neue wiedergewãhl
über die Vermeidung überflüſſiger Fremdwörter dienen. mit Ausnahme des Herrn Verlagsbuchhändlers Georg
Herren Proſeſſor M. St...., Neuruppin, Prof. Dr. &,..., Eberhard Ernst, der wegen geichäftlicher Überlajtung
Mep. In der Liſte der Zeitungen und Beitichriiten, welche die und aus Gefundheitsrüdjichten fein Amt ald Echafmeifter
Ausdrüche »Schriftleitunge und »Schriftleiter«e anwenden | und Borftandsmitglied durd Erklärung vom 13. November
(vgl. S. 169 und 204), find, wie Sie gefl. angeben, naczutragen: | 8 "
Märkiſche Zeitung (Neuruppin), Chriſtlſch-Sozial (Berlin), d. I. niedergelegt Hat. Der Vorſtand beſchloß Herm Georg
Korrejpondenzblatt für die Philologenvereine Preußens (Schalte), | Eberhard Ernjt für jeine durch vier Jahre bewährte eifrige
Pädagogiihes Wochenblatt für den afademiich gebildeten | und aufopferung&volle Gejchäftsführung aufrichtigen Dant
Lehrerjtand Deutſchlands (Leipzig), Lothringer Zeitung (Mep). auszufpredhen und die Hoffnung hinzuzufügen, dah es ihm
Herm RB... ., Kalbe. Wenn Herr J. M. Schneper möglich fein werde, fpäter wieder in den Gefamtvorjtand
jeinen Käſe mit der Nufichrift: »Romatour Qualitö extra. J. M. ; , nn b
Schnetzer Fabricant de Fromages Kempten, Suisse Bavaroise« einzutreten. — Herr Emft will bie Güte haben, fein Ant
im Inlande in den Handel bringt, jo bezeugt er einen Mangel noc bis zum Jahresſchluſſe fortzuführen.
an nationalem Stolze, gegen den es nur ein Mittel giebt, nänt- EEE SLEE EIER
lic) Verweigerung der Annahme feiner Ware. Pr
Herrn Oberlehrer ®,..., Elberfeld. In einer Briefbeant- Der Gejamtvorftand hat in feiner Sigung vom 14. Novbr. d. J
eye auf Sp. 206/7 dief. Jahrg. gr den —— von »zue | beichlofjen, ein
bei Ortsnamen auf die frage wo? ift gejagt, daß »zu«, von ge —
wiſſen Fällen abgejehen, — sine verdrängt worden ſei. Sie Verdeutihungsbud für Spiel und Sport
58* dieſe Bemerkung durch Ihre dankenswerte Mitteilung, | herauszugeben, und mic mit der Einleitung der zu den Vor—
daß daS >zu« in der Gegend um Sinzig am Rhein im der Um= | arbeiten nötigen Schritte betraut. Die Hauptarbeit, d. h. die
gangeſprache entjchieden erhalten iſt, daß man dort aljo auf die | endgiltige Fertigitellung des Buches, wird von einem beienderd
ragen: »Wo find Sie geboren? Wo waren Sie?« die Antworten zu ——— Pe werben.
*— ee = SB — gern * = a Ih bitie nun diejenigen Wereinsmitglieder oder Freunde
Herrn W. P.. .. Kronjtadt. In (reichs=) deutfchen ur
freifen find, weil auch die deutiche Mah- und Gewichtsordnung | MMTEr Sache, die geneigt find, ſich an den Vorarbeiten zu bes
für die Flächen» und Körper: Maheinheiten nur die Benennungen | !iligen, mir dies mitzuteilen umd zugleich zu erwähnen, für
Duadrats und Kırbitmeter fennt, ausſchließlich diefe im Ger | meldes Spiel oder welchen Sportzweig fie thätig fein wollen.
brauch. Ohne gejeplihe Mitwirkung ift daher jelbit eine gute Ber Es handelt fich zunüchſt darum, Liften von Fremdaus—
5 ic & — — Tägl. —— drücken auf den einzelnen Gebieten des Spieles und Sports
ier mit am Plage. »staummelere IE em ganz Deiiimmier | mir Berdeutihungsporjchlägen aufzuftellen, die jpäter, zu
(aud; amtlicher) Fahausdrud für das Naummah eines Kubil- | einem Gejamtverzeihnifie vereinigt, den Ziweigvereinen, einzelne
meters mit unvermeidlihen größeren Zwiſchenräumen 1
aufgeitabelter Stoffe, 5. B. in Haufen geiepten Scheit- oder Brenn: Mitgliedern jowie Fahmännern außerhalb des Vereins gedrudt
bolzes, Torjes, von Bruch- oder Blafterfteinen u. dergl. im Gegen» | ZUR Begutachtung vorgelegt werden jollen.
feige gu einem sit ejtmeiec« biejex Siryer nber kette (h. 5 ebe Friedrih Wappenhans,
Site vn Gem Ange, Bee und de Grn — Groß⸗ Lichterfelde bei Berlin, Draleſtr. 3.
i i Di N liegt
Geſchäftlicher Teil. eſer Nummer liegt das
2
Mit der Begründung des Zweigvereins Klausthal-geller— 12/18. Bilfenfgattlige Beiheft
feld durch Herin Dr. Saalfeld hat die Zahl der Zweigvereine und bad ! .
des a. d. Sprachvereins die Höhe von 200 erreicht. Juhaltsverzeichnis für den XII. Jahrgang (1897) der Zeitſchrift
bei. .
Briefe und Drudfagen fir die Vereinsleitung Beidfendungen und Weitrittöerflärumgen (jähelicer Beitrag 3 Maut,
find an ben Worfigenben, —— he und bie ſonſtigen Drudichriften des Bereits geltefert werden)
Oberfilentnant a.D. Dr. Mayr Jähns in Berlin WW, “
Morgaretenftraße 16, a aan © — hd 5: nft in Berlin WS,
— gun und Drudiahen für die Zeitſchrift find an dem Herausgeber, Oberlehrer Griedbrih Wappenhans in Groß⸗Lichterfelde bei Berilt,
vateftraße B,
Briefe und Aufendungen für die Wifſenſchaftlichen Veibelte an Brofefior Dr. Paul Bteiich Im Berlin W®, Mopftrabe 12
zu richten.
— —
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Für die Schriftieltung verantwortlich: Frie drich Wappenhans, Gr.⸗Lichterſelde. — Verlag des allgemeinen deutſchen Spradvereins (Jahns und Ernit), Berlin.
Drud ber Buchdruderei bes Walſenhauſes in Halle a.d. S.
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