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Full text of "Vier philosophische Texte des Mahabharatam"

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Vier 

philosophisc 
Texte des 



Mahäbhäratam 





Paul Deussen, 
Otto Strauss 




XnAL '3-30 2 .7 




Uthrarg 



THE BEQUEST OF 

PROFESSOR OF SANSKRIT 
1880-I926 



VIER PHILOSOPHISCHE TEXTE 
DES MAHABHARATAM. 



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VIER 

PHILOSOPHISCHE TEXTE 
DES MAHÄBHÄRATAM: 

SANATS U JÄTA- PARVAX - BHAGAVAMlTÄ 
MOKSHADHARMA - AMGiTÄ. 



IN GEMEINSCHAFT MIT Dr. OTTO STRAUSS 
AUS DEM SANSKRIT ÜBERSETZT 

VON 

Dr. PAUL DEUSSEN 

PBOFB-BOR AH DIB VHIVRBS1TÄT X IRL. 




LEIPZIG: 
F. A. BROCKHAUS. 

1906. 



Digitized 



HARVARD COLLEGE LIBRARY 

FRor* tut: cstate of 

CHAßlES f.OCKWUL LAN MAN 
UAiXH 15, 1941 



Druck von F. A. Brockbaus in Leipzig. 



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VORWORT. 



Vor einem halben Jahrhundert, als man bei den 
Worten Veddnta und Sdnkhjam nicht sowohl an die 
Upanishadlehre und die daraus erwachsene Re- 
flexionsphilosophie der epischen Zeit, als viel- 
mehr an die späteren Systeme dieses Namens dachte, 
pflegte man die vorwiegend durch die Bhagavadgita be- 
kannte Philosophie des Mahäbhäratam für eine aus 
beiden Systemen zusammengemischte Lehre zu erklären, 
und noch heute fehlt es nicht an namhaften Vertretern 
einer ähnlichen Anschauung, sei es, dafs man der aus 
den Upanishad's überkommenen vedäntischen Grund- 
lage die selbständig für sich entsprungenen Sänkhya- 
lehren, oder, umgekehrt, einem ursprünglich auf 
Sänkhyagrund errichteten Lehrsysteme hinterher Ve- 
dantagedanken beigemischt sein läfst. 

Ohne in dieser für den Entwicklungsgang der in- 
dischen Philosophie entscheidenden Frage für jetzt ein 
Urteil zu fällen, wollen wir in gegenwärtigem Werke 
die vier grofsen Haupttexte der Mahäbhärataphilo- 



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VI Vorwort. 

sophie in einer lesbaren und getreuen Übersetzung vor 
Augen stellen und abwarten, ob sich dem Eindrucke 
dieser Texte gegenüber die herkömmliche Ansicht 
aufrecht erhalten läfst oder ob die Philosophie des 
Mahäbhäratam , unbeschadet der mannigfachen An- 
schauungen, die in ihr zu Worte kommen, doch 
nicht sowohl als eine Mischphilosophie, sondern 
vielmehr als eine Übergangsphilosophie zu be- 
zeichnen ist, nämlich als die Philosophie des epischen, 
zwischen dem Veda und dem klassischen Sanskril 
stehenden Zeitalters, in welchem sich der Übergang 
von dem Idealismus des Vedanta zu der realistischer 
Denkweise des klassischen Sänkhyam vor unseren Augei 
vollzieht. Dieser Übergang, welcher durch die spätere] 
Upanishad's, Kathaka, Qvetäcvatara, Maiträyaniya u. a 
vorbereitet wird, findet in den philosophischen Texte 
des Mahäbharatam nebst den nahe verwandten Stücke 
in Manu seine naturgemäfse Fortentwicklung, bis c 
sich schliefslich zu der abgeklärten Gestalt kristall 
siert, in welcher ihn die Sänkhya-Kärikä vor Auge 
stellt. Die äufsere Präzision und Konzinnität diese 
Haupturkunde des klassischen Sänkhyam hätte nie! 
darüber täuschen sollen, dafs wir in ihr das letz 
Produkt einer langen Entwicklung zu sehen habe 
welche sich vom philosophischen Standpunkte ans n 
als eine stufenweise zunehmende Entartung des u 
sprünglichen Idealismus der älteren Upanishad's ve 
stehen läfst. 



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Vorwort. VH 

Eine nähere Darlegung dieser Verhältnisse mufs 
der dritten Abteilung meiner allgemeinen Geschichte 
der Philosophie vorbehalten bleiben. Wie die zweite 
Abteilung dieses Werk es sich auf meine Übersetzung 
derSech zig Upanishad's gründe t, so hat die dritte Ab- 
teilung zur unumgänglichen Voraussetzung die im 
folgenden dargebotene Übersetzung der vier philoso- 
phischen Haupttexte des Mahäbhäratam. Diese letztere 
umfangreiche und mühsame Arbeit würde mir bei der 
stark erschütterten Gebrauchsfälligkeit meiner Augen 
nicht wohl möglich gewesen sein, hätte ich mich nicht 
im ganzen Verlaufe des Unternehmens des vierjährigen 
treuen Beistandes meines jungen Freundes und ehe- 
maligen Schülers Dr. Otto Straufs zu erfreuen gehabt. 
Die auf dem Titel erwähnte Gemeinschaft ist dahin 
zu verstehen, dafs wir nach den entfernteren Vor- 
bereitungen gemeinschaftlich die Worte des indischen 
Grundtextes Vers für Vers durchberaten und oft erst 
nach schweren Überlegungen die endgültige Fassung 
festgesetzt haben. Für einen kleinern Teil des Ganzen, 
die Anugitä, habe ich in gleicher Weise die Mithilfe 
eines andern jungen Freundes, des Dr. Paul Emile 
Dumont, dankbar anzuerkennen. Für die. endgültige 
Fassung wird freilich in beiden Fällen zunächst der 
Unterzeichnete die Verantwortung zu tragen haben. 

Diese Verantwortung ist keine leichte, da sich der 
Text des grofsen Epos, namentlich im Mokshadharma 
und in der Anugita stellenweise in einem Zustande be- 



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VIII 



Vorwort. 



findet, welcher es nur mit Anstrengung ermöglicht, 
den Worten des Originals einen verständlichen Sinn 
abzugewinnen. Der Kommentar des Nilakantha (von 
uns als Nil. zitiert) versagt häufig gerade an den 
schwierigsten Stellen und ist nur mit Vorsicht zu ge- 
brauchen, da er oftmals offenbar seine späteren An- 
schauungen in die Worte des Originals hineinträgt. 
Noch weniger Nutzen konnte aus der unter dem Namen 
des Pratäpa Chandra Ray veröffentlichten englischen 
Übersetzung gezogen werden, unter deren Wortschwall 
mitunter die Worte des Sanskrittextes gar nicht mehr 
wiederzuerkennen sind. Sehr nahe lag häufig die Ver- 
suchung, dem Texte durch Konjekturen aufzuhelfen. 
Aber wir haben nur im äufsersten Notfalle von diesem 
Mittel Gebrauch gemacht, da die Konjekturalkritik 
erst dann wird wirksam einsetzen können, wenn die 
diplomatische Kritik ihre Aufgabe gelöst haben wird, 
wozu bei dem Umfange des Riesenepos und der Un- 
zahl von Handschriften, in denen es in Indien ver- 
breitet ist, in absehbarer Zeit wenig Hoffnung seir 
dürfte. Aber selbst wenn es gelingen sollte, die Ge 
nealogie der vorhandenen Handschriften zu ermitteh 
und aus ihnen die ältesterreichbare Form der Über 
lieferung herauszuschälen, dürften die Schwierigkeit ei 
nur wenig verringert werden, da die Fehler oft seh 
alte zu sein scheinen. Am besten ist die Überlieferung 
in der Bhagavadgitä , und auch 2,40 ist eine Textes 
änderung, wie sie zur Rechtfertigung unserer Über 



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Vorwort. 



IX 



Setzung vorgenommen werden raüfste, keineswegs not- 
wendig. Wir verzichten daher auf den allerdings 
schönen Gedanken, den wir hier zu finden glaubten 
und bitter), dort einfach mit der Überlieferung zu 
lesen: ,.Dann gibt es für dich keinen Mifserfolg und 
keine Widerwärtigkeit mehr." Die neueste Über- 
setzung der Bhagavadgita durch Richard Garbe, welche 
uns erst zuging, als die unsrige schon länger fertig- 
gestellt war, wurde nachträglich noch mit Dank be- 
nutzt, und auch der Leser kann sich durch Vergleich 
derselben eine Vorstellung darüber bilden, innerhalb 
welcher Grenzen der Urtext der Freiheit des Über- 
setzers Spielraum läfst, nur dafs dieser Spielraum in 
dem am wenigsten bekannten Mokshadharma ein be- 
deutend gröfserer ist. Wir haben auch den Moksha- 
dharma vollständig übersetzt, obgleich zwischen die 
philosophischen Gedanken zahlreiche, mitunter amü- 
sante, stellenweise auch insipide Erzählungen einge- 

- - ! 

flochten sind, welche immerhin dem abendländischen 
Leser zur Einführung in die indische Art zu denken, 
zu empfinden und die Dinge anzuschauen nicht un- 
willkommen sein dürften. Über den Zusammenhang der 
von uns übersetzten vier Texte mit dem grofsen Ganzen 
des Mahäbhäratam wird die von Hermann Jaeobi 
herausgegebene vortreffliche Inhaltsangabe dieses um- 
fangreichsten Dichterwerkes aller Zeiten die beste 
< Orientierung gewähren. 

Zum Schlufs sei nur noch bemerkt, dafs unsere 



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X 



Vorwort. 



Übersetzung an die alte Bombay -Ausgabe (Qakäbdäh 
1785) sich anschliefst, von welcher sich die späterer 
Bombay er Drucke, soweit wir sie verglichen haben 
nur durch eine Anzahl von mehr oder weniger sinn 
störenden Druckfehlern unterscheiden. Wo wir, voi 
der erwähnten Bombay -Ausgabe abweichend, mit de 
Calcuttaer Ausgabe 1834 fg. gegangen sind, derei 
Lesarten allerdings häufig den Eindruck erleichtern 
der Konjekturen machen, ist dies jedesmal von un 
angemerkt worden. 

Kiel, im August 1906. 

Paul Deussen. 



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INHALTSVERZEICHNIS. 



Seite 



Vorwort V 



I. SAXATSIMATA-PARVAX. 

40. S&natsuj&ta, der ewige Jüngling, erscheint dem Dhritar&shtra 

und belehrt ihn , : : : .. : : : : . : : . . 3 

41. I>» r Tod i^t nicht, Identität der individuellen und höchsten Seele -1 

42. Über Maunam, Tapas und Unzulänglichkeit des Veda . ... 11 
M. l'her den Brahmacärin und das Wesen des Brahman .... 1* 

44. Auf/ahlung von Tugenden und Fehlern J3 

45. Das Schauen des Atman im Yoga 25 



II. BHAGAVADG1TÄ. 

1—6. Ethischer Teil. 

1. Verzagtheit des Arjuna heim Beginn des Kampfes 33 

2. Krishna belehrt ihn: Ewigkeit des Ätman ; Kshatriyapflicht; 

Werk ohne Welthang 38 

•t. Ifit»T<->'id«ises Handeln. Werke notwendig /um Bestände der Welt l."> 

4. I>as Werk als ein dem Gott dargebrachtes Opfer 50 

5. I>er Entsagende weifs, dafs nur die Prakriti wirkt 55 

l»*r V"ga als Weg zur Entsagung und Kinswerdung mit (rott. .*>S 

7 — 12. Theologischer Teil. 

7. Gott als Prakriti, .liva and höchstes Wesen <13 

8. Meditation durch Om und Yoga; Eingehen in Gott 66 

9. Gott schafft die Welt durch Maya und steht als Aufscher über ihr 6t> 

10. Alles ist Gottes Machtentfaltung, aus ihm stammt alles Schöne 

und Kraftige 73 

11. Kritdma zeigt sieh dem Arjuna als Alli'esta liig»-r und All ver- 

nichtender 77 

12. Gottesverehrung, Meditation, moralischer Wandel 84 



XII Inhaltsverzeichnis. 



Adhylya (ed. Calc.) Seite 

13—18. Psychologischer Teil. 

» 13. Kshetram, Jhänam, Jneyatn, Prakriti, Purusha 86 

14. Beschreibung der drei Guna's, Befreiung von ihnen als höchste 

Aufgabe 89 



15. Der vergängliche, der unvergängliche und der höchste Purusha 92 

hi. Schilderung der göttlichen und der dämonischen Lebensführung 94 

17. Der dreifache Glaube und seine Betätigung. Om, Tad, Sml . 97 

18. Zerlegung des menschlichen Handelns; Weg zur Vollendung, 



Verehrung des höchsten Wesens 100 



HL MOKSHADHARMA. 

174. Tröstung des Königs Sonajit bei Verlust seines Sohnes. Die 

Hetäre Pingalä -/j^ . • ■ • 11 1 

17ö. (— 27*. Der Vater empfiehlt die Acrama s, sein Sohn die Ent- 
sagung 11* 

170. Tampiika lobt die Armut. Gefahren des Reichtums . . . . 12*J 

177. Manki und die Ochslein. Entsagung als Weg zum Glück . . 125 

178. Janaka und Mitbila. Die sechs Merkworte des Bodbya . . . 13( 

> " 

179. Entsagung als die Losung des Ajagara 13; 

180. Der arme Kagyapa von Indra als Schakal getröstet und belehrt 13" 

181. Vergeltung der Werke 14t 

182. Schöpfung der Welt durch den Mdnasa und Kosmographie . . 14- 

1S3. Entstehung der Elemente 11 

184. Beseeltheit der Pflanzen. Die Elemente und ihre Qualitäten . 15' 

IS"). Die fünf Präna's im menschlichen Körper l. r > 

186. Bestreitung der Existenz des Jlva 15 

187. Gründft für di p Existen z des Jiva . . . , , , . . , . . lh 

188. Abstammung aller anderen Kasten von den Brahmanen ... IG 

189. Charakteristik der vier Kasten und Moralisches . . . . . lti 

190. Wahrheit und Unwahrheit, Lust und Leid ltj 

191. Pflichten des Brahmacärin und (ijihastha IC 

192. Vanaprastha und Parivräjaka. Himmlische und irdische Welt. 17 

193. Vorschriften für den guten Lebenswandel 17 

194. Elemente, Organe, Kshetrajna, Guna's, Bindung und Erlösung. 1fr 

195. Yoganieditation unter Fesselung des Manas 1* 

196. Beschränkter Wert des Gebetsmurmeins 1? 

197. Gebetsmurmeln in selbstsüchtiger Absicht führt zur Hölle . . V 
19*. Empirische Daseinsformen als Höllen und der Atmau als Himmel T 

199. Erlebnisse eines Gebetsmurmlers 1 

200. Eingang des Gebetsmurmlers in den Himmel 2 

201. Werkfrucht und Frucht der Erkenntnis 2 

202. Der Atman, die Organe und Elemente 2 

203. Atman, Bhfttatman, Lingam (Körper) 2 

'JQ4. Erkenntnis durch die Sinne und reine Erkenntnis . . . . . 2 

2Q.">. Schmer/. Buddhi und Mauas. Der psychische Komplex . . l 



Inhaltsverzeichnis. XIII 

Adbyiyi («xL Calc.) Saite 

2<»>. Die Guna's, der Parusha und der Höchste 22'.* 

2<>7. Schöpfung der Welten, Gotter und Wesen durch Krishna . . 233 

2118. Schöpfung der Götter und Rishi's. Ihre Himmelsgegenden . . 237 

2<fr. Vishnu- Krishna als Eber bekämpft die Danava's 240 

210. Krishna sc hafft die Wesen. Purusha und Evolutionsstnfen . . 244 

211. Avyaktam, Vyaktam und Kshetrajna 249 

212. Ahankära und Gutia's als Quelle des Bosen 251 

21:1. Kajas und Tamas. Weib und Kind. Organe aus dem Willen 

entspringend 256 

214. Brahmacaryam. Adern und Samen 257 

215. Reinheit nnd Bezähmung als Weg zur Brahman werdung. . . 260 

216. Daa Manag im Wachen, Schlaf und Traum 263 

217. Prakriti, Purusha nnd Brahman. Tapas und Wissen .... 266 
21h. Pancacikha entwickelt vor Janaka zunächst die Thesis der Ma- 
terialisten 270 

2 1 '. *. sodann belehrter Ober Atman, Entsagung, Organe, Guna's und 

Erlösung 276 

220. Preis der Selbstzucht und ihre Früchte 282 

221. Das wahre Tapas und seine Betätigung im Leben 284 

222. Prahrada bespricht den Gegensatz von Svabhäva (Prakriti) und 

Pnrnsha 286 

223. Indra befragt den Bali, wie ihm nach seinem Sturze zumute sei 290 

224. Bali weist auf die Notwendigkeit alles Geschehens hin (Kala) . 293 

225. Die Tri geht von Bali zu Indra, der sie vierfach verteilt . . 298 
22*3. Der gestur/.te Namuci schöpft aus der Erkenntnis der Notwendig- 
keit Gleichmut 3<>3 

227. Eine andere Version von Adhyaya 223 und 221 306 

228. Übergang der Tri von den Danava's zu den Göttern .... 318 
2'-".'. ,laigi>havya zeigt den Weg zur wahren Glückseligkeit. . . . 327 
23<>. Närada wird als ethisches Ideal geschildert •' '>.')<> 

231. Vyasa belehrt den Cuka über die Einteilung der Zeiten, . . 332 

232. über die Schöpfung der Elemente und der Welt aus Brahman 

und ihre Degeneration, 336 

233. Ober die Auflösung der Welt in Brahman, 340 

234. Ober die Pflichten der Äcrama'a und Beispiele belohnter Frei- 

gebigkeit. 312 

235. Ober Vedastudium, Opfer und das ethische Verhalten des Brahmanen, 316 

236. Ober Yoga nnd seine Früchte, Avyaktam und Vyaktam, San- 

khyani und Yoga, 31'.» 

237. über die Erkenntnis als Weg zur Erlösung und die Kla.-Mtika- 

tion der Wesen. 354 

23-, über Werke und ihre zunehmende Degeneration in den W> Haltern, 337 

239. über den Atman und sein Verhältnis zur Leiblichkeit, . . . 359 

240. Ober das rechte Verhalten des Yogin, 362 

241. Ober die Bindung durch Werke und die Erlösung durch Wissen, 366 

242. über die Pflichten des Brahmacarin, 368 



XIV 


Inhaltsverzeichnis. 




AdbyAy» (ed. C»lc). 


Seite 


9 4 3 


ülipr <1pii ( irtln^tlui und *;pinp vipr T'ntpriirtpfi 


372 


244. 


über den Yänanrastha und iSannväsin, 

IL I 


375 


245. 


über den Bhikshu ( SannvHsin). 


378 


J4o. 


uoei tue nerunigung ais rimni des v\ lssens, 


383 


"47 


lihpr (Up FlpmpntP im Kornor diu n^vrhisrhpn ()rf:mp und ilii» 

Vi U VT 1 Uli. i 'IL UltU IV J III AYV'l|Jl_. 1^ 11 1 V, JKTl LJllpl.UCU V 1 f_ »l 1 1 \Z UUU III V 






Gima's 




248. 


über Manas und Ruddhi den Atman und die Guna's . 

LA U V» A * * A *■* 11 1.» «_7 VI II \1 -A " U\l » A II 1 ^ V» ■ A i « (■ III V* 4 A UU VA W| V X^H V* AI w a • • • • 


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UUvl Ulv ^ilJ^vlllÄLl.llilljfe^ Uvl * • Uli tA .t Ii ÄJIÄ UIL Ä_A IXiXLl^ltlJ^ HCL XJÄ 








3!K) 


250, 


über die Konzentration des Geistes und ibre Frucbt 




Z.)l. 




394 


252 


übpr die» KIpitipiiIp und ibrp Vprbrpit niif im Lpüip 


397 


253. 


über Li nira in Sattvam Rhütätman 


398 


254 


über die Rppierdp als Raum und dpn "Menschen als verseuchte 






Stadt 


400 


255. 


und nnlia riiTkiwpi'ip iihpi' dip Onalitätpn von F.lempntpn \fanas 

II 11 VI tllllliAUL,kjTvvl»3V UUVI VI l V. \J VlullLill-vlJ 1 uii 1V7111V.11LV 11 . .11(1 utl J 






imrl 14 1 1 /^l ri Vi 1 




257. 


fB 256^ Näradn. erzählt wie Gott Brahnian dip Geschönte vei- 






brennen wollte 


m. 


258 


wip Auf f^iVA's Rittp diis Vpiipr ntph in dip Alritvii vprwandpltp 

TIC AU1 Yl'** v Ullfc^ Uüü X VUCl Dlvlt 1U Ulv iVll 1 1 > vi > fZl " II 'H-' 1 v V ^ 


40< 


o\<» 


wie Mrityu sich weipert, die Gescbople zu vernichten, und wie 






dio von ihr Nertros^enpii Tranen als Krankheiten die Geschonte 

\*> V V A4 & *-» A » \_ A k V » O kJVUv LS .AV AV UUv'l M • u A-A. 1 tili AA A_l L 1 vi, II VA ■ \J vOVUV L/ *• V»- 






wei/raftpii 


40: 


260. 


Moralischer Wandel und gutes Gewissen als Folge 


4Ü 


261. 


Skeptische Einwendungen gegen die Autorität der Pnicht . . 


41' 


262. 


Jajali läfst auf seinem Kopfe die Vögel brüten und geht zu 








41 


263. 


Tulädhära fordert statt Askese Schonung der Wesen, . . . . 


42 


264. 




42 


265. 


Die Vögel stimmen ihm zu und preisen die Craddha (Glaube) . 


43 



266. Aussprüche des Königs Vicakhyu gegen das Tieropfer ... 43 

267. Erzählung vom Cirakarin; Kindespflichten ; Lob der Saumseligkeit 43 

268. Gespräch des Dyumatsena und Satyavant Ober die Todesstrafe 4-1 



269. Syümaracmi verteidigt gegen Kapila die Tieropfer, 44 

270. sowie den Hausvaterstand gegenüber der Entsagung . . . . 4;" 

271. Kapila lobt die alten Zeiten und die Entsagung 4( 

272. Der Brahmane und Kundadhära: Nicht Reichtum, sondern Ge- 

rechtigkeit und Askese sind begehrenswert 4< 

273. Satya und die Gazelle: Verwerfung des Tieropfers 4' 

274. Röses und Gutes, Weltverdrossenheit und Erlösung .... 4' 

275. Selbstbezahmung als Weg zur Erlösung 4' 

276. Elemente, psychische Organe und der Atman 4' 

277. Janaka preist die Besitzlosigkeit und Entsagung 4< 

278 = 175 4 

279. Das Leben des Sannyäsin nach Harlta's Vorschrift 4 

280. Der gestürzte Vritra weist auf die Allmacht der Zeit hin . . 4 



Inhaltsverzeichnis. 



XV 



Aihjkj* (ed. Calc.) Seite 

281. U (jauas preist den Vishnu als Allseele und klassifiziert die 

Sutten der Seelen nach den Farben 4H0 

2*2. lndra, von (,'iva als Fieber und Vishnu als Donnerkeil unter- 
stützt, bekämpft den Vritra 41*8 

2*3. und tötet ihn; wird von der Brahmahatyä befallen und von ihr 

befreit 502 

2*4. Dakska's Opfer wird auf Antrieb der Umä von Uiva's Scharen 

gestört; Entstehung des Fiebers und seine Verteilung . . . 501) 

2*5. Andere Version derselben Erzählung 515 

2*»». Das Cira*ahasranäman. Qiva's Gnade gegen Daksha .... 522 
2*7. Grofse Elemente; körperliche und psychische Organe; der Ätman 

schafft die Guna's 534 

2**S. Samanga lehrt: Erkenntnis befreit vom Leiden 5311 

2*n. Vier Lebensrichtungen mit gemeinsamer Moral. Warnung vor 

schlechtem Umgang 541 

290. Arishtanemi lehrt: Loslösung von Welthang und Angehörigen 

macht wahrhaft frei 547 

2*.«1. Geschichte vom Ucanas als £ukra (Planet Venus, Same). . . 552 

2l»2. Paracara lehrt die Vergeltung der Werke, 556 

2l»3. spricht über die Frucht guter und böser Werke, 558 

214. empfiehlt Freigebigkeit und Rechtschaffenheit, 561 

21*5. Schonung des £udra und Befolgung der Kastenpflichten,. . . 563 
2l*i. schildert die Korruption der Sitten und ihre Wiederherstellung 

durch (,'iva, 666 

21*7. warnt vor Egoismus und empfiehlt die Askese, 561) 

21*8. spricht über Mischkasten, besondere und allgemeine Kasten- 
pflichten, 572 

21)1). über Todesarten und Schicksale nach dem Tode, 577 

300. über Nichtanbänglichkeit, Leidenschaftslosigkeit, Entsagung und 

Askese 581 

301. Brahmän als Schwan empfiehlt Sanftmut, Geduld und weitere 

Tugendeu 587 

302. Kraft, Frucht, Methode und Zauberkunst des Yogin . . . . 5'.)2 

303. Inbegriff und Eschatologie der hier Sänkhyam genannten Atman- 

lehre 5l»8 

304. Evolution des Mahän usw. aus dem Urwesen ((Jiva, Vishnu) . 601) 
3<6. Der Purusha wähnt sich in die Prakriti verstrickt und verfällt 

der Wanderung 614 

306. Purusha und Prakriti mit den Mondteilen verglichen . . . . 618 
3u7. Janaka's Vergleich von Purusha und Prakriti als Mann und 

Weib durch Vasishtha widerlegt ..." 620 

Yogapraxis. Der Fünfundzwanzigste und die übrigen Sünkbya- 

prinzipien 624 

301). Das Vergängliche und Unvergängliche; der Fünfundzwanzigste 

im Stande der Erweckung 621) 

1 0. Der Sechsundzwanzigste als der Erweckte; wem mitzuteilen 633 



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XVI Inhaltsverzeichnis. 

AdhjAy» (ed. Calc.) Sei 

311. Schilderung des guten Menschen & 

312. Vierundzwanzig Evolutionsstufen und neun Emanationen im 

Säiikhyam 6- 

313. Tag und Nacht von Brahman, Brahman, Ahankära und Elemen- 

ten, Funktion des Manas 6 

314. Stufenweise Vernichtung der Welt und Eingang in <>mbhu . 6 

315. Organe, Funktionen, Schutzgottheiten. Schilderung der drei 

Guna's 6 

316. Verflechtung der tiuna's. Prakriti und Ksbetrajna 6 

317. Purusha und Prakriti verschieden und doch zusammen wirkend . 6 

318. Qualitäthafter und qualitätloser Yoga 6 

319. Stätten nach dem Tode; Vorzeichen des Todes 6 

320. Yäjnavalkya erhält vom Sonnengott den weifsen Yajurveda und 

beantwortet die Fragen des Vicvävasu über den Ätman der 
Sä&khyalehre 6 

321. Pancacjkha über die Vergänglichkeit des Lebens 6 

322. Streitreden zwischen König Janaka und der Bettelnonne Sulabha * 

323. Vyäsa belehrt den £uka über Vergänglichkeit, Pflichterfüllung 

und Vergeltung ( 

324 = 181 \ 

325. Vyäsa übt Askese, um einen übermenschlichen Sohn zu erhalten ' 

326. Quka's wunderbare Geburt und Erziehung ' 

327. £uka's Wanderung nach Mithilä und Empfang am Hofe des 

Königs Janaka 

328. Janaka belehrt den £uka über die vier Acrama's und die Erlösung 

329. £uka wird Schüler seines Vaters auf dem Himalaja. Episode 

von Skanda's Lanze 

330. Vyäsa und £uka studieren den Veda. Exkurs über die sieben 

Winde 

331. Närada erteilt dem £uka ethische und psychologische Lehren, 

332. spricht buddhistisch über das Leiden und seine Heilung durch 

Erkenntnis, 

333. erörtert Vergänglichkeit, Zufälligkeit und Ungerechtigkeit des 

Daseins, <>uka nimmt Abschied von Närada und Vyäsa . . 

334. £uka's Fing zum Himmel 

335. Vyäsa fliegt dem £uka nach. Entstehung des Echos .... 

336. Närada sucht in Badaii den Nara und Näräyana auf, die dort 

den Atman verehren 

337. Närada geht nach ^vetadvlpa. Uparicara. Das Gesetzbuch der 

Citracfchandin's 

338. Opfer des Uparicara, Besänftigung des Brihaspati durch die Er- 

zählung von den weifsen Männern 

339. Parteiischer Schiedsspruch und Strafe des Uparicara .... 

340. Närada preist den grofsen Purusha mit 199 Namen .... 

341. Näräyana zeigt sich dem Närada und teilt ihm seine vier Vyüha's 

und seine Avatära's mit 



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Inhaltsverzeichnis. 



XVII 



A&hjkj* (ed. Calc.) Seite 

342. Xäräyana belehrt die Götter und Rishi's über die Satzungen 

der Aktivität und Passivität 783 

343. Identität von £iva und Vishnu. Etymologie der Kamen Vishnu' s 794 

344. Entstehung von Agni und Sorna. Beispiele für die Übermacht 

der Brahmanen. Streit und Identifikation Vishnu's mit f;iva's 800 

345. Närada berichtet in Badaii seine Erlebnisse in £vetadvipa . . 818 

346. Hervorgehen der Sänkhyaprinzipien aus Vishnu, Eingang in ihn 

nach dem Tode 824 

347. Opfer auf Vishnu zielend; die Söhne als Lehrer der Väter; 

Vishnu (Vriahdkapi) und die drei Pinda's 827 

348. Vyäsa als Verfasser des Mahabhdratam. Das Rofsopfer. Preis 

des Vishnu 830 

349. Brahmän's Entstehung aus Vishnu, Vedenraub, das Roishaupt 

als Retter 832 

350. Ekäntin's = Sätvata's. Siebenmalige Erneuerung ihrer Lehre. 

Die vier Vyüha'a. Sättvika's, Vyämicra's und Vaikärika's . 841 

351. Vyäsa's Abstammung. Brahmän Weltschöpfer durch Vishnu's 

Buddhi. Särasvata Apäntaratamas als Ordner der Veden . . 849 

352. Brahmän erklärt dem Qiva die Einheit und Vielheit der Purusha's 856 

.'J53. Über den höchsten Purusha 859 

354—367. Ein Brahmane forscht nach der höchsten Pflicht und wird 

von einem Nftga durch die Erzählung von dem Eingange des 
Ährenlesers in die Sonne darüber belehrt, dafs Entsagung 
das Höchste sei 862 



IV. AKüGiTÄ. 

16. Krishna erzählt dem Arjuna, was ein Siddha über den Weg zu 

seiner Vollendung dem Käcjapa mitgeteilt habe 885 

17. Über die Auflösung des Leibes und die Schicksale nach dem Tode 890 

18. Wesen des Jlva. Brahmän schafft das Pradhänam 894 

19. Weg zur Erlösung und Theorie des Yoga 898 

20. Gespräche eines Brahmanen mit seiner Frau über den Körper. 

die Präna's und das Vai^vänarafeuer 904 

21. Die zehn Organe und ihre Objekte als Hotar* und Huris . . 907 

22. Die sieben Hotars. Verhältnis des Manas zu den Indriya's 911 

23. Machtsphäre der fünf Präna's (Hotar's) 914 

24. Entstehung und wechselseitiges Verhältnis der Präna's . . . 917 

25. Karanam, karma, kartar, moksha als Hotar's 919 

26. Xäräyana (der Ätman) als Herr im Herzen weilend .... 921 

27. Sansära und Brahmän als Wildnis und Wald 923 

28. Gespräch eines Adbvaryu mit einem Yati (Iber die Ahiimi . . 926 

29. Kärtavlrya und Räma. Vernichtung der Kshatriya's .... 929 

30. Bekämpfung der Sinne als der stärksten Feinde durch Yoga . 932 

31. Sattvam. Rajas und Tamas als Feinde. Ätman und Trishnä . 935 

32. König Janaka als alles und nichts besitzend 937 

I>KVH«sx. Mab*bbAr»t*ra b 



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XVIII Inhaltsverzeichnis. 



Adhyiy* (ad. Calc.) Seit« 

33. Schlufs des Gespräches zwischen dem Brahmanen und seiner Gattin, 040 

34. sie sind Manas und Buddhi des Krishna 941 

35. Ein Lehrer belehrt seine Schüler über die fünfundzwanzig 

Prinzipien 942 

36. Zusammensetzung des Leibes. Tamas. Aväksrota» .... 948 

37. Das Kajas. Arväktrotas 951 

38. Das Sattvam. CrtiheasroUu 953 

39. Verflechtung der Gunas. Die Prakriti 955 

40. Der Mahän, der Ahankära und die Elemente 957 

41. Ahaükära und Prajäpati 959 

42. Die psychischen Organe, Befreiung von ihnen durch Meditation 960 

43. Verschiedenes. Die Organe und der Atman 966 

44. Ursprung und Ende der Wesen im einzelnen 970 

45. Allegorie: Das Leben als Rad 972 

46. Brahmacärin, Vanaprastha und Sannyasin, ihre Pflichten und 

ihr Ziel 975 

47. Entsagung und Erkenntnis; die Welt als Baum, der zu fällen ist 980 

48. Verbindung und Verschiedenheit zwischen Purusha und Sattvani 982 

49. Befragung des Brahmau über den wahren Dharma 984 

50. Ahinsä und Jiiänam. Kshetrajna und Kshetram. Die Organe 

und ihre Eigenschaften 986 

51. Die Sinne als Rosse und verwandte Allegorien. Die Erlangung 

des Brahman als Ziel 991 



Index bemerkenswerter Namen und Begriffe 997 

Zitaten -Index 1009 

Stammtafel 1010 



AUSSPRACHE. 

In indischen Wörtern ist 

c, oh wie tsch, tsehh 
j, jh wie dscli, rischh 

zu sprechen; also: Yddschnavalkya, Tnchhundogya usw. 

<; ist ein mittlerer Laut zwischen s (stets scharf) und sh ( = seh). 



Die Betonung richtet sich, wie im Lateinischen, nach der Quantita 
der vorletzten Silbe; ist dieselbe lang, so hat sie den Akzent, ist si 
kurz, so liegt er auf der drittletzten Silbe (e und o sind stets langk 



Nach der vou uns befolgten Schreibweise sind alle Wörter auf 
Maskulina, alle auf a Feminina, alle auf am Neutra: der Veddnt 
die Mimähsdf das SüAkhyam (sc. d<ir?anainu 



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SAXATSUJATA-PABVAN. 

>Uhibhir*Hm Buch V, Adhyaya 40-45, Vers 1565-1790, C. 

Buch V, Adhyaya 41-4C, B). 



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Adhyaya 40 (B. 41). 

Vers 1565-1576 (B. 1-12). 



Dhritarashtra sprach : 

1. fi565.) Wenn, o Vidura, irgend etwas ist, was durch 
deine Rede noch nicht gesagt wurde, das sage, indem ich 
zuhöre, denn Wunderbares redest du. 

Vidura sprach: 

2. (1566.) O Dhritarashtra, jener alte ewige Jüngling, 
Sanatsujäta, hat gesagt: „Der Tod ist nicht' 4 , o Bhärata. 

3. ri567.) Er, der Beste aller Weisen, wird dir, o grofser 
König, alle Zweifel des Herzens, die geheimen wie die 
offenen, lösen. 

Dhritarashtra sprach : 

4. (1568.) Weifst du das nicht besser, was mir der Ewige 
sagen soll? Sage du es mir doch, o Vidura, wenn deine 
Weisheit nicht schon erschöpft ist. 

Vidura sprach: 

5. ü56ö.) Ich bin aus einem Oudra-Schofs geboren und 
vermag nichts weiter mehr zu sagen; aber von der Weisheit 
jenes Jünglings weifs ich, dafs sie eine ewige ist. 

6. (i57oj Denn wer in einem brahmanischen Mutterschofse 
geweilt hat, der ist, auch wenn er sehr Geheimnisvolles ver- 
kündet, dafür von den Göttern nicht zu tadeln, darum sage 
ich dir dieses. 

Dhritarashtra sprach: 

7. (1571.) Befrage für mich, o Vidura, jenen Alten, Ewigen, 
wie sein Zusammenkommen mit dieser meiner Leiblichkeil 
hier möglich ist. 

l* 



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■ 



4 I. Sanatsujata-parvan. 

Vaicampäyana (der Erzähler) sprach : 

8. (1572.) Da gedachte Vidura jenes Weisen von geprie- 
senem Wandel, und dieser, erkennend, dafs man seiner ge- 
dachte, machte sich sichtbar, o Bhärata. 

9. (isla.) Er aber empfing ihn mit der aus dem Ritual 
bekannten Zeremonie, und nachdem jener sich behaglich 
niedergelassen und ausgeruht hatte, sprach Vidura zu ihm: 

10. (1574.) 0 Heiliger, ein Zweifel besteht in dem Herzen 
des Dhritaräshtra, welchen ich ihm nicht erklären kann, so 
wolle du ihm ihn erklären, 

11. (1575.) damit dieser Fürst der Menschen, seine Er- 
klärung vernommen habend, zu einem über alle Leiden Er- 
habenen werde, dergestalt, dafs ihn weder Gewinn noch Verlust, 
weder Liebes noch nassenswertes , weder Alter noch Tod, 

12. (157G.) weder Furcht noch Unmut, weder Hunger noch 
Durst, weder Übermut noch Überhebung, weder Unlust noch 
Erschlaffung, weder Begierde noch Zorn, weder Schmälerung 
noch Förderung zu überwältigen vermögen. 

So lautet im ßanatsujata-parvan die Bitte des Vidnra 
C Vidura - prdrlhand). 



Aclhyäya 41 (B. 42). 

Vers 1577-1620 (B. 1-46). 

Vaicampäyana (der Erzähler) sprach : 

1. (1577.) Da geschah es, dafs der weise König Dhri- 
taräshtra, nachdem er jenes von Vidura geäufserte Wort 
verehrt, verlangend zum grofsen Atman zu werden, den 
Sanatsujäta in der Einsamkeit nach der höchsten Erkennt- 
nis befragte. 

Dhritaräshtra sprach: 

2. (1578.) 0 Sanatsujäta! Was ich hier als deine Bo 
hauptung höre, dafs der Tod nicht sei — die Götter utk 
die Dämonen wurden ja Brahmanschüler, um den Nicht 
Tod zu erlangen (Chänd. Up. 8,7 fg.) — welches von beidei 
[dies oder das Gegenteil] ist da die Wahrheit? 



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Adhyäya 41 (B. 42). 



Sanatsujäta sprach: 
3. (i57y.) Wonach du durch die Zeremonie [oben, Vers 1073] 
gefragt hast, ob es keinen Tod gebe oder das Gegenteil, 
darüber vernimm, was ich dir sage, o König, damit du keinen 
Zweifel darüber habest. 

4. (1580.) Vernimm, o Fürst, hierüber beide Wahrheiten 
[die empirische und die metaphysische]. Nur aus Ver- 
blendung wird der Tod von den Sängern für wahr ge- 
halten. Ich aber erkläre den Tod für eine Täuschung, 
und für die Nicht -Täuschung erkläre ich das Unsterblich- 
sein. 

5. (lssi.) An dieser Täuschung sind die Dämonen zu- 
grunde gegangen, durch die Nicht-Täuschung gelangt 
man zum Brahmansein. Der Tod ist doch nicht wie ein 
Tiger, der die Menschen verschlingt, und er hat doch 
nicht eine Gestalt, die man wahrnehmen könnte. 

G. ( — .) Hingegen ist, wie einige lehren, Yama ein von 
jenem (Mrityu) verschiedener Todesgott. Nämlich im 
Atman wurzelnd und unsterblich ist der Brahmanwandel, 
während jener Gott in der Väterwelt sein Reich regiert, 
gütig gegen die Guten, nicht gütig gegen die Nicht-Guten. 

7. (1582.) Auf sein Geheifs verbreitet sich über die Men- 
schen der Zorn, die Täuschung und der Tod, der seinem 
Wesen nach Begierde ist. Und durch die Selbstsucht 
auf Abwege geführt, erlangt keiner Vereinigung mit dem 
Atman, 

8. (158.1.) sondern verblendet leben sie unter seiner 
[des Todes] Herrschaft, und von hier abgeschieden ver- 
fallen sie derselben wiederum (Käth. Up. -?,(>). Und ihnen 
nach geraten die Götter [vielleicht die Sinnesorgane] 
in Verwirrung: dann nimmt der Todesgott den Namen 
Tod an. 

9. (1584 ) Indem das Werk ihnen vorschwebt, indem 
sie der Frucht der Werke nachtrachten, schreiten sie 
auf diesem Wege fort und kommen nicht über den Tod 
hinaus, und die Seele, die Hingebung an heilsame Zwecke 
verfehlend, dreht sich im Kreise, d«m Genüssen hin- 
gegeben. 



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I. Sanatsujata-parvan. 



10. (1585.) Dieses ist die grofse Verblendung der 
Sinne: des Menschen Gang bewegt sich fort und fort 
im Dienste trügerischer Zwecke, und die innere Seele 
von diesem Dienste trügerischer Zwecke geschädigt 
und ihrer nur bewufst verehrt die Sinnenwelt, die sie 
umgibt. 

11. (1586.) Die Begierde ist es, welche zuerst die Men- 
schen schlägt, und sie zieht Lust und Zorn als ihr Ge- 
folge schnell hinter sich her, diese aber führen die Toren 
dem Tode in die Arme, während die Einsichtigen durch 
ihre Einsicht den Tod überwinden. 

12. (1587.) Man unterdrücke durch die Meditation die 
aufflatternden [Lüste], in Unbekümmertheit sie nicht be- 
achtend; einen solchen frifst nicht gleichsam der zum 
Tode gewordene Todesgott, ihn der solches wissend die 
Lüste niederschlägt. 

13. (1588.) Der Mensch, welcher den Lüsten nachhängt, 
geht hinter ihnen her zugrunde; wer aber die Lüste aus 
dem Felde schlägt, der schüttelt von sich allen [Sünden-] 
Staub (Chänd. Up. 8,13). 

14. (1589.) Als ein lichtloses Dunkel sehen die Kreaturen 
diese Hölle vor sich; wie verblendet laufen sie ihr entgegen, 
indem sie leichtlich wie in eine Grube hineinstürzen. 

15. n:»9o.) Wenn aber ein Mensch hienieden unverwirr- 
ten Geistes ist, was kann dem wohl der Tod anhaben V 
Für ihn ist er gleichsam ein mit Heu ausgestopfter 
Tiger. Und um nichts anderes sich bekümmernd, o Fürst 
grüble er nicht und stofse aus von sich die Lebenskraft 
[der Lüste]. 

in. (i59i.) Er ist Zorn und Habsucht, ist die mi 
Verblendung behaftete innere Seele, das fürwahr is 
der Tod, was als solches in deinem Leibe wohnt. We 
erkannt hat, dafs auf diese Weise der Tod entsteh* 
wer in dieser Erkenntnis feststeht, der fürchtet sie 1 
hienieden vor dem Tode nicht. Der Tod, in eines sol 
chen Bereich gelangend, wird zunichte, ähnlich wie de 
Mensch zunichte wird, wenn er in den Bereich des Tode 
gelangt. 



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Adhyava 41 (B. 42) 



7 



Dhritarashtra sprach: 

17. (1592.) Sie reden doch von seligen Welten, von 
allerheil igsten, ewigen, welche der Zwiegeborene durch 
Opferwerk erlange, und die Veden predigen, dafs diese 
das höchste Ziel sind. Wer das weifs, wie kann der um- 
hin, das Werk zu betreiben? (lies: na upaiti). 

- 

Sanatsujata sprach: 

18. H593.) Der Nichtwissende ist es, welcher in dieser 
Weise dorthin übergeht, und auch für diesen Fall ver- 
heifsen die Veden Erreichung der Zwecke; aber nur wer 
ohne Streben ist, gelangt zum Höchsten. Als höchster 
Atman geht er seinen Weg, jene Wege meidend. 

Dhritarashtra sprach : 

19. ns-.u.) Wer ist es, der in Verbindung treten könnte 
mit jenem Ungeborenen, Alten, wenn dieser Schritt für 
Schritt das ganze Universum ist. Was ist sein Wirken, 
was ist seine Freude, das sage mir alles, du, der es weifs, 
der Wahrheit nach. 

Sanatsujata sprach : 

20. (1595.) Grofse Versündigung liegt hier in der Ver- 
bindung mit der Mannigfaltigkeit, aber durch Verbindung 
mit dem Anfanglosen wird man ewig. Dabei geht seine 
Erhabenheit in keiner Weise verloren; durch die Ver- 
bindung mit dem Anfanglosen haben ihr Sein die Men- 
schen. 

21. (1596.) Was nun so dieser Heilige, Ewige ist, der 
erschafft durch Verbindung mit dem Wandelbaren das 
Weltall. Denn für so grofs erachtet man seine Schöpfer- 
kraft, und ebenso entstehen [aus ihm] im Zusammenhang 
mit dem Schöpfungsinhalt die Veden. 

Dhritarashtra sprach: 

22. H597.) Derer sind einige, welche in dieser [Schöp- 
fung] die Pflichten nicht erfüllen, und wieder andere 
gibt es, welche hienieden die Pflichten erfüllen. Wird 



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8 



I. Sanatsujäta-parvan. 



nun wohl die Pflicht durch das Böse überwunden, oder 
überwindet vielmehr die Pflicht das Böse? 

Sanatsujata sprach: 

23. (1598.) Beiderlei Vergeltung wird in dieser Welt 
verhängt, solche für die Pflichterfüllung und solche für 
das Gegenteil. 

24. (1599.) Aber wer in jenem [dem Brahman] fest- 
steht, der Weise schlägt durch sein Wissen beiderlei Voll- 
brachtes für immer nieder. Und anderseits wiederum 
erntet die Seele das Verdienst der guten Werke, und 
ebenso erntet sie, wenn es zur Reife gekommen, das 
vollbrachte Böse. 

25. (1600.) Ist es dazu gekommen, dann wird beides 
vermöge des Werkes sicherlich über ihn verhängt; er 
[erntet die Frucht] des Guten und auch des Bösen ver- 
möge seines Werkes. Aber der Weise treibt durch die 
Pflicht das Böse hienieden von sich; denn die Pflicht ist 
das Stärkere, das bildet seine Richtschnur. 

Dhritarashtra sprach: 

26. (looi.) Die Himmelswelten, welche man uns ver- 
heifst für die selbstvollbrachte Pflicht, uns, den Zwie- 
geborenen, Gutes Vollbringenden, die ewigen Welten 
deren Stufenreihe verkünde mir und auch die ihnen ent- 
gegengesetzten, o du Wissender, nicht aber wünsche icl 
vom Werke zu hören. 

Sanatsujata sprach: 

27. (1602.) Jene Brahmanen, welche in Erfüllung ihre 
Pflicht wetteifern, wie Starke in Betätigung ihrer Stärkt 
diese werden von hier abscheidend in der Brahmanwelt glänzei 

28. (1603) Sie, welche in Erfüllung ihrer Pflicht wett 
eifern, ihnen wird dieses ein Mittel zur Erlangung der Ei 
kenntnis, und solche Brahmanen gehen, aus dieser We 
erlöst, in den Himmel, in die himmlische Dreiwelt ein. 

29. (1604.) Von einem solchen erklären die vedakundigc 
Menschen, dafs sein Wandel vollkommen sei; nicht soll 



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Adhy&ya 41 (B. 42). 



9 



irgendeinen Menschen, sei es einen Fremden, sei es einen 
Nahestehenden , sonderlich beachten. % 

30. (1605.) Wo er aber einen besonders ehren will, da 
möge er von ihm, dem Brahmanen, wie man in der Regen- 
zeit Gras abrupft, so sein Essen und Trinken [annehmen]; 
davon lebe er und empfinde keinen Neid. 

31. (igo«) Wenn aber einer ihm, dem Schweigenden, 
[statt eines Almosen] mit Unfreundlichkeit oder Drohung 
entgegenkommt, wer dann sich dabei verhält, als geschähe 
nichts Besonderes , der und kein anderer ist der beste 
Mann. 

32. (igo7.) Wenn aber einer für die Person des schweigend 
Dastehenden kein Mitgefühl empfindet, eines solchen Brah- 
manen Habe soll er nicht geniefsen. Das gilt für die Art, 
wie Gerechte sich ernähren. 

33. (igo8.) Wie ein Hund das eigene Ausgebrochene wieder 
verzehrt fort und fort zu seinem Schaden, so verzehren jene 
[Nicht-Gebenden] das Ausgebrochene, weil sie auf ihre Über- 
legenheit trotzen. 

34. (i«u9.) „Mein Wandel soll immer unbekannt bleiben", 
so soll der Brahmane denken. Wer aber unter seinen Ver- 
wandten wohnen bleibt, den halten die klugen Leute für 
einen Brahmanen. 

35. (leio.) Denn welcher wäre wohl imstande, geradezu 
seinen Atman zu töten, den merkmallosen, unwandelbaren, 
reinen, von aller Zweiheit freien? 

3ti. Denn von diesem ausgehend nimmt das Brahman 
auch in [dem Leibe] eines Kshatriya seinen W ohnsitz und 
blickt aus ihm heraus. 

37. (i6ii.) Wer den anders seienden Atman anders [als 
er ist] auffafst, welches Böse ist von dem nicht getan worden, 
von einem Diebe, der den Atman beraubt. 

38. (lei-j.) Unermüdet, nicht nehmend, besonnen, un- 
gefährdet, gelehrt, und doch als wäre er nicht gelehrt, das 
ist der Brahmane, der brahman wissende Weise. 

39. (1613.) Nicht reich an irdischer Habe, aber reich an 
göttlicher Einsicht, unüberwindlich, unerschütterlich, wer so 
ist, den wisse man als Wohnstätte des Brahman. 



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10 



I. Sanatsujäta-parvan. 



40. (ich.) Aber jeder, der hier auf Erden aller Götter 
als gute Wünsche gewährender sich bewufst ist, der kommt 
einem Brahmanen nicht gleich, sondern in jenem [Götter- 
dienst] müht er sich mit seinem ganzen Selbste ab. 

41. (1615.) Aber der, welchen sie als einen, der sich nicht 
abmüht, erachten, der ist wahrhaft geachtet; er achte sich 
nicht für einen, der geachtet ist, nicht soll nach Achtung er 
mit Mühe trachten. 

42. (1616.) Die Welt bewegt sich ja immerfort ihrer Na- 
tur gemäfs, wie wenn man die Augen schliefst und wieder 
öffnet; aber die Wissenden hienieden achten ihn, und da- 
durch erachte er sich als geachtet. 

43. (1617.) Im Unrechttun gewandt, betört sind in dieser 
Welt dio in der Mayäwelt Bewanderten; mögen sie immer- 
hin den achten, der keine Achtung verdient, und die der 
Achtung W r ürdigen verachten. 

44. (1618.) Denn niemals wohnen beieinander Wcltruhm 
und Einsiedlertum ; dies ist die Welt des Ruhmes, jene die 
des Einsiedlertums, das wissen sie. 

45. (1619.) Das Glück ist hier auf Erden eine Wohnstätte 
der Lust, aber in Wahrheit ist es nur ein Hindernis auf 
dem Wege. Hingegen das brahmische Glück ist schwer 
zu erlangen für solche, welche der Erkenntnis ermangeln, 
o Fürst. 

46. (1620.) Um zu diesem zu gelangen, gibt es, so sagen 
die Guten, vielfältige, aber schwer zu öffnende Pforten; sie 
sind : Wahrhaftigkeit, Gradsinn, Schamhaftigkeit, Bezähmung, 
Reinheit und Wissen; diese verhindern, dafs Verblendung 
entstehe [B. : belehren, so dafs keine Verblendung entsteht]. 

So lautet im SonatBuj&ta-parvan die Rrdc des SanaUojftta 

(So na tsujdta- eäkyam) . 



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Adhyaya 42 (B. 43). 



11 



Adhyöya 4^ (B. 13). 

Vers 1621-1683 (B. 1-63». 

Dhritarasbtra sprach: 

1. Mfi-ii .) Wessen ist jenes einsiedlerische (schweigende) 
Verhalten, um welche Art des Schweigens handelt es sich 
dabei? Sage du mir, der du es weifst, das Wesen des 
einsiedlerischen Schweigens. Ferner sage mir, ob der 
Weise durch Schweigen zum [Einsiedler-] Schweigen ge- 
langt, und wie, o Einsiedler, man dieses Schweigen hie- 
nieden betreibt. 

Sanatsujata sprach: 

2. (1622.) Sofern die Veden mitsamt dem Verstände 
keinen Eingang bei ihm finden, insofern entsteht sein 
Schweigen. Nämlich, wenn das Wort des Veda ertönt, 
dann, o Fürst, ist er es eben, welcher erglänzt, weil jenes 
[Vedawort] sein Wesen ausmacht. 

Dhritarasbtra sprach: 

3. (iG-23.) Wenn einer, der den Rigveda, den Yajurveda und 
den Säraaveda weifs, Böses tut, wird er dann von dem Dösen 
befleckt, oder wird er nicht befleckt? 

Sanataujäta sprach: 

4. (16-J4.) Nicht die Säman-Lieder, noch auch die Rigveda- 
Wrse, auch nicht die Yajus-Sprüche vermögen einen Toren 
vor bösem Werke zu behüten. Nicht sage ich dir die Un- 
wahrheit. 

5. (1625.) Die heiligen Lieder retten ihn nicht vor dem 
Unheil, den Verblendeten, in Verblendung Lebenden. Wie 
die Vögel das Nest verlassen, wenn ihnen die Flügel ge- 
wachsen sind, so verlassen ihn die heiligen Lieder, wenn 
sein Ende gekommen ist. 

Dhritarasbtra sprach: 
f>. fir,26.) Wenn die Veden ohne Pflichterfüllung nicht im- 
stande sind, ihn zu retten, o Weiser, warum dann dieses 
endlose Gerede der Brahmanen? 



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12 



I. Sanatsujata-parvan. 



Sanatsujata sprach : 

7. (1C27.) Vermöge der in ihm [dem Veda] enthaltenen 
mannigfachen Formen, wie Namen usw., erglänzt diese 
ganze Welt, o Grofsmächtiger; die Veden zeigen sie auf 
und erklären sie vollständig, sie legen diese ganze Mannig- 
faltigkeit dar. 

8. (1628 ) Zu diesem Zwecke wird [vom Veda] das 
Tapas, zu diesem Zwecke das Opfer gelehrt, weil durch 
diese beiden der Wissende einen Schatz guter Werke 
erlangt, und weil er durch diesen Schatz das Böse nieder- 
schlägt und sodann zu einem solchen wird, dessen Atman 
durch das Wissen erleuchtet ist. 

9. (1629.) Denn durch das Wissen erlangt der Wissende 
den Atman. Hingegen im andern Falle, wenn er nach 
himmlischem (lies: svarga^odev varga „gemeinem 44 C.) Lohne 
verlangt, dann rafft er alles zusammen, was er im Dies- 
seits getan hat, geniefst dafür im Jenseits und kommt 
sodann auf seinem Wege wieder zurück. 

10. (1030.) Das Tapas wird in dieser Welt geübt, seiiu 
Frucht wird in jener genossen; den Brahmanen, wenn sie k 
dem sich aufzuerlegenden (dhätvc = dhätavya Nil.) Tapas fesi 
stehen, werden die jenseitigen Welten zuteil. 

Dhritarasbtra sprach: 

11. (iu.il.) Wio kommt es, dafs das Tapas, wenn es docl 
rein ist, gedeihlich und wiederum nicht gedeihlich werde) 
kann? 0 Sanatsujata, das erkläre, damit auch wir dasselb 
wissen. 

Sanatsujata sprach: 

12. (if.32.) Sündloses Tapas, das ist es, was man reine 
Tapas nennt, und dieses reine Tapas ist gedeihlich und g< 
diehen. 

13. (1033.) Alles das, wonach du mich fragst, o Fürs 
hat das Tapas zur Wurzel; durch Tapas haben die Veds 
wissenden sogar die höchste Unsterblichkeit erreicht. 

Dhritarasbtra sprach : 

14. (1634.) Erkläre mir, was für Sünde dem Tapas ai 
haften kann, denn es gibt, wie ich höre, ein sündloses [mi 



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Adhy&ya 42 (B. 43). 



13 



hin auch ein sündhaftes] Tapas, damit ich, o Sanatsujäta, 
dieses ewige Geheimnis erfahre. 

Sanatsuj&ta sprach: 

15. (1635.) Dasjenige [ist das sündhafte], welchem die 
zwölf Mängel und ehenso, o König, die dreizehn Nieder- 
trächtigkeiten anhaften. Hingegen jene anderen [sünd- 
losen] Qualitäten sind die zwölf, Pflicht usw., welche 
aus der Lehre der Väter von den Brahmanen erkannt 
werden. 

16. (1636.) Zorn, Lüsternheit, Habgier und Verblendung, 
Unstetheit, Hartherzigkeit, Mifsgunst, Dünkel, Verdrossen- 
heit, Begierde, Neid und Heimtücke, das sind die zwölf 
menschlichen Fehler, welche von den Menschen allezeit 
zu vermeiden sind. 

17. (1637.) Jeder einzelne von ihnen umlauert die Men- 
schen, o Männerstier, nach einer Blöfse spähend, wie der 
Jäger das Wild [beschleicht]. 

18. (1638.) Der Prahlerische, der Begehrliche, der Hoch- 
mütige, der Nachtragende, der Wankelmütige und der 
Schutzversagende — denen haften die sechs bösen Eigen- 
schaften an, welche die bösen Menschen betätigen, ohne 
vor der Gefahr [der sie sich aussetzen] zu zittern. 

19. (1639.) Nur* an sein Vergnügen zu denken, aus Hoch- 
mut unwillig zu sein, seine Freigebigkeit zu bereuen, zu 
geizen, allzu schwächlich zu sein, die Schar [der Sinnen- 
freuden] zu rühmen, die Gattinnen zu hassen, das sind 
die sieben schlimmsten Klassen von Menschenfeinden. 

20. (i64o.) Pflichterfüllung, Wahrhaftigkeit, Bezähmung, 
Tapas, Selbstlosigkeit, Schamhaftigkeit, Geduld, Neid- 
losigkeit, Opfern, Almosengeben, Festigkeit und Sehrift- 
studium, das sind die zwölf Gelübde der Brahmanen. 

21. (i64i.) Wer sich durch diese zwölf hervortut, der 
wird diese ganze Erde beherrschen; wer aber mit dreien, 
zweien oder nur einer von ihnen begabt ist, dem wird 
Eigentum zuteil, so soll man wissen. 

22. (1642.) Bezähmung, Entsagung und Besonnenheit, in 
diesen liegt Unsterblichkeit beschlossen; sie werden als Ein- 



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14 I. Sanatsujäta-parvan. 

gangspforten zur Wahrheit bezeichnet von Brahmanen, welche 
weise sind. 

23. (1643.) Die Bezähmung nun befafst achtzehn Tugen- 
den. [Wem nicht anhaften]: Widerspenstigkeit im Tun und 
Lassen, Unwahrheit, Mifsgunst, Lust und Ausgehen auf Nutzen, 
Begehrlichkeit, 

24. (1644.) Zorn, Verdrossenheit und Durst ftrishnuj, Be- 
gierde, Ohrenbläserei, Selbstsucht, Grausamkeit, Selbstanklage, 
Verstimmtheit, 

25. (1645.) Vergefslichkeit , hochfahrendes Wesen und 
Selbstvergötterung; — wer von diesen Fehlern befreit ist, 
der wird von den Guten ein Bezähmter genannt. 

26. (1646.) Unbesonnenheit hat achtzehn Fehler, Entsagung 
ist von sechsfacher Art. Erstere [achtzehn] werden als Gegen- 
sätze, nämlich als Fehler der Unbesonnenheit genannt. 

27. (1647.) Höher aber steht die Entsagung. Sie ist von 
sechs Arten ; von ihnen ist die dritte schwer zu vollbringen : 
mit ihr aber befreit man sich vom Leid; wer sie vollbringt 
der gewinnt sich einen Freund [B. gewinnt, was ihm ver- 
feindet war]. 

28. (1648.) Höher aber steht die Entsagung; sie ist voi 
sechs Arten : dafs man über erlangtes Glück sich nicht freu 
[ist die erste]; dafs man Opfer und gute Werke vollbringt 
ist die zweite, weil diese zu der vollständigen Begierdelosig 
keit gehören. 

29. (1640.) Aber die Entsagung in bezug auf die Lusi 
o Fürst der Könige, das ist die dritte Art, so wird gelehr 
Von ihr sagt man auch, dafs sie unaussprechlich sei; da 
ist die dritte Eigenschaft, so wird gelehrt. 

30. (1650.) Dasjenige, was einem zuteil wird durch Eni 
sagung in bezug auf Güter und durch Nicht -Anhänglichke 
an sie aus Lust, [der Nachsatz fehlt in C] das wird einei 
nicht auch zuteil durch Güter und auch nicht durch Ai 
hänglichkeit an sie. 

31. U nd wenn auch die Werke nicht vollbracht werde 
so ist das nicht schlimm, und man betrübe sich nicht da 
über. (1651.) Übrigens kann auch mit allen Tugenden ve 
bunden sein, wer reich an Gütern ist. 



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Adbyäya 42 (B. 43). 



15 



32. Wenn aber Unerfreuliches ihn trifft, so wird er nie 
dadurch erschüttert werden. (1652.) Söhne und Gattinnen, so 
erwünscht sie sind, möge er niemals fordern. 

33. Dem Würdigen, wenn er etwas fordert, soll er es 
geben, so ist es recht. (1653.) Zu einem Besonnenen wird er 
durch das Folgende; und dieser besitzt acht Eigenschaften: 

34. Wahrhaftigkeit, Meditation, Versenkung, Betriebsam- 
keit und Begierdelosigkeit, (1654.) Ehrlichkeit, Keuschheit und 
Unbestechlichkeit. 

35. Entsprechend sind die Fehler der Unbesonnenheit, 
und diese Fehler soll man meiden. (icö5.) So steht es mit 
der Entsagung und der Besonnenheit, und diese [letztere] 
besitzt die acht Eigenschaften. 

36. Acht Fehler sind der Unbesonnenheit und diese Fehler 
soll man meiden. (ic56.) Wer von den fünf Sinnen und von 
dem Manas, o Bhärata, vom Vergangenen und vom Zukünf- 
tigen Befreiung erlangt hat, dem ist wohl. 

37. (1657.) Sei wahrhaften Selbstes, o Fürst der Könige; 
in der Wahrheit wurzeln die [Himmels-] Welten; sie haben 
die Wahrhaftigkeit als Pforte. In der Wahrhaftigkeit ist die 
Unsterblichkeit beschlossen. 

38. (1658.) Man soll die Sünde austilgen und das Gelübde 
des Tapas befolgen; das ist das vom Schöpfer beobachtete 
Verhalten und das wahrhafte Gelübde der Guten. 

39. (1659.) Wenn man von jenen Sünden sich befreit und 
mit jenen Tugenden angetan ist, das ist das überaus gedeih- 
liche, lautere Tapas. 

40. (1660) Und wonach du mich fragst, o Fürst der 
Könige, darauf sage ich dir zusammenfassend: dieses ist das 
gute Werk, welches das Böse vertilgt, und welches Geburt, 
Tod und Alter abwehrt. 

Dhritarashtra sprach: 

41. (1661.) Wer die vier Veden mit den [ergänzenden] 
Erzählungen als fünftem kennt, der Mensch wird am höchsten 
gepriesen ; ebenso andere, welche die vier Veden kennen, und 
wieder andere, welche drei Veden studiert haben, 

42. (i66i.) und wieder andere, welche zwei Veden, welche 



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I 

I. Sanatsujata-parYan. 

einen Veda und welche gar keine Vedaverse kennen. Wer 
von diesen allen ist derjenige, den ich als den wahrhaften 
Zwiegehorenen betrachten soll? 

Sanatsujata sprach: 

43. (1663.) Wegen der Unkenntnis des einen Zuwissenden 
(mit C. : vedyasya) sind jene vielen Veden verfafst worden, 
jenes einen Wahren, o Fürst der Könige, in welchem nur 
wenige wurzeln. 

44. (1664.) Dies ist der wahre Veda; ihn kennt man nicht 
und lebt in dem Wahne: „ich bin wissend". Almosengeben, 
Vedastudiura und Opfer, das alles entspringt aus der Be- 
gierde. 

45. (1665.) Und derartiges Verlangen entsteht bei solchen, 
welche vom Wahren abgefallen sind. Daraus entspringt die 
Ausbreitung der Opfer, indem man sie für das Wahre hält. 

46. (1666.) Aus Gedanken entspringt es bei dem einen, 
aus Worten bei dem andern oder auch aus Werken. Aus 
Verlangen ist der Mensch gemacht, auf Verlangen gründet 
er sich. 

47. (1M7.) Weil er nicht fest an jenem Einen hält, darum 
betreibt er das Weihegelübde; es ist blofses Wort, aus der 
Naturanlage entsprungen. Aber für die Guten ist jenes W r ahre 
das Höchste. 

48. (1668.) Das Wissen ist etwas Immanentes, als ein 
Transfcendentes entsteht das Tapas. Aber einen Zwie- 
gehorenen, der viel studiert, wisse als einen, der viele Worte 
macht. 

49. (ir.69.) Darum, o Fürst, mögest du nicht einen weger 
seines vielen Geredes für einen Zwiegehorenen ansehen, unt 
nur, wer von dem Wahren nicht abweicht, den sollst du an- 
erkennen als einen Brahmanen. 

50. (lern.) Die heiligen Lieder nämlich, sie hat jene 
Atharvan umgeben von der Schar der grofsen Weisen vor 
mals gesungen; sie, welche jene heiligen Lieder kenner 
wie auch welche den Veda nicht studiert haben, sie all 
wissen nicht die Wesenheit des durch den Veda (hier 
die Upanishad's, Nil.) Zuwissenden. 



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Adhy&ya 42 (R 4.1). 



17 



51. (1671.) Denn die heiligen Lieder, o Trefflichster 
der Menschen, entstehen hier durch die Anklammerung 
an die eigenen Wünsche. Die Kenner der heiligen 
Hymnen und sie, welche jene [Veden] nicht studiert 
haben, alle diese Edlen gelangen nicht zu dem, was 
man aus dem Veda nicht lernen kann. 

52. (167*2.) Mancher ist nicht ein Kenner der Veden, 
und mancher wiederum, o Fürst, kennt sie. Wer die 
Veden kennt, der kennt darum noch nicht das Zu- 
wissende, aber wer in der Wahrheit feststeht, der er- 
kennt das Zuwissende. 

53. (1673.) Mancher ist nicht ein Kenner der Veden ; 
durch das, was durch Wissen zu erreichen ist, wissen 
[andere] den Veda, aber nicht das Unwifsbare. Wer den 
Veda weifs, der weifs nur das Wifsbare; wer das Wifs- 
bare weifs, der weifs darum noch nicht die Wahrheit. 

54. (1674.) Wer die Veden weifs, der weifs zwar das 
Wifsbare, nicht aber wissen ihn [den Ätman] die Veda- 
kenner, noch auch die Veden. Immerhin wissen durch 
den Veda das Wissen solche Brahmanen, welche veda- 
kundig sind. 

55. (1C75.) Denn was die Zweige eines Baumes [für 
das Aufsuchen am Himmel] eines kleinen Teiles der Mond- 
sichel sind, das sind, wie man uns lehrt, die Veden für 
die Erkenntnis des höchsten Atman als das wahre Ziel. 
50. (IC7G.) Ich erkenne an als Brahmanen einen kundigen 

Erklärer; er, der die Bedenken abgestreift hat, er hellt alle 
Zweifel auf. 

57. (1677.) Nicht möge das Suchen nach ihm nach Osten 
und nicht nach Süden gehen, nicht herwärts zu, noch weniger 
in die Quere; nicht soll man versuchen ihn irgendwie [auf 
dem Wege der Erkenntnis] aufzuzeigen, 

5H. (1678.) oder irgendwie Nachforschungen über ihn an- 
zustellen bei den ihm entgegengesetzten [vielheitlichen Dingen], 
indem man somit darauf verzichtet, ihn im Veda zu suchen, — 
das Tapas schaut ihn als den Herrn. 

59. (1679.) Schweigend soll man in Verehrung sitzen, ohne 
sich auch nur im Geiste zu bewegen; so wende dich hin 

Pef*««». M*h4bhAr»lam. 2 



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i 



18 I. Sanatsujata-parvan. 

zu jenem Brahman, welches im innern Selbste vernehm- 
bar ist. 

60. (1680.) Nicht durch Schweigen wird man zum Muni, 
nicht zum Muni durch Wohnen im Walde, sondern wer die 
Wesenheit des Selbstes kennt, der wird der beste Muni 
genannt. 

Gl. (icsi.) Durch Analysis aller Dinge wird man ein 
Analytiker genannt; weil er diese Analysis von Grund aus 
analysierend übt, darum heifst er so. 

62. (1682.) Ein Mann, der das Wahrnehmbare sieht in 
diesen Welten, ist ein Allsehender, aber der Brahmane, der in 
der Wahrheit fest steht und sie erkennt, ist ein Allwissender. 

63. (1683.) Und auch wer in der Pflicht usw. beharrt, kann 
auf diese Weise das Brahman schauen, wie auch der, der die 
Veden der Reihe nach treibt. Dieses sage ich dir mit Uber- 
zeugung. 

So lautet im SauaieujAta-parvan die Hede de« Sanataujita 

(Sanatsujdta'rAkyatHj. 



Aclhyftya 43 (B. 44). 

Vers 1684-1714 (B. 1-31). 

Dhritaräshtra sprach : 

1. (1684.) 0 Sanatsujata, jene höchste Lehre vom 
Brahman, die allumfassende, von der du sprichst, jene 
höchste, freilich schwer zu fassende Mitteilung, jene 
Rede verkünde mir, o Fürstensohn. 

Sanatsujata sprach: 

2. (1685.) Nicht von einem Eiligen ist jenes Brahmar 
zu erfassen, nach welchem mich fragend du dich so über- 
aus aufgeregt zeigst. Nur dann, wenn das Manas ii 
der Buddhi absorbiert ist, läfst sich diese im Denkei 
zu erfassende Wissenschaft durch Brahmanwandel er 
langen. 

Dhritaräshtra sprach : 

3. 0686.) Jene unendliche, ewige Wissenschaft , vo 
der du sagst, dafs sie nur durch Brahmanwandel zu ver 



♦ 



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Adhyaya 43 (B. 44). 



19 



wirklichen sei, und welche unergreifbar ist, solange 
hienieden die Zeit des Wirkens andauert, wie läfst sie 
sich, wie läfst sich Brahmanheiligkeit, Unsterblichkeit 
erlangen ? 

Sanatsujäta sprach: 
4. (lbsr.) Ich will dir die geheime Wissenschaft der 
Altvordern verkünden, welche durch Einsicht und Brah- 
manwandel von ihnen verwirklicht wurde, welche erlangt 
habend man diese sterbliche AVeit aufgibt, und welche 
fürwahr nur solchen eigen ist, die bei einem Lehrer er- 
zogen wurden. 

Dhritarashtra sprach : 
f>. Hess.) Wenn diese Wissenschaft durch Brahman- 
wandel ohne Schwierigkeit erlangt werden kann, von wel- 
cher Art ist dieser Brahmanwandel ? Das, o Brahmane, 
sage mir. 

Sanatsujäta sprach: 

6. (1C89.) Die, welche hienieden in den Mutterleib 
eines Lehrers eingehend und zu seiner Leibesfrucht wer- 
dend den Brahmanwandel wandeln, die werden hier auf 
Erden Urheber der Lehrbücher, und nachdem sie den 
Leib verlassen haben, gehen sie in die höchste Gemein- 
schaft ein. 

7. ncflo.) In dieser Welt fürwahr überwinden sie die 
Lüste, indem sie dem Feststehen in Brahman mit Aus- 
dauer nachstreben; diese reifsen schon hienieden den 
Atman aus dem Leibe heraus, wie den Halm aus dem 
Schilfe (Käth. Up. 0,17), und stehen fest in der Wahrheit. 
8. (iG9i.) Den Leib erzeugen diese zwei, der Vater und 

die Mutter, o Bharata, aber die Geburt, welche sie erklären 
als aus dem Lehrer geschehend, die ist heilig, die ist nicht 
alternd und unsterblich. 

nt?92.) Ihn, der die Ohren (lies: kaniäti) anfüllt mit 
Wahrheit, das Rechte vollbringt, Unsterblichkeit gewährt, 
den soll man für seinen Vater und seine Mutter halten, den 
soll man nicht kränken, indem man bedenkt, was er an einem 
getan hat. 

2* 



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20 



I. Sanatsujata-parvan. 



10. (1693.) Dem Lehrer soll der Schüler allezeit grüfsend 
nahen und um Vedalehre bitten, rein und wohlbedächtig; 
er soll keinen Hochmut zeigen, nicht in Zorn geraten; 
das ist das erste Viertel des Brahmanwandels. 

11. (1694.) Wer in Lauterkeit durch die stufenweise Er- 
füllung der Schülerpflichten die Wissenschaft erlangt, für den 
ist dieses das erste Viertel seines Brahmanwandelgelübdes. 

12. (1695.) Dem Lehrer soll er Freude machen mit seinem 
Gut und Blut, in Werken, Gedanken und Worten, dies wird 
das zweite Viertel genannt. 

13. (1696.) Wie sein Wandel gegenüber dem Lehrer ist 
so soll er sich auch gegen die Gattin des Lehrers benehmen 
und wenn er dasselbe Verhalten auch bei dem Sohne de* 
Lehrers beobachtet, dann ist das das zweite Viertel. 

14. (1697.) Wenn er begreift, dafs sein Selbst durcl 
den Lehrer geschaffen wurde, und wenn er die Bedeutung 
der Worte verstehend: „Von ihm bin ich geschafft» 
worden", von dankbarer Gesinnung gegen ihn erfüllt isi 
das fürwahr ist das dritte Viertel des Brahmanwandel 

15. (1698.) Hat er die Erkenntnis erlangt, so soll < 
seine Abreise nicht vornehmen, ohne es dem Lehrer ve: 
gölten zu haben; und nicht soll er etwa denken: „Ic 
tue so vieles an ihm", noch auch sich dessen rühme 
das fürwahr ist das vierte Viertel des Brahmanwandel 

16. (1699.) Durch die Zeit erlangt er jenes erste Viert 
und zugleich den [Veda-] Inhalt; das zweite Viertel s 
dann durch Anhänglichkeit an den Lehrer; wenn er 
der Anstrengung beständig ist, fällt ihm ein weiter 
Viertel zu; und ein letztes Viertel erreicht er aus d 
Kenntnis des Schriftkanons. 

17. (i7oo.) Wenn einer die zwölf [Gebote], Pflicl 
erfüllung usw. zu seinem Wesen gemacht hat, wenn 
auch die übrigen Teile der Lehre und [durch sie] Kr 
gewonnen hat, dann sagt man von ihm, sein JSrahnu 
wandel ist durch Verbindung mit dem Lehrer und dui 
Verbindung mit dem Inhalte des Brahman (des Veda) 
erfolgreicher. 



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Adhyäya 43 (B. 44 1. 



21 



18. (Kol.) Was er, in dieser Weise gefördert, empfangen 
hat, dafür soll er dem Lehrer einen Entgelt bieten; auf 
diese Weise schlägt er den tugend reichen Wandel der 
Guten ein, und dasselbe Verhalten erstreckt sich auch 
auf den Sohn des Lehrers. 

19. (1702.) Wenn er hierin beharrt, so gedeiht er nach 
allen Seiten hin, er erlangt viele Söhne und eine [ange- 
sehene] Stellung; die Himmelsgegenden und Zwischen- 
himmelsgegenden spenden ihm Regen, und die Leute 
nehmen als Brahmanschüler bei ihm Wohnung. 

20. (1703.) Durch einen solchen Brahmanwandel haben 
die Götter ihr Gottsein, haben die weisen Rishi's, die glück- 
lichen, die Brahmanwelt erlangt. 

21. (1704.) Durch ihn wurde den Gandharven und Apsarasen 
ihre Schönheit zuteil, durch diesen Brahmanwandel wird auch 
dem Tage die Sonne geboren. 

22. (1705.) Gleichwie diejenigen, welche, nach einem be- 
stimmten Elixier trachtend, durch Erlangen des ersehnten 
Gegenstandes [befriedigt werden], so sind jene durch die Er- 
kenntnis zu einer so hohen Stellung als solche [die sie sind] 
gelangt. 

23. (i70ö.) Wer dazu seine Zuflucht nimmt und sich 
läutert, o Fürst, wer seinen ganzen Leib mit Tapas durch- 
glüht, der gelangt dadurch als Wissender zur Kindlich- 
keit (Brih. Up. 3,5), und er überwindet den Tod, wenn 
das Ende kommt. 

24. (1707.) Ein Ende habend sind die Welten, o Fürst, 
welche jene anderen Menschen durch reine Werke ge- 
winnen ; aber wer das Brahman weifs, der erlangt durch 
dasselbe das All, nicht gibt es einen andern Weg zum 
Gehen. (Vaj. Samh. 31,18.) 

Dhritaräshtra sprach: 

2f>. (1708.) Erscheint es als weifs oder rot oder als 
schwarz oder dunkelfarbig oder braun V Der rechte Brah- 
mane, der hier als ein Wissender es schaut, in welcher 
Gestalt schaut er jenes Unsterbliche, jene unvergängliche 
Stätte? 



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22 



I. Sanatsujäta-parvan. 



Sanatsujäta sprach : 
20. (1709.) Es erscheint als weifs oder rot oder ah 
schwarz oder eisenfarbig oder sonnenfarbig; es weilt 
nicht in der Erde, nicht im Luftraum, nicht trägt es 
im Ozean [als Gewand] das Wasser. 

27. (i7to.) Es erscheint nicht in den Sternen, hat seinen 
Sitz nicht in dem Blitze, nicht in den Wolken ist seine 
Gestalt zu sehen, nicht in dem Winde, nicht in den Gott- 
heiten, nicht in dem Monde ist es zu sehen, noch auch 
in der Sonne, 

28. (i7ii.) nicht in den Versen ist es, nicht in der 
Opfersprüchen, nicht in den Atharvan-Liedern ; nicht is 
es zu sehen in den lauteren Säman-Liedern, im Rathan 
taram oder im Bärhadratham [wohl gleich Brihad], o König 
auch nicht einmal im Mahävratam [doppelsinnig, auch 
grofses Gelübde] schaut man jenes Unwandelbare. 

29. (1712.) Unüberwindlich ist es, hinausgelangt übe 
die Finsternis (Väj. Samh. 31,18), und auch der Tod zei 
geht in ihm, wenn das Ende kommt. Es ist kleiner a 
Gestalt [als das Kleinste], ist vergleichbar der Schneid 
eines Schermessers; und doch grofs an Gestalt, [noc 
gröfser] als die Berge. 

30. (ni3.) Das ist die Grundlage, dies das Unsterblich 
die Welten, dies ist das Brahman, dies die Herrlichkeit, der 
aus ihm sind die Wesen entstanden und gehen wieder unt 
in dasselbe. 

31. (17H.) Das ist das Krankheitlose, Grofse, Au 
gespannte, Herrliche; nur auf Worten [beruhe] seine Vi 
Wandlung, so erklären die Weisen (Chänd. Up. 6,1,: 
Dieses, worin diese ganze Welt gegründet ist, — t 
das erkennen, werden unsterblich. 

So lautet im Sanatsujata-parran die Kode des Sanatsujata 

(Sa natiujättt-räkya in) . 



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Adliy&ya 44 (B. 45). 



23 



AdhyAya 44 (B. 45). 

Vers 1715-173G (B. 1-21). 

% 

Sanatsujata sprach : 

1. (1715.) Kummer und Zorn, Begierde und Lust, Hoch- 
mut und Schlaffheit, Neid, Verblendung, Unbeständigkeit, 
Weichmütigkeit, Verdrossenheit, Feigheit, 

2. (1710.) das sind die zwölf grofsen Sünden, welche das 
Leben der Menschen verderben; (i7i7/L sie sind es, o Fürst 
der Könige, welche die Menschen, den einen wie den andern, 
umlauern, und von welchen besessen der Mensch mit be- 
törtem Bewufstsein sich für das Böse entscheidet. 

3. (1718 ) Der Begehrliche, der Gewalttätige, der Rauhe, 
der Geschwätzige, der Zornmütige und der Prahlerische, 
das sind die sechs Menschen, welche von menschenfeind- 
licher Gesinnung sind; auch wo sie eine Veranlassung 
hätten, erweisen sie doch nicht die gebührende Ehre. 

4. (1719). Der Genufssüchtige, der Unbillige, der Hoch- 
mütige, der mit seiner Freigebigkeit Prahlende, der Gei- 
zige und Schwache, der viel sich Rühmende, der sein 
Weib Hassende, diese sieben [acht?] heifsen die übel- 
gesinnten Menschenfeinde. 

5. n7-.'o.) Pflichterfüllung, Wahrhaftigkeit, Tapas, Be- 
zähmung, Selbstlosigkeit, Schamhaftigkeit , Geduld und 
Neidlosigkeit, Almosengeben, Schriftstudium, Festigkeit 
und Geduld, das sind die zwölf grofsen Gelübde des Brah- 
manen. 

ß. (nsi.) Wer von diesen zwölfen nicht abfällt, der 
wird diese ganze Erde beherrschen ; wer aber mit dreien, 
zweien oder nur einem von ihnen begabt ist, dem wird 
kein Eigentum zuteil , so soll man wissen [oben, 
Vers 1641, das gerade Gegenteil]. 

7. ü7l"j.) Bezähmung, Entsagung, Besonnenheit, in diesen 
besteht Unsterblichkeit; sie sind eigen denen, welche Brah- 
man als Höchstes schätzen, den Brahmanen, welche weise 
sind (vgl. Vers 1642). 



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24 



I. SanaUujäta-parvan. 



8. (i<23.) Die Beleidigung, wahr oder nicht wahr, eines 
Brahmanen ist nicht zu billigen; in die Hölle gehören sie, 
die Menschen, die so etwas tun. 

9. (1724.) Unbesonnenheit hat achtzehn Fehler, wie schon 
vorher erwähnt wurde (Vers 1646), nämlich: Menschenhafs, 
Widerspenstigkeit, Verdrossenheit, unwahre Rede, 

10. (1726.) Lust und Zorn, Unselbständigkeit, Verleumdung, 
Angeberei, Vernachlässigung des Besitzes, Streitsucht, Selbst- 
sucht, Tierquälerei, 

11. (1726.) Neid, Ausgelassenheit, hochfahrendes Wesen, 
Verlust der Besonnenheit und Verdriefslichkeit , — darum soll 
der Weise Unbesonnenheit meiden, denn sie ist immer 
tadelnswert. 

12. (1727.) Was aber die Freundschaft betrifft, so soll 
man wissen, dafs sie aus sechs Tugenden besteht: dafs 
man am Wohlsein des Freundes sich freut, dafs man 
sich bekümmert, wenn es ihm übel geht, dafs man dem 
Bittenden auch das gibt, was einem selbst sehr wert 
[B. : schon lange eigen] ist, dafs man sogar wohl auch das 
nicht zu Fordernde gibt, (1728.) denn auch geliebte Söhne, 
Schätze, ja sogar die eigene Gattin soll man, darum ge- 
beten, hingeben, wenn man reinen Sinnes ist, 

13. dafs man nach Hingabe seines Besitzes nicht etwa 
aus Verlangen danach [beim Freunde] wohnen bleibt, und 
dafs man an der Tat selbst seine Freude hat und Dankes- 
wünsche ablehnt. 

14. (1729.) Reich an Gut und reich an Tugenden ist der, 
welcher in dieser W^eise das Seinige hingibt als ein von Güte 
(sattvam) Erfüllter; ein solcher hält die fünf Elemente von 
seinen fünf [entsprechenden Sinnesorganen] fern. 

15. (1730.) Dieses vollbrachte lautere Tapas ist auch danr 
aufwärtsführend, wenn es von solchen, die des Sattvam er- 
mangeln, aus Wunsch [nach Lohn] geübt wird. 

16. (i73i.) Denn die Opfer gedeihen dadurch, dafs mai 
die Wahrheit unterdrückt, mag dies von dem einen in Ge 
danken, von einem andern in Worten oder auch in Werkel 
geschehen. 



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Adhyaya 44 (B. 45). 



25 



17. (i"32.) Aber höher als der in Wünschen sein Endziel 
findende Mensch steht der Wunschlose, besonders wenn es 
sich um einen Brahmanen handelt. Was sonst noch zu sagen 
ist, höre weiter von mir. 

18. (1733.) Man studiere dieses Grofse, Rühmliche, dafs 
alle Umwandlungen nur Worte sind (Chand. Up. 6,1,3), 
wie die Weisen sagen. In [dem Objekte] dieser Hin- 
gebung ist die ganze Welt begründet. Wer solches weifs, 
der wird unsterblich. 

19. (1734.) Nicht durch das Werk, auch nicht durch 
das Wohl getane, o Fürst, kann man die Wahrheit er- 
werben, erspenden oder eropfern. Darum geschieht es, 
dafs der Tor nicht den Nicht-Tod erlangt und nicht den 
Frieden, wenn es zu Ende geht. 

20. (1735.) Schweigend und einsam soll man verehren, 
ohne sich auch nur in Gedanken zu bewegen; man soll bei 
Lob und Tadel Freude und Zorn von sich fernhalten. 

21. (1736.) Dann geht man, noch hienieden weilend, 
o Fürst, schon in das Brahman ein und bekommt es nach 
und nach auch in den Veden zu schauen. Dieses sage ich 
dir als einer, der es weifs. 

So lautet im Sanattuj&ta-parvan die Rede dm Sanatsujata 
(Sanalsti)dta-cdkijamJ. . 



Adhyaya 45 (B. 46). 

Vers 1737-1790 (B. 1-31). 

Sanatsujata sprach: 

1. (1737.) Was jenes Reine ist, das grofse glänzende 
Licht, die grofse Herrlichkeit, das fürwahr verehren die 
Götter, aus dem erstrahlt die Sonne. (1738.) Ihn schauen die 
Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

2. (1739.) Aus jenem Keinen entsteht das Brahman (der 
Veda), durch jenes Reine wächst es empor, jenes Reine in- 
mitten der Lichter, nicht glühend, macht die Sonne erglühen. 
(1740.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 



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26 



I. Sanatsujäta-parvan. 



3. (1741.) Die Wasser [schuf er], und aus den Wassern 
empor inmitten des Gewoges lehnen sich an den Luftraum 
die beiden Götter, und unermüdlich als der Erleuchter des 
Savitar trägt er sie beide, die Erde und den Himmel. 
(1742.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

4. (1743.) Und diese beiden Gottheiten, die Erde und 
den Himmel, trägt der Reine, er trägt die fiimmels- 
gegenden, trägt die Welt; aus ihm sind die Himmels- 
gegenden und aus ihm rinnen die Ströme, aus ihm sind 
die grofsen Ozeane geschaffen worden. (1744.) Ihn schauen 
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

5. (174&.) Er ist es, den die am Rade des rollenden, ewig 
wirkenden Wagens befindlichen Rosse als den Glanzbringenden 
dahinführen , ihn den Himmlischen, Alterlosen, droben am 
Himmel, (mo.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

6. (1747.) Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben, 
nicht sieht ihn irgendwer mit seinem Auge; nur wer ihn 
durch Herz und Sinn und Geist erkennt, — unsterblich 
werden, die ihn also kennen (Käth. Up. 6,9, frei). (1748.) Ihn 
schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

7. (1749.) Indem sie [die Wesen] den von Göttern gehüteten 
zwölfarmigen Strom [das Naturleben im Laufe des Jahres] 
trinken und den in ihm befindlichen Honig erblicken, scharen 
sie sich hier um den ungeheuren [Strom]. (1750.) Ihn schauen 
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

8. (1751.) Jenen Honig, nachdem sie ihn wahrgenommen, 
trinkt die Biene [die Seele] einen halben Monat lang [während 
des diesseitigen Lebens im Gegensatz zum jenseitigen], denn 
der Herr hat ihn unter allen Wesen als ein Opfermahl für 
sie bereitgestellt. (1752.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- 
ligen, Ewigen. 

9. (1753.) Zu dem Feigenbaume mit goldenen Blätterr 
(vgl. Käth. Up. 6,1) treten sie heran ohne Flügel; und nach- 
dem sie bei ihm geflügelt geworden [nachdem sie im Ge- 
niefsen der Lebenserfahrung die erlösende Erkenntnis gewonnei 
haben], fliegen sie nach allen Richtungen davon. (1754.) 
schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 



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Adhy&ya 45 (B. 46). 



27 



10. (1755.) Aus Vollem schöpfen sie Volles, aus Vollem 
bereiten sie sich Volles; sie entnehmen dem Vollen Volles, 
und doch bleibt das Volle übrig. (Brih. Up. 5,1; Sechzig Upa- 
nishad's S. 488.) (1756.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- 
ligen, Ewigen. 

11. (1757.) Aus ihm ist fürwahr der Wind entsprungen, 
und in ihm verbreitet er sich immerfort, aus ihm stammt 
Agni und Sorna, in ihm ist ausgespannt der Lebensodem 
(vgl. Taitt. Up. 2,8). 

12. (1758.) Alles soll man wissen als aus ihm entsprungen, 
aber es selbst, jenes Wesen, können wir nicht in Worten 
fassen. (1759.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

13. (17G0.) Den Einhauch verschlingt der Aushauch, den 
Aushauch verschlingt der Mond, den Mond verschlingt die 
Sonne, die Sonne verschlingt der Höchste. (i7<;i.) Ihn schauen 
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

14. (1762.) Nicht einen Fufs darf herausziehen der Wander- 
vogel, indem er aus der Flut herausgeht [die Füfse sind präna 
und apana, durch welche hansa, hier die höchste Seele, das 
Leben des Universums, salilam, unterhält; vgl. Atharvav. 11,4,21 
und Gesch. d. Ph. I, 1, S. 304]; wenn er diesen allverbreiteten 
[Fufs] nach oben [herauszöge], dann würde nicht Tod sein 
und nicht Unsterblichkeit [nicht Menschen und nicht Götter]. 
<iT63.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

15. (17C4.) Der Purusha, zollhoch, als innere Seele (Kath. 
Up. <),17), durch die Verbindung mit dem Lingam wan- 
dert er immerfort; ihn sehen die Toren nicht, wie es 
sich gehört, den Herrn, den Preiswerten, Uranfänglichen, 
Glanzvollen. (1765.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- 
ligen, Ewigen. 

10. (1766.) Mögen sie nun ohne die Ileilsmittel oder 
mit Heilsmitteln ausgerüstet sein, jenes [Lebensprinzip] 
ist allen Menschen gemeinsam; gemeinsam ist es der 
unsterblichen [Uimmelswelt] und der andern [der Welt 
der Sterblichen]; in ihm erlangen die Erlösten den Brun- 
nen des Honigs (vgl. Rigv. 1,154,5). (i7«7.) Ihn schauen 
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 



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28 



I. Sanatsujata-parvan. 



17. (17G8.) Beide Welten mit seiner Wissenschaft durch- 
dringend geht er [der Wissende] dahin : dann ist [so gut 
wie] dargebracht auch das nicht dargebrachte Agniho- 
tram. Möge dir deine Brahmanschaft nicht mit klein- 
lichem Sinn sich umkleiden. Erkenntnis sei sein Name, 
welchen die Weisen erlangen. (1769.) Ihn schauen die 
Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

18. (1770.) So beschaffen ist jener hochherzige Mensch 
fpurmhaj, welcher das [Opfer-JFeuer verschlingt (vgl. Gesch. 
d. Ph. 1,2, S. 338); fürwahr wer diesen Menschen begreift 
[sein Tun würdigt] , dessen Sache leidet hienieden keinen 
Schaden, (im.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, 
Ewigen. 

19. (1772.) Wenn einer tausendmal tausend Flügel aus- 
breitete und vorwärtsflöge, der würde nur zu der mittelsten 
Mitte [und niemals an sein Ende] gelangen, selbst wenn er 
schnell wäre wie ein Gedanke. (1773.) Ihn schauen die Yogin's, 
den Heiligen, Ewigen. 

20. (1774.) Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben 
(Käth. Up. 6,9) , aber es sehen ihn solche, welche ganz 
gereinigten Wesens sind ; der Gesetzte, Verständige wird 
in seinem Geiste nicht gequält; sie, welche hinausziehen 
[in den Wald], die werden unsterblich. (1776.) Ihn schauen 
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

21. (1776.) Die Menschen durch ihre Schulweisheit, 
durch ihr Treiben verkriechen sich wie Schlangen in 
ihren Klüften; in ihnen verirren sich, wie auf einem 
Wege, die verwirrten Menschen, und geraten in Wirr- 
sal zu ihrem Schrecken. (1777.) Ihn schauen die Yogins, 
den Heiligen, Ewigen. 

22. (1778.) Ich werde nicht für immer in Unehre bleiben ; 
weder Tod noch Nicht -Tod wird mir werden, noch 
auch Unsterblichkeit ; Reales und Unreales werden gleich- 
mäfsig niedergehalten in der [ewigen] Realität; die 
Quelle des Seienden und des Nicht- Seienden ist ein 
und dieselbe. (1779.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- 
ligen, Ewigen. 



1 



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Adhyaya 45 (B. 46). 



29 



23. (1780.) Nicht durch gutes noch auch durch nicht- 
gutes Werk [ist das Reil zu erlangen]; beides, wie es 
unter den Menschen herrscht, wird für gleich angesehen, 
und das gleiche wisse er von der Unsterblichkeit; wer 
so bereitet ist, der mag nach jenem Honig trachten. 
(1781.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. 

24. (1782.) Nicht quälen hochmütige Reden sein Herz, 
nicht quält es seinen Geist, dafs er nicht studiert, nicht 
das Agnihotram dargebracht hat; die Brahmanschaft 
wappne ihn mit leichtem Sinn [anders oben, Vers 1768], 
Erkenntnis [gebe er] ihm als Name, welchen die Weisen 
erlangen. (1783.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, 
Ewigen. 

25. (1784.) Wer in solcher Weise in allen Wesen, wie sie 
an diesen oder jenen Ort gebunden sind, den Ätman schaut, 
worüber sollte der sich weiterhin Kummer machen? 

26. (1785.) Wie mit einem grofsen Wasserbehälter, in 
welchem von allen Seiten das Wasser zusammengeflossen 
ist, so steht es mit allen Veden für den, welcher den Ätman 
kennt (vgl. Rath. Up. 4,14-15). 

27. (1786.) Der Purusha, zollhoch an Länge, der grofse 
Ätman, dieser ist nicht sichtbar, da er in das Herz ein- 
gegangen ist: der Ungeborene, Tag und Nacht Wan- 
dernde, der Unermüdliche, diesen überdenkt der Weise 
und sitzt da in Frieden. 

28. (1787.) Ich bin, wie man lehrt, Mutter und Vater und 
bin auch wiederum der Sohn; und ich bin auch der Atman 
(die Seele) in allem, was nicht ist und was ist. 

29. (1788.) Ich bin der Grofsvater, der ehrwürdige, bin 
der Vater und der Sohn, o Bhärata; ihr lebt in meinem Ätman, 
und doch seid ihr nicht mein und ich nicht euer. 

30. (1789.) Der Ätman ist meine Stätte, der Ätman ist 
meine Wiege, ihm bin ich eingewoben und verwoben 
(Brih. Up. 3,7), mein Standort ist das Alterlose; ich bin 
ungeboren, bin unermüdlich bei Tag und bei Nacht, 
mich überdenkt der Weise und sitzt da in Frieden. 



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30 



I. Sanatsujäta-parvan. 



31. (1790.) Kleiner als das Kleinste weilt er wohlgemut 
in allen Wesen, in dem Wachenden [und Schlafenden] ; ihn, 
den Vater wissen sie in allen Wesen verborgen in der Lotos- 
blume (Chänd. Up. 8,1,1). 

So lautet im SanatBujata-parvan die Rede des SanaUujata 

($anat*i/jdta-rdkya»>). 
Vollendet ist dieser Sanatsujata-Abscuuitt. 



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II. 

BHAGAVADGlTÄ. 

MaL^hhAratam Buch VI, Adhyiya 25-42, Vers 830-1532. C. 

<- Buch VI, Adhy&ya 25-42, B). 



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I (Adhyäya 25). 

Vera 830-878 (B. 1-47). 

Dhritarashtra sprach: 

1. (830.) Als im heiligen Lande, im Kurulande, zusammen- 
trafen, um zu kämpfen die Meinigen und die Pandava's, was 
taten sie da, o Safijaya? 

Sanjaya sprach: 

2. (831.) Als damals Duryodhana das Heer der Pandava's 
in Schlachtordnung aufgestellt sah, da trat er, der König, 
zu seinem Lehrer und sprach das Wort: 

3. (832.) Sieh dort, o Meister, die grofse Schlachtreihe 
der Pändusöhne, wie sie von dem Drupudasohne, deinem 
weisen Schüler, aufgestellt worden ist. 

4. (833.) Da sind Helden zu sehen, grofse Pfeilschützen, 
die es dem Bhima und Arjuna im Kampfe gleichtun, da sind 
Yuyudhäna und Virata und Drupada auf grofsem Streit- 
wagen, 

5. (834.) Dhrishtaketu , Cekitäna und der heldenmütige 
König von Käci, Purujit, Kuntibhoja und ^aivya, der 
Männerstier, 

6. (835.) Yudhämanyu, der tapfere, und Uttamaujas, der 
heldenmütige, der Subhadräsohn und die Draupadisöhne, alle 
auf grofse n Streitwagen. 

7. (836.) Welche aber von den Unsrigen hervorragen, als 
Anführer meines Heeres, diese vernimm, o Bester der Zwie- 
geborenen, ich nenne sie dir, damit du sie kennst: 

8. (837.) Da bist du selbst, da ist Bhishma und Karna 
und Kripa, der Sieger im Kampf, da sind Acvatthäman 

DcrttEX, MabAbhiraUm. 3 



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34 



Ii, Bhagavadgitä. 



und Vikarna und der Sohn des Somadatta mit siegreichem 
Wagen , 

9. (838.) und viele andere Helden, die mir zuliebe ihr 
Lehen wagen, indem sie mit mancherlei Waffen zum Angriff 
schreiten, des Kampfes alle kundig. 

10. (839.) Unzulänglich aber ist diese unsere Streitkraft, 
welche von Bhishma geführt wird, und zulänglich ist die 
Streitmacht jener andern, welche von Bhima geführt wird. 

11. (840.) Darum sollt ihr alle, je nach eurer Ordnung 
aufgestellt, bei allen Waffengängen euch um Bhishma ge- 
schart halten. 

12. (841.) Ihm [dem Duryodhana, der so gesprochen] er- 
füllte der Kuru-Alte, der Grofsvater [Bhishma], das Herz mit 
Freude, indem er, der Bufsereiche, laut wie Löwengebrüll, 
die Muschel blies. 

13. (842.) Nun erdröhnten mächtig die Muscheln, die 
Pauken und die Trommeln, die Tamburins und Trompeten 
und ein gewaltiger Lärm erhob sich. 

14. (843.) Da geschah es, dafs [auch auf Seiten der Gegner] 
Mädhava (Krishna) und der Pändava (Arjuna), auf einem 
grofsen, von weifsen Rossen gezogenen Streitwagen stehend, 
ihre himmlischen Muscheln bliesen. 

15. (844.) Da blies der Struppige (Krishna) die Völker- 
versammelnde [Muschel], der Beutemacher (Arjuna) die Gott- 
gegebene und der fürchterliche Wolfsbauch (Bhima) die wie 
Rohrpfeifen ertönende grofse Muschel; 

16. (845.) der König Yudhishthira, der Sohn der Kunü. 
blies die Allsiegerin, Nakula und Sahadeva bliesen die Laut- 
schallende und die Edelsteinblumige. 

17. (846.) Der König von Käci, der gewaltige Bogen- 
schütze, und Qikhandin auf grofsem Streitwagen, Dhrishta 
dyumna und Viräta und der unüberwindliche Satyakasprof: 
(Yuyudhäna), 

18. (847.) Drupada und die Söhne der Draupadi, o Erde 
herr, und der Sohn der Subhadrä (Abhimanyu) mit grofsei 
Armen, diese bliesen von allen Seiten her, jeder einzelne, ihr 
Muscheln. 

19. (848.) Dieser Lärm zerrifs die Herzen der Anhängt 



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I (Adhyäya 25). 



35 



des Dhritaräshtra, als er erdröhnend Himmel und Erde wider- 
hallen machte. 

20. (849.) Als darauf der mit dem Affen in der Fahne 
(Arjuna) die Anhänger des Dhritaräshtra in Schlachtordnung 
aufgestellt sah, und als schon die Geschosse herüber und 
hinüber flogen, da machte auch er, der Sohn des Pändu 
(Arjuna), seinen Bogen bereit, 

21. (850.) und zu dem Struppigen sprach er, o Erdenherr, 
damals dieses Wort. 

Arjuna sprach: 

(851.) Halte an, o Unerschütterlicher, meinen Streitwagen 
in der Mitte der beiden Heere, 

22. damit ich jene mustere, welche kämpf begierig sich 
aufgestellt haben, (852.) [und sehe] mit wem ich in dieser ent- 
brannten Schlacht zu kämpfen haben werde. 

23. Da sehe ich sie, welche sich dort kampfbereit ver- 
sammelt haben (858.) und dem übel beratenen Dhritaräshtra- 
sohne (Duryodhana) zuliebe mit uns kämpfen wollen. 

Sanjaya sprach: 

24. (854.) Als der Struppige (Krishna) von dem Lockigen 
(Arjuna) in dieser Weise angeredet worden war, o Bhärata, 
da hielt er in der Mitte der beiden Heere den trefflichsten 
Wagen an, 

25. ( 855.) und angesichts des Bhishma, des Drona und aller 
Fürsten sprach er: „0 Sohn der Prithä, siehe da drüben die 
zusammengescharten Kuru's". 

2t>. (856.) Da sah der Prithasohn sich gegenüberstehend 
Väter und Grofsväter, Lehrer, Oheime, Brüder, Söhne, Enkel 
und Genossen, 

27. (857.) Schwiegerväter und Freunde in den beider- 
seitigen Heeren. Als der Sohn der Kunti diese sah, wie sie 
alle als Verwandte sich feindlich gegenüberstanden, 

28. (858.) da wurde er von tiefem Mitleid ergriffen und 
verzagend sprach er dieses Wort. 

Arjuna sprach: 

(859.) Wenn ich, o Krishna, dort meine eigene Verwandt- 
schaft zum Kampfe bereit aufgestellt sehe, 

3* 



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36 



II. Bbagavadgit*. 



29. dann versagen meine Glieder, mein Mund wird trocken. 
(860.) mein ganzer Leib zittert und meine Haare sträuben sich. 

30. Mein Bogen Gändiva gleitet aus meiner Hand, und 
meine Haut brennt, (sei.) nicht kann ich mich aufrecht halten 
und mein Sinn verwirrt sich. 

31. Ich sehe widrige Vorzeichen, o Vollhaariger, (862.) und 
ich sehe kein Heil darin, meine eigenen Verwandten im Kampfe 
zu töten. 

32. Ich verlange nicht nach Sieg, o Krishna, nicht nach 
Herrschaft und Freuden; (863.) was soll uns das Reich, o Kuh- 
gewinner, was sollen uns Genüsse oder auch das Leben! 

33. Diejenigen, um derentwillen Herrschaft, Genüsse und 
Freuden von mir gewünscht werden, (864.) die stehen mir dort 
im Kampfe gegenüber, um ihr Leben und ihr Vermögen zu 
verlieren, 

34. sie, welche uns Lehrer, Väter, Söhne, und Grofs- 
väter, (865.) Oheime, Schwiegerväter, Enkel, Schwäger und 
Verwandte sind. 

35. Diese mag ich nicht töten, sollte ich auch selbst 
getötet werden, o Madhusüdana, (866.) auch nicht um der Herr- 
schaft über die Dreiwelt willen, viel weniger wegen der über 
die Erde. 

36. Wenn wir die Leute des Dhritarashtra töten, welche 
Befriedigung kann uns das gewähren, o Janardana! (867.) Die 
Sünde würde auf uns fallen, wenn wir diese bewaffnet uns 
Entgegenkommenden töteten. 

37. Darum dürfen wir die Leute des Dhritarashtra, die 
unsere eigenen Verwandten sind [mit C], nicht töten; (8G8.) denn 
wie könnten wir wohlgemut sein, o Mädhava, wenn wir unser* 
eigene Verwandtschaft getötet haben. 

38. Und wenn auch jene, deren Geist von Begierde ge 
blendet ist, nicht einsehen, (soo.) welche Schuld wir durcl 
Vernichtung unserer Familie, welche Sünde wir durch Verra 
an unser n Freunden auf uns laden, 

39. wie sollten nicht wir erkennen, dafs wir uns diese 
Sünde enthalten müssen, (870.) wir, die wir die Schuld voraus 
sehen, o Janärdana, welche aus der Vernichtung unsere 
Familie hervorgeht! 



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I (Adhyaya 25). 



37 



40. Werden die Familien vernichtet, so gehen die ewigen 
[Opfer-] Pflichten der Familien zugrunde; (87 1.) geht die Pflicht 
zugrunde, so überwältigt Pflichtlosigkcit die ganze Familie. 

41. Wenn Pflichtlosigkeit sie überwältigt, so werden die 
Weiber der Familie verderbt, o Krishna. (872.) Sind erst die 
Weiber verderbt, o Abkömmling des Vrishni, so entsteht 
Vermengung der Kasten. 

42. Vermengung aber führt zur Hölle die Familienver- 
derber und die Familien selbst. (873.) Dann stürzen ihre Vor- 
fahren, wenn die Darbringungen an sie von Klöfsen und 
Wasser unterbrochen werden. 

43. Durch diese Sünden der Familienverderber und durch 
die Vermengung der Kaste als Folge davon (874.) werden die 
ewigen Pflichten der Geschlechter und der Familien ent- 
wurzelt. 

44. Werden aber die Pflichten der Familien unter den 
Menschen entwurzelt sein, o Janardana, (875.) dann fahren 
diese sicherlich zur Hölle, so ist es uns überliefert worden. 

4f>. 0 wehe! Wir sind im Begriffe eine grofse Sünde zu 
begehen, (876.) die wir aus Begierde nach den Freuden der 
Herrschaft unsere eigenen Verwandten töten wollen. 

40. Fürwahr! Wenn mich, den Waffenlosen, ohne dafs 
ich ihnen etwas antue, mit den Waffen in der Hand (877.) die 
Leute des Dhritarashtra im Kampfe töten würden, das würde 
mir noch erträglicher sein. 

Sanjaya sprach: 

47. (878.) So sprach Arjuna im Schlachtgetümmel, setzte 
sich auf dem Sitze seines Wagens nieder und liefs Pfeil und 
Bogen fallen, im Geiste von Kummer erschüttert. 

So Uatet in der Bhagavadglta die Verzagtheit de« Arjuna 

(Arjuna-ciafidJa?. 



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38 



II. Bhagavadgita. 



II (Adhy&ya 26). 

Vera 879-950 (B. 1-72). 
Sanjaya sprach: 

1. (879.) Als er ihn so von Mitleid durchdrungen, die 
Augen von Tränen erfüllt und getrübt in seiner Verzagtheit 
sah, da sprach zu ihm Madhusüdana dieses Wort. 

Der Heilige sprach: 

2. (880.) Woher kommt dir in gefährlicher Lage diese 
Bestürzung, o Arjuna, die eines Edlen unwürdige, den ITimmel 
verschlief sende , unrühmliche ? 

3. (881.) Verfalle nicht in Schwächlichkeit, o Sohn der 
Prithä, denn sie ziemt dir nicht. Lafs die erbärmliche Her- 
zensschwachheit fahren und erhebe dich, o Bedränger deiner 
Feinde. 

Arjuna sprach: 

4. (882.) Wie kann ich in der Schlacht, o Madhusüdana, 
den Bhishma und den Drona mit meinen Pfeilen bekämpfen, 
da mir beide doch ehrwürdig sind, o Feindetöter. 

5. (883). Wahrlich, es wäre mir besser, die hoch- 
würdigen Lehrer nicht zu töten und hier auf der Welt 
Bettelbrot zu essen, als dafs ich die Lehrer, obgleich 
sie nach unserm Gut trachten, tötete und Freuden ge- 
nösse, die mit Blut besudelt sind. 

6. (884.) Fürwahr, wir wissen nicht, was wir vorziehen 
möchten, dafs wir sie oder dafs sie uns besiegen; denn 
solche, nach deren Tötung wir selbst nicht leben möchten, 
die stehen uns feindlich gegenüber, geschart um Dhrita- 
räshtra. 

7. (885.) Da mein Herz in der Schwäche des Mitleids 
befangen ist, und mein Geist verwirrt ist über das, was 
meine Pflicht ist, so frage ich dich danach, was da; 
Richtige ist; sage es mir mit Bestimmtheit; ich bin deii 
Schüler; belehre mich, der ich dich darum angehe. 

8. (886.) Denn ich sehe nicht, was von mir den sinne 
ausdörrenden Kummer fern zu halten vermöchte, auc' 



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II (Adhyaya 26). 



39 



wenn ich auf Erden ein blühendes Reich ohne Neben- 
buhler, auch wenn ich die Oberherrschaft über die Götter 
erlangen sollte. 

Saiijaya sprach: 

0. (887.) Also sprach zum Struppigen der Lockige, der 
Feindeschreck zum Kuhgewinner: „ich mag nicht kämpfen!" 
und schwieg. 

10. (888.) Da war es, als ob der Lockige lächelte, o Bhä- 
rata, und inmitten der beiden Heere sprach er zu dem Ver- 
zagenden dieses Wort. 

Der Heilige sprach: 

11. (889j Du beklagst solche, welche nicht zu beklagen 
sind, wenn auch deine Reden verständig sein mögen; über 
Tote und über Lebende klagt der Weise nicht. 

12. (8wj Nie war die Zeit, da ich nicht war, da du nicht 
warst und alle diese Fürsten, und nie in Zukunft wird die 
Zeit kommen, da wir allesamt nicht sind. 

13. (891.) Wie für den Träger eines Leibes in diesem 
seinem Leibe Kindheit, Mannheit und Greisenalter ist, so ist 
für ihn auch die Erlangung eines neuen Leibes; das ist dem 
Weisen klar. 

14. (892.) Nur die Verbindungen mit dem Stofflichen, 
o Sohn der Kunti, bewirken Kälte und Hitze, Lust und 
Schmerz ; sie aber kommen und gehen und sind vergänglich ; 
ertrage sie, o Bhärata, mit Geduld. 

15. <893j Der Mann, den diese nicht erschüttern, o Männer- 
stier, der Weise, welcher gleichmütig bleibt bei Lust und 
Leid, der ist reif für die Unsterblichkeit. 

16. <894.) Das Nicht -Seiende kann nicht werden, das 
Seiende kann nicht vergehen, den Unterschied dieser beiden 
[des Nicht-Seienden und des Seienden] erkennen die, welche 
die Wahrheit schauen. 

17. (895j Wisse, dafs das unvergänglich ist, durch welches 
diese ganze Welt ausgebreitet wurde; das Zunichtewerden 
dieses Unvergänglichen kann keiner bewirken. 

18. (896.) Vergänglich sind diese Leiber, ewig der, welcher 



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40 



II. Bhagavadgitä. 



den Leib beseelt; unvergänglich ist er und unermeßlich, 
darum kämpfe, o Bhärata. 

19. (897.) Wer vermeint, dafs jemand töte, wer vermeint, 
dafs jemand getötet werde, die wissen beide nicht die Wahr- 
heit : keiner tötet und keiner wird getötet. (Käth. Up. 2,19.) 

20. (898.) Nicht wird geboren und nicht stirbt einer 
f. jemals, nicht ist er entstanden oder wird zukünftig ent- 
^ stehen ; von ewig her bleibt ewig er der Alte, wird nicht 

getötet, wenn den Leib man tötet. (Käth. Up. 2,18.) 

21. (899.) Wer diesen Unzerstörbaren, Ewigen, Ungebo- 
renen, Unvergänglichen weifs, wie könnte der, o Sohn der 
Pritha, irgendeinen töten lassen, wie könnte der irgendeinen 



22. (900.) Gleichwie ein Mann die alten Kleider ab- 
legt und andere neue anzieht, so legt der Träger des 
Leibes (die Seele) die alten Leiber ab und geht in andere 
neue ein. 

23. (901.) Ihn verwunden nicht Schwerter, ihn brennt 
nicht das Feuer, ihn netzen nicht die Wasser, ihn trocknet 
nicht der Wind. 

24. (902.) Unverwundbar ist er und un verbrennbar, nicht 
benetzbar und nicht zu trocknen, ewig ist er und allgegen- 
wärtig, beständig, unbeweglich und immerwährend. 

25. (903.) Unoffenbar ist er und unausdenkbar, unwandel- 
bar wird er genannt; darum wenn du ihn als solchen kennst, 
darfst du niemandem nachtrauern. 

26. (904.) Aber auch wenn du glaubst, dafs er immer 
wieder geboren werde und immer wieder sterbe, auch dann, 
o Grofsarmiger, darfst du niemandem nachtrauern. 

27. (905.) Dem Geborenen ist der Tod gewifs, dem Ge- 
storbenen die Geburt; darum darfst du über eine unvermeid- 
liche Sache keine Trauer empfinden. 

28. (906.) Das Unoffenbare als Anfang haben die Wesen 
das Offenbare als Mitte und das Unoffenbare als Ende, o Bhä 
rata, was ist da zu bejammern? 

29. (907.) Wie ein Wunder betrachtet ihn manchei 
wie ein Wunder verkündigt ihn ein anderer, wie vo 
einem Wunder hört von ihm ein anderer, und auch wen 



töten! 



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II (Adhyäya 2ti). 



41 



er von ihm gehört hat, versteht ihn doch keiner (vgl. 
Käth. Up. 2,7). 

30. (dos.) Der Träger des Leibes ist ewig unverletzbar in 
dem Leibe eines jeden, o Bhärata; darum sollst du alle Wesen 
nicht betrauern. 

31. (909.) Aber auch wenn du an die dir obliegende Pflicht 
denkst, darfst du nicht schwanken, was du zu tun hast. Denn 
für einen Kshatriya gibt es nichts Höheres als einen pflicht- 
mäfsigen Kampf. 

32. (9io ) Und mit Freuden, o Sohn der Prithä, begrüfsen 
die Kshatriya's gleichwie eine zufällig sich ihnen darbietende 
offene Himmelspforte einen derartigen Kampf. 

33. (9ii.) Wenn du hingegen diesen als Pflicht dir ob- 
liegenden Kampf nicht auf dich nehmen wirst, dann vernach- 
lässigst du deine Pflicht und deinen Ruhm und wirst in 
Schuld geraten. 

34. ('JVi.) Auch wird alles dich mit ewiger Schmach über- 
häufen, für einen Mann von Ehre aber ist Schmach schlimmer 
als Tod. 

35. (oi:i.) Auch werden sie, welche auf grofsen Streit- 
wagen einherfahren, argwöhnen, dafs du aus Furcht vom 
Kampfe abgelassen hast, und so wirst du bei solchen, die 
dich bisher hoch vorehrten, in Geringschätzung verfallen. 

36. (9u.) Diejenigen aber, welche dir übel wollen, werden 
viele schmähliche Reden über dich führen und deine Be- 
fähigung tadeln; was aber wäre schmerzlicher als das? 

37. (915.) Entweder du fällst und gehst zum Himmel ein, 
oder du siegst und geniefsest die Herrschaft über die Erde, 
darum stehe auf, o Sohn der Kunti, und entsehliefsc dich zu 
kämpfen. 

38. (9iG.) Sei doch gleichgültig gegen Lust und Schmerz, 
gegen Gewinn und Verlust, gegen Sieg und Niederlage und 
bereite dich so zum Kampfe, so wirst du nicht in Schuld 
geraten. 

39. (917.) Diese Ansicht wurde dir vorgetragen vom Stand- 
punkte der berechnenden Überlegung (säiikhyamj. — Vernimm 
die folgende vom Standpunkte der Hingebung (yogaj aus. 



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42 



II. Bhagavadgita. 



W enn du dir diese letztere Ansicht zu eigen machst, o Sohn 
der Prithä, so wirst du dich von der Gebundenheit durch 
die Werke frei machen. 

40. (918.) Dann gibt es für dich keine Hoffnung mehr 
des Emporkommens [in der Seelen Wanderung] und keine 
Möglichkeit des Niederganges [in ihr]. Wer auch nur ein 
weniges von dieser Satzung sich aneignet, den rettet sie aus 
grofser Not. 

41. (919.) liier gibt es, o Liebling der Kuru's, nur eine 
Ansicht, welche Entschiedenheit in sich trägt, während viel- 
verzweigt und endlos die Ansichten der Unentschiedenen sind. 

42. (920.) Eine blumenreiche Rede gibt es, welche die 
Unweisen verkündigen, sie, welche an Vedareden sich letzen, 
o Prithäsohn, und behaupten, dafs es nichts anderes gebe; 

43. (921.) sie, welche in Werken befangen, zum Himmel 
streben und jener Rede huldigen, welche als Lohn der Werke 
eine Neugeburt verheifst und viel Redens macht von beson- 
deren Zeremonien zum Zwecke des Genusses und der himm- 
lischen Herrlichkeit: 

44. (922.) W r er durch sie seinen Geist verführen läfst, der 
klammert sich an Genufs und himmlische Herrlichkeit; aber 
jene Ansicht, welche Entschiedenheit in sich trägt und auf 
Versenkung [sich gründet], wird ihm nicht zuteil. 

45. (923.) Im Drei-Gunahaften sind die Veden befangen, 
du aber, o Arjuna, befreie dich vom Drei-Gunahaften. Sei frei 
von den Gegensätzen [des empirischen Daseins], feststehend 
in der ewigen Realität, frei von Erwerb und Besitz, dem 
Atman treu. 

4(>. (92i.) Soviel Nutzen von einem Wasserbehälter ist, 
in welchem von allen Seiten das Wasser zusammengeflossen 
ist, soviel ist in allen Veden zu finden für einen ßrahmanen, 
welcher die Erkenntnis besitzt (vgl. oben, Sanatsujatiya. 
Vers 1795). 

47. (925.) Dein Beruf ist es freilich, das Werk zu tun 
nicht aber nach seinen Früchten zu streben. Lafs nicht di< 
Frucht der Werke deinen Beweggrund sein, aber verfall« 
auch nicht in Untätigkeit. 



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II (Adhyaya 2G). 



43 



48. (926.) Fest in der Hingebung fyogaj vollbringe die 
W erke, aber lafs fahren die Anhänglichkeit [an ihren Lohn], 
o Siegreicher; bleibe gleichmütig beim Gelingen und Mifs- 
lingen, dieser Gleichmut wird Yoga (Hingebung) genannt. 

49. (927.) Tief steht das Werk unter der Hingebung an 
die Erkenntnis, o Siegreicher; in der Erkenntnis suche deine 
Zuflucht, elend sie, welche vom Lohn getrieben werden. 

50. (928.) Wer der Erkenntnis hingegeben ist, der läfst 
hinter sich beides, das gute und das böse Werk; darum gib 
dich der Hingebung fyogaj hin; Hingebung macht auch 
tüchtig zu Werken. 

51. (929.) Die Weisen, der Erkenntnis hingegeben, ver- 
zichten auf der Werke Frucht, und erlöst von der Fessel der 
Geburten gehen sie ein zu der leidlosen Stätte. 

52. (930.) Wenn deine Erkenntnis über den Wirrwarr der 
Verblendung hinausschreiten wird, dann wirst du überdrüssig 
werden dessen, was du aus den heiligen Schriften lernen 
kannst und gelernt hast. 

53. (93i.) Und wenn deine Erkenntnis sich den heiligen 
Schriften entgegensetzen und unerschütterlich in der Medi- 
tation feststehen wird, dann wirst du den Yoga erlangen. 

Arjuna sprach: 

54. (932.) Welches ist die Beschreibung des in der Er- 
kenntnis Feststehenden und in der Meditation Beharrenden, 
o Vollhaariger, was wird der reden, der in seinem Geiste fest 
ist, wie wird er sitzen und wie wird er wandeln? 

Der Heilige sprach: 

55. (933.) Wenn einer, o Sohn der Pritha, alle Begierden 
fahren läfst, die in sein Herz kommen, und nur an dem 
Selbste (Atman) und durch das Selbst seine Freude hat 
(Clmnd. Up. 7,25,2), der wird ein in der Erkenntnis Fest- 
stehender genannt. 

56. (934.) Wenn einer im Leiden unerschütterlich und in 
Freuden frei von Begierde bleibt, befreit von Leidenschaft, 
von Furcht und Zorn, er wird ein im Geiste Fester, wird ein 
Muni genannt. 



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44 



II. Bhagavadgitä. 



57. (935.) Wer allerwärts frei von Anhaftung ist, mag ihm 
dieses oder jenes Erfreuliche oder Unerfreuliche begegnen, 
wer dann weder Freude noch Hafs empfindet, dessen Er- 
kenntnis ist eine feststehende. 

58. (936.) Und wenn ein solcher von überallher, wie die 
Schildkröte ihre Glieder, so seine Organe von ihren Objekten 
gelöst in sich hereinzieht, dessen Erkenntnis ist eine fest- 
stehende. 

59. (937.) Die Sinnendinge kehren sich ab von der Seele, 
die sich nicht mehr an ihnen nährt, und hat sie ihren Ge- 
schmack nicht mehr, so wird auch der Geschmack an ihnen 
zunichte, nachdem sie das Höchste geschaut hat. 

60. (938.) Denn auch bei einem sich beherrschenden weisen 
Manne, o Sohn der Kunü, reifsen die ungestümen Sinne den 
Geist gewaltsam mit sich fort. 

61. (939.) Sie alle überwältigend soll man dasitzen, hin- 
gegeben und mich [den Allgeist] als Höchstes habend, denn 
wer seine Sinne in der Gewalt hat, dessen Erkenntnis ist 
eine feststehende. 

62. (940.) Wenn hingegen ein Mensch an die Sinnen- 
genüsse denkt, so bildet sich bei ihm eine Anhänglichkeit an 
sie; aus der Anhänglichkeit entsteht Begierde, aus der Be- 
gierde entsteht Zorn, 

63. (94i.) aus dem Zorn entsteht Verblendung, aus der 
Verblendung entsteht Trübung der Erinnerung; ist erst die 
Erinnerung getrübt, so folgt Verlust der Erkenntnis, ist die 
Erkenntnis verloren, so ist er auch selbst verloren. 

64. (942.) Wer aber an den Sinnendingen vorübergeht mit 
Sinnen, die von Liebe und Hafs sich losgemacht haben und 

A # 

seinem Atman Untertan sind, dessen Seele beruhigt sich und 
geht ein zum Frieden. 

65. (943.) Hat er aber Ruhe von allen Schmerzen, so ent- 
steht in ihm die Resignation, und ist erst sein Geist beruhigt , 
dann kommt auch alsbald seine Erkenntnis zu vollkommenem 
Feststehen. 

66. (944.) Wer nicht Hingebung übt, hat nicht die Er- 
kenntnis, wer nicht Hingebung übt, hat nicht Verinnerlichung ; 



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II (Adhy&ya 2G). 



45 



wer nicht Verinnerlichung hat, hat keinen Frieden, wer keinen 
Frieden hat, woher käme dem Freude! 

67. (945.) Denn wenn die Sinne umherschwärmen und der 
Verstand mit ihnen fortgezogen wird, dann reifst er die Er- 
kenntnis mit sich dahin, wie der Wind ein Schiff auf dem 
Wasser. 

68. (046.) Darum, o Grofsarmiger, wenn einer seine Sinne 
allerwärts von den Sinnendingen zurückhält, dessen Erkennt- 
nis ist eine feststehende. 

69. (947.) Was Nacht ist für alle Wesen, darin ist wach 
der Selbstbezwinger, und worin alle W r esen wach sind, das 
ist Nacht für den schauenden W'eisen. 

70. (948.) Gleichwie die Wasser zur Ruhe kommen in 
dem vollen, unerschütterlichen Ozean, so kommen alle 
Begierden in ihm zur Ruhe, und er erlangt den Frieden, 
nicht aber der, welcher von Begierde getrieben wird. 

71. (949.) Der Mann, welcher alle Begierden fahren läfst 
und ohne Verlangen dahinwandelt, ohne Ichbewufstsein und 
ohne Selbstsucht, der erlangt den Frieden. 

72. (950.) Dieses ist das Feststehen im Brahman, o Sohn 
der Pritha; wer es erlangt, wird frei vom Wahn, und in ihm 
beharrend, erreicht er zur Zeit des Endes das Erlöschen 
(nirvänamj in Brahman. 

So lautet in der Bbagaratlgita Überlegung und Hingebung 

( Sd nkhija-yo'ja) . 



III (Adhyftya 27). 

Vers 951-993 (B. 1- 43). 
Arjuna sprach: 

1. (95i.) Wenn nach deiner Meinung, o Janardana, die 
Erkenntnis höher steht als das Werk, warum spornst du 
mich dann an zu einem grausamen Werke, o Vollhaariger? 

2. (952.) Durch deine widerspruchsvolle Rede verwirrst 
du meinen Geist; sage mir doch das Eine mit Bestimmtheit, 
wodurch ich das Heil erlangen kann. 



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46 



II. BhagavadgitA. 



Der Heilige sprach: 

3. (953.) Zwei Standpunkte gibt es in dieser Welt, wie 
ich schon vordem gelehrt habe, o Untadeliger : Die Hingebung 
an die Erkenntnis ist der Standpunkt der Reflektierenden 
(SänkhyaJ, die Hingebung an das Werk ist der der Yoga- 
Übenden. 

4. (954.) Nicht durch Enthaltung von den Werken erlangt 
der Mensch die Werkbefreiung, und nicht durch blofses Weg- 
werfen von allem gelangt er zur Vollendung. 

5. (955.) Der Mensch kann doch nie auch nur einen Augen- 
blick bestehen, ohne Werke zu tun. Denn ein jeder wird 
auch gegen seinen Willen gezwungen zu wirken durch die 
seiner Natur (prdkritij eingeborenen Guna's (Beschaffenheiten). 

6. (956.) Wenn einer zwar die wirkenden Sinnesorgane 
im Zaume hält und müfsig sitzt, aber in seinem Herzen den 
Sinnendingen nachhängt, der ist betörten Geistes und auf fal- 
schem Wege. 

7. (957.) Wer hingegen die Sinne durch das Manas im 
Zaume hält und dann, o Arjuna, mittels der Tatorgane sich 
dem Tun hingibt ohne Anhänglichkeit, mit dem steht es 
anders. 

8. (968.) Vollbringe du das notwendige Werk, denn das 
Tun steht höher als das Nichttun, und auch der Fortgang 
des Körperlebens ist nicht möglich, ohne dafs man Werke tut. 

9. (959.) Auch abgesehen von den Werken, welche um 
der Opferpflicht willen notwendig sind, bleibt diese Welt an 
Werke gebunden. Darum, o Kuntlsohn, tue das Werk, aber 
tue es ohne Anhänglichkeit. 

10. (960.) Als der Schöpfer Prajäpati zugleich mit dem 
Opfer vordem die Wesen schuf, da sprach er zu ihnen : Durch 
dieses sollt ihr euch fortpflanzen, dieses sei euch die eure 
Wünsche erfüllende Wunschkuh. 

11. (96i.) Fördert ihr durch das Opfer die Götter, und 
die Götter wiederum sollen euch fordern; indem ihr euch, 
gegenseitig fordert, werdet ihr das höchste Glück erlangen. 

12. (962.) Denn die Götter, durch eure Opfer gefördert, 
werden euch die gewünschten Genüsse gewähren; wer das 



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III (Adhy&ya 27). 



47 



von ihnen Gewährte geniefst, ohne ihnen etwas wieder- 
zugewähren, der ist eben ein Dieb. 

13. (963.) Die Guten essen, was vom Opfer übrigbleibt, 
und werden dadurch von allen Sünden gereinigt; die Bösen 
aber, welche nur zu ihrem eigenen Besten kochen, die essen 
zu ihrem Verderben. 

14. (964.) Die Wesen entstehen aus der Nahrung, die 
Nahrung entsteht aus dem Regen (parjanya), der Regen ent- 
steht aus dem Opfer, das Opfer entsteht aus dem Werke; 

15. (965.) das Werk entsteht aus dem Vedaworte (Brah- 
man)* das Vedawort entsteht aus dem Unvergänglichen ; so- . 
mit hat das allumfassende fsarvagataj Vedawort allezeit seinen 
Halt im Opfer. 

10. (966.) So dreht sich das Rad im Kreise, und wer es 
nicht in Umdrehung versetzt hienieden, der führt ein ruch- 
loses Leben, ist ein Tummelplatz der Sinne und lebt, o Sohn 
der Prithä, vergeblich. 

17. (967.) Aber der Mensch, welcher am man sich freut, 
am Atman sich ersättigt und am Atman sein Genüge findet 
(vgl. Chänd. Up. 7,25,2. Mund. Up. 3,1,4), für den gibt es keine 
Ptlicht mehr. 

18. (96«) Er hat keinen Zweck im Auge bei dem, was 
er tut, er hat keinen Zweck im Auge bei dem, was er nicht 
tut; und bei allen Wesen sucht er keinen Stützpunkt seiner 
Zwecke. 

li>. (969.) Darum betreibe allezeit die obliegende Pflicht 
ohne Anhänglichkeit; denn wer ohne Anhänglichkeit seine 
IMlicht erfüllt, der Mann erlangt das Höchste. 

20. (970.) Nur durch ihre Werke sind Könige wie Janaka 
zur Vollendung gelangt; und auch darum mufst du handeln, 
damit du die andern Menschen [zu ihrer Pflicht] anhältst. 

21. (97i.) Denn was der an höchster Stelle Stehende tut, 
das ahmen die übrigen Menschen nach, und wus er sich als 
Richtschnur erwählt, danach richtet sich auch das Volk. 

22. (972.) Nicht liegt mir [als Allgeist], o Sohn der Prithä, 
in allen drei Welten irgend etwas ob, was ich zu tun hätte, 
noch gibt es für mich etwas zu erlangen, was ich nicht schon 
erlangt hätte, und doch betätige ich mich in Wirkungen. 



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48 IL BhagavadgitA. 

23. (973.) Denn, sollte es je geschehen, dafs ich nicht 
unermüdlich tätig wäre, so würden, o Sohn der Prithä, die 
Menschen allerwärts meinem Beispiel folgen. 

24. (974.) Alle Welten würden in Untätigkeit verharren, 
wenn ich nicht mein Werk vollbrächte, und ich w r ürde Ver- 
wirrung voranlassen und die Geschöpfe hier zugrunde richten. 

25. (975.) Und so wie die Nichtwissenden handeln mit 
Anhänglichkeit an ihr Werk [und seinen Lohn], so soll der 
Wissende ohne Anhänglichkeit handeln, um [durch sein Bei- 
spiel] die übrigen dazu anzuhalten, o Bhärata. 

26. (970.) Er soll die Nichtwissenden, die noch an dem 
Werke hängen, in ihrem Bewufstsein nicht irre machen; er, 
der Wissende, soll sie veranlassen, alle Werke mit Freudig- 
keit zu tun, indem er selbst mit Hingebung sie betreibt. 

27. (977.) Die Werke, wo sie auch immer geschehen, 
werden getan durch die Guna's der Prakriti, aber der Mensch, 
in seinem Selbste betört durch den Ahankära (Ichbewufst- 
sein), wähnt: Ich bin der Handelnde. 

28. (978.) Wer aber die Wesenheit kennt, o Grofsarmiger, 
der macht einen Unterschied zwischen den Guna's und dem 
[gunalosen] Werke; er begreift, dafs die Guna's sich unter 
den Guna's betätigen, und hält sich frei von Anhänglichkeit. 

29. (979.) Die Menschen, betört durch die Guna's der 
Prakriti, sind an jene Werke der Guna's anhänglich, sind 
trägen Geistes und Halbwissende; sie möge der Ganzwissen- 
den nicht irre machen. 

30. (980.) Mir sollst du alle Werke weihen, den Geist ge- 
richtet auf den höchsten Atman, und so, von Hoffnung und 
Selbstheit frei, mögest du kämpfen ohne Bekümmernis. 

31. (981.) Die Menschen, welche allezeit diese meine Vor- 
schrift befolgen, im Glauben und ohne Murren, die gelangen 
sogar durch ihre Werke zur Erlösung. 

32. (982.) Diejenigen aber, welche murren und diese meine 
Vorschrift nicht befolgen, diese in allem Erkennen Betörte 
und Besinnungslose wisse als Vorlorene. 

33. (983.) Betätigt sich doch auch der Wissende ent- 
sprechend seiner eigenen Natur; ihrer Natur (Prakriti J folgei 
alle Wesen, was kann da Hemmung ausrichten! 



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III (Adbyäya 27). 



49 



34. (984.) Jedes Sinnesorgan steht fest, sei es in Liebe, 
sei es in Hafs, seinem Gegenstande gegenüber; unter diese 
beiden soll man sich nicht beugen, denn beide sind hinter- 
listige Feinde des Menschen. 

35. (985.) Besser ist es die eigene Pflicht ohne Tüchtig- 
keit, als die fremde Pflicht mit Erfolg zu betreiben; ja, es ist 
besser in der Erfüllung der eigenen Pflicht zugrunde zu gehen, 
Befassen mit fremder Pflicht bringt Gefahr! 

Arjuna sprach: 

36. (986.) Aber durch wen wird der Mensch angestiftet, 
das Böse zu tun, selbst gegen seinen Willen, o Nachkomme 
des Vrishni, und gleichsam mit Gewalt dazu gedrängt? 

Der Heilige sprach: 

37. (987.) Es ist die Begierde, es ist der Zorn, entspringend 
aus dem Guna des Kajas (Leidenschaft), ein grofser Fresser, 
ein grofser Bösewicht, ihn wisse hienieden als den wahren 
'Widersacher. 

38. (988.) Wie das Feuer vom Rauch umhüllt wird, wie 
Rostflecken den Spiegel verdecken, wie der Embryo von 
der Eihaut umschlossen wird, so ist von ihm diese ganze 
Welt überzogen. 

39. (989.) Verdunkelt wird sogar das Wissen des Wissen- 
den von diesem ewigen Widersacher, der die Gestalt der 
Begierde annimmt, o Sohn der Kunti, und ein unersättliches 
Feuer ist 

40. (990.) Die Sinnesorgane, das Manas und die Buddhi 
sind sein Standort ; von diesen aus verdunkelt er das Wissen 
und überschattet die Seele. 

41. (991.) Darum vor allem, o Stier der Bharata's, bändige 
deine Sinnesorgane und schlage jenes Böse aus dem Felde, 
welches Erkenntnis und Lebenserfahrung vergiftet. 

42. (992.) Die Sinnesorgane, heifst es, sind vorzüglich, 
vorzüglicher als die Sinnesorgane ist das Manas, vorzüglicher 
als das Manas ist die Buddhi (vgl. Käth. Up. 3,10. 0,7), wer 
aber noch vorzüglicher als die Buddhi ist, das ist er [der 
Atman]. 

Dscsik», MahfcbhfcraUm. 4 



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50 II. Bhagavadglta. 

43. (898.) Also wisse ihn als vorzüglicher noch als die 
Buddhi, befestige deinen Atman durch den [höchsten] Atman 
und bekämpfe jenen Feind, o Grofsarmiger, der sich in die 
Begierde kleidet und schwer zu fassen ist. 

So lautet in der BhagivadgltA die Hingebung an daa Werk 

(karma-yoga). 



IV (Adhyaya 28). 

Vera 994-1035 (B. 1-42). 

Der Heilige sprach: 

1. (994.) Diese ewige Yogalehre [der Hingebung an das 
Werk] habe ich dem Vivasvant (dem Sonnengotte) verkündet. 
Vivasvant lehrte sie dem Manu, Manu dem Ikshväku. 

2. (995.) In dieser Weise von Geschlecht zu Geschlechi 
überliefert, gelangte diese Yogalehre zu den Königsweisen 
aber im Laufe der langen Zeit ging sie verloren, o Feind 
bezwinger. 

3. (996.) Heute aber ist dieser uralte Yoga dir von mi 
mitgeteilt worden, denn du bist mein Verehrer und mei 
Freund, daher ich dir dieses höchste Geheimnis [anvortrau 
habe]. 

Arjuna sprach: 

4. (997.) Später ist deine Geburt, früher die Geburt dt 
Vivasvant, wie soll ich es verstehen, dafe du die Lehre u. 
anfänglich verkündet hast (vgl. Ev. Joh. 8, Vers 57-58). 

Der Heilige sprach: 

5. (998.) Zahlreich sind meine vergangenen Geburten ui 
auch deine, o Arjuna; mir sind sie alle bewufst, dir al 
sind sie nicht bewufst, o Feindbezwinger. 

6. (999.) Ungeboren bin ich und unvergänglichen Weso] 
bin der Gottherr figvaraj der Geschöpfe; aber indem ich e 
gehe in meine eigene Natur (prakritij, entstehe ich dixr 
meine Zauberkunst fmäyä). 



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IV (Adhyäya 28). 



51 



7. (iooo.) Denn jedesmal, wenn die Gesetzlichkeit welk 
geworden ist, o Bharata, und Ungesetzlichkeit überwaltet, 
dann erschaffe ich selbst mich selbst. 

8. (looi.) Zur Rettung der Guten und zur Vernichtung 
der Bösen entstehe ich in jedem Weltalter, um die Gesetz- 
lichkeit wieder aufzurichten. 

9. (1002.) Göttlich ist meine Geburt und göttlich mein 
Werk ; wer das in Wahrheit weifs, der, wenn er seinen Leib 
verläfst, geht nicht ein in eine neue Geburt, zu mir geht er 
ein, o Arjuna. 

10. (1003.) Viele sind ihrer, welche befreit von Leiden- 
schaft, von Furcht und Zorn, zu mir werdend, zu mir ihre 
Zuflucht nehmend, geläutert durch die Askese der Erkennt- 
nis, in meine Wesenheit eingehen. 

11. (1004.) Und in dem Mafse, wie sie zu mir sich hin- 
wenden, in demselben Mafse liebe ich sie wieder, und so 
wandeln von überallher, o Prithäsohn, die Menschen auf 
meinem W T ege. 

12. (1005.) Nach dem Gelingen der Werke trachten ja 
[die Menschen] und verehren darum die Götter; denn schnell 
zeigt sich in der Menschenwelt das Gelingen, welches aus 
Werken entspringt. 

13. (1006.) Ich bin es ja, der die vier Kasten schuf, der 
die Guna's und Werke unter sie verteilte; von dem allem, 
wisse, bin ich der Schöpfer und doch Nicht-Schöpfer für und für. 

14. (1007.) Denn mich beflecken die Werke nicht, weil ich 
nicht nach der Frucht der Werke begehre; wer mich als 
solchen erkennt, der wird durch seine Werke nicht gebunden. 

15. (1008.) Und in dem Bewufstsein, dafs in dieser Weise 
das Werk geübt wurde, auch von den Altvordern, welche 
nach Erlösung trachteten, vollbringe auch du das Werk, wie 
es vordem von den Altvordern vollbracht wurde. 

16. (ioo9.) Was ist das Werk und was das Nicht -Werk? 
In dieser Frage haben auch die Weisen geirrt. Darum will 
ich dir das Werk erklären, welches erkannt habend du vom 
Übel erlöst sein wirst. 

17. (ioio.) Man mufs dabei merken auf das (gute) Werk 
und man mufs merken auf das Ab werk (das böse Werk), 

4* 



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52 



II. Bhagavadgitä. 



auch mufs man merken auf das Nicht -Werk. Tief verborgen 
ist das Wesen des Werkes. 

18. (1011.) Wer im Werke das Nicht-Werk sieht und im 
Nicht -Werke das Werk, der ist ein Weiser unter den Menschen, 
ein Hingegebener (Yogin), ein alle Werke Vollbringender. 

19. (ioi2.) Der, dessen ganzes Tun frei ist von Lüsten 
und Wünschen, und dessen Werke verbrannt sind durch das 
Feuer der Erkenntnis, den nennen die Kundigen einen Weisen. 

20. (lois.) Er hat sich frei gemacht von der Anhänglich- 
keit an die Frucht der Werke, ist ewig befriedigt, frei von 
der Hoffnung Krücken; ein solcher, auch wenn er sich mit 
Werken befafst, tut doch gar nichts. 

21. (1014.) Er ist frei von Wünschen, hat die Gedanken 
in sich gebändigt, hat weggeworfen alles, was an das Leben 
kettet, nur dem Leibe nach tut er das Werk, und obschon 
er es tut, bleibt er doch frei von Versündigung. 

22. (1015.) Er begnügt sich mit dem, was der Zufall ihm 
darbietet, ist erhaben über die Gegensätze [des Lebens] und 
frei von Eigensucht, gleichmütig bei Gelingen und Mifslingen, 
und obgleich er handelt, verfällt er doch nicht der Bindung. 

23. (ioi6.) Für ihn, der die Anhänglichkeit hat fahren 
lassen, sich frei gemacht hat und mit seinem Denken fest- 
steht in der Erkenntnis, für ihn, der das Werk nur als eir 
Opfer betreibt, ist dasselbe völüg zunichte geworden. 

24. (lon.) Brahman ist seine Darbringung, Brahman seim 
Opferspeise, Brahman spendet er im Feuer durch das Brah 
man, und so wird er eingehen in das Brahman, er, desse: 
Meditation dieses Brahmanwerk ist. 

25. (ioi8.) Einige dieser Hingegebenen huldigen dem Opfe 
als einem den Göttern dargebrachten, andere hingegen bringei 
im Brahmanfeuer opfernd, das Opfer selbst zum Opfer dar [s: 
verzichten darauf]. 

26. (1019.) Wieder andere opfern das Gehör und alle Sini 
in dem Feuer der Selbstbezwingung, und noch andere opfei 
in dem Feuer der Sinne das Gehörte und alle andern Sinne 
dinge. 

27. (1020.) Und abermals andere opfern alle Verrichtung« 
der Sinnesorgane und alle Verrichtungen der Lebenshaue 



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IV (Adhyaya 28). 



53 



fprdnähj in dem Yogafeuer der Selbstbezwingung, welches 
von der Erkenntnis angefacht wird. 

28. (1021.) Manche bringen ihr Vermögen dar, oder sie 
opfern durch Kasteiung oder durch Yoga oder durch Veda- 
studium und Erkenntnis, sie alle als Bezwinger mit scharfem 
Gelübde. 

20. (1022.) Manche auch opfern den Aushauch im Ein- 
bruch und den Einhauch im Aushauch [die Hemmung des 
Aushauchens während des Einhauchens gilt ihnen als ein 
Opfer desselben und umgekehrt], indem sie den Gang des 
Aushauches und des Einhauches einschränken und die Hem- 
mung des Atmens als höchsten Zweck sich setzen. 

30. (1023.) Andere regeln die Ernährung und opfern die 
I^ebenshauche in den Lebenshauchen [indem beim Pränägni- 
hotram, Chänd. Up. 5,19-23, die Ernährung jedes einzelnen 
Leben shauches als eine zeitweilige Aufopferung der vier 
übrigen erscheint]. — Alle diese sind des Opfers kundig und 
vernichten durch das Opfer ihre Sünden. 

31. (1024.) Diejenigen, welche [in dieser Gesinnung] das 
Amritam (Nektar) des Opferrestes geniefsen, die gehen ein 
in das ewige Brahman. Nicht einmal diese Erdenwelt wird 
dem Nichtopfernden zuteil, wieviel weniger die andere, o Bester 
der Kuru's! 

32. (1025.) In dieser Weise sind mannigfache Opfer aus- 
gebreitet in dem Munde des Brahman [im Veda, der sie als 
ihr Mund offenbart]. Sie alle aber, wisse, wurzeln in dem 
Werk; wenn du dies erkannt hast, wirst du erlöst werden. 

33. (10*26.) Aber besser als das aus stofflichen Dar- 
bringungen bestehende Opfer ist das Opfer, das im Erkennen 
besteht, o Bezwinger der Feinde; das ganze Opferwerk ohne 
Ausnahme, o Sohn der Pritha, wird vollbracht, indem man 
Erkenntnis hat. 

34. (1027.) Dies Wissen erwirb, indem du dich niederläfst 
zu des Lehrers Füfsen, indem du ihn befragest und ihm 
dienest; dann werden jene Wissenden, W r ahrhei tschauenden 
dich das Wissen lehren. 

35. (1028.) Wenn du es erlernt hast, das W r issen, so wirst 
du nicht wiederum, so wie jetzt, der Verblendung [des Samsara] 



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54 



II. Bhagavadgita. 



verfallen, o Pändusohn, das Wissen, vermöge dessen du die 
Wesen ohne Ausnahme schauen wirst in dir selbst und so- 
dann in mir. 

36. (1029.) Und wenn du unter allen Bösewichtern der 
ärgste wärest, so wirst du doch mit dem Schiff der Erkennt- 
nis alles Schlimme überschreiten. 

37. (1030.) So wie, o Arjuna, das angezündete Feuer das 
Brennholz zu Asche macht, so macht das Feuer der Erkennt- 
nis alle Werke zu Asche. 

38. (1031.) Denn es gibt auf der Welt kein Läuterungs- 
mitte], welches der Erkenntnis gleichkäme, und dieses findet 
der im Yoga Vollkommene von selbst mit der Zeit in seinem 
eigenen Innern. 

39. (1032.) Der Gläubige erlangt die Erkenntnis, wenn er 
einzig nach ihr trachtet und seine Sinne bezähmt, und hat 
er die Erkenntnis erlangt, so geht er binnen kurzem zum 
höchsten Frieden ein. 

40. (1033.) Aber der Nichtwissende, Nichtglaubende, von 
Zweifel Erfüllte geht zugrunde; nicht diese Welt und nicht 
die andere, nicht Freude hat, wer erfüllt von Zweifel ist. 

41. (1034.) Aber wer durch den Yoga die Werke ab- 
geworfen und durch die Erkenntnis alle Zweifel von sich 
gelöst hat (Mund. Up. 2,2,8), wer den Atman besitzt, den 
binden die Werke nicht mehr, o Beutemacher. 

42. (1035.) Darum, o Bhärata, zerspalte mit dem Schwerte 
der Erkenntnis jenen im Nichtwissen wurzelnden, in deinem 
Herzen wohnenden Zweifel, gib dich dem Yoga hin und er- 
manne dich. 

So lautet in clor Bhagavadgita die Hingebung an dlo Erkenntnis 

(jhdna • yoga). 



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V (Adhyaya 29). 



55 



V (Adhyaya 29). 

Vers 103G-1064 (B. 1-29). 

Arjuna sprach: 

1. (1036.) Du rühmst, o Krishna, den Verzicht auf die 
Werke und wiederum Hingebung an dieselben. Was ist von 
diesen beiden das Bessere? Das sage mir mit Bestimmtheit. 

Der Heilige sprach: 

2. (1037.) Verzicht auf die Werke und Hingebung an sie, 
beides führt zum höchsten Heil; aber unter ihnen wird der 
Verzicht von der Hingebung an die Werke übertrofTen. 

3. (103S.) Der ist zu wissen als ein beständig Verzichtender, 
welcher nicht hafst und nicht begehrt; denn frei von den 
Gegensätzen [des Lebens], o Grofsarmiger, wird er leicht von 
der Bindung erlöst. 

4. (1039.) Nur die Toren behaupten, dafs Sänkhyam (Weg 
der Reflexion) und Yoga (Weg der Verinnerlichung) ver- 
schieden seien, nicht aber die Weisen. Wer auch nur eines 
von ihnen richtig betreibt, der erlangt die Frucht aller beiden. 

5. (1040.) Die Stätte, welche von den Reflektierenden 
(sänlchynih) errungen wird, eben diese wird auch von den 
Yoga-Ubenden erlangt. Eines sind das Sänkhyam und der 
Yoga. Wer das sieht, der ist sehend. 

6. (i04i.) Aber das Verzichten, o Grofsarmiger, ist schwer 
zu erlangen, wenn es nicht vom Yoga ausgeht; während der 
dem Yoga sich hingebende Weise in kurzer Zeit das Brah- 
man erreicht. 

7. (1042.) Wer dem Yoga sich hingegeben hat, reinen 
Wesens, besiegten Wesens, mit bezähmten Sinnen, und dessen 
Selbst zum Selbste aller Wesen geworden ist, der wird, auch 
wenn er Werke tut, nicht befleckt. 

8. (low.) Wer dem Yoga hingegeben die Wesenheit er- 
kennt, der ist sich bewufst, dafs nicht er es ist, welcher 
irgendein Werk tut, und wenn er sieht und hört und fühlt 
und riecht, wenn er ifst und wandelt, schläft und atmet, 



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56 



II. Bhagavadgitä. 



9. (1044.) wenn er redet, ausscheidet und greift, die Augen 
öffnet und schliefst, so ist er sich dabei hewufst, dafs es nur 
seine Sinnesorgane sind, welche sich mit den Sinnendingen 
befassen. 

10. (1045.) Wer so handelt, dafs er seine Werke dem 
Braliman weiht und sich von dem Hang [nach Lohn] frei- 
gemacht hat, der bleibt vom Bösen unbefleckt, wie das Lotos- 
blatt vom Wasser. 

11. (1046.) Nur mit dem Leibe, mit dem Manas und der 
Buddhi, nur mit den Sinnesorganen allein vollbringen die 
Yogin's das Werk, indem sie die Anhänglichkeit [an den 
Lohn] fahren lassen, um ihre Seele (Atman) reinzuhalten. 

12. (1047.) Der dem Yoga sich Hingebende verzichtet auf 
die Frucht der Werke und erlangt den unvergänglichen Frie- 
den; der Nicht -Hin gegebene handelt aus Begierde, ist an- 
hänglich an den Lohn und bleibt gebunden. 

13. (1048.) Alle Werke mit Bewufstsein von sich werfend 
sitzt er da, heiter und Herr [seiner Sinne], der Träger des 
Leibes in der Stadt mit den neun Toren [dem Leibe], indem 
er weder handelt noch handeln läfst. 

14. (1049.) Nicht das Tätersein und nicht die Werke schafft 
der Herr der Welt [der Purusha], noch auch den Zusammen- 
hang zwischen den Werken und ihrem Lohne, vielmehr ist 
es die eigene Natur fsvabhdva =prakritij, die sich darin betätigt. 

15. (1050.) Nicht das Böse von irgendwem und nicht sein 
gutes Werk erkennt der Allmächtige an als sein, sondern es 
ist die Verdunkelung des Wissens durch das Nichtwissen 
vermöge dessen die Geschöpfe in der Irre gehen. 

IG. (1051.) Aber diejenigen, bei denen dieses Nichtwissei 
vernichtet ist durch die Erkenntnis des Atman, deren Er 
kenntnis macht ihnen gleichwie eine Sonne jenes Höchst 
offenbar. 

17. (1052.) Dieses erkennend, dieses als ihr Selbst ei 
fassend, in diesem feststehend, dieses als höchstes Ziel haben« 
gehen sie ein dorthin, von wo es keine Wiederkehr gibt, si 
welche durch die Erkenntnis das Böse abgeschüttelt habei 

18. (1053.) In dem mit Wissenschaft und Zucht begabte 
Brahmanen, in dem Ochsen, in dem Elefanten, ja sogar : 



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V (Adhyäya 29). 



57 



dem Hunde und in dem Hundefleischverzehrer sieht der Weise 
eines und dasselbe. 

19. (1054.) Schon hienieden haben sie sicli das All erobert, 
deren Geist darin fest geworden ist, in allem das Gleiche zu 
sehen. Denn sündlos ist das in allem gleichmäfsig vorhandene 
Brahman, darum sind sie fest beharrend in dem Brahman. 

20. (1055.) Er freut sich nicht, wenn ihm Angenehmes be- 
gegnet, er bleibt unerschüttert, wenn ihn Unangenehmes trifft; 
festen Sinnes und unbeirrt kennt er das Brahman, steht er 
im Brahman fest. 

21. (1056.) An den Berührungen der Aufsenwelt hängt sein 
Atman nicht, in sich selbst findet er, was ihn beglückt; der 
Hingebung an Brahman mit ganzer Seele ergeben erlangt er 
unvergängliches Glück. 

22. (1057.) Alle Freuden, welche aus der Berührung mit 
der Welt entspringen, die sind eine Quelle der Leiden, sie 
haben einen Anfang und ein Ende, o Kuntisohn, nicht freut 
sich ihrer der Weise. 

23. (1058.) Wer schon hienieden vor der Erlösung vom 
Leibe den Sturm zu bewältigen weifs, der aus Lust und Zorn 
entspringt, der ist ein Hingegebener, ist ein glückseliger Mann. 

24. (1059.) Wer in sich die Freude, in sich das Ergötzen 
findet und in sich das Licht, der ist ein Yogin, und zu Brah- 
man geworden, gelangt er zum Erlöschen in Brahman (brahma- 
nirvänamj. 

25. (loeo.) Dieses Erlöschen in Brahman erlangen die 
Rishi's, wenn die Sünde vernichtet, die Zweiheit abgeworfen, 
das Selbst bezähmt ist, sie, welche sich am Wohle aller Wesen 
erfreuen. 

2(). (loei.) Für die von Lust und Zorn befreiten Selbst- 
bezwinger, die ihre Gedanken im Zaume halten und den 
Atman erkannt haben, tritt ganz und vollständig [abhitas y 
nach (^ankara: im Leben und Tode] das Erlöschen in Brah- 
man ein. 

27. (1062.) W r er die Berührungen der Aufsenwelt nach 
aufsen zurückdrängt und das Augenmerk auf den Punkt 
zwischen den Brauen richtet [wo nach Bralimasütra 1,2,32 
der Sitz des Atman ist], wer Einhauch und Aushauch einander 



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58 



II. BhagavadgHä. 



gleich macht und so durch das Innere der Nase streichen 
läfst, 

28. (1063.) wer als ein Muni Sinne, Manas und Buddhi 
bezähmt, der Erlösung als höchstem Ziel zustrebt und Wün- 
schen, Fürchten und Zürnen von sich abtut, der ist für immer 
erlöst. 

29. (10G4.) Und indem er mich erkennt als den Empfanger 
aller Opfer und Kasteiungen, als den grofsen Herrn aller 
Welten und als den Freund aller Wesen, geht er ein zum 
Frieden. 

ßo Uutot in der BbagavadglM WeTkvorxlcbt and Workbingebong 

(karma - tannydsa ■ yoya). 

VI (Adhyäya 30). 

Vers 1065-1111 (B. 1-47). 

Der Heilige sprach: 

1. (1065.) Wer ohne auf des Werkes Frucht zu bauen, 
das Werk vollbringt, das ihm obliegt, der ist ein Sannyäsin 
(Entsagender), ist ein Yogin (Hingegebener), nicht aber, wer 
ohne Opferfeuer, ohne Werke ist. 

2. (106G.) Was man Sannyiisa (Entsagung) nennt, das wisse, 
ist der [wahre] Yoga, o Pändusohn, denn keiner ist ein Yogin, 
der nicht seinen Wünschen entsagt hat. 

3. (ioc7.) Für den Muni, der zum Yoga emporsteigen will, 
ist die Tätigkeit der Weg; für ebendenselben, nachdem er 
zum Yoga emporgestiegen ist, ist der Weg die Ruhe. 

4. (1063.) Denn wenn einer nicht mehr an den Sinnen- 
dingen, nicht mehr an den W r erken hängt, wenn er allen 
Wünschen entsagt hat, dann ist er ein zum Yoga Empor- 
gestiegener. 

5. (1069.) Man reifse heraus das Selbst durch das Selbst 
[aus dem Ozean des Samsära], nicht lasse man das Selbst 
[in ihm] versinken, denn ein jeder ist der Bundesgenosse 
seiner selbst, und ein jeder ist auch ein Feind seiner selbst« 

6. (1070.) Ein Bundesgenosse seiner selbst ist er dann, 
wenn er sein Selbst durch das Selbst überwunden hat; so- 



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VI (Adhyäya 30). 



59 



lange aber noch die Feindschaft besteht dessen, was [an ihm] 
nicht Selbst ist, solange ist einer ein Feind seiner selbst. 

7. (1071.) Wer sein Selbst überwunden hat und zur Ruhe 
gelangt ist, in dem hat das höchste Selbst Wohnung ge- 
nommen, bei Kälte und Ilitze, bei Lust und Leid, bei Ehre 
und Schande. 

8. (1072.) Wer an Erkenntnis und Wissen sich ersättigt, 
erhaben über alles, die Sinne gebändigt, der heifst als ein 
Hingegebener Yogin, gleichmütig blickt er hin auf Erd- 
klumpen, auf Steine und auf Gold. 

9. (1073.) Bei Freunden und Genossen, bei Feinden, Gleich- 
gültigen und Linparteiischen, bei Gegnern und Verwandten, 
bei Guten und bei Bösen bleibt er gleichmütig, daran erkennt 
man ihn. 

10. (1074.) Als Yogin [ursprünglich : ein sich Anschicken- 
der] schicke er sich an, immerwährend in der Einsamkeit 
verharrend, alleinstehend, die Regungen seines Herzens bän- 
digend, ohne Hoffnung, ohne umgeben zu sein von den 
Seinen. 

11. (1075.) An einem reinen Orte errichte er für sich einen 
festen Sitz, nicht zu hoch und nicht zu niedrig, überdeckt 
mit Gewand, Antilopenfell und Kucagras. 

12. (1076.) Daselbst konzentriere er sein Manas auf einen 
Punkt, unterdrücke die Tätigkeiten des Denkens und der 
Sinne, setze sich nieder auf den Sitz und spanne den Yoga 
an zur Läuterung seines Selbstes. 

13. (1077.) In gleichmäfsiger Richtung Rumpf, Kopf und 
Hals unbeweglich haltend, blicke er unentwegt auf seine 
Nasenspitze, ohne nach den Seiten hinzusehen. 

14. (1078.) Beruhigten Selbstes und frei von Furcht, in 
dem Gelübde eines Brahmanschülers beharrend, sein Manas 
bezähmend und an mich denkend, sitze er da im Yoga, mir 
einzig ergeben. 

15. (1079.) In dieser Weise allezeit sich selbst anschickend 
und seine Gedanken bändigend, erlangt der Yogin den in mir 
wurzelnden Frieden, dessen letztes Ende das Xircanam ist. 

16. (1080.) Nicht dem, der übermäfsig ifst, wird der Yoga 
zuteil, aber auch nicht dem, der ganz und gar nicht ifst, 



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CO 



II. Bhagavadgita. 



ebenso nicht dem, o Arjuna, der übermäfsig zu schlafen pflegt 
oder zu wachen. 

17. (1081.) Wer aber mäfsig in Nahrung und Erholung 
ist, mäfsig im Wandeln und Handeln, mäfsig im Schlafen 
und Wachen, dem wird der Yoga zuteil, der schmerzstillende. 

18. (1082.) Wenn der Gedanke gezügelt, nur auf den Ätman 
gerichtet ist, wenn einer nicht mehr begehrend ist nach irgend- 
welchen Lüsten, dann wird er ein Yogabeflissener genannt. 

19. (1083.) Wie eine an windstillem Ort stehende Lampe 
nicht flackert, dieses Gleichnis gilt von dem Yogin, der seine 
Gedanken unterdrückt hat und seine Seele dem Yoga hingibt. 

20. (low.) Wenn das Denken, unterdrückt, durch den 
Yogadienst zur Ruhe kommt, wenn man nur das Selbst durch 
das Selbst schauend an dem Selbste seine Lust hat, 

21. (1086.) wenn man jene unendliche, nur von der Buddhi 
zu erfassende, über die Sinne erhabene Lust empfindet und 
in diesem Zustande beharrend nicht von der wahren Wesen- 
heit abweicht, 

22. (1086.) wenn man das ergriffen hat, von dem man sich 
bewufst ist, dafs es nichts anderes Höheres zu ergreifen 
gibt, und in ihm beharrend auch durch schweres Leiden 
nicht erschüttert wird, 

23. (1087.) das, soll man wissen, ist der von der Berührung 
mit Leiden freie Zustand, welchen man den Yoga nennt; und 
diesem Yoga soll man mit Entschiedenheit sich hingeben, 
mit unverdrossenem Geiste [anirvinnacetasd mit Qankara], 

24. (1088.) Indem man auf alle aus dem Wunsch ent- 
springenden Lüste ohne Unterschied Verzicht leistet, indem 
man durch das Manas die Rotte der Sinnesorgane von allen 
Seiten her niederkämpft, 

25. (1089.) soll man vermittelst der mit Festigkeit er- 
griffenen Buddhi mehr und mehr zur Ruhe kommen, das 
Manas in dem Atman zum Stillstande bringen und gar nichts 
mehr denken. 

26. (1090.) Wohin auch immer das Manas, das wankel- 
mütige, unbeständige, ausschwärmen möchte, von überallher 
möge man es zwangsweise in dem Atman wieder zum Ge- 
horsam zurückführen. 



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VI (Adhyaya 30). 



61 



27. (looi.) Einen solchen Yogin, der sein Manas zur Ruhe 
gebracht hat, erfüllt die höchste Wonne, ihn, dessen Leiden- 
schaft frajasj beschwichtigt, der zu Brahman, dem sündlosen, 
geworden ist. 

28. (1092.) In dieser Weise allezeit sich seinem Ätman hin- 
gebend, wird der Yogin, von Sünde frei, mit Lust die in der 
Einswerdung mit Brahman bestehende, unendliche Wonne 
erlangen. 

29. (1093.) Er schaut sein eigenes Selbst in allen Wesen 
und alle Wesen in dem eigenen Selbst, mit seinem Selbst 
dem Yoga hingegeben, erblickt er überall das gleiche Wesen. 

30. (1094.) Wer mich in allem sieht und alles sieht in 
mir, dem gehe ich nicht verloren, und der geht mir nicht 
verloren. 

31. (1095.) Wer mich verehrt als in allen Wesen weilend 
und in der Einheit feststeht, in welcher Lage der auch immer 
sein mag, er ist ein Yogin, ist in mir. 

32. (1096.) Wer, o Arjuna, wegen der Gleichheit mit dem 
eigenen Selbste überall das Gleiche sieht, sei es im Glück, 
sei es im Unglück, er ist ein vollendeter Yogin. 

Arjuna sprach: 

33. (1097.) Der Yoga, von dem du lehrst, o Madhusüdana, 
dafs er in [dem Bewufstsein] der Gleichheit bestehe, der 
kann doch wegen der Wankelmütigkeit nicht von beständiger 
Dauer sein. 

34. (1098.) Denn wankelmütig ist das Manas, o Krishna, 
ungestüm, gewaltig, stark, und seine Zügelung, wie die des 
Windes, ist schwer zu vollbringen. 

Der Heilige sprach: 

35. (1099.) Ohne Zweifel, o Grofsarmiger, ist das Manas 
schwer zu zügeln und beweglich, aber durch Übung, o Kunti- 
sohn, und durch Entsagung wird es bezwungen. 

36. (lioo.) Von dem freilich, dessen Selbst ungebändigt 
ist, ist der Yoga schwer zu erlangen, so meine ich; wer aber 
sich selbst in Gehorsam hält und beherrscht, der kann ihn 
durch das rechte Mittel erlangen. 



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62 



II. lihagavadgüä. 



Arjuna sprach: 

37. (1101.) Wenn einer sich nicht selbst bezwingt, wenn 
er zwar von Glauben erfüllt ist, aber vom Yoga mit seinem 
Manas abfällt, und so die Yogavollendung nicht erreicht, was 
wird, o Krishna, aus diesem? 

38. (1102.) Wird er nicht beider [der Frucht des Glaubens 
und des Yoga] verlustig gehen und zerfliefsen, wie eine Wolke, 
die sich zerteilt, da er, o Grofsarmiger, ohne Halt und auf 
dem Pfade zu Brahman hin verirrt ist? 

39. (1103.) Diesen Zweifel, o Krishna, mufst du mir völlig 
lösen, denn nicht gibt es einen aufser dir, der diesen Zweifel 
lösen könnte. 

Der Heilige sprach: 

40. (1104.) 0 Prithäsohn, ein solcher ist weder in dieser 
Welt noch in der andern ein Verlorener, denn nicht kann 
irgendeiner, der etwas Gutes tut, einen schlimmen Gang gehen. 

41. (ii05.) Daher ein solcher, nachdem er die Welten der- 
jenigen, welche gute Werke getan, erlangt und in ihnen 
zahllose Jahre geweilt hat, darauf, wenn er auch des Yoga 
verlustig ging, doch in einem reinen und glücklichen Hause 
wiedergeboren wird. 

42. (H06.) Oder er wird sogar geboren in der Familie 
weiser Yogin's; und das ist schwerer als alles andere in der 
Welt zu erlangen, dafs man einer solchen Geburt teilhaft wird. 

43. (ii07.) Daselbst erlangt er dieselbe Einsicht, die er 
schon in seiner frühern Geburt hatte, o Liebling der Kuru's, 
und strebt von ihr aus weiter hin zur Vollendung. 

44. (Hos.) Vermöge jener seiner frühern Bemühung eben 
wird er auch wider Willen fortgerissen, ist bestrebt den Yoga 
kennen zu lernen und kommt über das blofse Wortbrahman 
(Maitr. Up. 6,22) hinaus. 

45. (ii09.) Und wenn er mit Ernst weiterstrebt, wird er 
sich als Yogin von der Sünde reinigen und, durch mannig- 
fache Geburten geläutert, endlich den höchsten Weg gehen. 

46. (nio.) Der Yogin steht höher als die, welche das 
Tapas üben, höher auch als die, welche der Erkenntnis leben ; 
der Yogin steht auch höher als die, welche die Werke be- 
treiben; darum werde ein Yogin, o Arjuna. 



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VI (Adhyaya 30). 



G3 



47. (1111.) Aber unter allen Yogin's ist der, welcher sein 
inneres Seihst mir hingibt und gläubig mich verehrt, der 
mir am innigsten Verbundene. 

So lautet in der BhagaradgltA dio Hingebung an die 8olb«tltezwhigang 

(dtma - satnyama - yoga). 

VII (Adhyaya 31). 

Vers 1112-1141 (B. 1-30). 

Der Heilige sprach: 

1. (1112.) Wenn du, o Prithäsohn, mit deinem Geiste mir 
hingegeben und auf mich bauend den Yoga betreibst, so wirst 
du sicherlich mich voll und ganz erkennen; vernimm, in 
welcher Weise. 

2. (1113.) Ich will dir jetzt diejenige Erkenntnis, dasjenige 
Wissen vollständig mitteilen, nach dessen Erkenntnis hie- 
nieden nichts weiteres mehr zu erkennen übrig ist. 

3. (iii4.) Unter tausend Menschen gibt es kaum einen, 
der nach Vollendung strebt, und unter diesen Strebenden 
und zur Vollendung Gelangenden gibt es kaum einen, der 
mich in Wahrheit erkennt. 

4. (ins.) Die Erde, das Wasser, das Feuer, der Wind 
und der Äther, das Manas, die ßuddhi und der Ahankara, 
diese machen meine Natur (prdlcritij aus, sofern sie achtfach 
gespalten ist. 

5. (ine.) Du mufst aber wissen, o Grofsarmiger, dafs ich 
noch eine andere, von dieser verselüedene , höchste Natur 
(prakriti) habe, welche eine lebendige Seele ist, und von der 
diese ganze Welt getragen wird. 

6. (in:.) Diese meine Naturen sind der Mutterschofs aller 
Wesen, das merke wohl, ich bin für diese ganze Lebewelt 
der Ursprung und auch der Untergang. 

7. (ins.) Es gibt, o Beutemacher, nicht irgend etwas an- 
deres, welches höher wäre als ich; wie eine Perlenreihe an 
der Schnur, so ist an mir die ganze Welt aufgereiht. 

8. (ins.) Ich bin der Geschmack in den Wassern, o Sohn 
der Kunti, ich bin der Lichtglanz in Mond und Sonne, ich 



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64 H. BhagavadgihV 

bin der heilige Laut (om) in den Veden, bin der Ton im 
Äther, bin in den Männern die Manneskraft. 

9. (1120.) Ich bin der reine Geruch in der Erde, ich bin 
das Licht in des Feuers Glanz, bin das Leben in allen Wesen, 
bin das Tapas der Tapas -Übenden. 

10. (1121.) Ich bin, das sollst du wissen, o Prithasohn, 
der ewige Same aller Wesen, ich bin der Verstand der Ver- 
ständigen, bin die Kraft der Kraftvollen. 

11. (1122.) Ich bin die Stärke der Starken, soweit sie sich 
von Begier und Leidenschaft frei hält, ich bin, o Stier der 
Bharata's, die Liebe in den Wesen, sofern sie dem Gesetze 
nicht zuwiderläuft. 

12. (ii23.) Alle sattva-artigen Zustände, alle rajas-artigen 
und alle tamas-artigen stammen aus mir, das sollst du wissen ; 
ich bin nicht in ihnen, aber sie sind in mir. 

13. (1124.) Von diesen drei auf den Guna's beruhenden 
Zuständen fbhävahj wird diese ganze Welt in Verblendung 
gehalten und erkennt nicht mich, der ich über sie erhaben 
und unvergänglich bin. 

14. (U25.) Das ist jene, meine gottentstandene, aus den 
Guna's bestehende Mäyä (Blendwerk), welche schwer zu über- 
winden ist; wer aber zu mir seine Zuflucht nimmt, der schreitet 
über jene Mäyä hinaus. 

15. (1126.) Nicht aber gelangen zu mir die Übeltäter, die 
Verblendeten, der Menschen Niedrigste, sondern durch die 
Mäyä der Erkenntnis beraubt, haben sie auf eine dämonische 
Natur ihr Vertrauen gesetzt. 

16. (1127.) Vier Arten sind, o Arjuna, der guten Menschen, 
welche mich verehren : der Bedrängte, der Erkenntnisdurstige, 
der Güterverlangende und der Erkennende, o Stier der Bharata's, 

17. (1128.) Unter ihnen zeichnet sich aus als immer hin- 
gegeben und nur eines verehrend der Erkennende, denn dem. 
Erkennenden bin ich lieb über alles, und er ist mir lieb. 

18. (1129.) Hochstrebend sind alle Genannten, aber der 
Erkennende ist mein eigenes Selbst, so sage ich; denn er, mit 
hingegebenem Geiste, vertraut auf mich als höchste Zuflucht. 

19. (1130.) Wer die Erkenntnis besitzt, der geht am Ende 
vieler Geburten zu mir ein; „dieses Weltall ist Väsudeva* 4 



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VII (Adhy&ya 31). 



65 



(Krishna), so denkt ein solcher Hochherziger, schwer zu 
Findender. 

20. (ii3i.) Andere hingegen, deren Erkenntnis bald durch 
diese, bald durch jene Begierde fortgerafft wird, nehmen ihre 
Zuflucht zu anderen Gottheiten, bald dieser, bald jener Nötigung 
gehorchend, genötigt durch ihre eigene Natur fprakritij. 

21. (1132.) Wer immer, irgendeiner Gestalt ergeben, sie 
im Glauben zu verehren wünscht, ich bin es, der einem sol- 
chen seinen unerschütterlichen Glauben verleiht. 

22. (H33.) Und mit diesem Glauben begabt, sucht er jene 
Gottheit günstig zu stimmen und erhält von ihr die Wünsche, 
deren Erfüllung in Wahrheit nur von mir verfügt wird. 

23. (im.) Aber die Frucht, welche solche Menschen von 
beschränktem Geiste erreichen, ist eine endliche; zu den 
Göttern gehen sie, welche die Götter verehren; wer mir an- 
hängt, der kommt auch zu mir. 

24. (1135.) Jene Toren wähnen, dafs ich nur das Un- 
entfaltete favyaltam, prahritij bin, welches zur Entfaltung 
gelangt sei; mein höchstes, unvergängliches, unübersteig- 
liches Wesen aber, das kennen sie nicht. 

25. (H36.) Nicht jedem bin ich erkennbar, der ich von 
dem Zauber des Yoga umhüllt bin; diese betörte Welt er- 
kennt mich nicht, den Unentstandenen, Unvergänglichen. 

2G. (H37.) Ich kenne die vergangenen Wesen und die 
gegenwärtigen und die zukünftigen, mich aber kennt nie- 
mand, o Arjuna. 

27. (1138.) Durch die aus Begierde und Hafs entspringende 
Verblendung in den Gegensätzen, o Bhärata, geraten alle 
Wesen der geschaffenen Welt, o Feindbezwinger, in die Irre. 

28. (H39.) Diejenigen Menschen aber, deren Böses durch 
heilige Werke ein Ende genommen hat, die werden befreit 
von dem Wahn der Gegensätze und verehren mich mit un- 
erschütterlichem Gelübde. 

29. (ii4o.) Diejenigen, welche zu mir ihre Zuflucht nehmen 
und nach Erlösung von Alter und Tod streben, die gelangen 
zur Erkenntnis des Brabman, des ganzen eigenen Selbstes 
und alles Werks. 

Draus, M»hAbhAr»Um. 5 



4 



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60 



II. Bhagavadgüä. 



30. (ii4i.) Wer aber mich erkennt als gegenwärtig in dt 
Wesen, gegenwärtig in den Göttern und gegenwärtig i 
Opfer, der wird mich hingegebenen Geistes auch dann e 
kennen, wenn es mit ihm zu Ende geht. 

Bo lautet in der Bh«gav»dg1tA die Hingebang an die Erkenntnis 

(jTkdna-yoga). 

VIII (Adhy&ya 32). 

Vera 1U2-11G9 (B. 1-28). 
Arjona sprach: 

1. (1142.) Was ist jenes Brahman, was ist das eigt 
Selbst und was ist das Werk (oben, Vers iuo), o höchs 
Geist, und was ist das von dir (oben, Vers iui) erwäh 
Gegenwärtigsein in den Wesen und Gegenwärtigsein in < 
Göttern? 

2. (1143.) Und wie kann einer, der in diesem Leibe \ 
körpert ist, gegenwärtig in den Opfern sein, o Madhusüde 
und wie können die, welche ihr Selbst bezwungen hal 
dich erkennen, wenn es mit ihnen zu Ende geht? 

Der Heilige sprach: 

3. (na.) Das Brahman ist das höchste Unvergängli« 
unter dem eigenen Selbste ist die eigene Natur zu verstel 
und Werk heifst die Opferspende, welche die Beschaffer 
und das Entstehen der Wesen bedingt. 

4. (1145.) Meine Gegenwart in den Wesen ist mein fliel 
des Sein, meine Gegenwart in den Göttern ist der Pur 
[mein Sein als Purusha], meine Gegenwart in den Opfen 
mein in diesem Leibe verkörpertes Ich, o Edelster der 
körperten. 

5. (1146.) Und wer, wenn er den Leib verläfst, di 
scheidet, indem er in seiner letzten Stunde meiner ged 
der geht in meine Wesenheit ein, daran ist kein Zweif« 

6. (ii47.) Denn, an welches Sein denkend, einer zur 
zeit den Leib verläfst, zu diesem Sein geht er ein, o K 
söhn, indem er jedesmal zu dessen Natur umgestaltet 



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VIII (Adhy&ya 32). 



67 



7. (ii48.) Darum mögest du zu allen Zeiten an mich denken 
und [deine Pflicht erfüllend] kämpfen; auf mich Sinn und 
Verstand richtend, wirst du zu mir eingehen, daran ist kein 
Zweifel. 

8. (H49.) Wer mit einem durch Studium und Yoga hin- 
gegebenen, nicht zerstreuten Geiste den höchsten, himmlischen 
Purusha überdenkt, der geht, o Sohn der Prithä, zu ihm ein. 

9. (1150.) Wer da überdenkt den alten Weisen, den 
Gebieter, den Kleinern als das Kleinste, den Schöpfer 
des Weltalls, den unausdenkbaren, sonnenfarbigen, finster- 
nisjenseitigen, 

10. (1151.) wer diesen zur Endzeit mit unentwegtem 
Geiste durch Verehrung und Yogakraft, ihm hingegeben, 
überdenkt, indem er den Präna vollständig sammelt 
zwischen den Augenbrauen, der geht zum göttlichen 
höchsten Geiste ein. 

11. (U52.) Das Unvergängliche (dksharam, auch die 
Silbe omj, welches die Vedakenner sprechen, in welches 
die leidenschaftfreien Selbstbezwinger eindringen, nach 
welchem verlangend man den Lebenswandel als Brahma- 
carin auf sich nimmt, dieses als Wort will ich dir in 
einem Inbegriffe sagen (vgl. Käth. Up. 2,15). 

12. (1163.) Wenn einer alle Pforten [des Körpers] schliefst, 
das Manas im Herzen zurückhält, seinen Lebenshauch im 
Haupte ansammelt, und so die Festigkeit im Yoga erlangt, 

13. (1154.) wenn ein solcher, die Silbe öro, welche das 
Brahman bedeutet, aussprechend und meiner dabei gedenkend, 
dahinscheidet, indem er den Leib verläfst, der geht den höch- 
sten Gang. 

14. (U55.) Wer immerfort, ohne seine Gedanken auf etwas 
anderes zu richten, unentwegt meiner gedenkt, für einen sol- 
chen beständig sich hingebenden Yogin bin ich, o Sohn der 
Prithä, leicht zu erlangen. 

15. (ii56.) Und wenn sie zu mir gelangt sind, so brauchen 
sie nicht einzugehen in eine abermalige Geburt, in eine solche 
vergängliche Behausung der Schmerzen, sie, die hohen Geistes 
die höchste Vollendung erreicht haben. 

5* 



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68 



II. BhagavadgilH. 



16. (1157.) Alle Welten bis hinauf zur Brahmanwelt sin 
[zur Erde] zurückführend, o Arjuna; wer aber zu mir eii 
geht, o Sohn der Kunti, für den gibt es keine abermalig 
Geburt mehr. 

17. (1158.) Wenn man erkannt hat, dafs ein Tag des Bral 
man die Dauer von tausend Yuga's (Weltaltern) befafst ui 
dafs seine Nacht ebenfalls tausend Yuga's durch dauert, 
die Menschen, die das erkannt haben, die wissen in Wah 
heit, was Tag und Nacht sind. 

18. (ii59.) Bricht der Tag an, so gehen aus dem U 
entfalteten alle Entfaltungen hervor, bricht die Nacht an, 
zergehen sie wieder in jenem, was das Unentfaltete heil 

19. (1160.) Diese ganze Schar der Wesen, welche w 
und immer wieder wird, zergeht, wenn die Nacht anbric 
o Sohn der Pritha, und sie entsteht wieder beim Anbru< 
des Tages, [beides] gegen ihren Willen. 

20. (ii6i.) Aber jene andere Wesenheit, welche höher 
jenes Unentfaltete, auch unentfaltet und ewig ist, die g 
nicht zugrunde, wenn auch alle Wesen zugrunde gehen. 

21. (1162.) Diese unentfaltete Wesenheit ist es, wel 
man Akshara (unvergänglich) nennt und als das höchste ! 
bezeichnet, zu welchem gelangt man nicht zurückkehrt, i 
das ist meine höchste Wohnstätte. 

22. (1163.) Das ist, o Prithasohn, jener höchste Purui 
der durch eine nur ihm zugewandte Verehrung ergriffen w 
der alle Wesen in sich befafst und durch den dieses gj 
Weltall ausgebreitet ist. 

23. (U64.) Zu welcher Zeit aber hinscheidend die Yo£ 
zur Nichtwiederkehr oder aber zur Wiederkehr gelangen, 
Zeit, o Stier der Bharata's, will ich dir sagen. 

24. (lies.) Das Feuer als Licht, der Tag, die helle Mor 
hälfte, die sechs Monate, da die Sonne nach Norden geh 
auf diesem Wege [dem Götterwege] fortziehend, gehen 
brahmanwissenden Menschen zu Brahman ein. 

25. (1166.) Der Rauch, die Nacht, die dunkle Monatshi 
die sechs Monate, da die Sonne nach Süden geht, — 
diesem Wege [dem Väterwege] gelangt der Yogin zu 
Lichtreiche des Mondes und mufs wieder zurückkehren. 



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VIII (Adhy&ya 3*2). 



6<> 



26. (1167.) Diese beiden Wege, der helle und der dunkle 
[welche aus Chänd. Up. 5,3-10 = Brill. Up. 6,2 übernommen, 
aber vom Verfasser mifsverstanden werden], bestehen ewig 
für die Welt der Lebenden, auf dem einen gelangt man zur 
Nichtwiederkehr, auf dem andern kehrt man wieder zurück. 

27. (lies.) Keiner, o Prithäsohn, der als Yogin diese beiden 
Wege kennt, geht in der Irre, darum, o Arjuna, sei zu allen 
Zeiten des Yoga beflissen. 

28. (U69.) Alles, was als Frucht guter Werke für Veda- 
studium, Opfer, Askese und Almosengeben verheifsen 
wird, das alles überschreitet, dieses wissend, der Yogin 
und gelangt zu der höchsten, uranfänglichen Stätte. 

So lautet in der Bh&gav»ilgtM die Hingebung an den grofsen Geist 

(niahäpurut h a - yoga) . 

IX (AdhyAya 3»). 

Vers 1170-1204 (B. 1-34). 

Der Heilige sprach: 

1. (ii7o.) Dieses aber will ich als Geheimnisvollstes dir, 
der du mich willig anhörst, verkündigen, eine Erkenntnis, 
von Wissen begleitet, welche erkannt habend, du erlöst werden 
wirst von dem Übel. 

2. (im.) Ein Königswissen, ein Königsgeheimnis ist dieses 
höchste Läuterungsmittel, unmittelbar verständlich, heilig, 
leicht auszuführen und unvergänglich. 

3. (H72.) Menschen, welche an diese Satzung nicht glau- 
ben, o Feindbezwinger, gelangen nicht zu mir und kehren 
zurück auf dem Wege des Todes und der Seelenwanderung. 

4. (1173.) Von mir in der Gestalt des Unentfalteten ist 
diese ganze Welt ausgebreitet worden. Alle Wesen werden 
von mir, nicht aber werde ich von ihnen befafst. 

5. (1174.) Und doch werden auch wieder die Wesen nicht 
von mir befafst, da siehst du meine göttliche Zauberkunst: 
Ich trage die Wesen und bin doch nicht in den Wesen be- 
fafst, mein Selbst ist der Bildner der Wesen. 



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70 



II. BhagavadgitA. 



6. (ine.) Wie, von dem Räume befafst, der grofseWind 
immerfort nach allen Seiten streicht, so werden alle Weser 
von mir befafst, das sollst du merken. 

7. (1176.) Alle Wesen, o Sohn der Kunti, gehen zurücl 
in meine Natur (prakriti), wenn ein Kalpa (Weltperiode) t 
Ende geht, und wiederum bin ich es, der sie am Anfang de 
nächsten Kalpa erschafft. 

8. (1177.) Immer wieder und wieder schaffe ich, auf meir 
eigene Natur (prakriti) mich stützend, diese ganze Schar d< 
Wesen auch gegen ihren Willen (oben, Vers ii6o) kraft mein 
Prakriti. 

9. (1173.) Und doch binden mich diese Werke nicht, oBeut 
macher, sondern ich sitze da wie einer, der müfsig ist, ui 
bin nicht in diesen Werken befangen. 

10. (1179.) Durch mich als Aufseher [getrieben] gebi< 
die Prakriti das Bewegliche und Unbewegliche [Mensch« 
Tiere und Pflanzen], und dies ist die Ursache, o Kuntisol 
durch welche die Welt der Lebenden in Umlauf bleibt. 

11. (liso.) Gering achten mich, wenn ich in einen mens» 
liehen Leib eingehe, die Toren, welche mein höchstes S 
als grofser Gott der Weesen nicht kennen. 

12. (ii8i.) Ihr Hoffen ist eitel, ihre Werke sind eitel, 
Wissen ist eitel; unbesonnen vertrauen sie auf meine däi 
nische, widergöttliche, verblendende Prakriti. 

13. (ii82.) Aber edelgesinnte Menschen vertrauen auf m 
o Prithäsohn, auf meine göttliche Prakriti, und verehren 
entwegten Geistes das, was sie als den ewigen Ursprung 
Wesen erkannt haben. 

14. (1183.) Ohne Unterlafs preisen sie mich und str» 
zu mir festen Gelübdes, und indem sie mir gläubig huldi 
verehren sie mich in beständiger Hingebung. 

15. (1184 vacat. 1185.) Andere verehren mich, indem sh 
ihre Erkenntnis als Opfer darbringen, mich, der ich als 
heit bestehe und vielfach als Besonderheit nach allen S 
mich erstrecke. 

16. (1186.) Ich bin die Opferhandlung, bin das Götter 
und Manenopfer, ich bin der Pflanzensaft, der Spruch 
Opferbutter, das Opferfeuer und zugleich das Geopferte 



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IX (Adhy&ya 33). 



7i 



17. (1137.) Ich bin der Vater dieser Welt und die Mutter, 
der Schöpfer, der Allvater, ich bin des Wissens Inbegriff, 
das Läuterungsmittel, die Silbe Ow, bin Ric, Säman und zu- 
gleich Yajus. 

18. (H88.) Ich bin das Ziel, der Erhalter, der Herr, der 
Zeuge, die Wohnstätte , die Zuflucht, der Freund, ich bin 
Entstehen und Vergehen, der Standort, der Hort, der ewige 
Same. 

10. (ii*9.) Ich brenne [als Sonne], ich halte den Regen 
zurück und lasse ihn strömen, ich bin das Unsterbliche und 
der Tod [Götter und Menschen], bin das Seiende und das 
Nicht- Seiende, o Arjuna. 

20. (1190.) Von mir erflehen die Drei -Veda- Kenner, die 
Somatrinker, vom Bösen geläutert und das Opfer dar- 
bringend, den Weg zum Himmel, und sie gelangen zu 
der heiligen Welt des Fürsten der Götter und geniefsen 
im Himmel himmlische Götterfreuden. 

21. (ii9i.) Und nachdem sie die weite Himmelswelt 
genossen haben, kehren sie nach Verbrauch ihrer guten 
Werke zur Welt der Sterblichen zurück. In dieser Weise, 
der Satzung der drei Veden folgend und nach Wünschen 
verlangend, erlangen sie Hingehen und Wiederkommen. 

22. (ii92.) Die Menschen aber, welche, ihr Denken auf 
nichts anderes richtend, mich verehren, diesen allezeit Be- 
flissenen bereite ich Erwerb und Besitz [des Ewigen]. 

23. (1193.) Diejenigen aber, welche, anderen Göttern an- 
hängend, dieselben gläubig verehren, auch diese verehren in 
Wahrheit mich, o Kuntisohn, auch ohne dafs eine Vorschrift 
dafür vorherginge. 

24. (1194.) Denn ich bin der Geniefser und der Herr aller 
Opfer; aber sie erkennen mich nicht in Wahrheit, und darum 
sinken sie herab [im Samsära]. 

25. (1195.) Zu den Göttern gehen die, welche den Göttern 
anhängen, zu den Vätern die, welche den Vätern anhängen, 
zu den Dämonen die, welche die Dämonen fbhutaj verehren, — 
wer mich verehrt, der geht zu mir. 

26. (ii96.) Wer auch nur ein Blatt, eine Blume, eine Frucht, 
ein Wasser mir verehrungsvoll darbringt, das geniefse ich, 



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72 



II. Bhagavadgitfc. 



wenn es mir in Verehrung mit hingegebenem Geiste dar 
gebracht worden ist. 

27. (1197.) Was du tust, was du ifst, was du opferst un 
was du schenkst und was du dir als Kasteiung auferlegs 
o Sohn der Kunti, das mache zu einer Gabe an mich. 

28. (1198.) Auf diese Weise wirst du erlöst werden vo 
den an die Werke geknüpften guten und schlimmen Früchtei 
und, magst du dich der Entsagung oder der Hingebung [s 
die Werke] widmen, erlöst zu mir eingehen. 

29. (ii99.) Für alle Wesen bin ich der Gleiche, ich hal 
keinen, den ich hasse, und keinen Günstling, die aber in Ve 
ehrung mir anhängen, die sind in mir und ich bin in ihn 
(vgl. Ev. Joh. 14, Vers 20). 

30. (1200.) Und wäre einer gewesen von sehr bösem Wa 
del, der mich und nichts aufser mir verehrte, der mufs t 
ein Guter gelten, weil er sich zur rechten Gesinnung ei 
schlössen hat. 

31. (1201.) Er wird bald ein Rechtschaffener und geht < 
zum ewigen Frieden; o Kuntisohn, das lafs dir gesagt sc 
wer mir anhängt, der geht nicht verloren. 

32. (1202.) Denn die, welche auf mich vertrauen, o Pritl 
söhn, auch wenn sie von schlechter Geburt sind, auch w< 
sie Weiber oder Vaicya's oder Qüdra's sind, auch solche gel 
den höchsten Gang (Galater 3,28), 

33. (1203.) um wieviel mehr heilige Brahmanen und fron 
Königsweise ! Da du geraten bist in diese vergängliche, fre 
lose Welt, so verehre mich. 

34. (1204.) Auf mich richte deinen Geist, mir huldige, 
opfere, mich verehre, so wirst du, in dieser Weise dich 
hingebend und mich über alles schätzend, zu mir einge 

So lautet in der Bbagavadglta 
die Hingebung an daa Künigswiaeeu und KOuigsgebeinmis 

(rdjatidyd ■ rdjayuhya - yoga). 



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X (Adhy&ya 34). 



73 



X (Adhyftya 34). 

Vers 1205-124« (B. 1—42). 

Der Heilige sprach: 

1. (1205.) Noch weiter, o Grofsarmigcr , vernimm meine 
allerhöchste Rede, welche ich dir, den ich liebe, mitteilen 
will aus Wold wollen für dich. 

2. (1206.) Nicht die Scharen der Götter, nicht die grofsen 
Weisen kennen meinen Ursprung, denn ich bin der Anfang 
der Götter und der grofsen Weisen allüberall. 

3. (1207.) Wer mich weifs als den Ungeborenen, den An- 
fanglosen, als den grofsen Herrn der Welt, der lebt unter 
den Menschen ohne Verblendung und wird von allem Bösen 
erlöst. 

4. (1208.) Verstand, Wissen, Besonnenheit, Geduld, Wahr- 
haftigkeit, Bezähmung, Ruhe, Lust, Schmerz, Entstehen und 
Nichtsein, Furcht und Furchtlosigkeit, 

5. (1209.) Schonung, Gleichmut, Zufriedenheit, Askese, 
Freigebigkeit, Ehre und Schande, — alle diese einzelnen Zu- 
stände (bhäväh) der Wesen entspringen aus mir. 

6. (i2io.) Meines Wesens sind die sieben vorweltlichen 
grofsen Weisen und die vier Manu's, sie sind meine geistigen 
Söhne, deren Weltschöpfung diese Wesen sind. 

7. aaii.) Wer diese meine Machtentfaltung und Zauber- 
kunst fyogaj in Wahrheit erkennt, der wird mit unerschütter- 
lichem Yoga angetan, daran ist kein Zweifel. 

H. (1212.) Ich bin der Ursprung des Weltalls, aus mir ent- 
wickelt sich das Weltall, das wissen die Weisen und ver- 
ehren mich, in Liebe mir hingegeben. 

9. (1213) An mich denkend und mir das Leben hingebend, 
ermahnen sie sich gegenseitig, rühmen mich fort und fort 
und finden in mir ihre Befriedigung und Freude. 

10. (12U.) Solchen Menschen, wenn sie, auf Grund ihrer 
Liebe zu mir, mir immerfort hingegeben und anhänglich sind, 
verleihe ich jene Vertiefung der Erkenntnis, durch welche 
sie zu mir gelangen. 



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74 



II. lihagavadgitä. 



1 1 . (1215.) Und aus Mitleid mit ihnen gehe ich in ihr Wesen 
ein und vernichte die aus dem Nichtwissen entsprungene 
Finsternis durch die leuchtende Fackel der Erkenntnis. 

Arjuna sprach: 

12. (1216.) Das höchste Brahman, die höchste Stätte, da» 
höchste Läuterungsmittel bist du, o Herr; für den ewigen 
himmlischen Purusha, für den Urgott, den ungeborenen, all 
durchdringenden, 

13. (1217.) erklären dich alle die Weisen und der Göttei 
weise Närada nebst Asita, Devala und Vyasa, und auch d 
selber sagst es mir. 

14. (1218.) Alles das nehme ich als wahr an, was du m 
sagst, o Vollhaariger, denn weder Götter noch Dämone 
o Heiliger, kennen deine Entstehung. 

15. (1219.) Nur du allein kennst dich selbst durch di 
selbst, o höchster Geist, du Wesenbildner, du Wesenherr, 
Göttergott, du Weltgebieter. 

16. (1220.) So sage es mir ohne Vorbehalt, denn him 
lisch sind deine Machtentfaltungen, durch welche Mac 
entfaltungen du, die Welten durchdringend, dastehst. 

17. (1221.) Wie kann ich als Yogin dich erkennen, t 
über sinnend für und für, und in welcherlei Wesensfon 
bist du, o Heiliger, von mir zu überdenken? 

18. (1222.) Erkläre mir noch mehr, o Janärdana, in * 
führlichkeit deine Zauberkunst fyogaj und Machtentfalti 
denn wenn ich dir zuhören darf, bietet mir selbst Ambr 
kein Genüge mehr. 

Der Heilige sprach: 

19. (1228.) Wohlan! ich will sie dir verkünden, denn Iii 
lisch sind meine Entfaltungen, — im ganzen und grc 
o Bester der Kuru's, denn meiner Ausbreitung ist kein 1 

20. (1224.) Ich bin, o Lockiger, die Seele, die in der 
aller Wesen weilt, ich bin der Anfang der Wesen, bin 
Mitte und ihr Ende. 

21. (1225.) Ich bin Vishnu unter den Aditya's, bin 
den Lichtern die strahlende Sonne, bin Marici untei 
Marut's, ich bin unter den Gestirnen der Mond. 



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X (Adhyäya 34). 



75 



22. (1226.) Ich bin der Sämaveda unter den Veden, bin 
Vasava (Indra) unter den Göttern, das Manas unter den Sinnes- 
organen, der Geist in den Wesen. 

23. (1227.) Ich bin Qankara (Qiva) unter den Rudra's, bin 
der Schätzeherr (Kubera) unter den Yaksha s und Rakshas', 
der Gott des Feuers unter den Vasu's, der Götterberg Meru 
unter den Bergen. 

24. (1229.) Unter den Hauspriestern, o Prithäsohn, wisse, 
bin ich Brihaspati, unter den Heerführern Skanda (Kriegsgott), 
unter den Wassern der Ozean. 

25. (1229.) Ich bin Bhrigu unter den grofsen Weisen, bin 
die eine Silbe fomj unter den Worten, unter den Opfern bin 
ich das Opfer des Murmeins, unter den Bergen bin ich der 
Himälaya. 

2b*. (1230.) Unter allen Bäumen bin ich der Acvattha (Ficus 
religiosaj, unter den Götter weisen Närada, unter Gandharva's 
Citraratha, unter den Seligen der rote Weise [kapäo munih, 
vgl. (Jvet. Up. 5,2; der rote Weise ist Hiranyagarbha]. 

27. (1231.) Unter den Rossen wisse mich als Uccaihcravas, 
der zugleich mit dem Amritam entstand, unter den edelsten 
Elefanten als Airävata, unter den Menschen als König. 

28. (1232.) Unter den Waffen bin ich der Donnerkeil, unter 
den Kühen die himmlische Wunschkuh, ich bin der zeugende 
Liebesgott, bin Väsuki unter den Reptilien. 

29. (123a.) Unter den Schlangen bin ich Ananta (Schlange 
des Vishnu), unter den Seeungeheuern Varuna, unter den ab- 
geschiedenen Vätern bin ich Aryaman, unter den Zwingherren 
Yama (der Höllenfürst). 

30. (1234.) Unter den Daitya's bin ich Prahläda, für die 
Zählenden bin ich die Zeit, unter den Waldtieren der Löwe, 
unter den Vögeln der Vogel des Vishnu. 

31. fi235.) Ich bin der Wind unter den Luftreinigern, 
lläma unter den Waffenträgern, unter den Meertieren bin ich 
der Delphin, unter den Flüssen die Ganga. 

32. (1236.) Ich bin Anfang, Mitte und Ende der Schöpfungen, 
unter den Wissenschaften bin ich das Wissen vom höchsten 
Atman, ich bin die These der Disputierenden. 



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7G 



II. BhagavadgM. 



33. (1237.) Unter den Lauten bin ich der a-Laut, unter 
den zusammengesetzten Wörtern die kopulative Zusammen- 
setzung (dvandaj, ich bin die unvergängliche Zeit, ich bin 
der Schöpfer mit Angesichtern nach allen Seiten. 

34. (1238.) Ich bin der alles dahinraffende Tod, ich bin 
die Entstehung dessen, was entsteht, ich bin unter den weib- 
lichen Götterwesen die Ehre, die Schönheit und die Rede, 
die Erinnerung, die Weisheit, die Festigkeit und die Geduld. 

35. (1239.) Unter den Säman's bin ich das Brihatsaman, 
unter den Metren die Gäyatri, unter den Monaten der Marga- 
cirsha (der erste Monat im Jahre), unter den Jahreszeiter 
bin ich die Blumenreiche. 

36. (1240.) Unter dem, was trügt, bin ich das Würfelspiel 
ich bin der Glanz der glänzenden Dinge, ich bin der Sie^ 
die Entschlossenheit, die Güte (sattvamj der Guten. 

37. (1241.) Unter den Vrishnisöhnen bin ich Vasude> 
(Krishna), unter den Pandava's bin ich der Beutemach 
(Arjuna), unter den Weisen bin ich Vyasa, unter den Meiste 
bin ich der Meister Ucanas. 

38. (1242.) Ich bin die Rute der Züchtigenden, bin t 
Staatsklugheit der nach Sieg Strebenden, das Schweigen < 
Geheimnisse, bin das Wissen der Wissenden. 

39. (1243.) Und was bei allen lebenden Wesen der Sa 
ist, das bin ich, o Arjuna; es gibt kein W r esen, bewegl 
oder unbeweglich, welches ohne mich wäre. 

40. (1244.) Kein Ende ist meiner himmlischen Ma< 
entfaltungen , o Feindbezwinger, und nur andeutungsw 
habe ich dir diese Auseinandersetzung meiner Machten tfalt 
mitgeteilt. 

41. (1245.) Alles, was mächtig und gut, alles, was s< 
und kraftvoll ist, das alles, sollst du wissen, entsteht alt 
Teil aus meiner Kraft. 

42. (1246.) Aber was soll dir dieses vielerlei Wissen, < 
juna! Ich beharre und trage mit einem Teile von mi 
ganze Welt der Lebenden. 

So lautet in der BbagavadgltA die Zauberkunst der BUcbtentf&ltt&ng 

(rihhuti-yoga). 



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XI (Adhyaya 35). 



77 



XI (Adhyftya 35). 

Vers 1247-1301 (B. 1-55). 
Arjuna sprach : 

1. (1247.) Dieweil du aus Gnade gegen mich diese höchste 
geheimnisvolle Rede, die da heifst die Rede vom höchsten 
Atman, mitgeteilt hast, darum ist meine Betörung von mir 
gewichen. 

2. (12*8.) Denn ich habe ausführlich nun vernommen den 
Ursprung und Vergang der Wesen von dir, o Lotosaugiger, 
und die unvergängliche Majestät. 

3. (ri4u.) So wie du nun in dieser Weise dich selbst ge- 
schildert hast, o höchster Gott, so möchte ich deine göttliche 
Gestalt schauen, du höchster Geist. 

4. (1250.) Wenn du es für möglich hältst, dafs dieselbe 
von mir gesehen wird, o Gebieter, dann zeige du mir, o Herr 
des Yoga, dein unvergängliches Selbst. 

Der Heilige sprach : 

5. (1251.) Siehe, o Prithäsohn, meine Gestalten hundert- 
fach und tausendfach, die mannigfaltigen, himmlischen, welche 
mancherlei Farben und Formen zeigen. 

6. (1252.) Siehe die Aditya's, die Vasu's, die Rudra's, die 
AcvüVs und die Marut's, siehe, o Bhärata, viele nie zuvor 
gesehene Wundergestalten, 

7. Q253.) siehe hier gegenwärtig vereinigt die ganze Welt 
des Beweglichen und Unbeweglichen in meinem Leibe, 
o Lockiger, und was du sonst noch zu sehen wünschst. 

8. ri254.) Aber du wirst mich nicht mit diesem deinem 
eigenen Auge sehen können [lies: {-alcshyasc mit Schlegel]; 
ich gebe dir ein himmlisches Auge, mit dem sollst du meine 
göttliche Zauberkunst sehen. 

Sanjaya (der Erzähler) sprach: 

9. (1256.) Nachdem so, o König, der Herr der grofsen 
Zauberkraft Hari (Vishnu-Krishna) gesprochen hatte, zeigte 
er dem Sohne der Prithä seine höchste göttliche Gestalt, 



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78 



11. Bhagavadgitfi. 



10. (1256.) mit vielen Mündern und Augen, mit vielen 
wunderbaren Anblicken, mit vielem himmlischem Schmucke, 
mit himmlischen gezückten Waffen von mancherlei Art, 

11. (1257.) ihn, den mit himmlischen Kränzen und Ge- 
wändern angetanen, mit himmlischen Wohlgerüchen gesalb- 
ten, alle Wunder in sich befassenden, unendlichen, nach 
allen Seiten seine Angesichter kehrenden Gott. 

12. (1258.) Wenn am Himmel auf einmal der Glanz voi 
tausend Sonnen sich erhöbe, ein solcher Glanz würde ähn 
lieh sein dem Glänze jenes Hochsinnigen. 

13. (1259.) Daselbst schaute der Sohn des Pändu in der 
Leibe des Gottes der Götter die ganze Welt in einem befaL 
in ihren mannigfachen Teilen. 

14. (1260.) Und von Erstaunen erfüllt, mit gesträubte 
Haare, verneigte sich der Gewinner der Güter mit seine 
Haupte vor dem Gotte, legte seine Hände zusammen ui 
sprach: 

Arjuna sprach: 

15. (1261.) Ich sehe, o Gott, in deinem Leibe alle Göt 
und die Schar der mannigfachen Wesen, den Gotthe 
Brahman auf seinem Lotossitze und alle Rishf 8 und 
himmlischen Schlangengötter. 

16. (1262.) Ich sehe dich mit vielen Armen, Leibt 
Mündern und Augen, deine Gestalt nach allen Seiten 
Unendliche erstreckend, kein Ende, keine Mitte und kei 
Anfang deiner sehe ich, o Allgott, Allgestal tiger. 

17. (1263.) Mit Diadem, mit Keule und mit Disku 
einer Fülle von Glanz, nach allen Seiten hinflamm 
sehe ich dich, den schwer zu Schauenden, den nach s 
Seiten wie flammendes Feuer und Sonnen Strahler 
Unermefslichen. 

18. (1264.) Du bist das höchste Unvergängliche, 
soll man wissen, du bist der höchste Hort dieser g£ 
Welt, du bist der unwandelbare Hüter der ewiger 
setze, du bist von mir erkannt worden als der u 
gängliche Purusha. 

19. (1265.) Ich sehe dich als ohne Anfang, Mitt 
Ende, von unendlicher Tapferkeit, mit unendlichen A 



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XI (Adhy&ya 35). 



79 



mit Sonne und Mond als Augen, mit dem lohenden Opfer- 
feuer als Mund, mit deiner Glut das ganze Weltall durch- 
glühend. 

20. (1266.) Alles dies hier, was zwischen Himmel und 
Erde liegt, und alle Weltenräume sind erfüllt von dir, 
dem Einen. Die Drei weit, o Hochsinniger, sieht diese 
deine wunderbare, furchtbare Gestalt und erzittert. 

21. (1267.) Hier diese Scharen von Göttern gehen ein 
in dich, und andere, voll Furcht, lobsingen dir mit zu- 
sammengelegten Händen; „sei uns gegrüfst", so sprechen 
Scharen von grofsen Weisen und Vollendeten, und preisen 
dich mit überströmenden Lobgesängen. 

22. (1268.) Die Rudra's, Aditya s, Vasu s und Sädhya s, 
die Vicve Deväh, dio beiden Acvin's, die Marut's, die 
Geniefser der Totenspende, die Gandharva's, Yaksha's, 
Asura's und Siddha's, in Scharen schauen sie dich an 
und alle staunen. 

23. (1269.) Deine grofse Gestalt, deine vielen Münder 
und Augen, o Grofsarmiger, deine vielen Arme, Schenkel 
und Füfse, deine vielen Leiber, deine vielen, klaffenden 
Zähne, — die Welten sehen sie und erbeben, und so 
auch ich. 

24. (1270.) Wenn ich dich sehe, wie du bis zum Himmel 
aufreichst, flammend und vielfarbig, mit aufgerissenem 
Rachen, mit glühenden grofsen Augen, so erzittert meine 
innere Seele, o Vishnu, und ich finde keine Fassung und 
keine Ruhe. 

25. (1271.) Und wenn ich deine Münder mit klaffendem 
Gebifs sehe, wie sie dem W'eltuntergangsfeuer vergleich- 
bar sind, so unterscheide ich die Himmelsrichtungen nicht 
mehr und finde mir keine Rettung; sei gnädig, o Herr 
der Götter, der du die Welt der Lebenden erfüllst! 

26. (1272.) Auch sie [gehen ein] in dich, die Söhne 
dort des Dhritaräshtra, alle mitsamt den übrigen Scharen 
der Erdeherren, Bhishma und Drona und jener Wagen- 
lenkersohn (Karna), und ebenso die auf unserer Seite 
stehenden vorzüglichsten Kämpfer, 



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80 



II. ßhagavadgltä. 



27. (1273.) sie alle stürzen eilig in deine zähneklaffen- 
den furchtbaren Rachen, und manche von ihnen scheinen 
schon mit zermalmten Häuptern zwischen deinen Zähnen 
zu hängen. 

28. (1274.) "Wie die vielen Wasserstürze der Ström« 
auf den Ozean zueilen, so stürzen diese Helden der Men 
schenwelt in deine ringsum flammenden Rachen. 

29. (1275.) Wie Mücken sich zu ihrem Verderben m : 
beschleunigter Eile in ein flammendes Feuer stürzen, s 
stürzen sich die Welten zu ihrem Verderben mit b« 
schleunigter Eile in deine Rachen. 

30. (1276.) Du züngelst, indem du die gesamten W< 
ten ringsum in deine glühenden Rachen hineinschling 
und deine furchtbaren Flammen, o Vishnu, erfüllen r 
ihrem Lichtglanz die ganze Welt und setzen sie 
Gluten. 

31. (1277.) Erkläre mir, wer du bist, der du di 
furchtbare Gestalt trägst, Verehrung sei dir, o hoch* 
Gott, sei mir gnädig! Dich, den Uranfänglichen, möc 
ich erkennen, denn ich begreife nicht, wie du dich 
tätigst. 

Der Heilige sprach: 

32. (1278.) Ich bin die Zeit, welche in ihrem Fortsei 
ten den Untergang der Welt bewirkt, und betätige i 
hienieden darin, dafs ich die Menschen hinwegraffe ; 
auch ohne dich würden sie alle nicht am Leben ble 
sie, welche in Schlachtreihen als Kämpfer gegeni 
stehen. 

33. (1279.) Deshalb erhebe dich, erwirb dir Ruhm 
siege die Feinde, geniefse die glückliche Herrs« 
Schon längst sind diese hier von mir erschlager 
sollst nur mein Werkzeug sein, du auch mit der 1 
Hand Gewandter. 

34. (1280.) Drona, Bhishma, Jagadratha, Earn; 
die anderen Kampfeshelden sind schon von mir ersch 
so erschlage du sie ohne Zagen; kämpfe, denn du 
die Widersacher in der Schlacht besiegen. 



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XI (Adhyaya 35). 



81 



Sanjaya (der Erzähler) sprach: 

35. (i :8i.) Als dieses Wort des Vollhaarigen der Diadem- 
träger mit zusammengelegten Händen und zitternd gehört 
hatte, da sprach er in Ehrfurcht weiter zu Krishna mit 
stammelnder Stimme, voll Angst und Schrecken, indem 
er sich verneigte. 

Arjuna sprach: 

36. (1282.) Mit Recht geschieht es, o Struppiger, dafs 
die Welt bei deinem Namen sich erfreut und an ihm 
hängt, dafs die bösen Geister von Furcht ergriffen nach 
allen Seiten fliehen und dafs alle Scharen der Vollendeten 
dir Verehrung zollen. 

37. (1283.) Und wie sollten sie sich dir nicht beugen, 
o Hochsinniger, der du älter selbst als der Gott Brah- 
män, der du der Urschöpfer bist; du, o unendlicher Herr 
der Götter und Welterfüller, du bist jenes Höchste, Un- 
vergängliche, das da ist und zugleich nicht ist. 

38. (1284.) Du bist der Erstlingsgott, der Purusha, der 
Alte, du bist der höchste Hort dieses Weltalls, der Wisser 
alles Wifsbaren und die höchste Stätte; durch dich ist 
dieses Weltall ausgebreitet, o Unendlichgestalteter. 

39. (1285.) Du bist Vayu, Yama, Agni, Varuna und 
der Mondgott, du bist Prajäpati und der Ururvater der 
Welt. Verehrung sei dir, Verehrung tausendfach und 
abermals und weiter Verehrung um Verehrung! 

40. (1286.) Verehrung sei dir von Osten und von Westen, 
Verehrung dir von allen Seiten, du Allseitiger! Unend- 
lich ist deine Kraft, unermefslich dein Heldentum, du 
durchdringst die Welt nach allen Seiten, darum bist du 
der Allseitige. 

41. (1287.) Wenn ich, dich blofs für einen Freund 
haltend, ohne Umschweife zu dir geredet habe mit den 
Worten : „du Krishna, du Yadava, du, der du mein Freund 
bist"; wenn ich in dieser Weise, da ich diese deine Maje- 
stät nicht kannte, aus Unbedacht oder mit Vertraulich- 
keit gesprochen habe, 

Diuin», MahibhAraUm. 6 



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II. Bhagavadgita. 



42. (1288.) oder wenn ich scherzweise dir beim Lust 
wandeln, Lagern, Sitzen oder Speisen nicht die gebührend« 
Ehre erwiesen habe , sei es dafs du allein mit mir warst 
o Unerschütterlicher, oder in Gegenwart von diesen dor 
so bitte ich dich um Verzeihung, dich, den Unermefslichei 

43. (1289.) Du bist der Vater der Welt, des Bewe;. 
liehen und Unbeweglichen, du von ihr zu verehren a 
Meister und mehr als Meister; dir ist keiner gleich, vi 
weniger überlegen in den drei Welten, o unvergleichli« 
Gewaltiger. 

44. (1290.) Darum neige ich mich, werfe meinen L< 
vor dir nieder und bitte dich, den preiswerten Gotther 
um Gnade ; wie der Vater mit dem Sohne, wie der Freu 
mit dem Freunde, wie der Liebende mit der Gelieb 
mögest du, o Gott, mit mir Nachsicht haben. 

45. (1291.) Ich bin entzückt, indem ich sehe, was 
früher nie gesehen, und zugleich ist mein Geist vonFui 
erschüttert. Zeige mir, o Gott, diese deine Gestalt, 
zeige mir die Gnade, du Gottherr, der du die Welt 
Lebenden erfüllst. 

46. (1292.) Mit dem Diadem, mit der Keule, mit 
Diskus in der Hand möchte ich dich auch einmal sc 
erscheine mir in dieser Gestalt, mit vier Armen, o Taus 
armiger, Allgestaltiger. 

Der Heilige sprach: 

47. (1293.) Aus Gnade, o Arjuna, habe ich dir 
meine höchste Gestalt gezeigt durch meines Sei 
Zauberkraft, die aus Glanz bestehende, volle, unend 
uranfängliche, welche aufser dir keiner je an m 
schaut hat. 

48. (1294.) Nicht durch Veda, Opfer und SU 
nicht durch Schenken, nicht durch Zeremonien , 
durch furchtbare Askese kann ich in solcher < 
in der Menschenwelt gesehen werden aufser vc 
o Kuruheld. 

49. (1295.) Keine Bestürzung, kein verwirrtes 
soll dich überkommen, wenn du diese meine so 



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XI (Adhyaya 35). 



83 



bare Gestalt sehen wirst; befreit von Furcht vielmehr 
und erfreuten Herzens sollst du diese meine Gestalt 
schauen. 

Saiijaya (der Erzähler) sprach: 

50. (vi9ü.) Nachdem Vasudeva mit diesen Worten dem 
Arjuna ja gesagt hatte, zeigte er ihm sodann weiter seine 
Gestalt, und da er von Furcht erfüllt wurde, flöfste er 
ihm wieder Mut ein, indem er wiederum in seiner milden 
Gestalt erschien, der Hochherzige. 

Arjuna sprach: 

51. (1297.) Indem ich, o Janärdana (Heimsucher der Men- 
schen), diese deine menschliche und milde Gestalt wiederum 
sehe, bin ich nun wieder zur Besinnung gelangt und zu mir 
selbst zurückgekommen. 

Der Heilige sprach: 

52. (1293.) Jene schwer zu schauende Gestalt, in der du 
mich gesehen hast, — auch die Götter sind allezeit verlangend, 
mich in dieser Gestalt zu schauen. 

51). (1299.) Nicht durch Veden, nicht durch Askese, nicht 
durch Gaben und nicht durch Opfer kann einer es erreichen, 
mich in der Gestalt zu schauen, in der du mich erblickt hast. 

54. (lsoo.) Aber durch Verehrung, die mir allein gewidmet 
ist, kann einer, o Arjuna, in dieser Weise mich erkennen, 
mich schauen, wie ich bin, und in mich eingehen, o Schreck 
der Feinde. 

55. (lsoi.) Wer raeine W r erke tut, mich als das Höchste 
hat und mich verehrt ohne Anhänglichkeit an die Welt, wer 
ohne Feindschaft ist gegen alle Wesen, der kommt zu mir, 
o Pändusohn. 

So UuUt in der BhagavadglU da« Kchaacii der Allgektu.lt 

(li^rarüj a - dar^anam). 



6* 



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II. Bhagavadgitä. 



XII (Adhy&ya 36). 

Vers 1302-1321 (B. 1-20). 
Arjuna sprach: 

1. (1302.) Die, welche in dieser Weise immerfort hingegebe 
dir in Verehrung huldigen, und die, welche dem Unvergän^ 
liehen, Unoffenbaren huldigen, welche von diesen sind a 
meisten der Hingebung fyogaj kundig? 

Der Heilige sprach: 

2. (1303.) Die, welche ihren Geist in mich vertiefen u 
mich in beständiger Hingebung verehren, erfüllt von d 
höchsten Glauben, diese sind es, welche ich für die mir 
meisten Hingegebenen erachte. 

3. (13W.) Die hingegen, welche das Unvergängliche, 1 
aussprechliche , Unoffenbare verehren, das Allgegenwär 
und Unausdenkbare, das Allerhöchste, Unwandelbare, F< 

4. (1305.) indem sie die Schar der Sinnesorgane band 
und auf alle Dinge mit Gleichmut blicken, auch diese an 
Wohlsein aller Wesen sich Freuenden gelangen siehe 
zu mir. 

5. (1306.) Aber gröfser ist die Mühe derer, welche 
Geist an das Unoffenbare anhängen, denn nur schwer is 
unoffenbare Weg für die Verkörperten zu erlangen. 

6. (1307.) Die aber, welche alle ihre Werke auf 
werfen und mich für das Höchste erachten, mich mit 
auf nichts anderes gerichteten Hingebung meditieren, ver 

7. (1303.) für diese, die ihren Geist in mich vers« 
werde ich, o Sohn der Prithä, alsbald zum Erretter au 
Ozean des Todes und der Seelenwanderung. 

8. (1309.) Mir also gib deinen Sinn hin, in mich a 
deinen Geist, so wirst du bei mir Wohnung nehmei 
diesem Dasein, daran ist kein Zweifel. 

9. (i3io.) Kannst du aber dein Denken nicht dau* 
mich versenken, dann suche mich, o Beutemacher, wen 
durch Hingebung an die Übung zu erreichen. 



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XII (Adhyftya 3G). 



85 



10. (i3ii.) Bist du aber auch zu dieser Übung nicht fähig, 
so halte dich an die mir geweihten Werke, denn auch, wenn 
du um meinetwillen die Werke vollbringst, wirst du die Voll- 
endung erreichen. 

11. (1312.) Bist du aber auch dieses zu tun und der Hin- 
gebung an mich zu leben nicht imstande, so bezwinge deinen 
Geist und leiste wenigstens Verzicht auf die Frucht aller Werke. 

12. (1313.) Denn höher als die Übung steht das Erkennen, 
höher als das Erkennen die Meditation, höher als die Medita- 
tion die Entsagung in betreff des Lohnes der Werke, der 
Entsagung folgt der Friede auf dem Fufse. 

13. (1314.) Wer gegen alle Wesen ohne Hafs, freundschaft- 
lich gesinnt und mitleidvoll ist, frei von Selbstsucht und Ich- 
bewufstsein, gleichmütig in Lust und Leid, geduldig, 

14. (1315.) zufrieden, immer hingegeben, bezähmten Selb- 
stes und festen Entschlusses auf mich gerichtet mit Sinn 
und Geist und mir ergeben ist, der ist mein Freund. 

15. (1316.) Von dem die Menschen nicht beunruhigt wer- 
den und wer von Menschen nicht beunruhigt wird, wer frei 
von den Beunruhigungen der Freude, des Verdrusses und der 
Furcht ist, der ist mein Freund. 

16. (1317.) Wer, ohne die Welt zu beachten, rein, tüchtig, 
gleichgültig, frei von Erregung, auf alle Zwecke verzichtend 
sich mir hingibt, der ist mein Freund. 

17. (1318.) Wer nicht sich freut und nicht hafst, nicht 
trauert und nicht begehrt und verzichtend auf Angenehmes 
und Unangenehmes voll Hingebung ist, der ist mein Freund. 

18. (1319.) Wer gleichgültig ist gegen Feind und Freund, 
gegen Ehre und Schande, gegen Kälte und Hitze, gegen Lust 
und Schmerz, frei von Anhänglichkeit, 

11). (1320.) wer gleichmütig ist bei Tadel und bei Lob, 
still, zufrieden mit allem, wie es kommt, ohne Heimat, festen 
Glaubens und voll Hingebung, der ist mein Freund. 

20. (1321.) Die aber, welche dieses heilige, von mir mit- 
geteilte Amritam (Ambrosia) verehren und im Glauben mir 
anhängen und huldigen, die sind vor allen meine Freunde. 

So Untet io der Bb«gftT*dgtt& die Hingebung »n die Verehrung 

(bhakti • yogo). 



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II, Bhagavadgitu. 



XIII (Adhyftya 37). 

Vers 1322-1355 (B. 1-34). 
Arjuna sprach: 

(1822.)* Die Prakriti und den Purusha, den Ort und den 
Ortskenner, das Wissen und das Zuwissende, dieses wünscht 
ich zu verstehen, o Vollhaariger. 

Der Heilige sprach : 

1. (1323.) Dieser Körper, o Kuntisohn, wird als der Oi 
(kshetram) bezeichnet; den, der sich desselben bewufst is 
nennen die Kundigen den Ortskenner (kshetrajna). 

2. (1324.) Der Ortskenner, das sollst du wissen, in alle 
Orten bin ich, o Bhärata; die Erkenntnis des Orts und d 
Ortskenners, das erst ist wahre Erkenntnis, so sage ich. 

3. (1325.) Was dieser Ort ist, von welcher Art, welch 
Umwandlungen unterworfen und woher er stammt, und hi 
wiederum, wer er (der Ortskenner) ist und von welcher Mac 
das vernimm in der Kürze von mir, 

4. (1326.) wie es vielfach von den Vedadichtern in manch 
lei Liedern im einzelnen besungen worden ist, und durch, 
von Gründen begleiteten, klar dargelegten Worte der Le 
Sprüche über das Brahman (brahmasvtra). 

5. (1327.) Die grofsen Elemente, der Ahankära (der 1 
macher), die Buddhi, das Avyaktam [das Unentfaltete, 
Prakriti], die [mit Kinschlufs von Manas] elf Indriya's 
die fünf Objekte der Indriya's; 

6. (1328.) ferner Begierde, Hafs, Lust, Schmerz, das [kör 
liehe] Aggregat, Bewufstsein und Festigkeit, — damit b 
summarischer Weise der Ort (kshetram) mit seinen Umw 
lungen bezeichnet. 

7. (1329.) Demut, Ehrlichkeit, Schonung, Nachsicht, Gc 
sinnigkeit, Verehrung des Lehrers, Reinheit, Standhaft^ 
Selbstbeherrschung, 



* Dieser Vers steht in C, wird in B. als unecht bezeichnet um 
in den Separatausgaben. 



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XIII (Adhy&ya 37). 



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8. (1330.) Entsagung den Sinnendingen, Freiheit vom Ich- 
bewufstsein, Einsicht in das Leiden und die Mängel von Ge- 
burt, Tod, Alter und Krankheit, 

9. (1331.) Nicht-Anhänglichkeit [an die Welt], Nicht-Ge- 
bundensein an Kind, Weib, Haus und dergleichen, beständige 
Gleichmütigkeit der Gedanken bei erwünschten und un- 
erwünschten Wechselfällen, 

10. (1332.) unerschütterliche Verehrung für mich ohne Hin- 
gebung an einen andern, Aufsuchen einsamer Orte, Unlust zu 
menschlicher Gesellschaft, 

11. (1333.) Standhaftigkeit in der Erkenntnis des höchsten 
Selbstes und Auffassen der Wahrheitserkenntnis als Zweck, — 
dieses wird bezeichnet als das Wissen; als Nichtwissen das, 
was davon verschieden ist. 

12. (1334.) Nun will ich dir erklären, was das Zuwissende 
ist, welches erkennend man die Unsterblichkeit erlangt. Es 
ist das anfanglose höchste Brahman; dieses wird bezeichnet 
als das weder Seiende noch Nicht- Seiende. 

13. (1335.) Nach allwärts ist es Hand, Füfse, nach allwärts 
Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend, die 
Welt umfassend steht es da (= QJvct. Up. 3,10). 

14. (1336.) Durch aller Sinne Kraft scheinend und doch 
von allen Sinnen frei [bis hierher (^vet. Up. 3,17], ohne [Welt-] 
Anhänglichkeit und doch Träger des Weltalls, ohne Guna's 
und doch Geniefser der Guna's. 

15. M337.) Aufserhalb der Wesen ist es und innerhalb, 
ist das Bewegliche und das Unbewegliche; wegen seiner Fein- 
heit ist es unerkennbar, es ist das Ferne und ist das Nahe. 

16. (1338.) Ungeteilt wohnt es in den Wesen und doch 
als wäre es geteilt, es ist zu wissen als die Wesen erhaltend, 
vernichtend und hervorbringend. 

17. (1339.) Es ist auch das Licht der Lichter (Brih. Up. 
4,4,10), es wird das Finsternisjenseitige (vgl. Vaj. Samh. 31,18) 
genannt. Es ist das Wissen, das Zuwissende, durch Wissen 
zu Erlangende, es weilt im Herzen eines jeden. 

18. (1340.) Damit sind in der Kürze erklärt der Ort, das 
Wissen und das Zuwissende. Wer mich verehrt und dies 
erkennt, der geht in meine Wesenheit ein. 



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II. Wiagavadgita. 



19. (1341.) Du sollst wissen, dafs die Prakriti und ebensc 
der Purusha beide anfanglos sind ; von den Umwandlungen abei 
und den Guna's wisse, dafs sie aus der Prakriti entspringen 

20 (fehlt in C). Als Ursache von Wirkung, Werkzeu) 
(lies: karana) und Tätersein gilt die Prakriti, als Ursach 
des Geniefserseins von Lust und Schmerz gilt der Purusbi 

21. (1342.) Der Purusha, in der Prakriti weilend, geniefi 
nämlich die aus der Prakriti entsprungenen Guna's; seinB 
haftetsein mit den Guna's ist die Ursache für sein Gebore 
werden in einem guten oder schlechten Mutterschofs. 

22. (1343.) Zuschauer, Bewilliger, Erhalter, Geniefser, grofs 
Herr und höchster Atman, mit diesen Worten wird in dies« 
Leibe der Purusha, welcher der Höchste [das höchste Prinz 
ist, genannt. 

23. (1344.) Wer in dieser Weise den Purusha wie ai 
die Prakriti mitsamt ihren Guna's versteht, der wird, in welc 
Lage er sich auch immer befinden mag, nicht wieder gebo 

24. (1345.) Manche schauen mittels der Meditation | 
Yoga] das Selbst durch sich selbst in sich selbst, andere 
kennen es durch Hingebung an die Reflexion fsänkhyamj, i 
andere durch Hingebung an das [uninteressierte] Werk. 

25. (1346.) Noch andere, welche nicht in dieser Weis« 
Erkenntnis durchdringen, hören [über den Atman] vor 
deren und verehren ihn, und auch diese überschreiten 
Tod, wenn sie sich an das gehörte Vedawort als Höc 
halten. 

26. (1347.) Wo nur immer ein Wesen entsteht, eil 
bewegliches oder bewegliches, da geschieht dies durch 
bindung des Ortskenners mit dem Ort, das wisse, o Bharat; 

27. (1348.) W r er aber in allen Wesen den höchster 
wohnen sieht, der nicht vergeht, wenn sie vergehen, w- 
sieht, der ist wahrhaft sehend. 

28. (1349.) Denn indem er allerwärts denselben Gott v 
sieht, wird er nicht sich selbst durch sich selbst ve 
wollen, und so geht er den höchsten Weg. 

29. (1350.) Wer einsieht, dafs die Werke allerwä 
durch die Prakriti vollbracht werden, und dafs der 
Nicht -Täter ist, der ist wahrhaft sehend. 



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XIII (Adbyäya 37). 



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30. (1351.) Wenn einer erkennt, dafs die Besonderheit der 
Wesen in jenem Einen ihren Standort hat und von ihm her 
sich ausbreitet, der geht in das Brahman ein. 

31. (1362.) Vermöge seiner Anfanglosigkeit und Gunalosig- 
keit wird jener unvergängliche höchste Atman, obgleich er 
im Leibe weilt, o Kuntisohn, doch nicht zu einem Täter und 
wird nicht befleckt. 

32. (1353.) Wie der alldurchdringende Äther wegen seiner 
Feinheit nicht befleckt wird, so wird auch der den ganzen 
Körper durchdringende man doch nicht durch ihn befleckt. 

33. (1354.) So wie die eine Sonne diese ganze Welt er- 
leuchtet, so erleuchtet, o Bhärata, der Ortsbewohner den ganzen 
Ort (Leib). 

34. (1355.) Wer mit dem Auge der Erkenntnis in dieser 
Weise die Verschiedenheit des Ortes und des Ortskenners, 
sowie die Losgelöstheit der Wesen von der Prakriti erkannt 
hat, der geht zum Höchsten ein. 

8o Uutet in der DhagArsdglt* 
die Hingebung an die Unterscheidung von Ort und Ortekenner 
(kthttra • kthttraj'-a - cibhdga-tjoya}. 



XIV (Adhy&ya 38). 

Vers 125G-1382 (B. 1 — 27). 

Der Heilige sprach: 

1. (1356.) Als Höchstes will ich dir weiter verkündigen 
die Wissenschaft, welche von allen Wissenschaften die oberste 
ist, und durch deren Erkenntnis alle Muni's von hier zur 
höchsten Vollendung eingegangen sind. 

2. (1357.) Indem sie, auf diese Wissenschaft gestützt, zur 
Wesenseinheit mit mir gelangt sind, werden sie bei der Neu- 
schöpfung der Welt nicht wiedergeboren und brauchen beim 
Weltuntergang nicht zu zittern. 

3. (1358.) Mein Mutterschofs ist das grofse Brahman [lüer 
die Prakriti bedeutend], in dieses lege ich den Keim, und 
daraus geschieht die Entstehung aller Wesen, o Bharata. 



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90 



IL. Bhagavadgitä. 



4. (13G9.) Was auch immer für Gestalten in allen Mutter- 
sehöfsen entstehen mögen, für sie alle ist der Mutterschofs das 
grofse Brahman, und ich bin der den Keim verleihende Vater. 

5. (1360.) Sattvam, Kajas und Tamas, das sind die 
Guna's, welche aus der Prakriti hervorgehen; sie sind es. 
o Grofsarraiger, welche in dem Leibe den unvergänglicher 
Träger des Leibes gebunden halten. 

6. (i36i.) Unter diesen ist das Sattvam vermöge seine 
Makellosigkeit erhellend und leidlos, es bindet durch die Be 
rührung mit der Lust und durch Berührung mit der Erkennt 
nis, o Untadeliger. 

7. (1362.) Das Rajas, wisse, ist seinem Wesen nach Leidei 
schaft und entspringt aus Berührung mit der Begierde (Irishna 
es bindet, o Kuntisohn, den Leibträger durch die Berührur 
mit den Werken. 

8. (1363.) Das Tamas, wisse, entspringt aus dem Niel 
wissen und wirkt betäubend auf alle Leibträger; es bindet di 
selben, oBhärata, durch Unbesonnenheit, Schlaffheit und Sehl 

0. (1364.) Das Sattvam bringt in Berührung mit der Lu 
das Rajas mit dem Werke, o Bharata, das Tamas hinge«, 
umhüllt das Bewufstsein und bringt daher in Berührung i 
der Unbesonnenheit. 

10. (1365.) Das Sattvam entsteht, o Bharata, indem 
Rajas und Tamas überwältigt, das Rajas, indem es SaUA 
und Tamas, das Tamas, indem es Sattvam und Rajas ül 
wältigt. 

11. (1366.) Wenn durch alle [Sinnes-] Pforten in die 
Leibe das Licht als Erkenntnis eindringt, dann nimmt 
Sattvam überhand, das mufs man wissen. 

12. (1367.) Begierde, Tätigkeit, Unternehmen von Wer 
Unruhe, Verlangen, diese sind es, welche entstehen, wenr 
Rajas überhand nimmt, o Bester der Bharata's. 

13. (1368.) Verdunkelung, Untätigkeit, Unbesonner 
Verblendung, diese entstehen, wenn das Tamas über 
nimmt, o Kurusprofs. 

14. (1369.) Wenn der Verkörperte dahinscheidet, nac 
das Sattvam überhand genommen hat, dann gelangt * 
den fleckenlosen Welten der Weisesten. 



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XIV (Adhy&ya 38). 



91 



15. (1370.) Stirbt einer unter der Herrschaft des Kajas, so 
wird er unter werkhaften Menschen wiedergeboren; kommt 
er um unter der Herrschaft des Tamas, so wird er in dumpfen 
Mutterschöfsen wiedergeboren. 

16. (1371.) Die Frucht des guten Werkes gilt für sattva- 
haft und fleckenlos, die Frucht des Rajas ist Leiden, die Frucht 
des Tamas Nichtwissen. 

17. (1372.) Aus dem Sattvam entsteht Wissen, aus dem 
Rajas Begierde, aus dem Tamas Unbesonnenheit und Ver- 
blendung, sowie das Nichtwissen. 

18. (1373.) Nach oben gehen die im Sattvam Stehenden, 
in der Mitte weilen die Rajashaften, die in der Betätigung 
des untersten Guna lebenden Tamashaften gehen nach unten. 

19. (1374.) Wenn einer als Einsichtiger erkennt, dafs kein 
anderer Täter als die Guna's vorhanden ist, und wenn er den 
weifs, der erhaben über die Guna's ist, der geht in meine 
Wesenheit ein. 

20. (1375.) Der Verkörperte, diese drei Guna's, die der 
Ursprung des Körpers sind, hinter sich lassend, wird von 
Geburt, Tod, Alter und Leiden befreit und erlangt die Un- 
sterblichkeit. 

Arjuna sprach: 

21. (1376.) Mit welchen Merkmalen, o Herr, ist der be- 
haftet, der diese drei Guna's überschritten hat? Welcher Art 
ist sein Wandel und wie kann er über diese drei Guna's 
hinausgelangen ? 

Der Heilige sprach: 

22. (1377.) Wenn einer, o Pändusohn, Erhellung, Tätig- 
keit und Verblendung [dio Aufserungen der drei Guna's] 
nicht hafst, wo sie ihm entgegentreten, und nicht ersehnt, 
wo sie ihm fehlen, 

23. (1378.) wenn er, gleichwie ein Müfsiger dasitzend, 
durch die Guna's nicht aus der Fassung gebracht wird, und 
in der Erkenntnis, dafs nur die Guna's es sind, die ihr Wesen 
treiben, abseits steht, ohne bewegt zu werden, 

24. (1379.) wenn er gleichmütig in Leid und Lust in sich 
feststehend, Erdklumpen, Steine und Gold für einerlei haltend, 



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92 



II. Bhagavadgita. 



Liebes und Unliebes für gleich erachtend, standhaft bleibt und 
gleichgültig dagegen, ob man ihn tadelt oder lobt, 

25. (1880.) wenn er gleichmütig ist bei Ehre und Unehre, 
gleichmütig zwischen den Parteien der Feinde und Freunde 
und auf alle Unternehmungen verzichtet, ein solcher hat die 
Guna's überwunden. 

26. (1381.) Und wer mit unentwegter hingebender Ver- 
ehrung mir anhängt, der ist, nachdem er jene Guna's über- 
wunden hat, tauglich zur Brahmanwerdung. 

27. (138-2.) Denn ich bin das Fundament des unsterblichen, 
unvergänglichen Brahman, der ewigen Satzung und der un- 
getrübten Seligkeit. 

So lftut«t in der BbayavadgttA 
die Hingebung an die Unterscheidung der drei Gun»*a 

(jfuna - traya - tibhdga - yoga) . 

XV (AtlhyAya 39). 

Vers 1383-1402 (B. 1-20). 

Der Heilige sprach: 

1. (1383.) Es ist (Käth. Up. 6,1) die Rede von dem un- 
vergänglichen Acvatthabaum (Ficus rcligiosaj*, welcher die 
Wurzel oben und die Zweige nach unten hat; seine Blätter 
sind die heiligen Lieder, wer ihn kennt, der ist vedakundig. 

2. (1381.) Seine Aste erstrecken sich nach oben und 
nach unten, aus den Guna's erwachsend, seine Zweige 
sind die Sinnendinge; nach unten zu strecken sich au: 
seine Wurzeln, getrieben durch die Werke, in der Men 
sehen weit. 

3. (1385.) Zwar wird seine Gestalt hienieden nicht, wi 
sie geschildert wird, erkannt, nicht sein Ende, nicht sei 
Anfang und nicht sein Standort, aber indem man jene 
Acvattha mit wohl erstarkter Wurzel durch das fest 
Messer der Nichtanhänglichkeit [an die Welt] abschneide 



* Schon der Verfasser scheint irrtümlich an den Nyagrodha ( Ficus indic> 
zu denken ; Tgl. die Anmerkung zu Kath. Up. 6,1, Sechzig Upanishad's S. 26 



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XV (Adhyäya 30). 



93 



4. (1386.) soll man sodann jene Stätte ausforschen, zu 
welcher eingegangen man nicht wieder zurückkehrt, mit 
dem Gedanken: zu ihm, dem uranfänglichen Purusha, 
nehme ich meine Zuflucht, von welchem die alte Welt- 
entwicklung ausgegangen ist. 

5. (1387.) Frei von Dünkel und Wahn nach Besiegung 
der Sünde der Weltanhänglichkeit, beständig in dem 
höchsten Ätman, die Begierden verabschiedend, von den 
Gegensätzen, die da heifsen Lust und Schmerz, erlöst, 
gehen sie frei von Verblendung zu jenem unvergäng- 
lichen Orte ein. 

6. (1388.) Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht der Mond, 
noch auch das Feuer (vgl. Käth. Up. 5,15), wohin gelangend 
sie nicht zurückkehren; das ist meine höchste Wohnstätte. 

7. (1389.) Ein unvergänglicher Teil von mir ist es, was, 
in der Lebewelt zur individuellen Seele geworden, die in der 
Prakriti wurzelnden [fünf] Sinne mit Manas als sechstem an 
sich heranzieht. 

8. (1390.) Wenn er als Herr sich des Leibes bemächtigt 
und wenn er wieder aus ihm auszieht, dann streicht er hin, 
indem er jene an sich rafft, wie der W r ind die Düfte von dem 
Orte, wo er weilte. 

0. (i39i.) Indem er über Ohr, Auge, Gefühl, Geschmack 
und Geruch sich zum Herrn aufwirft und ebenso über das 
Manas, gibt er sich dem Genufs der Sinnendinge hin. 

10. (1392.) Mag er ausziehen, mag er weilen, mag er, von 
Guna's umkleidet, geniefsen, die Verblendeten sehen ihn nicht, 
es schauen ihn die, deren Auge die Erkenntnis ist. 

11. (1393.) Die Yogin's, wenn sie sich abmühen, schauen 
ihn, wie er in ihnen selbst weilt; die aber unbereiteten Geistes 
sind, auch wenn sie sich abmühen, die Unverständigen, 
schauen ihn nicht. 

12. (1394.) Der Glanz, der, in der Sonne weilend, die ganze 
Welt erleuchtet, und der in dem Monde, der im Feuer weilt, 
dieser Glanz, wisse, ist der meine. 

13. (1395.) In die Erde eingehend erhalte ich die Wesen 
durch meine Kraft; ich bringe alle Pflanzen zum Gedeihen, 
ich werde zum Sorna, dem saftreichen. 



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94 II. Bbagavadgttk 

14. (1396.) Ich, zu dem Verdauungsfeuer geworden, gehe 
ein in den Leib der Lebenden, und, von Aushauch und Ein- 
hauch begleitet, verdaue ich die vier Arten der Speise [Ge- 
trunkenes, Gelecktes, Gekautes und Verschlungenes]. 

15. (1S97.) Ich bin eingegangen in das Herz eines jeden, 
von mir stammt Erinnerung und Erkenntnis, sowie deren 
Verlust, auch bin ich es, der durch alle Veden zu erkennen 
ist, ich bin der Schöpfer des Vedanta und der Kenner 
des Veda. 

16. (1398.) Es gibt in der Welt diese beiden Purusha's, 
den vergänglichen und den unvergänglichen; der vergäng- 
liche sind alle Wesen, der unvergängliche wird der an der 
Spitze stehende genannt. 

17. (1399.) Der höchste Purusha aber ist ein anderer, er 
wird der höchste Atman genannt; eingehend in die drei Wel- 
ten, trägt er sie als unvergänglicher Gottherr. 

18. (uoo.) W r eil ich dem Vergänglichen überlegen und, 
als auch über das Unvergängliche erhaben, der Höchste bin, 
darum werde ich in der Welt und im Veda gefeiert als der 
höchste Purusha. 

19. (uoi.) Wer mich in dieser Weise unbetört erkennt 
als höchsten Purusha, der weifs [in mir] alles und verehrt 
mich vermöge seines Allbewufstseins, o Bharata. 

20. (1402.) Damit ist von mir, o Untadeliger, diese ge- 
heimnisvolle Lehre verkündigt worden ; wer diese erkennt, der 
hat Erkenntnis, der hat das zu Erreichende erreicht, o Bharata. 

So lautet in der Bbagavadglta die Hingebung an den höchsten Purusha 

(purushottama - yoga). 

XVI (Adhyftya 40). 

Vers 1403-1426 (13. 1-24). 

Der Heilige sprach: 

1. (1403.) Furchtlosigkeit, Reinheit des Wesens, Erkennt 
nis, Hingebung, Beständigkeit, Freigebigkeit, Bezähmung 
Opfer, Vedastudium, Askese, Geradsinnigkeit, 

2. (H04.) Schonung, Wahrhaftigkeit , Nichtzürnen , Ent 



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XVI (Adhy&ya 40). 



95 



sagung, Nicht-Hinterbringen, Mitleid mit den Wesen, Nicht- 
Begehrlichkeit, Milde, Schamhaftigkeit , Nicht-Unstetsein, 

3. (1*05.) Energie, Geduld, Festigkeit, Sauberkeit, Harm- 
losigkeit, Nicht-Uberhebung, — diese, o Bhärata, werden dem 
zuteil, welcher für ein göttliches Geschick geboren ist. 

4. (1106.) Hinterlist, Stolz, Hochmut, Zorn, Schroffheit, 
Nichtwissen, — diese dem, der für ein dämonisches Geschick 
geboren ist, o Prithäsohn. 

5. (ho;.) Das göttliche Geschick führt zur Erlösung, das 
dämonische zur Bindung. Klage nicht, o Sohn des Pändu, 
du bist für ein göttliches Geschick geboren. 

6. (1408.) Zwei Wesensschöpfungen gibt es in dieser Welt, 
die göttliche und die dämonische; die göttliche ist ausführ- 
lich besprochen worden, vernimm von mir die dämonische, 
o Prithäsohn. 

7. (uo9.) Die dämonischen Menschen wissen nicht, was 
sie tun und lassen sollen. Nicht Reinheit, nicht guter Wandel, 
nicht W T ahrheit ist bei ihnen zu finden. 

8. (i4io) Sie behaupten, dafs die Welt ohne Wahrhaftig- 
keit, ohne tragenden Grund, ohne Gott sei, nicht entstanden 
durch geregelte Abkunft und nichts anderes als Geschlecht s- 
lust zur Ursache habend. 

i). (im.) In dieser Anschauung sich verhärtend, mit ver- 
derbter Seele, mit schwacher Einsicht werden sie geboren 
als Übeltäter der Welt zum Schaden, die Bösewichter. 

10. (1412.) Schwer zu ersättigender Lust huldigend, von 
Hinterlist, Hochmut und Tollheit erfüllt, in ihrer Verblendung 
eine böse Wahl wählend, gehen sie dahin in unreinen Grundsätzen. 

11. (1413.) Auf mafsloses, zum Verderben ausschlagendes 
Denken sich stützend und den Genufs der Lüste für das 
Höchste haltend, sind sie überzeugt, dafs es nichts weiter gebe. 

12. (H14.) Von hundert Stricken der Hofl'nungen gebunden, 
nichts Höheres als Begierde und Zorn kennend, streben sie 
schrankenlos nach Aufhäufung von Gütern, um ihren Lüsten 
zu frönen. 

13. (1416.) „Diesen Wunsch habe ich heute erreicht, diesen 
„hoffe ich zu erlangen, dieses Gut habe ich und dieses wird 
„mir wiederum zuteil werden, 



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96 



II. Bhagavadgitä. 



14. (ui6.) „dieser Feind ist von mir getötet worden uiv 
„andere werde ich noch töten, ich bin Herr, Geniefser, voll 
„kommen, mächtig und glücklich, 

15. (ui7.) „ich bin reich, hochgeboren, welcher andei 
„käme mir gleich, icli werde opfern, werde schenken, wen 
„geniefsen", so sprechen sie, vom Nichtwissen betört. 

16. (ui8.) Von mancherlei Gedanken umhergetrieben, 
das Netz der Verblendung verstrickt und den Genüssen d 
Lust anhängend, stürzen sie in die unsaubere Hölle hin* 

17. (1419.) Sich selbst die Ehre gebend, hochfahrend, \ 
Reichtumsdünkel und Tollheit besessen, bringen sie Opi 
die es nur dem Namen nach sind, trügerisch und den V 
Schriften nicht entsprechend. 

18. (1420.) Gestützt auf Selbstsucht, Kraft, Stolz, L 
und Zorn, hassen sie mich in ihren eigenen und in frem 
Leibern, die Nörgler. 

19. (1421.) Ich stürze sie, die hassenden, grausamen, n 
rigsten Menschen, ich stürze sie auf ihrer Wanderung ( 
Ünterlafs, die Unsauberen, in dämonische Mutterleiber. 

20. (1422.) Und in einen dämonischen Mutterleib ger; 
verblendet von einer Geburt zur andern, finden sie mich r 
o Kunüsohn, und gehen den tiefsten Weg. 

21. (1423.) Dreifach ist jene Pforte der Hölle, welch 
Seele vergiftet, als Begierde, als Zorn, als Lüsternheit, d 
soll man diese drei meiden. 

22. (1424.) Aber der Mann, o Kunüsohn, der erlö 
aus diesen drei Pforten der Finsternis, betreibt das Heil 
Seele und geht den höchsten Weg. 

23. (1425.) Hingegen der, welcher die Vorschriftc 
Gesetzes von sich wirft und nach eigenem Belieben wi 
der kann nicht die Vollendung, nicht das Glück und 
den höchsten Weg erreichen. 

24. (1426.) Damm möge in der Bestimmung desse 
zu tun und was zu lassen ist, das Gesetz deine "Riehl 
sein ; erkennend, was vom Gesetze vorgeschrieben ist, 
du hienieden dein Werk ausführen. 

So lautet in der BhagtredgltA 
der Unterschied dei göttlichen und dämonischen Lose« 
(daira - dtura - »ampad - vibhdga). 



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XVII (Adhyäya 41). 



97 



XVII (Adhyftya 41). 

Vers 1427-1454 (B. 1-28). 
Arjuna sprach : 

1. (H27.) Wie aber steht es mit denen, o Krishna, welche 
zwar die Vorschrift des Gesetzes von sich werfen, aber im 
Glauben Verehrung üben? Auf welchem Boden stehen sie, 
auf dem des Sattvam, des Kajas oder des Tamas? 

Der Heilige sprach: 

2. (H28.) Dreifach ist der Glaube der Verkörperten, wie 
er aus ihrer Naturbeschaffenheit entspringt: er ist sattva- 
artig, rajas-artig und tamas-artig, darüber vernimm. 

3. (U29.) Der Glaube, o Bhärata, ist bei einem jeden seiner 
Wesenheit entsprechend; aus Glaube besteht der Mensch, wie 
einer glaubt, so ist er (vgl. Mokshadharma 945s). 

4. (1430.) Die Sattva-artigen verehren die Götter, die Rajas- 
artigen die Halbgötter und Dämonen, die übrigen aber, die 
tamas -artigen Menschen, verehren die Geister und die Ge- 
spensterscharen. 

5. (U31.) Diejenigen Menschen, welche eine furchtbare, 
aber nicht vom Gesetz vorgeschriebene Askese üben und da- 
bei behaftet mit Heuchelei und Selbstsucht und von Lust, 
Leidenschaft und Gewalttätigkeit erfüllt sind, 

6. H432.) diese Törichten quälen nur die im Leibe ver- 
sammelte Schar der Elemente und mich, der ich in ihrem 
Leibe weile; deren Entschliefsung, das sollst du wissen, ist 
eine dämonische. 

7. (1433.) Dreifach aber ist auch die Nahrung, die jedem 
lieb ist, und ebenso sein Opfer, seine Askese und sein Schenken. 
Vernimm, was deren Unterschied ist. 

8. (U34.) Die Nahrungsmittel, die das Leben, Tüchtigkeit, 
Kraft, Gesundheit, Lust und Behagen vermehren, und welche 
als saftreich, ölig oder fest das Herz stärken, die werden von 
sattvahaften Menschen geliebt. 

Pir*«M. XahiMiirttMii. 7 



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II. Bhagavadgitft. 



9. (U35.) Die Nahrungsmittel, die einen stechenden, sauern, 
salzigen, erhitzenden, scharfen, rauhen und brennenden Ge- 
schmack haben, sind bei rajashaften Menschen beliebt und 
veranlassen Schmerz, Beschwerde und Krankheit. 

10. (1430.) Abgestandene, schal gewordene, übelriechende, 
übertägige, übrig gelassene und nichtopferwürdige Speisen 
werden von den tamashaften Menschen geliebt 

11. (1437.) Ein Opfer, welches im Hinblick auf die Vor- 
schrift dargebracht wird von solchen, welche nicht nach Lohn 
verlangen, sondern sich dazu entschliefsen, weil man eben 
opfern mufs, ein solches Opfer ist sattvahaft. 

12. (1438.) Ein Opfer hingegen, welches mit Absicht auf 
den Lohn oder aus Heuchelei dargebracht wird, ein solches 
Opfer, o Bester der Bharata's, ist rajashaft. 

13. (uns ) Ein Opfer, welches nicht vorschriftsmäfsig, ohne 
Spenden von Speise, ohne Vedasprüche, ohne Opferlohn und 
ohne Glauben daran dargebracht wird, ein solches Opfer nennt 
man tamashaft. 

14. (1440.) Verehrung der Götter, Brahmanen, Lehrer und 
Weisen, Reinheit, Geradheit, Keuschheit und Nicht-Schädigung, 
diese bilden die Askese des Leibes. 

15. (U4i.) Eine nicht Aufregung veranlassende, wahrhafte, 
freundliche und heilsame Rede, sowie die Betreibung des Veda- 
studiums, diese bilden die Askese der Rede. 

lfi. fi44i.) Heiterkeit des Gemütes, Milde, Schweigen 
Selbstbeherrschung, Reinheit des Herzens, diese bilden di« 
Askese des Geistes. 

17. (U43.) Diese dreifache, aus höchster Gläubigkeit ge 
übte Askese, wenn sie von Menschen ohne Verlangen nach Lohi 
und mit Hingebung geübt wird, nennt man sattvahafte Askese 

18. (1444.) Eine Askese, welche um der Hochschätzun^ 
Bewunderung und Verehrung willen mit Heuchelei geübt wir< 
eine solche heifst rajashaft, ist wankelmütig und unbeständig 

19. (1445.) Eine Askese, welche aus verblendeter En 
schliefsung die Selbstqual unternimmt, oder auch um eine 
andern zu überbieten, eine solche heifst tamashaft. 

20. (1446.) Eine Gabe, welche in dem Bewufstsein, da 
man geben mufs, am rechten Ort zur rechten Zeit der recht« 



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XVII (Adhyäya 41). 



9<) 



Person, ohne dafs sie es vergelten kann, erwiesen wird, eine 
solche Gabe heifst sattvahaft. 

« 

21. (H47.) Hingegen eine Gabe, welche um einer Gegen- 
leistung willen oder im Hinblick auf einen Lohn mit Wider- 
streben geschenkt wird, eine solche Gabe heifst rajashaft. 

22. (1448.) Eine Gabe, welche am unrechten Orte zur un- 
rechten Zeit der unrechten Person mit Geringschätzung oder 
Verachtung dargeboten wird, eine solche Gabe heifst tamashaft. 

23. (1449.; 0m, TW, Sat (Om, Dieses, das Seiende), das 
gilt als die dreifache Bezeichnung des ßrahman, und kraft 
dieser wurden in der Vorzeit die Brahmanen, Veden und 
Opfer in ihre Stellung eingesetzt. 

24. (1450.) Darum werden die vorgeschriebenen Übungen 
von Opfer, Gabe und Askese allezeit von Bekennern des 
Brahman damit begonnen, dafs sie den Laut Om aussprechen. 

25. (i45i.) Tat (dieses sc. Brahman), mit diesem Worte 
werden ohne Absicht auf Lohn die mannigfachen Verrich- 
tungen von Opfer, Askese und Gaben von solchen dargebracht, 
welche nach Erlösung verlangen. 

26. fi452.) Das Wort Sat (das Seiende) wird gebraucht, 
um die Realität und die Güte [des Brahman] zu bezeichnen, 
und so wendet man, o Prithäsohn, das Wort Sat auch auf 
eine rühmliche Handlung an. 

27. (1453.) Sat heifst auch die Beharrlichkeit in Opfer, 
Askese und Gaben, und so wird auch das um ihrer willen 
unternommene Werk als sat (seiend, gut) bezeichnet. 

2*. (1454.) Was aber an Opfer, Gaben, Askese und Werken 
ohne Glauben dargebracht wird, das, o Sohn der Pritha, heifst 
nsfä (nicht seiend, nicht gut) und ist nichtig sowohl nach 
dem Tode als auch schon hier. 

So lautet in der Bhagavadtflta dio dreifache Einteilung des Glaubens 
ff raJiihä - traya - ri>>hAga ■ <j<xjo, . 



7* 



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100 



II. Bhagavadgitä. 



XVm (Adhy&ya 42). 

Vers 1455-1532 (B. 1-78). 
Arjuna sprach: 

1. (1455.) Das Wesen der Verzichtung wünsche ich zu 
wissen, o Grofsarmiger, und das der Entsagung, o Struppiger, 
insbesondere, o Bezwinger des Kecin. 

Der Heilige sprach: 

2. (1456.) Unter Verzichtung verstehen die Weisen das 
Verzichten auf Werke, die mit dem W'unsch nach Lohn ver- 
richtet werden, während das Entsagen hinsichtlich der Fruchi 
aller Werke von den Weisen Entsagung genannt wird. 

3. (1457.) Einige Weise lehren, dafs man dem Werke als 
einer Sünde entsagen müsse, andere behaupten, dafs den 
Opfern, dem Geben und der Askese als Werken nicht zu ent 
sagen sei. 

4. (1458.) Höre hierüber meine Entscheidung in betreff de 
Entsagung, o Bester der Bharata's; denn die Entsagun« 
o Tiger unter den Männern, wird als eine dreifache gerühm 

5. (1459.) Dem Opfern, dem Geben und der Askese a 
Werken ist nicht zu entsagen, sondern sie sind zu betreibe: 
denn Opfern, Geben und Askese sind die Läuterungsmitt 
der Weisen. 

6. (1460.) Aber auch diese Werke sind nur in der Wei 
zu tun, dafs man der Anhänglichkeit und dem Lohne en 
sagt; dieses, o Prithäsohn, ist mein entschiedenes und en 
gültiges Erachten. 

7. (1461.) Hingegen ist es nicht möglich, auf ein ru 
wendiges Werk zu verzichten, und wenn einem solchen a 
blofsem Wahne entsagt wird, so heifst dies eine tamasha 
Entsagung. 

8. (1462.) Wenn hingegen einer einem Werke, weil es r 
Schmerz verbunden ist, aus Furcht vor der körperlichen I 
schwerde entsagt, der übt eine rajashafte Entsagung und w 
den Lohn der Entsagung nicht erlangen. 



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XVIII (Adhyäya 42). 



101 



9. (U63.) Wenn hingegen, o Arjuna, ein notwendiges Werk 
nur in dem Bewufstsein, dafs es Pflicht sei, vollbracht wird, 
indem man dabei der Anhänglichkeit und dem Lohne entsagt, 
so heifst diese Entsagung eine sattvahafte. 

10. (U64.) Ein unangenehmes Werk nicht zu meiden und 
an einem angenehmen nicht zu hängen, das ist das Zeichen 
eines vom Sattvam durchdrungenen, weisen und vom Zweifel 
befreiten Entsagers. 

1 1. (1465.) Denn solange man an den Leib gebunden ist, 
kann man den Werken nicht vollständig entsagen; wer aber 
der Frucht der Werke entsagt, der verdient den Namen eines 
Entsagers. 

12. (U66.) Dreifach, nämlich unerwünscht, erwünscht und 
gemischt, ist die Frucht des Werkes für die Nichtentsagenden 
nach dem Tode, in keiner Weise aber für die, welche ver- 
zichtet haben. 

13. (1467.) Erfahre von mir, o Grofsarmiger, dafs es fol- 
gende fünf Ursachen sind, durch welche nach dem auf Re- 
tlexion (snnlhyam) gestützten Lehrbegriff alle Werke zustande 
kommen : 

14. (1468.) Erstens die Lage, sodann der Täter und ferner 
das Organ, dazu die mannigfachen Betätigungen im einzelnen 
und schliefslich als Fünftes das Schicksal. 

15. (146!*.) Was für ein Werk auch immer ein Mann mit 
Körper, Worten oder Gedanken unternehmen mag, sei es ein 
vorschriftsmäfsiges oder das Gegenteil, zu dem wirken diese 
fünf Ursachen zusammen. 

1*>. (uro.) Wenn nun, da dem so ist, einer sich selbst allein 
als Täter ansieht, der hat nicht die vollständige Erkenntnis 
und entbehrt als ein Übelberatener der richtigen Ansicht. 

17. (i47i.) Derjenige, dessen Natur nicht der Selbstsucht 
verfallen, dessen Einsicht nicht getrübt ist, ein solcher, wenn 
er auch diese ganze Welt tötete, tötet doch nicht und ist 
nicht gebunden. 

18. (147*) Das Erkennen, das Erkannte und der Erkenncr, 
in diesen liegt der dreifache Antrieb zum Handeln ; das Tun, 
die Tat und der Täter, in diesen liegt die dreifache Summe 
der Handlung. 



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102 



II. Bhagavadgitä. 



19. (1473.) Die Erkenntnis, die Tat und der Täter werden 
je nach den Guna's als dreifach in der Aufzählung der 
Guna's erklärt; in welcher Weise, auch das sollst du von mir 
erfahren. 

20. (1474.) Diejenige Erkenntnis, durch welche man in 
allen Wesen die eine unvergängliche Wesenheit erblickt, 
welche ungeteilt in den geteilten weilt, diese Erkenntnis, 
wisse, ist sattvahaft. 

21. (1475.) Diejenige Erkenntnis, welche in der Vereinze- 
lung mancherlei besondere Wesenheiten in allen Wesen er- 
kennt, diese Erkenntnis, wisse, ist rajashaft. 

22. (U76.) Diejenige Erkenntnis, welche sich ohne Grund 
an ein einzelnes Geschöpf, als wäre es das Ganze, anklam- 
mert, gegen den Tatbestand und in kleinlicher Weise, diesf 
Erkenntnis wird bezeichnet als tamashaft. 

23. (1477.) Ein notwendiges Werk, welches ohne Anhäng 
lichkeit und ohne Leidenschaft und Hafs getan wird voi 
einem solchen, der nicht nach Lohn verlangt, ein solche 
Werk heifst sattvahaft. 

24. (Iiis.) Hingegen ein Werk, welches von einem nac 
Erfüllung seines Wunsches Verlangenden oder auch von einei 
vom Bewufstsein des eigenen Ich Erfüllten mit grofser Ai 
strengung getan wird, ein solches wird als rajashaft bezeichne 

25. (1479.) Ein Werk, welches blindlings und ohne Rücl 
sieht auf die Folgen, den Verlust, die Schädigung und d 
eigene Leistungsfähigkeit unternommen wird, ein solch 
Werk heifst tamashaft. 

26. (1480.) Ein Täter, welcher frei von Anhänglichke 
frei von Prahlerei, mit Standhaftigkeit und Energie bega 
und dabei im Gelingen wie im Mifslingen immer sich gleic 
bleibend ist, ein solcher Täter heifst sattvahaft. 

27. (i48i.) Ein Täter, welcher leidenschaftlich, nach d« 
Lohne seines Tuns trachtend, begehrlich, zum Schädigen < 
neigt und unrein ist, dazu nicht frei von Freude und Trau 
ein solcher Täter wird bezeichnet als rajashaft. 

28. (1482.) Ein Täter, welcher ohne Hingebung, gern 
gesinnt, halsstarrig, verschlagen, andere herabwürdigend, tr 
kleinmütig, saumselig ist, ein solcher Täter heifst tamash 



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XVIII (Adhy&ya 42). 



103 



29. (im.) Nunmehr vernimm die nach den Guna's drei- 
fache Einteilung der Buddhi und der Festigkeit , wie ich sie 
erschöpfend im einzelnen, o Beutemacher, darlegen werde. 

30. (usi.) Eine Buddhi, welche zur rechten Zeit anzu- 
fangen und aufzuhören, zu tun und zu lassen, zu schauen 
und nicht zu schauen weifs und dazu der Bindung und der 
Erlösung kundig ist, eine solche Buddhi, o Sohn der Prithä, 
heifst sattvahaft. 

31. (1485.) Eine Buddhi, durch welche man das Rechte 
und das Unrechte, das Zutuende und das Zulassende nicht, 
wie es sich verhält, erkennt, eine solche Buddhi, o Prithä- 
sohn, heifst rajashaft. 

32. fusc.) Eine Buddhi, welche, von Finsternis umhüllt, 
das Falsche für das Rechte hält und alle Dinge umgekehrt sieht, 
als sie sind, eine solche Buddhi, o Prithäsohn, heifst tamashaft. 

33. H487.) Eine Festigkeit, durch welche man die Ver- 
richtungen von Manas, Präna (Lebenshauch) und Indriya's 
(Sinnesorgane) kraft einer unentwegten Yogahingebung fest- 
macht, eine solche Festigkeit, o Prithäsohn, ist sattvahaft. 

34. u4ä8.) Eine Festigkeit, o Arjuna, durch die man an 
dem Guten, Angenehmen und Nützlichen mit Anklammerung 
und Verlangen nach Lohn festhält, eine solche Festigkeit, 
o Prithäsohn, heifst rajashaft. 

35. (i48».i Eine Festigkeit, durch die ein Übelberatener 
nicht loslassen will von Schlaf, Furcht, Kummer, Verzagtheit 
und Unbesonnenheit, eine solche Festigkeit gilt als tamas- 
haft, o Prithäsohn. 

3tf. (U'jo.) Nunmehr vernimm von mir, o Stier der Bharata's, 
die Lehre von der dreifachen Lust. Eine Lust, an welcher 
man sich auch bei ihrer Wiederkehr erfreut und zur Befreiung 
von Leiden gelangt, 

37. (um.) und welche am Anfang wie Gift und am Ende 
der Ambrosia vergleichbar ist, eine solche Lust, welche aus 
der Heiterkeit der Seele und des Bewufstseins entspringt, 
wird sattvahaft genannt. 

38. < ny*) Eine Lust, welche vermöge der Verbindung der 
Sinne mit den Sinnendingen am Anfang der Ambrosia vergleich- 
bar und am Ende wie Gift ist, eine solche Lust heifst rajashaft. 



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104 II. BhagavadgÜ&. 

39. (U93.) Eine Lust, welche zu Anfang und in ihrem 
Verlaufe die Seele verblendet und aus Schlaf, Trägheit und 
Unbesonnenheit entspringt, eine solche Lust heifst tamashaft. 

40. (H94.) Es gibt keine Wesenheit weder auf der Erde, 
noch im Himmel unter den Göttern, welche von diesen drei 
aus der Prakriti entspringenden Guna's frei wäre. 

41. (1495.) Die Aufgaben der Brahmanen, Kshatriya's, Vai- 
cya's und (^üdra's, o Feindbezwinger, sind unterschieden nach 
den in ihrer Naturanlage hervortretenden Guna's. 

42. (U96.) Ruhe, Bezähmung, Askese, Reinheit, Geduld 
und RechtschafTenheit, Wissen, Wissenschaft und positiver 
Standpunkt, das ist die aus seiner Natur entspringende Auf- 
gabe des Brahmanen. 

43. (1497.) Heldenmut, Energie, Sündhaftigkeit, Tüchtig- 
keit und Ausharren im Kampfe, Freigebigkeit und Herrscher- 
macht, das ist die aus seiner Natur entspringende Aufgabe 
des Kshatriya. 

44. (U98.) Ackerbau, Viehzucht und Handel ist die aus 
seiner Natur entspringende Aufgabe des Vaicya; die Aufgabe 
des Cüdra, wie sie aus seiner Natur entspringt, besteht im 
Dienen. 

45. (1499.) Die Vollendung erreicht der Mensch, indem er 
sich an der ihm gewordenen Aufgabe erfreut; wie er durch 
die Freude an seiner Aufgabe zur Vollendung gelangt, das 
vernimm. 

46. (1500.) Ihn, aus welchem der Ursprung der Wesen ist 
und durch welchen dieses Weltall ausgebreitet wurde, wer 
diesen dadurch ehrt, dafs er die ihm gewordene Aufgabe er- 
füllt, der Mensch gelangt zur Vollendung. 

47. (i50i.) Besser, ist es die eigene Pflicht ohne Tüchtig- 
keit als die fremde Pflicht mit Erfolg zu betreiben (= Vers 985) ; 
wer die durch seine Natur ihm auferlegte Aufgabe erfüllt, der 
verfällt nicht in Sünde. 

48. (1502.) Die angeborene Aufgabe, o Kuntisohn, soll man 
nicht fahren lassen, auch wenn sie mit Schuld behaftet ist, denn 
alles Tun ist von Schuld umhüllt wie das Feuer vom Rauche. 

49. (1503.) Wer in seinem Bewufstsein ohne Weltanhäng- 
lichkeit, allerwärts sich selbst überwunden habend, frei von 



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XVIII (Adhyfcy* 42) 



105 



Begierde ist, der erreicht durch Entsagung die höchste Voll- 
endung der Werklosigkeit. 

5m. (ifcH.) Wie der, welcher die Vollkommenheit erlangt 
hat, eben damit das Brahman erlangt, das, o Kunüsohn, ver- 
nimm von mir in der Kürze, wie es der höchste Standpunkt 
de?? Wissens ist. 

51. nsos.) Mit geläuterter Erkenntnis begabt, sein Selbst 
mit Festigkeit zügelnd, auf die Sinnendinge, Töne usw., ver- 
zichtend, Leidenschaft und Hafs abwerfend, 

52. »1506.) die Einsamkeit suchend, leichte Nahrung zu 
Hch nehmend, Worte, Leib und Gedanken bezähmend, die 
Hingebung an die Meditation allezeit als das Höchste er- 
ichtend und die Leidenschaftslosigkeit errungen habend, 

53. (iMi7.) befreit von Selbstsucht, Gewalttätigkeit, Stolz, 
Begierde, Zorn und Familienanhang, — so wird man selbst- 
los und beruhigt zur Brahmanwerdung reif. 

54. u5o* ) Wer aber Brahman geworden, dessen Geist ist 
heiter, er trauert nicht und verlangt nicht ; gleichmütig gegen 
alle Wesen, ergreift er meine Verehrung als Höchstes. 

55. u**) Durch die Verehrung erkennt er mich, meine 
flröfse und wer ich bin, dem Wesen nach ; hat er mich aber 
dem Wesen nach erkannt, so geht er sogleich in dasselbe ein. 

frfi. UM" > Und indem er allezeit alle seine Werke tut im 
Hinblick auf mich, erlangt er durch meine Gnade die ewige, 
unvergängliche Stätte. 

57. iijh.) Indem du im Geiste alle Werke auf mich wirfst, 
muh ab Höchstes erachtest, sollst du, gestützt auf Erkennt- 
nis und Hingebung, allezeit meiner gedenken. 

5*. «1512 > Meiner gedenkend wirst du durch meine Gnade 
alle. Schwierigkeiten überwinden; wenn du aber aus Eigen- 
»iDVn nicht auf mich hörst, wirst du zugrunde gehen. 

.7.*. u:,js i Wenn du dich auf deinen Eigenwillen versteifst 
und dir vornimmst, nicht zu kämpfen, so ist dieser dein Ent- 
«chltifs ein vergeblicher; deine Natur wird dich dazu zwingen. 

*». usu » Bist du aber durch die aus deiner eigenen Natur 
entspringende Aufgabe gebunden, dann wirst du, o Kuntisohn, 
das. was du aus Verblendung nicht tun willst, auch gegen 
4räen Willen tun müssen. 



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106 



IL Bhugavadgita. 



61. (1515.) Der Ilerr aller Wesen wohnt, o Arjuna, in der 
Gegend ihres Herzens und wirbelt alle Wesen herum, als 
wären sie durch die Mäyä an einem Rade befestigt. 

62. (1516.) Zu ihm begib dich in Schutz mit deinem ganzen 
Sein, o Bhärata, dann wirst du durch seine Gnade die höchste 
Ruhe und die ewige Stätte erlangen. 

63. (1517.) Damit ist dir das Wissen, welches geheimer 
als das Geheime ist, von mir mitgeteilt worden; überdenke 
es bei dir voll und ganz und tue, was du willst. 

64. (1518.) Höre noch weiter von mir das allergeheimste, 
höchste Wort ; ich liebe dich gar sehr, darum will ich sagen, 
was zu deinem Heile dient. 

65. (Isis).) An mich denke, mir hänge an, mir huldige, 
mich verehre, und du wirst zu mir gelangen, ich verspreche 
es dir wahrhaftig, denn du bist mir lieb. 

66. (1520.) Lafs alle Satzungen dahinten, nimm zu mir 
allein deine Zuflucht, ich werde dich von allem Übel erlösen, 
trauere nicht! 

67. (ir,2i.) Diese Rede darfst du niemals einem mitteilen, 
der nicht asketisch gesinnt, der nicht fromm, der nicht ge- 
horsam ist, und auch niemandem, der gegen mich murrt. 

68. (1522.) Wer aber dieses höchste Geheimnis solchen 
darlegt, welche mich verehren, der beweist mir damit die 
höchste Verehrung und wird unzweifelhaft zu mir eingehen. 

60. (1523.) Es ist keiner unter den Menschen, der mir 
etwas Lieberes erwiese als eben ein solcher, und kein anderer 
als ein solcher wird mir auf der Welt lieber sein. 

70. (1524.) Und wer diese heilige Unterredung zwischen 
uns beiden studieren wird, der hat mir damit das Opfer der 
Erkenntnis dargebracht, so denke ich darüber. 

71. (1525.) Und auch der Mann, welcher gläubig und ohne 
Übelwollen dieses hört, der wird nach seiner Befreiung vom 
Leibe die herrlichen Welten derer erlangen, deren Tun 
heilig war. 

72. (152G.) Hast du nun, o Sohn der Pritha, dieses von 
mir mit ungeteilter Aufmerksamkeit vernommen? Und ist 
die Verblendung des Nichtwissens von dir gewichen, o Gut— 
gewinner? 



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XVIII (Adhyaya 4*2). 



107 



Arjuna sprach : 

73. (1527.) Gewichen ist die Verblendung, empfangen ist 
die Kunde von mir durch deine Gnade, o Unerschütterlicher; 
fest stehe ich und frei von Zweifel ; ich werde tun nach deinem 
Worte. 

Sanjaya (der Erzähler) sprach : 

74. (1528.) Also habe ich diese Unterredung zwischen dem 
Vasudevasohne und dem hochherzigen Sohne der Prithä an- 
gehört, die wunderbare, haarsträubende. 

75. (1529.) Nachdem ich durch die Gnade des Vyäsa dieses 
höchste Geheimnis überkommen habe, den Yoga, wie der Herr 
des Yoga, Krishna, ihn selbst unmittelbar verkündet hat, 

7G. (1530.) so habe ich, o König, indem ich mich immer 
wieder und wieder an dieses wunderbare, heilige Zwiegespräch 
zwischen dem Vollhaarigen und Arjuna erinnere, jedesmal 
aufs neue meine Freude daran. 

77. U5:u.) Und indem ich mich immer wieder und wieder 
erinnere an die wunderbare Erscheinung des Hari fVishnu), 
erfüllt mich grofses Staunen, o Fürst, und ich freue mich 
daran stets wieder aufs neue. 

78. (1532.) Auf wessen Seite Krishna, der Herr des Yoga, 
auf wessen Seite der bogentragende Sohn der Prithä steht, 
da ist Heil, Sieg, Gedeihen und ein festes Verhalten, so 
glaube ich. 

So laute« in der DhagavadgltA die zur Erlösung führende Entsagung 



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III. 

MOKSHADHARMA. 

4 

Mahabharatam Buch XII, Adhyaya 174-367, Vers 6457-13943, C. 
(=Buch XII, Adhyaya 174-365, B.). 



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AdhyAya 174 (B. 174). 

Vers 6457-6521 (B. 1-G3). 



Yudhishthira sprach : 

1. (6467.) Die schönen Gesetze, soweit sie sich auf das 
Gesetz für Könige beziehen, wurden von dir, dem Grofsvater, 
mitgeteilt; das vortrefflichste Gesetz der asketisch Lebenden 
mögest du, o Fürst, mir nun verkünden. 

Bhishraa sprach: 

2. (G458.) Allerstreckend sind die Verordnungen des Ge- 
setzes; auch für den, der lebt und nicht dahingeschieden ist, 
gibt es einen Lohn für seine Askese; viele Tore hat das Ge- 
setz, und auch hienieden ist seine Erfüllung nicht ohne Frucht. 

3. (6459.) Aber welcher Art auch der Gegenstand sein 
mag, über welchen irgendeiner zur Gewifsheit gelangt, so 
erkennt er dadurch doch nur eben diesen Gegenstand, o Bester 
der Uharata's, und keinen andern. 

4. (6460.) In welcher Weise man auch immer das morsche 
Gewebe dieser Welt überschauen mag, auf jede Weise ent- 
springt daraus Abwendung von ihr, daran ist kein Zweifel. 

5. (646i.) Und da somit die Welt, o Yudhishthira, als 
mit vielen Mängeln behaftet sich erweist, so mufs ein ver- 
ständiger Mann doch wohl nach einem Mittel trachten, sein 
Selbst von ihr zu erlösen. 

Yudhishthira sprach : 

(3. (6462.) Wenn man sein Vermögen verloren hat, oder 
wenn einem Weib, Sohn oder Vater gestorben ist, durch 



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112 



III. Mokshadharma. 



welche Erkenntnis kann man den Kummer abschütteln? Das, 
o Grofsvater, sage mir. 

Bhlshma sprach: 

7. (6463.) Wenn man sein Vermögen verloren hat, oder 
wenn einem Weib, Sohn oder Vater gestorben ist, so möge 
man durch den Gedanken: „Je nun, es ist ein Schmerz!" 
zur Abwerfung des Kummers gelangen. 

8. (6464.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, wie zum Senajit ein ihm befreundeter Brahmane 
gekommen und mit ihm gesprochen habe. 

9. (6465.) Zu diesem Könige, den er, gequält von Kummer 
über seinen Sohn, vor Schmerz aufser Fassung und nieder- 
geschlagenen Geistes sah, sprach der Brahmane dieses Wort: 

10. (6466.) Warum bist du doch so ganz und gar ver- 
stört, warum klagst du, wo du selbst zu beklagen bist, da 
sie ja doch auch dich beklagen werden und dann selbst als 
beklagenswert denselben Weg gehen müssen. 

11. (6467.) Du selbst, o Fürst, und ich und alle, die dir 
huldigen, wir alle werden dorthin gehen, woher wir ge- 
kommen sind. 

Senajit sprach: 

12. (6468.) Was ist das für eine Erkenntnis, was für eine 
Askese, o Brahmane, was für eine Meditation, o Askesereicher, 
was für ein Wissen und was für eine Schriftgelehrsamkeit, 
welche erlangt habend, du nicht aufser Fassung kommst? 

Der Brahmane sprach: 

13. (6469.) Sieh doch hin, wie die Wesen auf den höchsten, 
mittleren und tiefsten Stufen allüberall bei dieser oder jener 
Sache hienieden in Schmerz verstrickt sind. 

14. (6470.) Auch dieses mein Selbst hier ist nicht mein, 
oder auch die ganze Erde ist mein, und wie sie mein ist, 
gehört sie auch den anderen, so denke ich und bleibe un- 
erschüttert. (6471.) Diese Erkenntnis erlangt habend, freue 
ich mich nicht und betrübe mich nicht. 

15. Wie ein Stück Holz und ein anderes Stück Holz siel] 
zusammenfinden in dem grofsen Weltmeere (6472.) und, nach- 



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Adhyäya 174 (B. 174». 



113 



dem sie sich zusammengefunden, sich w ieder trennen, so steht 
es mit dem Zusammenkommen der Wesen. 

16. Ebenso steht es mit Kindern und Kindeskindern, mit 
Bekannten und Verwandten. (6473.) Liebe zu ihnen soll man 
nicht fassen, denn die Trennung von ihnen ist sicher. 

17. Aus der Unsichtbarkeit herbeigekommen und wiederum 
in die Unsichtbarkeit zurückgegangen, (6474.) kennt ein an- 
derer nicht dich und kennst du nicht ihn; wer bist du denn, 
dafs du etwas beklagen solltest? 

18. Aus der Qual der Begierde ftrishnäj entsteht der 
Schmerz, aus der Qual des Schmerzes entsteht die Lust, 
(6*75 > und aus Lust entsteht wiederum Schmerz, so ist es, 
und abermals Schmerz. 

19. Der Lust unmittelbare Folge ist Schmerz, des Schmer- 
zes unmittelbare Folge ist Lust; (r>476."> Lust und Schmerz bei 
den Menschen rollen um wie ein Rad. 

20. Wenn du aus der Lust in den Schmerz geraten bist, 
so wirst du aus ihm wiederum in die Lust geraten ; (6477.) man 
kann nicht immerfort Schmerz empfinden und man kann 
nicht immerfort Lust empfinden (vgl. Piaton, Phädon p. (>0B). 
[Das Folgende nur in C.J Der Körper ist die Heimstätte so- 
wohl des Schmerzes als auch der Lust. 

21. (6478.) Der Körper ist die Heimstätte für die Lust, 
und ebenso für den Schmerz ist die Heimstätte der 
Körper; welcher Art auch das Werk sein mag, das man 
mit seinem Körper vollbringt, jedenfalls erlangt nur durch 
ihn der Mensch jenes [Lust und Schmerz]. 

22. (6479.) l'nd auch das Leben entsteht zugleich mit 
jenem Körper; beide entfalten sich zugleich, und beide gehen 
zugleich zugrunde. 

2.'5. (6480.) Durch vielfältige Fallstricke der Begierden haben 
sich die Menschen in den Sinnendingen verfangen, und, ohne 
ihren Zweck erreicht zu haben, lassen sie nach, wie Dämme 
aus Sand im Wasser. 

24. (6481J Wie das Sesamkorn um des Öles willen, wird 
alles in dem Mühlrade der Schöpfung ausgequetscht, nach- 
dem man durch die Ölmüller hineingeraten ist, das heifst 

bcv«t*5, MubftbbAratani. g 



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114 



III. Mokshadharma. 



durch die aus dem Nichtwissen entsprungenen Charakter- 
schwächen (kle(a y vgl. Yogasütra 2,3). 

25. (6482.) Der Mann häuft auf sich das böse Werk um seines 
Weibes willen, aber er allein verfällt dadurch in Charakter- 
fehler, die dem Menschen im Jenseits wie im Diesseits anhaften. 

26. (6483.) An Kindern, Weibern und Familie hängen alle 
Menschen; sie gehen unter in dem schlammigen Meere der 
Sorgen, wie alte Waldelefanten im Schlamm. 

27. (6484.) Bei Verlust der Kinder, bei Verlust des Ver- 
mögens oder auch der Freunde und Verwandten empfindet 
man einen sehr grofsen Schmerz, einem Waldbrandfeuer ver- 
gleichbar, o Herr. (6485.) Vom Schicksal abhängig ist diese 
ganze Welt in Lust und Leid, in Werden und Vergehen. 

28. Mag einer keine Freunde haben oder Freunde haben, 
mag er Feinde oder Bundesgenossen haben, (6486.) mag er 
weise sein oder der Weisheit bar, sein Glück empfängt er 
durch das Schicksal. 

29. Freunde reichen nicht aus, um glücklich, Feinde 
reichen nicht aus, um unglücklich zu machen; (6487.) Weis- 
heit reicht nicht aus, um reich, Reichtum reicht nicht aus, 
um glücklich zu werden. 

30. Klugheit genügt nicht zur Erlangung von Reichtum, 
Dummheit hindert nicht am Erfolg; (6488.) diesen Verlauf des 
Weltlaufes begreift der Weise und nicht der Tor. 

31. Den Verständigen und Mutigen, den Betörten und 
Feigen, den Stumpfen und den Weisen, (6489.) den Schwäch- 
ling und den Starken, wen es trifft, dem fällt das Glück in 
den Schofs. 

32. Die Kuh gehört dem Kalbe und dem Hirten und dem 
Eigentümer und dem Diebe; (6490.) wer die Milch von ihi 
trinkt, dem gehört die Kuh, das ist gewifs. 

33. Die Allertörichtesten im Leben und die Allerweisesten 
(6491.) diese haben leicht Erfolg, aber der zwischen beide i 
Stehende hat zu leiden. 

34. Der weise Mann freut sich an den Extremen, nie Ii 
freut er sich an dem Mittelmäfsigen. (6492.) In der Erlangung 
eines Extrems findet man das Glück, das Leid liegt zwischo 
den beiden Extremen. 



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Adhy&ya 174 (B. 174). 



115 



35. Diejenigen aber, welche zum Glücke der Erkenntnis 
gelangt, über die Gegensätze erhaben und frei von Selbst- 
sucht sind, (6493.) diese erschüttert weder Glück noch Unglück 
irgendwann. 

30. Hingegen diejenigen, welche noch nicht zur Erkennt- 
nis gelangt, aber über die Stufe der Verworrenheit schon 
hinausgeschritten sind, (6494.) diese sind es, welche übermäfsig 
sowohl Freude als auch Qual erfahren müssen. 

37. Die Verworrenen sind immer vergnügt, wie Götter- 
scharen im Himmel, (6495.) vermöge ihres grofsen Hochmutes 
und ihres Stolzes, diese Toren. 

38. Die Lust, wenn sie in Trägheit besteht, endigt im 
Schmerz, der Schmerz, wenn er in Tätigkeit besteht, führt 
zur Lust, (6496.) mithin wohnt Gedeihen und Glück bei dem 
Tätigen und nicht bei dem Trägen. 

39. Aber mag es sich nun um Lust oder um Schmerz, 
um Angenehmes oder Unangenehmes handeln, (6497.) das 
Errungene soll man als ein Errungenes hochhalten in seinem 
Herzen und sich nicht niederzwingen lassen. 

40. Tausend Anlässe zu Kummer und hundert Anlässe 
zur Furcht (6498.) beschleichen Tag für Tag den Verworrenen, 
nicht den Weisen. 

41. Wer verständig ist, Erkenntnis gewonnen hat, nach 
Schriftwissen trachtet, frei von Mifsgunst, (0490.) bezähmt und 
Herr seiner Sinne ist, einen solchen Mann berührt der Kum- . 
mer nicht. 

42. Auf diese Erkenntnis stütze sich der Weise und 
überwache seine Gedanken, (c5oo.) dann kennt er den Auf- 
gang und Untergang der Welt, und kein Schmerz kann ihn 
anrühren. 

43. Aus welcher Veranlassung auch immer ein Kummer 
entstehen mag oder eine Qual oder ein Leid (G5<>i.) oder eine 
Gemütsaufregung, dasjenige, woraus sie entspringen, soll man 
von sich abtun, und wäre es ein Glied des eigenen Körpers 
(Ev. Matth. 5,29). 

44. Wo irgend etwas ins Werk gesetzt wird aus egoisti- 
scher Gesinnung, (65o-_\) da wird man diese als den ganzen 
Inbegriff des Leidens linden. 

8* 




5 



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116 



III. Mokshadharma. 



45. Was man auch immer an Begierden wegräumt, ihr 
Raum wird von Glück ausgefüllt. (6503.) Der Mann aber, 
welcher hinter den Begierden herläuft, der geht auch hinter 
den Begierden her zugrunde. 

46. Alles Glück, was aus Erfüllung der Wünsche in der 
Welt, und alles, was an grofsem Glück im Himmel sein mag, 
(6604.) alle beide wiegen nicht den sechzehnten Teil des Glückes 
auf, welches in der Vernichtung der Begierde (trishna) besteht. 

47. Alles gute Werk und alles böse, was in einer frühem 
Verkörperung begangen worden ist, (6506.) das wird einem 
joden zuteil, sei er ein Weiser oder ein Tor oder ein Held, 
so wie es begangen worden ist. 

48. In dieser Weise fürwahr ist alles, das Angenehme 
und Unangenehme, (6506.) bei den Seelen in Umlauf mit Leid 
und Lust. 

49. Auf diese Erkenntnis sich stützend sitzt er, der Tüch- 
tige, behaglich da. (6507.) Vor allen Begierden möge er sich 
hüten, die Begierden [C: den Zorn] möge er hinter sich werfen. 

50. Er, der sich im Herzen regt, er, der, wenn er er- 
starkt ist, als Tod im Geiste lebt, (6508.) Zorn ist sein Name, 
so wird er, weilend im Leibe der Verkörperten, von den Weisen 
genannt. 

51. Wenn einer von überallher die Begierden in sich zu- 
sammenkrampft, wie die Schildkröte ihre Glieder, (6509.) dann 
wird er als das Selbst in seinem Selbste das Selbstlicht schauen. 

II 52. Wenn einer sich vor niemand furchtet und niemand 
\ I sich vor ihm fürchtet, (esio.) wenn er nicht mehr begehrt und 
y nicht mehr hafst, dann geht er in das Brahman ein. 

53. Wenn er beides aufgibt, das Wahre und das Un- 
wahre, Schmerz und Freude, Furcht und Mut, wenn er Liebes 
und Nichtliebes hinter sich läfst , (65 u.) dann wird er be- 
ruhigten Geistes leben. 

51. Wenn er als weiser Mann allen Wesen keinerlei 
L'bles zufügt, (6512.) weder in Werken, noch in Gedanken 
oder Worten, dann geht er in das Brahman ein. 

55. Sie, welche von Töricbtgesinnten schwer aufgegeben 
wird, sie, welche nicht altert mit dem Alternden, (6513.) jene 
Krankheit, welche nur mit dem Leben selbst zu Ende geht, 



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Adhyaya 174 (B. 174). 



117 



es ist die Begierde ftrishnu)\ wohl dem, der sich von ihr 
befreit. 

5T>. Darüber hört man die Verse, o Fürst, die einst von 
der Pingala darüber gesungen wurden, (csu.) wie sie in der 
Zeit des Elends zu dem ewigen Gesetze gelangte. 

57. Als nämlich die Buhlerin Pingalä beim Stelldichein 
von ihrem Geliebten im Stiche gelassen worden war, (göiü.) da 
wufste sie in ihrem Elend ihren Geist zur Ruhe zu bringen. 

Pingalä sprach: 

58. (6516.) Ich war versessen auf einen Geliebten, der nicht 
auf mich versessen war, und habe ihn lange Zeit gehegt im 
Innersten als meinen Liebling, aber bisher hatte ich ihn nicht 
durchschaut. 

51). (6517.) Von nun an werde ich das Haus mit der einen 
Säule (dem Rumpf) und den neun Toren verschlossen halten, 
denn welche könnte jetzt noch von dem Geliebten, wenn er 
hierher käme, glauben, dafs er ein Geliebter sei. 

»>0. (r,5i8 ) Ich liebe nicht, und wenn sie unter dem Schein 
der Liebe kommen, die Schelme, die dem Höllendämon Naraka 
gleichenden, so sollen sie mich nicht wieder betrügen, ich 
bin erweckt worden, ich bin wach. 

ßl. (6519.) Auch Unglück kann zum Glück ausschlagen 
vermöge des Schicksals oder der Werke in einer frühern Ge- 
burt; ich bin erwacht, ich bin frei von sinnlichen Gestalten, 
ich bin jetzt nicht mehr eine, welche die Sinne nicht über- 
wunden hätte. 

f>2. W520.) Der Hoffnungsfreie schläft sanft, Hoffnungs- 
freiheit ist das höchste Glück, denn, die Hoffnung mit Nicht- 
Hoffnung vertauscht habend, schläft ruhig die Pingalä. 

Bblshma sprach: 

03. (ö:»si.) Durch diese und andere, von Gründen begleitete 
Gespräche des Brahmanen wieder aufgerichtet, freute sich 
der König Senajit und war zufrieden. 

So lautet im Mokihadharm» 
die KrtAhlnng vom (ietprbche des Brahmaueii mit Nrnujit 
(br Ahmana - Srnnjit- utincd.la). 



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Adhyaya 175 (B. 175). 119 

Der Sohn sprach: 

7. (6528.) Da die Welt so heimgesucht wird und völlig 
abgegrenzt ist, und da die Nicht -Vergeblichen dahinfliehen, 
was redest du da, als wärest du weise? 

Der Vater sprach: 

8. (6529.) Wie soll denn die Welt heimgesucht und wo- 
durch soll sie abgegrenzt sein, und wer sind hier die Nicht- 
Vergeblichen, welche dahinfliehen? Wovor willst du mich 
bange machen? 

Der Sohn sprach: 

9. (6530.) VomTode^ist die Welt heimgesucht, durch das 
Alter wird sie abgegrenzt, und die Tage und Nächte sind es, 
welche dahinfliehen; ist dem nicht so? Warum begreifst du 
das nicht? 

10. (6531.) Und die Nächte sind es ja doch, welche als 
die Nicht -Vergeblichen [als die uns altern Machenden] immer- 
fort kommen und gehen. Wo ich dieses weifs, dafs nämlich 
der Tod keinen Stillstand kennt, (6532) was kann ich mir 
davon versprechen, dafs ich, von dem [vedischen] Wissen 
umhüllt, dahinginge? 

11. Wenn es wahr ist, dafs das Leben immer kürzer 
wird, indem eine Nacht nach der andern verstreicht, (6533.) dann 
dürfte der Einsichtige weiter auch von dem Tage finden, dafs 
er unfruchtbar sei. 

12. Wer möchte da Freude finden, wo er doch wie ein 
Fisch in seichtem Wasser ist; (6534.) noch ehe er seine Wünsche 
erfüllt sieht, überkommt den Menschen der Tod. 

13. Wie einen der Blumen pflückt, so wird ihn, während 
sein Geist anderswohin gerichtet ist, (6535.) der Tod be- 
schleichen, wie eine Wölfin das Lamm, und mit seinem 
Raube davoneilen. 

14. Heute noch tue, was zu deinem Besten dient; möge 
diese Zeit nicht [ungenutzt] über dich hinweggehen. (<;53o.) Denn 
ehe noch die Aufgaben erfüllt sind, reifst einen der Tod mit 
sich fort. 

15. Was morgen zu tun ist, das tue man lieber heute, 
am Vormittage lieber, was nachmittags zu tun ist, («1537.) denn 



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120 



IIT. Mokshadhanna. 



der Tod wartet Dicht, ob einer sein Werk vollendet hat oder 
nicht. 

16. Denn wer weifs, wessen Todesstunde heute sein wird? 
(65:m.) Schon der Jüngling gewöhne sich, seine Pflicht zu tun, 
denn das Leben ist vergänglich. Erfüllte Pflicht bringt Ruhm 
auf Erden und im Jenseits Glückseligkeit. 

17. (r.539.) Denn von Verblendung besessen müht einer 
sich ab für Weib und Kind; aber ob er dabei das Ziel er- 
reicht oder nicht, diesen ganzen Wohlstand mufs er abgeben. 

18. (6540.) Wenn der Mensch mit Kindern und Herden 
gesegnet ist und sein Herz daran hängt, dann, wie der Tiger 
eine schlafende Antilope, holt ihn der Tod. 

19. («541.) Noch ist er dabei, zu sammeln, noch sind seine 
Begierden nicht gesättigt, da, wie der Tiger ein Stück Vieh 
raubt, holt ihn der Tod. 

20. (C54-.'.) „Dies ist getan, dies mufs getan werden und 
jenes andere ist halb getan", so ist einer in Bestrebungen 
und Befriedigungen befangen, da unterwirft ihn sich der Tod. 

21. (0543.) Den Menschen, ehe er noch die Frucht seiner 
getanen Geschäfte einheimst, ihn, der von seinem Geschäfte 
den Namen trägt, ihn, der sein Herz an Felder und Waren 
und Häuser hängt, holt der Tod. 

22. (6544.) Mag er schwach oder stark sein, ein Held oder 
ein Feigling, dumm oder klug, ihn, ehe er noch an das Ziel 
aller seiner Wünsche gelangt ist, holt der Tod. 

23. (6545.) Tod und Alter, Krankheit und Leiden, wie sie 
aus vielen Ursachen hervorgehen, da diese dem Körper nach- 
stellen, wie kannst du da unerschüttert bleiben? 

24. T6546.) Jeden, der geboren ist, überkommen am Ende 
Tod und Alter; diesem Paare sind alle Wesen, die unbeweg- 
lichen (Pflanzen) und beweglichen, verfallen. 

25. (6547.) Eine Pforte fmukhamj des Todes ist die Ge- 
schlechtslust des im Dorfe Wohnenden [Grihastha], aber ein 
Sammelpunkt der Götter ist der Wald [als Aufenthalt des 
Vänaprastha], so sagt die Schrift. 

26. (6»48j Ein fesselnder Strick ist die Geschlechtslust 
des im Dorfe Wohnenden. Die Guten durchschneiden ilin 
und entkommen, die Bösen durchschneiden ihn nicht. 



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AdhvAya 175 (B. 175). 



121 



27. (6549) Wer die Kreaturen nicht verletzt, weder durch 
Gedanken, noch durch W orte, nocli durcli seinen Körper, der 
wird auch nicht verletzt von Lehewesen, welche Lehen und 
Besitz rauben [nach B.]. 

28. (65&o.) Kein Mensch vermag das heranziehende Heer 
des Todes jemals zurückzuschlagen ohne die Wahrheit; das 
Unwahre mufs man aufgeben [nach B.], denn in der Wahr- 
heit ist das Unsterbliche gegründet. 

29. («551.) Darum, wer im Gelübde der Wahrheit wandelt, 
Hingebung an die Wahrheit als das Höchste hat, in wahrer 
Uberlieferung und beständiger Bezähmung verharrt, der über- 
windet durch die Wahrheit den Tod. 

30. (0552.) Beides, das Nicht -mehr -sterben- müssen und 
das Sterben-müssen. hat seine Grundlage in der Verkörperung; 
das Sterben-müssen kommt von der Verblendung, durch die 
Wahrheit kommt das Nicht-mehr-sterben-müssen. 

31. (0553.) Ich, der ich niemanden schädige, nach Wahr- 
heit verlange, Begierde und Zorn von mir abgetan habe, bei 
Leid und Lust gleichmütig und friedfertig bin, ich werde 
von dem Tode frei werden, wie ein Unsterblicher. 

32. (0554.) An der Beruhigung als Darbringung mich er- 
freuend, bezähmt, in der Verehrung des Brahman beharrend, 
als ein Muni Rede, Gedanken und Werke als Opfer dar- 
bringend, so werde ich auf dem Nord weg« der Sonne [dem 
Devayana] dahingehen. 

33. («555.) Wie könnte einer wie ich mit Tötung ver- 
bundene Tieropfer darbringen wollen? Wie könnte er als 
weiser Mann endliche Frucht habende Körperopfer darbringen, 
als wäre er ein blutgieriger Dämon? 

34. (6556.) Derjenige, welcher Worte und Gedanken immer- 
fort vollständig [im Yoga] versenkt hat, wer Askese, Ent- 
sagung und Wahrheit besitzt, der wahrlich erlangt das All. 

35. («557.) Kein Auge kommt der Wissenschaft gleich, 
keine Askeso der Wahrheit, kein Unglück kommt der Leiden- 
schaft, kein Glück der Entsagung gleich. 

36. («558.) In meinem Selbste durch mein Selbst geboren, 
in mir selbst feststehend, auch ohne Nachkommen, werde ich 



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122 



III. Moksliiitlharm:i. 



nur in dem Selbste leben, Nachkommenschaft hilft mir nicht 
zur Rettung (vgl. Brih. Up. 4,4,22). 

37. (6559.) Für einen Brahmanen steht kein Reichtum 
so hoch wie Einheit, Gleichmut, Wahrhaftigkeit, Güte, 
Festigkeit, NichtStrafen und Rechtschaffenheit und, nach 
und nach, in ihrem Gefolge Abstohen von den Werken. 

38. (65G0.) Was sollen dir Reichtum, was Verwandte, 
was sollen dir, o Brahmane, Weiber, da du sterben mufst ? 
Den Atman suche, der in die Höhle [des Herzens] ein- 
gegangen ist. Wohin sind deine Vorväter und dein Vater 
gegangen ? 

Bhlshma sprach : 

39. (65ci.) Wie es der Vater tat, nachdem er dieses Wort 
des Sohnes vernommen hatte, so mögest auch du, o Fürst, 
wandeln, Wahrheit und Recht für das Höchste haltend. 

So lautet im Mokshadharraa das Gesprftcb zwischen Vater und Sohn 

(jßitd-putra-samvdda) 



Adhyäya 176 (B. 176). 

Vers 6562-6585 (B. 1-23). 

Yudhishthira sprach: 

1. (6562.) Die Reichen und die, welche besitzlos sind, leben 
dahin, beide in ihrer Weise. Was für Freuden und Leiden 
ergeben sich daraus für sie und in welcher Weise? 

Bhishma sprach: 

2. (r.563.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, welche herrührt von Qampäka, der schon hie- 
nieden erlöst und zur Ruhe gelangt war. 

3. (6564.) Einstmals sprach zu mir ein gewisser Brahmane, 
der sich der Entsagung ergeben hatte, und der von einem 
bösen Weibe, ven schlechter Kleidung und Hunger geplagt war : 

4. (6565.) Den Menschen, wie er hier in der Welt ent- 
standen, treffen von Geburt an mancherlei Leiden und Freuden. 



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Adhyäya 176 fB. 176). 



123 



5. (6566.) Was auch immer von diesen beiden ihn auf dem 
einen oder andern Wege geleiten mag, wenn ihn Freude trifft, 
soll er sich nicht freuen, wenn ihn Leid trifft, sich nicht be- 
schwert fühlen. 

6. (6567.) Du gelangst doch nicht zu dem, was zu deinem 
Heile dient, noch dazu, dafs du Herr deiner selbst bist, da 
du, obgleich [in Wahrheit] einen begierdelosen Atman habend, 
das Joch eben immerdar zu tragen hast. 

7. (6568.) Wenn du als besitzlos umherstreichst, so wirst 
du es dir mit Behagen schmecken lassen; der Besitzlose 
schläft behaglich und steht ebenso wieder auf. 

8. (6569.) Besitzlosigkeit ist ein Glück in der Welt, sie 
ist förderlich, heilsam und vor Krankheiten schützend; sie 
ist der wahre Weg, um keine Feinde zu haben, der so schwer 
und doch wieder so leicht zu finden ist. 

9. (65.0.) Dem Besitzlosen, Reinen, in jeder Hinsicht Wohl- 
gewappneten, — wenn ich auf alle drei Welten blicke, so finde 
ich nichts in ihnen, was dem gleichkäme. 

10. (6571.) Die Besitzlosigkeit und die Königsherrschaft 
habe ich auf einer Wage gegeneinander abgewogen : die Ar- 
mut hatte das Übergewicht und war auch der Königsherr- 
schaft an Trefflichkeit überlegen. 

11. (6572.) Zwischen Besitzlosigkeit und Königsherrschaft 
besteht dieser sehr grofse Unterschied, dafs der Reiche immer- 
fort in Angst lebt, als hätte ihn schon der Tod im Rachen. 

12. (6573.) Über den haben nicht das Feuer, nicht wovor 
man unversehrt zu bleiben wünscht, nicht der Tod, nicht die 
Dämonen Gewalt, wer durch Verzicht auf Besitz sich frei- 
gemacht hat und ohne Wünsche lebt. 

13. (6574.) Wahrlich, wer immer nach Belieben herum- 
streicht, ohne Streu schläft, mit den Armen als Kopfkissen 
und ohne Sorge, den preisen die Himmelsbewohner glücklich. 

14. (6575.) Der Reiche, besessen von Zorn und Habgier, 
von Sinnen gebracht, mit spähendem Seitenblick, vertrock- 
neten Mundes, bösartig die Brauen zusammenziehend, 

15. (6576.) sich auf die Lippen beifsend, zornmütig, von 
barscher Rede, — wer mochte dem gern seine Aufwartung 
machen, auch wenn er einem die ganze Erde schenken wollte. 



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124 



III. Mokshadharraa. 



16. (6577.) Das fortwährende Zusammenwohnen mit dem 
Glück verblendet einen unverständigen Menschen ; das Glück 
fegt seine Besonnenheit hinweg, wie der Wind die Wolke im 
Herbste. 

17. (6578.) Dann packt ihn der Schönheitsdünkel und der 
Reichtumsdünkel : „ich bin hochgeboren, ich bin vollkommen, 
ich bin ein Übermensch" (näsmi kevalamänushahj. 

18. (6579.) Durch die genannten drei Ursachen wird sein 
Denken in Verwirrung gebracht, und trotz seinem Haften 
[am Irdischen] verschleudert er die von den Vorfahren auf- 
gehäuften Genufsmittel, (6580.) und, heruntergekommen, hält 
er es für recht, andern das Ihre zu rauben. 

19. Und nachdem er das Mafs überschritten hat und 
von überallher raubt, (gssi.) verjagen ihn die Könige, wie die 
Jäger mit ihren Pfeilen ein wildes Tier. 

20. So geschieht es, dafs diese Leiden, bald diese, bald 
jene, hienieden den Menschen (6582.) in mannigfacher Werse 
anfallen, wie auch die, welche aus der Antastung seines Leibes 
entspringen. 

21. Aus Einsicht in diese überaus grofsen Leiden möge 
man sich dem Bettelstande ergeben, (6583.) indem man ver- 
achtet, was in der Welt Brauch ist bei den S icherstehenden 
und bei denen, die in unsicherer Lage sind. 

22. Wer nicht entsagt hat, kommt nicht zum Glück, 
wer nicht entsagt hat, kommt nicht zum Höchsten, (6584.) wer 
nicht entsagt hat. schläft nicht in sicherer Ruhe, entsage 
allem und sei glücklich. 

23. So wurde dies ehedem in Hästinapuram mir dar- 
gelegt von dem Brahmanen (6585.) (>mpäka, darum halte ich 
die Entsagung für das Höchste. 

So lautet im Mokahadbarma der Gesang des Campaka 

(famjxika-ffttd). 



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Adbyäya 177 (B. 177). 



125 



Adhyaya 177 (B. 177). 

Vers 6586-6639 (B. 1-54). 

Yudhishthira sprach: 

1. (6586.) Wenn einer, nach grofsen Dingen strebend, den 
Reichtum nicht erlangt und doch von Durst nach Reichtum 
beherrscht wird, was mufs der tun, um glücklich zu werden? 

Bhishma sprach: 

2. (6r»87.) Wenn einer in allen Lagen Gleichmut, unauf- 
geregtes Wesen und Wahrhaftigkeit, o Bhärata, dazu Welt- 
verdrossenheit und Unternehmungslosigkeit besitzt, der ist 
ein glücklicher Mann. 

3. (6588.) Die erwähnten fünf Worte wurden von den Alten 
zur Beruhigung des Gemütes mitgeteilt; das ist der Himmel 
und die Gerechtigkeit, das wird für das allerhöchste Glück 
gehalten. 

4. (6589.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich was aus Weltüberdrufs Manki vor- 
getragen- hat. Das vernimm, o Yudhishthira. 

5. (6590.) Manki strebte nach Reichtum und war in diesem 
Streben ein Mal ums andere Mal gescheitert. Da kaufte er 
mit einem geringen Reste seines Vermögens ein Paar junge 
Ochsen. 

f). (6591.) Diese beiden jungen Ochsen waren, fest mit- 
einander verbunden, ins Freie gebracht worden, um ein- 
gefahren zu werden; da rannten sie plötzlich auf ein Kamel 
zu, welches gerade kniete, und nahmen es in die Mitte. 

7. (6592.) Als sie sich nun an die Sehultergegend des Ka- 
mels herandrängten, wurde dieses ungeduldig, sprang auf, 
rifs die beiden Öchslein in die Höhe und lief mit grofser 
Geschwindigkeit davon. 

S. (6593.) Da nun Manki sah, wie seine beiden Ochslein 
von dem wütenden Kamel fortgeschleppt wurden und den 
Erstickungstod starben, da sprach er folgendes Wort: 

1>. (6594.) Es hilft nichts, nach Reichtum zu streben, der 
einem vom Schicksal nicht gegönnt wird, selbst wenn man 



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126 



III. Mok.sluulharma. 



tüchtig ist und mit Glauben ausgerüstet und sein Streben 
mit aller Macht verfolgt. 

10. (6695.) Durch die Kettung an das Unheil meiner Werke 
in einem frühern Dasein habe ich, obgleich mich bemühend, 
doch, wie ihr seht, da es mich einmal treffen sollte, das vom 
Schicksal verhängte Unglück erlitten. 

11. (6596.) Dafs es [das Kamel] auf unglücklichem Wege 
dahingeht, indem es meine Ochslein immerfort würgt, dafs 
es sie in die Höhe rifs und auf einem Abwege davonlief, das 
ist ein Verhängnis, wie die Erschlagung der Krähe durch 
die Palmfrucht. 

12. (6597.) Wie zwei Schmuckstücke des Kamels baumeln 
meine lieben Öchslein; es ist eine Fügung des Schicksals; 
wenn das Gewalt braucht, ist die Menschen tat für nichts. 

13. (6598.) Aber selbst wenn irgend einmal das, was man 
Menschen tat nennt, in Frage kommen sollte, so wird sich 
auch das, wenn man weiter nachforscht, als Schicksal heraus- 
stellen. 

14. (6599.) Darum mufs einer, der hier auf der Welt glück- 
lich zu werden wünscht, sich der Weltentsagung zuwenden; 
der schläft ruhig, wer entsagt und die Hoffnung auf Zwecke 
und Mittel aufgibt. 

15. (66oo.) Ach, wie richtig ist das von Quka gesagt 
worden, als er sich von allem losmachte und aus dem Hause 
seines Vaters in den grofsen Wald hinauszog! 

16. (6C01.) Gesetzt, einer erlangte alle seine Wünsche, 
und gesetzt, einer verzichtete auf sie ganz und gar, so ist 
der Erlangung aller Wünsche der Verzicht auf dieselben vor- 
zuziehen. 

17. (C602.) Noch nie ist irgend jemand vordem gelangt 
bis zum Ziel seiner Unternehmungsgolüste; im Leibe und 
während des Lebens ist bei einem Toren der Durst (Irishruij 
beständig im Wachsen. 

18. (6603.) Wende dich ab von den Unternehraungs- 
gelüsten, beruhige dich, indem du entsagst, o Begehrlicher; 
mehr als einmal bist du schon angeführt worden, und willst 
trotzdem nicht entsagen? 



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Adhyäya 177 (B. 177). 



127 



19. (6604.) Wenn ich [die Begierde] auch nicht bei dir 
auszurotten bin, und wenn du auch in dieser Meise an mir 
dich ergötzest, so mache mich doch nicht törichterweise aus 
Habsucht zu deinem Bundesgenossen, du nach Reichtum Be- 
gehrender. 

20. (6605.) Immer aufs neue häufst du Schätze auf und 
verlierst sie immer wieder und wieder. Schliefslich mufst 
du Tor doch einmal das Streben nach Reichtum von dir ab- 
tun, o du nach Reichtum Begehrender. 

21. (6606.) O weh über meine [des Begehrenden] Torheit, 
der ich [o Begierde] dein Spielzeug gewesen bin. Möchte 
denn wohl jemals in dieser Weise ein Mensch sich in die 
Sklaverei von anderen begeben? 

22. (6607.) Noch niemals haben früher oder später Lebende 
die Grenze der Begierden erreicht; aber nachdem ich alle 
Unternehmungsgelüste habe fahren lassen, bin ich erweckt 
worden und bin jetzt wach. 

23. (6oo8.) Gewifs ist dein Herz, o Käma (Begierde), von 
diamantener Härte, da es, von hundert Unglücksfällen ge- 
troffen, nicht in hundert Stücke zerspringt. 

24. (6609) Ich kenne dich sehr wohl, o Käma, und alles, 
was dir lieb ist; solange ich danach trachte, was dir lieb 
ist, finde ich nicht in mir selbst das Glück. 

25. (66io) O Käma, ich kenne deine Wurzel, du ent- 
springst aus dem Verlangen; ich werde nach dir kein Ver- 
langen haben, und du wirst keine Wurzeln bei mir schlagen. 

2t>. (66U.) Das Trachten nach Reichtum ist nicht be- 
glückend, und hat man ihn erlangt, so ist die Sorge nur um 
so gröfser geworden ; das Entbehren des erlangten ist [bitter] 
wie der Tod, mag man ihn verloren oder gar nicht gehabt 
haben. 

27. (66ij.) Entgeht er uns [paritijdgc mit B.], so erreichen 
wir nicht, was wir wünschen, und was könnte schmerzlicher 
als das sein! Haben wir ihn aber erlangt, so sind wir doch 
nicht zufrieden und begehren immer weiter. 

28. (6613.) Besitz ist nur dursterregend, suis wie das Wasser 
der Ganga, aber dies fuhrt zu meinem Verderben ; ich bin er- 
wacht; — entsage! 



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128 



III. Moksbadhainiu. 



29. (e«u.) Die Schar von Wesen, welche diesen meinen 
Leib umdrängt, die möge sich fortscheren, wohin sie will, 
und bleiben, wo es ihr beliebt. 

30. (Gtfiö.) Ich habe hier keine Freude mehr an euch, die 
ihr mich mit Begierde und Verlangen beschleicht; darum 
streife ich alle Begierden von mir ab und nehme raeine Zu- 
flucht zur Wahrheit. 

31. (6010.) Alle Wesen in meinem Leibe sehend und in 
dem Herzen meiner selbst, und die Erkenntnis im Yoga, 
die Wahrheit in der Schrift, das Herz im B rahm an fest- 
haltend, 

32. (üüi7.) werde ich meine Zeit hinbringen ohne Anhäng- 
lichkeit, glücklich, nicht mehr an der Welt krankend, so dafs 
du [o Begierde] mich nicht mehr so wie früher in Schmerzen 
versenken wirst. 

33. (üci8.) Für mich, der ich von dir herumgestofsen 
wurde, gibt es keinen andern Ausweg, denn du, o Käma, 
bist allezeit die Quelle von Durst, Kummer und Mühsal. 

34. (6619.) Verliert man sein Vermögen, so kommt ein 
noch ärgeres Leid dazu, schlimmer, wie ich glaube, als alles 
andere, indem die Verwandten und Freunde den, der sein 
Vermögen verloren hat, verachten. 

35. (6620.) Aber schlimmer noch als tausend Verachtungen 
sind die dem Reichtum anhaftenden Übel, und das bifschen 
Glück, was im Reichtum steckt, auch das wird nur unter 
Leiden gespendet. 

30. (6621.) Er hat Geld, so denkend von einem Menschen, 
erschlagen ihn mit Vorliebe die Räuber; sie quälen ihn mit 
mancherlei Martern und halten ihn immerfort in Angst. 

37. (6622.) Die Begehrlichkeit nach Reichtum ist ein Leiden, 
davon habe ich mich schon lange überzeugt; was du auch 
immer vornehmen magst, es sei was es wolle, darin stöfst 
du auf Hindernisse. 

38. (6623.) Du kennst das wahre Wesen nicht und bist 
ein Tor, schwer zu befriedigen, ein unersättliches Feuer; du 
weifst nicht mehr zu unterscheiden, was leicht zu erlangen 
und was schwer zu erlangen ist. 

39. (6624.) O Käma, wie eine schwer zu sättigende Hölle 



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Adhyäya 177 (B. 177). 129 

willst du mich in Leiden verstricken, aber jetzt kann ich 
nicht nochmals ein von dir Besessener werden. 

40. (6625.) Zur Weltentsagung habe ich mich gewendet, 
weil ich durch Zufall verlor, was mein war; nachdem ich 
vollkommene Enthaltung von allem Tun erlangt habe, brauche 
ich nicht mehr Begierden nachzutrachten. 

41. (6626.) Übergrofse Plagen überwinde ich dadurch; ich 
denke nicht mehr wie ein Unverständiger, sondern herunter- 
gebracht durch den Verlust meines Besitzes, ruhe ich, am 
ganzen Leibe ohne Beschwerde. 

42. (6627.) Ich gebe dich auf, o Käma, indem ich alle 
Herzenswünsche fahren lasse, weiterhin wirst du, o Käma, 
keine Wohnung in mir, keine Freude an mir finden. 

43. (66.18.) Wenn sie mich schmähen, werde ich geduldig 
sein, werde nicht wieder verletzen, wenn ich verletzt werde; 
bin ich bei Feinden, so werde ich Freundliches reden und 
ihrer Unfreundlichkeit keine Beachtung schenken. 

44. (6621».) Zufrieden, mit gefesteten Sinnen und immer 
lebend als hätte ich erreicht, was ich wollte, so seiend, werde 
ich nicht tun, was du wünschest, o Käma, der du mein 
Feind bist. 

4o. (6630.) Weltentsagung, Heiterkeit des Gemüts, Zu- 
friedenheit, Ruhe, Wahrhaftigkeit, Bezähmung, Geduld und 
Mitleid mit allen Wesen, die, wisse, habe ich erreicht. 

46. ro63i.) Darum sollen Wunsch, Begierde, Durst und 
Jammer von mir weichen, der ich Grund gefunden habe, denn 
jetzt habe ich mich gegründet auf die Wahrheit. 

47. (6632.) Aufgebend Wunsch und Begierde, habe ich 
nunmehr das Glück gefunden; von nun an werde ich nicht 
mehr unter der Herrschaft der Begierde stehen und Schmerz 
erleiden als Nicht-Herr meiner selbst. 

48. (6633.) Soweit einer mit den Begierden aufräumt, so- 
weit füllt sich ihr Platz mit Glück; wer unter der Herrschaft 
der Begierde steht, der gerät immerfort in Leiden. 

4Ü. (6634.) Alle mit Begierde verknüpfte Leidenschaft 
(rajasji die ein Mensch von sich abstöfst, ist aus Begierde 
und Zorn entspringendes Leiden, ist Schamlosigkeit und 
Freudlosigkeit. 

Dsoe», Mababharatam. 9 



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130 III- Mokshadharma. 

50. (6635.) Ich habe in Brahman meinen Grund gefunden, 
bin wie ein kühles Wasser mitten in der Sommerhitze, ich 
bin beruhigt, völlig ausgelöscht fparinirväüiij , lauter Glück 
umfängt mich. 

51. (6636.) Was in der Welt vorhanden ist an Glück, das 
aus der Lust entspringt, und was an grofsem himmlischem 
Glücke vorhanden ist, diese wiegen alle beide nicht den sech- 
zehnten Teil auf von dem Glück, welches aus Vernichtung 
des Durstes (Irishna) entspringt. 

52. (6637.) Den Käma als selbsiebenten und ärgsten Feind 
niedergeworfen habend, werde ich die unbezwingliche Burg 
des Brahman erobern und glücklich wie ein König in ihr sein. 

53. (6638.) Zu dieser Erkenntnis gelangend, erreichte Manki 
die Weltentsagung, indem er auf alle Begierden verzichtete 
und das Brahman als grofses Glück erreichte. 

54. (6639.) Weil ihm seine Ochslein verloren gingen, ge- 
langte damals Manki zur Unsterblichkeit ; er schnitt die Wurzel 
der Begierde durch, damit erlangte er grofses Glück. 

So lautet im Mok»hadharma der Qeaang dei Maükl 

(Manki - 9 itd). 

Adbyaya 178 (B. 178). 

Vers 6640-6652 (B. 1-13). 
Bhishma sprach: 

1. (6640.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, welche vorgetragen wurde von Janaka, dem König 
der Videha's, da er zur Ruhe gelangt war. 

2. (6641.) Unendlich fürwahr ist mein Reichtum, dieweil 
ich gar nichts besitze; selbst wenn Mithilä in Flammen auf- 
geht, gibt es nichts mehr, was mir verbrennen könnte. 

3. (6642.) Hierbei führt man auch die Sammlung von Merk- 
wörtern des Bodhya an, welche zum Zwecke der Entsagung 
vorgebracht worden war; diese vernimm, o Yudhishthira. 

4. (6643.) Der König Nähusha befragte den zur Ruhe ge- 
langten Weisen Bodhya, der aus Cberdrufs an der Welt zur 



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Adhyäya 178 (B. 178). 



13t 



Ruhe gekommen war und die Erkenntnis der Lehrbücher 
satt hatte: 

5. (6644.) Belehre mich, o grofser Weiser, über die Unter- 
weisung der Beruhigung, und welcher Erkenntnis du nach- 
gesonnen hast, durch die du so ruhig und heiter dahingehst. 

Bodhya sprach: 

6. (6645.) Mit Unterweisung befasse ich mich nicht und 
belehre auch niemand hienieden, aber ein Merkwort für die- 
selbe will ich dir sagen, das möge von dir selbst weiter über- 
dacht werden. 

7. (6646.) Die Piögalä, der Seeadler, die Schlange, das 
Weiden der Antilopen im Walde, der Pfeilschnitzer , das 
Mädchen, diese sechs sind meine Lehrer. 

Bhtshma sprach: 

8. (6647.) Die Hoffnung, o König, tut uns Gewalt an, Frei- 
heit von Hoffnung ist das höchste Glück; die Hoffnung zur 
Nichthoffnung gemacht habend, schläft Pingalä sanft [vgl. 
Sänkhya-Sütra 4,11]. 

9. (6618.) Als ein Seeadler einen andern Seeadler sah, der 
sich eines Fleischstückes bemächtigt hatte und von solchen, 
die ohne Beute waren, getötet wurde, da verzichtete er auf 
die Beute und lebte glücklich weiter [ähnlich, aber anders 
ib. 4,5 und Bhägavata-Puränam 11,9,2]. 

10. (6649.) Das Bauen eines Hauses macht Not und nie- 
mals Freude; die Schlange schlüpfte in das von einem andern 
gebaute Haus und lebt glücklich [vgl. Sankhya-Sütra 4,12]. 

11. (6650.) Glücklich leben die Einsiedler, welche sich an 
die Ernährung durch Erbetteltes halten, ohne dafs sie irgend- 
einem Wesen ein Leid antun, wie die Antilopen, wie die Vögel. 
[Der Kommentar denkt bei saranga an Bienen, vielleicht mit 
Rücksicht auf ib. 4,13, Böhtlingk an eine Vogelart.] 

12. (6651.) Ein Mann, der einen Pfeil schnitzte, hatte seinen 
Geist so sehr auf den Pfeil gerichtet, dafs er sogar den König, 
der nahe an ihm vorbeiging, nicht bemerkte [ib. 4,14 und 
(,'ankara zu Vedänta-Sütra 3,2,10, unsere Übersetzung S. 517]. 

9» 



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132 



HI. Mokshadhanua. 



13. (665-2.) Wo viele sind, da entsteht immer Streit, wo 
zwei sind, ist die Unterredung gesichert; ich werde mich für 
mich allein halten, wie die kleine Muschel des Mädchens 
[welches ihr Muschelarmband bis auf eine Muschel entfernte, 
damit ihre Gäste, für welche sie Reis zerstampfte, nicht durch 
das Geklapper gestört würden; vgl. Sänkhya-Sütra ib. 4,9 
und Nilakantha zu unserer Stelle, der schon die Geschichte 
ähnlich erzählt, wie sie Garbe laut seiner deutschen Über- 
setzung der Sänkhya-Sütra's p. 254 aus dem Kreise der 
Benares -Pandit's mündlich sich berichten liefs]. 

So lautet im Mokahadhanna der Gesang des Bodhya 

(Bodhya-gttd). 

AdhyAya 179 (B. 179). 

Vers 6653-6689 (B. 1-37). 

Yudhishthira sprach: 

1. (6653.) Durch welchen Wandel, o du des Wandels 
Kundiger, kann einer frei von Kummer auf der Erde leben, 
und was mufs ein Mann in der Welt tun, damit er zu dem 
höchsten Wege gelange? 

Bhishma sprach: 

2. (6654.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Prahräda und des 
Einsiedlers Ajagara. 

3. (6655.) Einen gewissen umherpilgernden Brahmanen, 
von tüchtigen Gedanken und frei von Ungemach, befragte 
der König Prahräda, er, der Verständige, den um seines Ver- 
standes Willen Geschätzten. 

Prahräda sprach: 

4. (6656.) Auf dich selbst gegründet, kräftig [C. und NU. 
reinj, milde, bezähmt, ohne Neuerungssucht und ohne Müs 
gunst, wohlberedt, selbstbewufst und verständig, so ziehs 
du, weiser Mann, dahin, einem Kinde gleich. 



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Adhyaya 179 (B. 17J>). 



133 



5. (6657.) Du verlangst nach Geschenken und bist auch 
nicht bekümmert, wenn man dir nichts schenkt, und, allezeit 
zufrieden, o Brahmane, verachtest du nichts favamamjasej. 

6. (6658.) Und während die Geschöpfe durch den Strom 
des Lebens fortgerissen werden, erscheinst du wie einer, der 
sich keine Gedanken darüber macht, und der über das 
Streben nach dem Guten, Angenehmen und Nützlichen er- 
haben ist. 

7. (6t!5y.) Nicht bist du her hinter dem Guten und Nütz- 
lichen, und nicht bewegst du dich im Angenehmen; unbe- 
kümmert um die Sinnendinge gehst du dahin, frei wie ein 
blofser Zuschauer (sakshinj, 

8. (666o.) Welches ist deine Weisheit, deine Schriftgelehr- 
samkeit, dein Lebenswandel, o Einsiedler? Das sage mir 
geschwind, o Brahmane, und was du hienieden für das 
Heil hältst. 

Bbtsbma sprach: 

9. (6661.) Nachdem der auf die Gesetzmäfsigkeit in der 
Welt sich verstehende Weise also befragt worden war, sprach 
er zu Prahräda mit geschmeidiger, zielbewufster Rede wie folgt : 

10. (666-.».) Siehe, o Prahräda! über die Entstehung der 
esen, wie sie zwecklos erfolgt, über ihr Schwinden, Wachsen 

und Vergehen empfinde ich weder Freude noch Aufregung. 

11. (666:i.) Als aus Naturnotwendigkeit hervorgehend mufs 
man alle Entstehungen betrachten, und aus Naturnotwendig- 
keit gehen sie alle zugrunde, ich empfinde keine Freude über 
irgend etwas. 

12. (6664.) Siehe, o Prahräda, die Verbindungen, wie sie 
auf Trennungen hinauslaufen, und die Sammlungen, wie sie 
mit Verlorengehen endigen! Ich hänge mein Herz nicht an 
irgend etwas. 

13. (6665.) Wenn einer sieht, wie die trefflich ausgestatteten 
Wesen zugrunde gehen, wenn einer das Entstehen und Ver- 
gehen beobachtet, was bleibt ihm da übrig, was er wohl tun 
möchte ? 

14. (6666.) Auch bemerke ich, wie nacheinander auch die 
Wassertiere zugrunde gehen, die grofsen sowohl wie die kleinen 
Leiber in dem grofsen Ozean. 



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III. Mnkshadharma. 



i 



15. (0667.) Für die beweglichen und unbeweglichen Wesen, 
o Gebieter der Dämonen, welche auf der Erde leben, sehe ich 
deutlich den Tod, der ihnen von allen Seiten droht. 

16. (6668.) Und auch den die Luft durchstreifenden Vögeln, 
o Bester der Dänava's, steht, wenn die Zeit kommt, der Tod 
bevor, wenn sie auch noch so stark sind. 

17. (6669.) Und auch die am Himmel hinwandelnden Lichter, 
die kleinen wie die grofsen, sehe ich herabstürzen, wenn die Zeit 
gekommen ist (vgl. Maitr.Up.1,4. Sechzig Upanishad's S. 317). 

18. (6670.) Indem ich sah, wie die Wesen von dem Tode 
verfolgt werden, gelangte ich als Wissender, der das Ziel 
erreicht hat, zur Erkenntnis von der Gleichheit aller Wesen 
und schlafe nun ruhig. 

19. (6671.) Auch einen grofsen Schmaus, wenn ich ihn 
zufällig erlange, lasse ich mir schmecken, und wiederum liege 
ich viele Tage da, ohne etwas zu essen. 

20. (6672.) Man bietet mir manchmal vortreffliche und 
reichliche Nahrung an, manchmal mäfsige, manchmal spär- 
liche, und manchmal kommt es überhaupt nicht dazu. 

21. (6673.) Manchmal kaue ich an Körnern, oder ich esse 
Ölkuchen oder verzehre Reis und Fleisch, vornehme und ge- 
ringe Nahrung, wie es kommt. 

22. (6674.) Manchmal liege ich auf einem Polster, und 
dann wieder schlafe ich auf der Erde, manchmal wird mir 
auch ein Bett in einem Palaste zuteil. 

23. (6675.) Ich kleide mich in Lumpen, in hänfene oder 
leinene Kleider oder in Tierfelle, und gelegentlich trage ich 
sehr kostbare Gewänder. 

24. (6676.) Wenn mir ein erlaubter Genufs zufällig sich 
bietet, so verschmähe ich ihn nicht, trachte ihm aber auch 
nicht nach, wenn er schwer zu erlangen ist. 

25. (6677.) Den Unerschütterlichen, Unvergänglichen, 
Seligen, Kummerlosen, Reinen, Unvergleichlichen, im 
Geiste der Weisen Weilenden, von den Toren nicht Ge- 
liebten und nicht Gesuchten , — dieser Losung des Aja- 
gara folge ich in Reinheit. 

26. (6678.) Der in seinem Denken Unentwegte, Un- 
erschütterliche, nach eigener Satzung seinen Wandel 



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A.lhyÄya 179 (B. 179). 



135 



Kesselnde, das Höchste und Tiefste Kennende, von Furcht, 
Leidenschaft, Begierde und Verblendung Freie, — dieser 
Losung des Ajagara folge ich in Reinheit 

27. (6619.) Ihn, welcher nicht [wie die individuellen 
Wesen] den Genufs einer bestimmten Frucht [der Werke] 
zu essen und zu trinken hat, ihn, der nur vermöge der 
Umwandlung durch die Schöpfung in Raum und Zeit 
zerteilt wird, den Herzerfreuenden, von Unedeln nicht 
Verehrten, — dieser Losung des Ajagara folge ich in 
Reinheit. 

2*. u*so.) Den Menschen, welcher von der Begierde 
ftrishnäj bald nach diesem, bald nach jenem überwältigt 
wird, und welcher, wenn er nicht zu Reichtum kommt, 
verzweifelt, wenn man einen solchen durch Erkenntnis 
der wahren Wesenheit weise sich vor Augen führt, — 
dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit. 

20. Wenn man vielfach beobachtet, wie auf 

dieser Welt um des Geldes willen in jämmerlicher Weise 
der edle Mensch sich an den unedeln hängt, und wenn 
man sodann im Lichte der Seelenruhe seiner selbst sich 
bautet und ruhig bleibt, — dieser Losung des Ajagara 
fol^e ich in Reinheit. 

.'H t^i.) Lust und Leid, Verlust und Gewinn des 
Vermögens, Vergnügen und Mifs vergnügen, Sterben und 
Leben, all das erkenne ich in Wahrheit als vom Schick- 
sal verhängt, — dieser Losung des Ajagara folge ich in 
Reinheit. 

31. (66W.) JYenn ich frei von Furcht, Leidenschaft, 
Verblendung und Stolz, begabt mit Festigkeit, Einsicht 
und Verstand, beruhigt beobachte, wie die Menschen die 
zur Reife gekommene Werkfruoht geniefsen, — dieser 
Losung des Ajagara folge ich in Reinheit. 

32. (6**i ) Indem ich ohne festes Lager und festen Sitz, 
durch Naturanlage schon mit Bezähmung, Selbstüber- 
windung, Gelübde, Wahrheit und Reinheit begabt und 
von der Anhäufung der Werkfrucht befreit, mich dessen 
freue, — dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit. 



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III. Mokshadharma. 



33. (6085.) Wenn ich sehe, wie einer sich hinreifsen 
läfst, um dem Leiden zu entgehen, von Gegenständen 
des Strebens, während ich die Erkenntnis erlangt habe 
und in mir selbst feststehe (lies: dtmasamsthah), während 
jener von Durst erfüllt ist und ohne die Macht, sein 
Manas zu zügeln, — dieser Losung des Äjagara folge 
ich in Reinheit. 

34. (6<&6.) Als ich, meinem Herzen nebst Rede und 
Verstand nicht nachgebend, die Schwererreichbarkeit von 
Liebem und Lust und ihre Vergänglichkeit, dieses beides 
überschaute, — dieser Losung des Ajagara folge ich in 
Reinheit. 

35. (6687.) Jenes von den Verständigen vielfach Be- 
sprochene und auch von den Dichtern, die den Ruhm 
des Atman verkündigen, die das Tiefe erforschen durch 
eigenes und fremdes Denken und erkennen, wie das eine 
hier und das andere dort ist, 

36. (6688.) indem ich dieses überblickte und zugleich 
den Abgrund, welchem unverständige Menschen auf dieser 
Welt zueilen, so freue ich mich unter den Menschen über 
das Unendliche, welches das jenseitige Ufer endloser 
Sünde ist, ich, der ich Sünde und Begierde im Zaume 
halte. 

Bhishma sprach: 

37. (6689.) Wer hier als ein hochsinniger Mann die 
von Ajagara befolgte Losung sich zur Richtschnur nimmt, 
indem er seine Leidenschaft zügelt, der fürwahr wird, 
frei von Furcht, Begierde, Verblendung und Zorn, im 
Glück diesen Wandel befolgen. 

So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Äjagara mit Trahrada 

(Ajagara - Vrahr&da - tatntdda). 



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Adhyäya 180 (B. 180). 



137 



Adhyftya 180 (B. 180). 

Vers 6690-6744 (B. 1-54). 

Yudhishthira sprach: 

1. (6690.) Verwandte, Tätigkeit, Reichtum oder Wissen, 
welches von diesen dient hienieden dem Menschen als Stütze, 
o Grofsvater? Das sollst du mir, dem Fragenden, beantworten. 

Bhishma sprach: 

2. (6691.) Das Wissen ist die Stütze der Wesen, das Wissen 
gilt als höchster Gewinn, das Wissen ist das Allerbeste auf 
der Welt, das Wissen gilt den Guten als Himmel. 

3. (669-j.) Durch Wissen gelangte ja auch Bali zu Reich- 
tum, als seine Herrlichkeit zertrümmert war, und ebenso 
Prahräda, Namuci und Manki; was gibt es Höheres als das 
Wissen ? 

4. (6693.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen Indra und 
Käcyapa. Diese vernimm, o Yudhishthira. 

5. (6694.) Ein gewisser Vaicya hatte mit seinem Wagen 
den Käcyapa, der ein scharfes Gelübde beobachtete, den Sohn 
eines Rishi, zu Fall gebracht, er, der Reiche und Stolze den 
Asketen. 

6. (6695.) Dieser, gequält, da er hingefallen war, sprach 
darauf, im Zorne sich selbst vergessend: „Ich will sterben, 
für einen Armen hat das Leben auf dieser Welt keinen Zweck." 

7. (6696.) Als er nun so, zu sterben verlangend, dasafs, 
lautlos und ohne Gedanken, da nahte ihm Indra in Schakal- 
gestalt und redete den in seinem Geiste Erschütterten (kshubdha 
mit C.) an. 

8. (6697.) Alle Wesen allerwärts trachten danach, als Men- 
schen geboren zu werden, und wenn sie das Menschensein 
erlangt haben, so freuen sich alle darauf, Brahmanen zu 
werden. 

9. (6698.) Du bist ein Mensch und ein Brahmane, bist so- 
gar ein Schriftgelehrter, o Käcyapa; nachdem du dieses schwer 



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I 



138 IU- Mokshadharma. 

zu Erlangende erreicht hast, darfst du dich nicht versündigen 
und sterben wollen. 

10. (6699.) Aller Reichtum verleitet zur Geringschätzung, 
das ist ein wahres Schriftwort; du hast eine Daseinsform, 
mit der man sich wohl zufrieden geben könnte, während du 
sie aus Begehrlichkeit geringschätzt. 

11. (6700.) 0 über das Glück derer, welchen in diesem 
Dasein Hände beschieden sind, ich beneide über die Mafsen 
die, welche Hände haben. 

12. (67oi.) Wir Schakale beneiden die, welche Hände haben, 
so wie du den Reichtum. Hände zu erhalten, darüber hinaus 
gibt es kein gröfseres Glück. 

13. (670*) Weil wir keine Hände haben, o Brahmane, 
können wir uns keinen Dorn ausziehen, und auch die Tierchen, 
die uns oben und unten am Leibe beifsen, möchten wir lieber 
nicht durch Wegjucken schädigen. 

14. (6703.) Hingegen die, welchen die Götter Hände mit 
zehn Fingern gegeben haben, können die beifsenden Insekten 
von ihrem Körper ablesen und durch Kratzen verscheuchen. 

15. (6704.) Sie können sich auch gegen Regen, Winter 
und Hitze schützen und erfreuen sich der Kleidung und Nah- 
rung, eines angenehmen Lagers und windgeschützten Obdachs. 

16. (6705.) Und die Erde beherrschend, leben sie froh in 
der Welt und lassen andere für sich arbeiten, und mit vielen 
Mitteln machen sie dieselben sich untertänig. 

17. (6706.) Diese freilich, welche keine Sprache besitzen, 
bemitleidenswert, von kurzer Lebensdauer und ohne Hände 
sind, müssen diese Leiden erdulden ; zum Glück steht es nicht 
so mit dir, o Muni. 

18. (6707.) Du bist zum Glück kein Schakal, kein Wurm, 
keine Maus, keine Schlange, kein Frosch oder sonst ein aus 
schlechtem Mutterschofs Entsprossener. 

19. (6708.) Schon um dieses Vorzugs willen mufst du froh 
sein, o Kacyapa, um wieviel mehr, da du unter allen Ge- 
schöpfen als Brahmane am höchsten stehst. 

20. (6709.) Mich beifsen diese Insekten, zu deren Beseitigung 
ich nicht die Macht habe, weil mir die Hände fehlen. Sieh 
doch diesen meinen Zustand an! 



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J 



Adhy&ya 180 (B. 180). 



139 



21. (67io.) Und doch behaupte ich nicht, dafs es nicht 
auszuhalten sei, und ich gebe diesen meinen Leib nicht auf, 
denn ich möchte nicht aus ihm einem noch schlechtem Mutter- 
schofse verfallen. 

22. (67ii.) In einen mittlem unter den schlechten Mutter- 
schöfsen bin ich gelangt, indem ich in den einer Schakalin 
einging. Es gibt aber noch viel mehr andere schlechtere 
unter den schlechten Mutterschöfsen. 

23. (6712.) Freilich gibt es einige, welche durch ihre Ge- 
burt glücklicher sind, aber auch andere, die um vieles un- 
glücklicher sind; ich sehe aber nicht, dafs irgendeinem 
irgendwo auf der Welt ein absolutes Glück zuteil geworden 
wäre. 

24. (6713.) Sind die Menschen erst reich geworden, so 
wünschen sie weiterhin Könige zu sein; aus Königen wollen 
sie Götter werden, und sind sie erst Götter, so möchten sie 
gar Indra sein. 

25. (67H.) Gesetzt, du wärest reich, so wärest du doch 
noch nicht König, noch nicht eine Gottheit, und hättest du 
das Gottsein, ja selbst das Indrasein erlangt, so würdest du 
auch dann noch nicht zufrieden sein. 

20. (6715.) Durch Erlangung von Wünschen ist keine 
Sättigung zu finden, der Durst (trishnd) ist durch kein Wasser 
zu stillen, er wird nur um so brennender, wie das Feuer durch 
Holzscheite. 

27. (6716.) Freilich, wohl hast du auch Kummer, aber 
ebensosehr hast du auch Freude, und so hast du beides, 
Lust und Leid, was ist da zu bejammern? 

28. (6717.) Hat man sie einmal abgeschnitten, die Wurzel 
aller Begierden und Bemühungen, die Schar der Erkenntnis- 
organe, [und hält sie gefangen] wie Vögel in einem Käfig, 

29. (6718.) so haben wir doch dann keinen zweiten Kopf, 
um ihn abzuschneiden, und keine dritte Hand ; was nicht ist, 
das haben wir auch nicht mehr zu fürchten. 

30. (6719.) Ein Verlangen kann nicht irgendwo mehr ent- 
stehen, wenn man seinen Geschmack nicht mehr kennt, denn 
nur aus dem Berühren, Sehen oder Hören entsteht das Ver- 
langen. 



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140 



III. Mokshadhanna. 



31. (6720.) Du [als Brabmane] denkst nicht mehr daran, 
den Palmwein zu trinken und die Latvavögel zu schmausen, 
und doch gibt es keinen Leckerbissen, der diese beiden 
überträfe. 

32. (6721.) Und was es auch sonst noch geben mag, das 
sich für irgendeines unter den Wesen zur Speise eignet, was 
auch immer du früher niemals geschmeckt hast, daran hast 
du auch keine Erinnerung. 

33. (6722.) Nichts zu essen, nichts anzufassen und nichts 
anzuschauen, darin besteht die Bezähmung eines Menschen, 
so meine ich, und sein Heil, daran ist kein Zweifel. 

34. (6723.) Freilich sind die, welche Hände haben, dadurch 
mächtig und reich; aber durch die Menschen selbst werden 
die Menschen in Knechtschaft gebracht 

35. (6724.) und werden immer wieder aufs neue mit den 
Qualen des Todes und der Gefangenschaft bedrängt; freilich 
freuen sie sich auch anderseits und jubeln und lachen. 

36. (6725.) Andere wiederum, die durch ihre Arme mächtig 
sind, Wissensehaft erworben haben und Verstand besitzen, 
führen einen elenden, schlechten Lebenswandel, dessen sie 
sich schämen sollten. 

37. (6726.) Auch gewinnen sie es wohl über sich, einen 
andern Lebenswandel zu führen, doch nur soweit es durch 
ihre eigenen Werke [in einer frühern Geburt] bedingt ist ; — 
aber dem ist so, weil es einmal sein mufs. 

38. (6727.) Kein Pulkasa und kein Cändäla [obgleich den 
niedrigsten Kasten angehörig] wünscht seinen Leib zu ver- 
lassen; vielmehr freut er sich dieser seiner Geburt; so grofs, 
siehst du, ist ihre Verblendung fmaydj. 

39. (67>8.) Wenn du die Menschen siehst, wie sie ge- 
brechlich und lendenlahm und krank sind, so bist du doch 
mit vollständigen Gliedern ausgestattet und schon durch deine 
Geburt ein reicher Mann, o Käcyapa. 

40. (6729.) Wenn doch, o Brahmane, dein Körper ohne 
Leiden und ohne Krankheit ist, und deine Glieder vollständig 
sind, und du auch nicht unter den Leuten beschimpft wirst, 

41. (6730.) nicht durch irgendeine Nachrede, die Grund 
hat und dir Abbruch tut, so ermanne dich zu deiner Pflicht, 



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Adhyäya 180 (B. 180). 



141 



o brahmanischer Weiser, und wolle nicht deinen Leib auf- 
geben. 

42. (6731.) Wenn du, o Brahmane, dieses hörst und meinen 
Worten Glauben schenkst, so wirst du für den im Veda be- 
fohlenen Pflichtwandel einen vorzüglichen Lohn erlangen. 

43. (6732,) Das Vedastudium und die Pflege der Feuer 
mögest du sorgfältig beobachten, dazu Wahrhaftigkeit, Be- 
zähmung, Freigebigkeit, dann brauchst du keinen zu beneiden. 

44. (6733.) Alle solche, welche das Vedastudium betreiben 
und zum Opfern und Opfernlassen gelangt sind, wie könnten 
die es dir wohl nachmachen und sich härmen oder an Un- 
edles denken! 

45. (6734.) Sie mögen ja, sobald sie es wünschen, zu ihrer 
Erholung grofse Lust erlangen, und geboren unter einem 
glücklichen Sterne, an einem glücklichen Tage und zur glück- 
lichen Stunde, (6735.) beeifern sie sich in dem Streben nach 
Opfer, Freigebigkeit und Nachkommenschaft, je nachdem 
ihnen die Möglichkeit dazu gegeben ist. 

46. Andere freilich, die unter einem dämonischen Sterne, 
an einem schlimmen Tage und zur schlimmen Stunde ge- 
boren sind, (0736.) geraten in einen dämonischen Mutterschofs, 
wo sie des Opferns und der Nachkommenschaft entbehren. 

47. Ich war so ein kleiner Pandit, ein Grübler und Veda- 
tadler, (6737.) ein Anhänger der argumentierenden Dialektik, 
die nichts taugt. 

48. Ich argumentierte mit Gründen, und trat in den Ver- 
sammlungen als Redner auf in räsonierender Weise, (6738.) ein 
lauter Schreier war ich und einer, der in den Reden über 
Brahman die Z wiegeborenen niederredete, 

49. ein Nihilist, ein Allbezweifler, ein Narr, der sich für 
einen Gelehrten hielt. (6739.) Dafür ist mir dies als Frucht 
erwachsen, dafs ich ein Schakal bin, o Z wiegeborener. 

50. Und geschieht es je, so kann es doch nur in Hun- 
derten von Tagen und Nächten von jetzt an erfolgen, (r.74o.) dafs 
ich, der ich ein Schakal bin, wieder in einen menschlichen 
Mutterschofs gelange. 

51. Dann würde ich zufrieden sein und sorgsam und 
mich an Opfern, Geben und Askese erfreuen, (6741.) würde 



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142 



III. Mokshadharma. 



nur erforschen, was man erforschen darf, und würde meiden, 
was zu meiden ist. 

52. Darauf erhob sich der Einsiedler Käcyapa und sprach 
zu jenem : (6742.) „0, wie bist du erfahren und voll Weisheit", 
so sprach er mit Bewunderung. 

53. Dann betrachtete der Brahmane ihn mit seinem durch 
Erkenntnis weitsehenden Auge (6743.) und sah, dafs er unter 
den Göttern der Gott Indra und der Gemahl der £aci war. 

54. Da verehrte Käcyapa den mit Falben Fahrenden 
(6744.) und, von ihm entlassen, begab er sich in seine Wohnung. 

So lautet im Mokahadharm» die Unterredung des Schakals mit K4c.yjtpa 

(»rigdla - Kdfyapa - $atntdda). 

Adhyftya 181 (B. 181). 

Vers 6745-6764 (B. 1-20). 
Yudhishthira sprach: 

1. (6745.) Wenn Almosen gespendet und geopfert und 
Askese geübt worden ist, oder auch Gehorsam gegen die 
Lehrer, das sage mir, o Grofsvater [was daraus folgt]. 

Bhishma sprach: 

2. (6746.) Vermöge des in das Unglück verstrickten Atman 
gerät das Marias in Sünde, und indem es seine Aufgabe in 
unreiner Weise vollbringt, wird es einer elenden Welt zu- 
gewiesen. 

3. (6747.) Aus Mifswachs in Mifswachs, aus Not in Not, 
aus Gefahr in Gefahr, aus Gestorbensein in weiteres Sterben 
geraten die armseligen Übeltäter. 

4. (6748.) Hingegen von Fest zu Fest, von Himmel zu 
Himmel, von Lust zu Lust gelangen die Gläubigen, Bezähm- 
ten, Reichbeglückten, Wohltuenden. 

5. (6749.) Mitten unter wilden Tieren, unter Elefanten und 
auf ungangbaren Wegen, unter Schlangen, Dieben und Ge- 
fahren mit gebundenen Händen gehen dahin die Ungläubigen, 
was könnte schlimmer sein! 



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» Adhyiya 181 (B. 181). 



143 



6. J6750.) Hingegen die, welche Gastfreundschaft an Freun- 
den und Göttern üben, freigebig sind und ihren Freunden 
wohlgesinnt, die wandeln auf dem friedevollen Wege der 
Atmanhaften mit tüchtigen Händen. 

7. (675i.) Wie die Spreu unter dem Weizen, wie die 
Puppen unter den Schmetterlingen, so sind unter den Men- 
schen diejenigen, welche sich nicht von der Pflicht antreiben 
lassen. 

8. (6752.) Auch wenn einer sehr schnell läuft, holt ihn 
sein Schicksal ein, es liegt neben ihm, wenn er schläft, wer 
er auch sei, entsprechend seinen Taten. 

9. (6753.) Es steht neben ihm, wenn er steht, und wenn 
er geht, so geht es ihm nach, es vollbringt das Werk des 
Wirkenden, wie sein Schatten begleitet es ihn. 

10. (6754.) W r as für ein Werk und wie es irgend jemand 
vordem betrieben hat, das hat er einzig und allein jedesmal 
zu büfsen als seinem Atman auferlegt. 

11. (6755.) Diese Schar der Wesen, welche die Frucht 
ihrer eigenen Werke [als zurückzuzahlendes Pfand] hinter- 
legt haben und von ihrem eigenen Schicksal bewacht werden 
[wie Gefangene], wird von überallher durch die Zeit fort- 
geschleppt. 

12. (6756.) So wie Blüten und Früchte, auch ohne ange- 
trieben zu werden, ihre Zeit im Jahre einhalten, so auch die 
vordem begangene Tat. 

13. (6757.) Hochschätzung und Geringschätzung, Gewinn 
und Verlust, Schwinden und Wachsen, wie sie sich begeben 
haben, so kehren sie wieder, jedesmal wenn die Schicksals- 
frist zu Ende geht. 

14. (6758.) Durch das eigene Selbst wird das Leid ver- 
hängt, durch das eigene Selbst wird die Lust verhängt ; nach 
Einbettung in einem Muttorleibe wird die Frucht der frühern 
Verkörperung genossen. 

15. (6759.) Was einer Gutes oder Böses tut, sei es als 
Rind, als Jüngling oder als Greis, dafür erlangt er in eben- 
demselben Zustande die Vergeltung. 

ir>. (67«o.) Wie unter tausend Kühen das Kalb seine Mutter 
herausfindet, so verfolgt die früher begangene Tat ihren Täter. 



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144 



III. Moksliadliarma. 



17. (67gi.) Ein Kleid, welches an seinem Saume nafs wurde, 
wird nachmals rein durch die Wasch tätigkeit; so wird auch 
denen, welche sich [zu ihrer Läuterung] mit Fasten abquälen, 
dafür ein langes, ein unendliches Glück zuteil. 

18. (6762.) Denjenigen, welche durch langwierige, in einem 
Büfserhain geübte Askese die Sünde durch dieses Wohlver- 
halten abwerfen, gehen ihre Wünsche in Erfüllung. 

19. (6763.) Wie der Zug der Vögel in der Luft und der 
Fische im Wasser nicht mit den Augen verfolgt werden kann, 
so auoh der Weg derer, welche die Erkenntnis besitzen. 

20. (6764.) Fort mit weiteren Zurechtweisungen und mit 
der Aufzählung von Übertretungen ; man vollbringe in schöner 
und angemessener Weise, was zum Heile der Seele dient. 

8o lautot im Mokahadbarma der hunderteinundacbUigeto Adhyaya. 

Adhyftya 182 (B. 182). 

Vers 6765-6803 (B. 1-38). 

Yudhishthira sprach: 

1. (6765.) Woraus ist diese ganze Lebewelt des Unbeweg- 
lichen und Beweglichen geschaffen, und in wen geht sie beim 
Weltuntergange ein? Das sage mir, o Grofsvater. 

2. (6766.) Von wem ist diese Welt mit Ozeanen, Himmels- 
zelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und Wind geschaffen worden ? 

3. (6767.) Auf welche Weise wurden die Wesen geschaffen, 
auf welche Weise die Einteilungen in Kasten, wie kam deren 
Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz über 
Gutes und Böses? 

4. (6769.) Von welcher Art ist die Seele der lebenden 
Wesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn sie ge- 
storben sind, aus dieser Welt in jene Welt? Das alles mögest 
du, o Herr, uns verkünden. 

Bhishma sprach: 

5. (6769.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Belehrung, welche von Bhrigu dem 
ihn befragenden Bharadväja erteilt wurde. 



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Adlivaya 182 (B. 182). 



145 



6. (6770.) Als Bharadvaja den grofsen Weisen Bhrigu strah- 
lend und von grofser Kraft auf dem Gipfel des Kailäsa sitzen 
sah, da befragte er ihn wie folgt: 

7. (6771.) Von wem ist diese Welt mit Ozeanen, Himmels- 
zelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und Wind geschaffen 
worden ? 

8. (6772.) Auf welche Weise wurden die Wesen geschaffen, 
auf welche Weise die Einteilungen der Kasten, wie kam deren 
Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz über 
Gutes und Böses? 

9. (6773.) Von welcher Art ist die Seele der lebenden 
Wesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn sie gestorben 
sind, in die andere Welt und [zurück] in diese? Das alles 
mögest du uns verkündigen. 

10. (6774.) Als der Heilige in dieser Weise von Bharadvaja 
nach diesem Problem befragt wurde, da erklärte der brahman- 
ähnliche Brahmanweise ihm alles. 

Bhrigu 6prach: 

11. (6775.) Der Ursprüngliche, der da heifset Mänasa (der 
Geistige), dessen Offenbarung von den grofsen Weisen ver- 
nommen wurde, der anfanglose und endlose Gott, der unteil- 
bare, nicht alternde und nicht sterbende, 

12. (6776.) der da genannt wird der Unoffenbare (avydkta), 
der Ewige, Unzerstörbare, Unvergängliche, von welchem ge- 
schaffen die Wesen geboren werden und sterben, 

13. («777.) dieser Gott schuf zuerst den mit Namen Mahän 
(der Grofse) Genannten ; der Mahän schuf den Ahankara und 
dieser wiederum, der Heilige, darauf 

14. (6778.) ihn, der da Äther fäkäram) genannt wird, er, 
der Herr, der alle W r esen trägt; aus dem Äther entstand 
das Wasser, aus dem flüssigen Elemente Feuer und Wind, 
und (677f>.) aus der Verbindung von Feuer und Wind entstand 
dann weiter die Erde. 

15. Darauf wurde von dem durch sich selbst Seienden 
eine aus Kraft bestehende himmlische Lotosblume geschaffen; 
(6780.) aus dieser Lotosblume entstand der Gott Brahmän, der 
aus den Veden bestehende, der Umfasser, 

Dinui, M*hAbbfcratam. 10 



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146 



III. Mokshadbarma. 



16. der, welcher Ahankära genannt wird, der als die Seele 
von allen Wesen die Wesen schuf, (678i.) er in der Tat ist 
jener kraftvolle Brahmän, von welchem diese fünf Elemente 
herstammen. 

17. Die Berge heifsen seine Knochen, sein Fett und 
Fleisch ist die Erde, (6782.) die Ozeane sind sein Blut und 
der Äther (äkaqam) ist sein Bauch, 

18. der Wind ist sein Odem, seine Körperwärme das 
Feuer, die Ströme sind seine Adern, (6783.) Agni und Sorna, 
die Sonne und der Mond, werden als seine Augen gepriesen ; 

19. der Himmel droben ist sein Haupt, die Erde seine 
Füfse, die Himmelsgegenden seine Arme. (6784.) Schwer er- 
kennbar ist dieser unausdenkbare Atman, sogar für die 
Seligen, daran ist kein Zweifel. 

20. Er wird als der heilige Vishnu gepriesen, als der 
Unendliche ; (6785.) als das Selbst aller Wesen weilt er in den 
Wesen, schwer erkennbar für die, deren Selbst nicht be- 
reitet ist, 

21. er, der den Aliankdra erschuf zum Zweck der Ent- 
stehung aller Wesen, (6786.) er, aus dem alles das geworden 
ist, wonach ich hier von dir gefragt wurde. 

Bharadvaja sprach : 

22. (6787.) Von dem Himmelszelte und von den Himmels- 
gegenden, von dem Erdboden und von dem Feuer, welches 
sind die Mafse von diesen? Diesen Zweifel löse mir der 
Wahrheit gcmäfs. 

Bhrigu sprach: 

23. (6788.) Unendlich ist jener Raum fdkä^amj, bewohnt 
von Seligen und Gottheiten, erfreulich, mit mancherlei Wohn- 
stätten übersät, dessen Grenze unerreichbar ist. 

24. (6789.) Oberhalb ihres Machtbereiches und unterhalb 
werden Mond und Sonne nicht mehr gesehen, dort sind die 
Götter ihr eigenes Licht, glänzend wie die Sonne und strah- 
lend wie das Feuer. 

25. (6790.) Und auch sie sehen nicht die Grenze des 
mächtig ausgebreiteten Himmelszeltes, weil dieselbe schwer 



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Adhyäya 182 (B. 182). 



147 



erreichbar, weil sie endlos ist, das lerne von mir, der du mir 
die Ehre gibst. 

26. (67yi.) Nach oben aber und immer weiter nach oben 
hin wird von flammenden, selbstleuchtenden Wesen jener 
Weltraum angefüllt, der auch von Göttern nicht ausmefsbar ist. 

27. (6792.) An der Grenze der Erde aber sind die Meere, 
an der Grenze der Meere herrscht Finsternis, wie es heifst, 
an der Grenze der Finsternis ist das Wasser, wie sie sagen, 
und an der Grenze des Wassers ist Feuer. 

28. f6?93.) An der Grenze der Unterwelt ist Wasser, an 
der Grenze des Wassers wohnen die Schlangenfursten , an 
ihrer Grenze kommt wieder der Weltraum und an der Grenze 
des Weltraums wiederum Wasser. 

29. (6794.) Dieses als Grenze habend ist der Umfang des 
Heiligen und des Wassers, schwer zu erkennen auch von 
den Göttern des Feuers, des Windes und des Wassers. 

30. (6795.) Die Erscheinungen des Feuers, Windes, Was- 
sers und der Erde werden gegen den Äther [nur darum] 
abgegrenzt und von ihm unterschieden, weil man die Wahr- 
heit [die Einheit des Seienden] nicht erkennt (Utattvadar^anätJ. 

31. (6796.) Und auch die Weisen lehren in den verschie- 
denen Lehrbüchern, in dem Ozean der drei Welten, die Di- 
mensionen, wie sie eben dargelegt worden sind. 

32. (67»7.) Aber wer könnte für das Unsichtbare, Unbetret- 
bare einen Mafsstab ausfindig machen! Wenn doch sogar 
der Machtbereich der Seligen und der Götter ein begrenzter 
ist, (6798.) dann ist der Name des Unendlichen nur bildlich 
zu verstehen, wo das Wort „unendlich" gebraucht wird 

33. von dem diesem Namen entsprechenden hoch- 
sinnigen Mänasa [vgl. oben Vers 677ö]. 

34. (6799.) Wenn aber auch eine göttliche Gestalt abnimmt 
und wieder zunimmt, welcher andere [aufser den Göttern] 
kann das wissen, und wäre dieser andere auch ein den Göttern 
Gleicher. 

35. (68oo.) Aus jener Lotosblume wurde er geschaffen, der 
allwissende, körperlich gewordene hehre Gott Brahman, der 
aus Gerechtigkeit bestehende, anfängliche, höchste Prajäpati. 

10* 



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1 



148 MI- Mokshadhanna. 

Bharadvaja sprach: 
3ß. (6801.) Wenn er aus der Lotosblume entsprungen ist, 
so ist doch die Lotosblume das Alteste, und doch sagst du ? 
o Herr, dafs der Gott Brahmän der Anfängliche ist, das ist 
mein Bedenken. 

Bhrigu sprach: 

37. (C802.) Es ist die Gestalt des Mättasa, welche in das 
Sein als der Gott Brahmän eingegangen ist, und, um ihm 
einen Sitz zu bereiten, wird die Erde Lotosblume genannt. 

38. (6803.) Von dieser zu einer Samenkapsel sich zu- 
spitzenden Lotosblume streckt sich der Götterberg Meru in 
den Himmel hinauf und, mitten darauf stehend, schafft der 
Herr der Wesen die Welten. 

So lautet im Mokehadbarma die Unterredung zwischen Bhrigu und Bharadvaja 

(Bhriyu - Bharadcdja- iwntdda). 

Adhyaya 183 (B. 183). 

Vers 6804-6820 (B. 1-17). 

Bharadvaja sprach: 

1. (6804.) Wie hat der Herr jene mannigfaltige Schöpfung 
der Wesen geschaffen, der Gott Brahmän, als er mitten auf 
dem Meru stand? Das sage, o Bester der Zwiegeborenen. 

Bhrigu sprach: 

2. (6805.) Der Mänasa (der Geistige) schuf durch seinen 
Geist die mannigfache Schöpfung der Kreaturen, und zwar 
wurde zum Zwecke der Erhaltung der Wesen zuerst geschaffen 
das Wasser. 

3. (6806.) Dieses, welches das Leben aller Wesen ist, durch 
welches die Geschöpfe gedeihen und von welchem verlassen 
sie zugrunde gehen, von ihm ist dieses Weltall umgeben. 

4. (C807.) Die Erde, die Berge, die Wolken und was sonst 
noch an festen Gestalten vorhanden ist, alles das ist, dies 
soll man wissen, von Wasserart, weil das Wasser ihm als 
Träger dient. 



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Adhyaya 183 (B. 183). 



140 



Bharadvaja sprach: 

5. (68i>8.) Wie ist das Wasser entstanden? Und wie das 
Feuer und die Luft? Und wie wurde die Erde geschaffen? 
Darüber bin ich in grofsem Zweifel. 

Bhrigu sprach: 

6. (6809.) In einem Weltalter des Brahman hatten sich 
einstmals, o Brahmane, die Brahmanweisen versammelt; da 
entstand unter den Hochsinnigen ein Zweifel über die Ent- 
stehung der Welt. 

7. (6810.) Da standen sie, in Meditation versenkt, schweigend 
und unbeweglich, ohne Nahrung, den Wind trinkend, so stan- 
den die Zwiegeborenen hundert göttliche Jahre da. 

8. (68ii.) Da traf ihr aller Ohr eine von Brahman kom- 
mende Stimme, die göttliche Sarasvati (Rede) entstand da 
vom Himmel her. 

9. (i;sr.\) Vordem stand es so, dafs der unbewegliche, 
unendliche, einem Berge vergleichbare Äther (äkäcam), in 
welchem Mond, Sonne und Wind untergegangen waren, gleich- 
sam wie eingeschlafen aufglänzte. 

10. (Y,8i3.) Aus ihm entstand das W r asser, wie in einer 
Finsternis eine zweite Finsternis, und sodann durch Aus- 
quetschung des Wassers entstand der Wind. 

11. (68U.) So wie ein Gefäfs, solange es ungestört bleibt, 
dasteht ohne einen Ton von sich zu geben, wird es aber mit 
Wasser gelullt, so macht der [entweichende] W r ind es ertönen, 

12. (6815.) ebenso geschah es, dafs an dem unmittelbar 
vom Wasser umschlossenen Himmelsende der Wind, indem 
er die Fläche des Wassers durchbrach, mit Geräusch nach 
oben entwich. 

13. (6816.) Dieser Wind also, der durch die Ausquetschung 
des Wassers entstanden war, streicht dahin, und, indem er 
zu der Stätte des Äthers gelangt ist, kommt er doch nicht 
zur Ruhe. 

14. (6817.) Bei dieser Reibung zwischen Wind und Wasser 
wurde das entzündete Glut habende, sehr gewaltige, mit Spitz- 
flammen nach oben strebende [Feuer] offenbar und befreite 
den Himraelsraum von der Dunkelheit. 



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150 



III. Mokshadharma. 



15. (0818.) Dann verbündete sich das Feuer mit dem Wind 
und trieb das Wasser in den Weltraum hinauf [als Wolken], 
das Feuer aber durch seine Verbindung mit dem Winde ver- 
dichtete sich [zum Sonnenfeuer]. 

16. (6819.) Was von dem in den Weltraum emporgedrunge- 
nen (lies : nipatatah) Wasser an weiterer Feuchtigkeit zurück- 
blieb, die gelangte zur Verdichtung und wurde zur Erde. 

17. (6820.) Diese Erde ist für die Säfte, für alle Gerüche, 
für die Feuchtigkeiten, sowie auch für die lebenden Wesen 
anzusehen als der Mutterschofs, in welchem alles erzeugt wird. 

So lautet iui Mok»badharm* die Unterredoog zwischen Bhrigu und Bharadv&ja 

C Bhrigu - BharadrAja - samtdda). 

Adhyftya 184 (B. 184). 
Vers 6821-6865 (B. 1-44). 

Hharadvaja sprach: 

1. (682i.) Es gibt diese fünf Elemente, welche der Gott 
Brahmän ehedem schuf, von welchen diese Welten erfüllt sind 
und welche als die grofsen Elemente (mahäbhutäni) bezeichnet 
werden. 

2. (6822.) Da jener Hochweise doch Tausende von Ge- 
schöpfen erschaffen hat, wie ist es zu verstehen, dafs es dabei 
nur fünf Elemente gibt? 

Bhrigu sprach: 

3. (6823.) Nur auf jene unmefsbar grofsen bezieht sich 
das Wort „grofs"; die übrigen W r esen (bhütänij gelangen 
[durch die Mahäbhutäni] zur Entstehung, darum ist nur für 
jene [fünf] das Wort „Mahäbhüta" zutreffend. 

4. (6824.) Bewegung ist der Wind, Weite der Äther, Hitze 
das Feuer, Flüssigkeit das Wasser, Kompaktheit die Erde; 
der Leib besteht aus allen fünf Elementen. 

5. (6825.) So ist aus diesen fünf Elementen zusammen- 
gefügt das Unbewegliche (Pflanzen) und das Bewegliche (Tiere 
und Menschen) ; das Gehör, der Geruch, der Geschmack, das 
Gefühl und das Gesicht heifsen die Sinne. 



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Adhyäya 184 (B. 181). 



151 



Bharadväja sprach: 

6. (6826.) Aber wenn wirklich sowohl das Unbewegliche 
als das Bewegliche aus den fünf Elementen zusammengesetzt 
ist, wie kommt es, dafs in dem Körper der Unbeweglichen 
(der Pflanzen) die fünf Elemente nicht zum Vorschein kommen? 

7. (6827.) Denn bei den Bäumen, da sie weder Wärme noch 
Bewegung, sondern in Wahrheit nur Festigkeit haben, sind 
doch in ihrem Körper nicht alle fünf Elemente nachweisbar. 

8. (6828.) Sie hören nicht, sie sehen nicht, sie haben kein 
Bewufstsein von Geruch und Geschmack und ebenso kein 
Gefühl; wie können sie also aus den fünf Elementen bestehen? 

9. (6S29.) Da die Bäume weder flüssig noch feurig, noch 
erdig, noch auch windhaft sind, noch auch den Raum [den 
sie einnehmen] ausmessen können, so können sie doch nicht 
aus den Elementen gebildet sein. 

Bhrigu sprach: 

10. fr.830.) Wenn auch die Bäume fest sind, so haben sie 
doch ohne Zweifel Äkäca [Raum, d. h. eine Beziehung zum 
Weltraum], denn sie haben immerfort die Möglichkeit, ihre 
Blüten und Früchte [in den Raum] hinaus zu entfalten. 

11. (6S3i.) Vermöge der Wärme verwelkt das Blatt (lies: 
parnam), die Rinde, die Frucht und die Blüte; sie verwelkt 
und fällt ab, folglich ist im Baume Gefühl fspargaj vorhanden. 

12. re832.) Durch den Lärm, welchen der Wind, das Feuer 
[beim Waldbrande] und der Donner machen, werden Früchte 
und Blüten zerstört; der Lärm wird durch das Gehör wahr- 
genommen, folglich hören die Bäume. 

13. (6833.) Die Schlingpflanze umwindet den Baum und 
kriecht nach allen Seiten; ohne Gesicht aber kann man seinen 
Weg nicht finden, folglich sehen die Pflanzen. 

14. (6834.) Ferner, durch gute und schlechte Gerüche und 
durch mancherlei Ausräucherung werden die Pflanzen gesund 
und blühend, folglich haben sie Geruchssinn. 

15. (6835.) Da er mit seinen Wurzeln das Wasser trinkt, 
da er [durch unmäfsigen Genufs] krank wird und in der 
Krankheit [durch Arznei] geheilt wird, so mufs der Baum 
auch Geschmacksvermögen besitzen. 



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152 



III. Mokshadbarma. 



16. (68ug.) Da die Pflanze [z. B.] durch den Stengel der 
Lotosblume als Mund das Wasser in die Höhe zieht, so mufs 
sie mit Luft versehen sein, um es mittels der Wurzeln empor- 
zusaugen. 

17. (6837.) Da sie für Lust und Schmerz empfänglich sind 
und, wenn abgeschnitten, wieder ausschlagen, so erkenne ich 
daran, dafs die Bäume eine Seele (jivaj besitzen, ein un- 
beseeltes Wesen (acaitanyam) gibt es nicht. 

18. (6838.) Wenn dadurch das Wasser aufgesogen worden 
ist, so verdauen es Feuer und Wind, und vermöge der Assimi- 
lation der Nahrung bildet sich klebriger Saft und Wachstum. 

19. (6839.) Was weiter die beweglichen Wesen betrifft, 
so enthalten sie alle in ihrem Körper die fünf Elemente, und 
sie lassen sich alle einzeln unterscheiden, sofern durch sie 
der Körper sich bewegt. 

20. (6S40.) Die Haut, das Fleisch, die Knochen, das Mark 
und die Sehnen als Fünftes, der Komplex dieser Bestandteile 
macht am Körper das Erdige aus. 

21. (6841.) Der Glanz [des Körpers] ist Feuer, ebenso der 
Zorn, das Auge und die Körperwärme, und da das Feuer 
auch die Verdauung bewirkt, so sind die körperlichen Weesen 
im Besitze von fünf Feuern. 

22. (684*2.) Das Ohr, die Nase, der Mund, das Herz und 
die Eingeweide, diese fünf Bestandteile im Körper der lebenden 
Wesen rühren [vermöge ihrer Hohlräume] vom Akäca her. 

23. (6843.) Als Schleim, als Galle, als Schweifs, als Fett 
und als Blut sind in fünffacher Form die Wasser allezeit in 
dem Leibe der Lebenden vorhanden. 

24. (6844.) Durch den Präna wird der Lebende in Bewegung 
gesetzt fpraniyatrj, durch den Vyäna strengt er sich an (vyä- 
yacchutej, der Apäua geht nach unten, der Samäna hat seinen 
Sitz im Herzen. 

2ö. (6845.) Durch den Udäna haucht er seine Seele aus 
und durch Verteilung [des Präna auf die Stimmorgane] redet 
er; in dieser Weise veranlassen diese fünf Winde die Lebens- 
tätigkeiten der Verkörperten. 

20. (6846.) An der Erde nimmt der Verkörperte die Quali- 
tät des Geruchs wahr, an den Wassern die des Geschmacks, 



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Adhyaya 184 (B. 184). 



153 



durch Licht und Auge nimmt er die Gestalt wahr und durch 
den Wind das Gefühl. 

27. (6847.) Als Geruch, Gefühl, Geschmack, Gesicht und 
Gehör werden die Qualitäten der fünf Elemente bezeichnet. 
Zunächst werde ich die Eigenschaften des Geruches in aus- 
führlicher Darlegung mitteilen. 

28. i6$i$.) Als angenehm und unangenehm, als süfs, als 
stechend, muffig, stickig, ölig, kratzend und rein, 

21). (6849.) in dieser Weise ist als neunfach zu erkennen 
die der Erde angehörige Vielheit der Gerüche. Das Licht 
sieht man mit den Augen, des Gefühls wird man sich be- 
wufst durch den Wind. 

30. (6850.) Aufser dem [Gerüche] gelten als Qualitäten Hör- 
barkeit, Fühlbarkeit, Sichtbarkeit und Schmeckbarkeit. Ich 
will dir jetzt die Kenntnis der Geschmäcke mitteilen; ver- 
nimm sie, wie ich sie dir sage. 

31. (6SM.) Der Geschmack wird von den berühmten W r eisen 
als vielfach gelehrt, als süfs, salzig, bitter, herb, sauer und 
stechend. 

32. (6852.) Dies ist die sechsfache Einteilung des Ge- 
schmacks, er gilt als Qualität des Wassers. — Das Feuer 
hat die drei Qualitäten der Hörbarkeit, Fühlbarkeit und Sicht- 
barkeit. 

33. (6853.) Das Licht [als Sehkraft] sieht die Gestalten, 
die Gestalten aber sind von vielerlei Art: kurz und lang, 
dick, viereckig und rund (lies: anuvrittavänj, 

34. (6851 > weifs und schwarz, rot, gelb und dunkelrot, 
fest, glatt, geschmeidig, schlüpfrig, weich und hart. 

35. (6855a.) In dieser Weise hat die Gestalt als Qualität 
des Lichts sechzehn Unterarten. — (<;857a.) Der Wind hat die 
zwei Qualitäten der Hörbarkeit und Fühlbarkeit. 

30. (6855k) Die Qualität des Windes ist die Fühlbarkeit, 
diese ist von vielerlei Art: («85«.) Warm, kalt, angenehm und 
unangenehm, feucht, rein, 

37. ferner hart, weich, rauh, leicht, schwer und durch- 
dringend (laraj, («8&7b.) in dieser Weise wird die Fühlbarkeit 
als Qualität des Windes zwölffach gerechnet. 



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154 HL Mokshadharma. 

38. (6858.) Weiter wird gelehrt, dafs der Äther nur eine 
Qualität, nämlich die der Hörbarkeit, besitzt. Die Einteilung 
des Tons, welche eine mannigfaltige ist, will ich dir sagen. 

39. (6859.) Shadja, Rishabha, Gandhara, Madhyama und 
Dhaivata, ferner Paficama und endlich Nishädavän [die sieben 
Töne der indischen Tonleiter]; 

40. (6860.) so wird als siebenfach die aus dem Äther ent- 
springende Qualität erklärt. Er befindet sich mit seiner 
Herrschermacht überall und so auch in Pauken und anderen 
Instrumenten. 

41. (6861.) Von Tamburins, von Pauken und von Muscheln, 
vom Donner und vom Wagen, und auch sonst von jedem 
Tone, der gehört wird, sei es von einem lebenden oder leb- 
losen Wesen, (686.;.) von diesen allen gilt, dafs sie in seinen 
[des Äthers] Bereich gehören. 

42. So ist denn von mannigfacher Art der aus dem Äther 
entspringende Ton. (68<>,s.) Von dem aus dem Äther geborenen 
Tone gilt, dafs man ihn neben den Qualitäten des Windes, 

43. und auch wenn diese nicht in Bewegung gebracht 
sind, wahrnimmt, jedoch ihn nicht wahrnimmt, wenn sie ihm 
feindlich entgegenstehen. (6864.) Immer aber gilt, dafs die 
Elemente sich durch die andern Elemente in ihrer Wirkung 
verstärken. 

44. Von ihnen sind Wasser, Feuer und Wind in dem 
Verkörperten immer wach, (6865.) denn sie sind die Wurzel 
des Körpers und befinden sich in ihm, indem sie die Lebens- 
hauche durchdringen. 

So lautet im Moktbadbarma die Unterredung zwischen Bhrigu und BharadiAja 

(bhri 9tt - Bharculrdja - sameMa). 

Adhyftya 185 (B. 185). 

Vers 6866-6882 (B. 1-17). 

Bharadvaja sprach : 

1. (6866.) Wie kann, o Herr, auf der Grundlage des erdigen 
Elements das im Körper befindliche Feuer bestehen und wie 
kann sich in ihm der W T ind durch eine besondere Art von 
Hohlräumen bewegen? 



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Adhyäya 1*5 (B. !*:>). 



155 



Bhrigu sprach: 

2. (6867.) Ich will dir, o Brahmane, den Weg des Windes 
erklären, o Untadeliger, und wie dieser Wind die Leiber der 
Lebenden mit Macht in Bewegung setzt. 

3. (6868.) Das Feuer hat seinen Sitz im Kopfe, von wo 
aus es den Körper beschützt, der Präna aber bewegt sich, 
indem er im Kopfe und im Feuer sich befindet. 

4. (6869.) Er ist das Geschöpf, die Seele aller Wesen, ist 
der ewige Purusha, er ist Manas, Buddhi und Ahankära, ist 
die Wesen und auch das Objekt. 

5. (6870.) Da dem so ist, so wird der Lebende nach allen 
Richtungen hin von dem Präna [als allgemeinem Lebens- 
prinzip] in Bewegung gesetzt; hinterher aber [d. h. nach der 
Geburt] verfolgt jeder [der fünf Präna's] vermöge des Sa- 
mäna den ihm eigentümlichen Weg. 

6. (6871.) Indem er sich stützt auf die Blasenöffnung und 
den Darm und sich anschliefst an das Verdauungsfeuer, be- 
wegt er sich, auch sofern er Harn und Kot abführt, als der Apäna. 

7. (6872.) Denjenigen aber, welcher sich bei Anstrengung, 
Tätigkeit und Kraft in diesen dreien als einer betätigt, den 
nennen die des innern Selbstes kundigen Menschen den Udäna. 

8. (6873.) Derjenige Wind hingegen, welcher in alle Ge- 
lenke eingegangen ist in den Leibern der Menschen, der wird 
bezeichnet als Vyäna. 

9. (6874.) Wiederum wird das in den Körperstoffen ver- 
breitete Feuer angefacht durch den Samäna; darin, dafs er 
die Säfte, die Körperstoffe und die Flüssigkeiten (doahaj in 
Bewegung versetzt, hat er seine Aufgabe. 

10. (6875.) Hingegen zwischen Apäna und Präna und an- 
gefacht von Präna und Apäna vollbringt, auf seinen Standort 
[den Xabelkreis] konzentriert, das Feuer die vollständige Ver- 
dauung. 

1 1. (6876.) Vom Munde anfangend [lies: äsyäili] und am 
Ende im After auslaufend, erstreckt sich der Gtula (Ein- 
geweide) genannte Kanal; aus diesem entspringen alle übrigen 
Kanäle in den Lebewesen. 

12. (6877.) Aus dem Zusammentreffen der Präna's entstellt 
ein Zusammentreffen [mit dem Verdauungsfeuer]; und die 



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1 



156 III. Mokshadharma. 

Körperwärme ist, so soll man wissen, das Feuer, welches die 
Speise der lebenden Wesen verdaut. 

13. (6878.) Durch die Gewalt des Feuers dahinfahrend, 
wird der Präna am Ende des Darms zurückgetrieben, und 
indem er wiederum nach oben strebt, schürt er [seinerseits] 
das Feuer an. 

14. (6879.) Unterhalb des Nabels befindet sich der Pakvä- 
caya (Sitz der verdauten Nahrung), oberhalb der Ämäcaya 
(Sitz der unverdauten Nahrung) ; in dem Nabel als Mitte des 
Körpers haben alle Präna's ihren Sitz. 

15. (6880.) Auslaufend von der Mitte des Herzens, fuhren 
alle (lies: sarväh) Adern in die Quere, nach oben und nach 
unten die aus der Nahrung gewonnenen Säfte, wobei sie von 
den zehn Präna's [den fünf erwähnten nebst Näga, Kürma, 
Krikarä, Devadatta, Dhanafijaya (Vedäntasära § 99 Böhtl.)] 
angetrieben werden. 

IG. (688i.) Dies ist auch der Weg der Yogabeflissenen, 
auf welchem sie zu jenem Orte [der Erlösung] aufsteigen, 
sie, welche die menschliche Schwäche überwunden haben, 
gleichmütig und beständig sind, nachdem sie ihren Ätman 
im Haupte gesammelt haben (adadhanl). 

17. (688-j.) Das in dieser Weise über alle Präna's und 
Apäna's verteilte Feuer wird [vorher] jedesmal in jenem [dem 
Kopfe] zur Entflammung gebracht, in welchem es wie in einem 
Feuertopfe angelegt wurde. 

So laufet im Mokshadharma die Unterredung «wischen Blirigu und BharadvAja 

(Bhrigu - Maradedja - aame&da). 

Adhyftya 180 (B. 186). 

Vers (5883-Ö897 (B. 1-15). 

Bharadvaja sprach: 

1. (G883.) Wenn der Wind dasjenige ist, was belebt 
fpränayatej , so ist es auch der Wind, welcher bewegt und 
atmet und redet, somit ist die Annahme eines Jiva (einer 
individuellen Seele) unnötig. 



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Adhy&ya l*f> (B. 18ß). 



157 



2. (6884.) Wenn das Vorhandensein der Körperwärme vom 
Feuer herrührt, und wenn mittels des Feuers verdaut wird, 
so ist es auch das Feuer, welches die Verdauung vollendet; 
somit ist die Annahme eines Jiva unnötig. 

3. (t?ss5.) Wenn ein Mensch sich auflöst, so ist von einem 
Jiva nichts zu bemerken, sondern es ist nur der Wind, der 
ihn verläfst, und das Vorhandensein der Körperwärme, welches 
verloren geht. 

4. (6*86.) Wenn der Jiva windartig wäre oder wenn eine 
Verbindung desselben mit dem Winde stattfände, dann müfste 
er, anzusehen wie ein Windwirbel, im Verein mit den Scharen 
der Winde dahinfahren. 

5. (68S7.) Und wenn eine Verbindung mit dem Winde 
statthätte, und wenn er darum [durch Lösung der Verbindung] 
zugrunde gehen soll, [so ist dagegen daran zu erinnern, dafs] 
ein Gefäfs mit Wasser, weil es von dem grofsen Meere ab- 
getrennt worden ist, [darum doch nicht vergeht, sondern fort- 
besteht] als ein anderes. 

6. (G8S8.) Und würde man wohl Wasser in einen Brunnen 
oder eine Fackel in ein Feuer hineinwerfen? So wie diese, 
hineingelangt, schnell zunichte werden würden, so würde auch 
er, der Jiva, zunichte werden, [wenn er als eine Art Wind 
den Körperwinden beigemischt worden sein sollte]. 

7. (6889.) Wozu braucht man bei diesem Körper, da er 
von den fünf [Elementen] erhalten wird, noch [aufser ihnen 
als sechstes] ein Leben anzunehmen, da doch, wenn das eine 
oder andere von diesen fünfen fehlt, bei den vier übrigen das 
ganze Aggregat (lies: sangraha) nicht mehr bestehen kann. 

8. (68öo.) Das Wasser im Körper verschwindet, wenn man 
keine Nahrung zu sich nimmt, der Wind, wenn man das 
Atmen hemmt, der Äther, wenn man die Hohlräume [im 
Körper] zerstört, das Feuer schwindet, wenn man nicht ifst; 

9. («891.) wenn man von Krankheit und Blässe gequält 
wird, so geht das erdige Element in die Brüche; kurzum, 
wenn das eine oder andere von ihnen Not leidet, so geht das 
Aggregat in die fünf auseinander. 

10. (6892.) Und wenn der Körper in die Fünfheit der Ele- 
mente zerlällt, welchem von diesen läuft der Jiva nach? Wo- 



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158 



III. Mokshadharma. 



durch macht sich überhaupt der Jiva bemerklich? Hört er 
vielleicht, oder spricht er? — 

11. (6893.) Wenn einer sagt: diese [den Brahmanen ge- 
schenkte] Kuh wird mir in der andern Welt zur Rettung 
dienen, und wenn der, welcher die Kuh geschenkt hat, ge- 
storben ist, wem soll denn da die Kuh zur Rettung dienen? 

12. (6894.) Wenn doch sowohl die Kuh als auch der, 
welcher sie annahm (lies: pratigrahitä) und der, welcher sie 
gab, alle zusammen schon hier der Vernichtung anheimfallen, 
wie sollen sie sich da [im Jenseits] wieder begegnen? 

13. (6895.) Wenn einer von Vögeln verzehrt wurde oder 
von einem Berge abstürzte oder vom Feuer verzehrt wurde, 
woher soll der zu neuem Leben kommen? 

14. (6896.) Wenn von einem abgehauenen Baume die Wur- 
zel nicht wieder ausschlägt, sondern nur sein Same sich fort- 
pflanzt, wie sollte da ein Toter wiederkommen? 

15. (6897.) Nur der Same, der einst sich ergofs, ist es, 
der hier seinen Kreislauf vollendet; die Toten sind tot und 
dahin; nur aus Samen entwickelt sich neuer Samen. 

So lautet im Mokihedharme, der Angriff gegen die Natur der Seele 

(jtra - naripa - dkthepa). 

Adhyftya 187 (B. 187). 

Vers 6898-6929 (B. 1-31). 
Bhrigu sprach: 

1. (6898.) Es gibt keinen Vergang des Jiva (der indivi- 
duellen Seele), noch auch des Geschenkten oder des Voll- 
brachten. Der Lebende geht in einen andern Leib ein, und 
nur der Körper zerfällt. 

2. (6899.) Nicht vergeht der in einen Leib eingegangene 
Jiva, wenn der Leib vergeht, sondern er ist wie ein Feuer, 
nachdem das Brennholz verbrannt ist. 

Bharadvaja sprach: 

3. (i>900.) Wenn seine Vernichtung nur insofern nicht zu- 
gegeben wird, wie die eines solchen Feuers, so ist zu erwidern, 



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Adhyaya 1*7 (B. 187). 159 

dafs ja auch das Feuer nach Verzehrung des Brennholzes 
nicht mehr wahrzunehmen ist. 

4. (.6901.) Er wird zunichte, sage ich und betrachte ihn 
wie das ohne Brennholz erlöschende Feuer, von dem man 
nicht sagen kann, wohin es gehe, welch ein Beweis dafür 
vorhanden sei und welches sein Aufenthaltsort sein möge. 

Bbrigu sprach: 

5. im*.) So wie, wenn man ihm kein Brennholz mehr 
nifuhrt, das Feuer nicht mehr wahrnehmbar, sondern wegen 
seines Übergegangenseins in den Äther schwer zu erfassen, 
weil ohne feste Stätte, ist, 

(«903.) ebenso befindet sich der Jiva, wenn er den Leib 
TerUssen hat, in einem dem Äther ähnlichen Zustande, wird 
iber wegen seiner Feinheit nicht wahrgenommen, wie der 
Schein jenes Feuers, daran ist nicht zu zweifeln. 

7. (cmm.) Nämlich das im Körper befindliche Feuerelement 
hat die Aufgabe, die Präna's zu stützen, denn der Jiva mufs 
unterstützt werden ; dieses die Winde im Körper unterstützende 
IVuer erstickt, wenn der Atmungsprozefs gehemmt wird. 

*\ <«tw4.) Ist aber dieses Feuer im Körper erloschen, so 
wird der Leib bewufstlos, und niederstürzend geht er in das 
Enlelement über, denn sein gewiesener Gang ist die Erde. 

i«»ß.> Denn von allen Kreaturen, mögen sie beweglich 
(al* Manschen und Tiere] oder unbeweglich [als Pflanzen] 
s*in, geht der Wind über in den Äther, und das Feuer folgt 
ihm nach. <«9o;.) Während die genannten drei eine Einheit bil- 
den, »o nehmen die beiden übrigen ihren Standort in der Erde. 

ki. Wo der Äther ist, da ist auch der Wind, und wo 
der Wind ist, da ist auch das Feuer; (mos.) diese drei mufs 
min als gestaltlos wissen, obwohl sie die Gestalt der Ver- 
^•rperteu ausmachen [helfen]. 

Bharadvaja sprach: 

11. ivw.j Wenn Feuer, Wind, Erde, Äther und Wasser 
iß den Verkörperten wahrgenommen werden , welches Merk- 
mal ia ihm läfst auf den Jiva sehliefsen? Das sage mir, 
o tntadeliger. 



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160 III. Mokshadliarma. 

12. (69io.) Während der Leib aus jenen funfen besteht, 
durch jene fünf sich erfreut und durch die Erkenntniskraft 
jener fünf zu einem bewufsten wird, so möchte ich wohl 
wissen, welcher Art da noch die Funktion des Jiva sein soll. 

13. (69ii.) Wenn der Leib, der ein Aggregat von Fleisch 
und Blut, eine Anhäufung von Fett, Sehnen und Knochen 
ist, in seine Teile zerlegt wird, so wird dabei von einem Jiva 
doch nichts wahrgenommen. 

14. (6912.) Ist aber der Leib ohne Jiva nur aus den fünf 
Elementen zusammengesetzt, wer ist es dann, so könnte man 
einwenden, der bei körperlichem oder geistigem Schmerze sich 
des Leides bewufst wird? 

15. (6913.) Nun, ist es etwa der Jiva, der das Gesprochene 
hört? Hört man es nicht vielmehr mit den Ohren, o grofser 
Rishi, und sogar dann noch, wenn das Manas unaufmerksam 
ist? Der Jiva ist also doch überflüssig. 

16. (69U.) Alles, was überhaupt zu sehen ist, sieht man 
durch das mit dem Manas verbundene Auge; und freilich, 
wenn das Manas verwirrt ist, so sieht das Auge und sieht 
doch nicht. 

■ 

17. (6915.) Man sieht nicht und man riecht nicht, man 
hört nicht und redet nicht, man empfindet keine Berührung und 
keinen Geschmack, sobald man vom Schlafe überkommen ist. 

18. (6916.) Wer ist es, [etwa der Jiva?] der dann sich 
freut und zürnt und sich bekümmert und fürchtet und wünscht 
und denkt und hafst und redet? 

Bhrigu sprach: 

19. (6917.) Bei dem allen vermag der aus den fünf 
Elementen zusammengefügte Leib nichts, und nur der 
innere Atman regiert ihn ; er empfindet die Gerüche, Ge- 
schmäcke, Geräusche, die Berührung, die Gestalt und was 
sonst noch für Qualitäten vorhanden sein mögen. 

20. (6918.) Wer in dem aus den fünf Elementen be- 
stehenden Körper die fünf Qualitäten wahrnimmt, das ist 
der alle Glieder durchwaltende innere Atman; er empfindet 
Leid und Lust im Leibe, und hat er sich losgetrennt, 
so empfindet der Körper nicht mehr. 



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Adhyäya 187 <R 187). 161 

21. (<>9i9.) Wenn keine Sichtbarkeit, Fühlbarkeit und keine 
Wärme des Körperfeuers mehr vorhanden ist, dann, nach 
Erlöschen des Körperfeuers, verläfst der Ätman den Leib, aber 
er vergeht nicht. 

22. (69-20.) Diese ganze Welt ist aus den [Ur-] Wassern 
gebildet, und die Wasser sind die Gestalt der Verkörperten; 
in ihnen, in allen Wesen weilt der Ätman, der Mänasa, der 
Gott Brahmän, der Weltschöpfer. 

23. («•»!« i.) Der Ätman, sofern er mit den aus der Prakrit 
stammenden Guna's verbunden ist, wird der Kshetrajha (Orts- 
kenner) genannt; sofern er aber von diesen befreit ist, wird 
er als Paramätman bezeichnet. 

24. (»;92_») Ihn erkenne als den Ätman, der seiner Natur 
nach das Heil aller W T elten fördert [vgl. Piatons Idee des 
Guten], und der sich in diesem Leibe niedergelassen hat wie 
ein Wassertropfen auf der Lotosblume. 

2ö. (69-.»3.) Ihn, der seiner Natur nach immerfort das Heil 
der Welt fördert, erkenne als den Kshetrajfta, aber Tamas, 
Kajas und Sattvam, diese wisse als seine, des Jiva, Guna's. 

26. (G!»_»4.) Sofern er [der Ätman] mit Geistigkeit aus- 
gestattet ist, bezeichnet man den Jiva als seine Wesens- 
beschaffenheit ; er ist es, der sich bewegt und alles sich 
bewegen macht, höher als diesen [den Jiva] bezeichnen 
ihn die Kenner der Leiblichkeit als den, welcher alle 
sieben Welten fbhür, bhnvah, svar, mahar, Janas, tapas, 
saiyamj in Gang gebracht hat. 

27. Nicht wird der Jiva zunichte, wenn er sich 
von dem Leibe trennt, falsch ist es, was die Toren sagen : 
„er ist tot", sondern der im Körper verborgene Jiva zieht 
aus ihm aus, und der Zerfall in die Halbzehnheit [der 
Elemente] ist nur seine Lostrennung vom Leibe. 

28. («»sc.) So weilt in allen Wesen er versteckt und wan- 
delt in der Verhüllung; dem schärfsten Denken nur sichtbar, 
dem feinsten derer, die die Wahrheit sehen [frei nach Käth. 
Lp. 3,12]. 

21*. ywn.) Ihm gibt sich in früheren und späteren Nächten 
(d. h. Zeiten) der Weise immerfort im Yoga hin; mäfsig sich 

Dkm», Mah4bh4r»tani. 11 



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162 III. Mokshailharma. 

nährend und reinen Herzens schaut er alsdann den Atman 
in sich selbst. 

30. (6928.) Nach Klärung seines Denkens steht er von 
guten und bösen Werken ab und beruhigten Selbstes im 
Selbste weilend erlangt er selige Ewigkeit. 

31. (6929.) Der Mänasa Agni (das geistige Feuer) in den 
Leibern wird Jiva genannt ; er ist eine Schöpfung des Prajä- 
pati, der ihn zum innern Selbst der Wesen bestimmte. 

So lautet im Moktbadharma die Darlegung der Katar der Seele 

(jiea-trar&pa-nirüpanam). 



Adhy&ya 188 (B. 188). 

Vers 6930-6949 (B. 1-20). 
Bhrigu sprach: 

1. (6930.) Zuerst also erschuf der Gott Brahmän Brah- 
manen als Prajäpati's, welche sich aus eigener Kraft ent- 
wickelten und an Glanz dem Sonnenfeuer gleichkamen. 

2. (6931.) Darauf bestimmte der Herr Wahrheit, Gerechtig- 
keit, Askese und das ewige Brahman (die religiöse Andacht), 
sowie den guten Wandel und die Reinheit für den Himmel 
[d. h. als zum Himmel führend]. 

3. (6932.) Darauf wurden die Götter, die Dänava' 8 (götter- 
feindliche Wesen), die Gandharva's (himmlische Genien), die 
Daitya's (böse Geister), die Asura's (Dämonen) und die 
grofsen Schlangen, die Yaksha's (Halbgötter), die Räkshasa's 
(Kobolde), die Schlangen, die Picäca's (Unholde) und die 
Menschen, 

4. (6933.) nämlich Brahmanen, Kshatriya's, Vaicya's und 
(^üdra's, o Bester der Zwiegeborenen, sowie die übrigen Klassen 
der Wesenscharen von ihm geschaffen. 

5. (6934.) Die Farbe (varna, auch Kaste) der Brahmanen 
ist weifs, die der Kshatriya's rot, die der Vaicya's gelb und 
die Farbe der Qüdra's schwarz. 

Bharadväja sprach: 

6. (6935.) Wenn bei den vier Kasten der [moralische] 
Kastencharakter (varmt) nach der Farbe fvarnaj eingeteilt 



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Adhy&ya 188 (B. 188). 



103 



werden soll, so folgt doch daraus, dafs bei allen Kasten schon 
eine Vermengung der Rasten [und ihres moralischen Charak- 
ters] eingetreten sein mufs. 

7. (693ö.) Denn Liebe, Zorn, Furcht, Habgier, Kummer, 
Sorge, Hunger und Ermüdung, das kommt doch bei uns allen 
vor, wozu also die Einteilung in Kasten? 

8. (6937.) Schweifs, Harn und Kot, Schleim, Galle und 
Blut, alles dies, der ganze Körper ist bei allen fortwährendem 
Wechsel unterworfen, wozu also die Einteilung in Kasten? 

9. (6938.) Von beweglichen Wesen und ebenso von den 
unbeweglichen gibt es unzählige Arten, welche alle von ver- 
schiedenem Aussehen sind, wie kann man da die Kasten 
(gerade als vier] bestimmen? 

ßlirigu sprach :- 

10. (6939.) Ursprünglich besteht keine Verschiedenheit der 
Kasten, brahmisch ist die ganze Welt der Lebenden, aber 
das, was ursprünglich von Gott Brahmän geschaffen war, das 
ist infolge der Werke in das Kastenwesen auseinandergegangen. 

11. (6940.) Sie, welche Lust und Genufs lieben, scharf, 
zornmütig und Freunde von Gewalttat sind, ihre ursprüng- 
liche Pflicht vergessen und ihre Glieder mit Blut befleckt 
haben, das sind Brahmanen, welche in das Kshatriyatum 
herabgesunken sind. 

12. (69U.) Jene anderen, welche aus der Viehzucht ihren 
Unterhalt gewinnen, von gelber Farbe, vom Ackerbau lebend, 
auch sie betreiben nicht mehr ihre ursprüngliche Obliegen- 
heit, sondern sind Brahmanen, welche in das Vaicvatum herab- 
gesunken sind. 

13. («942.) Und endlich jene, welche an Schädigung und 
Lüge sich freuen, habgierig sind und alle Geschäfte zu ihrem 
Unterhalt betreiben, die Schwarzen, von der Reinheit Ab- 
gefallenen, das sind Brahmanen, welche in das (,\\dratum 
herabgesunken sind. 

14. (6943.) In dieser Weise geschah es, dafs Brahmanen, 
durch derartige Werke getrennt, in die anderen Kasten ge- 
raten sind, und nicht immer ist ihnen Frömmigkeit und Opfer- 
werk benommen gewesen. 

11* 



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III. Moksliadhüi ina. 



15. (6944.) So sind alle diese vier fcaturo für catväroj Kasten 
solche, denen das göttliche Vedawort anvertraut worden war, 
die ursprünglich als Brahmanen erschaffen waren, aber aus 
Habgier in das Nichtwissen herabgesunken sind. 

16. (VMb.) Die Brahmanen aber sind die, welche der hei- 
ligen Lehre treugeblieben sind; ihre Askese ist unvergäng- 
lich, indem sie immerfort das heilige Wort hochhalten so- 
wie die Gelübde und die Selbstbezähmungen. 

17. («946.) Sie, welche das Vedawort, das höchste, ge- 
schaffene, nicht kennen, das sind die Nicht-Brahmanen , von 
ihnen aber gibt es mannigfache, voneinander verschiedene 
Arten hier und dort. 

18. (6947.) Da gibt es Picäca's (Unholde), Räkshasa s (Ko- 
bolde), Gespenster und mancherlei barbarische Geschlechter, 
die Erkenntnis und Wissen verloren haben und einen Wandel 
nach eigenem Gelüste fuhren. 

19. (6948.) So wurden die Geschöpfe derartig, dafs sie die 
Weise der Brahmanen und die Bestimmung gemäfs ihren 
eigenen Werken [in einer früheren Weltperiode] an sich 
trugen, von den Rishi's kraft der ihnen einwohnenden Askese 
geschaffen, die einen von diesen, die anderen von jenen. 

20. (6949.) Das ist die aus dem Anfangsgotte entsprungene, 
in Gott Brahmän wurzelnde, unvergängliche und ewige Schöp- 
fung, welche die geistige (mänasi) genannt wird und das Ver- 
knüpftsein mit der heiligen Pflicht als Höchstes hat. 

So lautet im Mokshadharma die Darlegung der Kasteneinteilung 

(rarna - ribhdya - knthanam). 

AtlhyAya 189 (B. 189). 

Vers 6950-8967 (B. 1-18). 

Bharadvaja sprach: 

1. (6950.) Wodurch wird einer ein Brahmane oder ein 
Kshatriya, o Bester der Zwiegeborenen , oder ein Vai<jya 
oder Cüdra, o Brahmanen weiser? Das erkläre, o Bester der 
Redner. 



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Adhyäya ISO (R ist»). 



1G5 



Hhrigu sprach : 

i\ (6951.) Wer durch die Geburtszeremonie und die übrigen 
Weihen geheiligt und rein ist, mit dem Vedastudium begabt 
und in den sechs täglichen Werken feststehend, 

3. <ßs»r,2.) wer in reinem Wandel durchaus beharrt, von 
Resten sich nährt (vigham^hi) und dem Lehrer lieb ist, alle- 
zeit seine Gelübde hält und die Wahrheit über alles schätzt, 
der wird ein Brahmane genannt. 

4. ftwr»».) Der, bei welchem Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, 
Treue, Wohlwollen, Schamhaftigkeit , Barmherzigkeit und 
Askese gesehen werden, der gilt für einen Brahmanen. 

ö. (iwm.i Wer hingegen die der Zerstörung dienenden 
Werke übt, am Vedastudium teilnimmt, am Geben [den Brah- 
manen] und am Nehmen [von den Untertanen] Freude hat, 
der wird ein Kshatriya genannt. 

6. («war».) Wer hingegen an Handel, Viehzucht, Ackerbau 
und Geben [an die Brahmanen] sich freut und rein ist, auch 
mit dem Vedastudium begabt, der wird als ein Vaieya bezeichnet. 

7. (6950.) Wer endlich sich damit zufrieden gibt, alles zu 
essen, alle Handlungen verrichtet und unrein ist, des Veda 
entbehrt und ohne guten Wandel ist, der heifst ein (,'üdra. 

H. (6957.) Dies ist die Charakteristik des Cudra, und sie 
trifft auf einen Zwiegeborenen nicht zu; [ohne sie] würde der 
Cüdra nicht (,'üdra und der Brahmane nicht Brahmane sein. 

!>. (695s.) Durch alle Mittel sich der Begierde und des 
Zornes zu enthalten, das ist das Läuterungsmittel alles Wis- 
sens, sowie auch dafs man sein Selbst im Zaume hält. 

10. (6959.) Diese beiden [Begierde und Zorn], welche, 
wenn sie aufkommen, das Heil vernichten, soll man mit der 
ganzen Kraft seines W'esens fernhalten, 

11. soll allezeit sein Wohlbefinden vor Zorn und seine 
Askese vor Selbstsucht bewahren, (696»».) sowie seine Wissen- 
schaft vor Hochmut und Verachtung und sich selbst vor Un- 
besonnenheit. 

12. Der, dessen Bestrebungen alle ohne Verbindung mit 
Wünschen erfolgen, o Z wiegeborener, (owi.) dessen ganzes 
Opfer im Entsagen besteht, der ist ein Entsagender, der ist 
ein Weiser 



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I 



1T>6 III. Mokshadharma. 

13. Ohne irgendein Wesen zu schädigen, möge er dahin- 
gehen, indem er den Weg der Freundlichkeit wandelt, (6962.) und 
indem er allen Anhang von sich abtut, möge er durch seine 
Erkenntnis die Sinne besiegen; dann wird er eine von Kum- . 
mer freie Stellung hienieden erreichen und Furchtlosigkeit 
im Jenseits. 

14. (6963.) Beharrlich in der Askese, sich bezähmend, ein 
Muni, das eigene Seihst beherrschend, das Unüberwundene 
zu überwinden trachtend, so soll man sein, und ohne An- 
hänglichkeit an alles, woran das Herz hängt. 

15. (6964.) Alles, was von den Sinnen erfafst werden kann, 
das gehört zum Vyaktam (zur entfalteten Natur), das ist ge- 
wifs; das Avyaktam (die unentfaltete Natur), das soll man 
wissen, läfst sich nur aus Anzeichen erkennen, da sie über- 
sinnlich ist. 

16. (6966.) Nicht soll man im Mifstrauen [gegen Veda und 
Lehrer] dahingehen, sondern sein Manas im Vertrauen fest- 
machen, das Manas aber halte man nieder in dem Präna, und 
den Präna mache man fest in Brahman. 

17. (6966.) Aus Weltverdrossenheit wende man sich dem 
Nirvänam zu, und nicht sorge man sich über irgend etwas, 
denn als ein Glück erlangt der Brahmane durch die Welt- 
verdrossenheit das Brahman. 

18. (6967.) Dann ist er allezeit mit Reinheit verbunden, 
mit gutem Wandel begabt und voll Mitgefühl für die Wesen. 
Das ist das Merkmal des wahren Z wiegeborenen. 

So lautet im Mokahadharma die Darlegung d«T Natur der Kasten 

(tarna - star&pa - kathanam). 

* 

Adhyaya 190 (B. 190). 

Vers 6968-6983. (B. 1-16.) 

Bhripu sprach: 

1. (6968.) Das Satyam (die Wahrheit) ist Brahman, das 
Satyam ist Askese, das Satyam schafft die Geschöpfe, durch 
das Satyam wird die Welt getragen, durch das Satyam geht 
man zum Himmel ein. 



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Adhyaya 190 (B. 190). 



107 



2. (6969.) Die Unwahrheit ist von der Art des Tamas 
(Finsternis), durch das Tamas wird man nach unten geführt, 
von dem Tamas verschlungen sieht man nicht das Licht, 
weil man von Tamas umhüllt ist. 

3. (6970.) Der Himmel ist Licht, so sagt man, und die 
Hölle ist Finsternis ; Wahrheit und Unwahrheit, beide werden 
von den auf der Erde Wandelnden ergriffen. 

4. (6971.) Dementsprechend ist auch der Lauf der Welt 
Wahrheit und Unwahrheit, Recht und Unrecht, Licht und 
Finsternis, Leid und Lust. 

5. (6972. Pro»a.) Dabei steht es so: die Wahrheit ist das 
Recht, das Recht ist das Licht, das Licht ist die Lust; hin- 
gegen: die Unwahrheit ist das Unrecht, das Unrecht ist die 
Finsternis, die Finsternis ist das Leid. 

6. (6973.) Hierbei wird bemerkt: Aus körperlichem und 
geistigem Leid und aus Lust, die aus dem Leide hervorgeht, 
besteht die Weltschöpfung, das sehen die Weisen und lassen 
sich nicht betören. 

7. (6974.) Darum strebt der Weise nur danach, sich vom 
Leid zu befreien, denn die Lust der Wesen ist etwas Hin- 
fälliges, sowohl in dieser Welt als auch in der andern. 

8. (6975.) Wie das Licht des vom Rahu verschlungenen 
Mondes [bei der Mondfinsternis] nicht leuchtet, so geht die Lust 
der von der Finsternis (tamas) überwältigten Wesen zugrunde. 

9. (6976. Prosa.) Was nun die Lust betrifft, so wird ge- 
lehrt, dafs sie zweifach sei, nämlich körperlich und geistig. 
Ks geschehen aber sowohl in dieser als in jener Welt die 
Entwicklungen der Dinge, wie überliefert wird, um der Lust 
willen, denn über diese hinaus gibt es keine vorzüglichere 
Frucht der Dreiheit von Bestrebungen [nach dem Angenehmen, 
Nützlichen und Guten]; dabei aber dient die spezielle Quali- 
tät des Angenehmen den Qualitäten des Guten und Nütz- 
lichen zum Antrieb. Diese beiden sind die Ursachen, aus 
denen jenes [das Angenehme] hervorgeht, und sie werden in 
Angriff genommen um der Lust willen als Zweck. 

Bharadvaja sprach: 

10. (6977. Proaa.) Wenn du, o Herr, behauptest, dafs die 
Lüste am höchsten stehen, so nehmen wir das nicht an. Denn 



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H38 



III. Mokshadhnrma. 



jenen Weisen, welche im Mediän feststanden, wäre jene be- 
sondere Qualität des Angenehmen nicht unerreichbar gewesen, 
und doch trugen sie nach ihr kein Verlangen. Ferner, was 
den Schöpfer der drei Welten, den Gott Brahmän, den Herrn, 
betrifft, so lehrt die Schrift, dafs er ganz allein im Tapas 
sich hielt. Auch ist zu bemerken, dafs der Brahmacärin 
sich keineswegs dem Angenehmen und der Lust hingibt. 
Endlich erinnere ich daran, dafs der heilige Herr des Welt- 
alls, der Gatte der Umä, den Käma (Liebesgott), als er ihm 
zu nahen wagte, durch die an ihm vollzogene Körpervernich- 
tung zur Ruhe bettete. Darum sage ich: Von jenen Hoch- 
sinnigen ist diese Qualität [des Angenehmen] nicht ergriffen 
worden, und wenn du behaupten solltest, dafs sie eine so 
ausgezeichnete Art von Qualität nicht hätten haben können, 
so nehme ich dies von dir, o Ehrwürdiger, nicht an. Wenn 
du aber behauptest, dafs es nichts Höheres gäbe als die Lust, 
so ist zu bemerken, dafs nach allgemeiner Annahme das Ent- 
stehen der Frucht von zweifacher Art ist, sofern durch gute 
Werke Lust und durch böse Leid erlangt wird. 

Bhrigu sprach: 

11. (6978. Prosa.) Dagegen ist zu bemerken: Aus der Un- 
wahrheit ist die Finsternis (tamasj hervorgegangen, und von 
der Finsternis verschlungen wenden sich die Menschen dem 
Bösen zu und nicht dem Guten, und in Zorn, Habgier, Grau- 
samkeit, Unwahrheit usw. versunken, können sie natürlich 
weder in dieser Welt noch im Jenseits zur Lust gelangen; 
vielmehr worden sie, mit mancherlei Krankheit, Gebrechen 
und Qualen überschüttet, von Tötung, Fesselung und anderen 
Nöten, sowie von den durch Hunger, Durst und Ermüdung 
verursachten Qualen gequält. Auch werden sie von den aus 
Regen, Wind, übergrofser Hitze und übergrofser Kälte ent- 
springenden Befürchtungen und von körperlichen Schmerzen 
heimgesucht, und nicht weniger werden sie von den aus Unter- 
gang von Verwandten und Reichtum und aus der Trennung 
von ihnen entsprungenen geistigen Schmerzen überkommen, 
sowie von anderen, welche Alter und Tod ihnen bereiten. 

12. (GW. Prosa.) Nur der aber, welcher von diesen körper- 



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Adhy&ya IM (B. 190). 



169 



liehen und geistigen Leiden nicht berührt wird, kann die Lust 
geniefsen ; im Himmel aber kommen dergleichen Mängel nicht 
vor, und dort befinden sie [die Guten] sich eben. 

13. f698o.) Ein angenehmer Wind weht im Himmel und 
ein lieblicher Geruch begleitet ihn. Dort gibt es nicht Hunger, 
nicht Durst, nicht Qualen, nicht Alter und nicht Schlechtigkeit. 

14. dvjHi.) Im Himmel herrscht ewige Lust, auf Erden 
beides, Lust und Leid; in der Hölle, so heifst es, ist nur 
Leid. Lust hingegen ist jenes höchste Gefilde der Seligen. 

lö. (ta**z.) Die Erde ist die Gebärerin aller Wesen, und 
ihr ähnlich sind die Frauen, der Mann hingegen ist für sie 
Prajäpati, und sein Same ist von Feuerart. 

Iß. So ist diese Weltschöpfung vor Zeiten von 

Gott Rrahmän geordnet worden; die Geschöpfe leben ihr nach, 
ein jeder von seinen früheren Werken umhüllt. 

So lautet im Mokshadharina.die Unterredung den lihrigu mit Bbara.lväja 

(Hhri'jH ■ BhartfiraUt - »<n>tedJa). 



Adhyftya 11)1 (B. 191). 

Vers 6984-7001 (B. l-18i. 

Bharadväja sprach. 

1. (t>9K4.) Welcher Lohn wird in Aussicht gestellt für Frei- 
gebigkeit, Pflichterfüllung und guten Wandel, für wohldurch- 
gefuhrte Askese, für Vedastudium und für Opfer? 

Bhrigu sprach: 

2. <«»ss.) Durch Opfer wird das Böse beschwichtigt, durch 
Vedastudium der höchste Frieden erreicht, durch Almosen- 
geben erlangt man Freuden, wie es heifst, und durch Askese 
den Himmel. 

3. («986) Das Almosengeben aber ist, wie gelehrt wird, 
von zweifacher Art, je nachdem es um des Jenseits willen 
oder für das Diesseits geschieht; alles, was von Guten ge- 
spendet wird, das erwartet sie im Jenseits. 



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170 



III. Mokshiulhanua. 



4. (6987.) Aber was von Nichtguten gespendet wird, diese 
Gabe wird schon hier vergolten. In welcher Gesinnung einer 
die Gabe gibt, dementsprechend erlangt er die Frucht. 

Bharadväja sprach: 

5. (6988.) Worin besteht für jeden der Wandel in der 
Pflicht und was ist das Kennzeichen der Pflicht? W r ie viel- 
fach ist ferner die Pflicht ? Das mögest du, o Herr, mir sagen. 

Bhrigu sprach: 

6. (6989.) Weise Menschen geben sich dem Wandel in der 
ihnen obliegenden Pflicht .hin und erlangen als Lohn den 
Himmel; wer es anders macht, der ist ein Tor. 

Bharadväja sprach: 

7. (6990.) Das System der vier Lebensstadien ist vor Zei- 
ten von Brahmanweisen eingerichtet worden. Jedes derselben 
hat einen ihm eigentümlichen Wandel; den sollst du mir er- 
klären. 

Bhrigu sprach: 

8. (6991. proan.) Vor Zeiten wurden von dem erhabenen 
Gotte Brahmän, da er das Heil der Welt im Auge hatte, um 
der Erhaltung der Pflicht willen die vier Lebensstadien vor- 
gezeichnet Hierbei bezeichnet man als das erste Lebens- 
stadium das Wohnen in der Familie eines Lehrers. Es be- 
steht darin, dafs man sein Selbst vollständig durch Reinheit,. 
W eihen, Bezähmung und Gelübde bändigt, beide Dämmerungen 
und in ihnen die Gottheiten der Sonne und des Feuers ver- 
ehrt, Trägheit und Schlaffheit fahren läfst, durch Begrüfsung 
des Lehrers, sowie durch Studieren und Hören des Veda sein 
inneres Wesen läutert, die drei täglichen Waschungen be- 
treibt, durch Pflege des Brahmacarya-Feuers, durch Gehorsam 
gegen den Lehrer und durch beharrliches Betteln und Er- 
nährung durch Erbetteltes vollständig zum Bewufstsein seiner 
innern Seele gekommen ist, ohne Widerstreben Wort und Be- 
fehl des Lehrers befolgt und das dafür durch die Gnade des 
Lehrers empfangene Vedawissen als das Höchste schätzt. 



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Adhyäya 191 (B. 191). 



171 



9. (6992.) Darüber ist auch dieser Vers: 

Der Z wiegeborene, welcher den Lehrer sich freundlich 
stimmt und von ihm den Veda erlangt, der erlangt als Frucht 
den Himmel, und sein geistiges Wesen kommt zur Voll- 
endung. 

10. («993. Proaa.) Den Stand des Hausvaters nun weiter 
bezeichnet man als das zweite Lebensstadium, die Merkmale 
des richtigen Wandels in diesem wollen wir nunmehr voll- 
ständig auseinandersetzen. Für solche, welche aus der Schüler- 
schaft zurückkehren, sich eines guten Lebenswandels be- 
fleifsigen und nach der Frucht eines gemeinschaftlichen Wan- 
dels in der [Ehe-] Pflicht verlangen, wird der Wandel als 
Hausvater vorgeschrieben. Denn in ihm wird das Gute, Nütz- 
liche und Angenehme erlangt. Indem man mit Rücksicht auf 
die Erlangung dieser Dreiheit in vorwurfsfreier Tätigkeit zu 
Reichtum gelangt, soll man mittels dieses Reichtums — mag 
er vorwiegend durch Unterricht im Veda gewonnen sein oder 
durch einen Brahmanweisen erzaubert, oder aus den Schätzen 
der Berge erworben, oder infolge Opferns an Götter und Manen 
und Betreibens der Bezähmung durch die Gnade der Götter 
verliehen sein — als Hausvater den Hausvaterstand antreten. 
Denn diesen erklärt man für die Wurzel aller Lebensstadien. 
Denn auch für diejenigen, welche in der Familie des Lehrers 
wohnen bleiben, und für die anderen, welche als Pilger 
umherziehen und der zwangsmäfsigen Pflicht eines unter- 
nommenen Gelübdes obliegen, auch für diese werden die Zu- 
teilungen von Almosen und Spenden aus dem Hausvater- 
stände bestritten. 

11. (6994. ProBa.) Und auch für die Waldeinsiedler ist eine 
Beisteuer von Sachen [durch den Hausvater] angebracht, denn 
so wenigstens pflegen meist diese Guten, mit guter Wege- 
kost versehen und nur mit Vedastudium beschäftigt, zum 
Besuche von heiligen Badeplätzen und zur Besichtigung der 
Gegenden die Erde zu durchstreifen, und ihnen gebührt gast- 
liche Aufnahme durch Aufstehen, Entgegengehen, Begrüfsen, 
nichtverdriefsliches Spenden von W'orten und Anbieten eines 
angenehmen stärkenden Sitzes und eines angenehmen Lagers 
nebst Verpflegung. 



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172 IH. Mokshadharma. 

12. (6995.) Darüber ist auch der Vers: 

Wenn ein Gast mit getäuschter Iloffnung vor einem Hause 
umkehrt, so überträgt er seine bösen Werke auf dessen Be- 
sitzer ( vgl. Ev. Matth. 10,14] und nimmt dessen gute Werke 
mit sich fort. 

13. (6996. Prosa.) Auch werden in diesem Stande [des Haus- 
vaters] die Götter durch Opferwerke erfreut, die Väter durch 
Vorsetzen [des Manenopfers], die Rishfs durch Betreiben, An- 
hören und Behalten der Wissenschaft und Prajäpati durch 
Erzeugung von Nachkommen. 

14. (6»97.) Und darüber sind zwei Verse: 

Aus Zartgefühl für alle Wesen sollen die Reden für das 
Ohr lieblich klingen; Quälen, Schlagen und hartes Anfahren 
ist das dabei zu Tadelnde. 

15. (6998.) Hochmut, Selbstsucht und Falschheit wird ge- 
tadelt, hingegen ist Nicht -Schädigung, Wahrhaftigkeit und 
Enthaltung von Zorn eine Askese, die allen Lebensstadien 
geziemt. 

16. (6999. Pro«a.) Auch ist dabei [in Betracht zu ziehen] 
das Trachten nach Schmückung mit Kränzen und nach be- 
ständiger Freude an Kleidern und Salben, nach Tanz, nach 
Ergötzung des Ohres durch Gesang und Musik und Erfreuung 
des Auges durch liebliche Anblicke, ferner der Genufs mannig- 
facher Gaumenfreuden, wie Essen, Schmausen, Schlecken, 
Trinken und Schlürfen, Freude an eigenen Belustigungen 
und Streben nach Geschlechtsgenufs. 

17. (7000.) In wessen Hausvaterstande eine beständige Ent- 
wicklung von tüchtigen Leistungen in der Dreischar [des 
Guten, Nützlichen und Angenehmen] statthat, der kann die 
Freuden der Erde geniefsen und doch den Gang der Meister 
gehen. 

18. (7001.) Wenn ein Hausvater, auch ein solcher, der auf 
Ährenlesen angewiesen ist, an dem Wandel in der eigenen 
Pflicht seine Freude hat und das Streben nach Lust und Ge- 
nufs von sich abtut, für den ist der Himmel nicht schwer zu 
erlangen. 

So lautet im Mokshadharma die Unterredung de* Bbrigu mit Bharadvaja 

( BhriyH - Hharaihdja ■ *<nnrd<ia). 



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Adhyäya 192 (B. 192). 



Adhyftya 192 (B. 

Vers 7002 -7031 (B. 1-27). 

Bhrigu sprach: 

1. (7<m»« Prosa.) Die Waldeinsiedler (vänaprasthdhj nun aber 
sind diejenigen, welche ihre Pflicht dadurch betreiben, dafs 
sie heilige Badeplätze und Flufsmündungen besuchen, wäh- 
rend sie in abgelegenen, von Antilopen, Büffeln, Ebern, Tigern 
und Waldelefanten belebten Wäldern Askese üben, und in- 
dem sie den Genufs der im Dorfe üblichen Nahrung und 
Kleidung aufgeben, auf wildwachsende Kräuter, Früchte, 
Wurzeln und Blätter beschränkt, mancherlei kärgliche Nah- 
rung finden, hingegen, an einem Orte weilend, auf Erde, 
Steinen, Kies, Geröll, Sand und Asche sich lagern, ihren 
Körper in Gräser, Binsen, Felle und Baumbast kleiden, Kopf- 
haare, Bart, Nägel und Körperhaare wachsen lassen, zu be- 
stimmter Zeit die Abwaschungen vornehmen, in nicht zu ver- 
säumenden Zeiten Spenden und Opfer darbringen, übrigens 
vor Brennholz, vor Darbringung von Kugagras und Blumen, 
sowie vor Abwaschung der Opfergeräte Ruhe haben, durch 
den Widerstand gegen Kälte, Hitze, Rogen und Wind die 
ganze Haut voll Risse haben, durch die mannigfachen Askesen, 
Observanzen, Wanderungen, Befolgungen und Obliegenheiten 
ganz ausgetrocknet an Fleisch, Blut, Haut und Knochen sind 
und, die Standhaftigkeit über alles schätzend, der ewigen Reali- 
tät ergeben, ihren Körper dahinschleppen. 

2. (7003.) Wer aber mit Strenge diesen von den Brahman- 
weisen vorgeschriebenen Wandel einhält, der verbrennt wie 
ein Feuer seine Sünden und erobert schwer zu erobernde 
Welten. 

3. (nx»4. Prosa.) Was nun endlich den Lebenswandel der 
Parivrajaka's (Heimatlosen) betrifft, so steht es damit folgender- 
mafsen : Indem sie Opferfeuer, Habe, Weib und Anhang 
im Stich lassen und in Anhänglichkeit an den Atman die 
Fesseln der Neigung abschütteln, wandern sie heimatlos um- 
her, <7«tf>5.» und während sie Erdschollen, Steine und Gold für 
gleich achten, ihren Geist nicht mehr an die Produkte der 



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174 



III. Mokslmdliarwa. 



Dreiheit [des Guten, Nützlichen, Angenehmen] hängen, mit 
gleicher Gesinnung auf Feinde, Freunde und Gleichgültige 
blicken, gegen Pflanzen, Lebendgeborenes, Eigeborenes, 
Schweifsgeborenes und Keimgeborenes , gegen alle diese 
Wesen in Gedanken, Worten und Werken ohne Falsch sind 
und ohne eigene Behausung Berge, Sandbänke, Baumwurzeln 
oder Göttertempel als Aufenthalt wählen, so mögen sie um 
des Unterkommens willen zwar eine Stadt oder ein Dorf auf- 
suchen , so jedoch, dafs sie in einer Stadt nur fünf Nächte, 
in einem Dorfe nur eine Nacht verweilen, und wenn sie, um 
ihr Leben zu fristen, einkehren, so sollen sie nur die Häuser 
von unbescholtenen Zwiegeborenen besuchen, um von dem 
in die Almosenschale gelegten, nichtgeforderten Almosen zu 
leben, abstehend von Liebe, Zorn, Stolz, Habgier, Verblen- 
dung, Lamentieren, Trug, Nachrede, Hochmut und Schädigung. 
4. (7oo6.) Auch sind darüber folgende Verse: 
Wer als Muni so lebt, dafs er allen Wesen Furchtlosig- 
keit einflöfst, für den entsteht keine Furcht vor irgendeinem 
Wesen. 

5. (7007.) Indem er das Agnihotram in seinem eigenen 
Leibe aufnimmt, opfert er dem Feuer seines Leibes in 
dem eigenen Munde, und als Brahmane durchstreift er 
die Welt mittels der als Almosen ihm übergebenen Opfer- 
spenden für die [in ihm] geschichteten Feuer. 

t>. (7008.) Wer in der genannten Weise das Lebens- 
stadium der Erlösung betreibt, indem er rein und wohl- 
bereiteten und befreiten Geistes ist, der Mensch gelangt 
zur Brahmanwelt, wie ein Feuer, welches aus Mangel an 
Brennholz erloschen ist [d. h. er gelangt zum Nirvänam]. 

Bharadvaja sprach: 

7. (.700».) Uber diese Welt hinaus gibt es eine höhere 
Welt, so lehrt die Schriftoflenbarung, aber nicht die Wahr- 
nehmung; diese Welt möchte ich kennen lernen, das mögest 
du, o Herr, mir erklären. 

Bhrigu sprach: 

8. (7oio.) Auf der nördlichen Seite des Himalaya, der 
heiligen, mit allen Trefflichkeiten ausgestatteten, befindet 



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Adhjr&ya 192 (B. 192). 



175 



sich, wie gelehrt wird, jene heilige, friedvolle und freudvolle 
höhere Welt. 

9. (7oii.) Dort nämlich sind die Menschen, welche frei 
von bösen Werken, rein, völlig makellos, ohne Begierde und 
Verblendung sind, ohne dafs ihnen ein Übel zustöfst. 

10. (7012.) Das ist das dem Himmel gleiche Land, dort 
sind, wie gelehrt wird, die schönen Vorzüge zu finden; zur 
Zeit, wo man dort ist, hat der Nicht-Tod die Oberhand, und 
keine Krankheiten kommen einem mehr zu nahe. 

11. (7oi3.) Dort besteht keine Begierde mehr nach frem- 
den Weibern, der Mann begnügt sich mit seinem eigenen 
Weibe, dort wird nicht mehr gegenseitig gemordet, und es 
besteht kein Stolz auf Reichtum mehr; (70H.) die Ungerechtig- 
keit hat nicht mehr die Oberhand, und ein Zweifel ficht keinen 
mehr an. 

12. Dort tritt die Frucht der guten Werke augenschein- 
lich zutage; (7015.) man ist wohlversehen mit Speise, Trank 
und Sitz und wohnt in Palästen als Wohnungen. 

13. [Anders ist es hienieden :] Einige sind von allen Lüsten 
umgeben und mit Goldgeschmeide geschmückt, (70 ig.) während 
es anderen nur eben gelingt, ihr Leben zu fristen, 

14. und manche können nur mit grofser Anstrengung 
ihren Lebensunterhalt finden. (7017.) Einige freilich halten 
schon hienieden die Pflicht als Höchstes, andere aber er- 
niedrigen [ihre Mitmenschen]; einige sind glücklich, andere 
unglücklich, die einen reich, die anderen arm. 

15. (701s.) Hienieden herrschen Mühe, Furcht, Torheit, 
scharfer Hunger und Habgier, in den Menschen durch die 
Güter entfacht, durch welche die Unweisen sich betören 
lassen. 

16. (7019.) Hienieden gibt es manche Arten des Erwerbs, 
je nachdem einer des Guten oder des Bösen beflissen ist; der 
Weise, der dies beides unterscheidet, wird nicht vom Übel 
befleckt. 

17. (7020.) Betrügerei, Gemeinheit, Dieberei, üble Nach- 
rede, mürrisches Wesen, Verletzung und Schädigung der Mit- 
menschen, Zwischenträgern und Lüge, 

18. rzosi.) wer derartiges betreibt, dessen asketisches Wr- 



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176 



III. Moksharikarma. 



dienst ist verloren, aber dem Weisen, der sich nicht mit der- 
gleichen befafst, gedeiht dadurch die Askese. 

19. (7o-2t».) In dieser Welt ist vielfache Sorge um pflicht- 
mäfsiges und pflichtwidriges Tun; hier ist die Stätte der 
Werke, wer in dieser Welt hier das Gute oder Böse tut, 
(70i'3.) der erlangt durch das Gute Gutes, und Böses erlangt, 
wer es anders treibt. 

20. Prajäpati und die Götter nebst der Schar der Rishis 
haben hier vor Zeiten (iou.) geopfert. Nachdem sie Askese 
zum Opfer gebracht, sind sie geläutert zur Brahmanwelt empor- 
gestiegen. 

21. Der nördliche Teil der Erde ist von allen der hei- 
ligste und schön; (7025.) dort werden die hier lebenden Men- 
schen wiedergeboren, soweit sie heilige Werke vollbracht 
haben, 

22. nachdem man ihnen die letzte Ehre erwiesen hat; 
andere hingegen [werden wiedergeboren] in Tierleibern, 
(7026.) wenn ihr Leben dahin ist; und noch andere gehen auf 
der Erde zugrunde, 

23. die sich gegenseitig aufzufressen geneigt sind, die, 
in Habgier und Verblendung befangen, (7027.) auf dieser Erde 
sich herumtreiben, solche gehen nicht in die nördliche Gegend. 

24. Aber die, welche als sich selbst bezähmende Brah- 
manschüler ihre Lehrer verehren, (7028.) die kennen als Weise 
den Weg zu allen Welten. 

25. Damit ist jene von Gott Brahman eingesetzte Welt- 
ordnung in der Kürze von mir dargelegt worden. (7029.) Für- 
wahr, wer weifs, was in der Welt Recht und Unrecht ist, 
der ist ein W r eiser. 

Bhishma sprach: 

2ti. (703o.) Als in dieser Weise, o König, der askesereiche 
Bharadvaja von Bhrigu belehrt worden war, da verehrte er, 
der höchst Rechtschaffene, den Bhrigu mit Bewunderung. 

27. (7031.) Damit ist dir, o König, die Schöpfung der Welt 
verkündigt worden ganz und gar, o du Hochweiser. W 7 as 
wünschest du weiter zu hören? 

So lautet im Moksbadharma die Unterredung de» Bhrigu mit Bharadväja 

(Bhri 9 H - nh<u a<lc<ija-»amrdda). 



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Adhyäya 193 (B. 193). 



177 



Adhyftya 193 (B. 193). 

Vers 7032-7065 (B. 1-33). 

Yudhishthira sprach: 

1. (7033.) Die Regel des guten Wandels (äcäraj, o Väterchen, 
von dir erklärt, o Untadeliger, die möchte ich hören, o Pflicht- 
kundiger, denn ich schätze dich als einen, der alles weifs. 

Bhishma sprach: 

2. (7033.) Diejenigen, welche einen schlechten Wandel 
fuhren, sich schlecht benehmen, schlechte Einsicht haben und 
Gewalttätigkeiten lieben, die werden die Nichtguten genannt, 
die Guten hingegen sind die, welche sich durch einen guten 
Wandel (äcära) auszeichnen. 

3. (7034.) Diejenigen Menschen, welche auf offener Strafse, 
umgeben von Kühen oder umgeben von Getreide ihren Kot 
oder Urin nicht entleeren, die sind anständig. 

4. (7035.) Wenn man die vorgeschriebene Reinigung voll- 
zieht und die Spendung an die Götter, das nennt man die 
Pflicht der Menschen; man soll keinen Flufs durchschreiten, 
ohne sich zu waschen; 

5. (7036.) man soll allezeit die Sonne verehren, auch nicht 
mehr bei Sonnenaufgang schlafen ; man soll abends und mor- 
gens stehend das Dämmerungsgebet murmeln, das frühe und 
das andere; 

6. (7037.) man soll erst essen, nachdem man die Fünf 
[Hände, Füfse, Mund] benetzt hat, nach Osten gerichtet und 
Schweigen beobachtend ; man soll die zum Essen vorgesetzte 
Speise nicht bemängeln und das Schmackhafte als schmack- 
haft geniefsen. 

7. (7038.) Man soll die Hände waschen, wenn man von 
Tische aufsteht, man soll nicht mit nassen Füfsen in der 
Nacht schlafen, so hat es der Götter- RisKi Närada als Merk- 
mal eines guten Wandels verkündigt. 

8. (7039.) Eine heilige Gegend, einen Ochsen, eine Götter- 
wohnung, einen Kreuzweg, einen Brahmanen, einen Heiligen 

Dbcmsw, M»hibhir»tam. 12 



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178 



III. Mokshadharma. 



und einen geweihten Baum soll man beim Vorbeigehen immer 
zur Rechten haben. 

9. (7040.) Wenn ein Mann mit allen Gästen, mit Boten, 
mit seiner Familie dasselbe Essen teilt, so wird er von seinen 
Leuten gepriesen. 

10. (7041.) Es ist dem Menschen vom Veda gesetzt, dafs er 
abends und morgens seine Mahlzeit nimmt, ein Essen in der 
Zwischenzeit ist nicht vorgesehen, und so lange soll man nüch- 
tern bleiben. 

11. (7042.) Wer zur Zeit des Opferns das Opfer bringt, 
zur Zeit der Empfänglichkeit beiwohnt und keine fremde Frau 
besucht, der Mann ist weise .und heiligen Wandels. 

12. (7043.) Als Ambrosia gilt gemeiniglich, als das Herz 
der Mutter, was von einem Brahmanen übrig gelassen ist; 
als solches verehren es die Leute, die guten Menschen aber 
scharen sich um das wahrhaft Gute. 

13. (7044.) Ein Mensch, der [zum Zwecke des Opfers] die 
Erde zertritt und das Gras ausrauft, ein Mensch, der an den 
Nägeln kaut [das mit den Nägeln zerrissene Opferfleisch kaut, 
Nil.], der ist ein Ewigunreiner [wörtlich: einer, der sich nie 
nach dem Essen den Mund ausspült], ist wie ein angepflöck- 
ter Papagei und kommt auch hienieden nicht zu langem Leben. 

14. (704ö.) Wer vom Fleischessen sich losgesagt hat, der 
soll auch kein durch das Opfer geweihtes Fleisch essen; 
ebensosehr wie beliebiges Fleisch, wie Rückenfleisch [sprich- 
wörtlich für üble Nachrede] soll er es vermeiden. 

15. (7046.) Sei es im eigenen Lande, sei es im fremden, 
den Gast soll man nicht hungern lassen; hat man die Frucht 
eines zu bestimmten Zwecken veranstalteten Opfers erlangt, 
so soll man sie als den Lehrern gehörig diesen zukommen 
lassen. 

IG. (7047.) Den Lehrern soll man einen Sitz bieten und 
die Begrüfsung gewähren; wer die Lehrer ehrt, der wird mit 
langem Leben, mit Ruhm und Schönheit beglückt. 

17. (7048.) Man soll weder die aufgehende Sonne, noch 
auch ein fremdes Weib, wenn es nackt ist, ansehen ; die ge- 
setzliche Begattung soll man immer, und zwar im Verborgenen, 
ausüben. 



- 



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Adhy&ya 193 (B. 193). 



179 



18. (7049.) Das Herz von allem, was heilig ist, ist die 
heilige Person, das Herz von allem, was rein ist, ist das 
reine Feuer; rein ist alles, was ein echter Arya tut, sogar 
das Berühren von Haaren. 

19. (7050.) Jedesmal, wenn man sich wiedersieht, soll man 
die Frage nach dem Wohlbefinden stellen; morgens und 
abends die Brahmanen zu begrüfsen ist Vorschrift. 

20. (7051.) Bei einem Gotteshause, unter Kühen und bei 
ärztlicher Behandlung von Brahmanen, beim Vedastudium 
und beim Essen soll man die rechte Hand gebrauchen. 

21. (7052.) Die Verehrung der Brahmanen am Abend und 
am Morgen der Vorschrift gemäfs, das glänzt als die Ware 
aller Waren, das wird gerühmt als der Acker aller Äcker, 
(7053.) als das, was die Feldfrucht verviellältigt, das gilt unter 
allem Fahren als das Fahren mit Kühen, 

22. das soll man immer als erlangte Sättigung beim 
Essen und Trinken, (7054.) das soll man ansehen als die gute 
Zubereitung bei Milchspeisen, Reissuppen und Sesambrei. 

23. Wenn einer beim Bartscheren begriffen ist, oder beim 
Niesen, Baden oder Essen, so soll man ihm, (7055.) wie auch 
allen Kranken, ein langes Leben wünschen. 

24. Man soll nicht gegen die Sonne gewendet harnen 
oder seinen eigenen Kot beschauen; (7056.) man soll es ver- 
meiden, neben einem Weibe zu liegen oder mit ihr zusammen 
zu essen. 

2f). Das Duzen und das Nennen beim Namen soll man 
bei Respektspersonen vermeiden, (7057.) Geringeren und Gleich- 
stehenden gegenüber ist es nicht tadelnswert. 

20. Das äufsere Gebaren schon verrät das böse Ge- 
wissen der Übeltäter, (7058.) sofern sie sich ihres Bösen be- 
wufst sind , und sie sind verloren, auch wenn sie sich unter 
der Menge zu verbergen suchen. 

27. Das mit Bewufstsein begangene Böse sucht der des 
Veda Unkundige zu verheimlichen, (7050.) aber wenn ihn auch 
die Menschen nicht sehen, so sehen ihn doch die droben im 
Himmel. 

28. Das von dem bösen Menschen verheimlichte Böse 
schlägt aus zum Bösen ; (70go.) das aus Rechtschaffenheit ver- 

12* 



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180 



III. Mokshadliarma. 



heimlichte Gute schlägt aus zum Guten; das von dem Recht- 
schaffenen begangene Gute schlägt aus zum Guten. 

29. (70«i.) Wohl mag der Tor hier sich nicht an das 
Böse erinnern, welches er getan hat, und doch folgt es 
ihm, auch wenn der Täter sich wandelt. Wie Rahu 
den Mond verfolgt, so verfolgt den Toren sein böses Werk. 

30. (7062.) Die Werkmasse, welche in der Hoffnung [auf 
Lohn] aufgehäuft wurde, wird [im Jenseits] nicht ohne Leiden 
[über ihr Schwinden] genossen ; darum rühmen es die Weisen 
nicht und brauchen nicht [wie jene] auf den Tod zu warten. 

31. (7063.) Die Weisen erklären, dafs das Gute aller Wesen 
auf Gesinnung beruhend fmänasa) sei, darum soll man bei 
allen Wesen der Gesinnung nach Wohlwollen walten lassen. 

32. (7064.) Die Pflicht mufs jeder allein üben, in der Pflicht- 
erfüllung gibt es keine Gemeinschaft, [man übt sie,] indem 
man sich nur an das Gesetz hält, was kann dabei ein Ge- 
fährte tun? 

33. (7065.) Das Gesetz ist die Lebensquelle für die Men- 
schen, wie für die Götter im Himmel das Amritam, durch 
die Gesetzeserfiillung erlangt man nach dem Tode den Genufs 
ewiger Wonne. 

8o lautet im MokshadbaTma die Vorschrift fttr den guten Lebenswandel 

(dedra-tidhi). 



Adhyftya 194 (B. 194). 

Vera 7066-7128 (B. 1-63). 

Yudhishthira sprach: 

1. (7066.) Das, was an dem Menschen hier bemerkt und 
mit dem Namen des innern Selbstes belegt wird, was und 
wie dieses innere Selbst, ist, das erkläre mir, o Grofsvater. 

2. (7067.) Woher ist ferner dieses Weltall mit Unbeweg- 
lichem und Beweglichem geschaffen worden, und wie ver- 
schwindet es beim Weltuntergange ? Das sollst du mir jetzt 
sagen, o Brahmane. 



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Adbyftya 194 (B. 194). 



181 



Bhlshma gprach: 

3. aoet.) Das, was man das innere Selbst nennt, nach 
dem du mich fragst, o Prithasohn, das will ich erklären, 
o Freund, als das allerbeseligendste Glück. 

4. i7o«».> Als mit Schöpfung und Vergang behaftet wird 
« von den Lehrern geschildert; der Mensch, welcher es er- 
kannt hat, findet in der Welt Freude und Glückseligkeit, 
«w<M und auch eine Frucht desselben gibt es, und das ist 
das Wohlwollen gegen alle Geschöpfe. 

f>. Die Erde, der Wind, der Äther, das Wasser und das 
Licht als fünftes, (7071.) dies sind die grofsen Elemente (mahä- 
hkwt«ni), welche der Ursprung und der Vergang aller Wesen 
«in<t 

ß. In das, woraus sie [die Wesen] geschaffen sind, da- 
hinein kehren sie auch immer wieder und wieder zurück, 

.) nämlich in die grofsen Elemente [aus ihrer vorübergehen- 
den Gestaltung] als Wesen, wie die Wellen des Ozeans. 

7. Wie eine Schildkröte ihre Glieder aus sich heraus- 
rückt und wieder in sich hereinzieht, (7073.) so schafft der 
Bhütatman(Element-Atman) die Wesen und zieht sie wieder ein. 

Er, der Wesensschöpfer, ist es, welcher die in allen 
Uesen vorhandenen fünf grofsen Elemente (7074.) geschaffen 
hat. aber seine Wesensverschiedenheit von diesen erkennt 
d*r Jiva (die individuelle Seele) nicht. 

9. Der Ton, das Gehör und die Ohröffnungen, diese drei 
sind aus dem Äther als ihrem Ursprung entstanden. (7o;5.) Aus 
*m Winde aber sind das Gefühl, die Bewegung und die 
Haut, diese drei, entsprungen. 

10. Die Gestalt, das Auge und das Brennen, das ist das 
dreifache Feuer. (7076.) Der Geschmack, die Feuchtigkeit und 
die Zunge, diese werden als die drei Qualitäten des W f assers 
bezeichnet. 

11. Der Geruch, die Nase und der Leib, das sind die 
drei Qualitäten der Erde; (7077.) das sind die fünf grofsen 
Elemente und als sechstes gilt das Manas. 

12. Die Sinne und das Manas sind für einen die Er- 
kfnntnisorgane, oBharata; (7078.J als siebente gilt die Buddhi 
oad der Kshetrajnu ist der achte. 



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182 



III. Mokshadhanoa. 



13. Das Auge dient dem Sehen, das Manas erhebt die 
zweifelnde Überlegung, (7079.) die Buddhi hat als Aufgabe die 
Entscheidung, der Kshetrajfia steht als Zuschauer da. 

14. Er schaut alles, was oberhalb der Fufssohlen, was 
hierher zu und was nach oben ist, (7080.) von ihm, das sollst 
du wissen, ist diese ganze Welt innerlich durchdrungen. 

15. Die Aufgabe der Menschen ist es, die Sinnesorgane 
vollständig kennen zu lernen, (7081.) denn auch Tamas, Kajas 
und Sattvam, diese Wesenheiten, beruhen darauf [auf Er- 
kenntnis der Sinne]. 

IG. Der Mensch, welcher sie durch seine Erkenntnis er- 
kannt hat und dazu das Kommen und Gehen der Wesen 
(7082.) erwägt, der gelangt nach und nach zur höchsten Ruhe. 

17. Die Buddhi führt die Eigenschaften [gunän mit 
Vers 8989 zu lesen] an, und sie führt auch die Sinnesorgane 
(7083.) sämtlich mit dem Manas als sechstem an ; gäbe es keine 
Buddhi, wie könnten die Eigenschaften bestehen! 

18. Somit ist diese ganze Welt des Unbeweglichen und 
Beweglichen aus ihr [der Buddhi] bestehend ; (7084.) [mit ihr] 
vergeht sie und entsteht, somit erweist sie sich als so [durch 
die Buddhi bedingt]. 

19. Dasjenige, wodurch sie [die Buddhi] sieht, das ist 
das Auge, wodurch sie hört, das wird das Ohr genannt, 
(7085.) wodurch sie riecht, das ist die Nase, und den Geschmack 
erkennt sie durch die Zunge. 

20. Durch die Haut empfindet sie die Gefühle, die Buddhi 
ist es, welche sich jedem einzelnen Falle anpafst, (7086.) sofern 
sie irgend etwas begehrt, wird sie zum Manas. 

21. Nämlich fünffach sind die Stützpunkte der Buddhi, 
je nach dem besondern Zwecke, (7087.) und diese nennt man 
die Sinnesorgane; über ihnen thront der Unsichtbare [der 
Kshetrajfia]. 

22. Die Buddhi, wenn sie im Menschen wohnt, befindet 
sich in drei Zuständen; (7088.) manchmal empfängt sie Lust 
[durch das Sattvam], manchmal wird sie in Leid versetzt 
[durch das Rajas], 

23. manchmal befindet sie sich so, dafs sie weder von 
Lust noch von Unlust berührt wird [vermöge des Tamas]; 



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Adhy&ya 194 (B. 194). 



183 



(7089.) und so geschieht es, dafs die Buddhi im Geiste der 
Menschen sich in drei Zuständen befindet. 

24. Sie ist es, welche diesen Zuständen verwandt diese 
drei Zustände überwindet, (7090.) wie der wellenreiche Ozean 
als Herr der Flüsse deren grofsen Zustrom. 

25. Nachdem die Buddhi über die Zustände hinausgelangt 
ist, verweilt sie in dem Manas als ihrem Zustande. (7091.) Dann 
aber regt sich das Rajas und überkommt diesen Zustand. 

26. Dann setzt sie alle Sinnesorgane in Tätigkeit; [der 
folgende Halbvers fehlt in C] und weiterhin überkommt die 
Wesenheit des Tamas das Sattvam, indem es sich an dessen 
Lust heranmacht. 

27. (7093.) Das Sattvam ist Lust, das Rajas ist Leid, das 
Tamas ist Dumpfheit, so sind diese drei; alle in der Welt 
herrschenden Zustände bestehen aus diesen dreien im Verein. 

28. (7093.) Damit habe ich dir, o Bhärata, das ganze Wesen 
der Buddhi erklärt; es ist aber Aufgabe des Weisen, alle 
Sinne zu überwinden. 

29. (7094.) Sattvam, Rajas und Tamas sind bei den Leben- 
den allezeit zusammenhängend, und dementsprechend ist in 
den Wesen eine dreifache Empfindung [von Lust, Leid und 
Gleichgültigkeit] vorhanden, 

30. (7095.) nämlich die auf das Sattvam, die auf das 
Rajas und die auf das Tamas bezügliche, o Bhärata; als Lust 
empfunden wird der Guna des Sattvam, als Schmerz der des 
Rajas; (7096.) beide kommen mit dem Guna des Tamas ver- 
bunden zur Verwirklichung. 

31. Wenn nun etwas als angenehm im Körper oder im 
Geiste sich kundgibt, (7097.) so mufs man dies daraus erklären, 
dafs die Empfindung für das Sattvam sich geltend macht. 

32. Wenn hingegen etwas als unangenehm uns berührt, 
indem es Unlust erregt, (7098.) so soll man denken, das Rajas 
macht sich geltend, und es nicht beachten oder sich darum 
kümmern. 

33. Und endlich wenn etwas als Dumpfheit undeutlich 
in das Bewufstsein tritt, (7099.) ohne recht erschlossen oder 
erkannt werden zu können, das soll man als Tamas auffassen. 

34. Freude, Befriedigung, Wonne und Freiheit von Sorgen, 



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184 



III. Moksluidharma. 



(7100.) wo diese auftreten, da sagt man, dafs die Qualitäten 
des Sattvam sich so oder so betätigen. 

35. Unbefriedigung, Qual, Rummer, Begierde und Un- 
geduld, (7ioi.) diese, mag man ihre Gründe keimen oder nicht, 
werden angesehen als Merkmale des Kajas. 

36. Als Dünkel, Verblendung, Unbesonnenheit, Schlaf 
und Trägheit, (7102.) als eines oder das andere von diesen, 
machen sich die verschiedenen Eigenschaften des Tamas 
geltend. 

37. Wer das weitschweifende, viel herumstreifende, Ver- 
langen und Zweifel hegende (7103.) Manas gut in der Zucht 
hält, der ist glücklich im Diesseits und im Jenseits. 

38. Zwischen dem Sattvam [als Hauptvertreter der Pra- 
kriti] und dem Kshetrajfia [dem Purusha], zwischen diesen 
beiden schwer erkennbaren besteht der Unterschied, (7104.) dafs 
ersteres die Qualitäten aus sich hervorgehen läfst, letzterer 
aber nicht. 

39. Gleichwie die Mücke und der Feigenbaum [auf dem 
sie sitzt] immerfort verbunden (7106.) zu sein scheinen, so ist 
auch die Verbindung von Sattvam und Kshetrajfia; 

40. denn wiewohl sie ihrer Natur nach verschieden sind, 
so sind sie doch allezeit verbunden; (7106.) wie der Fisch und 
das Wasser, so sind auch diese beiden verbunden. 

41. Die Guna's kennen nicht den Atman, aber er kennt 
die Guna's allesamt, (7107.) jedoch als der Erkenner der Guna's 
glaubt er, dafs sie mit ihm vermengt sind. 

42. Aber um seine Schritte zu beleuchten, tut mit den 
Sinnesorganen und der Buddhi als siebentem , (7108.) obwolü 
diese unbeweglich und unbewufst sind, der Ätman seine 
Schritte {padamj, wie mit einer Leuchte. 

43. Das Sattvam nämlich läfst die Qualitäten aus sich 
hervorgehen, und der Kshetrajfia schaut sie an, (7109.) das ist 
die beständige Verbindung dieser beiden, des Sattvam und 
des Kshetrajfia. 

44. Das Sattvam und der Kshetrajfia haben keine ge- 
meinschaftliche Basis, (7110.) der letztere vermischt sich nie- 
mals mit Sattvam, Manas und allen Qualitäten. 

45. Wenn er mittels des Manas die Zügel der Qualitäten 



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Adhyfcya 194 CB. 194). 



185 



regiert, (Tin.) dann leuchtet sein eigenes Wesen durch, wie 
ein brennendes Licht in einem Topfe. 

46. Wer nun die aus der Prakriti stammende Tätigkeit 
aufgibt und als Einsiedler allezeit am Atman seine Freude 
hat [Chänd. Up. 7,25,2], (7112.) der wird zum Atman aller 
Wesen, darum geht er den höchsten Gang. 

47. Wie ein Wasservogel durch das Wasser nicht be- 
netzt wird, (7ii3.) in ähnlicher Weise lebt unter den Wesen 
der, welcher die Erkenntnis erlangt hat. 

48. Also möge der Mensch durch seine Einsicht in dieser 
W'eise sich von seiner eigenen Natur lossagen, (7iu.) nicht 
mehr jammernd, nicht mehr sich freuend, gleichmütig und 
frei von Selbstsucht. 

49. Wer aber durch die Verbindung mit seiner eigenen 
Natur gefesselt bleibt, der läfst immer wieder die Guna's aus 
sich hervorgehen, (7ii5.) wie die Spinne den Faden; die Guna's 
sind als der Faden anzusehen. 

50. Sind sie [im Tode] zerfallen, so werden sie doch nicht 
zunichte, denn ihre Vernichtung wird nicht wahrgenommen 
(•116.) durch Sinneswahrnehmung; freilich ist die Sache über- 
sinnlich, es wird aber durch Folgerung fanumdnamj bewiesen 
[dafs sie fortbestehen]. 

51. So entscheiden sich die einen, während die anderen 
behaupten, dafs sie vernichtet werden. (7in.) Man möge 
beides überlegen und sich entscheiden, wie man will. 

52. Jedenfalls möge man diesen festen, aus den Ver- 
zweigungen der Buddhi bestehenden Herzensknoten (7ii8.) lösen 
und heiter dasitzen und keinen Kummer mehr empfinden, da 
der Zweifel gelöst ist. 

53. Obgleich sie befleckt sind, erlangen sie die Voll- 
endung, wie Männer einen vollen Flufs erlangen (7iii>.) und 
in ihm eintauchen, wohl wissend [dafs sie dadurch rein 
werden], und du mufst wissen, dafs es die Erkenntnis ist, 
welche dies vollbringt. 

54. Durch einen grofsen Flufs wird einer auch dann ge- 
quält, wenn er das [zu erreichende] Ufer sieht, das ist nicht 
anders, (7i«o.) hingegen [in unserm Falle] wird einer nicht 



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1*6 



III. Mokshadharma. 



gequält, weil er die Wahrheit kennt, sondern die Frucht im 
Auge habend schwimmt er hinüber. 

♦ 

55. So ist es mit denen, welche den innern Atman er- 
kennen als reine und höchste Erkenntnis. 

56. (7i2i.) Der Mann, welcher das hier stattfindende all- 
gemeine Hingehen und Wiederkommen der Wesen erkennt 
und erwägt, der erlangt aus dieser Erkenntnis sodann nach 
und nach die Beruhigung. 

57. (7122.) Wer die Dreiheit [von Angenehmem, Nützlichem 
und Gutem] erkannt hat und mit Bewufstsein sich von ihr 
lossagt und immer sucht mit hingegebenem Geiste, der schaut 
die Wesenheit und wird frei von Verlangen. 

58. (7123.) Der Atman kann nicht geschaut werden mittels 
der Sinne, welche zersplittert hierhin und dorthin sich zer- 
streuen und schwer zu bändigen sind von solchen, deren 
Atman nicht bereitet ist. 

59. (7124.) Wer dieses weifs, der ist weise, welches andere 
Kennzeichen gäbe es; denn dieses erkannt habend sind sich 
die Weisen bewufst, ihre Aufgabe erfüllt zu haben. 

60. (7125.) Wer dieses weifs, für den gibt es keine 
Furcht mehr, während die Nichtwissenden in grofser 
Furcht verharren. Einen höhern Weg gibt es für keinen, 
nach erreichter Tüchtigkeit preisen sie seine Unvergleich- 
lichkeit. 

61. (7126.) Wer da handelt ohne vorangehende Ab- 
sicht und zugleich abstöfst, was er vordem getan hat, 
für den besteht beides nicht mehr, die Unlust und noch 
weniger die Lust. Das bewirkt an einem hienieden voll- 
ständig [die Erkenntnis]. 

62. (7127.) Dann ist der Mensch dieser kranken Welt 
überdrüssig; das bewirkt an einem hienieden vollständig 
[die Erkenntnis]. 

63. Siehe in der Welt, indem du dich aus ihr zurück- 
ziehst, wie in ihr die kranken Menschen bald dies, bald 
jenes vielfach bejammern; (7128.) siehe in ihr auch Ge- 
sunde, welche es nicht bejammern, es sind die, welche 



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Adhyaya 195 (B. 195). 



187 



jenen zweifachen Weg der Guten kennen [die Stufen- 
erlösung auf dem Devayäna und die volle Erkenntnis], 

So lautet im Mokebadharma die Lehre vom Innern Selbste 
(adhydtma - kathanam). 

Adhy&ya 195 (B. 195). 
Vers 7129-7150 (B. 1-22). 

Bhlshma sprach: 

1. (7129.) Wohlan, ich will ihn dir verkünden, o Prithä- 
sohn, den vierfachen Meditationsyoga, welchen erkannt habend 
schon hienieden die grofsen Weisen zur ewigen Vollendung 
gelangen. 

2. (7130.) In der Weise betreiben die Yogin's die Medita- 
tion, wie sie richtig betrieben werden mufs, die grofsen Wei- 
sen, welche an Erkenntnis sich sättigen und ihren Geist auf 
das Nirvänam richten. 

3. (7i3i.) Sie kehren nicht zurück, o Sohn der Pritha, 
wenn sie erlöst sind von der Schuld des Samsära. Getilgt 
ist die Schuld ihrer Geburt, fest stehen sie in ihrer eigenen 
Wesenheit. 

4. (7132.) Ohne Zweiheit sind sie, beständig in der Reali- 
tät beharrend, befreit, in der Bezähmung ausharrend. Was 
ohne Anhänglichkeit ist, unwidersprechlich und dem Herzen 
Ruhe gewährend, 

5. (7133.) darin soll der Muni durch Meditation das ihn 
umklammernde Manas auf einen Punkt konzentrieren und 
fesseln, indem er zugleich die Schar der Sinnesorgane zu- 
sammenrollt und dasitzt wie ein Stück Holz. 

6. (7134.) Nicht mehr soll er den Ton mit dem Ohr er- 
fassen, nicht mehr die Gefühle mit der Haut empfinden 
oder die Gestalten mit dem Auge oder die Geschmäcke mit 
der Zunge erkennen. 

7. (7135.) Und auch von allen Empfindungen des Geruchs 
soll abstehen durch die Meditation der Yogawissende; alles 
dies, was die Fünfschar [der Sinne] in Aufregung bringt, soll 
er tapfer von sich ablehnen. 



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188 



III. Mokshadharma. 



8. (7is6.) Sodann soll er mit Geschick die Fünfschar in 
«lern Manas beschlief sen und das umherschweifende Manas 
mitsamt den fünf Sinnen zur Ruhe bringen. 

9. (7137.) Das Manas, das zerfahrene, haltlose, fünftorige, 
immer bewegliche, soll zuerst der Weise auf dem Wege der 
Meditation in sich zur Ruhe bringen. 

10. (7138.) W r enn er die Sinne mitsamt dem Manas zu- 
sammengerollt hat, das wird als erste Stufe der Meditation 
von mir bezeichnet. 

11. (7139.) Dann wird ihm das sechste, schon innerlich in 
ihm eingeschlossene [Manas] noch zucken, wie der gezückte 
Blitz in der Wolke. 

12. (7140.) Wie ein beweglicher Wassertropfen auf dem 
Blatte nach allen Seiten hin und her rollt, so ist dann auch 
sein Manas, wenn er auf dem Wege der Meditation wandelt. 

13. (7141.) Auch wenn es, für einen Augenblick einiger- 
mafsen zur Ruhe gebracht, auf dem Wege der Meditation 
zum Stillstand kommt, wird das Manas wieder auf den Pfad 
des Windes hinausschweifen, dem Winde vergleichbar. 

14. (7H2.) Unverdrossen und unbekümmert, frei von Schlaff- 
heit und Selbstsucht, soll er das Manas wiederum zur Ruhe 
bringen durch die Meditation, er, der Meditationskundige. 

15. (7U3.) Dann entstehen Bedenken, Erwägen und Zweifel 
in dem Muni, wenn er zum ersten Male die Meditation von 
Anfang an in Gang bringt. 

16. (7144.) Aber auch wenn er durch sein Manas belästigt 
wird, soll er die Andacht durchführen ; nicht möge der Muni 
verdrossen werden, sondern das Heil seiner Seele schaffen. 

17. (7145.) Wie Haufen, die aus Staub, Asche oder Schutt 
geschichtet sind, wenn man sie plötzlich mit Wasser be- 
giefst, nicht sogleich zusammenbacken, 

18. (7146.) oder wie trockenes Mehl, wenn es etwas feucht 
geworden ist, doch noch nicht zusammenklumpt, aber nach 
und nach doch dieses alles allmählich eine feste Masse bildet, 

19. (7147.) so wird er auch nur nach und nach die Schar 
4er Sinnesorgane zusammenknäulen und sie allmählich zu- 
sammenhalten, — dann wird er völlig zur Ruhe kommen. 

20. (7148.) Nachdem er aus freien Stücken sein Manas 



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Atlhyäya 195 (B. 195). 



189 



und die Fünfschar in dieser Weise, o Bhärata, zunächst auf 
dem Wege der Meditation zum Stillstande gebracht hat, dann 
kommt er durch fortgesetzten Yoga zur Ruhe. 

21. (7U9.) Nicht kann durch Menschenwerk, nicht kann 
durch irgendeine Göttergabe jemand zu der Seligkeit ge- 
langen, die der besitzt, welcher so sein Selbst überwältigt hat. 

22. (7150.) In dieser Seligkeit begriffen, wird er die Aus- 
übung der Meditation geniefsen, und so gehen die Yogin* & 
ein in das von Krankheit freie Nirvänam. 

So lautet Im Mokehadhanna die Beschreibung de« Yoga 

(yoya-kathaiutm). 

Adhyäya 196 (B. 196). 

Vers 7151-7173 (B. 1-23). 

Yudhishthira sprach: 

1. (7151.) Das Wesen der vier Lebensstadien ist von dir 
erklärt worden, sowie auch die Königspflichten ; auch hast du 
viele, auf mancherlei bezügliche Erzählungen im einzelnen 
mitgeteilt. 

2. (7162.) Ich habe die von dir mitgeteilten Geschichten 
und die an sie geknüpften Belehrungen vernommen, o Hoch- 
weiser. Aber ein gewisser Zweifel kommt mir, den mögest 
du, o Herr, mir lösen. 

3. (7153.) Ich möchte, o Bhärata, belehrt werden über die 
Frucht, welche die Murmler der Gebete erlangen; welche 
Frucht wird für die Gebetsmurmler verheifsen und wo haben 
sie ihren Platz? 

4. (7154.) Auch die ganze Regel des Gebetsmurmeins mögest 
du mir erklären, o Untadeliger, und ob unter dem Worte 
Gebetsmurmler etwa eine Vorschrift der Tätigkeit der Re- 
flexion fsänkhyamj oder der Hingebung fyoga) zu verstehen ist, 

5. (7155.) oder ob es eine Vorschrift des Opferns bedeutet; 
was ist unter dem Gebetsmurmeln zu verstehen? Das alles 
mögest du mir erklären, denn ich erachte dich für einen, der 
alles weifs. 



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190 



III. Mokshartharma. 



Bhishma sprach: 

6. (7156.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich was sich ehemals begeben hat zwischen 
Yama, Kala und einem Brahmanen [vgl. Adhy. 199]. 

7. (7157.) Was aber die Reflexion (särikhyamj und die Hin- 
gebung fyogaj betrifft, welche von den die Erlösung kennenden 
Weisen erwähnt werden, so liegt im Vedanta nur die Ent- 
sagung vor, und gegen das Gebetsmurmeln (7158.) wenden 
sich die Vedaworte; nur die, welche die Beruhigung gefunden 
haben, stehen im Brahman fest. 

8. Was aber die Reflexion und die Hingebung betrifft, 
von dem die Weisen, überall dasselbe Sehenden reden, (7159.) so 
sind auch diese beiden zwei Wege, welche gangbar sind, aber 
nicht von der Schrift gelehrt werden. 

9. Für das, was in der Schrift gelehrt wird, o König, 
kann auch eine Begründung durch jene beiden gegeben wer- 
den, (7160.) auch in ihnen wird die Versenkung des Geistes 
und ebenso die Bekämpfung der Sinne gelehrt. 

10. Wahrhaftigkeit, Pflege der Feuer, Aufsuchen ent- 
legener Orte, (7161.) Meditation, Askese, Bezähmung, Geduld, 
Nichtmurren, mäfsige Ernährung, 

11. Zurückziehung von den Sinnendingen, mäfsiges Reden 
und Beruhigung, (tw>.) das ist das Opfer, welches fordert. 
Nun höre auch das, welches hemmt, 

12. und inwiefern das Werk des Gebete murmelnden 
Brahmacärin hemmt, (7163.) das alles möge man vollständig, 
so wie es gesagt ist, reiflich überlegen. 

13. Wer den hemmenden Weg betritt, mag er ihm klar 
oder unklar sein, den Weg, der keine feste Stütze gewährt, 

14. (7164.) der wird, wenn auch auf einem Haufen von 
Kucagras sitzend, Kucagras in der Hand haltend, mit Kuca- 
gras auf dem Kopfe, von Kucagras umgeben und in dieser 
Umgebung auch noch von Kucagras bedeckt, 

15. (7165.) dennoch den Sinnendingen fröhnen, — die Sinnen- 
dinge aber soll man nicht ehren, sondern, Gleichmütigkeit 
durch das Manas gewinnend, im Manas das Mauas bergen. 

IG. (7166.) Dann meditiert man im Denken das Brahman, 
wobei man immerhin einen guten Samhitaspruch murmeln 



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Adhy4ya 196 (B. 196). 



mag. Oder einer verzichtet auch auf diesen und verharrt in 
der Absorption. 

17. (7167.) Dann fördert er die Meditation, indem er sich 
dabei auf die Meditation des Samhitaspruches stützt, und mit 
reinem Herzen, durch Askese gezähmt, Hafs und Liebe in 
sich vernichtet. 

18. (7168.) Dann wird er, ohne Leidenschaft, Verblendung 
und Zweiheitlichkeit, nicht trauern und nicht anhängen, und 
nicht mehr Täter sein von Ursachen oder von Wirkungen, 
das steht fest. 

19. (7169.) Dann wird er nicht mehr das Manas in Ver- 
bindung mit dem Ahankara irgendwohin aussenden, nicht 
mehr beschäftigt sein mit dem Greifen von Dingen, nicht 
hochmütig und doch nicht untätig. 

20. (7170.) Die Tätigkeit der Meditation als Höchstes 
schätzend, hingegeben, meditationsreich, die Meditation mit 
Entschlossenheit betreibend, so wird er in der Meditation die 
Absorption erzeugen und dann auch jene [Meditation] nach 
und nach aufgeben. 

21. (7i7i.) Wenn er in diesem Zustande mit Freudigkeit 
jede Entsagung vollbracht hat, dann läfst er wunschlos seine 
Lebenshauche fahren und geht ein in einen brahmischen Leib. 

22. (7172.) Oder auch, falls er alsdann nicht wünschen 
sollte, einen Brahmanleib zu bewohnen, so steigt er empor 
und weilt auf dem Wege [dem Devayana], aber geboren wird 
er nicht wieder. 

23. (7173.) Und in der Erkenntnis des Atman beharrend, 
beruhigt geworden und frei von Krankheit, geht er leiden- 
schaftslos in den unsterblichen reinen Atman ein. 

So UuUt im Mokahadharm» die Erörterung Ober dou Gebettmurmler 

(j&pakn - updkhyAnam). 



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192 III. Mokshadharma. 



Adhyftya 197 (B. 197). 

Vers 7174-7186 (B.l-13). 

Yudhishthira sprach: 

1. (in*.) Du hast davon gesprochen, inwieweit die Er- 
langung des höchsten der Wege auch für die Gebet smurmler 
möglich ist; aber das ist doch nur der eine Weg, den sie gehen 
können; gehen sie wohl auch einen andern? 

Bhishma sprach: 

2. (7175.) Vernimm mit Aufmerksamkeit, o König, einen 
Weg der Gebetsmurmler, o Herr, auf dem sie in mancherlei 
Höllen fahren, o Männerstier. 

3. (7176.) Derjenige Gebetsmurmler, der nicht vorher be- 
treibt, was wir soeben besprochen haben, der ist einseitig 
dem Opferwerke zugewendet und fährt in die Hölle. 

4. (7177.) Wenn er aus Hochmut das Werk betreibt, nicht 
erfreuend und nicht erfreut, ein solcher Gebetsmurmler fahrt 
zur Hölle, daran ist kein Zweifel. 

5. (7178.) Alle, welche aus Selbstsucht handeln, fahren 
zur Hölle; ein Mensch, der die andern verachtet; wird der 
Hölle verfallen. 

6. (7179.) Wer hingegen in seiner Torheit unter vorher- 
gehender Absicht das Gebetsmurmeln vollzieht, der wird da- 
für jedesmal in den Leib eingehen, auf den sein leidenschaft- 
liches Verlangen gerichtet ist. 

7. (7180.) Und auch wenn bei den Veranstaltungen zur 
Erlangung von übernatürlichen Kräften der Gebetsmurmler 
sich in diese vergafft, so gereicht ihm das zur Hölle, und 
er kann nicht von ihr freikommen. 

8. (7i8i.) Ein solcher Gebetsmurmler vollzieht in seiner 
Torheit das Gebetsmurmeln aus leidenschaftlichem Verlangen, 
und er wird dafür jedesmal in den Leib eingehen, auf den 
sein leidenschaftliches Verlangen gerichtet ist. 

9. (718:».) Unverständig und ohne erlangte Einsicht ist er 
in seinem unsteten Manas; einen unsteten Weg wandelt er 
oder gerät in die Hölle. 



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Adhyaya 197 (B. 197). 



193 



10. (7183.) Ohne erlangte Einsicht als ein Tor gerät der 
Gebetsmurmler in Verblendung, und aus der Verblendung 
fahrt er in die Hölle; ist er dort, dann wird er jammern. 

11. (7184.) Ich weifs, was ich will, so denkt der Gebets- 
murmler und murmelt sein Gebet; er ist nicht voll von seiner 
Sache, ist ihr nicht hingegeben und fährt in die Hölle. 

Yudhishthira sprach: 

12. (7186.) Unvergänglich ist jenes Höchste, Unoffenbare, 
in Brahman Ruhende [der Ätman]; wenn ein Gebetsmurmler 
zu diesem wird, warum mufs auch ein solcher hienieden wieder 
in einen Körper eingehen? 

Bhlshma sprach: 

13. (7186.) Viele HöDen werden für mangelhafte Erkennt- 
nis in Aussicht gestellt. Selbst wenn die Gebete in löblicher 
Weise gemurmelt werden, so haften diesem Tun doch immer- 
hin derartige Fehler an. 

So laufet im Moktbadharma die Erörterung aber den Gebetamurmler 

(jdpaka • updlhydnam). 



Adhyaya 198 (B. 198). 

Vers 7187-7197 (B. 1-11). 

Yudhishthira sprach: 

1. (7187.) Was ist das für eine Hölle, in welche der Ge- 
betsmurmler fährt? Das schildere mir; Wifsbegierde erfüllt 
mich, o König, darum sollst du es mir sagen. 

Bhlshma sprach: 

2. (7188.) Du bist erzeugt als ein Sprofs des Gottes der 
Gerechtigkeit {DharmaJ, du bist von Natur überaus gerecht, 
so vernimm denn mit Aufmerksamkeit, o Untadeliger, die 
Rede, welche sich gründet auf die Wurzel der Gerechtigkeit. 

3. (7189.) Jene Orte der Götter von höchster Wesenheit 

Dkl»»*. MababtaAraUra. 13 



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11)4 



III. Mokshariharma. 



mit mancherlei Standorten und Farben, mit mancherlei Ge- 
stalten und Früchten, 

4. (7190.) jene himmlischen, nach Belieben zu durch- 
wandelnden Paläste und Hallen, jene mannigfachen Spiel- 
plätze, o König, und goldenen Lotosteiche 

5. (7i9i.) der vier Welthüter, des Venusplaneten und des 
Jupiter, der Winde und der Gesamtgötter, der Vollendeten 
und der Acvin's, 

6. (7192.) der Rudra's, Aditya's, Vasu's und der anderen 
Himmelsbewohner, das sind eben, o Freund, die Höllen, die 
Verhüllungen des Ortes des höchsten Ätman. 

7. (7193.) Dieser Ort aber ist furchtlos, kausalitätlos, 
nicht von Plagen erfüllt, frei von den zweien [Lust und Un- 
lust], frei von den dreien [Guna's], frei von den achten 
[Sinne, Manas, Buddhi, Avidyä] und den anderen dreien [Ob- 
jekt, Subjekt und Tätigkeit des Erkennens], 

8. (7194.) frei von den vier Merkmalen [der Sichtbarkeit, 
Hörbarkeit, Denkbarkeit, Erkennbarkeit], frei von den vier 
Ursachen, frei von den vier Erkenntnisgründen [Wahrneh- 
mung, Folgerung, Tradition und Vergleich], ohne Freude, 
ohne Wonne, ohne Kummer und ohne Ermüdung. 

9. (7195.) Eine Zeit gibt es dort, und doch ist die Zeit 
nicht Herr, sondern Er ist der Herr über die Zeit, o König, 
und der Gebieter des Himmels. 

10. (7196.) Wer die Absolutheit des Atman erlangt hat, 
der geht dorthin und trauert nicht. Von dieser Art ist die 
höchste Stätte, und die Höllen sind von jener Art.« 

11. (7197.) Damit habe ich dir alle Höllen nach ihrem 
Wesen erklärt ; weil sie jenen höchsten Ort verhüllen, werden 
eie die Höllen genannt. 

So lautet im Mokthidherm» die Erörterung Uber den Oebeteranrmler 



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Adhy&ya 199 (B. 199). 



195 



Adhyftya 199 (B. 199). 

Vers 7198-7329 (B. 1-128). 

Yudhisbthira sprach : 

1. ni99.) Es wurde dir einstmals die zwischen Kala, 
Mrityu und Yama mit Ikshväku und einem Brahmanen ge- 
pflogene Unterredung erzählt; die mögest du, o Herr, mir 
mitteilen. 

Bhishma sprach: 

2. (7199.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich was sich zwischen Ikshväku, dem Sohne 
des Sürya (Sonne) und einem Brahmanen begeben hat, 

3. (7200.) sowie auch, was sich zwischen Kala und Mrityu 
begeben hat; das vernimm von mir, wie zwischen ihnen allen 
und an welchem Orte die folgende Unterredung statt- 
gefunden hat. 

4. (7-ioi.) Es war einmal ein Brahmane, ein Gebets- 
murmler, in der Pflicht bewandert und von grofsem Ruhme, 
die sechs Vedänga's [Lautlehre, Kultus, Grammatik, Wort- 
schatz, Metrik, Astronomie; Mund. Up. 1,1,5] kennend, von 
grofsem Wissen, ein Sohn des Pippaläda und Abkömmling 
<lcs Kucika. 

:">. (7202.) Ihm war über dem Studium der sechs Vedänga's 
eine übernatürliche Erkenntnis zuteil geworden ; und auch in 
den Veden war er beschlagen, am Fufse des Himälaya 
wohnend. 

6. (7203.) Er übte eine mit Reden verbundene fsodya), 
heilige Askese, indem er mit Selbstzwang die Samhitä 
murmelte, und unter dieser Kasteiung gingen ihm tausend 
Jahre dahin. 

7. (7204.) Da liefs sich die Göttin vor ihm leibhaftig sehen 
und sprach: „ich bin mit dir zufrieden"; er aber, da er be- 
schäftigt war, sein Murmelgebet in Drehung zu erhalten, 
schwieg still und erwiderte ihr nichts. 

8. (7205.) Aus Mitleid mit ihm erwies sich die Göttin 

13* 



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196 



III. Mokshadharma. 



ihm freundlich, und sie, die Mutter des Veda, ehrte sein 
Murmelgebet. 

9. (7206.) Als er aber mit Murmeln fertig und aufgestanden 
war, warf er sich mit dem Kopfe zu den Füfsen der Göttin 
nieder, und er, der Pflichttreue, sprach zu der Göttin dieses 
Wort: 

10. (7207.) Zur glücklichen Stunde, o Göttin, bist du mir 
gnädig und bist mir sichtbar erschienen; wenn du mir aber 
gnädig bist, so möge sich dein Geist an meiner Murmelung 
erfreuen. 

Savitri sprach: 

11. (7208.) Was verlangst du, o Brahmanenweiser, und 
was wünschest du, das ich dir tun soll? Sprich es aus, o 
Bester der Murmler, es soll dir alles zuteil werden. 

12. (7209.) So von der Göttin angeredet, sprach der pflicht- 
kundige Brahmane: Auf mein Murmeln bezieht sich der 
Wunsch, den ich hege, nämlich dafs es gedeihen möge fort 
und fort, 

13. (7210.) und dafs die Absorption meines Geistes, o 
Schöne, zunehmen möge Tag für Tag. Da sprach die Göttin 
milde: So sei es! 

14. (72ii.) Und weiter sprach noch dieses die Göttin aus 
Wohlwollen zu ihm: Du sollst nicht in die Hölle fahren, 
wohin die Gewaltigsten der Brahmanen gegangen sind. 

15. (7212.) Du sollst gelangen zu der Stätte des Brahman, 
der ursachlosen, tadellosen; das vollbringe ich, und du sollst 
zu dem werden, um was ich heute von dir gebeten wor- 
den bin. 

16. (7213.) Mit Selbstzwang murmele, der Sache ganz hin- 
gegeben, und [der Gott des Rechtes] Dharma wird zu dir 
treten, und Kala [der Gott der Zeit] und Mrityu und Yama 
[die Götter des Todes] werden sich bei dir einfinden. 

17. (7214.) Und es wird eine Unterredung stattfinden hier- 
selbst zwischen dir und ihnen, heiliger Pflicht gemäfs. 

Bhlsliuia (der Erzähler) sprach: 

(7215.) So sprach die heilige Göttin und ging in ihre Be- 
hausung zurück. 



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Adhyäya 199 (B. 199). 



197 



18. Und wieder sitzt der Brahmane murmelnd da hundert 
göttliche Jahre lang, (72iü.) immer bezähmt, den Zorn über- 
windend, mit Wahrheit vereint und ohne Neid. 

19. Und als diese Selbstbezwingung vollbracht war, da 
geschah es, dafs vor des weisen Brahmanen (7217.) Augen er- 
freut der Gott Dharma diesem Zwiegeborenen erschien. 

Dharma sprach: 

20. (7218.) O Z wiegeborener, erkenne mich als den Gott 
Dharma; dich zu besuchen bin ich gekommen, und was als 
Lohn dieses deines Murmeins erlangt worden ist, das ver- 
nimm von mir. 

21. (7219.) Alle Welten sind von dir erobert worden, die 
göttlichen sowohl als die menschlichen, und zu allen Be- 
hausungen der Götter wirst du, o Guter, emporsteigend ge- 
langen. 

22. (7220.) Lasse dein Leben fahren, o Muni, und gehe 
ein in die von dir gewünschten Welten; sobald du deinen 
Leib aufgegeben hast, wirst du diese Welten erlangen. 

Der Brahmane sprach: 

23. (7221.) Was sollen mir diese Welten, o Dharma? Geh 
du nur hin, wohin es dir beliebt! Meinen Leib, den viel Leid 
und Lust enthaltenden, will ich nicht aufgeben, o Herr. 

Dharma sprach: 

24. (7222.) Notwendigerweise freilich mufst du deinen Leib 
aufgeben, o Stier unter den Muni's, steige doch auf zum 
Himmel, o Brahmane; oder was möchtest du denn sonst, o 
Untadeliger? 

Der Brahmane sprach: 

25. (7223.) Ich finde keinen Gefallen daran, ohne meinen 
Leib im Himmel zu wohnen, o Herr; geh nur, o Dharma, 
ich trage kein Verlangen danach, ohne Leib in den Himmel 
einzugehen. 



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198 



III. Mnkshadharuia. 



Dharina sprach: 

■ 

2*>. (7224.) Höre auf, deinen Sinn auf den Körper zu 
richten, gib deinen Leib auf und werde glücklich. Gehe ein 
in die staubfreien Welten, wohin gelangt du nicht mehr 
trauerst. 

Der Brahmane sprach: 

27. (7225.) Ich habe meine Freude am Gebetsmurmeln, o 
Herrlicher, was sollen mir die ewigen Welten! mit meinem 
Leibe will ich in den Himmel gehen oder gar nicht, o Herr. 

Dharina sprach: 

28. (7236.1 Wenn du deinen Leib nicht aufgeben willst, 
dann sieh einmal, o Zwiegoborener, da kommen Kala und 
Mrityu und Yama, um dich zu besuchen. 

Rhi&hma (der Erzähler) sprach: 

2 ( J. (7227.) Da kamen Vaivasvata (Yama), Kala und Mrityu 
zu dreien, o Herr, zu diesem herrlichen ßrahmanen und 
sprachen folgendermafsen. 

Yama sprach: 

'MX (7228.) Für diese wohldurchgeführte Askese und für 
deinen guten Lebenswandel wird dir Erlangung der schönsten 
Frucht zuteil, ich, der Gott Yama, spreche dich an. 

Kala sprach : 

31. (722*.) Entsprechend diesem Gebctsniurmeln ist als 
höchste Frucht dir zuteil geworden, dafs dir die Zeit fkäla.t 
gekommen ist, zum Himmel aufzusteigen. Ich, Kala [der 
Gott der Zeit], bin zu dir gekommen. 

Mrityu sprach: 

1)2. (72*m Wisse mich, o Pflichtkundiger, als Mrityu (Tod) 
leibhaftig hier erschienen, um, von Kala (Zeit) aufgefordert, 
dich, o brahmane, heute von hier abzuholen. 



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Adhyaya 199 (B. 199). 199 

Der Brahmane sprach: 

33. (7231.) Willkommen heifse ich den Sohn der Sonne 
und den hochherzigen Kala, den Mrityu und den Dharma! 
Was ist es, das ich für euch ausrichten soll? 

Bhlshma (der Erzähler) sprach: 

34. (7232.) Nachdem er ihnen sodann dort bei der Zu- 
sammenkunft die Ehrengabe und das Fufswasser dargeboten 
hatte, sprach er hocherfreut: Was kann ich mit meinen 
Kräften für euch tun? 

35. (7233.) Zu derselben Zeit geschah es, dafs der auf der 
W T allfahrt zu einem heiligen Badeplatze begriffene Ikshväku 
dorthin kam, wo jene, o Herr, sich versammelt hatten. 

36. (7234.) Nachdem der Königsweise sie alle geehrt und 
sich vor ihnen verneigt hatte, richtete er, der Beste der 
Könige, an alle die Frage nach ihrem Wohlbefinden. 

37. (7236.) Ihm bot sodann der Brahmane einen Sitz nebst 
Fufswasser und Ehrengabe, und nachdem er sich nach seinem 
Wohlbefinden erkundigt, sprach er zu ihm das Wort: 

38. (7236.) Sei willkommen, o grofser König, sage, was 
du hier wünschen magst! Was kann ich aus eigener Kraft 
für dich tun? Das mögest du, o Herr, mir mitteilen. 

Der König sprach : 

39. (7237.) Ich bin ein König und du ein Brahmane, und 
dieweil du ausdauernd bist in den sechs Werken [Opfern 
für sich und für andere, Lernen und Lehren, Geben und 
Empfangen], so möchte ich dir irgend etwas Rühmliches 
schenken; sage mir, was es sein soll. 

Der Brahmane sprach : 

40. (7238.) Von zweierlei Art sind die Brahmanen, o König, 
und von zweierlei Art ist auch die Pflicht, wie gelehrt wird. 
Es gibt Zugewandte und Abgewandte, ich bin vom Geschenk- 
empfangen abgewandt. 

41. (7239.) Gib du die Geschenke denen, die ihnen zu- 
gewandt sind, o Männerherr. Ich nehme keine Geschenke 
an, aber was wünschest du, was kann ich dir geben? 



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200 III. Mokshadharma. 

(7240.) Sage du, o Bester der Fürsten, was kann ich durch 
meine Askese für dich erwirken? 

Der König sprach: 

42. (7241.) Ich bin ein Kshatriya, und das Wort „gib" 
kenne ich nicht. Wir, o Bester der Brahmanen, sagen nur: 
Gib uns einen Kampf! 

Der Brahmaoe sprach: 

43. (7242.) Du freust dich an deiner Pflicht und wir an 
der unserigen, o Fürst; darin ist zwischen uns kein Unter- 
schied, so betreibe denn, was dir erwünscht ist. 

Der König sprach: 

44. (7243.) Du hast vorher gesagt, dafs du mir nach 
eigener Kraft etwas geben wollest. Nun, so bitte ich dich, 
gib mir, o Brahmane, die Frucht deines Gebetsmurmeins. 

Der Brahmane sprach: 

45. (7244.) Du sagst ja selbst, dafs deine Rede immer nur 
verlangt nach Kampf; mit mir gibt es nichts zu kämpfen; 
warum forderst du nun doch wieder etwas? 

Der König sprach: 

46. (724/>.) Es heifst von den Brahmanen, dafs sie die 
Rede als Donnerkeil führen, während die Kshatriya' s von 
der Stärke ihres Armes leben; und hier hat sich, o Brah- 
mane, ein scharfer Redekampf zwischen mir und dir ent- 
sponnen. 

Der Brahmane sprach: 

47. (724G.) Das war soeben mein Versprechen, so sage, 
was soll ich dir geben nach meinen Kräften; ich will es dir 
geben, o Fürst der Könige, wofern es in meiner Macht steht, 
ohne Verzug. 

Der König sprach: 

48. (7217.) Was jenes durch volle hundert Jahre von dir, 
dem Murmelnden, vollbrachte Murmeln ist, die Frucht, die 



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Adhyaya 199 (B. 199). 



201 



dir dafür zukommt, die gib mir, wofern du anders willens 
bist, zu geben. 

Der Brahmane sprach: 

49. (7248.) So nimm von mir entgegen die höchste Frucht, 
die von mir ermurmelt worden ist, und empfange die Hälfte 
der Frucht desselben ohne Bedenken. 

50. (72*9.) Oder du magst auch allenfalls, o König, die 
ganze Frucht meines Murmeins hinnehmen, wenn du sie 
ganz zu haben wünschest. 

Der König sprach: 

51. (7250.) Es handelt sich um das Ganze mit Verlaub, 
als ich das Ermurmelte erbat. Lebewohl! ich gehe nun, 
aber säge mir, was ist die Frucht dessen, was du mir ge- 
schenkt hast? 

Der Brahmane sprach: 

52. (725i.) Welche Frucht dafür erlangt wird, das weifs 
ich nicht, aber ich habe dir gegeben, was ich ermurmelt 
habe; hier Dharma, Kala, Yama und Mrityu sind des Zeugen. 

Der König sprach: 

53. (7252.) Wenn ich die Frucht dieser Observanz nicht 
kenne, was kann sie mir dann helfen. Wenn du mir nicht 
die Frucht deiner Observanz, die du im Murmeln übtest, 
nennen kannst, (7253.) dann soll der Brahmane die Frucht be- 
halten, ich mag nicht, was zweifelhaft ist. 

Der Brahmane sprach: 

54. (7254.) Ich nehme kein weiteres Reden an; ich habe 
die Frucht davon verschenkt, und mein Wort ist entscheidend, 
o Königsweiser, für das, was heute zwischen mir und dir 
abgemacht worden ist. 

55. (7255.) Bei meinem Murmeln habe ich niemals eine 
vorgefafste Absicht gehabt; wie sollte ich also, o Tiger unter 
den Königen, die Frucht meines Mürmelns kennen? 

56. (725H.) Du hast nur gesagt: „gib mir", und ich habe 
gesagt: „ich will es dir geben"; mein Wort will ich nicht 



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202 



III. Mokshadharuia. 



verleugnen, so bleibe auch du bei der Wahrheit und sei be- 
ständig. 

57. (7257.) Oder willst du das Wort, welches ich heute 
gesprochen habe, nicht wahr machen, dann würde es ein 
grofses Unrecht sein, welches du, o König, fahrlässiger- 
weise begehst. 

58. (7258.) Es ziemt sich aber nicht für dich, eine fahr- 
lässige Rede zu führen, o Feindbezwinger, und andererseits 
ist es auch mir unmöglich, meine Zusage Lügen zu strafen. 

59. (7259.) Auch ist von mir ohne Bedenken versprochen 
worden, es zu geben; so nimm denn auch du es ohne Be- 
denken an, wenn du anders bei der Wahrheit bleiben willst. 

60. (7260.) Du kamst ja doch hierher, o König, und er- 
batest die Frucht meines Murmeins; ich habe sie dir über- 
lassen; so nimm sie denn an, bleibe auch du standhaft bei 
der Wahrheit. 

61. (7261.) Für den ist nicht diese Welt und nicht die 
andere, der rettet nicht seine Vorfahren [vom Verderben] 
und noch weniger seine Nachkommen, welcher einer fahr- 
lässigen Rede huldigt. 

62. (7262.) Ihn retten nicht die Früchte des Opfers und 
nicht Gaben, noch auch Selbstbezähmung; so gewifs, wie 
das in der andern Welt gilt, so gilt es auch hier, o Männerstier. 

63. (7263.) Mag einer Askesen betrieben haben, mag einer 
noch weiter Askesen betreiben wollen, durch diese, und wären 
es hundert oder hunderttausend, steht er nicht höher als 
durch die Wahrheit. 

64. (7264.) Die Wahrheit ist das eine unvergängliche 
Brahman, die Wahrheit ist die eine unvergängliche Askese, 
die Wahrheit ist das eine unvergängliche Opfer, die Wahr- 
heit ist die eine unvergängliche Schriftoffenbarung. 

65. (7266.) Die Wahrheit hält Wache in den Veden, die 
Wahrheit bringt nach der Uberlieferung den höchsten Lohn, 
aus Wahrheit entspringen Gerechtigkeit und Bezähmung, in 
der Wahrheit ist das Weltall gegründet. 

66. (7266.) Wahrheit sind die Veden und Vedänga's, Wahr- 
heit sind die Upanishadlehren und die Ritual Vorschriften, 



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Adhyäya 199 (B. 199). 



Wahrheit ist der Wandel im Gelübde, und Wahrheit ist der 
heilige Laut Om. 

67. (7267.) Wahrheit ist die Erzeugung der Lebewesen, 
Wahrheit ist ihre Fortpflanzung, durch Wahrheit braust der 
Wind heran, durch Wahrheit glüht die Sonne. 

68. (7268.) Durch Wahrheit brennt das Feuer, auf Wahr- 
heit ist der Himmel gegründet, Wahrheit sind Opfer, Askese, 
Veden, Singlaute, Sprüche und heilige Rede. 

69. (7269.) Auf die Wage wurden gelegt die Gerechtigkeit 
und die Wahrheit, so ist uns erzählt worden; sie halten sich 
das Gleichgewicht, aber auf Seiten der Wahrheit ist das 
Übergewicht. 

70. (7270.) Woraus die Gerechtigkeit entspringt, daraus 
entspringt auch die Wahrheit, alles gedeiht durch die Wahr- 
heit; warum, o König, willst du unwahres Werk tun? 

71. (7271.) Mache dein Gemüt fest in der Wahrheit, o 
König, tue nicht, was unwahr ist; warum willst du unedel 
sein und dein Wort „gib" unwahr machen? 

72. (7272.) Wenn du die von mir geschenkte Frucht der 
Murmelung nicht annehmen wirst, o Fürst, dann wirst du 
deinen Pflichten abtrünnig werden und so von Welt zu Welt 
umherirren. 

73. (7273.) Wer verspricht und dann nicht geben will, 
und wer bittet und dann nicht annehmen will, diese sind 
beide unaufrichtig, wolle du nicht fahrlässig handeln. 

Der König sprach: 

74. (7274.) Man mufs kämpfen und beschützen, darin be- 
steht ja doch die Pflicht des Kshatriya, o Brahmane; „Ge- 
bende" heifsen die Kshatriya's, wie kann ich von dir etwas 
annehmen ! 

Der Brahmane sprach: 

75. (7275.) Ich verlange nicht dich günstig zu stimmen, 
o König, ich habe nicht dein Haus aufgesucht, sondern du 
bist hierher gekommen und hast mich um etwas gebeten; 
wie kannst du es nun jetzt nicht annehmen wollen? 



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204 



III. Mokshadharma. 



Dhanna sprach: 

70. (7276.) Kein Streit sei zwischen euch; wisset mich 
hierher gekommen als den Gott der Gerechtigkeit ; der Brah- 
mane ist gehunden durch das Geben und seine Früchte, der 
König durch die Wahrheit und ihre Frucht. 

Der Himmel sprach: 

77. (7277.) Ich, der Himmel, bin leibhaftig hierher ge- 
kommen, das sollst du wissen, o Fürst der Könige, kein 
Streit sei zwischen euch, ihr habt beide gleiche Früchte [zu 
erwarten]. 

Der König sprach: 

78. (7278.) Ich habe mit dem Himmel nichts zu schaffen, 
gehe hin, o Himmel, wie du gekommen bist; will aber der 
Brahmane [in den Himmel] gehen, so kann er von der von 
mir erworbenen Frucht Gebrauch machen. 

Der Brahmane sprach: 

> 

79. (7279.) Wenn auch in der Kindheit von mir aus Un- 
wissenheit die Hand ausgestreckt wurde [um zu nehmen], so 
betreibe ich doch jetzt, wenn ich meine Samhitä murmle, 
eine Pflicht, bei der dies Merkmal [der Hoffnung auf Lohn] 
wegfällt, 

80. (7280.) und mich, der ich schon seit lange [von der 
Hoffnung auf Lohn] abgewandt bin, wie kannst du, o König, 
mich wiederum zu einem Begehrlichen machen wollen! Aus 
eigenem Antriebe werde ich tun, was ich zu tun habe, ich 
mag nicht eine Frucht von dir übernehmen, o König. 

81. (728i.) Ich befleifsige mich der Askese und des Stu- 
diums und bin dem Nehmen von Geschenken abgeneigt. 

Der König sprach : 

(7282.) Wenn doch einmal die höchste Frucht der Murme- 
lung von dir weggegeben ist, so schlage ich vor, dafs alles, 
was an Frucht uns beiden angehört, uns beiden gemein- 
schaftlich gehören soll. 

82. (7283.) Die Brahmanen haben ja den Beruf, Geschenke 



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Adhyäya 199 (B. 199). 205 

anzunehmen, aber, wer aus einer Königsfamilie stammt, der 
ist ein Gebender. Wenn du, o Brahmane, im Veda gelernt 
hast, was Recht ist, so sei damit einverstanden, dafs die 
Frucht uns beiden gemeinschaftlich gehört. 

83. (7284.) Oder wenn du nicht willst, dafs wir sie beide 
gemeinschaftlich geniefsen, so nimm du meine Frucht an 
und eigne dir das von mir verdiente Gute an, wenn du mir 
eine Gunst erweisen willst. 

Bhishma (der Erzähler) sprach: 

84. (7285.) Da geschah es, dafs zwei Männer von mifs- 
gestaltetem Aussehen herankamen, sich anfassend und in 
schlechte Lumpen gehüllt, und zueinander sprachen. 

85. (7286.) Der eine sprach : Du bist es mir nicht schuldig ; 
der andere sprach: Ich bin es dir doch schuldig; darüber 
streiten wir uns, aber hier der König soll Schiedsrichter sein. 

8G. (7287.) Ich sage die Wahrheit, du schuldest mir nichts, 
o Herr. — Du sagst nicht die Wahrheit, ich bin es dir wohl 
schuldig. 

87. (7288.) So erhitzten sich beide sehr und sprachen zum 
Könige: Entscheide du (lies pariksha), damit wir nicht hier 
als zwei Bescholtene dastehen (lies syävä). 

Der Unförmige sprach: 

88. (7289.) Ich bin dem Mifsgestalteten hier, o Tiger unter 
den Männern, den Lohn für eine Kuh schuldig, ich will ihn 
ihm geben, und der Mifsgestaltete will ihn nicht von mir 
annehmen, o Erdeherr. 

Der Mifsgestaltete sprach: 

89. (7290.) Der Unförmige hier ist mir durchaus nichts 
schuldig, o Männerherr, er redet zu dir, was falsch ist und 
nur den Schein der Wahrheit hat, o Männerherr. 

Der König sprach: 

90. (7291.) Unförmiger! was schuldest du ihm denn? das 
mögest du mir sagen. Nachdem ich es gehört habe, werde 
ich dementsprechend entscheiden, das ist bei mir beschlossen. 



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L>Of> 



III. Mokshadharma. 



Der Unförmige sprach : 

91. (7292.) Höre es mit Aufmerksamkeit, o König, wie ich 
-es dem Mifsgestalteten da schuldig geworden bin, o Königs- 
weiser, höre es ausführlich, o Männerherr. 

92. (7293.) Um von diesem das Gesetz zu erlernen, hatte 
ich, o Untadeliger, eine schöne Milchkuh ihm, dem Brah- 
manen, geschenkt, o Königsweiser, ihm, welcher der Askese 
und des Vedastudiums beflissen war. 

93. (7294.) Und auch das durch ihre Schenkung erworbene 
religiöse Verdienst erhält er von mir, freilich ohne gefragt 
zu sein [ob er es annehmen wolle]. Und der Mifsgestaltete 
hat doch mir [die Belehrung] gegeben aus reinem Herzen! 

94. (7295.) Darum habe ich, um auch meinerseits rein da- 
zustehen, eine weitere gute Tat getan ; ich habe nämlich zwei 
rotbraune, ihre Kälber liebende, reichlich milchende Kühe 
gekauft, 

95. (7296.) und die sind von mir diesem Ährenleser (armen 
Schlucker) überlassen worden. Da nämlich von ihm jenes 
[die Belehrung] vorschriftsmäfsig und glaubenstreu [geleistet 
worden war], so will ich hingegen, o Herr, 

96. (7297.) der ich sie angenommen habe, dafür heute ihm 
eine zweifache Frucht schenken. So mufs es doch sein, o 
Tiger unter den Männern ! Wer ist hier nun unschuldig und 
wer ist schuldig? 

97. (7298.) Um diese Sache sind wir in Streit und haben 
uns zu dir hierher begeben; du magst nun in deiner Ent- 
scheidung gerecht oder ungerecht verfahren, jedenfalls bringe 
uns in Ordnung. 

98. (7299.) Und wenn er meine Gabe nicht annehmen 
will, wie sie von dem hier [von mir] gegeben worden ist, 
so wirst du, o Herr, hier, der du charakterfest bist, uns 
beide auf den richtigen Weg leiten. 

Der König sprach: 

99. (7300.) Warum willst du, Mifsgestal teter , nicht an- 
nehmen, was dir gegeben und geschuldet wurde; da es dir 
zuerkannt worden ist, so nimm es an und ohne Zögern. 



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Adhyäya 199 (B. 



207 



Der MifBgestaltete sprach: 

100. (730i.) Jener behauptet mir etwas schuldig zu sein, 
ich aber habe gesagt, ich wolle es [die Belehrung | ihm geben, 
folglich ist er mir jetzt nichts schuldig und mag gehen, wo- 
hin er will. 

Der König sprach : 

101. (7302.) Wenn jener dir etwas gibt und du es nicht 
annimmst, so scheint mir das unbillig; für strafbar halte ich 
dich, darüber ist gar kein Zweifel. 

Der Mifsgestaltete sprach: 

102. (7303.) Was ich ihm, o König, gegeben habe, wie 
kann ich das wieder annehmen? Gesetzt aber ich bin im Un- 
rechte, so magst du, o Herr, eine Strafe gegen mich erkennen. 

Der Unförmige sprach: 
HC (7304.) Wenn du auf keine Weise dazu zu bringen 
bist, anzunehmen, was ich dir gebe, so wird dich der König 
hier dazu zwingen, welcher ein Schiedsrichter ist über das 
Recht. 

Der Mifsgestaltete sprach: 

104. (7305.) Wie kann ich das Gut, welches ich, darum 
gebeten, gab, wieder an mich nehmen? Gehe hin, Unförmi- 
ger, ich beurlaube dich. 

Der Brahmane sprach: 

105. (7306.) Du hast gehört, o König, was diese beiden 
gesprochen haben, darum mufst auch du das, was ich dir 
versprochen habe [die Frucht der Murmelung], ohne Bedenken 
annehmen. 

Der König sprach: 

106. (7307.) Da die erwähnte grofse Streitsache dieser 
beiden schwer zu ergründen ist, wie kann für dich als 
Murmler eine Bestätigung daraus entnommen werden? 

107. (7808.) Wenn ich freilich nicht annehmen will, was 
ein Brahmane mir gibt, so werde ich nicht umhin können, 
mich mit einem grofsen Unrecht zu beflecken. 



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208 



III. Moksluulliarma. 



108. (7309.) Sodann sprach der Königsweise zu jenen 
beiden : Ihr werdet weggehen, nachdem euer Streit entschieden 
ist. Da ihr mich hier jetzt angegangen habt, so darf die 
Königspflicht nicht vernachlässigt werden. 

109. (73io.) Die Könige müssen die ihnen obliegende Pflicht 
wahrnehmen, daran ist kein Zweifel. Ich war nicht bei mir 
selbst, als die schwer zu verstehende Pflicht der ßrahmanen 
mich überkam [so dafs ich ein Geschenk annahm]. 

m 

Der Brahmane sprach: 

110. (73ii.) Nimm es an, ich bin es dir schuldig; du hast 
es erbeten und ich habe es dir zugesprochen, und wenn du 
es nicht annimmst, o König, so werde ich dich verfluchen, 
das steht fest. 

Der König sprach: 

111. (7312.) Wehe über die Königspflicht, welcher diese 
Entscheidung des Rechtshandels hier obliegt, und die ich um 
dieser Sache willen ausüben mufs, indem ich mich frage, wie 
kann es etwas gleich Schweres geben? 

112. (7313.) Noch nie habe ich früher diese meine Hand 
ausgestreckt, um etwas hineinzulegen, aber nunmehr gebe 
ich zu, o Brahmane, dafs du mir das, was du mir schuldig 
bist, geben magst. 

Der Brahmane sprach: 

113. (73H.) Alle Tugend, soviel ihrer ist, die von mir 
durch das Murmeln der Samhitä erworben wurde, das alles 
nimm von mir an, wenn ich überhaupt irgend etwas habe. 

Der König sprach: 

114. (7315.) Genug (lies alam), dies ist, o Brahmane, in 
meine Hand gelangt, so möge es billig sein, dafs es uns ge- 
meinschaftlich gehöre, das kannst du, o Herr, annehmen. 

Der Unförmige sprach: 

115. (7316.) Wisse, dafs wir beiden Begierde und Zorn 
sind, die wir dich in Aufregung versetzt haben; da du aber 



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Adhyaya 199 (B. 199). 



209 



das Wort „gemeinschaftlich" ausgesprochen hast, so sollen 
die gleichen Welten dir und ihm gehören. 

IIB. (7317.) Jener ist dir nichts schuldig, sondern du bist 
nur auf die Probe gestellt worden. Hier sind Kala, Dharma 
und Mrityu, ferner Begierde und Zorn, und endlich ihr beiden 
fzu diesem Zwecke versammelt]. 

117. (7318.) Dir, der du alles nach seinem gegenseitigen 
inneren Wesen geprüft hast, [kommen sie zu,] so gehe denn 
ein in die Welten, die du durch dein Tun verdient hast, so- 
fern du willst. 

Bhtshma (der Erzähler) sprach: 

118. (7319.) Die Frucht, welche die Murmler erlangen, die 
habe ich dir aufgezeigt und das Ziel, den Ort und die Welten, 
wie sie von dem Murmler errungen werden. 

119. (7320.) Wer die Samhitä studiert, der geht ein zu 
dem höchsten Gott Brahman, oder er gelangt zu Agni, oder 
auch er geht ein in die Sonne. 

120. (7321.) Und wenn er sich bei ihnen einer lichtartigen 
Natur erfreut, so erwirbt er sich ihre Quali täten, von Liebe 
zu ihnen geblendet. 

121. (7322.) Und ebenso wenn er im Monde und im Winde- 
in einen erdigen oder ätherischen Leib eingeht, wohnt er bei 
ihnen voll Liebe und bewegt sich in ihren Qualitäten. 

122. (7323.) Oder wenn er bei ihnen von Liebe sich be- 
freiend ins Zweifeln kommt und nach dem Höchsten, Unver- 
gänglichen verlangt, so geht er weiter zu diesem ein. 

123. (7S-J4.) Und von Unsterblichkeit zu Unsterblichkeit 
gelangend, beruhigt geworden und selbstlos, zu Brahman ge- 
worden und frei von Zweiheit ist er selig, beruhigt und 
ohne Leid. 

124. (7325.) Dann geht er ein zu der Brahmanstätte, von der 
keine Wiederkehr ist, zu der einen, die das Unvergängliche 
heifst, zu dem schmerzlosen, alterlosen und beruhigten Orte. 

125. (7326.) Zu dem von den vier Merkmalen [den vier 
Erkenntnisnormen] freien, sowie von den sechs [Schwächen] 
und von den sechzehn (Sechzig Upanishad's S. f)71) freien 
Purusha emporsteigend (lies adhikramya) , gelangt er in den 
Äther. 

Dicimx, IfababbAraUm. 14 



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210 



III. Mokshadharina. 



126. (7327.) Oder wenn er von Liebe erfüllt, es nicht will, 
60 wird er Herrscher über dieses Weltall, und was er be- 
gehrt, das erlangt er durch seinen Willen. 

127. (7328.) Oder wenn er hinblickt auf die Welten alle, 
welche Höllen heifsen, so kann er sich auch in ihnen frei 
von Verlangen und von allem losgebunden erfreuen. 

128. (7329.) Damit habe ich dir, o grofser König, das Ziel 
des Murmlers, wie es ist, vollständig erklärt; was wünschest 
du noch weiter zu hören? 

So lautet im Mokshadharma die Erzählung vom Muraler 
(jdpaka - updkhy&nam). 

Atlhyftya 200 (B. 200). 

Vers 7330-7364 (B. 1-34). 

Yudhishthira sprach: 

1. (73so.) Was taten damals weiter nach der Beendigung 
dieser Unterredung die beiden, der Brahmane und auch der 
König? Das sage mir, o Grofsvater. 

2. (7331.) Oder, nachdem jene beiden dort zusammen- 
gekommen waren, wie du erzählt hast, was folgte darauf 
etwa für eine Unterredung dieser beiden, oder was haben sie 
sonst getan? 

Bhishma sprach: 

3. (7332.) Nachdem er mit dem Worte: „so sei es" zu- 
gestimmt [Vers 7318] und den Dharma, sowie auch, o 
Herr, den Yama, Kala, Mrityu und Svarga, diese Würdigen, 
verehrt hatte, 

4. (7383.) nachdem er auch die andern Brahmanenstiere, 
welche dort zusammengekommen waren, vorher alle durch 
Neigen des Hauptes verehrt hatte, sprach dieser Zwiegeborene 
zu dem Könige wie folgt: 

5. (783t.) 0 Königsweiser, nunmehr mit jener Frucht aus- 
gestattet, gehe du ein in die Höchstheit, ich aber, von dir 
entlassen, will weiter fortmurmeln. 

6. (7335.) Denn schon vordem wurde mir dieser Wunsch 



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Adhyäya 200 (B. 200). 



211 



von der Göttin gewährt [oben Vers 7208 fg.], o Hochmäch- 
tiger, indem sie, o Herr des Volkes, sprach: „Möge der 
Glauben an dein Murmeln dir immer treu bleiben." 

Der König sprach: 

7. (7336.) Wenn auch in dieser Weise [durch Übertragung 
der Frucht an mich] deine Vollendung der Frucht beraubt 
wurde und der Glaube an das Murmeln in dir fortbesteht, 
so komme, o Priester, und erlange mit mir die Frucht für 
dein Murmeln. 

Der Brahmane sprach: 

8. (7337.) Grofse Anstrengung ist [von uns beiden] ge- 
macht w r orden in Gegenwart von jenen allen; zusammen, 
gleichen Teil an der Frucht habend, gehen wir beiden nun- 
mehr dahin, wohin unser Weg uns fuhrt. 

[Bhlshma sprach:] 

9. (7338.) Als der Herr der dreifsig [Götter] den Ent- 
schlufs dieser beiden erkannte, da kam er mit den welt- 
hütenden Göttern herbei, sowie ferner auch 

10. (7339.) die Seligen, die Vicve Deväh, die Marut's und 
mächtig grofse Musikinstrumente, sowie die Flüsse, die Berge, 
die Meere und mancherlei heilige Orte, 

11. (7340.) ferner die Askesen und die Lehre der Verbin- 
dung [von Gott und Seele], die Veden, die Lobgesänge, die 
Savasvati [Göttin der Rede], Närada und Parvata, [die 
Gandharven] Vicvävasu, Haha und Huhu, 

12. (7341.) sowie der Gandharva Citrasena nebst den 
Scharen seiner Umgebung, auch die Schlangen, die Vollende- 
ten, die Munfs, der Göttergott, Prajapati, 

13. (7342.) Vishnu und der unausdenkbare, tausendköpfige 
Gott [der Purusha, Rigveda 10,90] kam herbei. Dabei liefsen 
sich hören im Lufträume Pauken und sonstige Musikinstru- 
mente, o Herr. 

14. (7343.) Es erfolgten daselbst himmlische Blumenregen 
von diesen Hochherzigen her, es tanzten Scharen von Apsaras 
hier und dort überall. 

14* 



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212 



III. Mokshudharma. 



15. (7344.) Da sprach in körperlicher Gestalt Svarga (der 
Himmel) zu dem Brahmanen das folgende Wort: du bist ein 
Allvollendeter, Hochbeglückter, und auch du, o König, bist 
ebenso ein Vollendeter. 

16. (7846.) Darauf, o König, bewirkten jene beiden in einer 
sich einander unterstützenden Weise das Abtun der Sinnen- 
dinge von sich beiderseits. 

17. (7346.) Und nachdem die beiden ihren Präna, Apana, 
Udäna, Samäna und Vyäna in dieser Weise in ihrem Manas 
zum Stillstand gebracht hatten, versenkten sie ihr Manas in 
ihren beiderseitigen [zentralen] Lebenshauch [den Mukhya- 
präna]. 

18. (7347.) Und nachdem sie diesen zur Fixierung gebracht 
hatten an der Nasenwurzel unterhalb der Augenbrauen, hielten 
sie ihn durch Zusammenziehung der Augenbrauen mitsamt 
dem Manas daselbst fest. 

19. (7348.) Mit unbeweglichen Körpern und festem Blicke 
in Meditation versunken und sich selbst überwunden habend, 
verlegten die beiden ihren Atman in das Haupt. 

20. (7349.) Da spaltete er [der Ätman] die Gaumengegend 
des hochsinnigen Brahmanen und ging als eine mächtige 
Lichtflamme zum Himmel empor. 

21. (7350.) Ringsumher aber erhob sich ein allgemeiner 
Ausruf der Bewunderung „hähä"!, und jenes Licht, von Lob- 
gesängen begleitet, ging ein zum Gotte Brahmän. 

22. (7351.) Da sprach der Urvater zu jenem Lichte: sei 
willkommen!, indem er ihm, dem spannegrofsen Purusha 
[Sechzig Upanishad's S. 144 fg.], entgegen ging, o Völkerherr. 

23. (7352.) Und weiter sprach er noch das liebliche Wort : 
Gleiche Frucht haben die Gebetsmurmler mit den Yoga- 
übenden, daran ist kein Zweifel. 

24. (7353.) Was den Yoga betrifft, so liegt vor aller Augen 
die Erkenntnis der Frucht für jene, die ihn üben; den Ge- 
betsmurmlern aber sei noch als eine besondere Auszeichnung 
das Emporsteigen [zu mir] beschieden. 

25. (7354.) So nimm denn in mir Wohnung! So sprach 
er und belehrte ihn des weiteren fort und fort Da ging in 
seinen Mund hinein der von Leid befreite Brahmane. 



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I 



Adhy&ya 200 (B. 200). 213 

2t>. Und auch der König ging auf diese Weise 

••»»nso wie der Brahmanentiger in den heiligen Urvater ein. 

27. 17356.) Darauf begrüfsten die Götter den durch sich 
^ibsi Seienden und sprachen : Den Gebetsmurmlern aber sei 
noch als eine besondere Auszeichnung das Emporsteigen [zu 
<tir] beschieden. 

28. (7357.) Um der Gebetsmurmler willen geschah diese 
Kemiihung, dafs wir hierher gekommen sind; beide [die 
Murmler und die Yogin's] verehren dich gleichmafsig, beide 
empfangen von dir die gleiche Frucht. 

2t». <735s.) Heute fürwahr tritt es zutage, dafs der Yoga- 
l tende und der Gebetsmurmler eine grofse Frucht ernten : 
all* Wehen überschreitend dürfen sie wandern, wo es ihnen 
Miebt. 

I>er Gott Brahman sprach: 
(7359.) Auch der, welcher die Mahäsmriti, und der, 
»elcher die schöne Anusmriti studiert [nach Nil. die Samhita 
und die sechs Vedafiga's, vielleicht ist die Rezitation und 
künftige Rezitation unserer Stelle gemeint], auch diese beiden 
m«>ßen zu der Weltgemcinschaft mit mir eingehen. 

31. f7J«o.i Und wer dem Yoga ergeben ist, auch von dem 
eilt es, daran ist kein Zweifel; auf dieselbe Weise wird auch 
♦f nach dem Ende des Leibes meine Welten erlangen. (73ki ) 
Ich breche auf, und auch ihr möget hingehen an euren Ort 
mm glücklichen Gelingen. 

32. «TM*.» So sprach der Gott und verschwand, und auch die 
<nkt**r grüfsten sich und gingen ein jeder in seine Wohnstätte. 

<73«3 ) Und auch alle die anderen Hochherzigen, nach- 
dem *e ihrer Pflicht ehrenvoll genügt hatten, gingen hinter 
ihiiffj her. o König, alle mit hocherfreutem Geiste. 

M. (7S«4.) So steht es mit der Frucht der Gebetsmurmler 
und das ist der Weg, der ihnen verkündigt worden ist der 
Schrift gemäfs, o grofser König! — Was wünschest du nun 
»«ter zu hören? 

Sq luUt im Mok«h»4b»rm» dl« Kriithlun* >oin Murmirr 
(jdftala-updlhyd tarn ) . 



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214 in. Mokshadharma. 

■ 

Adhy&ya 201 (B. 201). 

Vera 7365-7393 (B. 1-27). 

Yudhishthira Bprach: 

1. (7365.) Was ist die Frucht der Hingebung an die Er- 
kenntnis, der Veden und der Bezähmung, und wie ist der 
Bhütatman (die empirische Seele) erkennbar? Das sage mir, 
o Grofsvater. 

Bhishma sprach: 

2. (7366.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen Manu, dem 
Vater der Geschöpfe, und dem grofsen Rishi Brihaspati. 

3. (7367.) Dem Prajäpati, dem Oberherrn der Geschöpfe, 
stellte der Vorzüglichste in der Schar der Götterweisen, 
der grofse Weise Brihaspati, folgende Frage in der Vor- 
zeit, indem er sich als Schüler vor ihm als Lehrer ver- 
neigte. 

4. (7368.) Was die Weltursache ist, von wo die Opfer- 
satzung ausging, und welche Frucht die Weisen der Er- 
kenntnis zuschreiben, sowie was durch den Wortlaut der 
Hymnen nicht zum Verständnis gebracht worden ist, das 
sage mir, o Heiliger, wie es ist. 

5. (7369.) Was von den Kennern der Klugheitsregeln, 
der heiligen Überlieferung und der Mantra's als die durch 
mancherlei Opfer und Schenken von Kühen zu erlangende 
Frucht [verheifsen], und was als solche von jenen Grofsen 
geschätzt wird, was ist das und wie wird es oder wo 
sich verwirklichen? 

6. (7370.) Woher entstanden sind die Erde, die Erd- 
geborenen, der Wind, der Luftraum, die Wasserbewohner 
und das Wasser, sowie der Himmel und die Himmels- 
bewohner? Diese alte Lehre teile mir mit, o Heiliger. 

7. (7371.) Die Quelle, aus der der Mensch das Wissen 
zu gewinnen sucht, aus dieser entspringt auch die auf 
den Zweck des Wissens gerichtete Betätigung. Ich aber 
kenne dieses höchste Ursprüngliche nicht und weifs nicht, 
ob ich einen irrtümlichen Weg der Betätigung einschlage. 



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Adhyaya 201 (B. 201). 



■ 

215 



8. (7372.) Obgleich ich die Sammlung der Ric's und 
Säman's, sowie die Yajus, die Metren, den Gang der Ge- 
stirne und die Worterklärung studiert habe, nebst Gram- 
matik, Ritual und Lautlehre, so kenne ich doch nicht 
den Ursprung der Wesen. 

9. (7373.) Das alles mögest du mir, o Herr, erklären 
mit allgemeinen Worten und in seinen Besonderheiten, 
das also mögest du mir, o Herr, darlegen, und welche 
Frucht aus der Erkenntnis oder aus den Werken ent- 
springt, 

10. (7374.) und wie die Seele aus dem Körper heraus- 
fährt, und wie sie wieder in einen neuen Körper eingeht. 

Manu sprach: 

(7376.) Alles, was einem lieb ist, das nennt man Lust, 
und Schmerz wird das Unerwünschte benannt; 

11. und „das Erwünschte möge mir zuteil werden, 
das andere möge mir fern bleiben", diesem Wunsche 
zuliebe ist die Werkvorschrift gegeben worden. (737«.) 
Aber „das Erwünschte und das Unerwünschte möge mir 
beides nicht zuteil werden", wer so denkt, dem zuliebe 
ist die Erkenntnisvorschrift gegeben worden. 

12. Die wunschbehafteten Hingebungen an das Werk 
werden im Veda gelehrt; nur wer von ihnen sich frei 
gemacht hat, erlangt das Höchste; (7377.) aber der Mensch, 
der nach Lust begehrend auf dem mannigfaltigen Pfad 
der Werke dahin wandelt, der fährt zur Hölle. 

Brihaspati sprach: 
(7378.) Also Erwünschtes und Unerwünschtes, Lust 
und Schmerz, der auf diese gerichtete Wunsch schwebt 
dem Menschen vor, wenn er Werke vollbringt? 

Manu sprach: 

13. (7379.) Nur wer von ihnen sich frei gemacht hat, 
ist in das Höchste eingegangen; um jener willen aber 
ist die Werkvorschrift gegeben worden; den Wunsch- 
haften gefällt die Hingebung an die Werke; wer von 



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III. Moksbadharraa. 



ihnen sich frei gemacht hat, der ergreift damit das 
Höchste. 

14. (7880.) Entflammt durch Werke, die ihn selbst und 
anderes zum Ziele haben, bewegt sich der nach Lust 
Strebende glänzend in der Pflicht ; aber als ein von dem 
Pfade der Werke Fernliegendes erlangt man das wunsch- 
lose höchste Brahman. 

15. (7381.) Die Wesen sind erschaffen durch den 
Wunsch (manas) und durch das Werk, und diese beiden 
sind als die guten Wege bei den Leuten beliebt; das 
Werk scheint ihnen teils ewig, teils vergänglich zu sein, 
aber nur das Aufgeben der Wünsche ist die Ursache 
zur [Erreichung des Ewigen], und eine andere gibt 
es nicht 

16. (7382.) Vermöge seines eigenen Atman [sieht er], 
wenn sein Atman nicht mehr von Finsternis umhüllt ist, 
so wie das Auge der Führer ist, wenn die Nacht weicht; 
sein Wissen aber ist mit der Tugend des Erkennens aus- 
gestattet, und er sieht, dafs das Werk unschön und zu 
vermeiden ist. 

17. (7383.) Schlangen, scharfe Grasspitzen und Brunnen- 
löcher meiden die Menschen, wenn sie sie erkannt haben; 
aber aus Unkenntnis geraten manche in sie hinein; siehe, 
welch ausgezeichnete Frucht in dem Erkennen liegt! 

18. (7384.) Aber der vollständige und vorschriftsmäfsig 
verwendete Hymnus, ferner die vorgeschriebenen Opfer 
und der dabei gespendete Opferlohn, das Spenden von 
Nahrung und die Meditation des Geistes, — fünffach, so 
sagen sie, ist das Werk und seine Frucht. 

19. (7385.) Tugendhaft ist das Werk, wie die Veden 
sagen, um seinetwillen ist der Hymnus da, den das Werk 
voraussetzt, ist die Vorschrift da, das Vorgeschriebene 
und seine Erfassung mit dem Verstände, aber bei allem 
dem ist der verkörperte Atman der, welcher die Frucht 
geniefst. 

20. (7386.) Töne, Gestalten und schöne Geschmacks- 
empfindungen, schöne Berührungen und Gerüche, über 



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Adhy&ya SOI (B. 201). 



217 



diese ist ein Mensch Herr, auch ehe er zum Orte [der 
Vergeltung] gelangt ist, denn eine derartige Frucht wird 
ihm sicher zuteil in der durch seine Werke verdienten 
Welt. 

21. (73*7.) Alle Werke, die einer mit seinem Körper 
vollbringt, deren Frucht erlangt er, indem er wieder mit 
einem Körper verbunden wird; nur der Körper ist der 
Tummelplatz der Lust, und auch des Schmerzes Tummel- 
platz ist nur der Körper. 

22. c:\8s.) Alle Werke, die einer mit seiner Rede voll- 
bringt, deren Frucht erlangt er durch die Rede; und alle 
Werke, die einer durch sein Manas vollbringt, deren 
Frucht erlangt einer, indem er mit einem Manas ver- 
bunden ist. 

23. (7589.) Je nachdem einer die Qualität der Werke 
betreibt, nach ihrer Frucht begehrend und auf die Frucht 
der \\ erke versessen, dementsprechend wird er mit dieser 
Oualität verknüpft und geniefst die gute oder schlechte 
Frucht seines Werkes. 

24. (7390 ) Wie ein Fisch der Strömung nachfolgt, so 
folgt der Mensch dem von ihm vorher begangenen Werke 
nach; aber nur an dem guten Werke erlebt er Freude, 
aber keine Freude erlebt an der Übeltat die erhabene 
Seele. 

25. (7391.) Nachdem du erfahren hast, woher diese 
Kauze liebeweit entsprungen ist, und woran Selbst- 
bewufste vorbeigehen, so mögest du auch das, was durch 
den Wortlaut der Hymnen nicht zum Verständnis ge- 
bracht worden ist, dieses, was das Höchste ist, ver- 
nehmen von mir, der ich es dir sage. 

2t>. (7392.) Das von Geschmack und den mancherlei 
Gerüchen Freie, das Tonlose, Unberührbare, Unsichtbare, 
l'ngreifbare, Unoffenbare, Farblose, Kine, dieses hat die 
fünf Arten der Geschöpfe erschaffen. 

27. (73»3.) Was nicht Weib, noch Mann, noch auch 
ein Neutrum ist, nicht seiend, noch auch nichtseiend 
und auch nicht seiend und nichtseiend zugleich, was die 



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218 



III. Mokshadhanna 



brahmanwissenden Menschen schauen, dieses Unvergäng- 
liche vergeht nicht, das sollst du merken. 

So lautet im Mokahaduarma die Unterredung zwischen Mann and Brlhaspati 

(Mann - Rrihaspati • »amrdda). 

Aclhyftya 202 (B. 202). 

Vera 7394-741G (B. 1-23). 
Manu sprach: 

1. (73D4.) Aus dem Unvergänglichen ist der Äther ent- 
standen, aus diesem der Wind, aus diesem das Feuer, aus 
diesem das Wasser, aus dem Wasser die Erde, auf der Erde 
entsteht die Welt der Lebenden. 

2. (7395.) Aus diesen Leibern in das Wasser über- 
gehend und aus dem Wasser zu Feuer, Wind, Äther ge- 
worden, kehren jene, welche das [wahre] Wesen besitzen, 
nicht aus dem Äther zurück, sondern erlangen die höchste 
Erlösung. 

3. (7396.) Nicht warm ist es und nicht kalt, nicht 
weich, noch hart, nicht sauer, herb, süfs oder bitter, 
nicht hörbar, nicht riechbar und nicht sichtbar ist jene 
höchste Wesenheit. 

4. (7397.) Es kennt der Leib das Gefühl, die Zunge 
den Geschmack, die Nase die Gerüche, es kennen die 
Ohren die Töne und das Auge die Gestalten, nicht aber 
erfassen jenes Höchste die Menschen, welche nicht den 
höchsten Atman kennen. 

5. (7398.) Abkehrend den Geschmackssinn von den Ge- 
schmäcken, die Nase vom Geruch, die Ohren von dem 
Tone, die Haut von der Berührung und das Auge von 
der Eigenschaft der Sichtbarkeit, schaut man das Höchste, 
die eigene Selbstwesenheit. 

6. (7399.) Dasjenige aber, durch welches ergreifend 
man etwas tut, dasjenige, in welchem man diese Tätig- 
keit anhebt, dasjenige, in welchem und durch welches 
einer zum Täter von etwas wird, was die Ursache ist, das 
erkennen jene Weisen als ein [blofses] Aggregat. 



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AdhyAya 202 (B. 202). 



219 



7. (7*00.) Aber dasjenige, was alldurchdringend und 
allvollbringend ist, was von Liedern [wie Brahmabindu- 
l'p. 12, nach Nil.] gefeiert in der Welt bestehen bleibt, 
was die Allursache ist und als höchste Seele wirkend, 
das ist es, was verschieden ist von dem, was Ursache 
und Wirkung heifst. 

8. fTioi.) Denn so wie ein Mensch durch seine eigenen 
[lies sva] Werke Gutes und Schlimmes unfehlbar er- 
langt, so wird in guten und schlimmen Verkörperungen 
vermöge der aus den eigenen Werken entspringenden 
Frucht die Wissenschaft [von dem Höchsten] gebunden 
(latent). 

i*. Wie eine vorher angezündete Fackel, indem 

?ie leuchtet, dem, was sie nicht ist, Sichtbarkeit verleiht, • 
so streben hier die in den Fackeln der fünf Sinne sich 
verzweigenden Bäume, wenn sie von der Erkenntnis ent- 
zündet werden, nach dem Höchsten hin. 

10. r74(i3.) Und wie von einem Könige beauftragt die 
vielen Minister seine Autorität im einzelnen zum Aus- 
druck bringen, so sind in den Leibern fünf einzelne 
Richtungen der Erkenntnis vorhanden, aber Er ist ihr 
Oberherr. 

11. (7404.) Wie die Flammen des Feuers, wie die Stöfse 
des Windes, wie die Strahlen der Sonne und die Wasser 
der Ströme hin und her wogend gehen und kommen, so 
steht es auch mit den Körpern der Verkörperten. 

12. (7405 ) Und wie einer, der die Axt ergriffen hat, 
nicht den Rauch und das Feuer sieht, die in dem [zu 
spaltenden] Holze verborgen schlummern, so kann einer 
den Leib mit Bauch, Händen und Füfsen zerschneiden 
und sieht doch nicht das, was von dem allem verschie- 
den ist. 

13. (740« ) Wie aber einer, der eben jene Holzscheite 
aneinander reibt, durch ihre Verbindung den Rauch und 
dm* Feuer zu sehen bekommt, so sieht der Verständige, 
zugleich mit Sinnen und Geist Behaftete, als ein Er- 
weckter [lies budhah mit C] das Höchste, nämlich jene 
seine eigene Wesenheit. 



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III. Mokshadharma. 



14. (7407.) Und wie man etwa im Traume den eigenen 
Leib auf die Erde herabgestürzt sieht als verschieden 
von dem, was man in Wirklichkeit ist, so geht der mit 
den Sinnesorganen, mit Manas und mit Buddhi Behaftete 
[beim Tode] aus dem einen Lingam (hier gleich Körper) 
in ein anderes Lingam über. 

15. (740R.) Durch die Zufälligkeiten, Entstehen, Wachs- 
tum und Vergehen wird jener höchste Verkörperte nicht 
betroffen, sondern wandert unsichtbar aus einem Lingam 
in ein anderes Lingam vermöge der Behaftung mit der 
Frucht der Werke. 

16. (7409.) Nicht mit dem Auge sieht man die Gestalt 
des Atman, und nicht gelangt man irgendwie dazu, ihn 
zu berühren, auch ist er es nicht, der durch jene [Organe] 
eine Wirkung vollbringt; sie können ihn nicht sehen, 
wohl aber sieht er sie. 

17. (74io.) So wie in der Nähe eines flammenden Feuers 
irgendeiner [z. B. ein Eisenklumpen nach Nil.] die aus 
der Glut herrührende Erscheinungsform annimmt, aber 
aufser ihr keine andere Beschaffenheit der Gestalt zu- 
gleich mit übernimmt, so wird an einem Menschen nur die 
eine Erscheinungsform [nämlich die Geistigkeit, caitanyam] 
desselben [des Ätman] sichtbar [nicht aber Allwissen- 
heit, Allgegenwart usw., vgl. auch Maitr. Up. 3,3; Sechzig 
Upanishad's S. 324]. 

18. (74ii.) Und so geht auch der Mensch, nachdem 
er den Leib verlassen hat, unsichtbar in eine andere 
Körperlichkeit ein; und indem er seinen Leib in den 
grofsen Elementen zurückläfst, so übernimmt er dann 
eine [neue] auf jenen [den grofsen Elementen] beruhende 
Erscheinungsform. 

19. (7412.) Sodann geht der Leibträger (die Seele) ein 
in die von allen Seiten zusammengebrachten Äther, Wind, 
Feuer, Wasser und Erde, und die Sinnesorgane wie 
Ohren usw., mit ihrer betreffenden Aufgabe sich be- 
fassend, von vielen Seiten unterstützt, nehmen ihre fünf 
Qualitäten an. 

20. (7413.) Das Ohr übernimmt sie aus dem Äther, der 



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Adhyüya 202 (B. 21)2). 



221 



Geruchsinn aus der Erde, feuerartig ist sodann die Sicht- 
barkeit wie auch die Verdauung; die auf das Wasser 
sich stützende Energie wird sodann Geschmack [lies 
rasah mit C] genannt, und windartig ist die Qualität, 
die sich zum Gefühl gestaltet. 

21. (7414.) In den grofsen Elementen wohnen die fünf 
[Qualitäten] und ebenso wohnen sie als die Zwecke der 
fünf Sinnesorgane in den Sinnesorganen. Diese alle aber 
folgen dem Manas nach, das Manas wiederum der Buddhi 
und die Mati (Buddhi) der Selbstnatur (svabhdvaj. 

22. (7415.) Was an guten oder bösen Werken oder 
sonstwie getan worden ist, das nimmt er auf in seinen 
Leib; dem Manas folgen nach die hohen und die niedri- 
gen Taten, wie die Wassertiere dem Strome in seinem 
Laufe. 

23. (7416.) So wie das flüchtig Vorübergehende in den 
Gesichtskreis des Blickes eintritt, und wie ein Grofs- 
gestal teter als klein erscheint, und wie man seine eigene 
Wesenheit [im Spiegel] als Gestalt erschaut, so geht das 
Höchste in den Gesichtskreis der Buddhi ein. 

So lautet im Mokabadbarma die Unterredung zwischen Mann und Brihaspat 

(Manu ' Brihatpati - lamedda). 

Adhy&ya 203 (B. 203). 

Vers 7417-7439 (B. 1-23). 
Manu sprach : 

1. (7417.) Aber dasjenige, was, zunächst von den Sinnes- 
organen umhüllt, die ihm angehefteten Gunas lange Zeit 
in der Erinnerung nicht los werden kann, dieses, näm- 
lich die höchste Selbstwesenheit, erscheint weiterhin, 
nachdem die Sinnesorgane gehemmt sind, in der Gestalt 
der Buddhi. 

2. (7418.) Solange einer nicht imstande ist, die gleich- 
zeitig und zu verschiedenen Zeiten von allen Seiten her 
auf ihn eindringenden Sinnendinge völlig zu verachten» 



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222 



III. Mokshailliartua. 



solange bewegt er, der Weise, sich in der veränderlichen 
Welt; darum ist er, der Eine, Höchste, ein Verkörperter. 

3. (7419.) In das Kajas, das Tamas und in das Sattvam 
als drittes, in diese verschiedenen, seinen Standort bilden- 
den Guna's geht er ein; so geschieht es, dafs der Ver- 
körperte in die Sinnesorgane hineinfährt, wie der Wind 
in das im Brennholze lodernde Feuer. 

4. (7420.) Nicht durch das Auge kann man die Gestalt 
des Atman schauen, nicht schaut ihn der Tastsinn, ein 
Sinn nach dem andern [schaut ihn nicht], auch ist kein 
Wahrnehmen desselben, welches das Ohr als Kennzeichen 
hat, durch das Gehör möglich; er schaut, was in dieser 
Weise [durch das Sinnesorgan] getan wird, das Organ 
aber fällt dahin [wird als nichtig erkannt]. 

5. (7421.) Das Ohr und die übrigen Organe sehen nicht, 
sondern jeder sieht seinen Ätman durch den Atman; er als 
allwissend und allschauend, er als allwissend schaut jene. 

6. (7422.) Wie die andere Seite des Himälaya, wie die 
Bückseite des Mondes, so ist es nie von Menschen vorher 
gesehen worden, aber darum ist es doch nicht nicht. 

7. (7423.) Ebenso ist in den Wesen jener subtile Bhüt- 
ätman (Element-Atman), der den Erkenntnis -Atman in sich 
enthält, nie mit Augen vorher gesehen worden, aber darum 
ist er doch nicht nicht. 

8. (7424.) So wie die Leute die Zeichnung im Monde, ob- 
gleich sie sie sehen, doch nicht herausfinden, ebenso ist jenes 
zwar vorhanden, aber nicht hervortretend; doch kann man 
nicht sagen, dafs es nicht das Höchste sei. 

0. (7425.) Die Weisen, auf den Gang der Sonne merkend, 
sehen mit dem Auge des Geistes die gestalthafte Sonne, auch 
wo sie vor dem Aufgang oder nach dem Untergang keine 
Gestalt zeigt. 

10. (7426.) Ebenso suchen mit der Leuchte des Verstandes 
die sehr Weisen das Entfernte sich nahe zu bringen, so dafs 
es erkennbar wird und die Erkenntnis sich darauf richten kann. 

11. (7427.) Denn es kann ja doch ohne das richtige Mittel 
kein Zweck erreicht werden, wie ja auch die am Wasser Leben- 
den nur mittels gestrickter Netze die Fische fangen können. 



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Adhy&ya 203 (B. 203). 



223 



12. (7428.) So wie der Fang von Wild durch W^ild , von 
Vögeln durch Vögel, von Elefanten durch Elefanten bewerk- 
stelligt wird, so wird das zu Erkennende durch die Erkennt- 
nis ergriffen. 

13. (7429.) Nur die Schlange ist ja auch imstande, die 
FuXsspuren fpädänj der Schlange zu sehen, wie wir hören; 
ebenso sieht man in den Gestalten durch die Erkenntnis den 
in den Gestalten weilenden zu Erkennenden. 

14. (7430.) Wie die Sinnesorgane nicht imstande sind, die 
Sinnesorgane wahrzunehmen, so ist auch hier der höchste 
Verstand nicht imstande, das Höchste, zu Verstehende zu 
sehen. 

15. (7431.) So wie der Mond in der Neumondsnacht nicht 
gesehen wird, weil ein Merkmal fehlt, er aber darum nicht 
vernichtet ist, so, wisse, ist es mit dem Verkörperten. 

16. (7432.) Denn in der Neumondsnacht ist der Mond nicht 
sichtbar, weil seine Behausung verschwunden ist; ebenso ist 
jener Verkörperte nicht wahrnehmbar, wenn er von der Kör- 
perlichkeit befreit ist. 

17. (7433.) Und so wie, einen andern Raum erlangt habend, 
der Mond wieder glänzt, so glänzt der Verkörperte wieder, 
nachdem er einen andern Körper (Ungarn) erlangt hat. 

18. (7434.) Entstehen, Wachsen und Schwinden desselben 
wird durch den Augenschein wahrgenommen, aber dies ist 
nur der Fall beim Monde, nicht aber bei jenem Verkörperten. 

19. (7435.) Wie durch die Kraft seines Entstehens und 
Wachsens der Mond als solcher auch in der Neumondsnacht 
erschlossen wird, so steht es auch mit dem Gestalteten. 

20. (7436.) Wie die Finsternis, wenn sie den Mond be- 
schleicht und wieder freigibt, nicht gesehen wird, siehe, so 
ist es mit dem Verkörperten, wenn er [den Körper] losläfst 
und wieder in ihn hineinschleicht. 

21. (7437.) Wie die Finsternis nur vermöge ihrer Verbin- 
dung mit Mond und Sonne sichtbar ist, so wird vermöge 
seiner Verbindung mit dem Körper der Verkörperte als solcher 
erkannt. 

22. (7438.) Wie Rahu, nachdem er von Sonne und Mond 
[die er verschlungen hatte] losgekommen ist, nicht wahr- 



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224 III. Mokshadhanna. 

genommen wird, so wird, nachdem er vom Körper losgekommen 
ist, der Verkörperte nicht wahrgenommen. 

23. (7439.) Und wie der Mond, nachdem er in der Neu- 
mondsnacht geweilt hatte, wieder mit den Mondhäusern ver- 
bunden wird, so wird [der Verkörperte], nachdem er vom 
Körper befreit ist, mit den Früchten seines Werkes verbunden. 

So lautet im Mokihadbanna die Unterredung zwischen Manu and Brihaapati 

(Manu- Briha*pati - $ain*dda). 



Adhy&ya 204 (B. 204). 

Vers 7440-7459 (B. 1-20). 
Manu sprach: 

1. (7440.) So wie im Traume dieser sichtbare Leib daliegt 
und das Geistige, das mit den Sinnesorganen verbundene Be- 
wufstsein, umherschweift [vgl. Brih. Up. 4,3,13], ebenso ist 
es auch nach dem Tode mit dem, was entsteht, und dem, 
was vergeht. 

2. (7441.) Wie einer in ruhigem Wasser mit dem Auge 
seine Gestalt sieht, so sieht man, weil die Sinne zur Ruhe 
gebracht sind, mit der Erkenntnis das zu Erkennende. 

3. (7442.) Und wie ebenderselbe, wenn jenes Wasser be- 
wegt ist, seine Gestalt nicht mehr sieht, ebensowenig (lafliä) 
kann man im aufgeregten Zustande der Sinnesorgane das zu 
Erkennende durch die Erkenntnis schauen. 

4. (7443.) Durch Nichtwissen wird Buddhilosigkeit bewirkt, 
durch Buddhilosigkeit wird das Manas mitfortgerissen, wird 
aber das Manas verdorben, so werden seine fünf Abkömm- 
linge [die Indriya's] mitverdorben. 

5. (7444.) Wer sich am Nichtwissen erfreute und in die 
Sinnendinge versenkt war, der wird [nach dem Tode] nicht 
erfreut, sondern in einer mit der unsichtbaren Werkfrucht 
behafteten Weise kehrt sein Bhütätman zu den Sinnendingen 
zurück. 

6. (7446.) Eine Abscheidung von dem Durste (tarsha) 
findet hienieden nicht statt für den Menschen (purushaj wegen 



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Adhy&ya 204 (B. 204). 



225 



seines Beschmutztseins. Erst dann erlischt der Durst, wenn 
die Sünde zu Ende gegangen ist. 

7. (7446.) Aher wegen der Befangenheit und des Zuflucht- 
suchens des Ewigen in den Sinnendingen und weil einer mit 
dem Manas anderes [als er sollte] verlangt, gelangt er nicht 
zu dem Höchsten. 

8. (7447.) Die Erkenntnis geht dem Menschen auf, wenn 
das böse Werk vernichtet wird, dann schaut er wie in einer 
klaren Spiegelfläche sich selbst in sich selbst. 

9. (7448.) Wer den Sinnesorganen die Zügel schiefsen läfst, 
der leidet; wer ebendieselben bändigt, dem ist es wohl; darum 
soll man von den Objekten der Sinnesorgane sich selbst durch 
sich selbst zügelnd zurückhalten. 

10. (7449.) Den Sinnesorganen steht das Manas voran, und 
höher als dieses ist die Buddhi; höher als die Buddhi ist das 
Bewufstsein (jnänam), höher als das Bewufstsein steht das 
grofse Prinzip [mahnt sc. tattvam, d. h. der Mahan]. 

11. (7450.) Aus dem Unentfalteten [d. h. der PrakritiJ geht 
hervor das Bewufstsein, aus diesem die Buddhi, aus dieser 
das Manas [wie Käth. Up. 3,10-11, mit Einschiebung von 
jnänam]; das Manas, mit Ohr usw. sich verbindend, erkennt 
richtig die Töne usw. 

12. (7451.) Wer diese, die Töne usw., aufgibt und mit 
ihnen alle übrigen Entfaltungen [vyaMayah als Akkusativ!], 
nämlich die aus der Prakriti entspringenden Scharen, fahren 
läfst, der, indem er diese losläfst, erlangt Unsterblichkeit. 

13. (7452.) So wie der Sonnengott, wenn er aufgeht, den 
Kranz der Strahlen aus sich ausbreitet, und wenn er unter- 
geht, das alles wieder in sich selbst hereinzieht, 

14. ("453.) ebenso geschieht es, dafs das innere Selbst, in 
den Körper eingehend, nachdem es mit den Strahlen der 
Sinnesorgane die fünf Qualitäten der Sinnesorgane erreicht 
hat, zurückkehrend wieder untergeht. 

15. (7454.) Den durch das Werk gewiesenen Weg wird 
einer immer wieder und wieder geführt und erlangt die Frucht 
der Werke, nachdem er die aus ihnen hervorgehende Be- 
schaffenheit erlangt hat. 

16. (7455.) Die Sinnendinge kehren sich ab von der Seele, 

Dil iim, MftbAbh&rftUm. lf» 



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226 



DJ. Mokshadharma. 



die sich nicht mehr an ihnen nährt, und indem sie nicht melur 
geschmeckt werden, geht auch der Geschmack an ihnen ver- 
loren für einen, der das Höchste geschaut hat. 

17. (7456.) Wenn die Buddhi, von den Qualitäten ihres 
Wirkens befreit, im Manas weilt, dann geht dieses ein in das 
Brahman, indem es in eben demselben untergeht. 

18. (7457.) Dann geht man ein in die nicht-fiihlende, nicht- 
hörende, nicht-schmeckende, nicht-sehende, nicht-riechende 
und nicht-denkende höchste Wesenheit. 

19. (7458.) In dem Manas versinken die Gestalten, das 
Manas aber geht ein in die Mati (Buddhi), die Mati geht 
ein in das Bewufstsein fjnänamj^ das Bewufstsein in das 
Höchste. 

20. (7459.) Nur durch die Sinnesorgane kann das Manas 
sich betätigen, nicht kann das Manas die Buddhi erkennen, 
nicht die Buddhi das Unentfaltete, aber das Feine [der Atman] 
schaut sie alle. 

8o lautet im Mnkshadharme die Unterredung zwischen Mann und Brihaepati 

(Mann - Brihatpoti - $amedda). 

Adhyftya 205 (B. 305). 

Vers 7460-7485 (B. 1-26). 
Manu sprach . 

1. (7460.) Wenn ein Schmerzanfall, sei es ein körperlicher 
oder geistiger, sich einstellt, gegen den eine Anstrengung 
nichts ausrichten kann, so soll man sich nicht weiter um ihn 
kümmern. 

2. (7461.) Das ist das Heilmittel des Schmerzes, dafs man 
sich nicht um ihn kümmert, denn wenn man über ihn grübelt, 
so drängt er sich auf und wächst nur noch mehr an. 

3. (7462.) Durch Denken soll man den geistigen Schmerz 
bekämpfen, wie den körperlichen durch Arzneimittel, denn 
dazu ist die Erkenntnis fähig ; man soll es den Rindern nicht 
gleichtun. 

4. (7463.) Vergänglich ist Jugend, Schönheit, Leben, Be- 



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Adhyftya 205 (B. 205). 



sitzanhäufung, Gesundheit und Zusammensein mit Freunden; 
der Weise soll nicht danach trachten. 

b. (7*64.) Man soll nicht als einzelner klagen über das 
Lrid, das das ganze Land betrifft, sondern ohne zu klagen 
soll man ihm abhelfen, wenn man ein Heilmittel ersieht. 

»i. (74«.) Im Leben überwiegt das Leid die Lust, daran 
ist kein Zweifel, und für einen, der noch an den Sinnen- 
dingen klebt, ist vermöge seiner Verblendung der Tod un- 
erwünscht. 

(. (7466.) Der Mensch, welcher beides, Leid und Lust, 
aufgibt, der erlangt das unendliche Brahman; solche Weisen 
klagen nicht. 

(74«7.) Mit Schmerz werden die Schätze erworben, und 
auch ihre Bewahrung macht keine Freude; mit Schmerz werden 
s* erlangt, um ihren Verlust soll man sich nicht kümmern. 

1*. <74**u Die Erkenntnis entspringt aus dem Erkenntnis- 
ohjekte, das wisse, und das Manas besitzt die Qualität des 
Erkennens, es ist mit dem Organ der Erkenntnis ausgerüstet, 
und nach ihm tritt die Buddhi in Tätigkeit. 

10. i74ö.) Wenn die mit der Qualität ihrer Tätigkeit aus- 
hustete Buddhi im Manas sich betätigt, dann wird durch 
Erkenntnis, Hingebung und Versenkung das Brahman erkannt. 

1 1. (747o.) Solange diese Buddhi mit den Qualitäten be- 
haftet ist, beschäftigt sie sich auch nur mit den Qualitäten 
und gleitet von dem andern [dem Brahman] ab, wie Wasser 
von einem Berggipfel. 

12. tun.) Aber wenn sie die qualitätlose Meditation, die 
•chon vorher da war, im Manas [weilend] erlangt, dann wird 
4at Brahman erkannt, wie der Goldstrich auf dem Probierstein. 

13. (7472.) Aber wenn das Manas, nachdem es vorher sich 
fcrtreifsen liefs durch den Anblick der Sinnendinge, nicht 
m#hr achtet auf die Qualitäten des vor Augen Liegenden, dann 
Etnnnt es einen Einblick in das Qualitätlose. 

14. I747S.) Alle jene Pforten verschliefsend, gelangt man, 
na Mana.« stehend und im Manas die Konzentration bewirkend, 
m jenem Höchsten. 

15. (7474) Wenn die grofsen Elemente durch Aufhebung 

15* 



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228 



III. Mokshadhanna. 



ihrer Qualitäten zunichte werden, dann nimmt die Buddhi die 
Sinnesorgane in sich auf und verharrt im Manas. 

16. (7475.) Wenn diese Buddhi im Manas verharrt und 
sich im Innern desselben hält und dabei mit der Qualität der 
Entschliefsung begabt ist, dann bemächtigt sie sich des Manas. 

17. (7476.) Und wenn das vorher mit den Qualitäten des 
Qualitäthaften belastete Manas zur Qualität der Meditation 
gelangt, dann läfst es alle jene Qualitäten fahren und er- 
langt das Qualitätlose. 

18. (7477.) Aber was die Erkenntnis des Unentfalteten be- 
trifft, so ist ein entsprechendes Schauen desselben nicht mög- 
lich. Denn wo kein Abdruck einer Fufsspur vorhanden ist, 
wer kann da eines Gegenstandes habhaft werden? 

19. (7478.) Durch Askese, durch Schlufsfolgerung, durch 
Tugenden, durch edle Geburt und durch Schriftgelehrtheit 
soll man dem höchsten Brahman nachstreben mit reinem 
innern Geiste. 

20. (7479.) Von Qualitäten frei geht man aufserhalb der- 
selben dem guten Wege nach zu dem, was zwar wogen Er- 
mangelung der Qualitäten oder seiner Natur nach unerforsch- 
lich ist, aber doch dem Erkennbaren sich ähnlich macht. 

21. (7480.) Dann erlangt die Buddhi, die sich bisher in 
den Qualitäten bewegt hatte, wegen ihrer Qualitätlosigkeit 
das Brahman und kehrt zurück von ihrem Behaftetsein mit 
den Qualitäten [die dann in ihr schlummern] wie das Feuer 
im Brennholze. 

22. (74^1.) So wie die fünf Sinne [etwa im Schlafe] von 
ihren Tätigkeiten frei werden, so wird auch das höchste 
Brahman frei, welches höher ist als die Prakriti. 

23. (7482.) In dieser Weise treten alle Verkörperten aus 
der Prakriti hervor, und bei ihrer Abkehr von derselben kehren 
sie zurück und gehen in den Himmel ein. 

24. (7483.) Der Purusha, die Prakriti, die Buddhi, die 
Sinnesobjekte (vishayähj und die Sinnesorgane (indriyäni), 
der Ahankära und (!) das Ichbewufstsein (abhimana), das ist 
der Komplex, welcher ein W r esen fbhutamj genannt wird. 

25. (7484.) Die ursprüngliche Entstehung dieses Komplexes 
geht hervor aus der Prakriti (pradhänainj, die sekundäre hält 



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Adhyäya 205 (B. 205). 



229 



sich an die gegenseitige Paarung, durcheinander ohne Unter- 
schied. 

26. (7485.) Dann wird aus gutem Verhalten Glückseligkeit 
gewonnen und aus bösem Unseligkeit ; der mit Leidenschaften 
Behaftete geht ein in die Prakriti , aber leidenschaftlos soll 
der sein, welcher das Wissen besitzt. 

8o lautet im Ifokihadbarma die Unterredung zwischen Manu und ßribaspati 

(Manu - Rnhaspati - *<nnrdda). 



AdhyAya 206 (B. 20Ü). 

Vers 7486-7517 (B. 1-32). 

Manu sprach: 

1. (7486.) Solange die fünf [Indriya's] samt dem Manas 
mit jenen fünfen [den Qualitäten] verbunden sind, wird jenes 
Brahman gesehen werden, wie ein Faden, der sich durch einen 
Edelsteinschmuck durchzieht. 

2. (7487.) Und wie es dann wieder derselbe Faden ist, der 
ein Goldgeschmeide durchzieht oder in Perlen, Korallen oder 
in einem tönernen Schmuck erscheint, 

3. (7488.) so erscheint in Ochsen, Pferden und Menschen 
oder in Elefanten und Antilopen, ja auch in Würmern und 
Schmetterlingen der durch seine eigenen Werke in sie ge- 
bannte Ätman. 

4. (7489.) Und je nach dem Körper, in welchem er lebt, 
und je nach dem Werke, welches er in ihm vollbringt, dem- 
entsprechend erlangt er durch diese oder jene Verkörperung 
die eine oder die andere Frucht. 

5. (7490.) Wie die Erde, die doch nur einen Geschmack 
hat, sich den Zwecken der verschiedenen Pflanzen anpafst, 
so bringt die Buddhi den jeweiligen innern Ätman zur Er- 
scheinung, indem sie sich dabei nach seinen Werken richtet 
[oder: so richtet sich die den innern Ätman zur Erscheinung 
bringende Buddhi nach den jeweiligen inneren Werken]. 

6. (7491.) Nach der Erkenntnis richtet sich das Verlangen, 



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230 



III. Mokshadhai nia. 



nach dem Verlangen die Absicht, nach der Absicht das Werk, 
das Werk als Wurzel habend ist sodann die Frucht. 

7. (7492.) Die Frucht geht zurück auf das Werk, das Werk 
auf das Erkennbare, das Erkennbare auf die Erkenntnis, die 
Erkenntnis auf das, was ist und nicht ist. 

8. (7493.) Wenn die Erkenntnisse und ihre Früchte, wenn 
die Erkenntnisobjekte und auch die Werke zugrunde gegangen 
sind, dann bleibt als Frucht das Wissen als eine Erkenntnis, 
die auf das Erkenntnisobjekt sich gründet. 

9. (7494.) Dieses ist das grofse höchste Wesen, welches 
die Yogin's schauen ; ihn, der im Atman weüt, schauen nicht 
die Unverständigen, deren Verständnis in den Guna's be- 
fangen ist. 

10. (7495.) Gröfser als die Erscheinungsform der Erde ist 
die der Wasser ; gröfser als die Wasser ist das Feuer, gröfser 
als das Feuer der Wind, 

11. (7496.) gröfser als der Wind ist der Äther, höher als 
dieser steht das Manas, gröfser als das Manas ist die Buddhi, 
gröfser als die Buddhi wird die Zeit genannt; 

12. (7497.) gröfser als die Zeit ist jener heilige Vishnu, 
der diese ganze Welt beherrscht; nicht Anfang, nicht Mitte, 
nicht Ende gibt es dieses Gottes. 

13. (7498.) Weil er ohne Anfang, ohne Mitte und ohne 
Ende ist, ist er der Unvergängliche; er ist erhaben über alle 
Leiden, denn das Leiden ist etwas Endliches. 

14. (7499.) Er ist das höchste Brahman, ist die Heimat, 
die höchste Stätte; die, welche zu ihm gelangen, werden er- 
löst von dem Reiche der Zeit und gehen in die Erlösung ein. 

15. (7500.) Sie leuchten hervor unter [den Guna's; weil 
gunalos, ist darüber erhaben das Höchste ;~die wahre Pflicht 
hat als Merkmal Einkehr in sich, dadurch wird man reif für 
die Unendlichkeit. 

16. (7501.) Die Hymnen, Opfersprüche und Lieder des Veda 
stützen sich auf den Körper, schweben auf der Zungenspitze, 
sindjmühsam zu gebrauchen und vergi'tn glich. 

17. (7602.) Nicht aber gilt von Brahman, dafs es auf den 
Körper sich stützend entstehe, nicht gilt von ihm, dafs es 



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Adhyäya 20« (B. 206). 



231 



mühsam zu gebrauchen sei, auch hat es weder Anfang, Mitte, 
noch Ende. 

18. (7503.) Einen Anfang haben die Hymnen, einen An- 
fang die vedischen Lieder und Opfersprüche, und was einen 
Anfang hat, das nimmt auch ein Ende; von dem ßrahman 
aber gibt es keinen Anfang. 

19. (7504.) Und weil es anfanglos und endlos ist, ist es 
ohne Ende und unvergänglich, und weil es unvergänglich 
ist, ist es frei von Leiden, keine Gegensätze enthaltend und 
daher das Höchste. 

20. (7505.) Vermöge ihres Verhängnisses, ihrer Ratlosig- 
keit und ihrer Kettung an die Werke sehen die Menschen 
nicht, wodurch sie zu seiner Stätte gelangen können. 

21. (7506.) Denn weil der Mensch mit den Sinnendingen 
behaftet ist und in ihnen etwas ewig [auch in der Brahman- 
welt] Fortdauerndes sieht und somit in seinem Herzen nach 
etwas anderm trachtet, darum gelangt er nicht zum Höchsten. 

22. (7507.) Was sie hier als Guna's [der Prakriti] sehen, 
danach trachten die niedrigen Menschen und verlangen nicht 
nach dem Höchsten, weil es gunalos ist, sie aber nach den 
Guna's begehren. 

23. (7608.) Wer aber in die niederen Guna's (Qualitäten) 
verstrickt ist, wie sollte der auch nur höhere Guna's er- 
kennen, — nur durch Folgerung ist es ja zu erkennen — wie 
sollte er durch die Guna's als seine Glieder das Höchste erlangen? 

24. (7500.) Durch feines Denken erkennen wir es, durch 
die Rede können wir es nicht ausdrücken; denn der Geist 
mufs durch den Geist erfafst werden und das Sichtbare durch 
das Sehen. 

25. (75io.) Durch die Erkenntnis läutert man die Buddhi, 
durch die Buddhi das Manas und durch das Manas die Schar 
der Organe, so erlangt man das Höchste. 

2fi. (76ii.) Wer durch die Buddhi freigemacht und 
durch das Manas gekräftigt worden ist, der kann zu dem 
Wunschlosen, Gunalosen gelangen, aber hienieden in ihrer 
Verstörung bleiben die Menschen von dem Höchsten aus- 
geschlossen, wie der Wind von dem Feuer, welches im 
Brennholze schlummert. 



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ITT. Mokshadharma. 



27. (7512.) Wenn die Guna's zertrümmert und Trennung 
von ihnen erreicht ist, dann richtet sich der Geist (nianas) 
immerfort auf das, was für die Buddhi zu hoch und zu 
tief ist; auf diese Weise vorgehend, gelangt man beim 
Abstreifen der Guna's zum Brahmanleibe. 

28. (7518.) Der Purusha, unentfalteten Wesens, nach- 
dem er die Werke entfaltet hat, geht zur Zeit des Endes 
wieder in die Unentfaltetheit ein, zusammen mit den Or- 
ganen, welche wachsen und wieder hinwelken, entwickelt 
auch er sich, nach Belieben sich gestaltend. 

29. (7614.) Mit allen Sinnesorganen verbunden und 
einen Körper erlangt habend, stützt er sich auf die fünf 
Elemente; weil er dazu nicht imstande ist vermöge des 
Werks, geht er hienieden nicht zu Ihm, von Ihm ver- 
lassen, der das Höchste, Ewige ist. 

30. (7515.) Der Mensch sieht nicht das Ende dieser 
Erde, und doch wird ihr Ende kommen, das sollst du 
wissen; sie [wohl: die Werke] verschlagen ihn, den in 
Verwirrung geratenen Höchsten, wie der Wind ein Schiff 
auf dem Meere. 

31. (7516.) Wie die Sonne, nachdem sie sich mit einer 
Beschaffenheit versehen hat, frei von dieser Beschaffen- 
heit wird, indem ihr Strahlenkranz schwindet, so geht 
ein Muni, wenn er hienieden das Unterschiedlose erlangt 
hat, zu dem qualitätlosen, unvergänglichen Brahman ein. 

32. (7517.) Den nicht [in den Samsära] Eingegangenen, 
der das höchste Ziel der Wohlgesinnten ist, den durch 
sich selbst Seienden, den Hort alles Entstehens, den Un- 
vergänglichen, dieses Ewige, Unsterbliche, Unvergäng- 
liche, Beständige, wer dieses erkennt, der erlangt die 
höchste Unsterblichkeit. 

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Mann und firlhatpati 

(Manu - Brihaspati - samrMa). 



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■ 

Adhyaya 207 (B. 207). 



233 



Adhy&ya 207 (B. 201). 

Vers 7518-7566 (B. 1-49). 

Yudhishthira sprach: 

1.17518.) O hochweiser ürofsvater! Von dem lotosaugigen, 
unerschütterlichen Weltschöpfer, dem unerschaffenen Vishnu, 
rsprung und Vergange der Wesen, 

2. (7519.) von dem Närayana, dem Struppigen, dem Kuh- 
gewinner, dem Unüberwindlichen, von diesem, dem Voll- 
haarigen, wünsche ich, o Bester der Bharata's, der Wahrheit 
g^mäfs zu hören. 

BMshma sprach: 

3. Mitgeteilt wurde diese Sache von Rama, dem 
Sohn des Jamadagni, der sie erzählte, und von dem Götter- 
*H*en Narada und von Krishna und von Dvaipäyana (Vyäsa). 

4. 1.7581 .j Asita und Devala, o Freund, und der bufsereiche 
Välmiki und Markandeya erzählen von dem Kuhgewinner ein 
zrofees Wunder. 

5. <7588.) Der Vollhaarige (Krishna), o Bester der Bharata's, 
wird mit vielen Namen bezeichnet als der Heilige, der Gott, 
der Herr, der Purusha, das All, der Alldurchdringende. 

6. (7543.) Was aber die Brahmanen in der Welt wissen 
von dem Träger des hörnernen Bogens (Vishnu- Krishna), von 
dem Hochherzigen, das vernimm, o Yudhishthira, du mit den 
langen Armen. 

7. (7524.1 Und was, o Fürst der Menschen, die Kenner 
d« Altertums an Taten betreffend den Kuhgewinner erzählen, 
die will ich dir berichten. 

k. /7585.) Er, das Selbst der Wesen, das grofse Selbst 
und der höchste Purusha, hat die grofsen Elemente, Wind 
|Im*: c4yt<rw|, Feuer, Wasser, Äther und Erde, nacheinander 

rwsc.) t'nd er, der Herr und Meister aller Wesen, nach- 
d«n er die Erde geschaffen hatte, schuf sich eine Behausung 
n den Wassern, er, der hochherzige, höchste Purusha. 
10. (7587.1 Der alle Kräfte in sich befassende, höchste 



uigmzea Dy Vjüü 



234 



ITT. Mokßhadharraa. 



Purusha , in dieser Behausung liegend , schuf als Erst- 
geborenen aller Wesen den Sankarshana [nach Nil. gleich 
Ahankara] ; 

11. (7528.) ihn hat er als Träger aller Wesen mittels seines 
Manas geschaffen, so haben wir vernommen, und dieser trägt 
die Wesen, beide, die vergangenen und die zukünftigen. 

12. (7529.) Darauf entstand in diesem Grofsarmigen, Hoch- 
herzigen, nachdem er in die Erscheinung getreten war, in 
seinem Nabel eine sonnengleiche, himmlische Lotosblume. 

13. (7530.) In dieser Lotosblume entstand, die Himmels- 
gegenden bestrahlend, der heilige Gott Brahmän, o Freund, 
der Urvater aller Wesen. 

14. (7531.) Und weiter entstand in diesem Grofsarmigen, 
Hochherzigen, nachdem er in die Erscheinung getreten war, 
mittels des Tamas ein grofser Dämon mit Namen Madhu. 

15. (7532.) Diesen Gewaltigen, Gewalttätigen, gewaltige 
Werke Unternehmenden erschlug der höchste Purusha, dem 
Gotte Brahmän Genugtuung verschaffend. 

16. (7533.) Und weil er, o Freund, diesen erschlagen hatte, 
so nannten ihn alle Götter, Dänava's und Menschen den 
Madhusudana (Madhutöter), ihn, den Stier unter dem Volke 
der Sätvanfs. 

17. (7534.) Weiterhin schuf der Gott Brahmän als seine 
geistigen Söhne die den Daksha als Siebenten Habenden, 
Marici, Atri, Angiras, Pulastya, Pulaha und Kratu. 

18. (7535.) Marici als Erstgeborener zeugte, o Freund, als 
Erstgeborenen den Käcyapa, als seinen geistigen Sohn, den 
kraftvollen Brahmankundigsten. 

19. (7536.) Und noch vor Marici hatte Gott Brahmän aus 
seiner Zehe einen erschaffen, und der war, o Bester der ßha- 
rata's, der Daksha genannte Schöpfer der Wesen. 

20. (7537.) Ihm wurden zunächst , o Bhärata, als dem 
Schöpfer der Wesen dreizehn Töchter geboren, von diesen 
war die Älteste die Diti. 

21. (7538.) Und der die Unterschiede aller Pflichten ken- 
nende, unbefleckte Ehre habende, hochberühmte Sohn des 
Marici, der Käcyapa, o Freund, wurde ihrer aller Gatte. 

22. (7539 ) Und nachdem der sehr Glückliche mit ihnen 



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Adhy&va 207 (B. 207). 



1'35 



zehn weitere Töchter gezeugt hatte, gab er, der Daksha, der 
Schöpfer der Wesen, sie dem Dharma, er, der Dharmakundige. 

23. (7540.) Die Sohne des Dharma waren die Vasu's, die 
unermefslich kräftigen Rudra's, die Vicve Deväh, die Sädhya's 
und die Marutvant's, o Bhärata. 

24. (7541.) Auch waren da noch siebenundzwanzig weitere, 
von jenen verschiedene, jüngere Töchter [des Daksha], und 
zum Gatten von ihnen allen wurde der sehr glückliche Sorna. 

25. (7542.) Aber jene anderen [dreizehn Frauen des Kagyapa] 
gebaren Gandharva's, Rosse, Vögel, Kühe, Kimpurusha's, 
Fische, Pflanzen und Bäume. 

26. (7543.) Aditi gebar die Aditya's als die Besten der 
Götter von grofser Kraft; unter ihnen war es Vishnu, der 
als Zwerg entstand und auch als der Herr, Govinda, geboren 
wurde. 

27. (7544.) Durch das Ausschreiten des Vishnu wurde das 
Glück der Götter vermehrt, und die Danava's wurden besiegt, 
wie auch die dämonische Nachkommenschaft der Diti. 

28. (7545.) Nämlich Danu hatte die Danava's mit Vipra- 
citti als Oberstem erzeugt, Diti aber hatte alle die Dämonen 
von grofser Macht geboren. 

29. (754»;.) Madhusüdana schuf Tag und Nacht, die Zeit 
den Jahreszeiten entsprechend, den Vormittag und den Nach- 
mittag, dies alles bildete er. 

30. (7547.) Nachdem er meditiert hatte, schuf er die Wolken, 
sowie das Unbewegliche und Bewegliche, und auch die ganze 
Erde mit ihrem Inhalt schuf er durch seine grofse Kraft. 

31. (7548.) Dann weiter schuf der sehr glückliche Krishna, 
o Yudhishthira, als Beste ein Hundert Brahmanen, aus seinem 
Munde schuf sie der Herr, 

32. (7549.) und aus seinen Armen hundert Kshatriya's, 
aus seinen Schenkeln hundert Vaicya's und aus seinen Füfsen 
hundert Rudra's schuf der Vollhaarige, o Stier der Bharata's. 

33. (7550.) Und nachdem er, der Askesereiche, in dieser 
Weise die vier Kasten hervorgebracht hatte, bildete er als 
Aufseher aller Wesen den Schöpfer selbst, 

34. (755i.) den Verleiher des Vedawissens, den unermefs- 
lich glänzenden Gott Brahmän. Und als Aufseher der Gcister- 



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236 



III. Moksliadhanna. 



und Mütterscharen schuf er den Gott mit den seltsamen Augen 
[virüpaksha, d. h. (^iva]. 

35. (7652.) Ferner schuf der alle Wesen Beseelende den 
Züchtiger der Bösen und Beherrscher der Väter, den Gerechtig- 
keit Übenden [Yama], sowie auch den schatzhütenden Herrn 
des Reichtums [Kubera]. 

36. (7553.) Auch schuf der Herr als Beschützer der See- 
tiere den Varuna, den Herrn der Wasser, und als Aufseher 
aller Götter bildete er den Väsava [Indra]. 

37. (7554.) Solange jedesmal bei den Menschen die Lust 
bestand, einen Körper zu tragen, solange lebten sie damals, 
und es bestand keine Furcht vor Yama [dem Todesgotte], 

38. (7555.) Auch bestand für sie, o Stier der Bharata's, 
noch nicht der Brauch der Begattung, sondern auf ihren 
blofsen Wunsch hin entstand ihnen Nachkommenschaft. 

39. (7556.) Dann aber in der Zeit des Weltalters TretÄ 
entstand die Nachkommenschaft durch blofse Berührung, und 
auch für die damals Lebenden bestand noch nicht der Brauch 
der Begattung, o Männerfürst. 

40. (7557.) Aber in dem Zeitalter Dväpara entstand unter 
den Menschen der Brauch der Begattung, o Herr, und in dem 
Zeitalter Kali, o König, gerieten die Menschen in Zwietracht. 

41. (7558.) Jener (Krishna) wird der Herr der Wesen, 
o Freund, und der gute Aufseher [von den Frommen] ge- 
nannt. Nun aber will ich dir, o Kuntisohn, diejenigen nennen, 
welche sich nicht um ihn kümmern; das vernimm. 

42. (755y.) Es sind als Bewohner des Südens, o Bester 
der Männer, alle Andhrakas, die Guha's, Pulinda's, Qabara's, 
Cücuka's und Madraka's. 

43. (7560.) Es sind aber auch Bewohner des Nordens, auch 
diese will ich dir nennen : die Yauna's, Kämboja's, Gändhära's, 
Kirata's und Barbara's. 

44. (7561.) Diese, o Freund, leben als Übeltäter auf dieser 
Erde und haben Gebräuche, o Männerherr, wie die Hunde- 
kocher, Krähen und Geier. 

45. (7562.) Diese, o Freund, lebten noch nicht im Welt- 
alter Kritam auf dieser Erde, sondern erst vom Weltalter 
Treta an entstanden diese Völker, o Stier der Bharata's. 



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Adhyaya 207 (B. 207). 



237 



46. (7663.) Nun aber, nachdem diese furchtbare Welt- 
periode der Dämmerung angebrochen war, gerieten die Könige 
aneinander und griffen sich gegenseitig an. 

47. (7564.) In dieser Weise hat, o Bester der Kuru's, jener 
von dem Hochsinnigen ans Licht gebrachte Götterweise Närada, 
der alle Welten Schauende, den Gott verkündigt. 

48. (7566.) Und Närada war es auch, welcher die Höchst- 
heit des Krishna erkannte, o Männerherr, und seine Ewig- 
keit, o Grofsarmiger, der Wahrheit nach, o Stier der Bharata's. 

49. (7666.) Und darum ist jener grofsarmige, wahrhaft 
tapfere Vollhaarige, der Unausdenkbare, Lotosaugige; nicht 
ist er ein blofser Mensch. 

So lautet im Mokshadhanna die Entstehung aller Wesen 

Charta - bhäta - utpatti). 

Adhyftya 208 (B. 208). 

Vers 7567-7603 (B. 1-37). 

Yudhishthira sprich: 

1. (7567.) Welche Herren der Geschöpfe sind vordem ge- 
wesen, o Stier der Bharata's, und welche hochbeglückten 
Rishi's werden je nach den einzelnen Himmelsgegenden über- 
liefert? 

Bhlshma sprach: 

2. (7568.) Vernimm, o Bester der Bharata's, das, wonach 
du mich fragst, welche Herren in dieser Welt gewesen sind, 
und welche Rishi's für die einzelnen Himmelsgegenden er- 
wähnt werden. 

3. (7569.) Als erster war der eine Heilige, durch sich selbst 
Seiende, der ewige Gott Brahmän, von Brahmän aber stammen 
sieben hochherzige, durch sich selbst seiende Söhne: 

4. (767o.) Marici, Atri, Angiras, Pulastya, Pulaha, Kratu 
und [an Stelle des oben Vers 7634 erwähnten Daksha] der 
hochbeglückte Vacishtha, vergleichbar dem durch sich selbst 
Seienden. 

6. (757i.) Als sieben Brahmän's werden diese in dem 



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238 



III. MokBhadharma. 



Puränam mit Gewifsheit bezeugt. Weiter will ich dir nun 
alle Herren der Geschöpfe mitteilen. 

6. (7572.) Aus dem Geschlechte des Atri entsprang, dem 
Stamme des Gottes Brahmän angehörig, der ewige, heilige 
Präcinabarhis; von ihm stammen die zehn Präcetas. 

7. (757a.) Diese zehn hatten einen Sohn, den Daksha ge- 
nannten Herrn der Geschöpfe, welcher in der Welt zwei 
Namen fuhrt, indem er Daksha und auch Ka genannt wird. 

8. (7674 ) Von Marici stammt sein Sohn Kacyapa, und 
auch er hat zwei Namen; die einen kennen ihn als Arishtanerai, 
die andern als Kacyapa. 

9. (7R75.) Von Atri stammte als leiblicher Sohn der herr- 
liche König Sorna, der Held, welcher zehn göttliche W elt- 
alter durch Verehrung übte. 

10. (7676.) Auch Aryaman, der heilige, und seine Söhne, 
o Herr; diese werden als Gesetzgeber und als Weltschöpfer 
genannt. 

11. (7577.) Qacabindu aber hatte zehntausend Gattinnen, 
o Unerschütterlicher, und von jeder einzelnen von ihnen 
wurden tausend Söhne geboren. 

12. (7578.) In dieser Weise entsprangen von diesem Hoch- 
sinnigen zehnmal hunderttausend Söhne; diese alle erkennen 
keinen andern Herrn der Geschöpfe [als ihren Stammvater] an. 

13. (7579.) Diese Nachkommenschaft des Qacabindu be- 
zeugen die alten Weisen, und dieses grofse Geschlecht des 
Herrn der Geschöpfe war der Ursprung des Vrishnistammes. 

14. (7580.) Damit sind die berühmten Herren der Geschöpfe 
dargelegt. Weiter will ich dir von den Göttern reden, w r elche 
die Drei weit regieren. 

15. (758i.) Bhaga, Anca und Aryaman, Mitra, sowie auch 
Varuna und Savitar, Dhätar und der grofsmächtige Vivasvant, 

16. (7582.) Tvashtar, Püshan und Indra und als zwölfter 
wird Vishnu genannt, diese zwölf Aditya's sind Söhne des 
Kacyapa. 

17. (7688.) Näsatya und Dasra werden überliefert als die 
beiden Acvin's, diese sind Söhne des Märtanda, des hoch- 
sinnigen achten [Aditya, d. h. des Vivasvant]. 

18. (7684.) Diese wurden vordem als Götter und als die 



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Adhy&ya 208 (B. 20*). 



239 



zwei Arten der Väter bezeichnet [die Prajäpatfs als Väter 
der Welt und die Söhne der Götter, welche von den durch 
sie belehrten Göttern Väter genannt wurden]. Der Sohn des 
Tvashtar war der herrliche, hochberühmte Vigvarüpa; 

19. (7685.) ferner Aja Ekapät, Ahi, Bradhna, Virupäksha 
und Raivata, Hara, Bahurüpa und Tryambaka, der Herr der 
Götter, 

20. (7686.) Sävitra und Jayanta und der unbesiegbare 
Pinäkin. Schon oben wurden die hochbeglückten acht Vasu's 
genannt. 

21. (7587.) Diese so gearteten Götter stammen von Manu, 
dem Herrn der Geschöpfe. Diese wurden vordem als Götter 
und als die zwei Arten der Väter bezeichnet. 

22. (7588.) An Charakter und Jugend verschieden war die 
Schar der Siddha's, und von ihr verschieden die der Sädhya's; 
Ribhu's und hinwiederum Marut's wird eine Schar von Göttern 
genannt. 

23. (7589.) Als solche werden auch jene Vicve Deväh er- 
wähnt, sowie die Acvin's. Die Aditya's sind die Kshatriya's 
unter diesen [Göttern], die Marut's die Vaicya's. 

24. (7590.) Die Acvin's hingegen gelten für (^üdra's, haben 
aber ungeheure Askese betrieben ; und endlich die von Angiras 
stammenden Götter sind die Brahmanen unter ihnen, das ist 
gewifs. 

25. (7&9i.) In dieser Weise wird das Vierkastensystem 
auch in betreff der Götter gelehrt. Wer nun, nachdem er 
morgens aufgestanden, diese Götter preiset, 

26. (75»2.) der wird von allem Bösen, mag es von ihm 
selbst stammen, oder von anderen herrühren, befreit. Yava- 
krita, Raibhya, Arvävasu und Parävasu, 

27. (7593.) Kakshivant, der Sohn der Ucij, und Bala, der 
Sohn des Angiras, der Rishi Kanva, der Sohn des Medhätithi, 
sowie Barhishada, 

28. (7594.) diese Schöpfer der Dreiwelt, wohnen, sowie 
auch die sieben Rishi's, im Osten. Unmuca und Vimuca 
und der heldenmütige Svastyatreya, 

29. (7695.) Pramuca, Idhmaväha und der heilige Dridhavrata, 
ferner Agastya, der askesereiche Sohn des Mitra und Varuna, 



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240 III. Mokshadharma. 

30. (7596.) diese Brahmanweisen halten sich allezeit auf 
in der südlichen Gegend. Ushangu, Kavasha, Dhaumya, 
Parivyädha, der Held, 

31. (7597.) auch Ekata, Dvita und Trita, die grofsen 
Weisen, und der heihge Sohn des Atri, der mächtige Särasvata, 

32. (7598.) alle diese Hochherzigen wohnen in der west- 
lichen Himmelsgegend. Atreya, Vasishtha und der grofse 
Weise Kacyapa, 

33. (7599.) ferner Gautama, Bharadväja und Vicvamitra, 
der Sohn des Kucika, sowie des hochherzigen Ricika heiliger 
Sohn, 

34. (76oo.) Jamadagni, diese sieben wohnen in der nörd- 
lichen Himmelsgegend. Damit sind alle die kraftvoll Kräf- 
tigen nach ihrer Himmelsgegend aufgezählt, 

35. (7601.) die hochherzigen Zeugen [der Weltschöpfung] 
und Schöpfer der Welten. In dieser Weise wohnen diese 
Hochherzigen, ein jeder in seiner Himmelsgegend. 

36. (7602.) Wer sie anruft, der wird von allem Bösen er- 
löst, indem er sich daduroh unter den Schutz derjenigen 
Himmelsgegend stellt, welcher jeder einzelne von ihnen an- 
gehört. 

37. (7603.) Er wird erlöst von allem Bösen und geht be- 
glückt nach Hause. 

So lautet im Mokftharfharma die Glückeformel der llimuielsKogeutlen 

(di\dm noMtikam). 



Adhyftya 209 (B. 209). 

Vers 7604-7640 (B. 1-36). 

Yudhiahthira sprach : 

1. (7604.) 0 weiser Grofsvater, du wahrhaft Tapferer im 
Kampfe, ich wünsche in Vollständigkeit zu hören von Krishna, 
dem ewigen Gotte, 

2. (7605.) und welches seine überaus grofse Kraft und 
welches sein vordem vollbrachtes Werk ist. Das alles sage 
mir der Wahrheit gemäfs, o du Stier unter den Männern. 



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Adhyaya 209 (B. 209). 



241 



3. (;«o6.) Sage mir, wie der Herr, in einen Tierschofs 
eingegangen, sich zur Erscheinung brachte, und duroh welche 
Grofstat- Gewährung dies geschah, das verkündige mir, o 
Grofsmächtiger. 

Bhishma sprach: 

4. (7607.) Einstmals auf die Jagd gegangen weilte ich in 
der Einsiedelei des Märkandeya; daselbst sah ich Scharen 
von Muni's. welche zu Tausenden umhersafsen. 

5. (7608.) Diese erwiesen mir Ehre durch eine Honigs pende, 
ich aber nahm die Ehrenerweisung entgegen und sprach den 
Rishi's meinen Dank aus. 

fi. (7«09 > Daselbst wurde von dem grofsen Weisen Kacyapa 
folgende Geschichte erzählt Diese herzerquickende, himm- 
lische Erzählung vernimm mit aufmerksamem Geiste. 

7. 17610.) Einstmals geschah es, dafs die Obersten der 
Danava's. von Zorn und Begierde erfüllt, von Kraft trunken, 
m Hunderten mit Naraka an der Spitze, dafs diese grofsen 
Ffcmonen 

8. (7«n.) und noch viele andere Dänava's von arger Wild- 
heit im Kampfe es nicht ertrugen, das höchste Gedeihen der 
(bitter zu sehen. 

1*. r;*i2.> Die Götter aber und die Götterweisen, von den 
bänava's bedrängt, fanden keinen Schutz, o König, indem 
«j- hierhin und dorthin flüchteten. 

10. (reis > Da sahen die Bewohner des Himmels die Erde 
id bedrängter Lage, wie sie von den Dänava's, den furcht- 
►•r halteten, grofsmächtigen, ganz überdeckt war 

IL (76u.) und, von dieser Last gedrückt, freudlos und 
-chmerzgequält versank. Da sprachen die geängstigten Söhne 
4er Aditi zum Gotte Brahmän folgendermafsen : 

12. (76ts> Wie werden wir, o Brahmän, der Vergewalti- 
ge durch die Danava' s Meister werden? Da sprach der 
durch «oh selbst Seiende: Ich habe hierfür schon einen Aus- 
»n: vorbereitet. 

i:>. Ganz erfüllt von ihrem Werte, ihrer Gewalt 

uad ihr*r Tollheit bemerken sie nicht, die Toren, den Vishnu, 
Erscheinung noch verborgen ist, 



242 



III. Mokshadhanna. 



14. (Ten.) den, wenn er die Gestalt eines Ebers annehmen 
wird, auch von Unsterblichen unbezwingbaren Gott. Der 
wird im Sturm dorthin eilen, wo jene gemeinen Dänava's 

15. (7618.) in die Erde eingedrungen, die Furchtbaren, zu 
Tausenden weilen, und wird sie zur Ruhe bringen. Als dies 
die vortrefflichen Götter hörten, freuten sie sich. 

16. (7619.) Darauf nahm der sehr kräftige Vishnu die Ge- 
stalt eines Ebers an, drang in die Erde ein und ging auf die 
Söhne der Diti los. 

17. (7620.) Als nun die Ditisöhne allesamt dieses nicht- 
menschliche Wesen sahen, da erhoben sie sich alle mit Ge- 
walt und Ungestüm, vom Todesgotte (Käla) verblendet. 

18. (7621.) Darauf stürmten sie alle im Verein auf den 
Eber los und packten ihn ; und voll Zorn zerrten sie den Eber 
von allen Seiten. 

19. (7622.) Aber die Dänava-Fürsten, obgleich mit grofsen 
Leibern und von grofser Tapferkeit und hochfahrend vermöge 
ihrer Kraft, vermochten ihm nichts anzutun, o Herr. 

20. (7623.) Da gerieten die Dänava- Fürsten in Staunen 
und in Furcht und begriffen zu Tausenden, dafs ihr eigenes 
Selbst Gefahr zu laufen drohte. 

21. (7624.) Da geschah es, dafs der Obergott der Götter, 
von Yoga erfüllt und als Lenker der Yoga- Anschirrung zum 
Yoga greifend, o ßester der Bharata's, dafs er, der Heilige, 
damals 

22. (7625.) ein grofses Gebrüll ausstiefs und dadurch die 
Daitya's und Dänava's in Verwirrung brachte, ein Gebrüll, 
von welchem die Welten und alle zehn Himmelsgegenden 
widerhallten. 

23. (7626.) Durch diesen widerhallenden Ton entstand eine 
Erschütterung der Welten, die Götter mit Indra an der Spitze 
gerieten in der Welt in grofsen Schrecken, 

24. (7627.) und die Lebewelt war ganz starr damals, die 
unbewegliche und die bewegliche, durch dieses Gebrüll in 
Bestürzung geratend, 

25. (7628.) und alle die Dänava's, durch dieses Gebrüll in 
Furcht versetzt, stürzten leblos nieder, betäubt duroh die 
Kraft des Vishnu. 



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Adhyaya 209 (B. 209). 



1>43 



26. (762«».) Und auch in die Unterwelt stieg der Eber hinab 
und zerrifs mit seinen Klauen das Gefiige von Fleisch, Fett 
und Knochen der Götterhasser. 

27. (763o.) Aber wegen jenes grofsen Gebrülls fnädaj 
wurde er Sanätana (der Ewige) genannt, er, der lotos- 
entsprossene, grofse Yogin, der Lehrer und Fürst der Wesen. 

28. (7631.) Da liefen alle die Götterscharen zum Urvater 
und, bei ihm angelangt, sprachen die Hochherzigen zum Herrn 
der Welt: 

29. (7632.) Was ist das für ein Gebrüll, o Gott, wir kennen 
es nicht, o Herr? Was ist es mit ihm, und von wem kommt 
das Gebrüll, durch welches die Welt ins Wanken ge- 
bracht wird 

30. (7633.) und Götter und Dänava' s in Verwirrung ge- 
raten vermöge seiner durchdringenden Macht? In diesem 
Augenblicke erhob sich in der Gestalt des Ebers Vishnu, 
(7634.) o Grofsarmiger, er, der von grofsen Weisen Gepriesene. 

Der Allvater sprach: 

31. (7635.) Der die Dänava-Herren niedergeworfen hat, der 
sehr erhabene, sehr kräftige, dieser Gott, der grofse Yogin, 
der Beseeler und Bildner der Wesen, 

32. (7636.) der Herr aller Wesen, der Yogin, der Muni, 
das Selbst des Selbstes, — bleibt getrost ! — es ist Krishna, 
der Vernichter aller Hindernisse. 

33. (7637.) Er ist es, der dieses überaus wohltätige, un- 
mögliche Werk vollbracht hat, der unermefslich Glänzende, 
nunmehr in seine Wesenheit Zurückgekehrte, der sehr Glück- 
liche, sehr Leuchtende, 

34. (7638.) der Lotosnablige, der grofse Y r ogin, der hoch- 
herzige Bildner der Wesen. Keine Qual, keine Furcht, kein 
Kummer überkomme euch, o Beste der Götter! 

35. (7639.) Er ist der Schöpfer, ist die Majestät und ist 
auch die Vernichtung bewirkende Zeit. Von ihm, der die 
Welten erhält, von dem Hochherzigen ist jenes Gebrüll aus- 
ffestofsen worden. 

36. (7640.) Und er, der Grofsarmige, wird in allen W'elten 

16* 



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244 HI. Mokshadharma. 



verehrt, der Unerschütterliche, Lotosaugige, der Ursprung 
aller Wesen, der Gottherr. 

So lautet im Mokshadharma das Spiel in der Erde 
(anlas- bhtoni- vikridanam). 

Adhyftya 210 (B. 210). 

Vers 7641-7688 (B. 1-46). 

Yudhishthira sprach: 

1. (7641.) Den höchsten Yoga der Erlösung, o Freund, er- 
mir, o Bhärata; ihn wünsche ich der Wahrheit gemäfs 

zu erkennen, o Bester der Redenden. 

Bhlshma sprach: 

2. (7642.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung eines Schülers mit seinem 
Lehrer in betreff der Erlösung. 

3. (7643.) Einem Brahmanen, der dasafs als Lehrer, als vor- 
züglicher Weiser, als eine Fülle von Glanz, hochherzig, sein 
Wort haltend, seine Sinne bezähmend, 

4. (7644.) diesem nahte ein überaus verständiger, heils- 
bedürftiger, sehr aufmerksamer Schüler, umfafste seine Füfse 
und sprach, indem er mit zusammengelegten Händen vor 
ihm stand: 

ö. (7645.) Wenn du zufolge meiner Verehrung mir gnädig 
bist, o Heiliger, so mögest du mir einen grofsen Zweifel, den 
ich hege, aufklären: (7646.) Woher bin ich und woher bist 
du? Diese wichtigste Frage mögest du mir vollständig be- 
antworten. 

6. Und wie kommt es, o Bester der Z wiegeborenen , da 
doch alle Wesen unter den gleichen Bedingungen stehen, 
(7647.) dafs ihr regelrecht verlaufendes Vergehen und Wieder- 
geborenwerden in so entgegengesetzter Weise stattfindet? 

7. Und auch was der Veda darüber sagt, und was die 
weltliche, für alle verbindliche Tradition [der Smriti] davon 



uigmzea oy t^c 



Adhyaya 210 (B. 210). 



245 



lehrt, (7648.) das, o Weiser, mögest du mir alles der Wahr- 
heit gemäfs erklären. 

Der Lehrer sprach: 

8. (764$>.) Vernimm, o hochverständiger Schüler, dieses 
höchste Brahmangeheimnis , und was das Gute ist an allen 
Wissenschaften und heiligen Uberlieferungen, sofern es das 
innere Selbst betrifft. 

9. (7650.) Der Sohn des Vasudeva (Krishna) ist jenes 
Höchste, ist der Mund der ganzen Brahmanoffenbarung; er ist 
Wahrheit und Wissen, ist Opfer, Ausharren, Bezähmung und 
Redlichkeit. 

10. (7651.) Er ist es, den die Vedakenner als den Purusha, 
den ewigen Vishnu wissen, als den Urheber von Schöpfung 
(sarga mit C.) und Vergang, als das unoffenbare, ewige 
Brahman. 

11. (7652.) So vernimm dieses heilige Wort, die Erzäh- 
lung betreffend den Vrishnisprofs (Krishna). Ein Brahmane 
mufs von Brahmanen gehört werden, ein Krieger von Kriegern, 

12. (7653.) ein Vaicya mufs von Vaicya' s gehört werden 
und ein (^üdra, wenn er hochsinnig ist, von (^udra's. Du 
sollst die Majestät des Göttergottes, des Vishnu von unermefs- 
licher Kraft, — 

13. (7654.) würdig dessen bist du — du sollst den schönen, 
höchsten Vrishnisprofs kennen lernen, der das Rad der Zeit 
ist, den Anfanglosen, Endlosen, der Sein und Nichtsein als 
Merkmale an sich trägt. 

14. (7655.) In ihm, dem Herrn aller Wesen, dreht sich 
die Dreiwelt wie ein Rad. Jenes unvergängliche, unoffenbare, 
unsterbliche, ewige Brahman (765« ) bezeichnen sie, o Männer- 
tiger, als den Vollhaarigen, den Stier unter den Männern. 

15. Er hat die Väter, Götter und Rishi's und ebenso die 
Halbgötter und Kobolde, (7657.) die Schlangen, Dämonen und 
Menschen geschaffen, er, der Höchste, Unvergängliche. 

16. Und er hat auch die Vedavorschriften und die ewigen 
Weltgesetze, (7658.) nachdem er Vergang und Neuschöpfung 
bewirkt, zu Anfang der Weltalter wiederum geschaffen. 

17. So wie in einer Jahreszeit die mannigfachen Attribute 



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246 



III. Mukshadhariua. 



der Jahreszeit im Umlaufe der Zeit (7659.) zur Erscheinung 
kommen, bald die einen, bald die andern, so ist es mit den 
Zuständen (bhävaj am Anfange der Weltalter. 

18. Und was immer irgendwann durch Fügung der Zeit 
zu Anfang der Weltalter zum Vorschein kommt (7660.) an 
Wissen, das gelangt zur Entstehung, indem es nach Ordnung 
des Weltganges geboren wird. 

19. Was am Ende eines Weltalters an Veden und epi- 
schen Gedichten latent geworden war, (7661.) das haben grofse 
Weise [im neuen Weltalter] vor Zeiten kraft ihrer Askese 
empfangen, begnadet damit durch den durch sich selbst 
Seienden. 

20. Als Vedakenner weifs [den Veda] der Heilige, die 
Vedänga's weifs Brihaspati, (7662.) und der Bhrigusohn hat 
das Lehrbuch der Lebensführung zum Heile der Welt ver- 

• kündet. 

21. Die Musikwissenschaft weifs Närada, die Kriegs- 
wissenschaft Bharadväja, (7663.) den Lebenslauf der Gotter- 
weisen Gärgya, die Heilkunde Krishnätreya. 

22. Die mannigfachen Lehrbücher der Logik wurden von 
diesen und jenen Lehrern gelehrt, (7664.) und alles, was an 
Argumenten, heiligen Uberlieferungen und gutem Lebens- 
wandel gelehrt worden ist, das soll man verehren. 

23. Jenes anfanglose höchste Brahman wissen nicht 
Götter und nicht Weise, (7ggb.) nur einer weifs es, der heilige 
Schöpfer, Näräyana, der Herr. 

24. Von Närayana stammen die Scharen der RishTs so- 
wie die obersten Götter und Dämonen, (7666.) auch die alten 
Königsweisen und das höchste Heilmittel der Schmerzen. 

25. Wenn nun die Prakriti die vom Purusha (Närayana) 
verwalteten Zustände fbhävaj gebiert, (7667.) dann entwickelt 
sich die durch sie vorher mit den Ursachen ihrer Entstehung 
ausgestattete Welt. 

26. Wie an einer Fackel andere Fackeln tausendfach 
sich entzünden, (7668.) so gebiert die Prakriti und wird doch 
wegen ihrer Unerschöpflichkeit nicht vermindert. 

27. Aus dem Unentfalteten (der Prakriti) entsteht die 
werkbedingte Buddhi, und sie erzeugt den Ahankara; (7669.) aus 



uigmzea Dy Liüü 




Adhyaya 210 (B. *210). 



247 



dem Ahankära [entspringt] der Äther, aus dem Äther ent- 
steht der Wind, 

28. aus dem Wind das Feuer, aus diesem das Wasser, 
und aus dem Wasser geht die Erde hervor; (7»;7o.) diese acht 
sind die Grundnaturen und in ihnen ist die Welt gegründet. 

29. Der Erkenntnisorgane sind fünf, sowie auch fünf 
Tatorgane, (7671.) ferner fünf Objekte fvishayaj und das eine 
Manas als Sechzehntes, im Bereiche des [aus den Grund- 
naturen] Umgewandelten. 

30. Auge, Ohr, Haut, Augen, Zunge und Nase sind die 
Erkenntnisorgane; (7672.) Füfse, Entleerungs- und Zeugungs- 
organ, Hände und Rede sind die Tatorgane (harmani, im 
Dual !) 

31. Ferner sind da Ton, Gefühl, Gestalt, Geschmack und 
Geruch, (7673.) und als das sie alle durchdringende Geistes- 
organ soll man das Manas wissen. 

32. Zur Erkenntnis des Geschmacks dient die Zunge, 
zum Sprechen die Rede; (7674.) vermöge seiner Verbindung 
mit den mannigfachen Organen ist das Manas die ganze 
[funfzehnfach] entfaltete Natur. 

33. Von diesen sechzehn soll man wissen, dafs sie, ein 
jedes an seinem Teil, Gottheiten sind, (7675.) welche den in 
den Leibern weilenden Urheber der Erkenntnis verehren. 

34. Demnach ist der Geschmack die Qualität des Wassers, 
der Geruch die Qualität der Erde, (7«76.) das Gehör die Quali- 
tät des Äthers und das Gesicht die Qualität des Feuers ; das 
Gefühl soll man wissen als Qualität des Windes in allen 
Wesen jederzeit. 

35. (7677.) Das Manas gilt für eine Qualität des Sattvam, 
das Sattvam aber ist aus dem Unentfalteten geboren; darum 
soll der Weise dieses [das Sattvam] erkennen als das, was 
zu ihrem Selbste geworden in allen Wesen weilt. 

36. (7678.) Diese Wesenheiten fbhävaj tragen die ganze 
Welt mit allem Beweglichen und Unbeweglichen; sie aber 
gründen sich auf den von Leidenschaft frajnsj freien Gott, 
den man noch höher stellt als die Prakriti. 

37. (7679.) Die heilige Stadt mit den neun Toren [der 
Leib] ist von diesen Wesenheiten erfüllt; in ihr liegt, sie 



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248 



III. Mokshadhanna. 



durchdringend, das grofse Selbst (mahän ätmaj; darum wird 
es der Purusha genannt. 

38. (7680.) Nicht alternd und unsterblich ist dieser, als 
Entfaltetes und Unentfaltetes wird er bezeichnet; alldurch- 
dringend ist er, gunabehaftet und unerkennbar, er ist die 
Grundlage der Guna's in allen Wesen. 

39. (7681.) So wie eine Fackel, mag sie klein oder grofs 
sein, ihrem Wesen nach Licht ist, so soll man das Erkennt- 
nisselbst (jhäna-ätman) als den Purusha in allen Geschöpfen 
erkennen. 

40. (7682.) Er ist es, der für das Ohr das zu Erkennende 
erkennbar macht, er ist es, der da hört und der da sieht; 
Ursache dieses Tuns ist dieser Leib, er aber ist der Bewirker 
aller Werke. 

41. (7683.) Wie das im Holz latente Feuer, auch wenn 
man das Holz spaltet, nicht zu sehen ist, so wird dieser im 
Körper weilende Atman nur durch den Yoga gesehen. 

42. (7084.) Wie nämlich das Feuer, wenn man das Holz 
durch eine Vorrichtung reibt, sichtbar wird, so wird dieser 
im Körper weilende Atman nur durch den Yoga gesehen. 

43. (7085.) Wie das Wasser an den Flufs gebunden ist, 
wie die Strahlen an die Sonne, wie diese, weil an sie ge- 
knüpft, sie begleiten, so verhalten sich die Körper zu den 
Verkörperten. 

44. (7686.) Daran, dafs bei der Versenkung in den Schlaf 
der Atman mit den fünf Sinnen verbunden, den Körper ver- 
lassend, umherschweift, daran wird er als der Atman erkannt. 

45. (7687.) Durch das Werk [wenn seine Frucht abgelaufen 
ist] wird die Erscheinung verdrängt, und durch das Werk 
wird sie [ im neuen Lebenslauf] wieder wahrgenommen, durch 
das Werk wird sie in einen neuen Zustand versetzt, durch 
das selbstbegangene, überaus mächtige Werk. 

46. (7688.) Wie aber die Seele aus einem Leibe, nachdem 
sie ihn verlassen, in einen andern eingeht, demgemäfs will 
ich dir diesen andern erklären, nämlich die durch ihre eigenen 
Werke wiedergeborene Schar der Wesen. 

So lautet im Mokghadharraa Vanhneya alt das inner« Selbst 

( Vdrthntya - adhydtmam). 



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i 



Adhyaya 211 (B. 211). 



i>49 



Adliyftya 211 (B. 211). 

Vers 7689-7706 (B. 1-17). 

Bhishma sprach: 

1. (7689.) Die vier Arten der unbeweglichen und beweg- 
lichen Wesen haben aus dem Unentfalteten ihre Entstehung, 
und in das Unentfaltete gehen sie wieder unter. (7690.) Das 
l nentfaltete als Merkmal habend, von Natur an das Un- 
entfaltete als Wesen habend ist das Manas. 

2. Wie der grofse Baum in dem Samenkorn des Feigen- 
baumes verborgen liegt (7691.) und, nachdem er sich daraus 
entwickelt hat, sichtbar wird, so ist die Entstehung des Ent- 
falteten aus dem Unentfalteten. 

3. Wie das ungeistige Eisen auf den Magnetstein zu- 
eilt, (7692.) und wie die aus ihrer eigenen Natur als Ursache 
entsprungenen Wesenheiten zu etwas anderm derartigen 
[magnetartigen hinstreben], 

4. so werden die aus dem Unentfalteten als Bewirker 
geborenen Wesenheiten fbhävaj, welche das Merkmal ihrer 
Ursache an sich tragen (7693.) und ohne Bewufstsein sind,-* 
durch das Beseelende als Ursache zu einem Komplexe ver- 
bunden. 

5. Damals war nicht die Erde, nicht Äther, Himmel und 
Wesen, nicht dieRishi's, nicht Götter und Dämonen, (7ü94> nichts 
anderes war, ausgenommen die Seele; jene [genannten] aber 
hatten sich noch nicht der [später] mit ihnen aggregierten 
Seele genaht, 

t>. der ursprünglichen, ewigen, allgegenwärtigen, das 
Manas erzeugenden, merkmallosen, amb.) noch nicht durch 
Erkennen und Wirken charakterisierten, — dieses ist das 
Merkmal der [Seele als] Weltursache. 

7. Diese [Weltursache] verband sich nämlich mit den 
[materiellen] Ursachen und bewirkte ein Aggregat ihrer Wir- 
kungen; (7696.) wodurch dieses anfang- und endlose grofse 
Weltrad sich in Umdrehung belind et. 

8. Seine Nabe ist das Unentfaltete, seine Speichen sind 
das Entfaltete, sein Radkranz sind die Umwandlungen, 



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250 



III. Mokshadharitia. 



(7697.) regiert wird dieses Rad von der Seele fkshctrajnaj, mit 
öliger Achse dreht es sich um ohne Fehl. 

\). Weil seine Achse geölt ist, darum wird in diesem 
Rade die ganze Welt der Lebenden zermalmt wie Sesam- 
körner (7698.) von den aus dem Nichtwissen entspringenden 
Genüssen, wie von Ölmüllern, die dazu angestellt sind. 

10. Dieses Werk vollbringt sie [die Welt der Lebenden] 
wegen der Begierde flarsha) und wegen ihres Umschlungen- 
seins vom Ahankära. (7699.) In der Verknüpfung von Ursache 
und Wirkung wird dieses [die Begierde und das Umschlungen- 
sein] als der Grund erklärt. 

11. Nicht erkennt die Ursache die Wirkung, und die 
Wirkung erkennt nicht die Ursache, (7700.) sondern es ist die 
Zeit, welche bei diesem Tun mittels Entfaltung der Wirkung 
die bewirkende Ursache bildet. 

12. Durch diese Ursache sind miteinander verbunden die 
schaffenden Potenzen und ihre Umwandlungen; (7701.) beide 
stehen in Beziehung zueinander, indem sie immerfort vom 
Purusha regiert werden. 

13. Und [nach dem Tode ist es die individuelle Seele, 
welche] von rajasartigen und tamasartigen Beschaffenheiten 
(bhävaj herabgezogen und, von der Gewalt der Ursache ge- 
trieben, (7702.) der höchsten Seele fkshctrajnaj nachfolgt, wie 
der Staub, der vom Winde aufgewirbelt wird. 

14. Sie aber wird von jenen Beschaffenheiten nicht be- 
rührt, noch auch diese von ihr, der Hohen; (7703.) wie ja 
auch der an sich staublose Wind nicht staubartig werden 
kann. 

15. So soll der Weise diesen Unterschied erfassen zwischen 
dem Sattvam [als Vertreter der Prakriti] und dem Kshetrajfia; 
(7704.) wenn er mit Fleifs sich dieser Sache hingibt, wird er 
er nicht wieder in die Prakriti verfallen. 

ir>. Diesen aufgetauchten Zweifel löste der heilige Rishi, 
(7705.) und so soll man nach einer Kunde ausschauen, welche 
den von ihm gegebenen Andeutungen entsprechend ist. 

17. Gleichwie die vom Feuer gerösteten Samenkörner 
nicht wieder keimen können, (7706.) so wird der Atman mit 



Adhyaya 211 (B. 211). 



den durch die Erkenntnis verbrannten Ü beiständen 
nicht mehr behaftet. 



251 

ßlt<±a) 



So lautet im Mokshadharma Varahneja als da« innere Selbst 
( Vdrshntya - adkydtmam). 

Adby&ya 212 (B. 212). 

Vers 7707-7741 (B. 1-33). 
Bhishma sprach : 

1. (7707.) So wie die auf Tätigkeit zielende Lebensregel 
[von den gewöhnlichen Menschen] vollständig begriffen wird, 
ebenso haben die, welche in der Erkenntnis fest gegründet 
sind, kein Wohlgefallen an irgendeinem andern Prinzip. 

2. (7708.) Schwer zu finden sind Vedakenner, die in den 
Vedaworten vollständig bewandert sind ; aber wegen der Gröfse 
des Ansporns (prayojanamahattvät mit C.) streben sie dem 
vielgepriesenen Wege nach. 

3. (7709.) Hingegen ist dieses [kontemplative] Verhalten, 
weil es von edlen Menschen befolgt wurde, untadelig; dieses 
ist die Erkenntnis, durch welche man, nachdem man sie er- 
griffen hat, den höchsten Gang geht. 

4. (77io.) Die verkörperte Seele nimmt aus Verblendung 
allerlei Anhängsel an und verbindet sich mit Zuständen (bhäva), 
wie Zorn und Begierde, welche aus dem Kajas und Tamas 
entspringen. 

5. (77ii.) Darum soll man in dem Streben, seinen Leib 
zu erhalten, nichts Unlauteres begehen, denn wer durch sein 
Werk sich eine Blöfse gibt, der wird die schönen Welten 
nicht erlangen. 

6. (7712.) Wie das mit Erz vermischte Gold, solange es 
noch nicht ausgeschmolzen ist, nicht erglänzt, so leuchtet 
auch das Wissen nicht auf, solange es noch erscheint als 
nicht aus der Unreinheit ausgeschmolzen. 

7. (7713.) Und wer noch am Unrecht festhält und aus 
Begierde von Lust und Zorn sich treiben läfst, der, auch 
wenn er den rechten Weg betreten hat, geht doch mitsamt 
seinem Anhange zugrunde. 



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252 



III. Mokßliadhanna. 



8. (7714.) Darum möge einer nicht aus leidenschaftlicher 
Lust den Sinnendingen, wie Tönen usw., nachhängen; denn 
Zorn, Freude und Verzweiflung werden eines aus dem andern 
geboren. 

9. (7715.) Da dieser Leib aus fünf Elementen besteht und 
aus Sattvam, Kajas und Tamas gebildet ist, was kann einer 
dabei sagen, wen kann er mit Lobpreis erheben, wen kann 
er tadelnd anfahren? 

10. (77 ic.) Törichte Menschen geraten in eine Abhängig- 
keit von Berührung, Gestalt, Geschmack usw., und weil 
sie nur dieses Wissen besitzen, begreifen sie nicht, dafs ihr 
leibliches Selbst eine erdartige Qualität ist. 

11. (7717.) So wie ein Lehmhaus nur mit Lehm überschmiert 
wird, ebenso schützt sich dieser aus Erde gebildete Leib vor 
dem Untergange nur durch erdentstammende Produkte. 

12. (7718.) Honig, Ol, Milch, Butter, Fleisch, Salz und 
Melasse, Getreidekörner, Früchte und Wurzeln, sowie auch 
das Wasser sind erdentstammende Produkte. 

13. (7719.) Wie einer, der in der Wildnis wohnt, seinem 
Verlangen nachgibt und von den Dorfbewohnern Speise an- 
nimmt, auch wenn sie nicht wohlschmeckend ist, um nur 
sein Leben zu fristen, 

14. (7720.) so möge der, welcher in der Wildnis des Sam- 
sära wohnt und Kasteiungen mit Eifer betreibt, um der Fristung 
des Lebens willen Nahrung einnehmen, wie der Kranke die 
Arznei. 

15. (7721.) Mit Wahrhaftigkeit, Reinheit, Geradheit, Ent- 
sagung, Hoheit und Mut, mit Geduld und Festigkeit, mit 
Einsicht, Verstand und Enthaltsamkeit 

16. (7722.) soll man alle Gemütszustände fbhava) betrach- 
ten als von aufsen herandringend und zur Sinnenwelt gehörig 
und nach Frieden suchend mit heiterem Geiste seine Sinne 
bezähmen. 

17. (7723.) Aber verwirrt durch Sattvam, Kajas und Tamas, 
werden die Menschen wie Räder gewaltsam im Kreise um- 
gewirbelt infolge ihres Nichtwissens. 

18. (7724.) Darum möge man die Fehler, welche aus dem 
Nichtwissen entspringen, gründlich prüfen und das aus dem 



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Adhya-ya 212 (B. 212). 



Nichtwissen hervorgehende Übel, nämlich den Egoismus 
(ahankära) meiden. 

19. (7725.) Die grofsen Elemente, die Sinnesorgane und 
die Guna's, Sattvam, Kajas und Tamas, ja die ganze Drei- 
welt mitsamt dem Icvara, das alles gründet sich auf den 
Egoismus (ahankära). 

20. (7726.) So wie hienieden die regelmäfsig verlaufende 
Zeit die Eigenschaften der Jahreszeiten zur Erscheinung bringt, 
so, wisse man, bringt der Egoismus an den Wesen ihre Werke 
hervor. 

21. (7727.) Das Tamas soll man begreifen als verblendend, 
schwarz, aus Nichtwissen entspringend, und ebenso [das Satt- 
vam und Rajas] als mit Lust und Schmerz verknüpft; als 
solche soll man alle die drei Guna's wissen. 

22. (7728.) Nun vernimm folgendes als die Qualitäten des 
Sattvam, des Rajas und des Tamas. Heiterkeit, Zufriedenheit, 
welche aus der Freudigkeit entspringt, Zweifelsfreiheit, Festig- 
keit und Erinnerung, (7729.) diese wisse als die Qualitäten des 
Sattvam, und die folgenden als die des Rajas und Tamas. 

23. Sie sind Begierde, Zorn, Unbesonnenheit, Lüstern- 
heit, Verblendung, Furcht und Schlaffheit, (7730.) sowie Ver- 
zagtheit, Kummer, Unlust, Hochmut, Stolz und unedle Ge- 
sinnung. 

24. Indem man von diesen und anderen Fehlern die 
Schwere oder Leichtigkeit in Betracht zieht, (7731.) prüfe man 
daraufhin seinen eigenen Zustand im einzelnen fort und fort. 

Yudhishthira sprach : 

25. (7732.) Welche Fehler werden durcli das Manas ab- 
gestreift, und welche werden durch die Buddhi gelockert, 
welche stellen sich immer wieder und wieder ein, und gegen 
welche ist zufolge der Verblendung das Ankämpfen nahezu 
fruchtlos ? 

26. (7733.) Und welches sind die Eigenschaften, deren 
Stärke oder Schwäche man durch Vernunft und Gründe ab- 
wägen soll? Darüber, o Freund, besteht bei mir Zweifel, 
den löse mir, o Grofsvater. 



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254 UT. Mokshadharma. 

Bhishma sprach: 

27. (7734.) Indem er die Fehler mit der Wurzel ausrottet, 
wird einer gereinigten Selbstes von ihnen erlöst; er vernichtet 
das ihm Angeborene, wie Eisen das aus Eisen Bestehende 
vernichtet, (7736.) und indem er so sein Selbst bereitet hat, 
geht [das ihm Anhaftende] mitsamt den angeborenen Fehlern 
zugrunde. 

28. Das Rajashafte und Tamashafte, sowie auch das 
sündlose, dem reinen Selbste Angehörige, (7736.) das alles 
bildet den Samen der Verkörperten; das Sattvam hat der 
Atmanhafte mit ihnen gemeinsam. 

29. Darum soll der Atmanhafte das Kajas und das Tamas 
abstreifen; (7737.) dann gelangt sein Sattvam, von Rajas und 
Tamas befreit, zur fleckenlosen Reinheit. 

30. Hingegen dürfte man sagen, dafs das Vedahafte zur 
Erlangung des Atman ein schlechter Weg ist, (7738.) vielmehr 
ist es die Ursache dafür, dafs man ihn nioht erlangt und ein 
unreines Gesetz [durch Tieropfer usw.] beobachtet. 

31. Das Rajas ist es, durch welches man die mit Un- 
recht behafteten Werke ergreift (7739.) und auf Zwecke Ge- 
richtetes über die Mafsen verfolgt und alle Begierden. 

32. Durch das Tamas hingegen pflegt das, was mit Ge- 
lüsten verbunden ist und aus Zorn entspringt, derjenige, 
<774o.) der an Schädigung und Zerstreuung sich ergötzt, träge 
und dem Schlafe ergeben. 

33. Und endlich, wer im Sattvam feststeht, der schaut 
die sattvahaften, reinen Gemütszustände (bhävaj und gründet 
sich auf sie; (7741.) dieser ist der fleckenlose, glückselige Ver- 
körperte, begabt mit Glauben und Wissenschaft. 

80 lautet im Mokshadharma Varrtmoya alt daa innere Seibit 
( Vdrshneya - adhydtmam). 



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Adhyaya 213 (B. 213). 



255 



Adhyaya 213 (B. 213). 

Vers 7742-7763 (B. 1-21). 
Bhlsbma sprach: 

1. ) Durch Kajas wird die Verblendung bewirkt und 
durch Tamas, o Stier der Bharata's; [aus ihr folgen] Zorn, 
Habgier, Furcht und Hochmut, wer diese zur Ruhe bringt, 
der ist rein. 

2. (77*3.) Den obersten, höchsten Atman, den unvergäng- 
lichen, ewigen Gott Vishnu, der im Unentfalteten seinen Stand- 
ort hat. den wissen sie als den besten Gott. 

3. (7744.) In die von ihm ausgehende Illusion ftnäyäj ver- 
strickt, der Erkenntnis beraubt und ohne Besonnenheit sind 
die Menschen; wegen dieser Verblendung ihrer Erkenntnis 
verfallen sie in Zorn. 

4. (7745.) Durch den Zorn geraten sodann in Begierde, in 
Habsucht und Verblendung die Menschen, in Stolz, Hochmut 
und Egoismus und durch den Egoismus zu Werken; 

5. (774«.) durch die Werke in die Fesseln der Weltliebe, 
durch die Weltliche sodann in Kummer, und indem sie von 
Lust und Schmerz zum Tun angetrieben werden, verstreichen 
ihnen die Augenblicke des Daseins in Geburt und Ungeburt 
(Tod). 

*i. (7747 1 Von der Zeugung an das Wohnen im Mutter- 
labe, die Entstehung aus Samen und Blut, welche von Kot 
nnd Urin benetzt und durch die Entstehung aus dem Blute 
UttsauW ist, 

7. (-"4S.I das sind die Dinge, durch welche der von Be- 
gierde ftrishndj Uberwältigte gebunden wird, und indem er 
di«e bei sich herumgehen läfst, wird er begreifen : die Weiber 
ond es, welche das Gewebe des Samsara fortsetzen. 

h. (7-49.) Sie sind von Natur (prakrityä mit C.) das Acker- 
land (Iskdram)^ die Männer sind ihrem Wesen nach die 
Kfihetrajfia's (Kenner des Ackerlandes, auch Seelen). Darum 
•otl der Mann sie ohne Unterschied ganz besonders meiden. 

r J. (77M.) Denn verschmitzt sind sie und von schreck- 
licher Art und betören den Unkundigen; sie sind ganz in 



uigmzea Dy Vjüü 



256 III. Mokshadharma. 

Rajas versunken und eine ewige Verkörperung der Sinnlich- . 
keit (indriyänumj. 

10. (775i.) Aus dieser in ihnen verkörperten Leidenschaft 
als Samen entstehen die Kinder, und wie man die aus dem 
eigenen Leibe geborenen und doch nicht als das eigene Selbst 
zu bezeichnenden Würmer aus dem Leibe entfernt, (7752.) so 
soll man die als eigenes Selbst bezeichneten und doch nicht 
dieses Selbst seienden, Kinder genannten Würmer von sich 
fernhalten. 

11. Aus dem Samen und dem Blutsafte entstehen aus 
dem Körper die Nachkommen, (7753.) sei es durch Naturnot- 
wendigkeit oder durch den Zusammenhang mit Werken in 
einer früheren Geburt; der Weise wird ihnen keine Beachtung 
schenken. 

12. Das Rajas ist dem Tamas eingefügt und das Sattvam 
gründet sich auf das Rajas; (7754.) das [aus allen dreien be- 
stehende] Unentfaltete ist der Standort des Bewufstseins und hat 
[potentiell] als Merkmale in sich die Buddhi und den Ahankara. 

13. Dieses Unentfaltete nennt man den Samen der Ver- 
körperten, und dieser Same heifst individuelle Seele (jivaj; 
(7755.) durch die Werke [in einer früheren Geburt] im Verein 
mit der Zeit erhält sich der Samsära in Umdrehung. 

14. So wie die Seele im Traume sich nur mittels des 
Manas ergötzt, als hätte sie einen Leib, (7756.) so wird sie nur 
durch die die Werke als Keim habenden Qualitäten in einem 
Mutterleibe empfangen. 

15. Jedes Organ, welches aus dem Werke als Samen zum 
Aufkeimen gebracht wird, (7757.) das wird aus dem Egoismus 
(ahankara) durch den von Geschlechtstrieb (räga) erfüllten 
Willen geboren. 

16. Aus dem Verlangen frdgaj nach dem Tone entsteht» 
das Ohr bei der sich gestaltenden Seele (7768.) und aus den* 
Verlangen nach Gestalten das Auge, aus dem Wunsch zu 
riechen das Geruchsorgan; 

17. und ebenso verhält sich zum Berühren die Haut. 
Der Wind nimmt seinen Standort in Präna und Apäna, (7759.) 
[diese nebst] Vyuna, Udäna und Samäna bewirken zu funfen 
die Erhaltung des Leibes. 



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Adhyäya 213 (B. 213). 



257 



18. Mit den zugleich entstehenden, aus den Werken ent- 
spriefsenden Gliedern wird der Mensch von der Körperlulle 
umhüllt geboren, (7760.) mit den Gliedern, welche Schmerz, 
körperlichen und geistigen Schmerz, als Anfang, Mitte und 
Ende haben. 

19. Der Schmerz entspringt aus der Anklammerung an 
das Dasein, und er wird durch den Eigendünkel gesteigert; 
(7761.) durch Entsagung wird Befreiung von dem allem er- 
reicht, und wer die Befreiung erkennt, der wird erlöst. 

20. Im Rajas nur haben die Organe beides, ihren Ur- 
sprung und Vergang; (7762.) umsichtig möge der Weise ein- 
herwandeln, wie es sich gebührt, mit der Lehre als Auge. 

21. Dann werden die Erkenntnisorgane frei von Begierde 
nicht mehr nach den Sinnendingen streben, (7763.) und indem 
sie ihre < )rgane dahinten läfst, wird die Seele nicht wiederum 
einen Körper anzunehmen brauchen. 

So lautet im Mnk«badbarioa VAiabneya als (lau innere Selbst 

(VAnhn'ya - adfiijntmain). 



Adhyftya 214 (B. 214). 

Vers 7764-7792 (B. 1-29). 
Bhlshma sprach: 

1. (77«4.) Nun will ich dir das Mittel verkünden der Wahr- 
heit gemäfs; wer mit der Lehre als Auge die Prinzipien er- 
kennend dahin wandelt, o König, der wird das höchste Ziel 
erlangen. 

2. (7765.) Unter allen Wesen gilt für das höchste der 
Mensch, unter den Menschen stehen am höchsten die Zwie- 
geborenen, unter den Zwiegeborenen die Kenner des Veda. 

3. (7766.) Sie sind zum Selbste aller Wesen geworden, 
sind allwissend und allschauend; die Brahmanen, welche die 
Lehre des Veda kennen, sind über den Sinn der Wesenheit 
zur Gewifsheit gelangt. 

4. (7767.) Wie einer, dem das Auge fehlt, auf seiner Wan- 
derung in Not gerät, so ist in dieser Welt einer, dem das Wissen 
fehlt. Darum sind die Wissenden den anderen überlegen. 

Dec»u*, Xababbaratara 17 



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258 



III. Mokshadliarnia. 



5. (7768.) Die Freunde der Satzungen verehren der heiligen 
Überlieferung gemäfs diese oder jene Satzungen; ihr Ziel ist 
nicht das gleiche [wie das der Wissenden], aufser dafs sie 
folgende Tugenden erlangen: 

6. (7769.) Reinheit in Rede, Leib und Gedanken, Geduld, 
Wahrhaftigkeit, Festigkeit und Erinnerung [sind ihnen eigen]; 
und die aller Satzungen Kundigen weisen schöne Tugen- 
den auf. 

7. (7770.) Aber jene Verkörperung des Brahman, welche 
Brahmanwandel genannt wird, steht höher als alle Satzungen, 
und nur durch diesen geht man den höchsten Gang 

8. (7771.) zu demjenigen, welches von der Verknüpfung 
mit Merkmalen frei und des Tones sowie der Berührung er- 
mangelnd ist, welches durch das Ohr zum Hören und durch 
das Auge zum Sehen wird, 

9. (7772.) welches im Sprechen der Rede sich betätigt, 
aber dem Verstände entrückt ist. Mit Einsicht soll man sich 
entschliefsen zu dem sündlosen Brahmanwandel; 

10. (7773.) wer ihn vollkommen verwirklicht, der gelangt 
zur Brahman weit, der mittelmäfsig Strebende hingegen ge- 
langt zu den Göttern, und wer nur ein geringes Streben betätigt, 
der wird als Bester der Zwiegeborenen, als Weiser geboren. 

11. (7774.) Schwer zu verwirklichen ist der Brahman- 
wandel, vernimm das Mittel, welches dazu dient Wenn das 
Rajas sich entflammt und mächtig emporstrebt, soll der Zwie- 
geborene es dämpfen. 

12. (7776.) Einem Gespräche über die Weiber soll er nicht 
zuhören, sie auch nicht ansehen, wenn sie unbekleidet sind; 
beim zufälligen Anblicke solcher überkommt (durbaldn äviget 
mit C.) schwache Menschen das Rajas. 

13. (7776.) Gerät er in Leidenschaft, so soll er sich der 
Fastenbufse (kricchra, vgl. Manu XI, 213) unterziehen; wird 
er sehr von ihr befallen, so soll er sich ins Wasser setzen; 
geschieht es, während er in Schlaf versunken ist, so soll er in 
Gedanken dreimal das Sündentilgungsgebet (aghamarshanam, 
angeblich Rigveda X, 190, vgl. jedoch Brih. Up. 6,4,4-^5) 
murmeln. 

14. (7777.) Auf diese Weise wird er die aus dem innern 



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Adhyfcya 214 (B. 214). 



259 



Kajas entsprungene Sünde verbrennen als ein Verständiger 
mittels des mit Erkenntnis begabten angespannten Geistes. 

15. (7778.) Wie an eine an Leichen und Unreines schmie- 
dende, unzerreifsbare Fessel, so soll er sich selbst, der in den 
Leib eingegangen ist, wissen als an die Fessel des Leibes 
geschmiedet. 

16. (.779.) Den Wind, die Galle, den Schleim, das Blut, 
die Haut, das Fleisch, die Sehne und den Knochen, das Mark 
und den ganzen Körper ernähren die Säfte der Menschen ver- 
mittelst des Adernetzes. 

17. (7780.) Man mufs wissen, dafs es im Körper zehn Ge- 
fäfsleitungen gibt, welche den fünf Sinnen ihre Qualitäten 
zufuhren; von diesen aus verbreiten sich andere feine Kanäle 
tausendfach. 

18. (778i.) So geschieht es, dafs diese Aderflüsse, indem 
sie die Säfte spenden (wohl rasadä zu lesen), den Ozean des 
Körpers zu ihrer Zeit ernähren wie die Flüsse den Ozean. 

V.). (7782.) Von ihnen befindet sich eine Ader mitten im 
Herzen, welche die Wunschleitende fmanovahäj heifst; diese 
löst bei den Männern den aus dem Willen entsprungenen 
Samen aus allen Gliedern heraus. 

20. (7783.) Von ihr abhängend verbreiten sich die Gefafse 
in allen Gliedern, indem sie [z. B.] in die Augen gelangen 
und ihnen die Lichtqualität zuführen. 

21. (7784.) Gleichwie die in der Milch enthaltene Butter 
mittels der Quirlstäbe herausgequirlt wird, so wird im Körper 
mittels der aus dem Willen gebildeten Quirlstäbe der Same 
herausgequirlt. 

22. (7785.) Und so wie das aus dem Willen entspringende 
Kajas auch im Schlafe das Manas überkommt, ergiefst beim 
Manne die wunschleitende fmanovahd) Ader aus dem Körper 
den aus dem Willen erzeugten Samen. 

23. (7786.) Der heilige Atri, der grofse Weise hat dieses 
als den Ursprung des Samens erkannt. Weil der Same aus 
drei Quellen [dem Saft rasa, der Ader manovahä und dem 
Willen samkalpa nach Nil.] entspringt und dabei Indra als 
Schutzgott hat, darum wird er auch [hier und Vers 8377] In- 
driyam genannt. 

17- 



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260 



III. Mokshmlliarniu. 



24. (7787.) Wer so die Natur des Samens, der die Ver- 
mischung der Wesen bewirkt, begriffen hat, der wird befreit 
von Leidenschaft, verbrennt seine Sünden und braucht nicht 
einen neuen Leib anzunehmen. 

25. (7788.) Er erlangt den Gleichgewichtszustand der 
Guna's [in dem sie zur Ruhe kommen], und indem er, nur den 
Gang des Leibes unterhaltend, die Lebenshauche in die wunsch- 
leitende Ader fmanovahä) mittels des Mauas hineinstöfst, 
wird er zur Zeit des Endes erlöst. 

2iS. (7789.) Es bildet sich das Wissen des Manas und das 
Manas selbst wird lichtvoll, leidenschaftslos und ewig, nach- 
dem es in den Hochherzigen durch den Mantra [den Laut otn 
nach Nil.] zur Vollendung gelangt ist. 

27. (77»o.) Darum soll man, um jenes [Kajas] nieder- 
zuwerfen, nur fleckenlose Werke tun, dann läfst man Rajas 
und Tamas hienieden zurück und wandelt den erwünschten 
Weg. 

28. (7791.) Dann geht das vom Jüngling erworbene Wissen 
in die Kraftlosigkeit des Greisenalters ein, und gereift an Ein- 
sicht erlangt man mit der Zeit geistige Kraft. 

29. (7792.) So wie einer auf die Bindung durch die Guna's 
wie auf einen beschwerlichen Weg, den er hinter sich hat, 
zurückblickt, so hat er die Fehler hinter sich gebracht und 
erlangt die Unsterblichkeit. 

So lautet im Moksbadbaruta VArahneya als das innere Selbst 
(VArthncja-adhydtmam). 



Aclhyftya 215 (B. 215). 

Vers 7793-7820 (B. 1-27). 
Bbishma sprach: 

1. (779».) Die Menschen, welche den übel endigenden 
Sinnendingen anhängen, sinken herab, aber die Hochherzigen, 
welche nicht an ihnen hängen, gehen den höchsten Gang. 

2. (7794.) Von Geburt, Tod, Älter und Schmerzen, von 



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Adhyaya 215 (B. 215). 



1>61 



Krankheiten und geistigen Schwächen die Welt durchdrungen 
sehend, möge der Weise nach Erlösung streben. 

3. (7795.) An Rede, Gedanken und an Leib rein möge er 
sein, und ohne Selbstsucht, beruhigt, erkenntnisreich, als 
Bettler und unbekümmert wird er glücklich dahinwandeln. 

4. (7796.) Und wenn er sich auf einer Anhänglichkeit 
seines Geistes betrifft aus Mitleid mit den Geschöpfen, so 
möge er auch hierauf keine Rücksicht nehmen, indem er be- 
greift, dafs die Welt der Lebenden die Frucht ihrer eigenen 
Werke büfst. 

5. (7797.) Was an guten Werken getan worden ist oder 
je nach Umständen an bösen, das erntet der Mensch; darum 
soll man gute Werke vollbringen in Reden (vag mit C), Ge- 
danken und Taten. 

(>. (7798.) Nicht -Schädigung, Wahrhaftigkeit und Recht- 
schaffenheit gegen alle Wesen, Geduld und Behutsamkeit, 
wer diese übt, der wird glücklich. 

7. (7799.) Darum soll man einen durch Einsicht in Samm- 
lung gehaltenen Verstand unter den Wesen betätigen; wer 
diese höchste, alle W r esen erfreuende Pflicht 

8. (780<».) als den Ausweg aus dem Leiden erkannt hat, 
der ist allweise und glücklich; darum soll man einen durch 
Einsicht in Sammlung gehaltenen Verstand unter den Wesen 
betätigen. 

(78oi.) Man soll nicht verachten und nicht begehren, 
nichts Zügelloses, Ungehöriges denken, dann wird man mit 
erfolgreicher Anstrengung seinen Geist in der Erkenntnis zur 
Ruhe bringen, (7802.) dann wird er sich nicht vergeblich mit 
Reden abmühen, dann entwickelt sich in lieblicher Weise 

10. die Freude am Reden, die heilsame Rede und die 
Rücksicht auf das verborgene Gesetz; (78ua.) dann wird er 
wahre und heilsame Rede führen, welche nicht absprechend ist, 

11. welche frei von Schmutz ist, nicht rauh, nicht feind- 
selig und nicht verleumderisch; (78<>4.) derartiges und Spär- 
liches soll man sprechen mit nicht zerfahrenem Geiste. 

12. An Reden gekettet ist der Samsura, und wenn er in 
leidenschaftlichen Reden sich ergeht, (78<>r») so wird er, ob- 



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262 



III. Mokshadharma. 



gleich sein Manas durch Einsicht gefördert ist, dennoch 
tamas-artige Werke 

13. vermöge seiner Organe, die ja aus dem Kajas ent- 
sprungen sind, in seinem Tun vollbringen. (7806.) Dann gerät 
er in Leid in dieser Welt und verfällt der Hölle; darum soll 
man mit Denken, Rede und Leib die Festigkeit seines Atman 
betätigen. 

14. (7807.) Als eine mannigfach zusammengesetzte Last 
trägt man [den Samsära] — wie wenn sie von Räubern fort- 
geschleppt wird in einer Gegend, die sie als gefährlich er- 
kennen — so tragen unweise Menschen den Samsära. 

15. (7808.) Und wie der Räuber ebendiese Last von sich 
wirft und in eine ungefährliche Gegend gelangt, so wirft 
einer die Werke des Rajas und Tamas von sich ab und ge- 
langt zum Heile. 

16. (7809.) In zweifelsfreier Weise, des Strebens ledig und 
von allem Anhang erlöst, abgesondert lebend, wenig essend, 
Askese übend und die Sinne bezähmend, 

17. (78io.) durch Erkenntnis die Beschwerden verbrannt 
habend, seines Unternehmens sich freuend und seines Atman 
sich bewufst, so erlangt man mit nicht abschweifendem Geiste 
jenes Höchste. 

18. (78ii.) Voll Festigkeit und seines Selbstes sich be- 
wufst, soll man frei von Zweifel seine Buddhi zügeln, soll 
man das Manas durch die Buddhi zügeln und die Sinne 
wiederum durch sein Manas. 

19. (7812.) Wenn einer so seine Sinne zügelt und - sie der 
Herrschaft des Manas unterwirft, dann leuchten die Gott- 
heiten [der Sinnesorgane] hervor und gehen freudig ein zu 
ihrem Herrn [dem Manas]. 

20. (7813.) Und aus dem mit ihnen verbundenen Manas 
leuchtet sodann das Brahman hervor, und indem auch das 
Sattvam nach und nach schwindet, wird man tauglich zur 
Brahmanwerdung. 

21. (78U.) Oder sie kommt nicht zur Entwicklung, — dann 
möge man es durch Fortwebung des Yoga versuchen und 
das, wodurch dem das Gewebe Fortwebenden ein Erfolg zu- 
teil wird, betreiben. 



Adhyäya 215 (B. 215). 



263 



22. (7815.) Auch sind da Körner, Fruchtschleim, Ölkuchen, 
Gemüse und Gerstengrütze, sowie Wurzeln, Fruchte und Er- 
betteltes, das möge er abwechselnd geniefsen. 

23. (7816.) Auch eine sattva-artige Beschränkung der Nah- 
rung nach Ort und Zeit möge man dabei wohlbedächtig be- 
folgen, dies ist der Entwicklung förderlich. 

24. (7817.) Was sich entwickelt, das möge man nicht 
hemmen; nach und nach wie ein Feuer möge man zum Brennen 
bringen dies von dem Wissen Begleitete ; dann wird der Sonne 
gleich das Wissen aufleuchten. 

25. (7818.) Das Wissen wird überwältigt von dem Nicht- 
wissen, alle drei Welten werden von ihm überwältigt und 
das durch Erkenntnis gewonnene Wissen wird durch das 
Nicht. -Wissen herabgezogen. 

26. (7819.) Durch Isolierung und Hingebung ohne Murren 
erkennt man das Ewige, und die Befreiung von jenen beiden 
[empirischem Wissen und Nicht- Wissen] erkennend, wird man 
frei von Leidenschaft und der Erlösung teühaft. 

27. (7820.) Uber das Leben hinauskommend und Alter und 
Tod überwindend, erlangt er jenes ewige, unsterbliche Brah- 
man, welches jenes Unzerstörbare und Unvergängliche ist. 

So lautet im Mokthadbarma VArthneyu als da« innere Selbst 
( \ drthnrya • adhydtmam). 

Adhyaya 216 (B. 210). 

Vera 7821-7841 (B. l-20>. 
Bhishma sprach: 

1. (7821.) Von dem, welcher einen fleckenlosen Brahman- 
wandel beständig zu beobachten wünscht, mufs mit aller 
Kraft der Schlaf gemieden werden in Anbetracht der im 
Traume möglichen Sünden. 

2. (7822.) Denn im Traume wird die Seele von Kajas und 
Tamas überwältigt, und auch einem, der sonst frei von Be- 
gehren ist, ergeht es, als wäre er in einen andern Leib hinein- 
gefahren. 



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1 



264 Hl. Mokshadharm». 

3. (7823.) Weil das Wachen sich um das Wissen bemüht, 
findet es um der Forschung willen ununterbrochen statt, 
und wegen seiner Versessenheit auf die Erkenntnis wacht 
einer nachtlos immerfort. 

4. (7824.) Hier könnte einer fragen: W r as ist das doch 
für ein Zustand, der im Traume gleichsam Objekte schafft, 
und wo die Seele trotz des Schwindens der Sinne sich bewegt, 
als geschähe es mit einem Körper. 

5. (7825.) Hierauf dient zur Antwort: Wie Hari (Vishnu). 
der Herr des Yoga, dieses auffafst, dementsprechend schil- 
dern es zutreffenderweise die grofsen Rishi's. 

G. (7826.) Obgleich die Sinnesorgane ermattet sind, schweift 
doch der Traum überall hin, so sagen die W eisen; denn da 
das Mauas nicht auch geschwunden ist, so hat es, wie sie 
sagen, dieses oder jenes Traumgesicht. 

7. (7827.) Auch bei dem Wachenden entsteht in dem durch 
Tätigkeit in Anspruch genommenen Manas die Vorstellung, 
und je nachdem nun ein Vorwiegen der Wünsche stattfindet, 
dementsprechend ergeht sich das Manas im Traume. 

8. (7828.) Der von Verlangen beseelte Geist erlangt dabei 
aus den unzähligen Lebensläufen im Samsära jenes Ge- 
wünschte, denn der oberste Purusha ist sich alles dessen 
bewufst, was im Manas verborgen liegt. 

9. (7821») Oder wenn es von den Guna's herrühren und 
durch Werke bedingt sein sollte, alles legen die W r esen an 
den Tag, was und wie es als Manas gestaltet worden ist. 

10. (7830.) Dann überkommen die aus dem Kajas, Tamas 
oder auch Sattvam stammenden Qualitäten je nach dem Zu- 
sammenhang mit ihnen den Menschen, in welchem die Frucht 
des unmittelbar vorhergehenden Lebens zur Erscheinung kommt. 

11. (7831.) Dann sehen die Menschen wegen ilires Nicht- 
wissens die aus Wind, Galle und Schleim aufsteigenden 
[Erscheinungen] vermöge ihrer aus Kajas und Tamas hervor- 
gegangenen Zustände, und auch derartiges gilt für unver- 
meidlich. 

12. (7832.) Alles, was einer als Erzeugnis des Manas vor- 
stellt, das sieht bei Beruhigung der Sinnesorgane, wenn sich 
ein Traumbild einstellt, das erregte Manas. 



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Adhy&ya 216 (B. *21»>). 



265 



IS. (7833.) Uberall hin dringend, bewegt sich in allen Wesen 
ohne Hindernis das Manas vermöge der Macht des Atman; 
den soll man wissen [als den eigentlichen Urheber], denn 
alle Sinnengötter sind im Atman. 

14. (78:u.) In dem Manas ist eine verborgene Pforte, und 
in ihm schlummert, in den Menschenleib eingehend, alles 
Seiende, Nicht- Seiende und Unentfaltete als Traumgesicht; 
I.7S35.) aber den, welcher als Selbst aller Wesen in den Wesen 
weilt, diesen weifs man als die Naturbeschaffenheit des innern 
Selbstes. 

15. Und wenn einer mit seinem Manas vermöge seines 
Wunsches eine göttliche Beschaffenheit zu erlangen wünscht, 
f:*36.) so wisse er, dafs eine solche auf der Gnade des Atman 
beruht, denn alle Götter sind im Atman enthalten. 

lt>. Und so ist das wie eine Sonne jenseits der Finsternis 
(Tamas) Leuchtende durch Tapas bedingt, rrxar.) Es ist die 
alle drei Welten erschaffende Seele, es ist, wenn die Finsternis 
gewichen ist, der grofse Herr [der Gott Brahman]. 

17. Denn das Tapas steht unter dem Schutz der Götter 
und das tapas -schädigende Tamas unter dem der Dämonen. 
(7*38.) Das ist es, was die Götter und was die Dämonen be- 
hüten, und seine Kenntnis gilt als das Merkmal des wahren 
Wissens. 

18. Sattvam, Kajas und Tamas weifs man als die Quali- 
täten der Götter und Dämonen; (7839.) das Sattvam soll man 
wissen als die Qualität der Götter, die beiden anderen als 
Qualitäten der Dämonen. 

VJ. Jenes Brahman ist das höchste Wissen, das unsterb- 
liche, unvergängliche Licht; (7S40.) die, welche es mit be- 
reitetem Geiste erkennen, gehen den höchsten Weg. 

20. Soviel kann man argumentierend mit dem Auge des 
Wissens erschauen [durch Sänkhyam], (7s4i.) oder aucli läfst 
sich das unvergängliche Brahman erkennen mittels Einziehung 
der Sinnesorgane [im Yoga]. 

So tautet im .M(.k*)i»(llmrm;i YArMiricya al» .la> innere Selbst 
\ SWr'hnf'in ■ tiilhmUiium,). 



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266 



- 

III. Mokßliadharma. 



Adhyftya 317 (B. 211). 

Vers 7842-7880 (B. 1-38). 
Bhishma sprach: 

1. (7842.) Der kennt das höchste Brahman nicht, der nicht 
die Vierheit [Traum, Tiefschlaf, attributhaftes und attribut- 
loses Brahman nach Nil.] kennt und das , was -als entfaltete 
und unentfaltete Wesenheit von dem höchsten Weisen ver- 
kündet worden ist. 

2. (7843.) Das Entfaltete hat als Endpunkt den Tod, das 
soll man wissen, das Unentfaltete ist die unsterbliche Stätte. 
Die Satzung, welche als Merkmal die Tätigkeit hat, ist von 
dem Weisen Näräyana erklärt worden. 

3. (7844.) In ihr sei das All gegründet, die Dreiwelt mit 
Beweglichem und Unbeweglichem; hingegen sei die Satzung, 
welche die Nichttätigkeit als Merkmal habe, das unentfaltete, 
ewige Brahman. 

4. (7845.) Und auch Prajäpati hat die Satzung der Tätig- 
keit erklärt: Tätigkeit fuhrt zur Wiederkehr, Untätigkeit 
fährt den höchsten Weg. 

5. (7846.) Diesen höchsten Gang weifs der Einsame, welcher 
die Untätigkeit als Höchstes schätzt, dem die Erkenntnis alle- 
zeit als höchstes Prinzip gilt, der das Gute und das Böse 
überschaut. 

6. (7847.) Darum soll man diese beiden erkennen, das Un- 
entfaltete [die Prakriti] und den Purusha, aber auch das- 
jenige, was vom Unentfalteten und Purusha verschieden und 







im 





7. (7848.) Diesen Unterschied soll der Weise ganz be- 
sonders im Auge behalten; jene beiden sind beide ohne An- 
fang und Ende und beide ohne Merkmale. 

8. (7849.) Beide sind ewig und unwandelbar und gröfser 
als alles, was grofs ist; hierin sind beide gleich, ebenso aber 
gibt es weiter einen Unterschied zwischen beiden. 

9. (7850.) Nämlich der Prakriti, welche ihrer Natur nach 
schöpferisch ist und als Wesen die drei Gunas hat, entgegen- 



IllZCQ uy VjUU 



gle 



Adhyäya 217 (B. 217). 



267 



gesetzt ist die Charakteristik des Kshetrajna (Purusha), das 
soll man wissen. 

10. (78öi.) Ihn wisse man als den, welcher die Entfaltungen 
der Prakriti anschaut und frei von den Guna's ist. t'nfafs- 
bar sind jene beiden Purusha's [der Purusha und das höchste 
Brahman], weil sie keine Merkmale haben, und beide sind 
unzusammengesetzt [kein Aggregat]. 

11. (7852.) Hingegen hat die Geburt als Merkmal die Zu- 
sammensetzung, und wie sie durch die Werke [einer frühern 
Geburt] ergriffen wird, so geschieht auch mittels der Organe 
die Fortentwicklung der Werke und alles dessen, worin der 
Täter sich betätigt; (7863.) dabei wird er durch Worte und 
Namen bezeichnet, indem man [unterscheidend] fragt: wer 
bin ich und wer ist jener dort? 

12. Gleichwie einer, der einen Turban trägt, sein Haupt 
mit drei Tuchstreifen umwickelt, (7*54.) so ist auch die ver- 
körperte Seele umwickelt mit Sattvam, Rajas und Tamas. 

13. Darum soll man wissen, dafs die Vierheit [die Seele 
in ihren vier Zuständen, oben Vers 7842] von den genannten 
Ursachen [den Guna's] umschlungen ist. (ihm.) Je nachdem 
einer sich dessen richtig bewufst wird, verfällt er zur End- 
zeit nicht der Verblendung. 

14. Nach himmlischer Seligkeit verlangend, möge er mit 
Hoheit und rein an Geist (785«.) in furchtbaren körperlichen 
Übungen ein sündloses Tapas betreiben. 

15. Die Dreiwelt ist von Tapas durchdrungen vermöge 
des in ihr enthaltenen Lichtelements, (7857.) und die Sonne 
wie der Mond glänzen am Himmel vermöge des Tapas. 

lt>. Dieses Licht des Tapas ist das Wissen, es wird in 
der Welt als Tapas gerühmt; (7858.) denn diejenige Tätigkeit, 
welche das Rajas und Tamas niederschlägt, macht das Wesen 
des Tapas aus. 

17. Der Brahmanwandel und die Nicht-Schädigung heifst 
das körperliche Tapas, (785») die Bezähmung von Rede und 
Gedanke wird zutreffend das geistige Tapas genannt. 

18. Die Nahrung, welche den der Sitte kundigen Zwie- 
geborenen zu sich zu nehmen erlaubt ist, ist eine besondere, 



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III. Moksliailharma. 



(78co.) und durch Einschränkung der Ernährung kommt das 
rajas-artige Böse im Menschen zur Ruhe. 

19. Seine Organe gelangen zur Abwendung von der 
Sinnenwelt, (im.) darum soll man nur soviel [zur Ernährung] 
annehmen, wie zu diesem Zwecke erforderlich ist. 

20. Dann wird er zur Zeit des Endes vermöge allmäh- 
licher Steigerung seiner Kraft rüstig (7862.) mit so zuberei- 
tetem Geiste das Wissen erwerben, welches hinreicht [zur 
Erlösung]. 

21. Von Kajas sich befreiend wird dann der Verkörperte, 
obgleich noch mit dem Körper behaftet, wie ein Ton [im 
Äther] dahin wandeln, (7863.) und mit einem durch Geschäfte 
nicht mehr gestörten Sinn wird er, leidenschaftslos, wenn 
auch noch in der Prakriti stehend, 

22. vom Körper aus behutsam wandelnd, von dem letzten 
Reste der Körperlichkeit frei. (7864.) Durch Ursachen bedingt 
ist jederzeit die Schöpfung der Wesen wie auch ihr Vergang. 

23. Wenn aber die Erkenntnis des Höchsten eingetreten 
ist, kehrt die Notwendigkeit [von Geburt und Tod] nicht 
mehr wieder (7865.) für diejenigen, welche Ende und Anfang 
des Daseins erkennen und unentwegt faviparyayamj [im Yoga] 
dasitzen. 

24. Andere hingegen klammern sich hartnäckig an ihre 
Leiber fest, schränken ihre Gedanken auf ihren eigenen Ver- 
stand ein, (7866.) und von dem schon erreichten Standpunkte 
herabfallend verehren sie jene [Götter der Sinnesorgane] 
wegen deren Feinheit. 

25. Und so gehen sie hin, wie sie gekommen sind; in 
solchem Falle wird die Erkenntnis nur mit dem eigenen Ver- 
stände [statt durch den Yoga] erstrebt. (7867.) Mancher hin- 
gegen überdenkt wohlbereiteten Geistes das Ende des Leibes, 
ohne sich auf ihn zu verlassen; 

2fi. andere wiederum sind mit Hingebung und Festig- 
keit, wie es sich gebührt, Verehrer des Realen [des attribut- 
haften ßrahman nach Nil.], (7868.) oder sie beschäftigen sich 
mit der höchsten Gottheit, mit dem Unvergänglichen, das da 
heifset der Blitz (Väj. Samh. 32,2 und Kena-Up. 3,29), 

27. dieses verehren sie zur Zeit des Endes, nachdem sie 



uigitizea Dy VjUü 



Adhyäya 217 (B. 217). 



269 



ihre Sünde durch Tapas verbrannt haben. (78»;i».) Alle diese 
Hochherzigen gehen den höchsten Gang. 

28. Die feine Verschiedenheit derselben möge man prüfen 
mit dem Auge der Lehre. (7870.) Einen solchen, wenn er das 
Ende des Leibes erreicht hat, soll man wissen als Höchsten, 
Erlösten, Anhanglosen, 

29. als vom Luftraum noch verschieden [an Gröfse], als 
festhaltend mit seinem Geiste an der Beharrlichkeit. (787 1.) 
Solche also werden von der Welt der Sterblichen erlöst, da 
sie mit ihrem Denken am Wissen festhalten. 

30. Zu Brahman geworden und frei von Rajas gehen sie 
sodann den höchsten Gang. (7872.) So beschreiben das Gesetz als 
den einzigen Weg die Menschen, welche des Veda kundig sind. 

31. Indem sie ihrem Wissen entsprechend die Verehrung 
üben, gehen sie alle den höchsten Gang, (7873.) und die, wel- 
chen das von Trübung freie, unerschütterliche Wissen zuteil 
wird, auch diese gehen zu den höchsten Welten; sie werden 
erlöst entsprechend ihrer Kraft. 

32. (7874.) Zu dem heiligen, unentstandenen himmlischen 
Vishnu, der da das Unentfaltete heifst, gehen mit Liebe die, 
welche rein an Erkenntnis, gesättigt und frei von Wün- 
schen sind. 

33. (7876.) Und da sie den Hari (Vishnu) als in ihnen 
selbst weilend erkannt haben, kehren sie nicht zurück, son- 
dern sind unvergänglich, und jenen höchsten Ort, den un- 
zerstörbaren, unvergänglichen erlangt habend, freuen sie sich. 

34. (7876.) Darin besteht diese Erkenntnis, dafs jenes 
über Sein und Nicht -Sein erhaben ist , und dafs die ganze 
Welt in den Banden des Durstes (trishnaj befangen sich wie 
ein Rad im Kreise dreht. 

35. (7877.) Wie das Fadengewebe der Lotosknollen von 
einem Ende zum andern den Knollen allenthalben durchzieht, 
so durchzieht das anfang- und endlose Fadengewebe des 
Durstes den Körper allezeit. 

36. (7878.) Wie ein Nähender mit der Nadel den Faden 
durch das Gewand hindurch fädelt {samsaruyatij, so wird das 
Fadengewebe des Samsära von der Nadel des Durstes durch- 
zogen. 



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270 



III. Mokshadhanun. 



37. (7879.) W er die erschaffene Welt und die Prakriti und 
auch den ewigen Purusha in richtiger Weise unterscheidet, 
der ist frei vom Durst und wird erlöst 

38. (7880.) Dieses Erleuchtende, Unsterbliche hat der 
heilige, weise Näräyana aus Mitleid mit den Wesen verkün- 
digt, er, der das Ziel der Welt ist. 

So lautet im Mokshadharma Vanboeja ala das innere Seibit 
( Vnixhnfna - mlli iiätimtnA 



Adhyäya 218 (B. 218). 

Vers 7881-7929 (B. 1-49). 

Yudhiahthira sprach: 

1. (7881.) Auf welchem Wege, o Kenner der Wege, ist 
Janaka, der König von Mithilä, der erlösungskundige, in die 
Erlösung eingegangen, indem er die Genüsse der Menschen 
von sich warf? 

Bhishma sprach: 

2. (7882.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich auf welchem Wege jener des Rechten 
Kundige zu grofser Glückseligkeit gelangt ist. 

3. (7883.) Der König Janaka [nach Nil. ein Nachkomme 
des Janaka mit Namen Janadeva], der Oberherr des Volkes 
in Mithilä, war dem Nachdenken über die Pflichten hin- 
gegeben, welche über die Körperlichkeit hinausfuhren. 

4. (7884.) In seinem Hause wohnten beständig hundert 
Lehrer, welche, in den verschiedenen Lebensstadien stehend, 
über deren besondere Pflichten Belehrung erteilten. 

5. (7886.) Aber mit ihrer Erklärung in betreff des Zu- 
standes nach dem Tode und der Wiedergeburt nach dem 
Tode war er, der an der heiligen Überlieferung Festhaltende, 
namentlich sofern es sich um das Wesen des Ätman han- 
delte, nicht zufrieden. 

6. (7886.) Da geschah es, dafs ein Anhänger des Kapila, 
ein grofser W eiser, mit Namen Paficacikha, indem er die ganze 
Erde durchstreifte, auch nach Mithilä kam. 



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Adhyäya 218 (B. 218). 



271 



7. (7887.) Dieser war in der Erklärung, welche die Er- 
kenntnis des Wesens aller Satzungen des Weltverzichts 
(sannyäsa) betrifft, von sehr entschlossener Sinnesart, über 
die Gegensätze erhaben und frei von Zweifeln. 

8. (7888.) Er war der, welchen sie als einzig unter den 
Weisen, als nicht überwältigt von Begierde unter den Men- 
schen rühmen und welcher dem ewigen Heile, dem unend- 
lichen, schwer zu erreichenden, nachforschte. 

(7889.) Und wenn die Sänkhya's den Kapila als den 
höchsten Weisen und Schöpferherrn preisen, so glaube ich, 
dafs jener [Paficacikha] leibhaftig fsvayamj in dessen [Ka- 
pila' s] Gestalt die Welt in Erstaunen setzt. 

10. (7890.) Er war der, welchen sie als den ersten Schüler 
des Asuri, als den Langlebenden rühmen; der, welcher in 
dem Lande der fünf Ströme ein tausendjähriges Somaopfer 
abgehalten hatte. 

11. (789i.) Als er dieses dort abhielt und zu üim, dem 
Kapilasprofs, ein grofser Kreis sich scharte, da geschah es, 
dafs er, der fünf Ströme der Sinne (Ovet. Up. 1,5) Kundige 
und in dem fünftägigen Somaopfer Erfahrene, 

12. (7892.) der Fünf kundige, fünffach Tätige, Fünftugend- 
hafte, Paficacikha (Fünfflammige) Genannte, ihnen verkündigte 
das im höchsten Sinne reale Unentfaltete, welches dem 
Purusha als Standort dient. 

13. (789S.) Hatte doch auch schon [sein Lehrer] Asuri, 
als er wegen seiner Abhaltung einer langen Somafeier und 
noch mehr wegen seiner Askese befragt worden war, die Ent- 
faltung von Seele (hshetrajnaj und Leib (kshetramj als ein 
Gottschauender erkannt. 

14. (7894.) Denn was als jenes eine, unvergängliche Brah- 
man in seinen mannigfachen Erscheinungsformen geschaut 
wird, dieses Ewige hatte schon Asuri auf diesem Erdkreise 
ergriffen. 

15. (7895.) Und dessen Schüler war Paficacikha geworden, 
seitdem er mit der Milch eines Menschenweibes aufgezogen 
worden war. Denn zu der Familie [des Asuri] gehörte eine 
Brahmanin mit Namen Kapilä, 

16. (7896.) und indem er (Paficacikha] zu ihr in das Vor- 



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272 



111. Mokshadhanna. 



hältnis eines Sohnes trat, trank er an den Brüsten dieses 
Weibes; auf diese Weise wurde er der Abstammung von 
Kapila teilhaft und der unvergänglichen Erkenntnis. 

17. (7897.) So hat mir der Heilige die Entstehung des 
Kapilasprosses [Paficacikha] , seine Abstammung von Kapila 
und seine unübertreffliche Allwissenheit erklärt. 

18. (7898.) Zu dem billig denkenden König Janaka also 
war der rechtskundige [Paficacikha], nachdem er die höchste 
Erkenntnis erkannt hatte, getreten und hatte dessen hundert 
I^ehrer durch seine Argumente in Verlegenheit gebracht. 

19. (7899.) Janaka aber, von der Darlegung des Kapila- 
sprosses ganz entzückt, entliefs seine hundert Lehrer und 
folgte ihm nach. 

20. (79oo.) Diesem nun, der aufs beste vorbereitet war 
und sich pflichtmäfsig verneigt hatte, erklärte er [Paficacikha] 
die höchste Erlösung, wie sie im Sänkhyam dargelegt wird. 

21. (7901.) Und nachdem er das Abstehen von den Kasten 
besprochen hatte, erklärte er das Abstehen von den Werken ; 
und nachdem er das Abstehen von den Werken besprochen 
hatte, erklärte er das Abstehen vom Weltall. 

22. (7902.) Und auch sie lehrte er, um deren Willen die 
Befassung mit Pflichten und das Reifen der Frucht der Werke 
ist, jene kein Vertrauen verdienende, vergänglich-schwankende, 
haltlose Verblendung. 

23. (7903.) Nämlich: da die Vernichtung in unmittelbarer 
Wahrnehmung gesehen und von aller Welt bezeugt wird, so 
ist damit auch der, welcher auf Grund der Schrift behauptet, 
dafs es ein Höheres gäbe, widerlegt. 

24. (7904.) Denn der Xicht-Ätman [zu dem man sterbend 
wird] ist der Tod des Ätman, ja schon die Beschwerde, die 
als Greisenalter auftritt, ist Tod. Und wenn einer aus Ver- 
blendung an einen Ätman glaubt, so ist diese gegnerische 
Meinung ungereimt. 

25. (7905.) Und wenn dem so wäre, dann kann auch etwas 
sein, was nach dem Weltlaufe unmöglich ist, wie wenn einer 
z. B. behaupten wollte, der König hier werde niemals altem 
und nie sterben. 

26. (7906.) Oder behauptet man, dafs es möglicherweise 



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Adbyäya 218 (B. 218). 



273 



so sei oder nicht so sei, indem ein dafür entscheidendes Merk- 
mal nicht vorliege, so frage ich, ob man wohl so etwas be- 
haupten kann, wenn man sich nur an den sichern Gang des 
Weltlaufs hält? 

27. (7907.) Die Wahrnehmung ist denn doch wohl die Wurzel 
für beide, für die Argumentation und auch für die Überlieferung, 
und eine heilige Überlieferung, die mit der Wahrnehmung in 
Widerspruch steht, sowie auch eine derartige Argumentation 
sind gar nichts. 

28. (7908.) Überall wo es sich um eine solche Folgerung 
handelt, sagen wir, fort mit ihr (kritam) und auch mit dem, 
der sich die Dinge so zurecht legt! Nein, die Seele ist nichts 
anderes als der Körper und als solche nach der Meinung der 
Nihilisten (nästika) festgestellt, 

29. (7909.) Dafür sprechen : die Samenkraft in dem Feigen- 
baumkerne, das Vorhandensein der Butter schon in der ver- 
dauten Nahrung, das Geborenwerden [durch materielle Ur- 
sachen], die Erinnerung [an materielle Vorgänge], der Magnet- 
stein, der [das Sonnenlicht einsaugende] Süryakäntastein und 
das Verdampfen des Wassers. 

30. (79io.) [Auf diese Behauptung des Materialisten er- 
widert der Idealist:] Sowolil das Verlassen des Leibes [durch 
die Seele], nachdem der Tod eingetreten ist, als auch, dafs 
man die [immateriellen] Götter anruft, dafs die Werke beim 
Tode zunichte werden müfsten [was durch die Frucht , die 
sie bringen, widerlegt wird], sind sichere Beweise [für die 
Existenz einer Seele]. 

31. (79ii.) Alle jene Gründe des Gegners gründen sich 
auf materielle Vorgänge; es ist aber nicht statthaft, das Im- 
materielle mit dem Materiellen auf gleiche Stufe zu stellen. 

32. (7912.) Andere wiederum [nach Nil. die Buddhisten] 
sagen : Es ist vielmehr das Nichtwissen, welches bei der Neu- 
geburt die Ursache der Betätigung in Werken ist, es ist viel- 
mehr Begierde und Verblendung, es ist vielmehr die Knech- 
tung unter die Sünden. 

33. (7913.) Das Nichtwissen, so sagen sie weiter, ist das 
Ackerland, und das Werk wird dabei als der Same betrachtet, 

Pect IKK, Msbibfa Arfttain. 18 



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274 III. Mokshadharma. 

der Durst ßrishnäj ist die Zeugung und das Zusammenkleben 
dieser [drei] ist die Wiedergeburt. 

34. (7»u.) Und wenn einer verschwunden oder verbrannt 
oder zerstückelt ist und dem Tode verfallen, dann entsteht 
aus jenem [Zusammenkleben] ein neuer Leib; dieses nennen 
sie, die Wesensvernichtung. 

35. (7»iß.) Und wenn [der Neuentstandene] nach seiner 
Natur, Geburt, seinen guten Werken und Zwecken ein anderer 
ist, kann man wohl von einem sagen, er ist derselbe [wie 
in einer früheren Geburt], oder soll man annehmen, dafs alles 
durcheinander geht? 

3«. (7i>iü.) Und ferner, wenn dem so wäre, welches Inter- 
esse kann man an den Anstrengungen des Schenkens, der 
Wissenschaft und der Askese haben, wenn das von einem 
vollbrachte Werk in alles mögliche andere übergehen kann? 

37. (7917.) Auch würde folgen, dafs einer hienieden in- 
folge des von andern früher Begangenen (präkkritaih mit C.) 
Leiden zu erdulden hätte. Nein! mag einer im Glück oder 
im Unglück leben, mafsgebend für das Unwahrnehmbare mufs 
doch das Wahrnehmbare sein [wo jeder seines Glückes 
Schmied ist]. 

38. (7918.) Wenn dem so wäre [könnte der Gegner sagen], 
dann könnte man auch den Körper mit Mörserstösseln zer- 
stampfen und erwarten, dafs er darauf neu entstünde. Nein! 
das Bewufstsein, welches ein anderes ist, mufs auch ein ver- 
schiedenes sein, da so etwas [die Fortdauer des vernichteten 
Bewufstseins in der neuen Geburt] nicht möglich ist. 

39. (7919.) Und wie der Augenschein lehrt, dafs Jahres- 
zeiten, Jahre, ein ganzes Weltalter, dafs Kälte und Wärme, 
Erwünschtes und Unerwünschtes dahinschwinden, so ist es 
auch mit der Wesensvernichtung. 

40. (7920.) Wenn einer vom Greisenalter überkommen wird 
und dem vernichtenden Tode verfällt, dann stürzt nach und 
nach alles, was schwach geworden ist, wie bei einem Hause 
zusammen. 

41. (7921.) Sinnesorgane, Manas, Lebenshauch, Blut, Fleisch 
und Knochen, alles geht nach und nach zugrunde und kehrt 
in sein Element zurück. 



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Adhyaya 218 <B. 218). 275 

■ 

42. (7»82.) Auch würde es eine Unterbrechung des Welt- 
laufes sein, wenn Schenken und Opferpflicht einen [jenseiti- 
gen] Lohn brächten, und auf einen Lohn zielen doch die 
Vedaworte hin, ebensogut wie die weltlichen Bestrebungen. 

43. (7»s3.) So stellen sich bei einem richtigen Denken 
die vielfachen Gründe ein, und hat man erkannt, dafs dieses 
so ist und jenes so ist, so gibt es keine Wahrnehmung, die 
dem widerspräche. 

44. (7!»24.) Aber jene [Gegner], welche hin und her über- ' 
legen und dieser oder jener Meinung zulaufen, werden es ja 
erleben, dafs einmal ihr Verstand still steht und wie ein 
Baum hinfällig wird. 

4;">. (7jw6.) So werden denn alle Menschen durch ihre 
Zwecke und auch durch Zweckloses gequält ; durch die Veda- 
Lehren werden sie [von der Wahrheit] abgelenkt wie Ele- 
fanten durch ihre Treiber. 

46. (7926.) So geschieht es, dafs viele hier, indem sie 
lechzenden Mundes nach Zwecken trachten, welche ihnen 
ewige Seligkeit schaffen sollen, sich damit nur in noch 
gröfseres Leid stürzen ; denn wenn sie auch allem Locken- 
den entsagen, verfallen sie doch der Herrschaft des Todes. 

47. (7927.) Was sollen dem vergänglichen Menschen, 
dessen Leben so unsicher ist, Verwandte nützen, was ein 
Anhang, von dem er sich trennen mufs! Ihm, der, alles 
dieses verlassend, dahingeht und, wenn er dahingegangen 
ist, nicht wiederkommt! 

48. (79>8.) Erde, Äther, Wasser, Feuer und Wind er- 
halten den Körper in seinem Bestände fort und fort. Wer 
dies bedenkt, wie sollte der sich freuen; dagegen, dafs 
er vergänglich ist, gibt es keinen Schutz. 

49. (7929.) Indem der Männerfürst [Janaka] dieses un- 
fehlbare Wort, das untrügliche, höchst heilsame, dessen 
Zeuge er geworden war, mit Erstaunen prüfend be- 
trachtete, ging er dazu über wiederum in folgender Weise 
zu fragen. 

So lautet im Moluhadharma 
in der Bede de« Paucavikha die Bekämpfung der Ketter 
(Piihni^itha • räkyt pd$han>ia - Ihaniianatn). 

18* 



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276 



III. Mokshadharma. 



Adhy&ya 219 (B, 219). 

Vers 7930-7983 (B. 1-52). 
Bhishma sprach: 

1. (7930.) Der König Janaka aber, in dieser Weise von 
dem höchst Weisen belehrt, befragte ihn abermals über das 
Sein oder Nichtsein nach dem Tode. 

Janaka sprach : 

2. (793i.) 0 Heiliger, wenn keiner nach dem Tode ein 
Bewufstsein behält [wie schon Yajfiavalkya Brih. Up. 2,4,12 
lehrt], was kann, wenn dem so ist, Nichtwissen oder Wissen 
für eine Bedeutung haben? 

3. (7932.) Dann steht es doch fest, dafs alles vernichtet 
wird, und bedenke auch dieses, o Bester der Zwiegeborenen, 
welchen Unterschied es dann begründen kann, wenn einer 
unbesonnen oder besonnen war. 

4. (7933.) Wenn nur bei denen, welche entstanden sind, 
Nichtvermengung, und bei denen, welche zugrunde gehen, 
Vermengung [der Individualität] stattfindet, für wen arbeitet 
man dann und hofft man dann? Welchen Bescheid kann 
man der Wahrheit gemäfs darauf geben? 

Bhishma sprach : 

5. (793*. j Zu ihm, der von Finsternis umgeben, verwirrt 
und gleichsam krank war, sprach, um ihn durch seine Worte 
wieder zu beruhigen, der Weise Paficacikha folgendermafsen : 

6. (7935.) Es steht nicht fest, dafs hienieden alles ver- 
nichtet wird, und es steht auch nicht fest, dafs es fortbesteht; 
jedenfalls ist der Mensch eine Zusammenraffung von Körper, 
Sinnesorganen und Manas, (7936.) welche gesondert besteht, 
wenn man sich auch bei den Handlungen wechselseitig auf- 
einander stützt. 

7. Die Elemente sind [das Folgende nach C] fünffach: 
Wassel, Äther, Wind, Lichtelement (jyotishoj und Erde; 
(7937.) diese bestehen durch ihre eigene Natur und werden 
vermöge ihrer eigenen Natur getrennt. 



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Adhyaya 219 (B. 219). 



277 



8. Äther, Wind und Hitze, das flüssige und das erdige 
Element, (7938.) die Zusammenraffung dieser fünf bildet den 
Körper und er ist nicht einheitlich. 

9. Das Bewufstsein, die Körperwärme und der Körper- 
wind, diese bilden die dreifache Summe ihrer Produkte; 
m39.) die Sinnesorgane und die Sinnendinge, ihre Eigenart, 
die Wahrnehmung und das Manas, Aushauch und Einhauch 
und was aus dem allem hervorgeht, das sind die Bestand- 
teile, welche sich auf jene drei stützen. 

10. r?94o.) Das Hören und Fühlen, Zunge, Gesicht und 
Nase, diese fünf Sinnesorgane sind ihre [der Elemente], das 
Manas fcittam) als Führer habende Qualitäten. 

1 1. (794i.) Dabei ist ein mit Bewufstsein verbundenes, 
dreifaches, beharrliches Geistiges (ceianä) tätig, welches man 
bezeichnet als [1] Lust empfindend, [2] Schmerz empfindend, 
sowie [3] als schmerzlos und lustlos. 

12. (7942.) Ton und Berührung, Gestalt, Geschmack und 
Geruch, diese Wesenheiten dienen bis zum Tode hin als fünf 
oder [mit Einschlufs der Funktion des Manas] als sechs 
Qualitäten dem Vollbringen der Erkenntnis. 

13. (7943.) Neben ihnen steht die Ausbreitung der Werke 
[durch die Karmendriya's] und die Feststellung der Bedeutung 
aller Wesenheiten [durch die Buddhi]; diese nennt man das 
höchste Reine, auch Buddhi, und das grofse Unvergängliche. 

14. (7944.) Wer dieses Aggregat der Guna's [Sattvam, 
Kajas, Tamas] als das Wesen des Atman ansieht, für den 
kommt, weil er die Dinge unrichtig sieht, unendliches Leiden 
nicht zum Aufhören. 

15. (7945.) Wer sie hingegen als das Nichtselbst erkennt 
und spricht: sie sind nicht ich und sind nicht mein, auf 
welchen Grund sich stützend könnte dann die Fortsetzung 
des Leidens von statten gehen? 

lrt. (7946.) Nunmehr sollst du die allerhöchste Kntsagungs- 
lehre, welche den Namen „die alles zermalmende" führt, vor- 
nehmen, welche ausgesprochen zu deiner Erlösung dienen wird. 

17. (7947.) Diese Entsagung in bezug auf alle, auch auf 
die [als Pflicht] auferlegten Werke, gilt jederzeit unter den 
Irregeleiteten für eine schmerzvolle Plage. 



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278 



III. Mokshadharma. 



18. (7048.) Im Verzicht auf die Opfersubstanzen bestehen 
die Werke, im Verzicht auf das Geniefsen die Gelübde, im 
Verzicht auf Lust besteht Askese und Hingebung, im Ver- 
zicht auf alles die höchste Erringung. 

19. (7949.) Zu diesem Verzichten auf alles wird dieser und 
kein zweiter Weg gelehrt, der zum Aufgeben des Leidens 
führt, auf anderm Wege dürfte es schwer erreichbar sein. 

20. (7950.) Nachdem ich die fünf Erkenntnisorgane ge- 
nannt habe, zu welchen sich im Bewufstsein Manas als sechstes 
gesellt, so will ich nunmehr die fünf Tatorgane aufzählen, zu 
welchen sich die Kraft (halam) als sechstes gesellt 

21. (7951.) Die Hände sind das Organ des Handelns, die 
Füfse das Organ des Gehens, der Penis das der Zeugung 
und Wollust, der Anus ist das Organ der Entleerung. 

22. (7952.) Die Rede endlich dient zur Artikulierung der 
Töne, so wird sie [die Tat] von den fünf Organen geleitet 
Das also sind die elf Organe. Man soll das Manas alsbald 
mitsamt der Buddhi von sich loslösen. 

23. (7953.) Die Ohren, der Ton und der Verstand (cütam 
= manas), diese drei [wirken zusammen] beim AufTassen 
durch das Gehör; entsprechend ist es beim Fühlen, ent- 
sprechend beim Sehen, entsprechend beim Schmecken und 
Riechen. 

24. (7954.) So sind diese fünf Qualitäten dreifach zum 
Zwecke ihrer Auffassung, weil sich dieses dreifache Zusammen- 
wirken der Reihe nach bei ihnen einstellt. 

25. (7955.) Als sattva-artig, rajas-artig und tamas-artig, 
als diese drei treten hervor, indem sie alles zustande bringen, 
[jene Wesenheiten ] in welchen somit ein dreifaches Empfinden 
herrscht. 

26. (7956.) Als Freude, Befriedigung, Wonne, Lust und 
beruhigtes geistiges Verhalten, mögen sie nirgendwoher oder 
irgendwoher stammen, als diese wird der sattva-artige Guna 
gedacht. 

27. (7957.) Unbefriedigtheit, Qual, Kummer, Begierde und 
Unduldsamkeit, diese treten hervor als Merkmale des Kajas, 
mögen sie einen [äufsern] Grund haben oder nicht. 

28. (7958.) Nichtunterscheidung, Verblendung, Unbesonnen- 



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Adhyäya 219 (B. 219). 



279 



heit, Schlaf und Schlaffheit, wie sie auch immer [entstanden] 
sein mögen, sind die mannigfachen Qualitäten des Tamas. 

29. (7959.) Was nun mit Befriedigung verknüpft ist, sei 
es im Körper, sei es im Geiste, das ist der sattva-artige Zu- 
stand, dementsprechend hat man dieses zu berücksichtigen. 

30. (7960.) Was aber mit Nichtbefriedigung verbunden 
ist und einem Unlust bereitet, in diesem tritt das Kajas her- 
vor; da dem so ist, möge man auch dies bedenken. 

31. (7961.) Was aber mit Verblendung verbunden ist, sei 
es im Körper, sei es im Geiste, was des Nachdenkens und 
des Bewufstseins entbehrt, das soll man als das Tamas be- 
trachten. 

32. (7962.) Das Gehör stützt sich auf den Äther und der 
Ton stützt sich auf das Gehör; jene beiden [Äther und Gehör) 
werden bei Erkenntnis des Tones nicht bewufst, mag dabei 
das Bewufstsein [manas] tätig sein oder das Gegenteil statt- 
finden. 

33. (7963.) Ebenso [nämlich dafs nur die Empfindung, 
nicht aber das Element und die ihm entsprechende Tätig- 
keit in das Bewufstsein treten] steht es mit Haut, Augen, 
Zunge und Nase als fünftem bei dem Fühlen, Sehen, Schmecken 
und Riechen; sie alle sind Bewufstsein, das Bewufstsein aber 
ist Manas. 

34. (7964.) Bei diesen Zehnen findet ein mit ihrer Tätig- 
keit gemeinsames Wirken [des Manas] statt. Dieses, das 
Erkenntnisorgan fcittam = manas) soll man wissen als elftes, 
und die Buddhi ist das zwölfte. 

3f>. (7965.) Wenn diese [Buddhi, Manas und Sinne] nicht 
zusammenwirken, so liegt es daran, dafs das Tamas-artige 
nicht beseitigt worden war; besteht aber ihr gemeinsames 
Wirken, so ist das die normale Betätigung. 

36. (7966.) Aber auch der, welcher die schwer erkenn- 
baren Sinnesorgane infolge vorheriger Belehrung durch den 
Veda wahrnimmt und überdenkt, kommt zu keiner voll- 
ständigen Erfassung, solange er mit den drei Guna's be- 
haftet ist. 

37. (7967.) Dasjenige Manas (cittamj nämlich, welches vom 
Tamas behindert, [vor-] schnell zusammenfassend und un- 



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280 



III. Mokshadhariua. 



sicher, ein Aufhören [des Zusammenwirkens] im Körper ver- 
schuldet, das nennen die Weisen ein tamas-behaftetes. 

38. (7968.) Und auch jenes Manas, welches auf Grund der 
heiligen Überlieferungen nicht das Elend [des irdischen Da- 
seins] überblickt, nimmt auch hier [wie bei Betrachtung der 
irdischen Realität] nur gleichsam das durch Tamas sich ent- 
faltende Unwahre [der vedischen Theologie] wahr. 

39. (7969.) Der hiermit dargelegte, auf den eigenen Werken 
[einer frühern Geburt] sich gründende Guna [das Tamas] 
bleibt zuweilen vollständig herrschend, während er bei einigen 
schwindet. 

40. (7970.) Somit bezeichnen die nach der innern Seele 
Forschenden das [körperliche] Aggregat als den Ort (hsetramjx 
hingegen wird die im Geiste ruhende Wesenheit [des Purusha] 
der Ortskenner (kshetrajna) genannt. 

41. (7971.) Aber da dem so ist, worin besteht die Los- 
lösung, und wie kann sie ewig sein, da doch alle Geschöpfe 
aus ihrer eigenen Natur heraus und infolge von Gründen 
[ihrer Werke in einer frühern Geburt] sich betätigen müssen? 

42. (7972.) Wie die zum Ozean eilenden Flüsse ihre Formen 
und Namen aufgeben [Mund. Up. 3,2,8], und die Strömungen 
des Ozeans dieselben in sich aufnehmen, so ist die Wesens- 
vernichtung zu denken. 

43. (7973.) Da dem so ist, woher kann dann aber im Zu- 
stande nach dem Tode wiederum ein [individuelles] Bewufst- 
sein entstehen, da die Seele doch [mit dem All] verfliefst und 
vollständig [von dem All] umschlungen wird. 

44. (7974.) Wer diese Erkenntnis von der Erlösung 
besitzt und frei von Unbesonnenheit nach dem Atman 
forscht, der wird nicht mehr von den unerwünschten 
Früchten der Werke befleckt, dem Blatte der Lotospflanze 
vergleichbar, wenn es mit Wasser benetzt wird. 

45. (7975.) Wenn der Mensch befreit von den starken 
Fesseln, geschmiedet durch die Familie und den Gottes- 
dienst, Lust und Schmerz hinter sich läfst, dann geht 
er, erlöst und frei von Charaktereigenschaften, den 
höchsten Gang. 

46. (7976.) Gestützt auf die Autorität der Schrift und 



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Adhyäya 219 (B. 219). 



281 



die Verheifsungen der heiligen Lehre bleibt er ruhig und 
läfst sich durch die Furcht vor Alter und Tod nicht mehr 
schrecken. Sein gutes Werk schwindet, sein böses hat 
ihn verlassen und die dadurch bedingte Frucht ist ver- 
nichtet. (7977.) Und so geht er ein zu dem fleckenlosen, 
merkmalfreien Äther, und in ihm weilend verharrt er in dem 
Grofsen als ein Schauender und frei von Anhänglichkeit. 

47. Wie eine sich hin und her wendende Spinne, 
wenn ihr der Faden bricht, herabgefallen in Ruhe ver- 
weilt, (7978.) so läfst der Erlöste das Leid fahren und zer- 
stiebt wie ein Erdklofs, wenn er auf einen Stein trifft 
[Brih. Up. 1,3,7]. 

48. Wie der Hirsch, wenn er sein altes Geweih ab- 
wirft, wie die Schlange, wenn sie ihre Haut (7979.) ab- 
streift, fortgeht, ohne zurückzublicken, so wirft der Er- 
löste das Leid von sich. 

49. Wie der Vogel einen ins Wasser stürzenden Baum 
verläfst und herabfliegt, ohne sich an ihn zu halten, 
(7980.) so verläfst jener [Erlöste] Lust und Leid und geht 
von ihnen befreit ohne Charaktereigenschaften den höch- 
sten, allerhöchsten Gang. 

50. (7981.) Auch gibt es ein Lied, welches von einem 
Fürsten von Mithilä gesungen wurde, als er sah, wie 
seine Stadt vom Feuer verzehrt wurde: „Fürwahr, da 
brennt nichts von dem Meinigen ! i4 Dieses sprach der Fürst 
des Landes selbst. 

51. (7982.) Als der König diese nektargleiche Rede ge- 
hört hatte, welche von Paficacikha selbst zu ihm ge- 
sprochen worden war, da prüfte er alles und wurde sich 
klar über seinen Zweck und wandelte hin, hochbeglückt 
und frei von Kummer. 

52. (7983.) Wer diese Darlegung über die Erlösung 
rezitiert, o Yudishthira, und sie ebenso wie jener immer- 
fort im Sinne hat, der erfährt keine Widerwärtigkeiten, 
keine Leiden und wird erlöst wie der König von Mithüä, 
als er sich an den Kapilasprofs gewandt hatte. 

So Uutet im MoWthadharro» die Rede de» l'aiu a^iklüt 



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282 



HI. Mokshadharma. 



Adhyftya *ÄO (B. 220). 

Vers 7984-8003 (B. 1-20). 

Yudhishthira sprach: 

1. (7y84.) Durch welches Tun erlangt man Lust, durch 
welches Tun erlangt man Leid, durch welches Tun wandelt 
der Vollkommene furchtlos in der Welt, o Bharata? 

Bhlshma sprach: 

2. (7»85.) Die Selbstzucht ist es, welche die dem Schrift- 
wort nachdenkenden Alten anempfehlen sowohl allen Kasten 
als auch besonders den Brahmanen. 

3. (7986) Wer keine Selbstzucht besitzt, dem geht das 
Gedeihen [diesem Mangel] entsprechend nicht vonstatten; 
W r erk, Askese und Wahrhaftigkeit, das alles ist in der Selbst- 
zucht begründet. 

4. (7987.) Die Selbstzucht steigert die Energie, die Selbst 
zucht wird ein Läuterungsmittel genannt ; frei von Sünde und 
Furcht findet der Selbstzucht übende Mensch das Grofse. 

5. (7988.) Mit Lust schläft ein, wer die Selbstzucht be- 
sitzt und mit Lust wacht er wieder auf; mit Lust verkehrt 
er in der Welt und sein Gemüt ist in Ruhe. 

f>. (7989.) Die Energie wird durch Selbstzucht aufrecht 
erhalten, und wer durch sie energisch geworden, kommt zu 
Gelingen; in sich selbst sieht er allezeit viele und mannig- 
fache Feinde. 

7. (7990.) Wie vor Raubtieren fürchten sich die Wesen 
stets vor denen, die keine Selbstzucht besitzen, und um sie 
zu zügeln, ist der König von dem Schöpfer erschaffen worden. 

8. (7991.) Höher als alle [vier] Lebensstadien steht die 
Selbstzucht, und die Frucht, welche an die Pflichterfüllung 
in ihnen sich knüpft, wird in noch höherem Mafse dem Selbst- 
zucht Übenden zuerkannt. 

1). (7992.) Ich will die Merkmale derjenigen verkündigen, 
die in der Selbstzucht Erfolg haben ; sie sind Nichtkleinmütig- 
keit, Nichtungestüm, Zufriedenheit und gläubige Gesinnung, 

10. (7993.) Freiheit von Zorn, beständige Geradheit, ohne 



Adhyäya 220 (R 22u). 



283 



Grofssprecherei und Hochmut, Ehrung des Lehrers, Nicht- 
nörgeln, Mitgefühl mit den Wesen und Freiheit von Hinterlist, 

11. (7994.) Enthaltung von Klatscherei, Lüge, Lob und 
Tadel. Nur nach dem Guten begehrend sei sein Trachten, 
nicht [richte er) sein Verlangen auf erhoffte Dinge. 

12. (79«J5.) Sein Umgang sei mit solchen, die keine Feind- 
schaft hegen, gleichmütig bleibe er bei Tadel und Lob, von 
gutem Wandel, charaktervoll, beruhigten Geistes, seiner selbst 
gewifs und sich beherrschend. 

13. (7996.) Dann wird er freundliche Behandlung erfahren 
und nach dem Tode in den Himmel eingehen; er hilft allen 
Wesen bei dem, was ihnen Schwierigkeiten macht, und ist 
voll Freudigkeit und beglückt. 

14. (7997.) Wer, so bedacht auf das Wohl aller Wesen, 
keinen Menschen hafst, der wird, wie ein grofser See von 
Wellen nicht bewegt, an Erkenntnis sich sättigend in Ruhe 
verharren. 

15. (7998.) Wer sich nicht mehr vor den Wesen fürchtet, 
und vor welchem alle Wesen sich nicht mehr fürchten, der 
wird von ihnen allen geehrt, der ist selbstzuchtbesitzend 
und weise. 

16. (799D.) Er freut sich nicht, wenn er Grofses erreicht 
hat, er klagt nicht, wenn ihn ein Unglück trifft, so ist er 
mit seinem Wissen sich bescheidend, so wird er ein Selbst- 
zucht übender Brahmane genannt. 

17. ohh>o.) Mit Schriftwissen begabt, von guten Werken 
umgeben und rein und allezeit in Zucht sich haltend, ge- 
niefst er ihre grofse Frucht. 

18. (8001.) Nicht -Nörgeln, Nachsicht, Gemütsruhe, Zu- 
friedenheit und freundliches Reden, Wahrhaftigkeit, Frei- 
gebigkeit und Kummerlosigkeit, das ist der Weg, den Übel- 
gesinnte nicht zu finden wissen. 

VX «koos.) Begierde und Zorn, Habsucht, Neid gegen 
andere, Prahlerei, Begierde und Zorn bemeistert er, keusch 
und die Sinne bezähmend, 

20. (8003.) so schreitet mutig dahin in der furchtbaren 
Finsternis der Brahmane mit scharfem Gelübde; seine Stunde 



l>84 



III. Mokshadharma. 



ersehnend möge er in der Welt wallen, ohne Mifserfolg, 
seines Atman gewifs. 

Su lautet im Mokshadharma der Preis der Selbstzucht 
(dama>pra<<nH*d)> 

Adhyftya 221 (B. 221). 

Vera 8004-8020 (B. 1-17). 

Yudhishthira sprach: 

1. f8O04.) Dafs die in einem Gelübde begriffenen Z wie- 
geborenen in der bekannten Weise die Opferspeise geniefsen 
als Nahrung, dem Brahmanenbrauche zuliebe, wie ist das zu 
beurteilen, o Grofsvater? 

Bhlshma sprach : 

2. (8005.) Sowohl diejenigen, welche die im Veda be- 
fohlenen Gelübde nicht betreiben und essen, indem sie ihren 
Geschäften nachgehen, als auch diejenigen, welche den Veda- 
worten entsprechend essen, beide sind ihrem Gelübde ab- 
trünnig geworden (lies mit C: luptah), o Yudhishthira. 

■ 

Yudhishthira sprach: 

3. (8006.) Das Fasten, was das gemeine Volk so mit dem 
Namen des Tapas (Askese) bezeichnet, ist dieses das Tapas, 
o grofser König, oder wenn nicht, was ist denn Tapas? 

Bhishma sprach: 

4. (8007.) Was die Leute für Tapas halten, indem man 
einen Halbmonat durch fastet, das ist vielmehr nur eine 
Schädigung des Leibesbestandes und wird von guten Men- 
schen nicht als Tapas angesehen. 

5. (8008.) Entsagung und Demut, diese gelten als höchstes 
Tapas; [wer sie hat] der hat das fortwährende Fasten, der 
hat die beständige Keuschheit. 

6. (sooö.) Ein Einsamer sei allezeit der Brahmane, eine 
Gottheit sei er allezeit, für seine Familie sorgend, seine Pflicht 
liebend allezeit und ohne Schläfrigkeit, o Bhärata. 

7. (80io.) Allezeit enthalte er sich der Fleischnahrung, 



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Adhyäya 221 (B. 221). 



285 



allezeit wirke er läuternd, allezeit labe er sich an Amritam, 
indem er Götter und Gäste ehrt. 

8. (soll.) Allezeit nähre er sich von Restspeise, allezeit 
erfülle er das Gastgelübde; gläubig sei er allezeit, voll Ehr- 
erbietung gegen Götter und Brahmanen. 

Yudhishthira sprach: 

9. (8012.) Wie kann er das fortwährende Fasten, wie kann 
er die beständige Keuschheit haben, wie kann er allezeit 
Restspeise essen und das Gastgelübde erfüllen? 

Bbishma sprach: 

10. (8013.) Wer zwischen der Morgenmahlzeit und der 
Abendmahlzeit zwischendurch nicht nochmals ifst, der hat 
das fortwährende Fasten. 

1 1. (80U-.) Wenn er zur gesetzten Zeit die Gattin besucht, 
dann hat der Brahmane die beständige Keuschheit, der Mann, 
welcher immerdar die Wahrheit redet und immer der Er- 
kenntnis obliegt. 

12. (8oi5.) Er soll nicht ohne Not Fleisch essen oder auch 
der Fleischnahrung sich ganz enthalten, immerfort spendend 
und läuternd, nicht schläfrig und nicht bei Tage schlafend. 

13. (8016.) Wer immerfort nur dann ifst, nachdem seine 
Leute und seine Gäste gesättigt sind, der labt sich an reinem 
Amritam, das wisse, o Yudhishthira. 

14. (8017.) Der Z wiegeborene, welcher allezeit nicht ifst, 
bevor jene gegessen haben, der hat durch dieses Nichtessen 
sich den Himmel erworben. 

15. (8018.) Wer das von Göttern, Vätern, Angehörigen und 
Gästen Übriggelassene ifst, der heifst ein Restspeise-Esser. 

16. (8oi9.) Die so leben, denen gehören die unendlichen 
Welten, und mit Gott Brahmän denselben Sitz teilend, wan- 
deln sie, von Apsaras bedient, als Himmelsbewohner umher. 

17. (8020.) Sie, welche in Gemeinschaft mit den Göttern 
und Vätern geniefsen, die freuen sich an Kindern und Kindes- 
kindern und ihrer ist der höchste Gang. 

So lautet im Mokabadüaruia die Krage nach dem Amritam 
(amfita • prA$nikam). 



•J86 



III. Mokshadliarma. 



Adhyftva (B. 222). 

Vers 8021-8057. (B. 1-37.) 

Yudhishthira sprach: 

1. Das in dieser Welt begangene Werk, sei es 
gut oder böse, welches den Purusha (Mensch, Seele) bindet 
durch Bindung an die Frucht, o Bharata, 

2. (W22.) ist dessen Täter der Purusha oder nicht? Dar- 
über besteht Zweifel; dieses wünsche ich der Wahrheit ge- 
mäfs von dir, o Grofsvater, zu vernehmen. 

Bhlshma sprach: 

3. (8o*3.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich, o Yudhishthira, die Unterredung zwischen 
Prahrada und Indra. 

4. (8024.) Den nicht anhänglichen, von Bösem befreiten 
aus guter Familie geborenen, der Schrift sehr kundigen, an- 
spruchslosen, selbstlosen, in der Wahrheit festen, sich an 
Verpflichtung freuenden, 

5. <8025.) Tadel und Lob gleichachtenden, bezähmten, in 
einem einsamen Hause wohnenden, Ursprung und Vergang 
der beweglichen und unbeweglichen Wesen kennenden, 

6. (8026.) nicht zürnenden und nicht sich freuenden über 
Liebes und Unliebes, auf beides, mochte es Gold oder Erd- 
klumpen sein, gleichmäfsig blickenden, 

7. (8027.) in der Erkenntnis des Seelenheils festen, Klar- 
heit errungen habenden, das Höchste und Tiefste unter den 
Wesen kennenden, alles wissenden, auf alles gleichmütig 
blickenden, 

8. (8028.) diesen Prahrada, wie er einsam und mit be- 
zähmten Sinnen dasafs, suchte, um seine Erkenntnis zu er- 
lernen, der Gott Qakra (Indra) auf und sprach zu ihm: 

9. (8029.) Alle Tugenden, um deren willen ein Mann in 
der Welt geehrt wird, o König (nripa mit C), alle diese 
Tugenden sehen wir unverlierbar, o Herr, verwirklicht in dir. 

10. (soso.) Und auch dein Bewufstsein erscheint [so rein], 



Adliyäva 222 (B. 222). 



wie das der Kinder zu sein pflegt. Der du den Atman über- 
denkst, was hältst du hienieden für das Heil? 

11. (So.Hi.) Mit Stricken gebunden, aus deiner Stellung 
verstofsen, in die Hand deiner Feinde gegeben und vom 
Glück verlassen, o Prahrada, bist du in einer beklagens- 
werten Lage und klagst doch nicht. 

12. (mos*.) Kommt es daher, weil du die Erkenntnis ge- 
wonnen hast, o Daityafürst, oder wegen der Festigkeit deines 
Charakters, dafs du, o Prahrada, wohlgemut bleibst, obgleich 
du dich selbst im Unglück siehst? 

13.. (8033.) Als der Weise, zur Klarheit Gekommene mit 
diesen Worten von jenem [Indra] angespornt worden war, 
da antwortete er mit sanfter Stimme, indem er seine Er- 
kenntnis an den Tag legte. 

Prahrada sprach: 

14. (8034.) Wer das Entstehen und Vergehen der Wesen 
nicht begreift, der mag wegen seiner Torheit darüber staunen, 
wer sie begreift , der wird nicht staunen. 

lf>. (8035.) Vermöge der Natur (svubhäva = prakrüi) ent- 
steht und vergeht alles, was ist und nicht ist; für den Purusha 
aber gibt es keinen Zweck. 

16. (8036.) Und da es keinen Zweck des Purusha gibt, so 
ist kein Purusha je ein Täter, aber obgleich er selbst nie- 
mals ein Täter ist, so besteht doch hienieden der Wahn, 
als wenn er es sei. 

17. (8037.) Wer nun seinen Atman für den Täter hält des 
Guten oder Bösen, dessen Bewufstsein ist mangelhaft und 
erkennt die Wahrheit nicht, so meine ich. 

18. (8038.) Wäre, o Qakra, der Purusha der Täter, dann 
würden unfehlbar die von ihm zu seinem Glücke gemachten 
Anstrengungen zum Ziele fuhren, und er würde niemals dies 
Ziel verfehlen. 

19. (8039.) Abwendung des Unerwünschten und Nicht- 
Abwendung des Gewünschten zeigt sich ja als Ziel bei allen 
Strebenden; wie sollte also der Purusha ein Ziel verfolgen! 

20. (8040.) Ein Zustandekommen des Unerwünschten und 
ebenso ein Gelingen des Erwünschten sehen wir bei manchen 



288 



III. Mukshadharma. 



ohne Anstrengung eintreten; dies geschieht durch die Natur 

(svabhävaj. 

21. (8041.) Manche, die wohlgestalteter und verständiger 
sind, müssen, wie die Erfahrung zeigt, von Mifsgestalteten 
und weniger Verständigen die Erlangung von Gütern erbitten. 

22. (8042.) Wo nun alle Eigenschaften, die guten wie die 
schlechten, nur in die Erscheinung treten, indem sie durch 
die Natur in Gang gebracht werden, wie könnte da irgend 
jemand Grund haben, auf etwas stolz zu sein! 

23. (8043.) Alles dies wird durch die Natur bewirkt, dies 
ist meine feste Uberzeugung, welche sich auf den Atman 
gründet, und für mich gibt es keine andere Erkenntnis 
als diese. 

24. (8044.) Andrerseits besteht die Ansicht, dafs das Er- 
langen einer guten oder bösen Frucht durch [frühere] Werke 
bedingt sei; darum will ich dir die ganze Tragweite der 
Werke erklären, vernimm sie von mir. 

25. (8045.) So wie eine Krähe, indem sie ifst, das Vor- 
handensein von Nahrung [den anderen Krähen] kundmacht, 
so bekunden alle Werke nur die Natur [aus der sie hervor- 
gehen]. 

26. (8046.) Wer nur die Entfaltungen erkennt und nicht 
die höchste Prakriti, der mag wegen seiner Torheit darüber 
staunen, wer sie begreift, der wird nicht staunen. 

27. (8047.) Für einen, der mit Sicherheit begreift, dafs 
alles Sei^nfte auf der Welt nur aus der Natur hervorgehe, 
was kann dem noch Stolz oder Hochmut anhaben? 

28. (8048.) Ich kenne alle Pflichtvorschriften und auch die 
Vergänglichkeit der Wesen, darum, o (>kra, trauere ich 
nicht, denn alles, was auf dieser Welt existiert, geht einmal 
zu Ende. 

29. (8049.) Frei von Selbstsucht und Ichbewufstsein, ohne 
Wünsche, von Banden frei, in mir selbst gegründet und los- 
gelöst, schaue ich hin auf Entstehen und Vergehen der Wesen. 

30. (soso.) Wem die Erkenntnis geworden ist, wer be- 
zähmt, frei vom Durst (trishnaj und frei von Wünschen ist, 
für den, o <>kra, gibt es kein Bemühen mehr, indem er die 
unvergängliche Stätte schaut. 



Adhyaya 222 (B. 222). 



2M 



31. (8051.) In der Prakriti und in dem, was aus ihr ent- 
standen ist, ist nichts, das ich liebte oder hafste, ist nie- 
mand, den ich für einen Feind hielte oder der auf mich An- 
sprüche erheben könnte (mamäyate). 

32. (8052.) Nicht in der Höhe, nicht in der Tiefe, noch in 
der Mitte irgendwo ist etwas, das ich begehrte, o C ft kra, 
nichts habe ich zu tun mit den Gegenständen der Erkenntnis, 
nichts mit der Erkenntnis und dem Wissen. 

£akra sprach: 

33. (8053.) Wodurch diese Erkenntnis gewonnen, wodurch 
diese Ruhe erlangt wird, das Mittel sage mir an, der ich 
dich geziemend frage, o Prahräda. 

Prahräda sprach: 

34. (8054.) Durch Geradheit, durch Besonnenheit, durch 
Heiterkeit, durch Selbsthaftigkeit und durch Beachtung dessen, 
was die Alten lehrten, o (^akra, erlangt der Mensch das Grofse. 

35. (8055.) Durch die Natur fsvabhavaj erlangt man die 
Erkenntnis, durch die Natur gelangt man zur Beruhigung, 
durch die Natur nur besteht diese ganze Welt und alles, 
was du erblickst. 

36. (8056.) Als der Fürst der Daitya's so gesprochen hatte, 
geriet £akra in Erstaunen, und voll Freude, o König, zollte 
er dieser Rede Verehrung. 

37. (8057.) Und nachdem er den Daityafürsten gepriesen 
hatte, nahm er, der Herr und Gebieter der drei Welten, von 
dem Fürsten der Dämonen Abschied und begab sich in seine 
Behausung. 

So lautet im Mokthedbanna «Ii« Unterredung zwischen «,akra und Prahrada 

($+kra- Frahrdda-$atncdda). 



Dsrp»K*, Mauipuaratam 



19 



2<X) 



III. Mokshadharma. 



AdhyAya T4A (B. 223). 

Vers 8058-8087 (Ii. l-30>. 

Yudhishthira sprach: 

1 . (8058.) Wie beschaffen ist das Bewufstsein, mit welchem 
ein Fürst, der aus seiner glücklichen Lage gestürzt wurde, 
auf der Erde lebt, nachdem er durch die Schläge des Kala 
(der Zeit) zermalmt ist? Das sage mir. o Grofsvater. 

r 

Bliishma sprach : 

2. (soso.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Väsava (Indra) mit 
Bali, dem Sohne des Virocana. 

3. (806o.) Dem Urvater sich nahend und vor ihm mit zu- 
sammengelegten Händen niederfallend, befragte ihn Väsava, 
nachdem er schon alle Dämonen besiegt hatte, nach dem Bali. 

4. (8061.) Ihn, dem sein Reichtum, obwohl er ihn abgab, 
niemals verloren ging, diesen Bali finde ich nicht, o Gott 
Brahmän; sage mir, wo Bali weilt. 

5. (8062.) Er ist der Windgott und ist Varuna, ist die 
Sonne und ist der Mond, er wärmt als Agni die Wesen und 
er ist auch das W'asser. 

tt. (8063.) Diesen Bali finde ich nicht, o Gott Brahmän: 
sage mir, wo Bali weilt. Er geht [als Sonne] unter und er 
erhellt die Weltgegenden. 

7. (8064.) Er läfst den Regen regnen je nach der Zeit un- 
ermüdlich. Diesen Bali finde ich nicht, o Gott Brahmän: 
sage mir, wo Bali weilt. 

Der Gott Brahman sprach: 

8. (8066.) Es ist dir nicht gut, o Mächtiger, dafs du nach 
ihm fragst; aber wenn man gefragt wird, soll man nicht 
die Unwahrheit sagen, darum will ich dir sagen, wo Bali 
weilt. 

9. (8066.) Mag er unter den Kamelen zu finden sein oder 
unter den Rindern, den Eseln oder den Pferden, er wird als 
der Beste seiner Art in einem leeren Hause [als Einsiedler] 
weilen, o Gemahl der (."aci. 



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Adhyäya 223 (B. 223). 



291 



(,'akra (Indra) sprach: 

10. (S(h'ü.) Wenn ich, o Gott Brahmän, mit dem Bali in 
einem leeren Hause zusammentreffe, soll ich ihn dann töten, 
oder soll ich ihn nicht töten? Darüber, o Brahmän, be- 
lehre mich. 

Der Gott Brahmäu Spruch: 

11. fKous.) Nicht mögest du, o (,'akra, den Bali töten, nicht 
verdient Bali getötet zu werden, vielmehr nach seiner Lebens- 
regel, o (,akra, magst du ihn, soviel es dir beliebt, fragen, 
o Vasava. 

Bhlshma (der Erzähler) sprach: 

12. (8069.) Nachdem der Heilige so zu ihm gesprochen 
hatte, durchstreifte der grofse Indra auf dem Rücken seines 
Elefanten Airävata die Erde, von Herrlichkeit umgeben. 

13. (807<>.) Da sah er den Bali, in che Gestalt eines Esels 
gehüllt, so, wie es ihm von dem Heiligen beschrieben worden 
war, in einem leeren Hause wohnend. 

C'akra sprach : 

14. (Sozi.) Der du in den Mutterschafs einer Eselin ge- 
raten bist und Getreidehülsen verzehrst, o Dänava, wird diese 
deine ganz niedrige Geburt von dir beklagt oder nicht? 

15. (8072.) Unansehnlich, ach! sehe ich dich, in die Ge- 
walt deiner Feinde geraten, von Glück und Freunden ver- 
lassen, deiner Mannhaftigkeit und Tapferkeit verlustig. 

MS. (8073.) Dafs du so mit tausend Wagen und von An- 
gehörigen umgeben, alle Welten erwärmend, dahinzogst, ohne 
dich um uns zu kümmern, 

17. (8074.) und dafs die Daitya's, von dir angeführt, sich 
unter deiner Herrschaft ausbreiteten, und dafs die Erde un- 
gepflügt zu ernten erlaubte, das alles geschah univv deiner 
Oberherrschaft. 

18. (8*»75.) Und heute, wo dich dieses Mifsgeschick ge- 
troffen hat, beklagst du es da oder beklagst du es nicht? 
Als du noch dastandest am östlichen Ufer des Ozeans mit 
[übermütigem] Züngeln, 

10. fHn76.) wie war dir damals, wenn du Keichtum an 

Ii»* 



292 



III. Mokshadliarma. 



deine Angehörigen verteiltest, zumute? Als vor dir zu Tau- 
senden geschart göttliche Frauen tanzten, 

20. (8077.) indem du viele Jahresreihen hindurch lust- 
wandelnd vor Glück strahltest, Frauen, alle mit Lotos bekränzt, 
alle von goldgleichem Glänze, 

21. (8078.) wie war dir damals und wie ist dir heute zu- 
mute, o Fürst der Dänava's? Du hattest einen sehr grofsen 
Sonnenschirm aus Gold und mit Edelsteinen geschmückt, 

22. (8079.) und vor dir tanzten siebenmal sechstausend 
Gandharven; einen mächtig grofsen Opferpfosten hattest du, 
ganz aus Gold, wenn du opfertest 

23. (8080.) und aus diesem Anlafs zehntausend Myriaden 
von Kühen verschenktest, je tausend mit einem Male; wie 
war dir damals, o Daitya, zumute? 

24. (8o8i.) Und als du als Opferherr die ganze Erde durch- 
wandeltest, indem du deinen Mafstab über sie ausstrecktest, 
wie sah es damals in deinem Herzen aus? 

2.5. (8082.) Ich sehe nicht mehr deinen goldenen Trink- 
becher, nicht mehr den Sonnenschirm und die beiden Fächer, 
ich sehe nicht mehr, o Fürst der Dämonen, den Kranz, welchen 
dir Gott Brahmän schenkte. 

Bali sprach: 

26. (8083.) Nicht siehst du mehr meinen goldenen Trink- 
becher, nicht mehr den Sonnenschirm und die beiden Fächer, 
nicht wirst du mehr sehen, o Väsava, den Kranz, welchen 
mir Gott Brahman schenkte. 

27. (8084.) Du fragst nach meinen Kleinodien, die in der 
Höhle verborgen sind. Wenn meine Zeit da sein wird, dann 
wirst du sie sehen. 

28. (8086.) Aber es geziemt deinem Ruhme und deiner 
hohen Abkunft nicht, dafs du, der du im Glücke bist, mir, 
der ich nicht im Glücke bin, dies prahlend in Erinnerung 
bringen willst. 

29. (8086.) Denn nicht trauern im Leid und nicht freuen 
sich im Glück diejenigen, welche Erkenntnis erlangt und am 
Wissen sich gesättigt haben, die Weisen, welche gelernt 
haben geduldig zu sein. 



VjUU 



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Adhyäya 223 (B. 223). 



30. (8087.) Du aber prahlst, o Städtezerstörer, mit ge- 
meinem Verstände; wenn du erst sein wirst wie ich, dann 
wirst du nicht mehr so sprechen. 

So lautet im Mokshaduarma die Unterredung zwischen Bali und Indra 

(BaU - Vätat*- tatnedda). 

Adhyftya 224 (B. 224). 

Vers 8088-8147 (B. 1-G0). 

Bhishma sprach: 

1. (8088.) Wiederum sprach (,'akra lächelnd dieses Wort 
zu ihm, der wie eine Schlange zischte, und setzte die Rede 
fort, o Bhärata. 

Cakra sprach: 

2. (8089.) Dafs du so mit tausend Wagen und von An- 
gehörigen umgeben, alle Welten erwärmend, dahinzogst, ohne 
dich um uns zu kümmern, 

3. (8090.) und dafs du jetzt diesen deinen so kläglichen 
Zustand siehst, o Bali, wo du von Angehörigen und Freunden 
verlassen bist, beklagst du das oder beklagst du es nicht? 

4. i8<m.) Nachdem du vordem unvergleichliche Freude 
hattest und die Welten in deiner Gewalt standen, beklagst 
du da diesen Zusammenbruch deiner äufsern Macht oder be- 
klagst du ihn nicht? 

Bali sprach: 

5. (8092.) Weil ich in dieser Welt nur Vergängliches sehe 
infolge des Gesetzes des Umschwungs der Zeit ßälu), darum, 
o £akra, klage ich nicht, denn alles hienieden ist endlich. 

t>. (8093.) Endlich sind diese unsere Leiber und die der 
übrigen W r esen, o Herr der Götter, darum, o (,'akra, beklage 
ich nicht, was ohne meine Schuld herbeigeführt ist. 

7. (so94.) Das Leben und der Leib werden bei der Geburt 
zusammen geboren, wachsen beide zusammen und gehen zu- 
sammen wieder beide zugrunde. 

8. (8095.) Denn keinerlei Beunruhigung, da ich einen der- 
artigen entblöfsten Zustand gegen meinen W illen erlangt 



III. Mokshadharma. 



habe und mir dessen bewufst bleibe — welcherlei Beunruhigung 
könnte mir werden, da ich dies weifs! 

9. (soso.) Der Tod ist das Endziel der Wesen, wie der 
Ozean das Endziel der Flüsse; die Menschen, welche dies 
nicht vollständig begreifen, gehen in der Irre, o Donnerkeil- 
bewaffneter. 

10. (8097.) Die nun, welche dies nicht erkennen und der 
Leidenschaft und Verblendung huldigen, verzagen, wenn sie 
ins Elend geraten, denn ihr Verstand läfst sie im Stiche. 

11. (8098.) Wen aber sein Verstand nicht verläfst, der 
stöfst alle Sünde von sich ab und frei vom Bösen ergreift 
er das Gute (sattvam) und kommt im Guten beharrend zur 
Ruhe. 

12. (8099.) Diejenigen hingegen, welche sich vom Guten 
abwenden und immer wieder und wieder geboren werden, 
werden jämmerlich gequält, indem sie durch diese Zwecke 
hier sich angetrieben fühlen. 

13. (8100.) Glückerlangung und Unglück, Leben und Tod, 
die Früchte der Lust und des Leides verabscheue ich nicht 
und begehre sie auch nicht. 

14. (8ioi.) Ein Toter tötet einen Toten, wenn ein Mensch 
den andern tötet, „irr gehen dieser wie jener 4 ' (Käth. Up. 2,19), 
der, welcher tötet, und der, welcher getötet wird. 

15. (8102.) Wenn einer tötend und siegend mannhafte 
Taten vollbringt, so ist nicht er der Täter, sondern ein 
[anderer] Täter ist es, der die Tat vollbringt. 

16. (8103.) Wer ist es denn, der beides, Vergang und 
Neuentstehung der Welt, macht? Von einem Gemachten 
wird jenes [menschliche Werk] gemacht, und sein eigent- 
licher Täter ist ein anderer. 

17. (8ioi.) Aus Erde, Feuer, Äther, Wasser und Wind 
als iunftem, aus diesen sind die Wesen entsprungen, was 
wäre da zu beklagen! 

18. (8105.) Der sehr Weise und der Unweise, der Starke 
und der Schwache, der Ansehnliche und der Unansehnliche, 
der Glückliche und der Unglückliche, — 

19. (8106.) alles verleiht ihnen Kala (die Zeit), welcher 
tief gegründet ist in ihrer eigenen Kraft; und da dies alles 



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Adhyuya 224 (R 224). 



295 



unter der Herrschaft des Kala steht, wie sollte ich mich be- 
unruhigen, da ich dieses weifs. 

20. (8io7.) Der Mensch verbrennt nochmals, was schon 
verbrannt war, getötet wird von ihm, was schon getötet war, 
vernichtet wird das schon vorher Vernichtete und ergriffen 
das, was zu ergreifen vorher bestimmt war. 

21. (8io8.) Keine Insel ist hier zu sehen, kein jenseitiges 
L'fer und kein diesseitiges, keine Grenze erblicke ich dieser 
göttlichen Ordnung, so sehr ich darüber nachdenke. 

22. (8109.) Ja, wenn es nicht der Fall wäre, dafs Kala 
(die Zeit) vor meinen Augen vernichtete, dann könnte ich 
vielleicht, o Gemahl der Taci, Freude und Stolz und Zorn 
hegen. 

23. (8iio.) Du aber, da du mich Hülsen kauen, in einem 
menschenleeren Hause wohnen und Eselsgestalt tragen siehst, 
kommst zu mir und beschimpfst mich! 

24. (8iii.) Wollte ich es, so könnte ich ja meine Gestalten 
noch vielfach umwandeln und so furchtbar machen, dafs du 
bei ihrem Anblicke vor mir fliehen würdest. 

25. (8U2.) Kala (die Zeit) ist es, der alles nimmt, Kala, 
welcher alles gibt, durch Kala wird alles verhängt; tue dir 
nichts auf deine Mannhaftigkeit zugute. 

2<>. (8ii3.) Ehemals zitterte alles, wenn ich zürnte, o Städte- 
zerstörer, jetzt aber erkenne ich, o (>kra, dafs ein ewiges 
Gesetz diese Welt regiert. 

27. (8iu.) Sieh auch du es so an und verfalle nicht in 
Bewunderung deiner selbst; Entstehung und Macht stehen 
nimmermehr bei uns selbst. 

28. (8ii5.) Kindisch ist dein Geist, heute noch ebenso wie 
vordem. Besinne dich, o Mächtiger, und komme zu einer 
verständigen Auffassung. 

29. (8116.) Götter und Menschen, Väter, Gandharven, 
Schlangen und Kobolde standen alle unter meiner Herrschaft, 
das alles weifst du, o Vasava. 

30. (8U7.) „Verehrung sei der Himmelsgegend, in welcher 
Bali, der Sohn des Virocana, weilt!" mit solchen Worten 
kamen sie auf mich zu, in ihrem Geiste durch Selbstsucht 
verblendet. 



296 



III. Mukshadharma. 



31. (8ii8.) Ich bin darüber nicht betrübt, nicht über 
nieinen Sturz, o Gemahl der Qaci. Denn mir ist das sichere 
Bewufstsein geworden, dafs ich unter der Gewalt eines 
[andern] Herrn stehe. 

32. (8ii9.) Die Erfahrung zeigt, wie ein Hochgeborener, 
an Ansehen und Majestät Reicher mitsamt seinen Angehörigen 
oft im Leiden lebt, denn es mufste so sein. 

33. (8120.) Und wiederum zeigt die Erfahrung, wie ein 
niedrig Geborener, der noch dazu törichten Sinnes und von 
schlechter Art war, o fakra, mitsamt seinen Angehörigen 
oft in Freuden dahinlebt, denn es mufste so sein. 

34. (8i2i.) Ein schönes, edelgestaltetes Weib lebt oft im 
Unglück, o Qakra, und eine andere, die unansehnlich und 
mifsgestaltet ist, lebt im Glück. 

35. (8122.) Es ist nicht unser Werk, o £akra, und ist, 
o Cakra, nicht dein Werk, dafs es dir so ergeht, o Blitz- 
schleuderer, und dafs es uns so ergangen ist. 

36. (8123.) Nicht ist dieses Werk von dir (bhavatä mit C.) 
gewirkt worden, oder meines; sei es Glück oder sei es Un- 
glück, es wird gewirkt durch den Umschwung [der Zeit]. 

37. (8124.) Ich sehe dich als Herrscher und Götterkönig 
feststehend, im Glücke und im Glänze donnernd über mir. 

38. (8125.) nätte nicht Kala mich in dieser Weise über- 
mannt, so würde ich dich heute mitsamt deinem Donnerkeil 
mit meiner Faust niederstrecken. 

39. (8126.) Aber es ist jetzt keine Zeit zu tapferen Taten, 
die Zeit der Beruhigung ist gekommen. Kala ist es, der 
alles ordnet, Kala, der alles zur Reife bringt. 

40. (8127.) Wenn mich Kala überkommen hat, der ich als 
Fürst der Dänava's geehrt war, welchen andern, der da 
donnert und leuchtet, wird er nicht überkommen? 

41. (8128.) Ich war es, der ich als nur einer die Kräfte 
von euch zwölf hochmächtigen Äditya's allen gestützt habe, 
o Götterkönig. 

42. (8129.) Ich ziehe die Wasser empor (äpah Acc!) und 
schütte sie herab, o Väsava, ich erwärme die drei Welten, 
und ich allein erleuchte sie. 



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Adhyaya 224 (B. 224). 297 

• 

43. (8130.) Ich erhalte und ich zerstöre, ich gebe und ich 
nehme, ich umfasse und ich bändige als Herr und Gebieter 
in den Welten. 

44. (8i3i.) Diese Herrschermacht ist mir jetzt benommen, 
o Herr der Götter, von der Heeresmacht des Kala bin ich 
gestürzt worden, und das alles erglänzt mir nicht mehr. 

45. (8132.) Nicht ich bin der Täter und nicht du bist es, 
und auch kein anderer ist der Täter, o Gemahl der Qaci; 
durch den Zeitumschwung werden die Welten beherrscht, o 
(,'akra, wie es der Zufall fügt. 

46. (8133.) Ihn, dessen Wohnung Monate und Halbmonate, 
dessen Gewand Tag und Nacht, dessen Pforten die Jahres- 
zeiten, dessen Giebel das Jahr ist (varsha mit C), soll man, 
wie die der Lebens Wissenschaft kundigen Menschen 

47. (8134.) sagen, als dieses Weltall betrachten, wie einige 
Menschen ihn ihrer Weisheit [lehren], und die fünf Seiten 
dieser Betrachtung könnte ich [nach Taitt. Up. 2, wo jede 
der fünf Hüllen des Brahman fünffach zergliedert wird] noch 
fünffach umschreiben. 

48. (8133.) Aber tief und unergründlich ist das Brahman 
wie ein grofser Wasserozean, als anfanglos und endlos schildern 
sie es, als das Unwandelbare und das Wandelbare. 

4y. (8136.) Als eingehend in das Lingam [den die Seele 
umhüllenden psychischen Apparat] und doch als jenes an 
sich Lingalose, als den Unwandelbaren betrachten ihn die 
Menschen, welche die Wahrheit schauen. 

50. fsi37.) Wenn sie aber behaupten, dafs er, der Heilige, 
die Umwandlung der Wesen bewirke [die Weltursache sei], 
so darf doch nicht soweit gegangen werden [das Kausalitäts- 
gesetz findet auf Brahman keine Anwendung], noch auch 
[bis zu der Frage], woraus er wiederum entstanden sei. 

51. (8138.) Er ist das Ziel aller Wesen, wohin könnte 
einer gehen, wenn nicht zu ihm, der auch von einem Laufen- 
den nicht zu überholen ist, ja, der, auch wenn er still steht, 
nicht überholt werden kann (vgl. Ica Up. 4). 

52. (813».) Ihn nehmen alle Sinne, fünffach wie sie sind, 
nicht wahr, ihn nennen einige Agni, einige Prajapati, 

53. (8uo.) ihn bezeichnen andere als Jahreszeiten, Monate 



298 



III. Mokshadliarma. 



und Halbmonate, als Tage und Momente, als Vormittag, Nach- 
mittag oder Mittag, 

54. (8ui.) oder auch als Stunde, indem sie ihn den einen 
in vielfacher Weise benennen, du aber wisse ihn als Kala 
(die Zeit), in dessen Gewalt die ganze Welt ist. 

55. (8U2.) Viele tausend Indra's, o Vasava, die mit Kraft 
und Mannheit ausgestattet waren, wie du, o Gatte der (,'aci, 
sind schon vorübergegangen. 

56. (8U3.) Und auch dich, o (,'akra, den Ubermächtigen, 
den Götterkönig, den Kraftstrotzenden, wird, wenn die Zeit 
da ist, der grofsmächtige Kala zur Ruhe bringen, 

57. (8144.) der diese ganze Welt verschlingt; darum, o 
(,'akra, bleibe ruhig; nicht von mir, noch von dir oder von 
den früheren ist es möglich, ihn abzuwehren. 

58. (8145.) Diese höchste königliche Herrlichkeit, von der 
du dir bewufst bist, sie erlangt zu haben, wenn du glaubst, 
dafs die in deiner Gewalt stehe, so irrst du dich; sie steht 
in niemandes Gewalt. 

51). (8146.) Denn sie stand in der Hand von tausend Indra's, 
welche weit vortrefflicher waren als du; mich hat die un- 
stete verlassen und ist auf dich übergegangen, o Herr der 
Götter. 

(30. (8147.) Betrage dich nicht wieder, wie du es getan 
hast, o (^akra, beruhigt solltest du werden; denn auch von 
dir, wenn sie dich in deinem Stolze sieht, wird die Herrlich- 
keit bald auf einen andern übergehen. 

So lautet im Moksbadharma die Unterredung zwischen Bali und Indra 

(Hali- Vdtara- xamedda). 

Ailhyftya 225 (B. 225). 

Vers 8148-8186 (B. 1-38). 
Bhishma sprach: 

1. (8H8.) Da sah der hundertkräftige Gott, wie aus dem 
hochherzigen Bali mit Glanz die leibhaftige (,'ri (Glücksgöttin) 
aus seinem Leibe herauszog. 



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Adhyava 225 (K. 225). 



29<) 



2. (suy.) Als der erhabene Dämonenzüchtiger diese von 
Glanz flammend erblickte, da richtete er, der Vasava, mit 
vor Erstaunen weit geöffneten Augen an den Bali die Frage. 

(,'akra sprach : 

(8i5u.) O Bali, wer ist diese Glänzende, Federbusch- 
geschmückte, welche soeben aus dir auszog, aus dir, in dem 
sie mit Armspangen geziert und mit eigenem Glänze strah- 
lend geweilt hatte? 

Bali sprach: 

4. (8151.) Weder als eine Dämonin noch als eine Göttin 
oder als ein Menschen weib erkenne ich sie; frage sie selbst 
oder frage sie nicht, mache es, o Vasava, wie du willst. 

Takra sprach: 

5. (sifta.) Wer bist du, die du glänzend und federbusch- 
geschmückt aus dem Bali ausgezogen bist? Sage mir, der 
ich ihn nicht kenne, deinen Namen, o heiter Lächelnde. 

6. (8153.) Wer bist du, die du in dieser Weise in eigenem 
Glänze strahlend an mich herantrittst, nachdem du den Besten 
der Daitya's verlassen hast, o Schönbrauige ? Das beantworte 
mir auf meine Frage. 

Die Tri (Glücksgöttin) sprach: 

7. (8154.) Mich kennt nicht Virocana und nicht dieser von 
Virocana stammende Bali; sie nennen mich die Schwerzu- 
ertragende und auch als die Tatendurstige kennen sie mich. 

8. (8155.) Auch als die Fülle fbhiitij und die Schönheit 
(lakshmi) bezeichnen sie mich, oder auch als das Glück (rrij % 
o Vitsava. Du kennst mich nicht, o (Jakra, alle Götter wissen 
nicht, wer ich bin. 

(,'akra sprach : 

9. (8i5G.) Geschieht es um meinetwillen oder um des Bali 
willen, dafs du, o Schwerzuertragende, ihn in dieser Weise 
verläfst, nachdem du lange in ihm geweilt hattest? 



300 



III. Moksiuulharnia. 



Die £ri sprach: 

10. (8157.) Kein Schöpfer ist es und kein Ordner, der 
mich irgendwie verordnet, sondern Kala (Zeit) ist es, welcher 
kreist, den mögest du, o (Jäkra, nicht gering achten. 

£akra sprach: 

11. (8158.) Wie kommt es, dafs Bali von dir verlassen 
wurde, oder warum geschah es, o Federbuschgeschmückte, 
und wie mache ich es, dafs du mich nicht verlassest; das 
sage mir, o heiter Lächelnde. 

Die £rt sprach: 

12. (8159.) Ich weile, wo Wahrheit, Freigebigkeit, Ge- 
lübde, Askese, Mannhaftigkeit und Pflicht sind, von ihnen 
allen hat sich Bali abgewandt. 

13. (8160.) Ehedem war er brahmanenfreundlich, die Wahr- 
heit redend und die Sinne bezähmend, dann aber zeigte er 
Übelwollen fabhyasityat) gegen die Brahmanen und berührte 
mit ungewaschenen Händen die Opferbutter. 

14. (8i6i.) Er war stets opfereifrig gewesen und hatte 
selbst die Opfer mir dargebracht; aber er nahm die Welten 
in Anspruch, törichten Sinnes und von Kala heimgesucht. 

15. (8162.) Von ihm mich loslösend, o £akra, werde ich 
in dir wohnen, o Väsava; durch Besonnenheit mufst du mich 
festhalten, durch Askese und Tapferkeit. 

£akra sprach: 

16. (8163.) Nicht unter Göttern und Menschen, nicht unter 
allen Wesen gibt es einen Mann, der dich als einziger in 
seine Gewalt bringen könnte, o Lotosbewohnende ! 

Die Tri sprach: 

17. (8164.) Allerdings gibt es keinen Gott, Gandharva, 
Dämon oder Kobold, der mich als einziger in seine Gewalt 
bringen könnte, o Städtezerstörer. 

(>kra sprach: 

18. (8165.) Wie du für immer in mir weilen kannst, das 
sage mir, o Schöne, und was du mir sagst, das werde ich 
tun, dies mögest du mir wahrheitsgemäfs sagen. 



Adhyaya 225 (B. 225). 



301 



Die Tri sprach: 

19. (8166.) Wie ich für immer in dir weilen kann, o Götter- 
fürst, das vernimm : Nach der im Veda enthaltenen Vorschrift 
zerlege mich in vier Teile. 

(„'akra sprach: 

20. (8167.) Gewifs, ich werde dich unterbringen, wo Kraft 
und Macht, dich zu tragen, ist, nur möge mir, o Lakshmi, 
kein Vergehen dir gegenüber jemals begegnen. 

21. (8168.) Die Erde gilt unter den Menschen als die 
Trägerin und Wesenbildnerin, sie wird ein Viertel von dir 
tragen können, denn sie ist dazu imstande, so meine ich. 

Die £ri sprach: 

22. (8169.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, 
welches auf der Erde ruht; nun, o (,'akra, sorge daher, dafs 
auch mein zweites Viertel wohlgeborgen sei. 

Takra sprach: 

23. (8i7ü.) Die Wasser gelten unter den Menschen als die 
Fliefsenden und Umschliefsenden (paricärinih Nom. PL); die 
mögen ein Viertel von dir tragen, denn die Wasser sind im- 
stande, es zu tragen. 

Die (,'rl sprach : 

24. (8i7i.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, 
welches in den Wassern ruht; nun, o (,'akra, sorge daher, 
dafs auch mein drittes Viertel wohlgeborgen sei. 

(,'akra sprach: 

25. (8172.) Das, worauf die Veden und die Opfer, worauf 
die Götter gegründet sind, das Feuer wird dein drittes Viertel 
tragen, so wird es wohlgetragen sein. 

Die £rt sprach : 

26. (8173.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, 
welches im Feuer ruht; nun, o (,'akra, sorge daher, dafs auch 
mein viertes Viertel wohl geborgen sei. 



302 



III. Mokshadharma. 



(,'akra sprach: 

27. (H174.) Diejenigen unter den Menschen, welche gut 
und fromm und Wahrheit redend sind, die mögen ein Viertel 
von dir tragen, die Guten sind imstande, es zu tragen. 

Die <;ri sprach: 

28. (8175.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, 
welches in den Guten ruht; in dieser Weise also, o (^akra, 
mache mich wohlgeborgen in den W esen. 

(>kra sprach: 

29. (8176.) Wer unter den Wesen dich, nachdem ich dich 
in ihnen wohlgeborgen habe, verletzen will, der ist von mir 
zu bekämpfen; mögen sie dieses mein Wort vernehmen! — 
(8177.) Da sprach der von der Qfi verlassene Bali, der König 
der Daitya's. 

Bali sprach : 

30. (si 7s.) Solange das Tagesgestirn im Osten leuchtet, 
solange erleuchtet es auch die südliche und westliche, so- 
lange auch die nördliche Himmelsgegend. 

31. (8179.) Wenn aber die Sonne ebenso [leuchtend] im 
Mittag [stehend] nicht [mehr] untergeht, dann soll der Kampf 
zwischen Göttern und Dämonen wieder entbrennen, dann 
werde ich euch besiegen. 

32. (8180.) Ja, wenn die Sonne an dem einen Punkte fest- 
stehend alle Welten bestrahlen wird (vgl. Chänd. Up. 3,11,1), 
dann werde ich in dem Kampfe zwischen Göttern und Dä- 
monen dich besiegen, o Hundertkräftiger! 

Cakra sprach : 

33. (8i8i.) Von Gott Brahmän bin ich angewiesen worden, 
dich nicht zu töten (oben Vers 80«8), darum schleudere ich, 
o Bali, den Donnerkeil nicht auf dein Haupt. 

34. (8182.) Gehe, wohin es dir beliebt, o Fürst der Daitya's, 
möge es dir wohl ergehen, o grofser Dämon; denn niemals 
wird die Sonne so leuchten, dafs sie in der Mitte feststeht. 

9 V 



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Adhyäya 225 (B. 22:».. 



äf>. (8is:j.) Denn ihre Satzung ist ehedem von dem durch 
«ich selbst Seienden bestimmt worden, unermüdlich wandelt 
sie um in Treue, die Geschöpfe erwärmend. 

3(>. (8184.) Ihr Gang geht sechs Monate nach Norden und 
ebenso nach Süden, auf dem sie in den Welten wandelt, die 
Sonne, Kälte und Wärme verbreitend. 

Bhishma sprach: 

:>T. (Hins.) Nachdem zu Bali, dem Fürsten der Daitya's. 
von Indra so gesprochen worden war, o Bhärata, ging jener in 
die südliche Gegend und der Städtezerstörer in die nördliche. 

38. (si86.) Nachdem er dieses von Bali vorgetragene, 
durcli Freiheit und Selbstsucht gekennzeichnete Wort ver- 
nommen hatte, stieg der Tausendäugige zum Äther empor. 

So lautet im Mokaliadharma die Verteilung der Glücksgöttin 

AcUivAya 220 (B. 226). 

Vers 8187-8211 (B. l-23i. 
Bhishma sprach: 

1. (8187.) Darüber erzählt man sich auch folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen dem Hundert- 
kräftigen (Indra) und Namuci, o Yudhishthira. 

2. (8188.) Zu ihm, der vom Glück verlassen dasafs, still 
wie ein unbewegtes Meer, und das Entstehen und Vergehen 
der Wesen kannte, sprach folgendermafsen der Städte- 
zerstörer : 

3. (8189.) Mit Stricken gebunden, aus deiner Stellung ver- 
stofsen, in die Hand deiner Feinde gegeben und vom Glück 
verlassen, o Namuci, beklagst du dich oder beklagst du dich 
nicht? (vgl. Vers 803i). 

Namuci sprach: 

4. (8iim.) Durch unabwendbares Leid wird der Körper 
gequält und die Feinde freuen sich, im Leid hat man keine 
Genossen. 



Hl. Mokshadharma. 



5. (8i9i.) Darum, o C ft kra, klage ich nicht, denn alles 
auf dieser Welt ist vergänglich, durch das Leiden wird die 
Gestalt hinfällig, durch das Leiden wird man hinfällig von 
seinem Glück. 

6. (8192.) Durch Leiden wird das Leben hinfällig und auch 
die Pflicht, o Herr der Götter; wer aber den Schmerz dar- 
über von sich fern hält, in dessen Geist tritt das Ewige 
hervor. 

7. (8193.) Dann soll man mit bewufstem Geiste das im 
Herzen befindliche Schöne überdenken, und so oft ein Mensch 
seinen Geist auf dieses Schöne richtet, (8194.) so oft gehen 
ihm alle seine Wünsche in Erfüllung (Chänd. Up. 8,3,2), daran 
ist kein Zweifel. 

8. (8195.) Ein Gebieter ist, es gibt keinen zweiten, ihm 
gleichen Gebieter; dem Menschen, schon wenn er noch 
im Mutterleibe liegt, gebietet dieser Gebieter; von ihm 
getrieben ströme ich wie Wasser den Abhang herab, je 
nachdem er mich antreibt. 

9. (8196.) Indem ich Entstehen und Vergehen erkenne 
und aus dieser Erkenntnis heraus mir des Wertvolleren, 
Besseren bewufst bin, bin ich es doch nicht, der das- 
selbe verwirklicht, sondern, wenn ich für pflichtmäfsige 
oder für pflichtwidrige Hoffnungen tätig bin, ströme ich, 
so wie ich von ihm getrieben werde. 

10. (8197.) Je nachdem einer dazu bestimmt ist, etwas 
zu erlangen, dementsprechend erlangt er es, und wie etwas 
bestimmt ist, zu geschehen, dementsprechend geschieht 
es auch. 

11. (8198.) Und wozu immer einer vom Schöpfer schon 
im Mutterleibe immer wieder [bei jeder neuen Geburt] be- 
stimmt ist, darin verharrt er, und nicht in dem, was er 
selbst wünscht. 

12. (8199.) Dieser Standpunkt, zu dem ich herabgekommen 
bin, zu dem war es mir bestimmt zu kommen; wer allezeit 
einen solchen Standpunkt [der Welt gegenüber] einnimmt, 
der wird nie in Verwirrung geraten. 

13. (8200.) Durch die Zeitläufte werden die Menschen 
herumgestofsen und keiner ist, der sie beschuldigen könnte; 



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Adliy&ya L>2»", ( B. 226). 



305 



aber darin besteht das Leid, dafs der Unzufriedene wähnt, 
er selbst sei der Täter. 

14. (8201.) Mögen es Weise sein oder Götter, oder 
grofse Dämonen, Kenner der drei Veden oder Einsiedler 
im Walde, wer ist nicht [besser wäre nu „wohl"], den 
in der Welt das Unglück nicht beugte! Die aber, welche 
das Höchst-und -Tiefste (Mund. Up. 2,2,8) erkannt haben, 
werden dadurch nicht erschüttert. 

lö. <82<>2.) Der Weise zürnt nicht mehr und strebt 
nicht mehr, er ist nicht verzagt und freut sich nicht; 
auch in überaus (ati mit Nil.) schlimmen Notlagen ist 
er nicht bekümmert, sondern steht seiner Natur nach 
unerschütterlich wie der Himalaya. 

1(5. (H2U3.) Wen das höchste Gelingen seines Vorhabens 
nicht verwirrt macht und wen ebenso eine zeitweilige 
Notlage nicht verwirrt macht, wer vielmehr Lust und 
Leid sowie den mittlem Zustand ruhig hinnimmt, der 
Mann ist ein Führender. 

17. (8204.) In welchen Zustand auch immer ein Mensch 
geraten mag, mit dem gebe er sich zufrieden und härme 
sich nicht, indem er auf diese Weise jede erwachsende, 
im Herzen aufkeimende, Kummer bereitende Pein von 
seinem Leibe fernhält. 

18. (8205.) Es gibt keine Sitzung, keine Zusammen- 
kunft der Guten, keine Ratsversammlung, in welche ein- 
tretend er nicht jederzeit Furcht einflöfst; er, der Ver- 
ständige, welcher das Wesen des Gesetzes ergründet hat 
und versteht, der Mann ist ein Führender. 

19. (8jo6.) Die Werke des Weisen sind schwer zu voll- 
bringen; der Weise wird nicht verwirrt zur Zeit der Ver- 
wirrung, und auch wenn er, der Beste, von seiner Stelle 
herabgestofsen ist, gerät er nicht in Verwirrung, er, der 
Erfahrene, wenn er ein so elendes Mifsgesehick er- 
litten hat. 

20. (8207.) Nicht durch Zaubersprüche, Kraft oder Tapfer- 
keit, Weisheit und Mannhaftigkeit, nicht durch Charakter- 
festigkeit, nicht durch sein Verhalten noch auch durch Glück 
in seinen Unternehmungen, (8*08.) kann der Sterbliche er- 

Dtr«tr.*. Mab4t>b&ratani. 20 



306 



III. Mokshmlluirma. 



langen, was ihm zu erlangen versagt ist — was hilft es da 
zu klagen! 

21. Was in dieser Weise dem Spätergeborenen die Welt- 
ordner vorher bestimmt haben, (sm.) dem werde ich nach- 
kommen, was kann mir der Tod anhaben! 

22. Man empfängt nur, was man empfangen sollte, man 
geht nur, wohin man gehen sollte, (asio.) man kommt nur zu 
dem, wozu man kommen sollte, mag es Leid oder Lust sein. 

23. Der Mann, welcher dieses vollständig erkannt hat 
und nicht in Verwirrung gerät, (821 1.) sondern in allen Leiden 
gefafst bleibt, das ist ein alles besitzender Mann. 

So lautet im Mokshadbarroa die Uoterrodung zwisohen (>kra und Katnuci 

((,'akra - Namuci - smptdda). 

* 

Adhyfiya 227 (B. 227). 

Vers 8212-8332 (B. 1-119). 

Yudhishthira sprach: 

1. (8212.) Was ist für einen Mann, der in jämmerlichen 
Zustand herabgesunken ist, das Beste, o Erdeherr, wenn er 
seine Verwandten verloren oder auch sein Königreich ver- 
loren hat? 

2. (8213.) Du bist ja für uns der beste Erklärer in dieser 
Welt, o Stier der Bharata's: dich befrage ich darüber, das 
mögest du mir erklären. 

Bhishma sprach : 

3. (82H.) Wenn einer von Kindern und Gattinnen, von 
Freuden und Reichtum entblöfst und in einen jämmerlichen 
Zustand herabgesunken ist, dann ist, o Fürst, dasjenige, was 
sein Bestes fördert, Standhaftigkeit. 

4. (8215.) Der Leib, welcher immerfort durch Standhaftig- 
keit aufrecht erhalten wird, gerät nicht in Verfall; Freiheit 
von Gram gewährt Behagen und gewährt gröfste Gesundheit. 

5. (8216.) Durch Gesundheit des Leibes aber kommt wieder 
zu Glück ein Mann, der verständig ist und an einem sattva- 
artigen Verhalten festhält. 



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Adhyftya 227 (B. 227). 



307 



♦5. (sau.) Ein solcher besitzt Herrschaft und Festigkeit 
und Entsclüossenheit im Handeln. Gerade darüber erzählt 
man sich folgende alte Geschichte, 

7. (8*218.) nämlich die abermalige Unterredung zwischen 
Bali und dem Väsava (Indra), o Yudhishthira. Als in dem 
Kampfe zwischen Göttern und Dämonen die Vernichtung der 
Daitya's und Dänava' s vollendet war, 

8. (8219.) als Vishnu die Welten durchschritt, der Hundert- 
kräftige (Indra) als Götterkönig thronte, die Götter verehrt 
wurden und das Vierkastensystem festgestellt worden war, 

9. («220.) als die drei Welten nur Glück kannten und der 
Durch-sich-selbst- seiende von Freude erfüllt war, da geschah 
es, dafs, von Rudra's, Vasu's, den Aditya's, den AcvüYs, so- 
wie von Rishi's, 

10. (8221.) Gandharva's, Schlangenfürsten und sonstigen 
seligen Wesen umgeben, der Herr seinen viergezähnten, wohl- 
gezähmten, von Schönheit umgebenen Elefantenfiirsten, (8222.) 
seinen Airavana, er, der <>kra, bestieg und die drei Welten 
durchzog. 

11. Da geschah es, dafs der Donnerkeilträger einstmals 
am Rande des Meeres in einer Berghöhle (8223.) den Bali, den 
Sohn des Virocana, erblickte und sich ihm näherte. 

12. Aber obgleich Bali ihn auf dem Haupte des Airaväta 
thronend und von Götterscharen umgeben sah, (8224.) ihn, den 
Götterfürsten Indra, er, der Daityafürst, so klagte er doch 
nicht und kam nicht aus der Fassung. 

13. Als er nun ihn, den Bali, so sah, wie er dastand 
ohne seine Haltung zu verändern und furchtlos, (8220.) da 
sprach zu ihm der auf dem Besten der Elefanten reitende 
hundertkräftige Gott: 

14. 0 Daitya, dafs du unerschütterlich bleibst, sei es 
aus Heldenmut, sei es weil du durch Verehrung der alten 
Weisen (8226.) und Askese gefafsten Geistes bist, jedenfalls 
mufs das sehr schwer zu vollbringen sein. 

15. Da du von deinen Feinden unterjocht worden und 
der höchsten Stellung verlustig gegangen bist, (8227.) worauf, 
o Sohn des Virocana, stützest du dich, wenn du über das 
Beklagenswerte nicht klagst? 

20* 



508 



III. Mokshadharoia. 



16. Du, der du unter den Deinigen die höchste Stelle 
einnahmst und grofser, unvergleichlicher Genüsse teilhaft 
warst, (8228.) und der du jetzt deines Besitzes, deiner Kleinodien 
und deines Reiches beraubt bist, sage mir, wie es kommt, 
dafs du nicht klagst. 

17. Einstmals warst du der Herr auf dem Throne deines 
Vaters und Grofsvaters, (829«.) heute mutet du zusehen, wie er 
dir von deinen Widersachern entrissen ist; wie kommt es, 
dafs du nicht klagst? 

18. Du, mit den Fesseln des Varuna gebunden und von 
dem Donnerkeile getroffen, (8230.) der Gattin beraubt und der 
Güter beraubt, sage mir, warum du nicht klagst. 

19. Da du dein Glück verloren hast und aus deiner Macht 
herabgestürzt bist, mufs es dir doch schwer fallen, nicht zu 
klagen; (8231.) welcher andere würde wohl nach Verlust der 
Herrschaft über die drei Welten es ertragen, noch weiter zu 
leben ! 

20. Ihn (den Indra), der dieses und anderes Rauhe 
sprach, mit Geringschätzung (K232.) und behaglich ohne Er- 
regung angehört habend, erwiderte Bali, der Sohn des 
Virocana. 

Bali sprach: 

21. (S233.) Nachdem ich so schwer gedemütigt bin, o (>kra, 
was soll da dein Gerede ! Ich sehe dich jetzt mit gezücktem 
Donnerkeile vor mir stehen, o Städtezerstörer. 

22. (8234.) Und vordem warst du machtlos und bist mit 
knapper Not zur Macht gelangt! Wer aufser dir vermöchte 
wohl solch eine rohe Rede zu fuhren! 

23. (8235.) Nur den, welcher imstande ist, für den unter- 
worfenen Feind, den er in der Gewalt hat, Mitleid zu fühlen, 
für ihn, der als ein Held in seine Hände gelangt ist, nur 
einen solchen kann man für einen Mann halten. 

24. (8236.) Wenn zwei in Kämpfen gegeneinander streiten, 
so besteht doch Unentschiedenheit, einer nur kann siegen 
und einer mufs unterliegen. 

25. (8237.) Es hätte auch geschehen können, dafs diese 
Stellung dir nicht zuteil wurde, o Götterstier, und dafs du, 



Adliyäya 227 (B. 227). 



309 



der du jetzt der Herr über alle Wesen bist, durch Tapferkeit 
mit Gewalt besiegt worden wärest. 

20. (82»8.) Es ist nicht mein Werk, o (^akra, und es ist, 
o (^akra, auch nicht dein Werk, dafs es dir so ergangen ist, 
o Donnerer, und dafs es mir so ergangen ist. 

27. (823ig Ich war einst, was du heute bist und du kannst 
einst werden, was ich bin; verachte nicht, was ich geleistet 
habe, mag es mifslungen sein oder nicht. 

28. (8240.) Lust und Leid erlangt der Mensch durch den 
Zeitlauf; durch den Zeitlauf bist du zum (>krasein gelangt, 
o Takra, und nicht durch dein Werk. 

21». (8»4i.) Kala (der Gott der Zeit) führt mich im Lauf 
der Zeit, aber ebenso führt Käla auch dich. Darum stehe 
ich heute nicht da, wo du stehst, und du nicht, wo ich stehe. 

30. (8242.) Nicht Gehorsam gegen Mutter und Vater, nicht 
Verehrung der Götter, nicht andere Betreibung einer Tugend 
führt den Menschen zum Glück. 

31. (8243.) Nicht das Wissen, nicht Askese und Freigebig- 
keit, nicht Freunde und Verwandte sind imstande, einen 
Menschen zu retten, wenn er von Käla bezwungen wird. 

32. (8244.) Ein herankommendes Unheil können die Men- 
schen nicht durch hundert Vorkehrungen abwenden unge- 
achtet der Kraft ihrer Einsicht. 

33. (8245.) Für die, welche durch die Zeitläufte getroffen 
werden, gibt es keinen Retter, aber das schmerzt, dafs du, 
o (,'akra, wähnst, du seiest der Täter. 

34. (8246.) Wäre der Täter wirklich der Täter, so könnte 
er niemals erschaffen worden sein; weil aber der Täter er- 
schaffen worden ist, darum ist er, obgleich Täter, doch nicht 
Herr seiner Tat. 

35. (H247.) Durch Käla habe ich dich besiegt und durch 
Käla bin ich von dir besiegt worden; Käla ist der Gehende 
in denen, die da gehen, Käla ist es, der die Geschöpfe an- 
treibt fhdayatij. 

3t>. (8248.) (.) Indra, wegen deiner niedrigen Einsicht wirst 
du dir der Vergänglichkeit nicht bewufst, und auch manche 
andere schätzen dich hoch, gleich als hättest du durch eigene 
Tat die Oberherrlichkeit erlangt. 



310 



III. Moksliadliarnia. 



37. (8849.) Aber wie könnte wohl einer wie ich, der den 
Lauf {jpravrittayah als Akk.) der Welt kjennt, wenn er von 
Kala getroffen wird, klagen, oder verwirrt oder auch nur er- 
schüttert werden. 

38. (8250.) Sollte wohl je in mir oder meinesgleichen, 
wenn die Zeit uns übermannt, unser Verstand, wenn wir in 
Not geraten, wie ein leckes Schiff versinken? 

39. (8261.) Ich und du und alle anderen Götterherren, die 
da kommen werden, sie alle, o Cakra, werden den Weg gehen, 
den hundert Indra's vor ihnen gegangen sind. 

40. (8252.) Auch dich, der du so schwer zu bewältigen 
bist und im höchsten Glücke strahlst, wird, wenn die Zeit 
herum ist, der Zeitgott forttreiben wie mich. 

41. (8253.) Viele tausend Indra's und [andere] Gottheiten 
sind im Laufe der Weltperioden von Kala überholt worden, 
denn Kala (die Zeit) ist schwer zu überholen. 

42. (8254.) Du aber, nachdem du diese Stellung erlangt 
hast, dünkest dich etwas Grofses zu sein, als wärest du der 
Urgrund aller Wesen, der ewige Gott Brahmän. 

43. (8255.) Und doch ist diese Stellung nicht unerschütter- 
lich, noch ewig, wer sie auch immer einnehmen mag; du 
aber wähnst mit kindischem Verstände: dieses ist mein. 

44. (8266.) Du vertraust auf das, worauf nicht zu vertrauen 
ist, und wähnest an dem Vergänglichen ein Unvergängliches 
zu haben, und dem ist so, o Herr der Götter, obgleich dein 
Wesen immerdar von Kala überwältigt wird. 

45. (8257.) In deiner Verblendung bist du bestrebt, die 
Königsherrlichkeit dir zu erhalten, indem du glaubst, sie sei 
dein ; sie ist aber weder dein noch mein, noch irgendwelchen 
andern beständig zu eigen. 

40. (8268.) Denn sie ist über viele andere hinweggegangen 
und endlich zu dir gelangt; und nachdem sie einige Zeit dir 
treu geblieben ist, wird sie, o Väsava, ihre Wankelmütig- 
keit zeigen. 

47. (8259.) Wie eine Kuh, die ihre Behausung verläfst, 
wird sie wieder zu einem andern gehen; Königswelten sind 
schon vor ihr übergangen worden, mehr als ich aufzuzählen 
vermag. 



Adhyaya 227 (B. 227). 



311 



4>i (82üo.) Und viele andere werden nach dir kommen, 
u Städtezerstörer; diese Erde mitsamt ihren Bäumen, Kräu- 
tern und Edelsteinen, mitsamt ihren Geschöpfen, Wäldern 
und Fundgruben, 

4!). (8»6i.) sie ist ehemals von denen genossen worden, 
welche ich jetzt nicht mehr sehe: Prithu, Ailomaya, Bhima, 
Naraka und Qambara, 

50. (8262.) Acvagriva und Puloman, Svarbhänu, Amita- 
dhvaja, Prahräda, Namuci, Daksha, Vipracitti, Virocana, 

51. (8263.) Hrinisheva und Suhotra, Bhürihan, Pushpavän, 
Vrisha, Satyeshu, Rishabha, Bähu, Kapiläksha, Virüpaka, 

52. (8264.) Bäna, Kärtasvara, Vahni, Vicvadanshtra, Xair- 
riti, Sankoca, Varitaksha, Varähäcva, Ruciprabha, 

53. (8265.) Vicvajit und Pratirupa, Vrishända, Vishkara, 
Madhu, Hiranyakacipu und der Danava Kaitabha, 

54. (8266.) die Daiteya's und die Dänava's, diese alle mit- 
samt den Nairrita's, diese und viele andere frühere und noch 
frühere, 

55. (8267.) die Daityafürsten und Danavafürsten, und von 
welchen anderen wir noch gehört haben, viele vormalige 
Daityafürsten, — sie haben die Erde verlassen und sind dahin- 
gegangen. 

5<>. (8268.) Diese alle sind von Kala niedergeworfen, denn 
Kala ist stärker als sie alle; und doch wurde von ihnen allen 
mit hundert Opfern geopfert, nicht du allein bist der Hundert- 
opferhafte. 

57. (8269.) Auch sie alle achteten die Opferpflicht als das 
Höchste, auch sie alle vollbrachten immerfort grofse Soma- 
opfer, auch sie alle durchwandelten den Luftraum, auch sie 
alle kämpften Angesicht gegen Angesicht. 

58. (827o.) Sie alle waren mit Körperkraft begabt, hatten 
alle Arme wie Torbalken, besafsen alle hundert Zauberkräfte, 
vermochten alle beliebige Gestalten anzunehmen. 

59. (8271.) Sie alle gingen in den Kampf, und man hört 
nicht, dafs sie je besiegt worden seien, sie alle schätzten es 
als Höchstes, dem Gelübde treu zu bleiben, sie alle ergingen 
sich nach Belieben. 

HO. (8272.) Sie alle achteten das vedische Gelübde als das 



312 



III. Mokshadharma. 



Höchste, waren alle sehr bewandert in der heiligen Schrift 
und hatten alle als Gottherren die erwünschte Gottherrlich- 
keit erlangt. 

Gl. (8273.) Und alle diese Hochherzigen hatten ehemals 
keinen Hochmut wegen ihrer Gottherrlichkeit, sondern alle 
spendeten, wie es sich gebührt, und waren alle von Selbst- 
sucht frei. 

02. (8274.) Sie alle gingen mit allen Wesen in geziemender 
Weise um, waren alle Söhne der Dakshatochter und mäch- 
tige Nachkommen des Prajäpati. 

<>3. (8275.) Aber obgleich sie leuchteten und funkelten, 
wurden sie doch von Kala fortgerissen, und auch du, wenn 
du diese Erde genossen habend sie wieder verlassen mufst, 

CA. (8276.) wirst, o (,'akra, alsdann nicht imstande sein, 
den Kummer deines Herzens zu überwinden. Lafs fahren 
den Wunsch nach Gelüsten und Genüssen, lafs faliren den 
aus deinem Glück entspringenden Hochmut. 

65. (8277.) Dann wirst du beim Verluste deiner Selbst- 
herrschaft den Schmerz zu ertragen vermögen; zur Zeit des 
Kummers mögest du nicht bekümmert, zur Zeit der Freude 
nicht freudig sein. 

()b\ (8278.) Lafs das Vergangene und das Zukünftige auf 
sich beruhen und befasse dich mit dem, was dir gegenwärtig 
zuteil geworden ist, indem du unverdrossen bleibst, wenn die 
Zeit wieder für mich kommen wird, der ich stets darauf ge- 
fafst bin. 

f>7. (8279.) Halte an dich, o Indra, bald wird [Kala] auch 
dich überkommen; wenn du mich hier bedrohst, o Fürst der 
Götter, so zerhaust du mich gleichsam mit blofsen Worten. 

(>8. (82so.) Jetzt freilich, wo ich niedergehalten bin, dünkst 
du dich grofs; aber Kala hat mich zuerst heimgesucht, und 
später holt er dich ein. 

(>t>. (828i.) Darum donnerst du jetzt, o Fürst der Götter, 
weil ich vorher durch Kala niedergeworfen bin; denn wer 
könnte sonst in der Welt standhalten im Kampfe gegen mich, 
wenn ich zürne! 

70. (8282.) Aber Kala, der Mächtige, ist für dich ge- 
kommen, darum stehst du hoch, o Väsava; doch das, was 



Adhyäya 227 (B. 227). 



313 



nach tausend Jahren geschehen wird, das wird schnell ein- 
treffen. 

71. (äs»».) Während mir, dem Hochmächtigen, alle meine 
Glieder in unziemlicher Verfassung sind und ich von der 
fürstlichen Stellung herabgestürzt bin, stehst du als Fürst 
im Himmel obenan. 

72. (8284.) Aber nur durch den Umschwung des Kala bist 
du in dieser bunten Lebewelt zu verehren, denn was hast du 
getan, dafs du jetzt Indra bist, und was haben wir getan, 
warum wir herabgestürzt sind? 

73. (8285.) Kala ist Bewirker und Umgestalte^ alles andere 
ist wirkungslos, [nur er bewirkt] Vergang und Untergang, 
Gottherrlichkeit, Lust und Leid, Entstehen und Zugrunde- 
gehen. 

74. (8286.) Der Weise, dem es so ergangen ist, soll sich 
nicht über die Mafsen freuen, noch auch verzagen; du kennst 
mich ja, o Indra, und ich kenne dich, o Vasava. 

75. (8287.) Was brüstest du dich gegen mich und was 
bist du, du durch Kala schamlos Gewordener! Du weifst ja 
doch von lange her, welche Mannhaftigkeit mir damals zu 
eigen war, 

7*>. (S28s) und wie ich tapfer war in Kämpfen, dafür ist 
der Beweis geliefert worden; sind doch die Ädityas und 
Rudra's, die Sädhya's mitsamt den Vasus 

77. (8289.) von mir vordem völlig besiegt worden mitsamt 
den Marut's, o Gemahl der Caci, in dem Kampfe zwischen 
Göttern und Dämonen, wie du wohl weifst, o (,'akra. 

78. i82i»o.) Alle die weisen Götter sind von mir mit Un- 
gestüm im Kampfe zerschmettert und die Berge mehr als 
einmal umgestürzt worden mitsamt ihren Wäldern und Wald- 
bewohnern, 

7t>. I82M.) mitsamt ihren Klippen und Gipfeln von mir im 
Kampfe auf deinem Haupte zerschlagen worden! Und was 
kann ich jetzt ausrichten? Ja, Kala ist schwer zu überwinden. 

SO. (82!»s.) Denn es ist mir keineswegs unmöglich, dich 
zu töten mit meiner Faust, dich, der du den Donnerkeil 
schwingst; aber jetzt ist nicht die Zeit für tapfere Taten, 
jetzt ist die Zeit gekommen, Geduld zu üben. 



314 



III. Mokshadharma. 



81. (8293.) Darum ertrage ich dich, o (,'akra, der ich von 
dir wohl schwieriger zu ertragen sein würde. Du aber unter- 
nimmst es gegen mich, der ich, da der Umschwung der Zeit 
gekommen ist, vom Zeitfeuer überkommen worden bin, 

82. (8294) gegen mich, der ich gehemmt und durch den 
Strick der Zeit gebunden bin, zu prahlen, o (,'akra, aber 
dieser schwarze Genius der Welt [die Zeit] ist schwer zu 
überwinden. 

83. (8295.) Er, der Rudrasohn, hat mich gebunden wie ein 
Stück Vieh mit einer Kette und steht neben mir; Gewinn 
und Verlust, Lust und Leid, Begierde und Zorn, Entstehen 
und Vergehen, 

84. (8296.) Bindung und Lösung der Waffen, das alles 
wird von der Zeit empfangen; nicht ich bin Täter und nicht 
du bist Täter, sondern Täter ist er, Kala, der allezeit unser 
Herr ist. 

85. («297.) Kala bringt mich zur Reife wie eine Frucht, 
die am Baume gewachsen ist; alles vom Menschen Voll- 
brachte wird von Kala mit Lust verbunden, 

86. (8298.) und ebendieses Vollbrachte wird von Kala auch 
mit Schmerz verbunden; darum soll der Kalakenner, wenn 
er von Kala heimgesucht wird, nicht klagen. 

87. (8299.) Darum, o Cakra, klage ich nicht, mache nicht 
die Klage zu meinem Gefährten, denn wenn ein Klagender 
sich der Klage hingibt, so vermag er nicht das Unheil zu 
heben. 

88. (83oo.) Wer klagt, der hat keine Tatkraft, darum klage 
ich jetzt nicht ftocimij. — Nachdem dieses zu dem tausend- 
augigen, heiligen Züchtiger des Päka gesprochen worden war, 

89. (83oi.) da zügelte der Hundertopferhafte sein Un- 
gestüm und sprach folgendermafsen : Wer möchte, wenn er 
den mit dem Donnerkeil bewehrten ausgestreckten Arm und 
die Fesseln des Varuna ^ 1 fr* \\ t> * 

IM). (8302.) nicht in seinem Geiste erzittern, und wäre er 
der Tod, der zum Schlage ausholt! Dein Geist aber erzittert 
nicht, sondern bleibt unerschütterlich, indem er die Wahr- 
heit schaut. 

91. (8303.) Gewifs zitterst du heute nicht, o du durch 



Adhy&ya 227 (B. 227). 



315 



Festigkeit wahre Tapferkeit Habender; wer, der einen Körper 
besitzt, möchte wohl Vertrauen in die Dinge oder in seinen 
Körper setzen! 

92. (K304.) Erträgt es wohl einer in der Welt, zu handeln, 
wenn er sieht, wie die Welt eingerichtet ist? Auch ich er- 
kenne ebenso, dafs diese Welt vergänglich ist. 

93. (8305.) Sie ist beschlossen in dem furchtbaren, ver- 
borgenen, unermüdlich tätigen, unvergänglichen Kälafeuer, 
und keiner, wer es auch sei, kann sich, wenn er von Kala 
heimgesucht wird, ihm entziehen, 

94. (8306.) weder die subtilen, noch die grofsen Elemente, 
wenn sie in ihm zur Reife kommen. Wer in dem keinen 
Herrn über sich habenden, nicht unbesonnenen und die Ele- 
mente immerfort zur Reife bringenden, 

95. (8307.) nie aufhörenden Kala zur Vernichtung gelangt 
ist, der wird nicht von ihm erlöst. Besonnen unter den Un- 
besonnenen, wacht Kala unter den Menschen. 

9ti. (8308.) Auch durch Bemühung kann er, solange er 
fern ist, von niemandem vorausgesehen werden, er, der eine 
alte, ewige Satzung ist, welcher alles Lebende gleichmäfsig 
unterhegt. 

97. (8309.) Käla ist nicht zu umgehen und läfst sich nicht 
überspringen ; die Tage und Nächte und die Monate, die Mi- 
nuten, Sekunden, Terzen und Quarten, 

98. (8310.) Käla ist es, welcher sie zusammenhäuft, wie 
ein Wucherer die Zinsen. Und wenn einer spricht: Heute 
werde ich dieses tun und morgen gedenke ich jenes zu tun, 

99. (83ii.) so packt ihn Käla und reifst ihn fort, wie der 
Ansturm des Stromes den Baum. Jetzt eben noch habe ich 
ihn gesehen, wie kann er tot sein? 

100. (8312.) So hört man die Menschen jammern, während 
sie von der Zeit fortgerissen werden. Es vergehen die Güter 
und die Genüsse, die Stellung und die Gottherrlichkeit. 

101. (8313.) Das Leben der Lebewesen wird von Käla, 
wenn er herankommt, fortgeführt; die Erhebungen endigen 
mit Herabstürzen, das Sein und das Nicht -Sein, das alles 
ist nur er. 

102. (8314.) Alles ist vergänglich und unbeständig, und 



316 HI. Mokshadharma. 

eine sichere Erkenntnis ist schwer zu gewinnen, aber dein 
Verstand schwankt nicht, sondern ist unerschütterlich, die 
Wahrheit schauend. 

103. (8315.) Ich bin einstmals etwas gewesen, so nimmst 
du auch nicht einmal in Gedanken an (budhyase mit C), in 
dieser Welt, welche von Kala, dem Übermächtigen, wenn er 
herankommt, zur Reife gebracht wird. 

104. (8316.) Dafs es nichts Höchstes und nichts Niedrigstes 
gibt, bemerkt die Welt nicht, indem sie hin und her ge- 
worfen wird in Neid, Hochmut, Begierde, Liebe, Zorn und 
Furcht ; 

105. (8317.) sondern befangen in Verlangen, Verblendung 
und Hochmut, geht die Welt in der Irre. Du aber erkennst 
die Wahrheit des Daseins als ein Wissender, begabt mit Ein- 
sicht und Askese; 

100. (8318.) ganz deutlich siehst du den Kala, wie die 
Myrobalanenfrucht in der Hand, der du bekannt mit dem 
Wesen des Kalalaufes und aller Lehrbücher kundig bist. 

107. (8319.) In der Unterscheidung hast du deine Seele 
befestigt und bist von den Erkennenden zu beneiden, denn 
ich glaube, dafs diese ganze Welt von dir an Einsicht über- 
troffen wird. 

108. (8320.) Indem du nach allen Seiten hin frei wandelst, 
bleibst du nirgendwo hängen, denn Kajas und Tamas be- 
rühren dich nicht. 

100. (8321.) Du verehrst den Atman, der ohne Freude und 
ohne Qual ist, den Freund aller Wesen, den Feindschaft- 
freien, in seinem Geiste Beruhigten. 

110. (8322.) Wenn ich dich ansehe, so empfindet der mir 
eingeborene Sinn Mitleid mit dir; einen so grofsen Weisen 
möchte ich nicht im Waffengange töten. 

111. (8323.) Wohlwollen und Mitleid mit dir ist iur mich 
das höchste Gesetz, diese Stricke des Varuna werden von 
dir gelöst werden durch den Umschwung der Zeit. 

112. (8324.) Dann möge dir, o grofser Asura, Wohlsein 
zuteil werden, indem deine Untertanen dir huldigen, während 
die Schwiegertochter (lies: snushä) zu ihrer Bedienung die 
betagte Schwiegermutter antreiben wird; 



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Adhyäya 227 (B. 227). 



317 



113. (8325.) dann wird ein Sohn seinen Vater aus Ver- 
blendung beim Opferwerke wegschicken, und gemeine Men- 
schen werden sich durch Brahmanen die Füfse waschen lassen ; 

- 

114. (8326j und (.üdra's werden ohne Scheu sich der 
Gattin eines Brahmanen nahen, während die Menschen den 
Samen in ungeziemende Mutterschöfse niederlegen, 

llf>. (8327.) und somit in messingenen Gefäfsen eine un- 
reine Mischung und in schlechten Behältern ihre Spende 
niederlegen, während die ganze Ordnung der vier Kasten ihre 
bestimmenden Schranken verlieren wird. 

110. (8328.) Dann wird sich nach und nach ein Strick 
nach dem andern von dir lösen. Von mir hast du nichts zu 
fürchten, bleibe nur deiner Bestimmung getreu; (8329.) lebe 
glücklich, frei von Anfechtung, gefafsten Geistes und ohne Leid. 

117. (8330.) Nachdem der heilige Hundertopferige also 
gesprochen hatte, zog er von dannen, getragen von dem 
Elefantenfürsten, und als Herr der Götter alle Dämonen 
überwunden habend, ergötzte er sich in Freude und war 
der Alleinherrscher. 

1 18. (8331.) Und grofse Weise priesen ihn ohne Unter- 
lafs als den Mannaffen und Herrn über alles Beweg- 
liche und Unbewegliche. Und der Kältewehrer führte 
ihm beim Opfer die Opferspeise zu, und auch das Am- 
ritam wurde ihm dargebracht, denn auch darüber ist er 
der Herr. 

119. (8332.) Indem er von den allerwärts verbreiteten 
Höchsten der Zwiegeborenen gepriesen wurde, gelangte 
er, der Väsava, voll feuriger Kraft, frei von Groll und 
als Gottherr beruhigten Geistes und freudig zu seiner 
Wohnung im Indrahimmel und genofs seines Glückes. 



So lautet im Mnkfthadhartna die l'nterredung b wischen Bali und Vamiv» 

C Halt • V (i*aca ■ »atiicädaj. 



III. Moksliadhartiui 



Adhyftya 228 (B. 239 

Vers 8333-8428 (B. 1-96). 

Yudhishthira sprach: 

1. (8»33.) Die früheren Daseinsformen eines Menschen, der 
im Begriff ist, zu entstehen, o König, und sodann wieder zu 
vergehen, die erkläre mir, o Grofsvater. 

Bhishma sprach: 

2. (8334.) Die Gesinnung ist es, welche die früheren Da- 
seinsformen eines Menschen zu erkennen gibt, welcher im 
Begriff ist, zu entstehen — Heil sei dir! — und wieder zu 
vergehen. 

3. (8335.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Qakra (Indra) mit 
der Qrl (der Glücksgöttin); diese vernimm, o Yudhishthira. 

4. (8336.) Indem er durch den Glanz grofser Askese beide 
Welten, die obere und die untere, schaute und mit den die 
Brahmanwelt bewohnenden Rishi's zu gleicher Würde ge- 
langt war, 

5. (8337.) wandelte, wie Gott Brahmän unermefsliche ent- 
flammte Kraft habend, sündlos und askesereich nach Belieben 
in den drei Welten Närada. 

6. (8338.) Einstmals stand er des Morgens auf, und da er 
reines Wasser berühren wollte, ging er zu der aus dem Felsen- 
tor hervorbrechenden Gangä und stieg zu ihr herab. 

7. (8339.) Da geschah es, dafs auch der tausendaugige. 
donnerkeilbewehrte Töter des (^ambara und Päka zu ihrem 
von Götterweisen besuchten Ufer gelangte. 

8. (8340.) Beide mit bezähmtem Selbste nach vollbrachter 
Murmelung fuhren in Gemeinschaft auf einem Schiffe, ge- 
langten zu einer mit feinem Goldsande bedeckten Sandbank 
des Flusses, 



* Durch einen Fehler in der Zählung ist 228 in B. übersprungen. 



Adhyuya 228 (B. 229). 



319 



9. (8S4i.) und, auf ilir niedersitzend, erzählten sie sich durch 
heilige Werke berühmte und von Götterweisen berichtete, von 
grofsen Weisen wiedererzählte Geschichten. 

10. (834*) Indem sie nun das vormals Geschehene und 
Vergangene sich mit ruhigem Geiste erzählten und die mit 
einem Strahlennetze umgebene aufgehende Sonne 

11. (8343.) in ihrer vollen Scheibe erblickten und, sich er- 
hebend, die vor ihren Augen aufgehende Sonne verehrten, 
da — vergleichbar einer zweiten Sonne — 

12. (8344.) wurde im Äther ein Licht erblickt, welches an 
Glanz der strahlenden Sonne ähnlich war; dieses, indem es 
in ihrer Nähe war, wurde von ihnen erblickt, o Bhärata. 

13. (8345.) Dieses Licht, von den Strahlen der Sonne um- 
geben und emporgestiegen zu der Stätte des Vishnu, erglänzte 
an Lichtfülle unvergleichbar, indem es die Dreiwelt er- 
leuchtete. 

14. (8346.) Da geschah es, dafs die beiden die von schön- 
glänzenden Apsaras gefolgte, grofse, dem strahlenden Monde 
ähnliche, der Sonne vergleichbare, 

15. (8347.) sternenähnliches Geschmeide habende, einen 
perlschmuckgleichen Kranz tragende Qri, die da heifset Padmä, 
auf einem Lotosblatte vor sich stehen sahen. 

16. («348.) Und herabsteigend von der Höhe ihres Wagens, 
näherte sich die herrlichste der Frauen dem Herrn der drei 
Welten und dem Götterweisen Närada. 

17. (8349.) Da ging, von Närada gefolgt, der Mächtige 
geradezu auf sie los mit hohl zusammengelegten Händen und, 
sich der Göttin durch sich selbst vorstellend, 

18. (8350.) vollzog die höchste Ehrenerweisung ihr gegen- 
über der allwissende Götterkönig und redete zu der (,'ri, 
o König, das folgende Wort. 

Cakra sprach: 

19. (*35i.) Wer bist du, und zu welchem Zwecke bist du 
hergekommen, o du Schönlächelnde, und woher des Weges, 
o Schönbrauige, und wohin willst du gehen, o Holde? 



320 



III. Mokshadharma. 



Die <>i sprach : 

20. (8352.) In den drei heiligen Welten erstreben alle be- 
weglichen und unbeweglichen Wesen sehnsuchtsvoll meine 
Wesenheit als das an sich Höchste. 

21. (8»M.) Ich bin die in der von den Sonnenstrahlen ge- 
weckten Lotosblume zum Heil aller Wesen geborene Padmä 
(,'ri, die Lotosbekränzte. 

22. (8364.) Ich bin die Glücksgöttin, bin die Fülle, ich 
bin die (.Yi, o Balatöter, ich bin der Glaube und die Ein- 
sicht, die Zuneigung, Sieg und Beständigkeit. 

23. (8355.) Ich bin die Festigkeit, bin die Vollkommen- 
heit, ich bin auch dein Gedeihen, ich bin der Sväharuf und 
die Labung, die Zuneigung, die Schickung, das Gedenken. 

24. (8356.) An der Spitze der Heere siegreicher Könige 
und an ihren Bannern, in der Behausung der Pflichttreuen 
und in den höchsten Sinnesobjekten, 

25. (8357.) in dem siegprangenden, im Kampfe nicht 
weichenden Helden, in dem Fürsten der Männer weile ich 
allezeit, o Balatöter. 

26. (8358.) In dem gesetzestreuen, sehr verständigen, brah- 
manhaften, Wahrheit redenden, fügsamen und freigebigen 
Manne weile ich allezeit. 

27. (8359.) Vormals weilte ich bei den Dämonen, gebunden 
an sie durch Wahrheit und Recht; nachdem ich sie aber als 
abgekehrt davon erkannte, hat es mir gefallen, in dir zu 
wohnen. 

^akra sprach: 

28. (8360.) Wie benahmen sich die Daitya's, dafs du bei 
ihnen Wohnung nahmst, o hold Erscheinende ? Und was hast 
du dort gesehen, dafs du hierher gekommen bist, die Daitya's 
und Dänava' s verlassend? 

Die Tri sprach: 

29. (8361.) Solange sie Wesen waren, welche ihre Pflicht 
befolgten und in ihrer Beharrlichkeit nicht wankten, sondern 
an dem Himmelswege ihre Freude hatten, hatte ich mein 
Wohlgefallen an ihnen. 



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Adhy&ya 228 (B. 229). 



31» 1 



30. (836*2.) Damals herrschte unter ihnen in Wahrheit 
Almosengeben, Vedastudium, Darbringung von Opfern, Ver- 
ehrung der Ahnen und der Götter, sowie der Lehrer und 
der Gäste. 

31. (8363.) Sie hielten ihre Herzen rein, bezähmten das 
Verlangen nach Weibern, hatten Opfergaben und Feuer, waren 
den Lehrern gehorsam, bezähmt, brahmanhaft und die Wahr- 
heit redend, 

32. (8364.) gläubig, den Zorn überwindend, fleifsig im 
Geben und ohne Murren, unterhielten ihre Kinder, ihre Haus- 
genossen, ihre Frauen und waren frei von Neid. 

33. (836ö.) Niemals waren sie mit Unduldsamkeit aufein- 
ander eifersüchtig, und als Weise ärgerten sie sich nie über 
fremdes Gedeihen. 

34. (8366.) Sie waren freigebig und ordnunghaltend, edel- 
mütig, mitleidempfindend, sehr gnädig, geradsinnig, in der 
Verehrung fest und die Sinne bezähmend, 

35. (8367.) von zufriedenen Dienern umgeben, dankbar, 
freundlich redend, wie es sich gebührt Ehre erweisend und 
Zwecke fördernd, der Schamhaftigkeit beflissen und streng 
in ihren Gelübden, 

3(>. (8368.) allezeit an den Mondfesten wohlgebadet, wohl- 
gesalbt und wohlgeschmückt, fleifsig in Fasten und Askese, 
zufrieden und heilige Worte redend. 

37. (8369.) Niemals überraschte sie der Sonnenaufgang, 
noch auch schliefen sie in den Morgen hinein, und jederzeit 
enthielten sie sich in der Nacht der sauren Milch und der 
Grütze. 

38. (8370.) Und des Morgens früh beschauten sie die ge- 
schmolzene Butter, hingegeben und heilige Gespräche führend, 
beachteten glückliche Vorzeichen und ehrten die Brahmanen. 

31». (8371.) Immer zu denen gehörig, welche das Rechte 
reden, immer zu denen, welche keine Geschenke annehmen, 
welche nur die halbe Nacht schlafen und bei Tage nicht 
schlafen, 

40. (8372.) welche sich allezeit an Mitleid und Wohltun 
gegen Elende, Schutzlose und Alte, Schwache, Kranke und 
Weiber erfreuten (anumodatäm mit C), 

Dii -mk, MahAbh&ratfttn 21 



322 



III. Mokshadharma. 



41. (8373.) waren sie immer bestrebt, den Zitternden, Ver- 
zagenden, Erschrockenen, Furchtgequälten, Leidenden, Dürfti- 
gen, Beraubten, von Unglück Heimgesuchten durch Trost 
wieder aufzurichten. 

42. (8374.) Nur der Pflicht folgten sie, schädigten sich nicht 
gegenseitig, ihren Obliegenheiten nachgehend, gegen Lehrer 
und Alte dienstfertig. 

43. (8375.) Sie ehrten Manen, Götter und Gäste, wie es 
sich gebührt, afsen, was diese übrig liefsen und waren alle- 
zeit fest in Wahrheit und Askese. 

44. (837«.) Wenn ihnen etwas Gutes zufiel, genossen sie 
es nicht allein, gingen nicht zu fremden Frauen und benahmen 
sich aus Mitleid gegen alle Wesen wie gegen sich selbst. 

45. (8377.) Nicht im Freien, nicht bei Tieren, nicht in 
schlechten Schöfsen, nicht an Feiertagen erlaubten sie sich 
jemals Befriedigung der Sinnlichkeit. 

46. (8378.) Beständiges Geben, Tüchtigkeit und beharr- 
liche Geradheit, Anstrengung, Selbstlosigkeit und höchste 
Freundschaft, 

47. (8379.) Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, Askese, Mitleid 
und milde Rede und keine Hinterlist gegen Freunde, das alles 
war bei ihnen zu finden, o Herr. 

48. (8380.) Schlaf, Trägheit, Unzufriedenheit, mürrisches 
Wesen und Rücksichtslosigkeit, Unlust, Verzagtheit und Be- 
gehrlichkeit waren bei ihnen nicht heimisch. 

49. (8381.) Von solcher Art waren die Tugenden der Da- 
na va's, bei welchen ich vordem wohnte, von der Schöpfung 
der Wesen an, länger als den Umlauf eines Weltalters hin- 
durch. 

50. (8382.) Aber im Umschwung der Zeiten mufste ich 
sehen, wie ihre Tugenden ins Gegenteil umschlugen, wie die 
Gerechtigkeit von ihnen wich, wie sie sich der Lust und dem 
Zorne in Knechtschaft gaben. 

51. (8383.) Sie verlachten die Reden der in der Versamm- 
lung sitzenden Alten und Guten, wenn sie zu ihnen sprachen, 
und murrten gegen alle Alten, obgleich sie ihnen in der 
Tugend nachstanden. 



Adhyäya 22* (B. 229». 



323 



52. (83S4.) Die jungen Leute, wenn sie zusammensafsen 
und die Alten zu ihnen hereintraten, versäumten es, sie, wie 
vordem, durch Aufstehen und Begrüfsen zu ehren. 

53. (sssa.) Auch wo der Vater noch vorhanden war, rifs 
der Sohn die Macht an sich, und Fremde, die man zu Haus- 
genossen gemacht hatte, verrieten Geheimes ohne Scham. 

54. (8.W6.) Und wenn irgendwelche durch ein pflicht- 
widriges und tadelnswertes Werk zu grofsem Reichtum ge- 
langt waren, so suchten sie diesen nachzueifern. 

55. (8387.) Gehoben war nachts ihre Stimme, gesunken 
glomm dabei das Opferfeuer, die Söhne erhoben sich über 
ihre Väter, die Weiber über ihre Gatten. 

50. (8388.) Mütter, Väter. Greise, Lehrer, Gäste und Meister 
wurden nicht als Höherstehende gegrüfst, und die Kinder 
nicht überwacht. 

57. (8389.) Ohne Almosen und Spende dargebracht zu 
haben, genossen sie selbst die Nahrung, ohne vorher geopfert 
und mitgeteilt zu haben, weder an Manen und Götter, noch 
an Gäste und Lehrer. 

5*. iH3iH>.) Die Leute, welche ihnen als Köche dienten, 
beobachteten nicht die Reinheitsvorschriften; nicht durch Ge- 
danken, Werke und Worte war beschränkt, was zu essen war. 

59. (8391.) Selbst verstreute Körner, wie sie Krähen und 
Mäusen zum Futter dienen [waren nicht ausgeschlossen] ; un- 
zugedeckt stand die Milch, ungesäubert von Speiseresten be- 
rührten sie die Opferbutter. 

HÜ. (839.'.) Die Hausfrau kümmerte sich nicht darum, dafs 
Spaten und Sichel, Korb und Messinggeschirr, Sachen und 
Geräte, alles zerstreut umherlag. 

61. (8393.) Dem Verfall der Mauern und Häuser halfen 
sie nicht ab, sie banden die Tiere an und versorgten sie nicht 
mit Futter und Wasser. 

02. (8.W4.) Das Essen ihrer Kinder afsen sie, während diese 
zusahen, selbst, und so sättigten sie auch nicht all ihr Diener- 
volk, diese Dänava's. 

63. (839:».) Milchreis und Fleisch, Kuchen und Hackwerk 
liefsen sie für sich selbst kochen und afsen nach Belieben 
Fleisch. 

21* 



324 



III. Mokshadharina. 



64. (8396.) Nach Sonnenaufgang schliefen sie noch und 
machten alle die Morgenfrühe zur Nacht, und dann gab es 
Gezänk bei Tag und Nacht von Haus zu Haus. 

65. (8897.) Die von Geburt Unedlen versagten den da- 
sitzenden Edlen und die Gesetzlosen dem die Lebensstadien 
Beobachtenden die Ehrenerweisung, ja sie hafsten sich gegen- 
seitig. 

66. (8398.) Kasten mischungen waren an der Tagesordnung 
und Reinheit bestand bei ihnen nicht, mochten sie nun veda- 
kundige Brahmanen oder eingestandenermafsen Vedalose sein. 

67. (8399.) Sie machten keinen Unterschied in dem Gegen- 
satze von Hochschätzung und Verachtung, und nur darauf 
sahen sie, ob Perlenschnur und Schmucksachen bei einem 
fehlten oder von ihm getragen wurden. 

68. (84oo.) Ihre Arbeitsmädchen huldigten der von schlech- 
ten Menschen befolgten Sitte, die Weiber erschienen in 
Miinnerkleidung vor Männern, welche Weiberkleidung trugen. 

69. (8401.) An Spiel, Geschlechtslust und Vergnügungen 
fanden sie ihre höchste Lust, hingegen die vordem von autori- 
tativen Edlen überkommenen [geistigen] Erbschaften 

70. (8402.) beachteten sie aus Nihilismus nicht, und ebenso- 
wenig [beachtete es], auch wenn er in der Lage war, der 
Freund, wenn er von dem Freunde in Geldverlegenheit ge- 
legentlich angegangen wurde. 

71. (8403.) Hingegen wenn ihr eigenes Interesse auch nur 
um eine kleine äufserste Spitze auf dem Spiele stand, ver- 
nichteten sie seinen [des Freundes] Besitz, indem sie ihre 
Lust daran hatten, fremdes Gut sich anzueignen, und sich 
auf Handelsgeschäfte einliefsen. 

72. (8404.) Unter den Kasten der Arier wurden sogar 
askesereiche (jidra's erblickt; einige studierten den Veda 
ohne Gelübde, andere mit falschem Gelübde. 

73. (8405.) Der Schüler war seinem Lehrer ungehorsam, 
mitunter war der Lehrer des Schülers Liebhaber, Vater und 
Mutter waren so schlaff, als hätten sie einen Feiertag hinter 
sich, (8406.) und wenn sie alt waren, verloren sie ihr Ansehen 
und mufsten ihre Kinder um Nahrung bitten. 



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Adhyäya 228 (B. 229). 



325 



74. Dabei waren die gelehrten Vedakenner an Tiefe 
(Dunkelheit) dem Ozean vergleichbar. 

75. (8407.» Sie verwandten ihre Zeit auf Ackerbau und 
dergleichen, blieben unwissend, verzehrten die Opfer für die 
Manen selber und allmorgendlich machten sie sich wichtig 
mit Fragen nach dem Wohlbefinden und Schicken von Bot- 
schaft. 

76. (S408.) Ihre Lehrer gewannen, aus eigenem Antrieb 
und ohne aufgefordert zu sein, Schüler; die Ehefrau gab in 
Gegenwart des Schwiegervaters und der Schwiegermutter 
den Dienstboten Befehle, 

77. T8409.) auch kommandierte sie ihren Gatten und gab 
ihm Widerworte, um ihn herauszufordern ; ja der Vater hütete 
sich sorgfältig vor den Absichten des eigenen Sohnes. 

78. (8*io.) Er verteilte aus unbesonnenem Eifer sein Ver- 
mögen und brachte sich so in eine peinliche Lage, der Be- 
sitz aber wurde durch Feuersbrünste oder Diebe oder durch 
die Könige geraubt. 

79. (84U.) Wenn sie sich sahen, verlachten sie sich aus 
Hafs. sogar wenn sie als Freund begrüfst wurden: sie waren 
undankbar, ungläubig, boshaft und tasteten die Frauen ihrer 
Lehrer an. 

tfO. (841:!.) Sie freuten sich am Genüsse verbotener Speisen, 
waren mafslos und des Ansehens beraubt. Da diese im Um- 
lauf der Zeit einen derartigen Wandel führten, 

81. (H4i3.) so mag ich, o Fürst der Götter, nicht mehr bei 
den Dänava's wohnen, das ist mein Wille; darum magst du 
mich, die ich aus freien Stücken zu dir übergegangen bin, 
willkommen heifsen, o Gatte der Caci. 

82. (8414.) Mich, die von dir Geehrte, o Herr der Götter, 
werden die Götter hochschätzen, denn wo ich bin, da sind 
auch die von mir (dem Glück) Geliebten, von mir Aus- 
gezeichneten, mit mir Beschenkten. 

83. (84ir>.) Sieben Gottheiten und der Sieg als achte werden 
bei dir achtfach Wohnung nehmen, die Hoffnung, der Glaube, 
die Festigkeit, die Nachsicht, die Eroberung, die Demut und 
die Geduld. 

84. (8416.) Die achte unter diesen ist die vorzüglichste, 



1 



326 III. Mokshadharina. 

o Züchtiger des Paka. Mit mir sind diese Gottheiten, die 
Asura's verlassen habend, in euren Bereich gelangt. 

85. (8417.) Bei den dreifsig Göttern werden wir Wohnung 
nehmen, die ihr inneres Selbst im Gesetze fest gegründet 
haben. So sprach die Göttin und wurde freudig von den 
beiden begrüfst, 

86. (8418.) von Närada, dem Götterweisen, und von Vasava. 
dem VritratÖter. Da wehte der Freund des Feuers, der Wind, 
auf den Pfaden der Götter,, 

87. (8419.) lieblich duftend, erquicklich anzufühlen, alle 
Sinne mit Lust erfüllend, und die dreifsig Götter erwählten 
eine reine Gegend zu ihrem gewöhnlichen Aufenthalt 

88. (8420.) und trachteten danach, den in Gemeinschaft mit 
I^akshmi thronenden mächtigen Indra anzuschauen. 

89. (8421.) Da geschah es, dafs der tausendaugige, den 
Himmel erlangt habend, von der Qri (mit 0.) begleitet 
und von seinem Freunde, dem grofsen Weisen, auf 
seinem von falben Rossen gezogenen Wagen, er, der Stier 
der Götter, von ihnen verehrt, zum Wohnsitze der Götter 
gelangte. 

90. (8422.) Da überdachte in seinem Geiste Narada das. 
was geschehen war zwischen dem Donnerkeilträger und 
der Göttin (,'ri, und er pries, die Macht der Unsterblichen 
erkennend, sein Zusammenkommen mit dem Gnädigen 
(Indra) und den grofsen Rishfs bei der Cri. 

91. (8423.) Darauf regnete der glanzreiche Himmel 
Amritam nieder auf den Sitz des durch sich selbst seien- 
den Urvaters, Pauken ertönten, ohne geschlagen zu 
werden, und die beruhigten Himmelsgegenden erglänzten. 

92. (8424.) Vasava liefs regnen auf die zur rechten 
Zeit reifende Feldfrucht ; kein Mensch wich ab von dem 
Wege des Gesetzes, die Erde trug als Schmuck man- 
cherlei Edelsteinlager, indem sie liebliches Getön ertönen 
liefs bei dem Siege der weit bewohnenden Götter. 

93. (8425.) Die Menschen freuten sich am Opferwerk 
und glänzten durch Einsicht, indem sie beharrten auf 
dem schönen Wege der gut Handelnden ; Menschen und 



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Ailhyjkya •>*>« (B. 229). 



327 



Götter. Kinnara's, Yaksha's und RakshasaV gediehen 
und waren wohlgesinnt. 

K M. (842C.) Niemals fiel zur Unzeit eine Blume, ge- 
schweige denn eine Frucht vom Baume, auch wenn er 
vom Winde hewegt wurde. Die Kühe spendeten ihren 
Saft, und man konnte jeden Wunsch aus ihnen ermelken, 
und keinem Menschen entschlüpfte je ein hartes Wort. 

t*5. (8427.) Diejenigen, welche diese Huldigung der (,'ri 
mitsamt den alle Wünsche gewährenden und von (Jakra 
angeführten Göttern studieren, nachdem sie in einer 
Brahmanenwohnung zusammengekommen sind, deren 
Wünsche gedeihen, und sie erlangen Tri, die Göttin des 
Glücks. 

IM». (8428.) 0 Bester der Kuru's, was von dir angeregt 
worden war, nämlich ein höchstes Beispiel für Werden 
und Vergehen zu geben, das alles ist dir heute von mir 
mitgeteilt worden, du aber mögest es prüfen und die 
Wahrheit dir zu eigen machen. 

So lautet im Moktbariharin« die Unterredung zwischen 1,'ri und VAcava 

<YW- Vdsaca-imncAda). 

Aclhyftya '>29 (B. *£JO). 

Vers K429-8453 (B. 1-25). 

Yudhishthira sprach : 

1. (842ii.) Durch welchen Charakter, welchen Wandel, 
welche Wissenschaft und welche Tapferkeit erlangt man die 
Stätte des Brahman, welche erhaben über die Prakriti und 
beständig ist? 

Bhishma sprach : 

2. (8430.) Den Erlösungslehren fmnlshmlhnrmuj sich hin- 
gebend, mäfsig sich nährend und die Sinne bezwingend, er- 
langt man die Stätte des Brahman, sie ist erhaben über die 
Prakriti und beständig. 

3. (8431.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, o Bhärata, nämlich die Unterredung des Jaigi- 
shavya mit Asita. 



328 



III. Mukshadharnia. 



4. (8432.) Den Jaigishawa, den sehr weisen, dem die 
Uberlieferung der Pflichten überliefert worden war, den Nicht- 
Zürnenden und Xicht-sich-freuenden, sprach Asita Devala an. 

Devala sprach: 

5. (8433.) Du freust dich nicht, wenn du gelobt wirst, und 
wenn du getadelt wirst, zürnest du nicht. Welches ist diese 
deine Weisheit, woher hast du sie und was schwebt dir als 
höchstes Ziel derselben vor? 

Bhiahma (der Erzähler) sprach : 
<i. (S434.) So von diesem angeredet, verkündete jener 
Askesereiche die grofse, unbezweifelbare , Worte reichen 
Sinnes enthaltende, reine Lehre. 

Jaiglshavya sprach: 

7. (8435.) Den Gang, das höchste Ziel, die Beruhigung der 
heilige Werke Übenden, diese will ich dir erklären, die grofse 
Beruhigung, o Bester der Rishi's. 

8. (8436.) Diejenigen, welche, gleichgesinnt bei Tadelnden 
allezeit und bei Lobenden, o Devala, es verheimlichen, wenn 
sie gegen andere die Pflicht erfüllt und Wohltaten geübt 
haben, 

0. (S437.) welche angeredet dem Redenden auf Unfreund- 
liches nicht Unfreundliches erwidern werden und als Weise 
den, der sie schlug, nicht wiederzuschlagen wünschen, 

10. (8438.) welche nicht beklagen, was ihnen nicht ein- 
getroffen ist, und das ausfuhren, dessen Zeit da ist, nicht 
klagen über Vergangenes und es doch auch nicht gut heifsen, 

1 1. (8439.) welche, auch wenn man sie aus Liebe verehrt, 
o Devala, doch nur so handeln, wie es bei der Sache ange- 
messen ist, kraftvoll und ihrem Gelübde treu, 

12. (8440.) welche, gereiften Wissens, von grofser Einsicht, 
besiegten Zorn und besiegte Sinne habend, in Gedanken, 
Werken und W r orten niemals sich vergehen, 

13. (8441.) welche neidlos nie bestrebt sind, einander zu 
schädigen, noch auch jemals als Weise Unbehagen empfinden 
wegen fremder Erfolge, 



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Adhyfcya 229 (B. 230). 



329 



14. (8442.) welche, wenn sie andere tadeln oder loben, 
niemals übertreiben, und, wenn sie getadelt oder gelobt 
werden, niemals ihr Betragen ändern, 

lf>. (8443.) welche in jeder Lage ruhig bleiben und sich 
am Wohlsein aller Wesen erfreuen, nicht zürnen, nicht jubeln, 
noch auch jemals sich vergehen, 

10. (8444.) welche, den Knoten des Herzens gelöst habend, 
in Wohlbehagen einherwandeln, keinen Anhang haben, noch 
auch Anhang von anderen sind, 

17. (8445.) welche keine Feinde besitzen, noch auch feind 
gegen irgend jemand sind, — die Menschen, welche so han- 
deln, die leben allezeit glücklich, 

18. (8446.) da sie das Gesetz befolgen als Gesetzeskundige, 
o Bester der Zwiegeborenen. Die aber, welche diesen Weg 
verfehlen, geben sich der Freude und der Furcht hin. 

19. f8447.) Ich aber, der ich diesen Weg gefunden habe, 
wie sollte ich gegen jemanden Unwillen empfinden, und 
warum sollte ich mich darüber aufregen, dafs ich getadelt 
oder gelobt werde? 

20. (8448.) Mögen darum die Menschen dem zustreben, 
was sie begehren, ich werde durch Tadel oder Lob weder 
Verkleinerung noch Erhöhung erlangen. 

21. (8449.) Wie an Amritam erquicke sich der Weise an 
der ihm gezollten Verachtung, wie vor Gift fürchte sich der 
Kundige allezeit vor Ehrenerweisung. 

22. (S450.) Wer verachtet wird, der schläft ruhig, ohne 
Furcht, hienieden und im Jenseits; er ist aller Schuld ledig; 
aber den Verächter flieht der Schlaf. 

23. (8451.) Alle diejenigen nun, welche als Weise nach 
diesem höchsten Ziele streben, alle diese Menschen ergreifen 
dieses Gelübde und kommen zu glücklichem Gedeihen. 

24. (8452.) Ein solcher, von überallher alle Geisteskräfte 
konzentrierend und die Sinne bezwingend, erlangt die Stätte 
des Brahman, welche erhaben über die Prakriti und be- 
ständig ist. 

25. (8453.) Nicht Götter, nicht Gandharva's, nicht Pieäca's, 



III. Mokshadhanna. 



nicht Rakshasa's gelangen hinauf bis zu dessen Stätte, der 
so das höchste Ziel erlangt hat. 

So lautet im Mok»ba<lharroa die l nierredmitf /wiicben .laiirUbavj« uti.l A>it« 

(Jai'/i'harytt - A uta - *u>HfAU<*, . 

Aclhyftya **:*0 (B. t>:il). 

Vers H4.M-S477 <B. l-24>. 

Yudhishthira sprach : 

1. ih454.» Geliebt von aller Welt, über alle Wesen sich 
freuend und mit allen Tugenden begabt, — welchen Men- 
schen gibt es auf der Welt, von dem dies gälte? 

Bhlshmu sprach : 

2. (K4. r i5.) In bezug darauf will ich dir auf deine Fraß»*, 

0 Stier der Hharatas, die Unterredung vorführen, welche 

1 grasena mit dem Kecava über den Narada gepflogen hat. 

l'graseoa sprach . 

3. I)«t Närada, den die Welt mit Recht rühmt» 
der mufs doch wohl an Tugenden reich sein: über ihn sprich 
mir, der ich dich befrage. 

Väsudeva sprach: 

4. (S457.) Die Tugenden des NArada, welche ich für vor- 
trefflich halte, die vernimm von mir, der ich sie dir, o Fürst, 
in der Kürze vorführen will. 

f>. <n4.'»h) Nicht ist für ihn die körperquälende Selbstsucht 
der Beweggrund seines Lebenswandels und nicht weicht v«»n 
der Schriftüberlieferung sein Lebenswandel ab. darum ist **r 
überall geehrt. 

«». (K4.-»».» Unzufriedenheit, Zorn, Wankelmütigkeit und 
Furcht linden sich nicht bei Nurada: er ist nicht *aum*eliir. 
ist ein Held, darum ist er überall geehrt. 

7. <s4«;o > Narada ist gar sehr zu verehren: in seiner Red* 
ist keine Anmafsung, sei es aus Verlangen oder aus Hub- 
gier, darum ist er überall geehrt. 



Adhy&ya 230 (B. 231). 331 

n 

x. (H4ßi.) Er kennt das Wesen der Vorschriften über die 
höchste Seele, ist geduldig, kraftvoll und Herr seiner Sinne, 
geradsinnig und wahrheitsliebend, darum ist er überall geehrt. 

V>. (8462.) Durch Kraft, Ruhm, Verstand, Wissen und Zucht, 
durch seine Geburt und seine Askese ist er mächtig, darum 
ist er überall geehrt. 

10. (H463.) Er ist charaktervoll, von Glück erfüllt, edel im 
Geniefsen, sorgfältig und rein, wohlredend und frei von Neid, 
darum ist er überall geehrt. 

11. (8464.) Er vollbringt das Schöne mit Tüchtigkeit, das 
Schlechte findet bei ihm keine Stätte, er liebt nicht andere 
um ihres Vermögens willen, darum ist er überall geehrt. 

12. (8465.) Durch die heiligen Schriften des Veda und 
durch Erzählungen sucht er seinen Unterhalt zu gewinnen, 
er ist ausdauernd und nicht geringgeschätzt, darum ist er 
überall geehrt. 

13. (8466.) Wegen seiner Unparteilichkeit hat er keinerlei 
Günstling oder Feind und redet nur, was er denkt, darum 
ist er überall geehrt. 

14. (8467.) Er ist schriftkundig und reich an Erzählungen, 
gelehrt, nicht lüstern, nicht verschlagen, munter, von Zorn 
und Begierde frei, darum ist er überall geehrt. 

IT). (8468.) Nicht ist seine Individualität auf Besitz, Reich- 
tum oder Lust von Natur gerichtet, und seine Fehler hat er 
ausgetilgt, darum ist er überall geehrt. 

16. (8469.) Von fester Frömmigkeit und tadellosem Wesen, 
schriftkundig und ohne Bosheit, ist er frei von Verblendung 
und Schuld, darum ist er überall geehrt. 

17. (8470.) Ohne Hang zu allem Verlockenden, nur dem 
Atman anhängend zeigt er sich, ohne langes Zaudern und 
redekundig, darum ist er überall geehrt. 

18. (K47i.) Nicht ist er versenkt in das Angenehme und 
Nützliche, niemals rühmt er sich selbst, er ist neidlos und 
mild in der Unterredung, darum ist er überall geehrt. 

1U. (8472j Die mancherlei Meinungen der Leute betrachtet 
er, ohne sie zu tadeln, er ist der Wissenschaft des Umgangs 
mit Menschen kundig, darum ist er überall geehrt. 

20. (8473.) Er bemängelt keine Tradition und lebt doch 



332 HL Mokshadharma. 

nach eigenen Grundsätzen, läfst die Zeit nicht ungenutzt und 
ist Herr seiner selbst, darum ist er überall geehrt. 

21. (8474.) Reich an Mühe, reich an Erkenntnis, nicht 
müde werdend der Meditation, stets hingegeben und ohne 
Unbesonnenheit, darum ist er überall geehrt. . 

22. (8475.) Nie in Verlegenheit, eifrig bei der Sache, be- 
dacht auf das Wohlsein der anderen, nicht eindringend in 
fremde Geheimnisse, darum ist er überall geehrt. 

23. (8476.) Er freut sich nicht über den Gewinn und ver- 
zagt nicht, wenn er nicht gewinnt, ist festen Geistes, ohne 
Anhänglichkeit, darum ist er überall geehrt. 

24. (8477.) Ihn, der so mit allen Tugenden begabt ist, 
tüchtig, rein und frei von Krankheit, die rechte Zeit er- 
kennend und verstehend, was zum Besten dient, wer möchte 
den nicht zu seinem Freunde machen! 

So lautet im Mokahadharma die Unterredung zwischen Vaaudeva und ügravna 

( V&utdtra - Ugro*ena - tamedda). 



Adhy&ya 231 (B. 232). 

Vers 8478-8509 (B. 1-32). 

Yudhishthira sprach: 

1. f8478.) Anfang und Ende aller Wesen wünsche ich zu 
wissen, o Kurusprofs, sowie auch Andacht, Werke, Zeitlänge 
und Lebensdauer in jedem der Weltalter, 

2. (847H.) sowie auch das Wesen der Welt in seiner Voll- 
ständigkeit und das Kommen und Gehen der Geschöpfe; das 
Entstehen und das Vergehen, wodurch entwickelt sich dieses? 

;\. (8480.) Wenn dein Geist gegen uns günstig gestimmt 
ist, o Bester unter den Guten, so frage ich dich danach, du 
aber sage es mir. 

4. (8481.) Denn dadurch, dafs ich vordem das vorzügliche 
Gespräch des ßhrigu und des Priesterweisen Bharadväja 
darüber habe wiedererzählen hören [oben, S. 144 fg.], ist mir 
eine vorzügliche Einsicht, 



uigitizea Dy VjUü 



Adhyäya 231 (B. 232). 



333 



5. (84*2.) eine überaus gerechtfertigte, in dem göttlichen 
Lrgrund begründete, zuteil geworden. Aber nur um soviel 
mehr befrage ich dich, und du, o Herr, mögest mir es sagen. 

Bhishma sprach: 

♦5. (8*83.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte vor- 
führen, welche der heilige Vyäsa seinem Sohne, der ihn be- 
fragte, vorgetragen hat. 

7. (8484.) Nachdem er (Q'uka) die sämtlichen Veden mit- 
samt den Vedanga's und l'panishad's durchstudiert hatte, 
und da er nach vollkommenem Werke im Hinblick auf die 
Totalität des Gesetzes Verlangen trug, 

8. (8486.) legte (^uka, der Vyäsasohn, dem Vyäsa Krishna- 
dvaipäyana diesen Zweifel vor, ihm, der alle Zweifel über 
den Sinn des Gesetzes gelöst hatte. Der erhabene (,'uka 
sprach : 

9. (8486.) Den Schöpfer der Wesenschar, der durch die 
Erkenntnis der Zeiten sicher war in seinem Tun, und die 
dem Brahmanen obliegende Pflicht, die mögest du mir, 
o Herr, erklären. 

Bhishma (der Erzahlerl sprach: 

10. (S487.) Ihm, dem fragenden Sohne, erklärte dieses alles 
der Vater, der des Vergangenen und Zukünftigen Kundige, 
Allwissende, alle Pflichten Kennende. 

Vyäsa sprach : 

11. (S488.) Das anfanglose, endlose, ungeborene, göttliche, 
nicht alternde, feste, unvergängliche, unerschliefsbare und 
unerkennbare Brahman regte sich am Anfang. 

12. (8489.) Fünfzehn Nimesha's (etwa Terzen) machen 
eine Kashthä (Sekunde), dreifsig KäshtmVs rechnet man 
auf eine Kala (Minute); aus dreifsig Kalas nebst dem 
zehnten Teile einer Kala besteht der Muhürta (Stunde). 

13. (84»o.) Aus dreifsig Muhürta's bestehen Tag und 
Nacht, eine von den Muni's überlieferte Zählung; der 
Monat gilt als bestehend aus dreifsig Tag-und-Nächten, 
das .Tahr enthält zwölf Monate. 



334 



III. Mokshadharma. 



14. (*4»i.) Das Jahr aber besteht aus den beiden 
Sonnengängen, wie die Zeitrechnungskenner lehren, dem 
Gang nach Süden und dem nach Norden. 

15. (8492.) Die Sonne teilt Tage und Nächte ein, die mensch- 
lichen und die kosmischen; die Nacht dient zum Schlafe der 
.Wesen, der Tag zur Tätigkeit in Werken (vgl. Manu I, 65). 

16. (8493.) Ein Tag- und -Nacht der Väter ist ein Monat 
und zerfällt ebenfalls in zwei Teile: die helle Monatshälfte 
ist der Tag und dient zur Werktätigkeit, die dunkle, zum 
Schlafe dienend, ist die Nacht (umgekehrt Manu I, 66 und 
Harivamca 506). 

17. (8494.) Ein Tag- und -Nacht der Götter ist ein Jahr 
und zerfällt ebenfalls in zwei Teile: der Nordwärtsgang der 
Sonne ist der Tag, ihr Südwärtsgang ist die Nacht (vgl. 
Manu I, 67). 

18. (8495.) Die Tag -und -Nächte, welche als menschliche 
und kosmische vorher erwähnt wurden (Vers 8492), von diesen 
die Summe der Jahre zusammenzählend, will ich dir erklären, 
was ein Tag-und-Nacht des Brahman ist. 

19. (8496.) Ich werde dir gesondert die Summen der Jahre 
der Reihe nach angeben, wie sie im Weltalter Kritam, Treta, 
Dväpara und Kali bestehen. 

20. (8497.) Viertausend Jahre, so heifst es, bilden das 
Weltalter Kritam, ebensoviele Hunderte seine Morgendämme- 
rung und ebensogrofs ist die Abenddämmerung (vgl. Manu l. 
69 und Harivamca 511). 

21. (8498.) Für die drei übrigen Weltalter, sowie für ihr«* 
Morgendämmerungen und Abenddämmerungen werden die 
Tausende und die Hunderte jedesmal um ein Viertel ver- 
mindert (vgl. Manu I, 70). 

22. (8499.) Diese Weltalter tragen die beständigen, ewigen 
Welten, und von ihnen, o Freund, wissen die Brahmankenner. 
dafs sie das ewige Brahman sind. 

23. (8500.) In dem Weltalter Kritam ist die Gerechtigkeit 
vierfiifsig und vollständig und ebenso die Wahrheit; in diesem 
Zeitalter gibt es keine Bereicherung durch Ungerechtigkeit, 
die von der Gerechtigkeit abwiche (vgl. Manu I, 81). 



Adhyäya 231 (B. 232). 



24. (85oi.) In dem folgenden Weltalter wird die Gerechtig- 
keit infolge der Bereicherung je um einen Fufs verringert 
und die Ungerechtigkeit nimmt durch Diebstahl, Unwahrheit 
und Trug zu (vgl. Manu I, 82). 

25. (85oa.) Im Kritam sind die Menschen ohne Krank- 
heiten, bringen alle ihre Pläne zum Gelingen und leben 
vierhundert Jahre, in der Tretä und den folgenden Welt- 
altern nimmt ihre Lebensdauer je um ein Viertel ab (vgl. 
Manu I, 83). 

2ß. (8503.) Auch das Studium des Veda nimmt den Welt- 
altern entsprechend ab, so haben wir vernommen, und ebenso 
steht es mit der Lebensdauer, den Segenswünschen und mit 
der Frucht, welche der Veda bringt (vgl. Manu I, 84). 

27. (8504.) Andere sind die Pflichten der Menschen im 
Weltalter Kritam und andere in der Treta und im Dväpara, 
und wieder andere sind sie im Weltalter Kali, entsprechend 
der Verkürzung des Weltalters (vgl. Manu I, 85). 

28. (8505.) Askese ist die höchste Aufgabe im Weltalter 
Kritam, in der Treta ist die Erkenntnis das Oberste, Opfer 
im Dväpara und nur das Geben im Weltalter Kali (vgl. 
Manu I, 80). 

21». («506.) Als diese zwölftausend Jahre umfassend wissen 
die Weisen die Zeitdauer eines [göttlichen, vier menschliche 
Weltalter umfassenden, vgl. Harivamca 515J Weltalters, und 
ein solches tausendmal verlaufend wird ein Brahmantag ge- 
nannt (vgl. Manu I, 73), 

30. (8507.) und die Nacht [des Brahman wissen sie] als 
ebensogrofs. Dieses Weltall war zu Anfang der Icvara; nach- 
dem er beim [vorhergehenden] Weltuntergang in Meditation 
versunken und eingeschlafen war, gelangt er am Ende [der 
Nacht] zum Erwachen (vgl. Manu I, 73 fg., Harivamca 532 fg.). 

31. (8508.) Weil sie den Tag des Brahman wissen als 
tausend [göttliche] Weltalter befassend und seine Nacht als 
nach tausend Weltaltern zu Ende gehend, darum sind diese 
Menschen die [wahren] Kenner von Tag und Nacht. 

32. (8509.) Ist der Icvara erwacht, so schafl't er am Ende 
der Nacht das unvergängliche Brahman wieder um und laist 



336 



III. Mokshadharma. 



aus ihm hervorgehen die grofse Wesenheit [den MahänJ und 
aus ihm das zum Bereiche des Entfalteten (vyaktam) gehörige 
Manas. 

So lautet im Mokebadkarma die Frage des <>ka 

((,'uka ■ anupra^na). 

Adhyftya 232 (B. 233). 

Vers 8510-3554 (B. 1-43). 
Vyasa sprach: 

1. (85io.) Das glanzreiche, reine Brahman ist es, von dem 
diese ganze Welt herrührt, aus diesem einen Wesen entspringt 
die zweifache Wesenheit, nämlich das Unbewegliche und das 
Bewegliche. 

2. (8öii.) Am Anfange des Tages erwachend, schafft er 
[der levara] vermöge der Avidya (des Nichtwissens) die Welt, 
und zwar zu Anfang die grofse Wesenheit [den Mahän] und 
alsbald das zum Bereiche des Entfalteten (vyaktam) gehörige 
Manas. 

3. (8512.) Und überhandnehmend hienieden schuf das 
Glanzreiche [Brahman] sieben Manas-artige [die beiden ge- 
nannten Mahän und Manas einbegriffen]. Nämlich das in die 
Ferne reichende, nach vielen Seiten gehende, Verlangen und 
Zweifel als Wesen habende 

4. (8513.) Manas entfaltet die Schöpfung, indem es vom 
Verlangen zu schaffen getrieben wurde. Aus ihm entsteht 
der Äther (äkaeam), als seine Qualität bezeichnet man den 
Ton (vgl. Manu I, 75 fg.) ; 

5. (85U.) aus dem Äther, indem er sich umwandelt, ent- 
steht der alle Düfte tragende, reine, mächtige Wind, als seine 
Qualität gilt die Berührung. 

6. (8515.) Aus dem Winde sodann, indem er sich um- 
wandelt, entsteht das glanzreiche, leuchtende, reine Feuer, 
als seine Qualität wird die Sichtbarkeit genannt. 

7. (8516.) Aus dem Feuer sodann, indem es sich um- 
wandelt, entsteht das die Eigenschaft des Geschmacks be- 
sitzende Wasser; aus dem Wasser entspringt der Geruch; 



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Adhyaya 232 (B. 233). 



337 



nebst [seinem Element] der Erde gilt er als eine Schöpfung 
aller [Vorhergehenden]. 

8. (8517.) Die Qualitäten jedes vorhergehenden [Elements] 
gehen ein in jedes nachfolgende, und die wievielte Stelle ein 
jedes einnimmt, soviele Qualitäten werden ihm zugeschrieben. 

9. (8518.) Wenn einige, weil sie den Geruch schon in dem 
Wasser wahrnehmen, diesem ihn zuschreiben, so ist das un- 
zutreffend ; nur in der Erde soll man ihn wissen als ein Pro- 
dukt aus Wasser und Wind. 

10. (8519.) Diese siebenfach vorhandenen Atman's, obgleich 
sie jeder einzelne mannigfache Kräfte hatten, vermochten 
nicht die Geschöpfe zu schaffen, wenn sie nicht zu einem 
Ganzen sich vereinigten. 

11. (8520.) Da vereinigten sich die Hochherzigen, indem 
sie sich wechselseitig aufeinander gründeten und so den 
Körper ftariramj als Grundlage f&rrayanamj erlangten ; darum 
wird [das Ganze] Purusha (Mensch) genannt. 

12. (8521.) Zum Körper wird es, weil dieser seine Grund- 
lage ist [Wortspiel zwischen gariram und grayanam], der 
gestalthafte, sechzehnwesenhafte; in ihn gehen ein die grofsen 
Elemente mitsamt ihrer Funktion. 

13. (8522.) Er aber, der alle Geschöpfe erwählte, um in 
ihnen das Tapas zu betreiben, wurde zum Anfangsschöpfer 
der Wesen; und ihn nennt man Prajäpati. 

14. (8523.) Er also schafTt die Wesen, die unbeweglichen 
und beweglichen; darauf schafft er, der Gott Brahmän, die 
Götter, Rishfs, Väter und Menschen, 

15. (8524.) die Welträume, Flüsse und Meere, die Welt- 
gegenden, Berge und Bäume, die Menschen, Kinnara's und 
Rakshas, die Vögel, Haustiere, Waldtiere und Schlangen, 
(8525.) das In vergängliche und das Vergängliche, beides, das 
Unbewegliche und das Bewegliche. 

16. Und welche Werke irgendeiner von diesen vor seinem 
Geschaffenwerden sich zugeeignet hatte, (h»2g.) die werden ihm 
wieder zugeeignet, indem er immer wieder neu geschaffen wird. 

17. Lust zu schaden und Lust zu schonen, Milde und 
Härte, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Wahrheit und Un- 
wahrheit (Manu I, 29), (8527.) das alles eignen sie sich an, 

Pfcr*»», MabAbhArtUra. 22 



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338 1U- Mokshadharma. 

weil sie dazu vorausbestimmt sind, darum gefällt dem einen 
dies, dem andern jenes. 

18. Die Mannigfaltigkeit in den grofsen Elementen, den 
Sinnendingen und Gestalten (85*8.) und ihre Verteilung unter 
den Wesen, — der Schöpfer ist es, welcher alles dies verleiht. 

Ii). Einige Menschen nun aber behaupten, dafs die mensch- 
liche Tat bei den Werken [das Wirkende] sei, (8529.) andere 
Weise erklären das Schicksal, und manche Naturgrübler er- 
klären die Natur [für das Wirkende]. 

20. Die menschliche Tat, das Schicksal und das Hervor- 
gehen der Frucht von Natur aus, (sö30.) diese drei erscheinen 
dabei als gesondert, während einige behaupten, dafs unter 
ihnen kein Unterschied sei. 

21. Es kann so sein und nicht so sein, oder beides nicht 
sein, oder keines von beiden nicht sein, oder auch dieses nicht. 
(8531.) so sprechen sich über den Gegenstand aus die werk- 
tüchtigen, in der Wahrheit stehenden Unparteiischen. 

22. Die Askese (tapas mit C.) ist das Heil der Wesen, 
ihre Wurzel Beruhigung und Bezähmung, (8532.) durch sie er- 
langt man alle Wünsche, die man im Herzen hegt. 

23. Durch Tapas erlangt es der Schöpfer, dafs er die 
gewordene Welt geschaffen hat, (8533.) und indem er zu ihr 
geworden ist, wird er der Herr aller Geschöpfe. 

24. Durch Tapas studierten die Rishi's die Veden Tag 
und Nacht, (8534.) und durch ebendasselbe ist die anfang- 
und endlose Wissenschaft als heilige Rede geschaffen worden 
von dem, der durch sich selbst ist, [es folgt nur in C. :] die 
von Anfang an aus dem Veda bestehende göttliche, aus der 
alle Entwicklungen hervorgehen. 

25. (8535.) Die Namen der Rishfs und die in den Veden 
erwähnten Schöpfungen, sowie Namen und Gestalten der 
Wesen und die Entwicklung der Werke, 

2t>. (8536.) das alles schafft jener levara am Anfang aus 
den Vedaworten, und auch die Namen der Rishi's und die in 
den Veden erwähnten Schöpfungen («537.) verleiht der Un- 
geborene am Ende der Weltnacht an andere unter den Edel- 
geborenen. 



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Adhyaya 232 (B. 233). 



339 



27. In der Verschiedenheit der Namen, in der Askese 
und dem, was Werk und Opfer genannt wird, bestehen die 
Ziele der Welt; (8538.) das Ziel des Atman aber wird in den 
Veden auf zehnerlei (vielerlei) Arten gelehrt. 

28. Das Tiefsinnige, was in den Vedaworten ausge- 
sprochen wurde von denen, die den Veda geschaut hatten, 
(8539 > das wird schließlich nach seiner Bedeutung durch 
stufenweise zunehmende Hingebung erkannt. 

29. Durch die Werke bedingt und mit den Gegensätzen 
behaftet ist diese individuelle Existenz der Seele ; (8540.) diese 
läfst hinter sich mit Kraft der Mensch, welcher durch die 
Erkenntnis das Ziel des Atman erreicht hat. 

30. Zwei Brahman's mufs der Mensch kennen, das Wort- 
brahman und das höchste; (8541.) wer im Wortbrahman be- 
wandert ist, erreicht auch das höchste Brahman (vgl. Maitr. 
Up. K.22). 

31. Das Opfer der Kshatriya's ist die Tötung, das Opfer 
der Vaicya's die Darbringung, (8542.) das Opfer der (^üdra's 
die Dienstleistung, das Opfer der Zwiegeborenen ist Tapas. 

32. Jedoch gilt diese Vorschrift der Opfer nur für das 
Tretazeitalter, nicht für das Zeitalter Kritam, (8543.) im Dvä- 
parazeitalter geraten die Opfer in Verfall und ebenso im Zeit- 
alter Kali. 

33. Nicht gesonderte Satzungen habend sind die Menschen 
in betreff des Rig-, Säma- und Yajurveda, (8544.) während sie 
die auf spezielle Wünsche gerichteten Opfer als gesonderte 
ansehen, sowie vermöge der asketischen Übungen das Tapas. 

34. Aber in dem Tretazeitalter geschah es, dafs alle jene 
hochkräftigen Dinge, welche geoffenbart worden waren (8545.) 
als die Zügler des Unbeweglichen und Beweglichen allerwärts, 

35. dafs diese im Tretazeitalter verkürzt wurden, nämlich 
die Veden, die Opfer, die Kasten und die Lebensstadien. (8546.J 
Vermöge der Beschränkung der Lebenszeit aber verfallen diese 
[noch mehr] im Zeitalter Dvapara, 

30. und im Kalizeitalter vollends kommen die gesamten 
Veden nur noch stellenweise zum Vorschein (8547.) und schwin- 
den hin mitsamt den Opfern, unterdrückt durch die völlige 
Gesetzlosigkeit. 



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840 



III. Mokshartharma. 



i 



37. Was im Kritazeitalter Gesetz war. das ist nur noch 
zu finden als bei den Brahmanen (85*8.)' vorhanden, welche am 
Atman, am Tapas und an der Schriftoffenbarung festhalten. 

38. Aber von Zeitalter zu Zeitalter werden entsprechend 
seinem Charakter mitsamt den Zusammenhängen der Satzungen 
und Gelübde (8549.) die durch Uberlieferung überkommenen 
und in ihrem eigenen Gesetze begründeten Vedareden entstellt. 

39. Wie in der Regenzeit durch den Regen alle Geschöpfe 
immer zahlreicher (8550.) hervorgebracht werden, die beweg- 
lichen und unbeweglichen, so wuchern die Unsitten von Zeit- 
alter zu Zeitalter fort. 

40. Wie in den verschiedenen Jahreszeiten die mannig- 
fachen Attribute derselben im Verlaufe (8551.) als diese oder 
jene zum Vorschein kommen, so ist es bei den Vernichtungen 
durch Brahman und [seinen Neuschöpfungen]: 

41. So nämlich ist die anfanglose und endlose Mannig- 
faltigkeit der Zeiten vorausbestimmt ; (8552.) dies ist dir schon 
vordem verkündet worden: das Brahman erzeugt und ver- 
schlingt die Geschöpfe. 

42. Das Brahman schafft und ist der Ort der Wesen, es 
wird angesehen als die Zeit; (8553.) sie aber entwickeln sich 
ihrer Natur gemäfs, indem sie vielfach den Gegensätzen unter- 
worfen sind. 

43. Schöpfung, Zeit, Opferwerke und Veden, der Schöpfer 
und die Frucht der Pflichterfüllung — (8554.) alles dieses ist 
erklärt worden, mein Sohn, wonach du mich gefragt hast. 

So lautet im Mokthadbarma die Frage de« (,'uka 

C <,'uka • aimpra^na). 

Aclhyftya 233 (B. '434). 

Vers 8555-8574 (B. 1-19). 
Vyasa sprach: 

1. (8555.) Nun will ich dir reden von der Absorption der 
Welt zu Anfang der Weltnacht, nachdem der Tag dahin ist, 
und wie der Icvara dieses Weltall zu seinem eigenen, überaus 
feinem Selbste macht. 



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Adhyäya 233 (B. 234). 



2. (8556.) Es brennen dann am Himmel die Sonne und 
sieben, mit Spitzflammen lohende Feuersgluten , und diese 
ganze Welt, von ihren Gluten erfüllt, geht in Flammen auf. 

3. (8657.) Die Wesen, bewegliche und unbewegliche, welche 
sich auf der Erde befinden, diese gehen zunächst zugrunde 
und werden wieder zur Erde. 

4. (»558.1 Wenn dann alles zugrunde geht, das Unbeweg- 
liche und das Bewegliche, dann erscheint die Erde baumlos 
und graslos, wie der Rücken einer Schildkröte. 

5. (8559.) Wenn dann das Wasser den Geruch, wiewohl 
er die Qualität der Erde ist, in sich aufnimmt, dann ist die 
des Geruches beraubte Erde zum Untergange reif. 

(5. (8560.) Dann bestehen die wogenden, mächtig brausen- 
den Wasser noch fort, und indem sie diese ganze Welt er- 
füllen, stehen und gehen sie hin und her. 

7. (sr>6i.) Wenn dann weiter das Feuer die Qualität des 
Wassers [den Geschmack] in sich aufnimmt, dann kommen 
die ihrer Qualitäten beraubten Wasser in dem Feuer zur Ruhe. 

8. (8562.) Wenn dann die flammenden Gluten die in ihrer 
Mitte befindliche Sonne umhüllen, dann geht der ganze von 
Gluten erfüllte Himmel in Flammen auf. 

I». (8563.) Wenn dann der Wind die Sichtbarkeit, wiewohl 
sie die Qualität des Feuers ist, in sich aufnimmt, dann kommt 
das Feuer zur Ruhe und der grofse Wind durchbraust mäch- 
tig das All. 

10. (8564.) Indem dabei der Wind das Getöse, aus welchem 
sein Ursprung war, sich zu eigen macht, durchbraust er nach 
unten, oben und in die Quere alle zehn Himmelsgegenden. 

11. (8565.) Wenn dann der Äther die Berührung, wiewohl 
sie die Qualität des Windes ist, verschlingt, dann kommt der 
Wind zur Ruhe und nur der tonerfüllte Äther besteht noch. 

12. (8566.) Ohne Sichtbarkeit, ohne Geschmack und Be- 
rührung, ohne Geruch und ohne Gestalt durchtönt die ganze 
Welt und besteht weiter der tonerfüllte Äther. 

13. (S567.) Den Ton, obwohl er die Qualität des Äthers 
ist, [verschlingt] das seiner Natur nach offenbarende Manas, 
den offenbaren Teil des Manas verschlingt sein tinotfenbarer, 
[so erfolgt] die Weltauflösung in Brahman. 



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342 



III. Moksba.lhariua. 



14. (8568.) Dieses Manas, indem es in seine Qualität [den 
Wunsch samkalpa] eingeht, verschlingt der Mond, und während 
das Manas zur Ruhe kommt, besieht es weiter in dem Monde. 

15. (8669.) Diesen Wunsch (samkalpa) bringt durch lange 
Zeit der Mond in seine Gewalt; nämlich der Samkalpa ver- 
schlingt das Cittam (Manas), dieses aber [das Cittam in Ge- 
stalt seiner Qualität des Samkalpa] wird verschlungen von 
dem höchsten Bewufstsein; 

16. (8570.) das Bewufstsein wird verschlungen von der 
Zeit, die Zeit wieder von der Kraft, wie die Schrift lehrt 
[Chänd. Up. 7,8,1]; die Kraft aber wird von der Zeit ver- 
schlungen und diese wiederum wird von dem Wissen unterjocht. 

17. (8571.) Dann nimmt der Wissende den Ton des Äthers 
in sich auf, und das ist dann das höchste Brahman, das ist 
das unübertreffliche Ewige. (8572.) So steht es mit allen W r esen, 
das Brahman ist ihre Auflösung; 

18. wie es dir vollständig verkündet worden ist, so steht 
es damit, daran ist kein Zweifel, (8573.) wie die aus dem 
Wissen stammende Belehrung geschaut wurde von den 
Yogin's, die den höchsten Atman besafsen. 

19. So erfolgen immer wieder und wieder Weltausbrei- 
tung und W T eltvernichtung in der unoffenbaren Wesenheit 
des Brahman (8574.) am Anfange der Tausende von Welt- 
altern, aus denen beide bestehen, und so steht es mit dem 
Tage und der Nacht [des Brahman]. 

So lautet im MokBhadtaarma die Frage des C.'uka 



Adhy&ya 234 (B. 235). 
Vers 8575-8612 (B. 1-38). 

Vyäsa sprach: 

1. (8575.) Was vorausbestimmt war für die Schar der 
Wesen, das ist dir von mir verkündet worden. Was aber 
die Pflicht eines Brahmanen ist, das will ich dir sagen, das 
vernimm. 



Ailhy&ya 234 (B. 235). 



:-ua 



2. (H576.) Von der Geburtszeremonie an soll für ihn die 
Ausführung der opferlohnbringenden W erke bis zur Heim- 
kehr aus der Lehre unter einem Lehrer erfolgen, der den 
Veda ganz durchstudiert hat. 

(8*77.) Nachdem er die gesamten Veden studiert und 
an dem Gehorsam gegen den Lehrer seine Freude gehabt 
hat, soll er nach Abtragung der Schuld an den Lehrer als 
ein Opferkundiger heimkehren. 

4. (8578.) Nachdem er von seinem Lehrer entlassen ist, 
soll er eines der vier Lebensstadien bis zur Erlösung von 
dem Leibe nach der Vorschrift einhalten, 

5. (8579.) sei es durch Zeugung von Nachkommen und 
Heirat oder durch eine [fortgesetzte] Brahmanschülerschaft 
oder durch das Wohnen im Walde in der Nähe des Lehrers 
oder auch durch Übernahme der Pflichten eines Yati (San- 
nyasin). 

f>. (85so.) Aber der Hausvater gilt für die Wurzel aller 
dieser Pflichtstadien, denn wo gekochter Saft [oder doppel- 
sinnig: abgetane Sünde] ist, da gedeiht überall der sich Be- 
zähmende. 

7. (858i.) Als kinderreich, schriftkundig und opferfleifsig 
die drei Schulden abgetragen habend, mag er sodann, durch 
Werke geläutert, später zu anderen Lebensstadien übergehen. 

8. (85«2.) Den reinsten Ort auf der Erde, den er kennt, 
soll er bewohnen, an diesem strebe er nach Vorbildlichkeit 
und [beharre] in höchstem Ansehen. 

9. (8583.) Durch grofse Askese oder auch durch völliges 
Durchdringen der Wissenschaft oder durch Opfern oder 
Almosengeben können die Brahmanen zu Berühmtheit ge- 
langen. 

10. (8584.) Solange einem in dieser Welt rühmliches Lob 
zuteil wird, solange erlangt der Mensch die unendlichen 
Welten der Vollbringer heiliger Werke (Gen. mit C). 

1 1. (8585.) Er möge den Veda lehren und lernen, er möge 
opfern lassen oder opfern, er möge nie Gaben empfangen 
oder spenden, wo es nicht berechtigt ist. 

12. (8586.) Mag es herrühren von einem Opferherrn oder 
Schüler oder Mädchen, es gelte ihm als grofse Gabe; und 



344 



III. Moksliadlmrnia 



wenn er etwas erhält oder opfert oder spendet, auf keinen 
Fall soll er als einziger geniefsen. 

13. (8587.) Für ihn, solange er ein Hausvater ist, gibt es 
kein anderes Sühnemittel , welches dem gleichkäme, wenn 
um der Götter, Väter, Rishi's oder Lehrer willen die Alten, 
Kranken und Hungrigen von ihm ein Almosen erhalten. 

14. (85*8.) Wenn welche sind, die von geheimen Feinden 
bedrängt werden und ihr Dasein nach Kräften zu erhalten 
suchen, so soll man solchen auch über seine Kraft hinaus 
spenden von dem, was man aus seinen Mitteln zubereitet hat 

15. (8589.) Es gibt gar nichts, was nicht an Würdige und 
Achtbare zu geben wäre, denn sogar das Rofs Uccailicravasa 
kann, wie man weifs, von Edlen erlangt werden. 

1*5. (sr»i»o.) Einem Wunsche nachgebend hat der gelübde- 
treue Satyasandha mit seinem Leben das Leben der Brah- 
manen gerettet und ist zum Himmel eingegangen. 

17. (8591.) Und auch Rantideva, der Sohn des Sänkriti, 
nachdem er dem hochherzigen Vasishtha kaltes und warmes 
Wasser gespendet hat, geniefst dafür die Herrlichkeit auf 
dem Rücken des Himmels. 

18. (8592.) Und auch Indradamana, der Nachkomme des 
Atri, der weise Fürst, nachdem er einem Würdigen mannig- 
faches Gut gespendet hatte, ging dafür in die ewigen Wel- 
ten ein. 

VJ. (8593.) Und Tibi, der Sohn des Ucinara, nachdem er 
seine Glieder und seinen eigenen lieben Sohn [Brihadgarbha] 
dem Brahmanen zuliebe hingegeben hatte, ist infolgedessen 
zum Rücken des Himmels aufgestiegen. 

20. (8591.) Und Pratardana, der König von Käci, der seine 
eigenen Augen einem Brahmanen hingegeben hatte, erlangte 
dafür unvergleichlichen Ruhm hier und im Jenseits. 

21. (8595.) Nachdem Devävridha seinen göttlichen, acht- 
stangigen, goldenen, höchst gedeihlichen Sonnenschirm ab- 
gegeben hatte, fuhr er mitsamt seinem Königreiche zum 
Himmel. 

22. (859G.) Und Sänkriti, aus dem Geschlechte des Atri, 
der Hochgewaltige, welcher seinen Schülern das attributlose 
Brahman lehrte, ging ein in die unübertrefflichen Welten. 



Adhyäya 234 (B. 235). 



345 



23. ($51*7.) Der glanzreiche Ambarisha schenkte den Brah- 
manen elfhundert Millionen Kühe und fuhr mitsamt seinem 
Königreiche zum Himmel. 

24. (8ö!w.) Um eines Brahmanen willen verzichtete Savitri 
auf die himmlischen Ohrringe und Janamejaya auf seinen 
Leib und beide gingen dafür ein zu der höchsten Stätte. 

25. (359U.) Vrishädarbhi Yuvanäcva hat alle seine Schätze, 
seine lieben Frauen und seine herrliche Wohnung hingegeben 
und ist dafür zur Himmelswelt gelangt. 

28. (Hßoo.) Nimi, König von Videha, gab den Brahmanen 
sein Reich, der Sohn des Jamadagni die Erde, Gaya die weite 
Welt mit ihren Städten. 

27. (8601.) Und als Parjanya nicht regnete, belebte als 
Wesenschöpfer Vasishtha alle Wesen, wie Prajapati die Ge- 
schöpfe. 

28. (8602.) Und auch der Sohn des Karandhama, der wohl- 
bereitete Maruta, gab seine Tochter dem Angiras und ge- 
langte alsbald in den Himmel. 

29. (8603.) Und Brahmadatta, der König der Paftcala's, 
der Beste unter den W r eisen, gab seinen Schatz, die Muschel, 
den Obersten der Zwiegoborenen und erlangte dafür die 
Himmelswelten. 

30. (8604.) Auch der König Mitrasaha gab dem hoch- 
herzigen Vasishtha seine geliebte Madayanti und kam dafür 
mit ihr in den Himmel. 

31. (8605.) Der hochberühmte Königsweise Sahasrajit gab 
um eines Brahmanen willen das liebe Leben hin und gelangte 
in die unübertrefflichen Welten. 

32. (8fto6.) Und der Fürst (,'atadyumna, nachdem er sein 
mit allem Wünschenswerten erfülltes goldenes Haus dem 
Mudgala gegeben hatte, ging in den Himmel ein. 

33. (86u7.) Und der mit Namen Dyutiman genannte herr- 
liche König der O'ilva's übergab sein Reich dem Ricika und 
ging ein zu den höchsten Welten. 

34. (86os.) Auch der mächtige Königsweise Somapäda gab 
seine Tochter ( anta dem Rishvacringa und wurde dafür reic h- 
lieh mit allerlei Wünschenswertem beschenkt. 



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346 



III. Mokshadharma. 



35. (8609.) Auch der Königsweise Madiräcva gab seine 
schlanke Tochter dem Hiranyahasta und gelangte in die von 
Göttern gepriesenen Welten. 

36. (86io.) Und Prasenajit, der mächtige König, welcher 
hunderttausend Kühe mitsamt ihren Kälbern verschenkt hatte, 
gelangte in die höchsten Welten. 

37. (seil.) Diese und viele andere Hochherzige sind durch 
Gaben und Askese zum Himmel gelangt, belehrten Geistes 
und mit bezähmten Sinnen. 

38. (8612.) Ihr Ruhm steht fest, solange die Erde stehen 
wird; sie alle erlangten durch Gaben, Opfer und Erzeugung 
von Nachkommen den Himmel. 

So lautet im Mokshadhanna die Krage de» (,'aka 
(t^uia - anupi afta). 



AdhyAya 23o <B. 236). 

Vers 8613-8644 (B. 1-32). 
Vyisa sprach: 

1. (8613.) Die dreifache Wissenschaft, wie sie in den Veden 
ausgesprochen ist, soll man sodann gliedweise betrachten 
nach Worten und Silben der Kikverse und der Sämanlieder 
und ebenso beim Yajur- und Atharvaveda. 

2. (86U.) In ihnen lebt der Erhabene, beharrend in den 
sechs Werken [des Lernens, Lehrens, Opferns, Opfernlassens, 
Gebens und Nehmens]. Denn diejenigen, welche mit den 
Vedaworten bekannt und mit der höchsten Seele bekannt sind, 

3. (8 .15.) überschauen als Realitäthafte und Hochbeglückte 
das Entstehen und Vergehen. So möge er im Gesetze leben 
und das Opfer als ein Unterrichteter betreiben. 

4. (8616.) Ohne die Wesen zu bedrängen, soll der Zwie- 
geborene seine Aufgabe zu erfüllen suchen, von den Guten 
das Wissen überkommen habend, belehrt, der Satzung kundig. 

5. (S617.) Seiner Pflicht gemäfs steht in der Werkwelt, in 
Opferwerken und Wahrheit wurzelnd und lebend, der Zwiege- 
borene als Hausvater fest in den sechs W'erken (vgl. Vers 8614). 



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Adhyäya 235 (B. 236). 



347 



H. (8«i8.) Die fünf Opfer [an Götter, Rishi's, Väter, Men- 
schen und Tiere] möge er immerfort darbringen als ein Gläu- 
biger, Beharrlicher, Besonnener, Bezähmter, Pflichtkundiger, 
Ätmanhafter. 

7. (8619.) Frei von Freude, Übermut und Zorn wird der 
Brahmane nicht lässig. Geben, Studieren, Opfer, Askese, 
Schamhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Selbstbeherrschung, 

8. (»<«öj das sind die Mittel, durch welche er seine Kraft 
steigert und das Übel fernhält, er, der das Böse abgeschüttelt 
hat, voll Weisheit, mäfsig sich nährend und bezähmter Sinne. 

(8621.) Lust und Zorn bewältigt habend, möge er der 
Stätte des Brahman nachspüren, möge die. Opferfeuer und 
Krahmanen hochachten und die Gottheiten verehren. 

10. (8G22.) Er halte fern von sich herrische Rede und 
Tötung, sofern sie nicht vom Gesetze geboten ist. Dies wird 
als die von den Alten eingehaltene Lebensweise des Brah- 
manen vorgeschrieben. 

1 1. (8623.) Indem er nach Wissen und Überlieferung die 
Werke vollzieht, bringt er es in ihnen zur Vollkommenheit. 
Den die fünf Sinne als Wasser habenden, furchtbaren, aus 
der Begierde entspringenden, schwer zu durchschwimmenden, 

12. (8624.) den Zorn als Schlamm führenden, unaufhalt- 
samen Strom durchschreitet der Weise. Er schaue hin auf 
die beständig lauernde, unendliches Wirrsal bringende Zeit. 

UJ. «8625.) Durch die grofse, vom Schicksal ausersehene, 
unwiderstehliche Gewalt, durch den Strom der Natur wird 
die gewordene Welt unaufhörlich fortgerissen. 

14. (8626.) Durch diesen Strom, dessen Wasser die Zeit 
ist, den grofsen, dessen Strudel fort und fort die Jahre sind, 
der die Monate als Wellen, die Jahreszeiten als Stromschnellen, 
die Monatshälften als Buschwerk und Gräser hat, 

15. (8627.) dessen Schaum die aufblitzenden Augenblicke, 
dessen Wasser die Tage und Nächte sind, der furchtbar ist 
durch das Krokodil der Lust, auf dem Veda und Opfer als 
Schiffe dienen, 

16. (8628.) auf dem das Gute die Rettungsinsel für die 
Wesen bildet, dessen Wasser das Nützliche und Angenehme 
sind, der die Wahrheit, das heilige Wort und die Erlösung 



III. Mokshadharmu. 



als Ufer hat, der die Schädigungen als Baumstämme mit 
sich führt, 

17. (8629.) in dessen Mitte die Weltalter die Fluten eines 
Sees bilden, dessen Vergang und Entstehen aus Brahman 
ist, — durch diesen Strom werden die von dem Schöpfer ge- 
schaffenen Wesen fortgeführt in die Behausung des Yama» 

18. (8630.) Diesen Strom überschreiten Besonnene, Weise 
mit den aus Opfern bestehenden Schiffen, aber die, welche 
dieses Schiff nicht haben, was werden diese Unverständigen 
machen ? 

19. (8631.) Was einen auch immer treffen mag, der Weise 
hilft sich heraus, aber kein anderer, denn von ferne schon 
überschaut der Weise allenthalben Tugend und Laster. 

20. (8632.) Aber der Begierdehafte, Wankelmütige, Ein- 
sich tarme, Un weise kommt nicht über den Zweifel hinaus; 
denn wer stillsitzt, kommt nicht vorwärts. 

21. (8633.) Aber der Schiff lose hält in seiner Verblendung 
die grofse Sünde fest; wenn er von dem Krokodil der Lust 
ergriffen ist, so ist ihm auch die Erkenntnis als Schiff 
nichts nütze. 

22. (8634.) Darum soll, wer weise ist, sich bemühen empor- 
zutauchen: darin aber besteht sein Emportauchen, dafs er 
ein Brähmana [prägnant wie Brih. Up. 4,4,23] wird. 

23. (8635.) Darum soll, wer in einer geläuterten Familie 
geboren ist, obgleich mit den drei [Guna's] zusammengeknetet, 
durch Vollbringen der drei Werke [des Studiums, Opfers und 
Gebens] in dem Auftauchen beharren, damit er durch Er- 
kenntnis sich rette. 

24. (8636.) Denn ihm, welcher geweiht, bezähmt, in sich 
gefestigt, Herr seiner selbst und weise ist, wird als unmittel- 
bare Folge Vollendung zuteil in dieser Welt und im Jenseits. 

25. (8637.) In diesen Verhältnissen lebe der Hausvater ohne 
Zorn und ohne Murren und bringe fort und fort die fünf 
Opfer [vgl. Vers 86is] dar, indem er sich von den Opfer- 
resten nährt. 

26. (8638.) Er beharre in der Pflicht der Guten, betreibe 
als ein Kundiger das Opferwerk und trachte, ohne die Mit- 
menschen zu bedrängen, nach einem unbescholtenen Wandel. 



Adhyaja 23ö (B. 236). 



349 



27. (8«3y.) Die Schrift, das Wissen und die Wahrheit 
kennend, wandelnd nach der Lehre und kundig, tätig in Er- 
füllung seiner Pflicht und auch in seinen Handlungen, die 
Vermischung mit anderen Kasten meidend, 

28. (8640.) werkeifrig, gläubig, bezähmt, weise, zufrieden 
und den Unterschied von Gutem und Bösem kennend, so über- 
windet er jede Schwierigkeit. 

29. (8€4i.) Gläubig, beharrlich, besonnen, bezähmt, pflicht- 
kundig, ätmanhaft, frei von Freude, Ubermut und Zorn wird 
der ßrahmane nicht lässig [vgl. Vers 8«i8— «r.i»]. 

30. (8642.) Dieses wird als die althergebrachte Lebens- 
führung des Brahmanen vorgeschrieben; wenn er mit dieser 
Erkenntnis ausgerüstet die Werke vollbringt, kommt er aller- 
wärts zum Gelingen. 

31. (8643.) Der Unwissende, auch wenn er das Rechte liebt, 
tut doch das Unrecht; er vollbringt das Rechte oder den 
Schein des Rechten gleichsam mit Widerstreben. 

32. (8644.) Er glaubt, das Rechte zu tun, und tut das 
Unrechte; er strebt nach dem Unrechten und tut das 
Rechte; den Unterschied beider Handlungsweisen nicht 
verstehend, wird ein solcher Mensch geboren und stirbt 
als ein Tor. 

So lautet im Moktbadhanna die Krage dvn «.'uka 

(t,uka-an»pr(u;na). 

Adhy&ya 236 (B. SKtt). 

Vers 8645-8687 (B. 1-4 K 
Vyasa sprach : 

1. (86ift.) Wenn nun einer dazu gelangt, an diesem [Ge- 
sagten] Gefallen zu finden, während er von dem Strome fort- 
geführt wird, so wird er emportauchend und sinkend als 
Weiser nicht des Schiffes ermangeln. 

2. (8646.) In der Erkenntnis gefestigt, setzen die Weisen 
auf SchifTen die Unweisen über den Strom, aber die Un- 
weisen sind nicht imstande, andere oder sich selbst irgend- 
wie überzusetzen. 



III. Mokshadharma. 



3. (8C47.) Die Sünde vernichtend, möge der von ihr Be- 
freite durch den Yoga die zwölf [Leib, Manas und Sinne 
(,'vet. Up. 2,8] anspannen, indem er über Ort, Werk, Leiden- 
schaft, Zweck, unzulängliche Mittel und ihre Beseitigung Ge- 
wifsheit besitzt. 

4. (8648.) Durch Einschränkung des Auges und der Er- 
nährung möge mitsamt Denken und Sehen die Rede und das 
Manas durch die Buddhi niederhalten, wer die höchste Er- 
kenntnis zu erlangen wünscht. 

5. (86*9.) Durch die Erkenntnis möge sein Selbst bändi- 
gen, wer die Beruhigung seines Selbstes zu erringen wünscht. 
Wenn er zum blofsen Zuschauer aller jener Dinge geworden 
ist, dann wird auch der sehr Hartherzige zum Purusha. 

ti. (8660.) Mag der Brahmane nun alle Veden oder mag 
er keinen Vers davon kennen, mag er ein pflichttreuer 
Opferer oder ein Erzbösewicht sein, 

7. (8G5i.) mag er nun ein ausgezeichneter Mann oder ein 
von den Beschwerden ßlc^aj überwältigter sein, — wenn er 
so verfährt, so überschreitet er den schwer zu überwindenden 
Ozean von Alter und Tod. 

8. (8r>5'.'.) Wenn er in dieser Weise durch diesen Yoga 
sich so von Grund aus bereitet, dann gelangt er, wenn er 
auch noch so erkenntnisdurstig ist, über das Wortbrahman 
hinaus. 

9. (8G53.) Der Gerechtigkeit als Wagensitz hat, Scham- 
haftigkeit als Schutzbrett, Gelingen und Mifslingen als Deichsel, 
Einhauch als Achse, Aushauch als Joch, Bewufstsein, Leben 
und Seele als Bänder, 

10. (8654.) der Geistigkeit als Standbrett hat, der schöne, 
der Ergreifung eines guten Wandels als Radkranz, Sehen 
und Fühlen als Beweger, Riechen und Hören als Zugtiere hat, 

11. (865s>.) dem die Erkenntnis als Nabe, alle Lehrbücher 
als Stachelstock, das Wissen als Wagenlenker, der Kshe- 
trajna (Atman) als Wagenfahrer dient, der feste, der Glauben 
und Bezähmung als Vorläufer, 

12. (8656.) Entsagung als kleinen Nachläufer hat, der 
sicheren Sitz Bietende, im Reinen Dahinfahrende, dessen 
Bahn die Meditation ist, — das ist der von der Seele an- 



1 



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Adbyäya 23G (B. 237). 



geschirrte, göttliche Wagen, der in der Brahmanwelt er- 
glänzt. 

13. (8657.) Wer ohne Verzug den Wagen in dieser Weise 
zu bespannen sucht und auf ihm zu dem Unvergänglichen 
zu gelangen strebt , dessen schnellen Lauf will ich dir er- 
klären. 

14. (s«58.) Die Stimme unterdrückend, gelangt man zu den 
sieben vollständigen Fixierungen [des Manas], und andere 
ebenso grofse sind nach rückwärts [auf die Kreise von Sonne, 
Mond, Polarstern usw. Nil.] und nach seitwärts [auf Nasen- 
spitze, Brauen, Kehlgrube usw. NU.] gerichtet; dies sind die 
Fesselungen [des Manas]. 

15. (8669.) Dadurch geschieht es, dafs man stufenweist 1 
zur Herrschaft über die Erde und die Luft — ebenso steht 
es mit Äther und Wasser — zur Herrschaft über das Feuer 
und ebenso über Ahankära und Buddhi, (8660.) und stufen- 
weise auch zur Herrschaft über das Avyaktam gelangt. 

Für den, welcher unter ihnen, die mit dem Yoga 
solcher Art beschäftigt sind, diese Tüchtigkeiten besitzt, (seci.) 
welcher so den Yoga übt, ihm hingegeben und die Voll- 
kommenheit in sich selbst schauend, 

17. für ihn, den als ein Erlöster (Nom. mrmucyamätiah!) 
vermöge seiner Feinheit jene Gestalten Schauenden, (sr,»;-j.) für 
ihn ist, gleichwie ein feiner winterlicher Nebel den Himmel 
überzieht, 

18. so, wenn er von seinem Leibe erlöst ist, seine frühere 
Gestalt. (8«63.) Wenn dann der Nebel sich senkt, so folgt 
das Sehen einer zweiten Erscheinung, 

19. nämlich wie man so etwas wie Wasser im Äther 
bemerkt, so sieht er etwas derartiges in seinem eigenen 
Innern. (8664.) Und nachdem er über das Wasser hinaus- 
gelangt ist, erscheint ihm eine Art Feuer. 

20. Ist dies zur Ruhe gekommen, so erscheint ihm der 
seine Waffen in sich tragende fpvta^astra? J Treiber (der 
Wind). (8665.) Alsdann erscheint seine Gestalt wie eines, der 
weifs wie Wolle ist. 

21. Wenn er sodann den weifscn Pfad gegangen ist und 
weiter zu dem feinen Windartigen, (8666.) dann wird ferner- 



352 



III. Moksliartliamia. 



hin dem Brahmanen auch die nichtweifse Feinheit des Feuers 
(vgl. Chänd. Up. 6,4,1) verheifsen. 

22. Nachdem nun dieses alles erfolgt ist, so höre, welche 
Früchte daraus entspringen. (86«;7.) Wenn er dazu geworden 
ist, so wird ihm vermöge der Gottherrlichkeit über das Erd- 
artige Schöpferkraft verliehen, 

23. und wie der unwandelbare Prajäpati schafft er aus 
seinem Leibe die Geschöpfe (8668.) nur mit seinen Fingern 
und Daumen oder mit seinen Händen und Füfsen. 

24. Die Erde vermag er ganz allein zu erschüttern, in- 
dem er, wie die Schrift sagt, zur Qualität des Windes ge- 
worden ist. (8669.) Wenn er zum Äther geworden ist, *o 
erglänzt er in ihm, indem er seine Farbe annimmt, oder von 
der Farbe [abstehend] macht er sich unsichtbar, oder auch 
er trinkt die Behälter [Brunnen, Teiche, Seen] leer. 

25. (8670.) Auch kann es geschehen, dafs seine Gestalt 
nicht erst wie die von Feuern sichtbar wird und dann ver- 
schwindet: Hat er erst den Ahankära überwunden, so sind 
alle jene fünf [Elemente] seinem Willen Untertan. 

26. (8671.) Dann gewinnt er, indem auch die Buddhi über- 
wunden wurde, die Herrschaft über jene in ihm vorhandenen 
sechs [die fünf seinen Körper bildenden Elemente und den 
Ahankära], und es überkommt ihn der volle, fleckenlose Glanz. 

27. (8672.) Und ebenso geht dann sein Entfaltetes in den 
unentfalteten Ätman [die Prakriti] ein, aus welchem die Welt 
ausströmt und durch welchen sie den Namen des Entfalteten 
erlangt. 

28. (8673.) Nunmehr vernimm von mir ausführlich die auf 
das Unentfaltete bezügliche Wissenschaft, ferner lerne vor- 
her von mir das, was nach der Säiikhyalehre das Entfaltete 
ausmacht. 

29. (8G74.) Die fünfundzwanzig Prinzipien, welche gleich- 
mäfsig in beiden, dem Yoga und dem Sänkhyam, gelten, 
und ebenso den Unterschied beider Lehren sollst du von 
mir hören. 

30. (8675.) Das Entfaltete (vyaktamj heifst dasjenige, wel- 
ches entsteht, wächst, altert und stirbt, indem es mit [diesen] 
vier Merkmalen behaftet ist. 



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Adhyäya 236 (B. 237). 



353 



31. (8676.) Hingegen dasjenige, welches ihm entgegen- 
gesetzt ist, wird das Unentfaltete genannt. Ferner werden 
zwei Atman's [Prakriti und Purusha] in den Veden und den 
Lehrbüchern [nach Nil. : dem Vedänta] unterschieden. 

32. (8677.) Aber das Ersterwähnte, welches die vier Merk- 
male an sich trägt, bezeichnen sie als den Caturvarga [die 
vier Klassen von Wesen: Götter, Menschen, Tiere, Pflanzen], 
Das Entfaltete und das Unentfaltete [die Prakriti] wird auf- 
gefafst als ein Ungeistiges, (8678.) und auch das [noch zur 
Prakriti gehörige] Sattvam und der Kshetrajfia [Purusha] 
werden als zwei verschiedene aufgezeigt. 

33. Beide Ätman's hängen, wie die Veden lehren, den 
Sinnendingen an, (8679.) aber die Zurückziehung von den 
Sinnendingen sollst du als Merkzeichen der Sänkhya's [nach 
NU. der Auprmishadas] wissen. 

34. Dann wird man selbstlos, frei von Ichbewufstsein, 
von Gegensätzen und von Zweifeln, (8680.) dann zürnt man 
nicht und hafst nicht und spricht keine unwahren Worte. 

35. Wird einer angeschrien oder geschlagen, so sinnt 
er aus Liebe nicht auf Böses. (8681.) Rache durch Worte, 
durch Taten oder in Gedanken legt er alle drei von sich ab. 

36. Gleichmäfsig gegen alle Wesen, wendet er sich zu 
Gott Brahmän hin, (8682.) er wünscht nichts und ist doch 
nicht wunschlos, sich begnügend mit dem blofsen Unterhalte 
seines Lebens. 

37. Nicht begehrlich, unerschütterlich, sich bezähmend 
ist er, ungekünstelt und doch nicht ohne Kunst, (8683.) seine 
Sinnlichkeit ist nicht auf vielerlei gerichtet, seine Wünsche 
gehen nicht nach allen Seiten. 

38. In allen W r esen sieht er dasselbe, freundlich ge- 
sinnt, gleichgültig auf Erdschollen und Goldklumpen blickend, 
(8684.) gleichmütig bei Angenehmem und Unangenehmem, gleich- 
mütig gegen Tadel und Lob. 

39. Begierdelos gegenüber allen Wünschen, fest in dem 
Gelübde des Brahmanwandels, (8685.) kein Wesen schädigend, 
so sich verhaltend wird der Anhänger des Sankhyam der 
Erlösung teilhaftig. 

40. Wie sie vom Yoga aus zur Erlösung gelangen und 

Diu««», MahaMiAratain. 23 



354 HI. Mokshadbarma. 

durch welche Ursachen, das vernimm. (8686.) Wer, die Gott- 
herrlichkeit als Yoga überschreitend, über sie hinausgelangt, 
der wird erlöst. 

41. Damit ist dir die aus dem richtigen Verhalten ent- 
springende Erkenntnis erklärt worden, daran ist kein Zweifel. 
(8687.) Auf diese Weise wird man von den Gegensätzen frei 
und gelangt zu Gott Brahman. [Nur in C. :] Und hingegeben 
in Werken und Gedanken, wendet man sich dem Gott Brah- 
man zu. 

So lautet im Mokihadhanna die Frage de« Qnka 

( (,'uka - anupra<;na). 



Adhyftya 237 (B. 238). 

Vers 8688-8712 (B. 1-25). 
Vya&a sprach: 

1. (8688.) Wenn der W r eise das SCftiff der Erkenntnis be- 
stiegen hat, nämlich die Ruhe der Seele, soll er, emporgehoben 
und niedersinkend, seine Zuflucht in dem Wissen suchen. 

i 

£uka sprach: 

2. (8689.) Aber was soll ich unter diesem Wissen ver- 
stehen, durch welches man die Zweiheit überschreitet. Hat 
diese Regel als Merkmal ein Tun oder ein Ablassen vom 
Tun, das sage mir. 

Vyäsa sprach: 

3. (8690.) Wer aber aus seiner Natur heraus die Dinge 
ansieht ohne das richtige Verhalten (bhäva), der ist unver- 
ständig; hingegen durch die Erkenntnis bringt man alle zum 
Gedeihen, welche nach der Erlösung [mukti mit C] streben. 

4. (8691.) Diejenigen, welche trotz des völlig hingebenden 
Verhaltens die Ursache in ihrer eigenen Natur zu finden 
glauben, die gelangen, auch wenn sie Gras oder Halm von 
der Umhüllung säubern [den Ätman wie einen Halm aus dem 
Schilfe herausziehen nach Käth. Up. 6,17], doch zu nichts. 

5. (8692.) Diejenigen, welche, diese Richtung einschlagend, 



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Adhyltya 237 (B. 238). 



3o5 



als Törichte wiederkehren, die können, weil sie in ihrer eigenen 
Natur die Ursache suchen, nicht zum Heile gelangen. 

6. (8693.) Die eigene Natur, welche in Verblendung, Werken 
und Wünschen wurzelt, fuhrt zum Verderben, und dieses gilt 
von beiden, von der eigenen und von der sie umgebenden Natur. 

7. (8694.) Die irdischen Tätigkeiten des Pflügens usw. und 
des Erntens der Feldfrucht sind von Weisen hervorgebracht, 
sowie auch die Wagen, Sessel und Häuser. 

8. (8695.) Von Spielplätzen, Häusern und Arzneimitteln 
gegen Krankheiten sind Urheber die Weisen, unterstützt 
durch Verständige. 

[). (8696.) Die Erkenntnis beschenkt mit Gütern, die Er- 
kenntnis erlangt auch das Heil; in gleicher Weise geniefsen 
die Könige ihr Königtum vermöge der Erkenntnis. 

10. (8697.) Das Höchste und Tiefste wird durch die Er- 
kenntnis von den Wesen erlangt, durch das Wissen, o Freund, 
wird es von den Geschöpfen erlangt, das Wissen ist das 
höchste Ziel. 

1 1 . (8698.) Die Entstehung aller der mannigfachen Wesen 
ist als vierfach, nämlich als Lebendgeborenes, Eigeborenes 
Sprofsgeborenes und Schweifsgeborenes, zu betrachten. 

12. (8699.) Ferner mufs man daran festhalten, dafs die 
beweglichen Wesen von den unbeweglichen verschieden sind, 
denn es geziemt sich, dafs die Bewegung unterschieden werde 
durch Unterscheidungskunst. [Besser: von der Nicht -Be- 
wegung, aviceshtayä nach Böhtlingks Konjektur.] 

13. (8700.) Die beweglichen Wesen bezeichnet man als 
vielfufsig, aber es gibt vielmehr zwei Arten, denn es gibt 
auch viele zweifufsige, welche von den vielfüfsigen verschie- 
den sind. 

14. (87ox.) Die Zweifüfsler sind von zweierlei Art, erd- 
bewohnende und andere [Vögel]; die erdbewohnenden sind 
[von letzteren] verschieden, denn sie nähren sich von Speise. 

15. (8702.) Die erdbewohnenden sind wiederum zweifach, 
nämlich mittlere und höhere; die mittleren unterscheiden sich, 
sofern man Geburt und Eigenschaften in Betracht zieht. 

16. (8703.) Die mittleren sind wieder zweifach, die Gesetzes- 
kundigen und die übrigen; die Gesetzeskundigen unterscheiden 

23 * 



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356 



III. Mokahadharma. 



sich [von den letzteren], sofern man auf das Tunsollen und 
Nicht -Tunsollen achtet. 

17. (8704.) Die Gesetzeskundigen sind wieder zweifach, die 
Vedakundigen und die übrigen; die Vedakundigen unterschei- 
den sich [von letzteren] , denn sie sind der Träger des Veda. 

18. (8705.) Die Vedakundigen sind wieder zweifach, Leh- 
rende und die übrigen ; die Lehrenden unterscheiden sich [von 
letzteren], sofern man die ganze Pflicht [Lehren und Lernen] 
in Betracht zieht. 

19. (8706.) Denn diejenigen, von welchen die Veden mit 
allen ihren Pflichten, Werken und Früchten erkannt werden, 
von diesen, als den Lehrenden, strömen die ganzen Veden 
mitsamt den Pflichten aus. 

20. (8707.) Die Vedalehrer sind wieder zweifach, die Atman- 
kenner und die übrigen; die Atmankenner unterscheiden sich 
[von letzteren], sofern man das Dazu-geboren-sein und Xicht- 
dazu-geboren-sein in Betracht zieht. 

21. (8708.) Nur wer die Zweiheit der Satzungen [Wissen 
und Werke] kennt, der ist ein Vedawisser, ein Vedakundiger, 
der ist ein Entsager, von wahrhaftem Ratschlüsse, wahrhaft, 
rein und Herr. 

22. (8709.) Ihn, der in der Erkenntnis des Brahman ge- 
wurzelt ist, erkennen die Götter als einen Brahmanen an, 
ihn, der sowohl in dem Wortbrahman bewandert, als auch 
in dem höhern Brahman zur Klarheit gelangt ist. 

23. (87io.) Denn das Innere und das Äufsere mit allem, 
was das Opfer und die Götter betrifft, sehen die mit dem 
Wissen Begabten, und sie, o Freund, sind Götter, sind wahr- 
haft Zwiegeborene. 

24. (87ii.) In ihnen ist alles dieses Entstandene und die 
ganze Welt der Lebenden beschlossen, ihnen kommt an Hoch- 
herzigkeit des Charakters nichts anderes gleich. 

25. (8712.) Sie sind hinausgelangt über Entstehen und 
Vergehen und über die Werke allerwärts, sind über die vier 
Arten von Wesen, über das Weltall Gottherren und Durch- 
sich - selbst - seiende. 

So lautet im Mokihadhanna die Frag« de§ (,'uka 
( (,'uka • anuprafita). 



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Adhväya 238 (B. 239). 



357 



Adliy&ya 2tt8 (B. 239). 

Vers 8713-8733 (B. 1-21». 
Vyasa sprach: 

1. (8713.) Dieses vorher erwähnte Verhalten wird als das 
eines Brahmanen anbefohlen; nur der die Erkenntnis Besitzende 
kommt, indem er die Werke vollbringt, überall zum Ziele. 

2. (8714.) W enn es dabei sich nicht so verhält, so wird 
der Erfolg des Werks zweifelhaft. Aber nun fragt sich, ob 
dabei das eigentliche Wesen des Werks in der Erkenntnis 
oder vielmehr in dem Werke besteht. 

3. (8715.) Hierauf dürfte die Vedavorschrift antworten : die 
Erkenntnis [ist das Wesentliche], wenn es sich um den Purusha 
handelt; das will ich dir durch Argumentation und Perzeption 
darlegen, das vernimm. 

4. (8716.) Einige Menschen behaupten, dafs bei den Werken 
die Menschen tat die Ursache sei, andere preisen als solche 
das Schicksal und noch andere Leute die Natur. 

o. (8717.) Die menschliche Tat, das Schicksal und das 
zeitliche Hervorgehen von Natur aus, diese drei erscheinen 
als gesondert, während einige behaupten, dafs unter ihnen 
kein Unterschied sei [vgl. oben, Vers 8520—30]. 

H. (8718.) Es kann so sein und nicht so sein oder beides 
nicht sein oder auch keines von beiden nicht sein, so sprechen 
sich über den Gegenstand aus die werktätigen, in der Wahr- 
heit stehenden Unparteiischen [vgl. oben, Vers 8&30-31]. 

7. (8713.) In den Zeitaltern der Tretä und des Dväpara 
wie auch in dem Kali sind die Menschen mit Zweifel behaftet; 
hingegen askesereich, beruhigt und in der Wahrheit stehend 
sind sie im Zeitalter Kritam. 

X. (8720.) In ihm sind alle von gleichen Anschauungen in 
betreff des Rig-, Säma- und Yajurveda beseelt, und Liebe 
und Hafs von sich fernhaltend, ergeben sie sich im Krita- 
zeitalter dem Tapas. 

9. (8721.) Und gebunden an die Satzung des Tapas, be- 
harrend im Tapas und durch dasselbe geschärft, erlangt der 
Mensch durch dasselbe alle Wünsche, die er im Herzen hegt. 



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358 



III. Mokshadharma. 



10. (8722.) Durch das Tapas erlangt er das, wozu geworden 
er Weltschöpfer ist. Und nachdem er dazu geworden ist, 
wird er dadurch zum Herrn über alle Wesen. 

11. (8723.) Dieses in den Vedaworten von den Vedasehern 
dunkel Ausgesprochene und in den Vedän talehren klar Dar- 
gelegte tritt zutage durch die Hingebung an das Werk. 

12. (8724.) Die Kshatriya's opfern durch tapferes Vor- 
dringen, die Vaicya's durch Darbringung von Opferspeise, 
die füdra's durch Dienen, die Z wiegeborenen [also hier gleich 
Brahmanen] durch Murmelung der Gebete. 

13. (8725.) Denn der Z wiegeborene ist in seiner Pflicht 
völlig bestimmt durch das Vedastudium, mag er noch sonst 
etwas treiben oder nicht treiben, der Brahmane gilt dabei 
immer als freundlich gesinnt [vgl. Manu II, 87]. 

U. (8726.) Zu Anfang des Zeitalters Tretä sind Veden, 
Opfer, Rasten und Lebensstadien noch vollständig vorhanden, 
aber gleichzeitig mit der Verkürzung des Lebensalters ge- 
raten sie ins Schwanken im Zeitalter Dväpara. 

15. (8727.) Im Dväpara geraten die Veden in Verfall und 
ebenso im Zeitalter Kali, und vollends zu Ende des Kalizeit- 
alters kommen sie zum Vorschein und nicht zum Vorschein. 

16. (8728.) Dann, von der Ungesetzlichkeit bedrängt, sinken 
die jedem obliegenden Pflichten, und ebenso ist es mit den 
Kräften der Kühe, der Erde, des Wassers und der Kräuter. 

17. (8729.) Dann werden durch die Ungerechtigkeit Veden, 
Vedapflichten und Lebensstadien erstickt, und die unbeweg- 
lichen und beweglichen Wesen, die [bis dahin] ihrer Obliegen- 
heit treu waren, werden umgewandelt. 

18. (8780.) Wie der Regen alle Wesen auf der Erde be- 
netzt und ihre Glieder nach allen Seiten zum Wachstum 
bringt, so der Veda in jedem Weltalter. 

19. (8731.) Was als die anfanglose und endlose Mannig- 
faltigkeit des Kala (der Zeit) vorausbestimmt ist, was die 
Geschöpfe erzeugt und wieder verschlingt, das ist vordem 
von mir mitgeteilt worden. 

20. (8732.) Was nun dieses betrifft, nämlich Entstehen, 
Bestehen, Untergehen und Regiertwerden der Wesen, so be- 
wegen sie sich gemäfs ihrer eigenen Natur, obgleich sie 



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Adhyaya 238 (B. 239). 



359 



vielfach von den Gegensätzen [wie vom Regen] getroffen 
werden. 

21. (8733.) Schöpfung, Zeit, Bestand, Veden, Täter, Pflicht, 
Werk und Frucht, das alles, wonach du mich befragt hast, 
ist dir, o Freund, von mir mitgeteilt worden. 

So lautet im Mokahadharraa die Frage de« (Juka 

(^uka-anupraqna). 

Adhyftya 239 (B. 240). 

Vers 8734- 8767 (B. 1-34). 

Bhishma sprach: 

1. (8734.) Nachdem £uka diese Rede vernommen und die 
Unterweisungen des hohen Rishi beifällig aufgenommen hatte, 
ging er dazu über, die folgende, auf Erlösung, Pflicht und 
Nutzen bezügliche Frage zu stellen. 

^uka sprach: 

2. (8736.) Wer weise, schriftgelehrt, opferfleifsig, verständig 
und ohne Mifsgunst ist, wie kann ein solcher das ihm un- 
bekannte und nicht verkündigte Brahman erlangen? 

3. (8736.) Ob er es durch Askese, Brahmanwandel, völlige 
Entsagung, Weisheit im Sänkhyam oder im Yoga [erlangt], 
das sage mir auf meine Frage. 

4. (8737.) Auch wie und durch welches Mittel die Kon- 
zentration des Manas und der Sinnesorgane von den Menschen 
erlangt wird, das sollst du mir erklären. 

Vyasa sprach : 

5. (8738.) Nicht ohne Wissen und Askese, nicht ohne 
Zügelung der Sinne, nicht ohne völlige Entsagung kann 
einer die Vollkommenheit erlangen. 

6. (8739.) Alle die grofsen Elemente sind von dem durch 
sich selbst Seienden einzeln zustande gebracht worden und 
namentlich auch in die Schar der Lebewesen, in die Ver- 
körperten eingegangen. 



3<iO 



III. Mokshadharma. 



7. (8740.) Aus der Erde slamrat der Leib, aus dem Wasser 
seine Flüssigkeit, aus dem Feuer die Augen, auf dem Winde 
beruhen Aushauch und Einbauen, aus dem Weltraum besteht 
der Raum in den Lebewesen. 

8. (8741.) In dem Gange des Menschen findet Vishnu eine 
Stätte des Geniefsens, in seiner Kraft Indra, in seinen Ein- 
geweiden Agni [als Verdauungsfeuer], in den Ohren geniefsen 
die Weltgegenden das Hören, in der Zunge weilt die Göttin 
der Rede und Beredsamkeit (vak sarasvatij. 

9. (8742.) Die Ohren, die Haut, die Augen, die Zunge und 
die Nase als fünfte heifsen die Sinne der Anschauung und 
sind Pforten, zum Zwecke der Ernährung dienend. 

10. (8743.) Der Ton, die Berührung und die Gestalt, der 
Geschmack und der Geruch als fünfter, diese sind die ein- 
zelnen, den Sinnesorganen jedesmal entsprechenden Sinnes- 
objekte. 

1 1. (8744.) Das Manas schirrt die Sinne an wie der Wagen- 
lenker die folgsamen Rosse und der im Herzen wohnende 
Elementar -Ätman fbhutätmanj schirrt immerfort das Manas an. 

12. (874fi.) Auch ist das Manas Herr über alle jene Sinnes- 
organe beim Anziehen und Nachlassen der Zügel, und ebenso 
der Elementar -Atman über das Manas. 

13. (8746.) Die Sinnesorgane und die Sinnesobjekte, die 
Naturbeschaffenheit (srabhavaj, der Geist feetanäj und das 
Manas, Aushauch und Einhauch, sowie die individuelle Seele 
(jivaj weilen immer in den Körpern der Verkörperten. 

14. (8747.) Das Sattvam hat keinen Stützpunkt und die 
Guna's sind ein blofses Wort, nicht aber Geist (cetanä), denn 
das Tejas [die geistige Energie] läfst aus sich hervorgehen 
das Sattvam, aber nimmermehr die Guna's. [Wie es scheint, 
werden hier die Guna's geleugnet und das Sattvam für ein 
blofses Produkt des Tejas erklärt.] 

- 15. (8748.) In dieser Weise ist der Siebzehnte [der Atman] 
umhüllt von den sechzehn Qualitäten [den vorerwähnten: fünf 
Sinnesorganen, fünf Sinnesobjekten, der NaturbeschafTenheit, 
dem Geiste, dem Manas, dem Aushauch und Einhauch und 
der individuellen Seele, Vers 874c], der verständige Weise er- 
schaut diesen Ätman in sich selbst. 



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AdhyAva 239 |B. 240). 



361 



16. r«74i») Dieser Atraan ist nicht durch das Auge zu 
schauen, noch auch durch alle übrigen Sinnesorgane; nur 
durch das Mauas als Leuchte wird der grofse Atman sichtbar. 

17. (8750.) Jenes ist ohne Ton, Berührung und Gestalt, 
ohne Geschmack und Geruch, unvergänglich. Man schaue 
es in den Körpern, das Körperlose, Organlose. 

18. (8751.) Unoffenbar hat dieses Höchste in allen sterb- 
lichen Körpern Wohnsitz genommen ; wer es schaut, der wird 
nach dem Tode geeignet zur Brahmanwerdung. 

19. (8752.) In dem mit Wissen und edler Geburt begabten 
Brahmanen, in der Kuh, in dem Elefanten, in dem Hunde 
und sogar in dem Hundekocher, in allem erkennt der Weise 
die gleiche Wesenheit. 

20. (875».) Denn in allen Wesen, den beweglichen und 
unbeweglichen, wohnt jener eine grofse Atman, durch welchen 
dieses Weltall ausgespannt ist. 

21. (8754.) Wenn der Elementar-Ätman sich selbst in allen 
Wesen und alle W r esen in sicli selbst sieht, dann geht er in 
das Brahman ein. 

22. (8756.) Soweit die Seele (die Wesenheit) des Veda in 
der Seele ist, soweit ist die Seele in der höchsten Seele; wer 
sich dessen immerfort bewufst ist, der ist geeignet für die 
Unsterblichkeit. 

23. (8756.) Wer zum Selbste aller Wesen geworden und 
daher gegen alle Wesen freundlich ist, dessen Pfad verbirgt 
sich sogar den Göttern, wenn sie die Spur des Spurlosen 
verfolgen. 

24. (8757.J Wie die Spur der Vögel im Luftraum, der 
Fische im Wasser nicht sichtbar ist, so ist es mit der Spur 
derer, die das Wissen besitzen. 

25. (8758.) Die Zeit macht durch sieh selbst in sich hie- 
nieden alle Wesen mürbe, aber denjenigen, in welchem die 
Zeit mürbe gemacht wird, den versteht hienieden niemand. 

26. (875i>.) Dieses kann nicht oben, nicht querdurch, nicht 
unten, nicht so, noch so, noch auch in der Mitte von irgend- 
einem Dinge irgendwoher erfafst werden. 

27. (8760.) Alle Welten sind in ihm enthalten, und aufser 
ihnen ist nichts vorhanden. Wenn es unermüdlich in den 



m. Mokthadharnia. 



Dingen gegenwärtig ist, ist es wie eine Harfe, deren Saiten 
gerührt werden. 

28. (876i.) Nicht kann jemand, wenn er es noch so sehr 
wünscht, bis zum Ende des l rprinzips vordringen ; so fein ist 
es, dafs es nichts feineres gibt und auch nichts gröberes. 

20. (8762). Nach allwärts ist es Hand, Füfse, nach all- 
wärts Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hinhörend, 
die Welt umfassend steht es da [= Cvet. Up. 3,16; vgl. oben, 
S. 87]. 

30. (8763.) Dieses ist feiner als das Feine und gröfser als 
das Grofse, innerlich in allen Wesen beständig weilend, wird 
es nicht gesehen. 

31. (8764.) Es ist das Unvergängliche und das Vergäng- 
liche, das ist die Zwienatur des Atman; als vergänglich ist 
es in allen Wesen, aber als das göttliche, unsterbliche ist es 
unvergänglich. 

32. (8765.) In die Stadt mit neun Toren eingegangen, ist 
er als Wandervogel eingekerkert und doch gebietend als Herr 
alles Seienden, des unbeweglichen und beweglichen. 

33. (8766.) In den dem Wechsel des Schwindens und Ver- 
gehens unterworfenen und durch Häufung [der Elemente] 
wieder neuen Körpern erkennen den Ewigen als Wandervogel 
diejenigen, welche das jenseitige Ufer schauen. 

34. (8767.) Jenes als Wandervogel und als ewig bezeich- 
nete Allerhöchste, Ewige, dieses Ewige als Wissender erlangt 
habend, verläfst man Leben und Neugeburt. 

So lautet im Moksbadbarma die Frage des (,,'aka 

(i,'uka - anupi aiy tui). 



Adhyftya 240 (B. 241). 

Vers 87G8-SS03 (B. 1-.%). 

Vyasa sprach: 

1. (8768.) Auf deine Fragen, o guter Sohn, habe ich, so 
wie es in Wahrheit sich verhält, mitgeteilt, was mit der 
Sänkhyawissenschaft in Zusammenhang steht. 



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Adhyäya 240 (B. 241). 



363 



2. (8769.) Jetzt aber will ich dir die ganze Yogapflicht 
entwickeln, vernimm sie; nämlich die Konzentration von 
Buddhi, Manas und den Sinnesorganen von allerwärts her. 

3. (8770.) Dieses, o Freund, ist die unübertreffliche Er- 
kenntnis des alldurchdringenden Atman; sie kann nur von 
dem Beruhigten, Bezähmten, im innern Atman Bewanderten. 

4. (8771.) des Atman Frohen, Verständigen, reine Werke 
Übenden verstanden werden, sofern er die Hemmnisse des 
Yoga ausrottet, deren die Weisen fünf kennen, 

5. (8772.) nämlich Lust, Zorn, Begierde, Furcht und Schlaf 
als fünftes. Den Zorn überwindet man durch Ruhe, die Lust 
durch Fernhalten der Wünsche, 

6. (8773.) den Schlaf soll der Weise durch Pflege des 
Sattvam ausrotten, durch Festigkeit "soll er Geschlechtslust 
und Efsgier überwachen und Hand und Fufs durch das Auge, 

7. (8774.) Auge und Ohr durch das Manas, Manas und 
Rede durch Tätigkeit. Durch Besonnenheit befreie er sich 
von Furcht, von Hinterlist durch Verkehr mit Verständigen. 

8. (8775.) In dieser Weise möge er fort und fort unermüd- 
lich die Hemmnisse des Y r oga überwinden, möge die Opfer- 
feuer und die Brahmanen hochachten und die Götter ehren. 

9. (8776.) Er meide herrische, beleidigende, das Herz ver- 
letzende Rede. Aus Brahmankraft besteht das Reine, dessen 
Geschmack dieses Weltall an sich hat; 

10. (8777.) aus diesem Wesen entsprungen zeigt sich das 
Unbewegliche und Bewegliche. Meditation, Studium, Schen- 
ken, Wahrhaftigkeit, Schamhaftigkeit, Geradheit, Geduld, 

11. (8778.) Reinheit, Lauterkeit des Wandels und Zügelung 
der Sinne, das sind die Mittel, durch welche er die Brahman- 
kraft fördert und das Böse von sich fernhält. 

12. (8779.) Dann gelingen alle seine Zwecke und seine 
Erkenntnis schreitet fort; er ist gleichmütig gegen alle Wesen, 
sich zufrieden gebend, mag er etwas erreichen oder nicht. 

13. (8780.) Das Böse abschüttelnd, energievoll, mäfsig sich 
nährend, die Sinne bezähmend, Lust und Zorn überwindend, 
möge er der Stätte des Brahman nachspüren. 



III. Mokshadharma. 



14. (8781.) Gesammelt und die Konzentration von Manas 
und Sinnen bewirkend, soll er in der ersten Nachthälfte sowie 
in der zweiten das Manas in sich selbst fesseln fdhärayetj. 

15. (8782.) Wenn bei einem solchen Menschen von den 
fünf [von der Aufsenwelt abgesperrten] Sinnen auch nur eines 
einen Rifs bekommt, dann fliefst seine Erkenntnis weg, wie 
Wasser aus dem untern Ende des Schlauches. 

16. (8783.) Vor allem mufs er das Manas festhalten wie 
der Fische Tötende einen bösen Fisch [der entschlüpfen will], 
und so auch Ohr, Auge, Zunge und Geruch, er, der den Yoga 
kennt. 

17. (8784.» Sodann soll der Selbstbezwinger dieselben im 
Manas einzwängen und zur Ruhe bringen und ebenso das 
Manas von seiner Tätigkeit des Vorstellens und Wünschens 
fernhalten und im Ätman fesseln. 

18. (878B.) Zusammenzwängend die fünf Sinne, soll sie der 
Selbstbezwinger im Manas zur Ruhe bringen, und wenn sie 
zum Stillstand gekommen sind, soll er sie mit dem Manas 
als sechstem in sich einschlief sen. 

19. (K786.) Und wenn sie zusammengedrängt zum Still- 
stand kommen, dann leuchtet das Brahman auf wie eine 
glänzende, rauchlose Flamme, wie die glanzreiche Sonne. 

20. (8787.) Wie das Blitzfeuer im Räume, so erscheint dann 
der Ätman in seinem Selbste, dann ist er allseiend und ver- 
möge der Durchdringung allgegenwärtig. 

21. (8788.) Dann schauen ihn (den Atman) die hochherzigen 
weisen Brahmanen, welche charakterfest und hoch verständig 
sich am Wohlsein aller Wesen freuen. 

22. (878U.) Wenn er in dieser Weise mit geschärftem Ge- 
lübde die vorgeschriebene Zeit einhält, dasitzend allein in der 
Einsamkeit, dann geht er ein in die Gleichhheit mit dem Un- 
vergänglichen. 

23. (87»o.) Dann treten auf Verblendung, ' Verwirrung, 
Schwindel, Gerüche, Töne und Gesichte, Wundererscheinun- 
gen, Geschmäcke und Gefühle, Kaltes und Warmes und Wind- 
artigkeit [schneller Gang, Unsichtbarkeit und Luftwandeln 
nach Nil.]. 



Adhyftya '240 (B. 241). 



3<)5 



24. (8791.) Obgleich ihn dann vermöge des Yoga Anfalle 
von übernatürlicher Rückerinnerung und Besessenheit über- 
kommen, so soll der Wahrheitwisser nicht auf sie achten, . 
sondern nur in den Atman sich vertiefen. 

25. (8792.) Der Muni erwerbe sich Vertrautheit mit dem 
Yoga, indem er sich an die drei Zeiten [Morgenstunde, erste 
und zweite Xachthälfte Nil.] hält; er bringe ihn in Gang auf 
einem Berggipfel, an einer geweihten Stätte oder an der 
Wurzel eines Baumes. 

26. (8793.) Die Schar der Sinnesorgane in dem Verschlufs 
[des Herzens] haltend und das Manas gleichsam einkapselnd, 
soll er sein Denken immerfort auf einen Punkt konzentrieren 
und das Manas nicht vom Yoga abirren lassen. 

27. (8794.) Durch welches Mittel immer er das wankel- 
mütige Manas zu fesseln vermag, das soll er hingegeben zur 
Anwendung bringen und nicht davon abweichen. 

28. (8795.) Leere Berghöhlen, Göttertempel oder leere 
Häuser soll der sich Konzentrierende aufsuchen und bewohnen. 

29. (8796.) Er nehme keinen andern in seine Arme, nicht 
in Worten, Werken oder Gedanken ; gleichgültig, mäfsig sich 
nährend möge er gleichmütig bleiben, ob er etwas erreicht 
oder nicht. 

30. (8797.) Mag einer ihn freundlich begrüfsen, oder ma«; 
er ihn tadeln, er sei gleichgültig gegen beidos und frage 
nichts nach Angenehmem und Unangenehmem. 

31. (8798.) Er freue sich nicht beim Empfangen, und be- 
kümmere sich nicht beim Nicht-Empfangen, gleichmütig gegen 
alle Wesen, dem Winde vergleichbar [an Nicht-Anhänglich- 
keit und Heimatlosigkeit Nil.]. 

32. (8799.) Wer als ein Tüchtiger in dieser Weise selb- 
ständigen Wesens geworden ist, überall das Gleiche sieht 
und sechs Monate hindurch beständig den Yoga übt, den 
gibt das Wortbrahman frei. 

33. (8800.) Obgleich er die Geschöpfe von Leiden gequält 
sieht, so bleibt er, der mit demselben Gleichmut auf Erd- 
klumpen, Steine und Gold hinblickt, auf diesem Wege zur 
Beruhigung gelangend, beruhigt und gerät nicht in Ver- 
wirrung. 



I 



366 HI. Mokshadharma. 

34. (8801.) Mag es auch ein seiner Kaste Entfremdeter, 
mag es auch ein pflichtstrebendes Weib sein, selbst solche 
können auf diesem Wege zum höchsten Ziele gelangen. 

35. (8802.) Das Ungeborene, Alte, Nicht-Alternde, Ewige, 
welches man nur bei völliger Ruhe der Sinne wahr- 
nehmen kann, und welches kleiner als das Kleinste, 
gröfser als das Gröfste ist, dieses Freie erschaut der 
Ätmanhafte durch seinen Atman. 

36. (8803.) Wenn sie diese Rede des hochherzigen 
grofsen Weisen, so wie sie gesprochen wurde, mit dem 
Geiste betrachten und dabei diese Identität mit dem Aller- 
höchsten überdenken, dann gehen die Weisen den über 
die Wesen hinausfuhrenden Weg. 

So lautet im Mokshadharma die Frage dp» (,'nka 

((,'uka - amtprafna). 

Adhyäya 241 (B. 242). 

Vers 8804-8823 (B. 1-20). 
£uka sprach : 

1. (8804.) Wenn es doch im Veda befohlen wird, das Werk 
zu vollbringen und auch von ihm abzustehen ; welches ist die 
Region, zu der man durch das Wissen, welches die, zu der 
man durch das Werk gelangt? 

2. (8805.) Das wünsche ich zu hören, das mögest du, 
o Herr, mir erklären, beides ist ja doch voneinander ver- 
schieden, da es sich sogar widerspricht. 

Bhishma sprach: 

3. (8806.) So angesprochen antwortete seinem Sohne der 
Sohn des Paräpara folgendermafsen : Ich will dir diese beiden 
im Werke und im Wissen bestehenden, vergänglichen und 
unvergänglichen Wege erklären. 

4. (8807.) Die Region, zu der sie durch das W r issen ge- 
langen, und die, zu welcher die Werke fuhren, vernimm mit 
angespanntem Geiste, o Teurer, denn ihr Unterschied ist 
schwer ergründlich. 



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Adhyäya 241 (B. 242). 



3G7 



5. (8808.) Wie wenn einer sagen wollte, es gibt eine 
Satzung, und dabei zugleich, es gibt keine solche, einem der- 
artigen Gegensatz ähnlich ist der von mir aufgestellte. 

6. (8809.) Es gibt also diese beiden Wege, in welchen die 
Veden gegründet sind : die eine Satzung hat die Tätigkeit als 
Merkmal, die andere, in Nicht-Tätigkeit bestehend, wird eben- 
falls mit Recht gelehrt. 

7. (88io.) Durch das Werk wird der Mensch gebunden, 
durch das Wissen hingegen wird er erlöst, darum tun kein 
W r erk die Asketen, die das jenseitige Ufer schauen. 

8. (88ii.) Vermöge des Werkes wird man nach dem Tode 
geboren als ein Körperhafter, Sechzehnteilhafter, durch das 
Wissen wird man geboren als das Ewige, UnofTenbare, Un- 
sterbliche. 

9. (8812.) Manche Menschen, die sich nur geringer Ein- 
sicht erfreuen, rühmen das Werk, darum schätzen sie die 
Fesseln des Leibes und schmeicheln ihnen. 

10. (8813.) Diejenigen aber, welche, zur höchsten Erkennt- 
nis gelangend, das Gesetz durch Erfahrung schauen, die 
rühmen das Werk nicht, wie der aus dem Flusse Trinkende 
nicht den Brunnen. 

11. (88U.) Durch das Werk erlangt man als Frucht Lust 
und Leid, Entstehen und Vergehen; durch das Wissen er- 
langt man jenes, zu welchem gelangt einer keinen Kummer 
mehr empfindet, 

12. (8815.) wohin gelangt einer nicht mehr stirbt, wohin 
gelangt er nicht mehr geboren wird, wo er nicht wieder- 
geboren wird, von wo er nicht mehr zurückkehrt, 

13. (8816.) wo jenes höchste, unofTenbare, unwandelbare, 
beständige, unentfaltete, mühelose, unsterbliche, [von der 
Seele] unabtrennbare Brahman sich befindet, 

14. (8817.) wo sie nicht gequält werden durch die Gegen- 
sätze oder durch geistige Mühsal, wo sie in allen Lagen gleich- 
mütig, freundlich und am Wohlsein aller Wesen sich er- 
freuend sind. 

15. (8818.) Ein anderer ist der mit Wissen behaftete, ein 
anderer der mit Werken behaftete Geist, so, wisse, ist es 



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III. Mokßhadharma. 



noch derselbe Mond, der beim Neumond als schmale Sichel 
am Himmel steht. 

IG. (88iy.) Diese Wahrheit [die Identität der höchsten und 
individuellen Seele], wie sie vom Rishi [nach Nil. Brih. Up. 
1,5,14] verkündigt wurde, wird näher auch durch Folgerung 
erkannt, wenn man den Mond sieht, wie er neu geboren 
gleichsam als ein krummer Faden am Himmelsgewande 
fambarej steht. 

17. (8820.) Der in elffacher Umwandlung [vielleicht als 
Manas und Indriya's] erscheinende, aus der Zusammensetzung 
von Teilen gebildete Atman, welcher der Verkörperte heifst, 
den, o Freund, wisse als den mit Werken und Guna's be- 
hafteten. 

18. (8821.) In diesem hat sich ein Gott niedergelassen, 
wie ein Wassertropfen auf der Lotosblüte; den soll man be- 
greifen als den Kshetrajfia, den ewigen, der durch den Yoga 
errungen wird. 

19. (88-22.) Tamas, Rajas und Sattvam wisse als die Guna- 
Wesenheit des Jiva (der individuellen Seele), den Jiva be- 
greife man als blofsen Guna (Qualität) des Selbstes, den 
Ätman als das Höchste an dem Selbste. 

20. (8823.) Es gilt als Eigenschaft des Jiva, mit Geistig- 
keit verbunden zu sein, dadurch vermag er sich zu bewegen 
und alles zu beleben; ein Höherer als er ist der, welchen die 
Kenner des Kshetrajfia verkündigen, der alle sieben Welten 
geschaffen hat. 

So lautet im Mokibadbarma die Frage des «;uka 
((,'uka-anupra^na). 

Adhyaya 242 (B. 243). 

Vers 8824 -8853 (B. 1-30). 
Vuka sprach : 

1. (8824.) Die mit dem Vergänglichen anhebende Schöpfung 
und die guna-artigen Sinnesorgane, sowie die fernere Schöpfung 
der sie beherrschenden Buddhi rührt nach der Schrift von der 
Prakriti und dem Atman her. . 



Adhyaya 242 B. 243). 



2. (8825.) Weiter aber möchte ich die durch die Zeit be- 
dingte Entwicklung des Seienden in dieser Welt, durch 
welche die seienden Wesen sich fortentwickeln, näher ver- 
folgen. 

3. (8826.) In dem Veda aber wird ausgesprochen, dafs 
man das Werk vollbringen und dafs man davon abstehen soll ; 
wie soll ich das verstehen? Das mögest du mir erklären. 

4. (8827.) Wenn ich die Wahrheit in betreff des Welt- 
treibens erkenne, durch die Belehrung des Meisters geläutert 
bin, Erkenntnis gewonnen und meinen Ätman befreit habe, 
werde ich dann den unvergänglichen Atman schauen? 

Vyasa sprach : 

5. (8828.) Der Lebenswandel, wie er vordem von Gott 
Brahmän selbst vorgeschrieben wurde, ist von den vormaligen, 
vorzüglichen höchsten Weisen befolgt worden. 

6. (8829.) Durch den Brahmanwandel erobern die höchsten 
Weisen die Himmels weiten und weiter suchten sie in sich 
selbst durch den Geist das Heil ihres Selbstes. 

7. (8830.) Im Walde von Wurzeln und Früchten sich 
nährend, einer sehr grofsen Askese sich hingebend, einen 
heiligen Bezirk bewohnend, kein Wesen schädigend, 

8. (8831.) in der Zurückgezogenheit eines Vänaprastha 
ohne Herdfeuer und ohne Mörsergebrauch lebend und zur an- 
gemessenen Zeit den Bettelgang antretend, wird man geeignet 
zum Brahmansein. 

9. (8832.) Ohne zu preisen und ohne zu verehren, Schönes 
und Unschönes hinter dir lassend, wandle einsam im Walde, 
dich nährend, wie es eben kommt. [Vgl. Brih. Up. 3,5 Schlufs.] 

(,'uka sprach: 

10. (8833.) Wie kann diese Vedalehre, da sie der Ansicht 
der Menschen widerspricht, mag der Widerspruch begründet 
oder nicht begründet sein, als Vorschrift gelten? 

11. (8834.) Das wünsche ich zu hören, welches aber sind 
die Beweisgründe für beide Ansichten? Und wie kann die 
Erlösung vonstatten gehen, ohne von den Werken gehindert 
zu werden? 

Decmb», Mahabh&raUm. 24 



370 



III. Moksliiulhaiwa. 



Bhishma sprach: 

12. (8835.) So angeredet, sprach zu seinem Sohne der Sohn 
der Gandhavati (= Satyavati) folgendermafsen, der Weise, 
indem er diese Rede des überaus scharfsinnigen Sohnes ehrte. 

Vyasa sprach: 

13. (8836.) Der Brahmanschüler, der Hausvater, der Wald- 
einsiedler und der Bettler gehen alle vier, sofern sie den 
vorgeschriebenen Wandel einhalten, den höchsten Gang. 

14. (8887.) Wenn auch nur einer allein diese Lebensstadien 
vorschriftsmäfsig betreibt und frei von Liebe und Hafs ist, so 
ist er zu dem Höchsten berufen. 

15. (8838.) Denn diese viersprossige Stufenleiter ist im 
Brahman gegründet, und wer diese Stufenleiter erklimmt, wird 
in der Brahman weit herrlich geehrt. 

16. (8839.) Den vierten Teil des Lebens soll einer ohne 
Murren als Brahmanschüler beim Lehrer oder beim Sohne des 
Lehrers wohnen, indem er über den Inhalt des Gesetzes sich 
belehrt. 

17. (8840.) Als letzter gehe er zu Bette, nachdem er als 
erster im Hause des Lehrers aufgestanden ist, und was von 
einem Schüler oder auch einem Diener zu tun ist, das tue er. 

18. (8841.) Und wenn er das alles vollbracht hat, soll er 
mit der Meldung: „Es ist getan" [bescheiden] zur Seite stehen; 
er sei ein Diener für alle Verrichtungen und geschickt in 
allen Tätigkeiten. 

19. (8842.) In der von der Arbeit übrigbleibenden Zeit 
[Chänd. Up. 8,15] soll er beim Lehrer eifrig strebend studieren, 
er sei wacker und enthalte sich übler Nachrede; wird er ge- 
rufen, so begebe er sich zum Lehrer. 

20. (8843.) Rein, tüchtig und tugendhaft, möge er in der 
Zwischenzeit [von Arbeit und Studium] nur Liebliches reden; 
unverwandt richte er sein Auge auf den Lehrer und bezähme 
seine Sinne. 

21. (8844.) Er soll nicht essen, ehe der Lehrer gegessen 
hat, noch auch trinken, ehe er getrunken hat, auch nicht 
sitzen bleiben, wenn er nicht bleibt und nicht einschlafen, 
bevor er schläft. 



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Adhy&ya 242 (B. 243). 



371 



22. (8845.) Die Handflächen nach oben gerichtet, soll er 
seine [des Lehrers] Füfse sanft berühren , mit der rechten 
Hand soll er dessen rechte, mit der Linken dessen linke 
Hand drücken. 

23. (8846.) Nachdem er den Lehrer begrüfst hat, mag er 
zu ihm sagen: „Lehre mich, o Ehrwürdiger", „ich will jetzt 
dies tun t o Ehrwürdiger* 4 , oder „ich habe dies getan". 

24. (8847.) „0 Brahmane, ich werde tun, was mir der Ehr- 
würdige noch weiter auftragen wird", in dieser Weise soll 
er vorschriftsmäfsig für alles die Erlaubnis einholen und alles 
melden. 

25. (8848.) Das alles soll er tun und, wenn er es getan 
hat, dem Lehrer darüber wieder Bericht erstatten. Aber 
solche Wohlgerüche und Leckerbissen, die dem Brahmacarin 
verboten sind, 

26. (8849.) die mufs er bis zu seiner Heimkehr aufschieben, 
so ist es im Gesetz fest bestimmt. Alle Pflichten, wie sie 
ausführlich für den Brahmacarin verkündigt sind, 

27. (8850.) die soll er alle immer beobachten und dem 
Lehrer nicht von der Seite gehen. In dieser Weise möge 
er dem Lehrer, soweit es in seinen Kräften steht, seine Liebe 
beweisen. 

28. (8851.) Aus seinem Lebensstadium in die folgenden 
übergehend, soll der Schüler in Tätigkeit verharren. Und 
nachdem in vedischen Observanzen und Abstinenzen der vierte 
Teil des Lebens hingegangen ist, 

29. (8852.) soll er dem Lehrer die Dakshina (das Honorar) 
darbringen und heimkehren, wie das Gesetz es vorschreibt. 

30. Mit einer vorschriftsmäfsig gefreiten Gattin verbunden 
und mit Fleifs die Opferfeuer pflegend, (ssris.) soll er dann 
den zweiten Teil des Lebens hindurch ein pflichtgetreuer 
Hausvater sein. 

So lautet im Mokahadharma die Frage de« (,'uka 
(\uka-anupra<;na). 



24* 



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372 



III. Mokshadharma. 



Adhy&ya 243 (B. 244). 

Vers 8854-8883 (B. 1-29). 
Vy&sa sprach: 

1. (88&4.) Den zweiten Teil seines Lebens hindurch soll 
er als Hausvater in seinem Hause wohnen und mit einer vor- 
schriftsmäfsig gefreiten Gattin verbunden, sich treulich der 
Opferfeuer annehmen. 

2. (8«55.) Für den Grihastha werden von den Weisen vier 
Verhaltungsstufen überliefert : Auf der ersten bewahrt er sein 
Korn in Kornkammern, auf der folgenden in einem Topfe, 

3. (8866.) dann folgt der von der Hand in den Mund 
Lebende und endlich der wie die Tauben [von Ährenlesen 
Nil.] sich Nährende. Unter ihnen ist der jedesmal Folgende 
der Höherstehende, da er durch Pflichterfüllung mehr und 
mehr die Pflicht erobert [vgl. Manu IV, 7 — 8]. 

4. (8867.) Die sechs Werke [Opfern für sich und andere, 
Lernen und Lehren, Geben und Empfangen Nil.] betreibt der 
Eine, mit dreien [Opfern, Studieren, Geben Nil.] befafst sich 
der Zweite, mit zweien [Geben und Studieren Nil.] der Dritte, 
der Vierte beschränkt sich auf das Brahmasattvam. [Ver- 
ehrung des heiligen Lautes Om Nil., anders über alle vier 
die Kommentare zu Manu IV, 9.] 

5. (8858.) Hierbei verkündet man als grofse Obliegenheiten 
des Hausvaters, dafs er nicht nur um seiner selbst willen 
Speise kochen und nicht ohne den Zweck [des Opfers] Tiere 
töten läfst. 

6. (8869.) Mag es sich um ein Lebendiges [Ziege usw. 
Nil.] oder Nicht-Lebendiges [Feigenbaum usw. Nü.] handeln, 
so soll er dessen Weihe [zum Zweck des Opferns] mittels 
eines Opferspruches vollziehen; er soll niemals bei Tage 
schlafen, noch auch zu Anfang und Ende der Nacht. [Vgl. 
Manu IV, 55.] 

7. (8860.) Nicht soll er in der Zwischenzeit [der Mahl- 
zeiten] essen und nicht aufser der fruchtbaren Periode die 
Gattin rufen ; nicht soll jemals in seinem Hause ein ßrahmane 
ungespeist oder ungeehrt weilen. 



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Adhy&ya 243 (B. 244). 



373 



x. («sei.) So soll er seine Gäste ehren. Am Götter- und 
Manenopfer sollen ihr Teil haben alle, die in der Wissen- 
schaft und den Gelübden des Veda erfahren, schriftkundig, 
den Veda völlig beherrschend, 

9. (8862.) ihrer Pflicht lebend, bezähmt, opfertätig und 
fleifsig in der Askese sind. Für diese alle ist, um sie zu 
ehren, ein Anteil am Götter- und Manenopfer vorgeschrieben. 

10. (8863.) Auch einem, der [als Scheinasket] mit un- 
geschnittenen Nägeln einhergeht oder sich seiner Gesetzlich- 
keit rühmt, der das Agnihotram vernachlässigt oder gegen 
seinen Lehrer Falschheit übt, 

1 1. (8864.) auch einem solchen ist, wie allen Wesen, ein 
Anteil zu geben. So ist denn auch denen, welche nicht 
kochen können, von dem Hausvater eine Spende zu reichen. 

12. (8865.) Er soll immer die Reste essen, dann speist er 
immer Amritam; denn der Opferrest ist Amritam, ein Ge- 
nufs, der der Opferspeise selbst gleichkommt. 

13. (8866.) Wer ifst, was seine Leute übrig lassen, den 
nennt man einen Restverzehrer ; ein solcher Rest ist, was 
seine Leute übrig lassen, der Opferrest aber ist Amritam. 

14. (8867.) Er begnüge sich mit seiner Gattin, sei enthalt- 
sam, neidlos und beherrsche seine Sinne. Mit Opferpriestern, 
Hauspriestern und Lehrern, mit Oheimen, Gästen und Schutz- 
befohlenen, 

15. (8868.) mit Alten, Kindern und Kranken, mit Ärzten, 
mit Bekannten, Angehörigen und Verwandten, mit Vater und 
Mutter, mit Schwiegertöchtern, mit dem Bruder, dem Sohne, 
der Gattin, 

16. (8869.) mit der Tochter und mit dem Gesinde soll er 
keinen Streit haben. Indem er sich vom Streit mit diesen 
lossagt, sagt er sich von allem Bösen los. 

17. (HS70.) Damit dafs er sich von ihnen besiegen läfst, 
ersiegt er alle Welten, daran ist kein Zweifel, denn der Lehrer 
ist Herr in der Brahmanwelt, der Vater Gebieter in der Pra- 
jäpatiwelt, 

18. (887i.) der Gast in der Indrawelt, die Opferpriester sind 
es in der Götterwelt, die Schwiegertöchter in der Welt der 
Apsaras, die Bekannten in der Welt der Vicve Deväfc, 



374 



III. Mokshadharma. 



19. (887-2.) die Angehörigen und Verwandten in den Welt- 
gegenden, Mutter und Oheim auf der Erde, die Alten, Kinder, 
Kranken und Abgezehrten sind Herrscher im Atherraume; 

20. (8873.) der älteste Bruder ist gleich dem Vater, die 
Gattin und der Sohn sind gleich dem eigenen Leibe zu achten, 
das Gesinde gleich dem eigenen Schatten und die Tochter 
ist ein Gegenstand des höchsten Mitleides. [Vgl. Ait. Br. 7,13.] 

21. (8874.) Darum, wenn er von diesen beleidigt wird, soll 
es immer ohne Beschwerde tragen [Vers 88t>7— 8874 = Manu IV, 
179—185] der die Pflicht des Hausvaters als Höchstes schätzende 
Weise, welcher pflichteifrig und unermüdlich ist. 

22. (8875.) Keiner aber, der die Pflicht hochhält, möge 
aus materiellen Interessen die W erke betreiben. Es gibt drei 
Verhaltungsstufen des Hausvaters [oben, Vers 8855, waren es 
vier], sie fuhren zur höchsten Glückseligkeit. 

23. (8876.) In dieser Weise lehrt man eine Stufenfolge, 
denn eine solche gilt [auch im allgemeinen] von den vier 
Lebensstadien; ihre Obliegenheiten sind [was den Grihastha 
betrifft] die genannten für einen solchen, der eifrig bestrebt 
ist, alle Pflichten zu erfüllen. 

24. (8877.) Durch solche, die ihr Korn in einem Topfe 
bewahren oder von Ährenlesen leben — es sind die wie 
die Tauben sich Nährenden [oben, Vers ssse] — , das Reich, 
in welchem solche Würdige wohnen, kommt zum Gedeihen. 

25. (8878.) Zehn Vorfahren und zehn nachfolgende Ge- 
schlechter reinigt, ja selbst fapij die Urväter, wer diese Ob- 
liegenheiten des Hausvaters unentwegt betreibt. 

26. (8879.) Wer das tut, der erreicht ein ähnliches Ziel, 
wie es die W r elten des Vishnu sind, oder auch ihr Ziel wird 
als das gleiche bezeichnet wie für die, welche ihre Sinne 
überwunden haben. 

27. (8880.) Für solche hochherzige Hausväter ist die Him- 
melswelt bestimmt, ihnen wird die mit Palästen ausgestattete, 
blumenreiche Himmelswelt vom Veda in Aussicht gestellt. 

28. (8881.) Für die treubeständigen Hausväter ist die 
Himmelswelt als Wohnung bestimmt, weil diese Stätte ihnen 
von Gott Brahmän verheifsen wird. (8882.) Wer dieses [Lebens- 
stadium] erlangt hat, wird in Brahmän's Welt verherrlicht. 



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Adhväya >>M (B. 244). 



375 



29. (8883.) Weiterhin kennt man als höchstes Lebens- 
stadium ein drittes für solche, die ihren Leib nicht mehr 
achten; vernimm dieses unvergleichliche Ziel «1er in den 
Wald ziehenden und ihren Körper zum Schrumpfen bringen- 
den Hausväter [das kurze i soll nach Xil. vedisch sein]. 

So lautet im Mokahadbarma die KTage des t.uka 
(fuka - anuprafna). 

Adhyftya 244 (B. 245). 

Vers 8884-8914 (B. 1-31). 
Bhishtna sprach: 

1. (8884.) Das Verhalten des Hausvaters, wie es von den 
Weisen verordnet wurde, ist dir mitgeteilt worden ; was nächst- 
dem gesprochen wurde, das vernimm, o Yudhishthira. 

2. (8885.) Nachdem nun der Hausvater nach und nach 
auch jene höchste dritte Verhaltungsstufe [oben, Vers 88?:»] 
von sich abgetan hat, [folgt das Lebensstadium] der des Ehe- 
gelübdes Müden, im Lebensstadium der Waldeinsiedler Wei- 
lenden, 

3. (8886.) welche, vernimm es o Sohn zu deinem Heile, 
die ganze Welt als ihre Einsiedelei betrachtend, nach vor- 
heriger Überlegung an einem reinen Orte ihre? Wohnung 
nehmen. 

Vyäsa sprach : 

4. (8887.) Wenn nun der Hausvater an sich Runzeln und 
graue Haare bemerkt und die Kinder seiner Kinder sieht, 
dann soll er in den Wald übersiedeln [= Manu Vf, 2]. 

5. (8888.) Den dritten Abschnitt seines Lebens soll er so- 
dann in dem Lebensstadium des Waldeinsiedlers zubringen 
und dabei ebendieselben Opferfeuer pflegen als ein Opferherr, 
der schon dem Himmel angehört. 

6. (8889.) Dafs er dabei sich bezwingt, seine Nahrung ein- 
schränkt, nur die sechste Mahlzeit zu sich nimmt [alle drei 
Tage nur einmal ifst], das ist sein Agnihotram, das sind 
seine Kühe [als Opferlohn], das sind seine Opferhandlungen 
insgesamt. 



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I 



376 III. Mokshadharroa. 

7. (8890.) Reis und Gerste, die nicht durch die Pflugschar 
gewonnen sind, Körner von wildem Reis und Speisereste soll 
er auch in dieser Lage als Opfergaben an den fünf Festen 
[Agnihotra, Neu- und Vollmondsopfer, Viermonatsopfer, Tier- 
opfer und Somaopfer Nil.] darbringen. 

8. (8891.) Auch für das Lebensstadium des Waldeinsied- 
lers werden folgende vier Verhaltungsstufen erwähnt: Einige 
waschen täglich auf [reinigen die Gefafse von allen Resten], 
andere sammeln Vorräte für einen Monat, 

9. (8892.) andere für ein Jahr, andere für zwölf Jahre 
[vgl. Manu VI , 18], sei es um die Gäste zu ehren, sei es um 
den Faden des Opfers fortzuspinnen. 

10. (8893.) In der Regenzeit geben sie sich dem Regen 
preis, im Winter begeben sie sich ins Wasser, im Sommer 
setzen sie sich den fünf Gluten [der Sonne und vier ange- 
zündeten Feuern] aus, und zu jeder Zeit beschränken sie ihre 
Ernährung [vgl. Manu VI, 23]. 

11. (8894.) Sie wälzen sich auf der Erde oder stehen auf 
den Fufsspitzen, verharren im Stehen oder Sitzen und be- 
netzen sich zu den drei Kelterungszeiten [vgl. Manu VI, 22]. 

12. (8895.) Manche benutzen ihre Zähne als Mörser, andere 
zermalmen die Nahrung mit Steinen, einige trinken während 
der hellen Monatshälfte Reismehlbrühe, die nur einmal auf- 
gekocht ist. 

13. (8896.) Andere trinken sie während der dunklen Mo- 
natshälfte oder sie essen, was ihnen gerade vorkommt Bald 
mit Wurzeln, bald mit Früchten, bald mit Blumen pflegen 
sie, ihrem Gelübde treu, 

14. (8897.) ihr Leben nach der Vorschrift zu fristen, indem 
sie den Weg der Vaikhanasa's einschlagen. Diese und mancher- 
lei andere Weihen bestehen für solche Weisen. 

15. (8898.) Als vierte allgemeine Lebensregel gilt sodann 
die in den Upanishad's gelehrte [des Sannyäsin], sie geht 
hervor aus jenen des Vänaprastha und Grihastha als eine 
verschiedene 

16. (8899.) und wurde auch im gegenwärtigen Weltalter 
von Weisen, welche die volle Wahrheit durchschauten, [geübt]. 
Agastya, die sieben Rishfs, Madhucchanda, Aghamarshana, 



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■ 

Adhyjkya 244 (B. 245). 



377 



17. (89oi.) Säökriti, Sudivätandi, Yathäväsa und Akrita- 
crama [oder: Sudivätandi, der wohnte, wie es gerade kam, 
und sich um nichts bekümmerte], Ahovirya, ferner Kävya, 
Tandya und der weise Medhätithi, 

18. (9991.) der mächtige Karnanirväka und der vielgeübte 
<,ünyapala, — sie alle befolgten diese Lebensregel und gingen 
dafür in den Himmel, 

19. (»90«.) sie alle hatten, o Freund, die Lebensregel vor 
Auj^en und so auch ganze umherschweifende Scharen von 
Weisen, welche gewaltige Askese übten und das Gesetz klar 
vor sich sahen. 

20. (8903.) Und auch andere unzählige Brahmanen haben 
sich in den Wald begeben, die Vaikhänasa's, die Välakhilya's, 
die Saikata's und andere. 

21. (89tn.) Diese alle, der Werke überdrüssig, in der Pflicht 
beständig und mit bezähmten Sinnen, wandelten dahin, die 
Lebensregel vor Augen habend, und begaben sich in den Wald. 

22. (8905.) Und jetzt, obwohl sie keine Sterne sind, er- 
glänzen sie unüberwindlich als leuchtende Scharen am Himmel. 
Vom Greisenalter geplagt und von Krankheiten gequält, 

23. (ft9oe.) soll einer in dem vierten noch übrigen Teile 
des Lebens das Stadium des Waldeinsiedlers verlassen, in- 
dem er als Opfer nur darbringt [lies: nirupya], was sich so- 
gleich fertigstellen läfst, und als Opferlohn sein ganzes Ver- 
mögen hingibt. 

24. r«907.) Dem Atman opfernd, am Ätman sich freuend, 
mit dem Atman spielend, auf den Atman vertrauend, soll er 
die Opferfeuer in seinen Atman aufnehmen, sich von allem 
Anhang losmachen 

2f>. 1*908.) und stets nur sogleich fertigstellbare Opfer und 
Spenden darbringen. Wenn seine Darbringung, über das ge- 
wohnliche Opfer der Opfernden sich erhebend, in dem Atman 
vonstatten geht, 

26. (»909 ) dann mag er die drei Opferfeuer sämtlich in 
Innern Atman verehren, um seinen Atman zu erlösen. Für 
die I^ebenshauche soll er, mit einem Opferspruche anhebend, 
fünf bis sechs [Bissen] ohne Murren verzehren. 

27. f«9io.) Kopfhaare, Körperhaare und Nägel abschnei 



uigmzea Dy Vjüü 



378 



III. Mokshadharma. 



dend, soll sodann der im Walde wohnende Muni aus einem 
Stadium in ein anderes heiliges Stadium, von den Werken 
gereinigt, übergehen. 

28. (89U.) Der Z wiegeborene , welcher so umherpilgert, 
indem er allen Wesen Furchtlosigkeit gewährt, dem gehören 
glanzreiche Welten und er erlangt nach dem Tode die Un- 
endlichkeit. 

29. (8912.) Als edler Charakter sich betätigend, von 
Sünden befreit, wünscht er weder hier noch im Jenseits 
Werke zu betreiben; frei von Zorn und Verblendung, 
ohne Freundschaft und ohne Feindschaft, soll der ätman- 
wissende Mensch dasitzen als ein Müfsiger. 

30. (8913.) Wenn Pflichten des Selbstzwanges an ihn 
herantreten, soll er nicht vor ihnen zurückschrecken, 
sondern sich tapfer an die ihm gemäfsen Lehrbücher, 
Leitfäden und [symbolisch umgedeuteten] Opfersprüche 
halten; dann wird sein Weg nach Wunsch sich gestalten 
und in ihm, der den Ätman kennt, die Pflicht für das 
Höchste hält und die Sinne bezähmt hat, kein Zweifel 
bestehen bleiben. 

31. (89U.) Nun sollst du weiter von mir das durch 
übermäfsige treffliche Tugenden beste, die drei anderen 
übertreffende, höhere Aufgabe habende, höchste, als vier- 
tes benannte, oberste Lebensstadium vernehmen, welches 
als das Trefflichste, Unübertrefflichste gerühmt wird. 

So Untet im Mok*hadbanna die FTage de« <,"uka 
((.uka-anupra^na). 

A dliy Aya 245 (B. 346). 

Vers 8915-8950 (B. l-3«j. 
Quka sprach: 

1. (S9i5.) Wie der in dem Lebensstadium des Waldeinsied- 
lers verweilende Ätman anzuschirren sei, wie ist das zu er- 
fahren von einem, der mit aller Macht nach dem Höchsten 
strebt? 



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Ailhyäya 245 (B. 216). 



379 



Vyäsa sprach: 

2. (8916.) Nachdem einer durch die beiden vorherigen 
Lebensstadien bereitet worden ist, — höre mit hingegebenem 
Geiste, was er dann weiter zu tun hat, um das höchste Ziel 
zu erreichen. 

3. (8917.) Nachdem er in den drei gesellschaftlichen Stadien 
sich alsbald von dem Sündenschmutze gereinigt hat, soll er 
auf das höchste Ziel mit unvergleichlicher Pilgerschaft hin- 
pilgern. 

4. (8918.) Dieses mögest du in dieser Weise überdenken 
und darin verharren. Vernimm also: Allein und ohne Ge- 
fährten soll er weiterhin seiner Pflicht obliegen, um die Voll- 
kommenheit zu erreichen. 

5. (8919.) Wer als ein Sehender allein wandelt, der ver- 
läfst nicht und wird nicht verlassen; ohne Feuer und ohne 
Behausung, möge er das Dort' nur um der Nahrung willen 
aufsuchen. 

6. (8920.) Ohne Sorge für den morgenden Tag sei der 
Muni, welcher der Realität ergeben ist, wenig essend, die 
Nahrung beschränkend, nur einmal täglich Speise zu sich 
nehmend. 

7. (89-ii.) Die Almosenschale, die Baumwurzeln [als Aufent- 
halt], das Lumpengewand, das l'nbegleitetsein und die Gleich- 
gültigkeit gegen alle Wesen, an diesen erkennt man einen 
Bhikshu (Bettler = Sannyäsin). 

8. (8922.) Er, in welchem, gleichwie gescheuchte Elefanten 
in einem Brunnenloch [aus dem sie nicht wieder heraus können], 
die Reden einsinken und nicht wieder zu dem, der ihn an- 
spricht, zurückkehren, ein solcher darf im Lebensstadium der 
Erlösung weilen. 

9. (8923.) Nichts Tadelnswertes soll er jemals sehen oder 
hören von irgend jemandem, zumal nicht von Brahmanen, 
und auch nie dergleichen sprechen. 

10. (89*4.) Was einem Brahmanen heilsam ist, das allein 
soll er allezeit reden; wird er getadelt, so verharre er im 
Schweigen und betreibe die Heilung seiner Seele. 

11. (8925.) Durch den allein der ganze W eltraum allezeit 
ausgefüllt wird, und für den hinwiederum die von Menschen 



;>80 III. Mokshadharma. 

erfüllte Welt ein Leeres ist, den wissen die Götter als einen 
Brahmanen. 

12. (8926.) Wer sich bekleidet, womit es auch immer sei, 
sich ernährt, wovon es auch immer sei, und schläft, wo es 
auch immer sei, den wissen die Götter als einen Brahmanen. 

13. (8927.) Der sich vor der Volksmenge wie vor einer 
Schlange scheut, vor dem Wohlbehagen wie vor der Hölle 
und vor den Weibern wie vor einem Kadaver, den wissen 
die Götter als einen Brahmanen. 

14. (8928.) Wer nicht zürnt, wenn er verachtet wird, nicht 
sich freut, wenn er geehrt wird, und allen Wesen Furcht- 
losigkeit gewährt, den wissen die Götter als einen Brahmanen. 

15. (8929.) Er freue sich nicht auf den Tod, er freue sich 
nicht auf das Leben, sondern warte auf seine Zeit, wie der 
Diener auf den Befehl. 

16. (8980.) Unbefleckt sei er in seinem Denken, unbefleckt 
in seinem Reden und von allem Bösen rein; keine Feinde 
hat er, vor wem sollte er sich fürchten! 

17. (8931.) Er, der sich vor keinem Wesen furchtet und 
vor dem sich kein Wesen fürchtet, ist von der Verblendung 
erlöst und keine Angst kann ihn anwehen. 

18. (8932.) Wie in dem Elefantenwege alle von anderen 
angebahnten Wege verschwinden, nachdem der Elefant den 
Weg gebahnt hat, 

19. (8933.) so verschwindet alles andere Gute und Förder- 
liche in der Ahinsä (Nicht -Schädigung). Der lebt ewig als 
Unsterblicher, welcher nicht den Weg der Schädigung betritt 

20. (8984.) Der Nicht- Schädigende, Gleichmütige, Wahr- 
hafte, Feste, seine Sinne Beherrschende und • alle Wesen 
Schützende erlangt das höchste Ziel. 

21. (8935.) Wer in dieser Weise mit Erkenntnis gesättigt, 
furchtlos und wunschlos ist, für den ist der Tod nicht ein 
Zustand, der ihn überkommt, sondern er überkommt den Tod. 

22. (8936.) Wer, von aller Anhänglichkeit frei, als Muni 
dasteht [unwandelbar] wie der Weltraum, einen solchen Selbst- 
losen, Einsamen, Beruhigten wissen die Götter als einen Brah- 
manen. 

23. (8987.) Wessen Leben der Pflicht, wessen Pflicht dem 



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AdhyAya 245 (B. 24t>). 



381 



Hari (Vishnu) und wessen Tage und Nächte der Heiligung 
geweiht sind, den wissen die Götter als einen ßrahmanen. 

24. (8938.) Ihn, der frei von Wünschen, frei von Streben, 
frei von Verehrung und Preisung ist, der von allen Fesseln 
erlöst ist, den wissen die Götter als einen Brahmanen. 

25. (8939.) Alle Wesen freuen sich an der Lust und 
alle schrecken heftig vor dem Schmerz zurück; wer es 
müde geworden ist, ihnen Furcht einzuflößen, der wird, 
des Glaubens voll , keine Werke mehr tun. 

26. (8940.) Denn eine Gabe, durch welche die Furcht- 
losigkeit der Wesen als Dakshinä (Opferlohn) gespendet 
wird, übertrifft alle anderen irdischen Gaben. Wer erst 
die schadenbringende Körperlichkeit aufgibt, der erlangt 
Unendlichkeit und Ungefährdetsein von allen Kreaturen. 

27. (8941.) Er opfert auch nicht mehr in seinen ge- 
öffneten Mund die Opferspeise, wird zum Nabel der Welt, 
zum tragenden Grund der lebenden Wesen und, wenn 
Vaicvänara [das Leichenfeuer] ihn mit Haupt und Glie- 
dern, mit Vollbrachtem und Nicht -Vollbrachtem verzehrt, 
so verzehrt er mit ihm diese ganze Welt. 

28. (8942.) Was in dem eine Spanne grofsen Herzen 
wohnt, darin bringt der dem Atman Opfernde die Lebens- 
hauche dar; sein Feueropfer, dargebracht in dem eigenen 
Atman, ist damit in allen Welträumen mitsamt ihren 
Gottheiten geopfert. 

29. (8943.) Diejenigen, welche das Göttliche, Drei-Ele- 
ment-hafte [vgl. Chänd. Up. 0,3,2], Dreifache, Schön- 
geflügelte [den Jiva], sowie auch die oberste Wesenheit 
der höchsten Seele erkennen, die werden in allen Welten 
verherrlicht und Götter wie Sterbliche preisen ihr Wohl- 
verhalten. 

30. (8944.) Wer aber als das zu Wissende, sowohl die 
Veden als auch ihre sämtlichen Vorschriften, sowie ferner 
deren Erklärung und die Wesenheit der höchsten Seele, 
wer dies alles schon während seiner Verkörperung er- 
kennt, auf den sind sogar die Götter allezeit eifersüchtig. 

31. (8946.) Ihn, der nicht an der Erde hängt und auch 
im Himmel unausmefsbar ist, den goldenen, aus dem Ei 



382 



III. Moksbadbaruia. 



geborenen, in dem Ei weilenden, den schöngeflügelten 
Vogel im Lufträume, wer diesen, durch seine Strahlen 
erleuchtet, schon bei Lebzeiten erkennt, 

32. (8946.) ihn, der das wiederkehrende, nicht alternde, 
umrollende, sechsmalige [Jahreszeiten], zwölfspeichige 
[Monate], wohl gegliederte und zugleich in der Höhle des 
Herzens verborgene Zeitrad ist, in dessen Rachen das 
Universum hineinzieht, 

33. (8947.) wer diesen als die Vollberuhigung und als 
den Leib der Welt weifs, der erlangt schon hienieden 
alle Welten. In ihm erquickt er zugleich alle Götter, 
und sie, indem sie erquickt werden, laben seinen Mund. 

34. (8948.) Aus Glanz bestehend, von jeher bestehend 
und uranfänglich erlangt ein solcher Mensch die ewigen 
furchtlosen Welten, und weil sich die Wesen niemals 
vor ihm fürchten, darum furchtet auch er sich niemals 
vor den Wesen. 

35. (8949.) Er ist nicht zu schelten und schilt auch 
nicht andere; ein solcher Brahmane schaut den höchsten 
Atman ; befreit von Verblendung und fern von aller Sünde, 
braucht er nicht hienieden und nicht im Jenseits nach 
Speise zu gehen [weil er sich in allen Kreaturen weifs 
und ernährt], 

36. (8950.) Frei von Zorn und Verblendung, Erdklumpen 
und Gold für gleich achtend, ohne Aufspeicherung [oder : 
frei von den Hüllen Taitt. Up. 2], Freundschaft und Feind- 
schaft hinter sich lassend, über Tadel und Lob erhaben, 
nicht mehr liebend und hassend und dahinwandelnd wie 
ein Müfsiger, — so lebt der Bhikshu. 

So lautet in» Mokahadharma die Frage des (Juka 



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Adhvnya 24« (B. 247). 



383 



Adhyftya 246 (B. 241). 

Vers 8951-8973 (B. l-23j. 
Vyasa sprach: 

1. (89&i.) Was nun aber die Umwandlungen der Prakriti 
betrifft, so ist der Kshetrajna an ihre Spitze gestellt. Sie 
erkennen ihn nicht, er aber erkennt sie. 

2. («952.> Durch sie vollbringt er das Werk, nämlich 
durch die Indriya's mit Mauas als sechstem, wie ein Wagen- 
lenker durch wohlgebändigte, starke, vortreffliche Rosse. 

3. (sn;>.;.) Höher als Sinne stehen Dinge, höher als Dinge 
Mauas steht, höher als Manas steht Buddhi, höher als sie 
das grofse Selbst [Käth. Up. 3,10]. 

4. (8954.) Höher als dies steht das Avyaktam, höher als 
dies das Unsterbliche, höher als das Unsterbliche steht jiichts 
mehr, es ist Endziel und höchster Gang [vgl. Käth. Up. 3,11]. 

;\ (9i*55.) So weilt es in allen Wesen als Ätman, unsicht- 
bar, versteckt, dem schärfsten Denken nur sichtbar, dem 
feinsten des, der Feines sieht [vgl. Kath. Up. 3,12]. 

6. (8;>56.) Einschmiegend in das innere Selbst voll Weis- 
heit die Sinne mit Manas als sechstem und die Sinnesobjekte, 
ohne sich um allerlei Sorgen zu kümmern [mit C. acintayan, 
vgl. Vers 9012] , 

7. (8957.) und durch die Meditation Beruhigung und durch 
Wissenschaft Beseitigung des Manas erreicht habend, er- 
langt er sodann, keinen Höhern figvaraj über sich wissend 
und beruhigten Geistes, die unsterbliche Stätte. 

8. (8958.) Der [gewöhnliche] Sterbliche hingegen, mit 
seinem Ätman allen Sinnen unterworfen und schwankend«» 
Erinnerung habend, geht durch Verrat an seinem Selbste in 
den Tod. 

\). (8959.) Vielmehr möge man, alle Vorstellungen nieder- 
schlagend, das Cittam (Manas) in dem Sattvam zur Ruhe 
bringen, und nachdem man das Cittam im Sattvam zur Ruhe 
gebracht hat, wird man [unerschütterlich wie] der Berg 
Kälaßjara werden. 



384 



III. Mok^uulhuruia. 



10. (8960.) Durch die Beruhigung seines Cittam läfst der 
Asket Schönes und Unschönes hinter sich, und mit beruhig- 
tem Selbste in seinem Selbst verharrend, gelangt er zu un- 
endlicher Freude. 

11. (8961.) Das Kennzeichen der Beruhigung aber ist so, 
wie wenn man im Schlafe süfs schlummert, oder wie wenn 
eine im Windstillen angezündete Flamme nicht flackert. 

12. (8962.) Wenn er so früh und spät sein Selbst in das 
Selbst versenkt, wird er, mäfsig sich nährend und reinen 
Selbstes, das Selbst in seinem Selbste schauen. 

13. (8963.) Als Geheimlehre aller Veden, frei von Legenden 
und Traditionen, bildet dieser den Atman zum Bewufstsein 
bringende Lehrkanon, mein Sohn, die wahre Unterweisung. 

14. (8964.) Durch Ausquirlung des ganzen Reichtums der 
Gesetzeslehren und Wahrheitslehren, sowie von zehntausend 
Vedaversen ist dieses Amritam als Produkt gewonnen worden. 

15. (8965.) Wie die Butter aus dem Rahm, wie das Feuer 
aus dem Reibholze, so ist das Wissen der Weisen zum Besten 
der Söhne gewonnen worden. 

16. (8966.) Dieser Kanon, o Sohn, ist zu bezeichnen als 
die Belehrung des Snätaka [des Schülers am Ende der Lehr- 
zeit]. Man soll sie keinem mitteilen, welcher noch nicht 
beruhigt, noch nicht bezähmt, noch nicht askesereich, 

17. (8967.) noch nicht vedakundig, nicht ein anhänglicher 
Schüler ist, keinem, der nicht frei von Mifsgunst, der nicht 
geradsinnig ist, der der Unterweisung nicht folgt, 

18. (8968.) keinem, der in den Lehrbüchern der Dialektik 
beschlagen oder hinterlistig ist; vielmehr nur einem Rühm- 
lichen, gut Beleumundeten, Beruhigten, Askesereichen, 

19. (8969.) einem geliebten Sohne und anhänglichen Schüler 
ist diese geheime Satzung zu überliefern, keinem andern, wer 
es auch sei. 

20. (8970.) Und wenn ein Mensch ihm diese mit Edel- 
steinen gefüllte Erde anböte, so soll der der Wesenheit 
Kundige denken: „Dies ist noch mehr wert als das alles!" 
[vgl. Chand. Up. 3,11,4]. 

21. (8971.) Nunmehr aber will ich dir das noch Geheimnis- 
vollere, auf das innere Selbst Bezügliche, Ubermenschliche, 



Adhy&ya 246 (B. 217). 



385 



von den grofsen Weisen Geschaute und in den Vedan ta- 
texten Besungene 

22. (8972.) mitteilen, da du mich danach fragst. 

23. (8973.) Wenn noch etwas weiteres deinen (Jeist 

bewegt oder wenn dir irgendwo ein Zweifel geblieben 

ist, so höre mich weiter; was soll ich dir, der du vor 

mir stehst, o Sohn, noch mehr sagen? 

So lautet im Mokahadharma die Kruge des ruka 

({uia • anupra^na). 



Adhyftya 247 (B. 248). 

Vers 8974-81)1)8 (B. 1-25). 
Tuka sprach : 

1. (8974.1 Sage mir noch einmal ausführlich das auf das 
innere Selbst Bezügliche; was ist das innere Selbst und wie 
ist es, o Heiliger, Bester der Weisen? 

Vyäsa sprach: 

2. (8975.) Was, o Teurer, als das innere Selbst an einem 
Menschen gepriesen wird, das will ich dir entwickeln, davon 
vernimm diese Erklärung. 

3. (S976.) Erde, Wasser, Feuer, Wind und Äther, diese 
grofsen Elemente fmaJiäbhütämJ sind für die Wesen, was die 
Wellen für den Ozean sind. 

4. (8977.) Wie eine Schildkröte ihre Glieder ausstreckt 
und wieder einzieht, so wandeln sich die grofsen Elemente 
um in ihre jüngeren [Produkte]. 

5. (S978.) Somit ist alles dieses Unbewegliche und Be- 
wegliche aus ihnen gebildet; bei seinem Entstehen wie bei 
seinem Vergehen wird es erläutert an diesem [Bilde von der 
Schildkröte]. 

G. (8979.) Fünf grofse Elemente also gibt es. und aus 
ihnen stellte der Wesenschüpfer in allen Wesen, o Freund, 
eine Mannigfaltigkeit her, je nachdem er diesen oder jenen 
Zweck im Auge hatte. 

D«t>«**, MahAbbiratam 25 



386 



III. Mnkshadharraa. 



£uka sprach : 

7. (8980.) Aber wie kann man erkennen, was er zu den 
Körpern beigetragen hat; da sind Sinnesorgane und da sind 
Eigenschaften, wie soll man die herauserkennen? 

Vyäsa sprach: 

8. (8981.) Das will ich dir der Reihe nach entwickeln, 
wie es ist; vernimm du es mit ungeteilter Aufmerksamkeit, 
wie es seiner Wesenheit nach sich verhält. 

9. (8982.) Der Ton, das Gehör und die Hohlräume [im 
Körper], diese drei entspringen aus dem Äther; der Lebens- 
odem, die Bewegungen [der Glieder] und das Gefühl, das 
sind die drei Eigenschaften des Windes. 

10. (8983.) Die Sichtbarkeit, das Auge und die Verdauung, 
in diese drei zerlegt sich das Feuer; der Geschmack, das 
Schmecken und die Flüssigkeit, das sind die drei Eigen- 
schaften des Wassers. 

11. (8984.) Der Duft, das Riechen und die Körperlichkeit, 
das sind die drei Eigenschaften der Erde; insoweit ist der 
Mensch vermöge der Schar der Sinne als aus den fünf Ele- 
menten bestehend erklärt. 

12. (8985.) Aus dem Winde stammt die Berührung, aus 
dem W asser der Geschmack, aus dem Feuer die Sichtbar- 
keit; aus dem Äther entspringt der Ton, der Geruch gilt als 
eine Eigenschaft der Erde. 

13. (898«.) Manas, Buddhi und Svabhäva (Natur), diese 
drei haben ihren eigentümlichen Ursprung; sie schlagen nicht 
[wie jene fünf Elemente] zu Eigenschaften aus, da sie auf 
Höheres als diese Eigenschaften gerichtet sind. 

14. (8987.) Wie gleichsam eine Schildkröte ihre Glieder 
herausstreckt und wieder einzieht, so schafft die Buddhi die 
Schar der Sinnesorgane und zieht sie wieder in sich herein. 

15. (8988.) Was man oberhalb der Fufssohlen und unter- 
halb des Schädels wahrnimmt, in diesem ganzen Gemachte 
herrscht die Buddhi als höchstes Prinzip. 

IG. (8989.) Die Buddhi fuhrt die Eigenschaften an und 
sie fuhrt auch die Sinnesorgane sämtlich mit dem Manas als 



uigmzea Dy v^jC 



Adhy&ya 247 (B. 248). 



3S7 



sechstem an (nentyate); gäbe es keine Buddhi, wie könnten 
die Eigenschaften bestehen! [vgl. Vers 7082 und 10502]. 

17. (899o.) Der Sinne gibt es fünf im Menschen, das Marias 
wird als sechstes gezählt, als siebentes gilt die Buddhi, als 
achtes endlich der Kshetrajfia. 

18. (8991.) Das Auge dient nur zum Sehen, das Manas 
erhebt den Zweifel, die Buddhi entscheidet ihn, der Kshetrajfia 
ist der Zuschauer fsäkshinj. 

19. (8992.) Rajas, Tamas und Sattvam, diese drei haben 
ihren eigentümlichen Ursprung, sie sind in allen Wesen die 
gleichen, als die Guna's soll man sie ansehen. 

20. (8993.) Alles nun, was man in sich selbst wahrnimmt 
als mit der Lust fpritij verwandt, und was gleichsam beruhigt 
und rein ist, das hat man als Sattvam anzusehen. 

21. (8994.) Was aber mit Unlust (samtäpa) verwandt ist, 
sei es körperlich oder geistig, und was das Regsame ist, das 
soll man als das Rajas ansehen. 

22. (8995.) Was aber der Verblendung verwandt und in 
den Dingen undeutlich, unbegreiflich und unerkennbar ist, 
das ist als das Tamas festzuhalten. 

23. (8996.) Freude, Lust, Wonne, Herrschaft, Bewufstsein 
der eigenen Selbständigkeit, mag es begründet sein oder 
nicht, das bildet die Eigenschaften des Sattvam. 

24. (8997.) Eigendünkel, falsche Rede, Begehrlichkeit, Ver- 
blendung, Lässigkeit, das sind die Merkmale des Rajas, mögen 
sie Grund haben oder nicht. 

25. (8998.) Endlich : Verblendung, Unbesonnenheit, Schlaf, 
Trägheit und Unverstand, wie sie auch immer einen an- 
wandeln mögen, sind als Eigenschaften des Tamas anzusehen. 

So lautet im Mokebadbarraa die Kruge dea ^uka 

(\'nka-annpra<;na). 



25* 



388 



III. Mokshadharma. 



Adhyftya 248 (B. 248 bto ). 

Vers 8999-9023 (B. 1-24). 

Vyäsa sprach: 

1. (89J»{*-.) Das Manas schafft aus sich die Existenz [der 
Aufsendinge], die Buddhi stellt [ihre Beschaffenheit] fest, das 
Uerz empfindet das Angenehme und Unangenehme; so ist 
der Antrieb zu den Werken dreifach. 

2. (öooo.) Höher als Sinne stehen Dinge, höher als Dinge 
Manas steht, höher als Manas steht Buddhi, höher als sie 
der Atman steht [vgl. Käth. Up. 3,10]. 

3. (9001.) Die Buddhi ist das Selbst des Menschen, die 
Buddhi ist durch das Selbst in dem Selbste; wenn sie sich 
zur Existenz entfaltet, so wird sie [zunächst] zum Manas. 

4. (9002.) Weiter wird dann die Buddhi wegen der Einzel- 
existenz der Sinnesorgane zerlegt: sofern sie hört, wird sie 
zum Ohr, sofern sie fühlt, wird sie zum Gefühl, 

5. (9003.) sofern sie sieht, wird sie zum Auge, sofern sie 
schmeckt, wird sie zum Geschmackssinn, sofern sie riecht, 
zum Geruchsinn, so zerlegt sich die Buddhi im einzelnen. 

6. (9004.) Diese werden Sinnesorgane genannt, und über 
ihnen thront der unsichtbare [Atman]. Die Buddhi, sofern 
sie im Menschen wohnt, bewegt sich in drei Zuständen fbhdvaj. 

7. (9005.) Manchmal empfindet sie Freude frritij, manch- 
mal Schmerz und manchmal ist sie weder von Lust noch 
von Leid berührt. 

8. (900«;.) Sie, deren Wesen in diesen Zuständen besteht, 
entwickelt sich zu den drei Zuständen, wie der wellenreiche 
Herr der Flüsse, der Ozean, zu den grofsen Fluten. 

9. (9007.) Wenn sie irgend etwas begehrt, dann wird sie 
zum Manas, aber jene [die Sinnesorgane] sind als die be- 
sonderen Sitze in der Buddhi zu betrachten, (aoos.) Die mit 
Intelligenz ausgestatteten Sinnesorgane müssen vollständig 
unterjocht werden, 

10. alle nacheinander, je nachdem die Reihe an eines 
kommt. (9009.) Soweit die Buddhi in der Existenz [der Sinne 
und Aufsendinge] zur Zerlegung kommt, weilt sie im Manas. 



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Adhyftya 248 (B. 248^"). 



389 



11. Alle Verhältnisse, die sich entwickeln, sind in jenen 
drei [Zuständen, d. i. Guna's] beschlossen; (ooio.) sie setzen 
sich zu den entsprechenden Aufsendingen fort, wie die Rad- 
speichen zum Radkranze. 

12. Um zu erleuchten, ist das Manas tätig mittels der 
von der Buddhi regierten Sinne, (itou.) welche je nach ihrer 
Verwendung ausschwärmen oder, wie es sich trifft, müfsig 
bleiben. 

13. Von solcher Natur ist dies alles, wer das weifs, geht 
nicht irre, (yui.\) er klagt nicht und freut sich nicht, da er 
stets frei von Selbstsucht ist. 

14. Aber der Atman kann nicht gesehen werden von 
den ihrer Begierde nachgehenden Sinnen, (9013.) mögen sie 
schuldlos sich betätigen oder zur Übeltat neigen, wenn ihr 
Wesen nicht gebändigt ist. 

lf>. Wenn man aber ihre Zügel durch das Manas straff- 
hält. (!»ow.) dann leuchtet in einem der Ätman auf wie eine 
Gestalt, die von der Lampe erhellt wird. 

Iii. Wie in allen Wesen, wenn das Dunkel verscheucht 
ist. (!*ii5.) alles seine Beleuchtung empfängt, so ist dieses 
aufzufassen. 

17. Wie ein Wasservogel nicht benetzt wird, wenn er 
im Wasser schwimmt, (jm>i6.) so wird der Yogin, dessen Atman 
erlöst ist, nicht von den Sünden befleckt. 

18. So wird einer, dem die Erkenntnis geworden ist 
und der nicht mit Sünde sich in die Sinnendinge verliert, 
<;hu7.) ohne an irgend etwas zu kleben, in keiner Weise befleckt. 

19. Wer das früher begangene Werk abstreift und alle- 
zeit seine Lust nur am Atman hat, (:»oi8.) wer, zum Selbste 
aller Wesen geworden, nicht mehr an der Schar der Guna's 
hängt, 

20. dessen Atman vertieft sich nur in das Sattvam und 
niemals mehr in die [übrigen] Guna's. (ww.) Die Guna's 
kennen nicht den Atman, aber er kennt immerdar die Guna's. 

21. Er ist der Allschauer der Guna's und ist ihr All- 
schöpfer, je nachdem es kommt, (1*020.) darin liegt der Unter- 
schied zwischen den beiden schwer Erkennbaren, dem Sattvam 
und dem Kshetrajna. 



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390 



III. Mokshadharma. 



22. Der eine [Purusha] schafft die Guna's, der andere 
[erlöste] schafft sie nicht. (9021.) Beide [Purusha und die 
Guna's] sind ihrer Natur nach verschieden und doch immer- 
dar miteinander verbunden. 

23. So wie der Fisch vom Wasser verschieden ist und 
doch beide verbunden sind, (»022.) oder wie die Fliege und 
das Feigenblatt miteinander verbunden sind, 

24. oder wie der Halm und das Schilfrohr verschieden 
und doch vereinigt sind, (9023.) in ähnlicher Weise sind jene 
beiden [Purusha und Guna's] verbunden und aufeinander sich 
stützend. 

80 lautet im Mokehadhanna die Frage des (,'uka 

(\,uka-anupra<;na). 



Adhyfiya 249 (B. 249). 

Vers 9024-9037 (B. 1-14). 
Vy&sa sprach: 

1. (9024.) Das Sattvam schafft die Guna's, der Kshetrajßa 
steht über ihnen, über allen sich umwandelnden Guna's als 
müfsiger Herrscher (i^varaj. 

2. (9026.) Alles dies ist an den Svabhäva [die Prakriti) 
gebunden. Wenn er die Guna's aus sich hervorgehen läfst, 
dann läfst er so, wie die Spinne den Faden, die Guna's aus 
sich heraus. 

3. (9026.) Sind diese abgeschüttelt [durch die Erkenntnis], 
so sind sie damit nicht vernichtet, aber es wird keine Tätig- 
keit derselben mehr wahrgenommen, so entscheiden einige 
die Frage, während andere lehren, dafs sie zunichte werden. 

4. (9027.) Beide Möglichkeiten halte man sich vor und 
entscheide nach bestem Wissen; ist dies so vollbracht, so 
bleibt der Mahän als Keim bestehen. [Nach C. : so geht der 
Mahän in den Atman ein.] 

5. (9028.) Denn der Atman ist ohne Entstehen und Ver- 
gang, ihn soll der Mensch erkennen und danach leben, ohne 
Zorn und ohne Freude, allezeit von Selbstsucht frei. 



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Adby&ya 249 (B. 249). 



391 



♦'». (9v«9.) Nachdem man in dieser Weise den von Sorgen 
der Buddhi erfüllten, starken, vergänglichen Knoten des Her- 
zens [gespalten hat, vgl. Mund. Up. 2,2,8] , möge man nach 
Lösung aller Zweifel friedlich und ohne Kummer verharren. 

7. <9u3o.) Wie Menschen sich abmühen, wenn sie unver- 
merkt vom l'fer in einen geschwollenen Strom stürzend unter- 
tauchen, so, wisse, ist diese Welt. 

*. (9031.) Aber nicht so braucht sich der Wissende ab- 
zumühen, sondern er wandelt, die Wahrheit erkennend, auf 
festem Boden, wenn er in dieser Weise den Atman, wenn er 
die lautere Erkenntnis seiner selbst erlangt. 

9. (9038.) Dann erkennt der Mensch das Ganze, das Ent- 
stehen und Vergehen der Kreaturen, überblickt ihre Mannig- 
faltigkeit und gelangt zur höchsten Beruhigung. 

\0. (9033.) Dieses ist die Bestimmung des Daseins, nament- 
lich bei einem Brahmanen : den Atman zu erkennen und die 
Beruhigung zu erlangen, damit ist das Höchste erreicht. 

11. (9034) Wer dieses erkannt hat, der ist rein, kein 
anderes Kennzeichen gibt es des Weisen; dieses erkennend 
haben die Weisen ihr Ziel erreicht und sind erlöst. 

12. (9035.) Grofse Angst besteht nicht mehr für den 
Wissenden, die grofse Angst, welcher der Nicht-Wissende 
vor dem Jenseits hat; ein höheres Ziel gibt es für keinen, 
denn das des Wissenden ist ein ewiges. 

13. (9036.) Der Mensch murrt über diese kranke Welt 
und sie betrachtend jammert er, aber betrachte die Kun- 
digen, die frei von Leid sind, sie, welche beides wissen, 
das Krwirkbare und das Tnerwirkbare. 

14. (W37.) Was er noch tut, geschieht ohne vorher- 
gehende Absicht, und was er vordem getan hat, das stöfst 
er von sich ab, und wenn er hienieden noch handelt, so 
bereitet es ihm beides nicht mehr, weder Lust noch 
l'nlust. 

Mo l«at«t im Mok*b*Ubarma die Krag« «1«« <,uk« 



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392 



III. Mokslijxlharnia. 



Adhvfiva 250 (B. 250). 

Vars 9038-9063 (B. 1-25). 
ruka sprach: 

1. (9038.) Diejenige Pflicht, höher als welche es keine 
andere hienieden gibt, und welche sich vor allen anderen 
Pflichten auszeichnet, die mögest du, o Herr, mir mitteilen. 

Vyäsa sprach: 

2. (9039.) Ich werde dir die alte Pflicht erklären, welche 
von den Weisen festgesetzt wurde, und welche sich vor allen 
anderen Pflichten auszeichnet; vernimm sie mit ungeteilter 
Aufmerksamkeit. 

3. (9040.) Wenn man die wankelmütigen Sinnesorgane, 
welche nach allen Seiten auseinanderflattern möchten, durch 
die Buddhi streng im Zaume hält wie ein Vater seine eigenen 
Söhne, 

4. (9o4i.) so ist eine solche Konzentration des Manas und 
der Sinne die höchste Askese. Dies ist wichtiger als alle 
anderen Pflichten, dieses wird die höchste Pflicht genannt 

5. (9042.) Sie alle mit dem Manas als sechstem mit Weis- 
heit in seine Gewalt bringend, möge er dasitzen, an dem 
Atman sich gleichsam ersättigend und ohne sich um allerlei 
Sorgen zu kümmern. 

<>. (9043.) Wenn sie von ihren Weideplätzen heimgetrieben 
und in ihrer Behausung festgehalten werden, dann wirst du 
durch deinen Ätman den höchsten, ewigen Atman schauen. 

7. (9044.) Den All -Atman, den grofsen Atman, gleichwie 
eine rauchlose Flamme, ihn schauen dann die hochherzigen, 
weisen Brahmanen. 

8. (9045.) Wie ein grofser, weitverzweigter, mit Blumen 
und Früchten beladener Baum von sich selbst nicht weife, 
wo seine Blüten, wo seine Früchte sind, 

9. (9046.) so weifs auch der Ätman nicht, wohin er geht 
und woher er kommt. Denn in ihm ist ein anderer innerer 
Atman, der [frei von individueller Erkenntnis] alles überschaut. 



i 

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Adhyaya 250 (B. 250). 



3<)3 



10. (9047.) Dann schaut man mit der durch die Erkenntnis 
entzündeten Fackel durch seinen Atman den Atman, und 
wenn du den Atman durch deinen Atman erkannt hast, so 
werde ätmanlos und allwissend, 

11. (9018.) frei von allem Übel, wie eine von der Haut 
befreite Schlange [vgl. Brih. Up. 4,4,7], die höchste Erkenntnis 
schon hienieden erlangt habend, vom Übel erlöst und frei 
von Krankheit. 

12. (9049.) Den furchtbaren Flufs, welcher mit allen Strömen 
die Welt überflutet, in dem die fünf Sinne als Krokodile 
wohnen, dessen Ufer Manas und Sankalpa (Wunsch) sind, 

13. (9050.) der mit dem Schilfgras der Begierde und Ver- 
blendung überwuchert ist und Lust und Zorn als schleichende 
Tiere birgt, dessen Furt die Wahrheit, dessen Wellenschlag 
die Lüge und dessen Schlamm der Zorn ist, diesen mäch- 
tigen Flufs, 

14. (9or,i.) dessen Ursprung im UnofFenbarcn ist, den 
reifsenden, schwer überschreitbaren von solchen, die un- 
bereiteten Geistes sind, diesen von den I ngeheuern der Lust 
erfüllten Strom sollst du durch die Erkenntnis überschreiten. 

15. (9052.) Ihn, der in den Ozean des Sansara mündet, 
dessen Quellen und unterirdische Höhlungen schwer zu er- 
gründen sind, der mit deiner Geburt, o Freund, anhebt, dessen 
vStrudel die Reden sind, dem nicht gut zu nahen ist, 

16. (90W.) ihn, welchen nur die erkenntnisreichen, cha- 
raktervollen Weisen zu überschreiten vermögen, wenn du 
den, von allem befreit, festen Sinnes, des Atman kundig und 
rein überschritten 

17. (9054.) und die höchste Erkenntnis erreicht hast, dann 
wirst du ein zu Brahman Gewordener sein. Dem ganzen 
Sansara entflohen, beruhigten Geistes und unbefleckt, 

18. (9055.) magst du dann wie von einem Berge aus die 
irdischen Wesen überschauen, ohne Zorn und ohne Freude, 
frei von Übelwollen gegen irgendwen. 

19. (9056.) Dann wirst du Ursprung und Vergang aller 
Wesen überschauen. Das ist die von den Weisen als erhaben 
über alle Wesen erklärte <9057.) Pflicht, von den Wahrheit 
schauenden Muni's, von den vorzüglichsten Erfüllen! der Pflicht. 



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I 



394 HI. Mokshadharuia. 

20. Diese Erkenntnis des alldurchdringenden Atman ist, 
o Sohn, als Regel (9058.) anzubefehlen einem Hingegebenen» 
Freundlichen und Folgsamen. 

21. Dies ist das geheimnisvolle Wissen vom Atman, das 
grofse, allergeheimnisvollste, (9059.) welches ich dir, o Freund, 
vor deinem Atman als unmittelbarem Zeugen mitgeteilt habe. 

22. Nicht weiblich, noch männlich, noch auch sächlich 
ist dieses (9060.) schmerzlose und lustlose Brahman, welches 
seinem Wesen nach das Vergangene, Zukünftige und Gegen- 
wärtige ist. 

23. Wer dieses erkannt hat, sei es Weib oder Mann, 
braucht nicht wiedergeboren zu werden; (9061.) zur Erlangung 
dieses Nicht-Geboren Werdens ist diese Pflicht verordnet. 

24. Wie dies alles zu verstehen ist und wie es seinem 
W r esen nach ist, (9062.) so ist es, o Sohn, von mir erklärt 
worden, das Seiende und das Nicht-Seiende. 

25. (9063.) Wenn einer, o guter Sohn, von einem lieben- 
den, tugendhaften, selbstbeherrschenden Sohne gefragt 
wird, so soll er freudigen Sinnes diesem Sohne dieses 
von mir Gesagte wahrheitsgemäfs mitteilen. 

So lautet im Mok»badhanna die Fra«e de« <;uka 

(\uka-anuprafna). 



Adhyftya 251 (B. 251). 

Vers 90G4-9087 (B. 1-24). 
Vyasa sprach: 

1. (9064.) Man gebe den Gerüchen, den Gcschmäcken, 
gebe der Lust keine Folge und nehme keine Schmuck- 
sachen an von dem oder jenem ; man trachte auch nicht 
nach Ehre, Ruf oder Ruhm; das ist das Verhalten eines 
sehenden Brahmanen. 

2. (90C5.) Man mag alle Veden studieren und keusch sein, 
aber damit, dafs man den Rigveda, Yajurveda und Sämaveda 
kennt, ist man noch kein wahrer Zwiegeborener. 



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Adhy&ya 251 (B. 251). 



395 



3. (9066.) Wer aber sich allen Wesen verwandt fühlt, all- 
wissend und alle Veden kennend und frei von Verlangen ist, 
der stirbt nie und von ihm kann man nicht sagen, dafs er 
kein wahrer Zwiegeborener sei. 

4. (9067.) Auch wenn einer mancherlei Opfer aufzuweisen 
hat und heilige, mit Opfergaben verbundene Werke, so er- 
langt er dadurch noch keineswegs die wahre Brahmanschat't . 
weil er noch nicht in sich gesetzt ist. 

5. (9068.) Aber wenn ebenderselbe nicht mehr fürchtet, 
und wenn man sich vor ihm nicht mehr fürchtet, wenn er 
nicht mehr wünscht und nicht mehr hafst, dann erlangt er 
das Brahman. 

6. (9069.) Wenn er gegen alle Wesen keine böse Ge- 
sinnung betätigt in Werken, Gedanken oder Worten, dann 
geht er in das Brahman ein. 

7. (90<o.) Die Bindung durch die Lust ist die einzige, 
keine andere Bindung gibt es auf der Welt; wer von der 
Bindung durch die Lust frei wird, der ist zur Brahmanwerdung 
tauglich. 

8. (9071.) Von der Lust erlöst gleichwie der Mond von 
Dunst und Wolken, wünscht er ohne Leidenschaft die Zeit 
des Endes herbei und verharrt fest in seiner Beständigkeit. 

9. (907-2.) Derjenige, in welchem alle Lüste verschwinden, 
wie in dem vollen, unerschütterlich gegründeten Ozean 
die Wasser verschwinden, der erlangt die Beruhigung, 
nicht der nach Lüsten Lüsterne. 

10. (9073.) Er wird von den Lüsten geliebt, aber er 
liebt die Lüste nicht: ein solcher Mensch steigt von 
der Lust zum Himmel auf. 

1 1. (9074.) Des Veda geheimer Sinn fupmüshndj ist die 
Wahrheit, der Wahrheit geheimer Sinn ist die Bezähmung, 
der Bezähmung geheimer Sinn ist das Geben, des Gebens 
geheimer Sinn ist die Askese. 

12. (9075.) Der Askese geheimer Sinn ist die Entsagung, 
der Entsagung geheimer Sinn ist das Glück, des Glückes ge- 
heimer Sinn ist der Himmel, des Himmels geheimer Sinn ist 
die Beruhigung. 



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III. Mokshodharnia. 



13. (iH»7f>.) Die Benetzung des Kummers und Wunsches 
ausglühend fsantäpamj mitsamt der Begierde, trachtest du 
durch Zufriedenheit nach dem wahren Wesen, welches Be- 
ruhigung mit sich Dringt und das Höchste ist. 

14. («J077.) [Diese Zufriedenheit besitzend,] frei von Kummer 
und Selbstsucht, beruhigt, gesetzten Geistes und ohne Eifer- 
sucht, wer diese sechs Merkmale an sich trägt, der wird als 
ein Vollendeter zurückkehren. 

15. (s*078.) Diejenigen, welche bei ihrem Hinscheiden ver- 
möge der [genannten] sechs, mit der Eigenschaft des Sattvara 
ausgestatteten, geistigen [Tugenden] erkannt haben, dafs der 
Atman [nur] hienieden mit den drei [Guna's] behaftet ist, die 
verstehen jene Eigenschaft [die Beruhigung]. 

1(>. (»07».) Wer zu dem ungekünstelten, unbestechlichen, 
ursprünglichen, ungeschminkten, edlen, innern Selbste ge- 
langt ist, der erlangt unvergängliches Glück. 

17. o»o8o.) Wenn man das Manas vom Umherschweifen 
abhält und es von allen Seiten her zum Stillstand bringt, so" 
erlangt man dadurch eine Befriedigung seiner selbst, welche 
auf keine andere Weise zu erreichen ist. 

18. (»o8i.) Durch ihn wird man satt, ohne zu essen, durch 
ihn wird man satt, ohne reich zu sein, durch ihn gewinnt 
man Stärke ohne Fettleibigkeit, wer ihn kennt, der kennt 
den Veda. 

19. (9082.) Denn der gelehrte Brahmane, welcher die ver- 
borgenen Pforten seines Atman sorgsam verschliefst, der wird 
ein am Atman sich Freuender genannt. [Vgl. Chänd. Up. 
7,25,2.] 

20. (»osa.) Ihn, welcher konzentriert in der höchsten 
Wesenheit nach Vernichtung der Begierden dasteht, über- 
kommt von allen Seiten her Glück, [anwachsend] wie die 
Gestalt des Mondes. 

21. (»o84.) Bei dem Weisen, welcher die Wesen ohne 
Unterschied und die Guna's hinter sich läfst, wird durch 
sein Glück das Leiden verscheucht wie durch die Sonne die 
Finsternis. 

22. (9085.) Ihm, der die Werke überwunden, der die über- 
wundenen Guna's vernichtet hat, dem Brahmanen, der nicht 



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Adhyäya 251 (B. 251). 



397 



mehr mit den Sinnendingen verflochten ist, können Alter und 
Tod nichts mehr anhaben. 

23. (9086.) Wenn er dann nach allen Seiten frei, gleich- 
mütig und fest dasteht, dann ist er, schon im Leibe weilend, 
über die Sinnesorgane und Sinnendinge hinausgelangt. 

24. (9(>87.) Für ihn, der nach Ergreifung der höchsten Ur- 
sache aufgehört hat, ein Produkt zu sein, gibt es keine 
Wiederkehr mehr, nachdem er zur höchsten Stätte gelangt ist. 

So lautet im MokBbadharma die Frage des ruka 
((,'uka - aHupra^na). 

Adhyftya 252 (B. *>.V>). 

Vers 9088-9100 (B. 1-12). 
Yytaa sprach: 

1. (9088.) Wer, nach der Erlösung forschend, sich mit den 
Gegensätzen, mit dem Guten und Nützlichen beschäftigt, der 
soll als Schüler von einem tüchtigen Lehrer zunächst unter- 
richtet werden in folgender grofser Sache. 

2. (9<>89.) Äther, W ind, Feuer, Wasser und als fünftes die 
Erde nebst Entstehen und Vergehen und der Zeit sind in 
allen fünf Elementen [vermöge des Paficikaranam vgl. Wdän- 
tasara § 124] enthalten. 

3. (9<>9o.) Der Äther ist im Innern des Körpers, der aus 
ihm gebildete Sinn ist das Gehör; als seine Qualität erkennt 
den Ton an, wer mit den Lehren der über den Körper han- 
delnden Jahrbücher vertraut ist. 

4. (9091.) Das Hinstreichen ist das Wesen des Windes, 
aus ihm sind Aushauch und Einhauch gebildet, als seinen 
Sinn wisse man das Gefühl und als auf ihm berulu-nd die 
Berührung. 

5. (9092.) Hitze, Kochung, Erhellung, Licht und Gesichts- 
sinn als fünftes [machen das Element des Feuers aus]; als 
seine Qualität wisse man die Gestalt, welche ihrem Wesen 
nach rot, weifs und schwarz ist. 

6. (9093.) Benetzung, Verschiebbarkeit und Anhaftung, 
diese werden dem Wasser zugeschrieben; Blut, Mark und 



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398 III. Mokshadharma. 

was sonst noch klebrig ist, wisse man als zu seiner Natur 
gehörig. 

7. (9094.) Das Schmecken, die Zunge als Organ und der 
Geschmack gelten als Qualität des Wassers. Festigkeit ist 
dem erdigen Element eigen, Knochen, Zähne und Nägel, 

8. (9095.) Bart, Körper- und Haupthaare, Adern, Sehnen 
und Haut. Das Sinnesorgan heifst Geruchsinn und wird auch 
Nase genannt; 

9. (9096.) der Geruch ist das diesem Sinne entsprechende 
Objekt, und man mufs begreifen, dafs er aus der Erde be- 
steht. Alle höheren Wesen besitzen auch höhere Eigen- 
schaften. 

10. (9097.) Die Weisen kennen die Verbreitung der fünf 
elementaren Komplexe [bestehend aus dem Element, seinem 
Organ und dessen Objekt]. Das Manas gehört zu den ge- 
nannten [fünf Elemente, Entstehen, Vergehen und Zeit, oben, 
Vers 9089] als neuntes, die Buddhi wird als zehntes gezählt. 

11. (9098.) Der elfte ist der unendliche Atman, er wird 
als der Allseiende und Höchste bezeichnet. Die Buddhi hat 
als Wesen das Entscheiden, das Manas das Zerlegen. (9099.) Aus 
der Tätigkeit zu erschliefsen ist der Jiva (die individuelle 
Seele), welcher von der Körperlichkeit seinen Namen hat. 

12. Wer auf dieses mit den genannten, die Zeit als Wesen 
habenden Zuständen behaftete Ganze selbst (9100.) unbefleckt 
hinblickt, der verfällt nicht in das mit Verblendung ver- 
knüpfte Werk. 

So lautet im Mukshadbarma die Frage det Quka 

(fuka - amtprafita). 

Adhyftya 253 (B. 253). 

Vers 9101-9115 (B. 1-15). 
Vyasa sprach: 

1. (9ioi.) Die vom Leibe losgelöste, in feiner Gestalt fort- 
bestehende, verkörperte Seele schauen mittels ihres im Kanon 
vorgeschriebenen Tuns die Kenner des [Yoga-] Kanons. 



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Adhy&ya 253 (B. *2ö3). 



399 



2. (9102.) Wie die Strahlen miteinander ausströmen 
und überall sich verbreitend gesehen werden, so durch- 
streifen die von den Körpern losgelösten übermensch- 
lichen Wesenheiten die Welträume. 

3. (9io:i.) So wie der Glanz der Sonne als Abbild im 
W asser gesehen wird, so schaut er [der des Yoga kundig 
ist] das Sattvam als Abbild in den von diesem Sattvam Be- 
seelten. 

4. (9104.) Und nachdem diese feinen Wesenheiten (Sattva) 
vom Leibe sich losgelöst haben, schauen die Wahrheits- 
kundigen, Sinnebezähmten mittels ihres eigenen Sattvam diese 
[Sattvas]. 

5. (9io5.) Was immer von allen gedacht werden mag im 
Schlafe oder auch [mit C. caiva] im Wachen, oder wenn 
sie, von der Verbindung mit der Materie losgelöst, die aus 
den Werken entspringende Leidenschaftlichkeit hinter sich 
lassen, — 

t». (9io6.) allezeit bei Tage wie bei Nacht, bei Nacht wie 
bei Tage steht ihr Sattva selbst unter der Herrschaft der 
Yoga übenden Yogin's. 

7. (9io7.) Ihr Elementatman (bhutätmäj ist immer und alle- 
zeit unaufhörlich behaftet mit sieben feinen Qualitäten [an- 
geblich Mahän, Ahankära und die fünf Tanmütra s nach Nil. J, 
er, der regsame, nicht alternde, nicht sterbende. 

8. (9108.) Dem Manas und der Buddhi unterworfen, den 
eigenen Leib und fremde Leiber kennend, wird die individuelle 
Seele auch im Traume zum Erkenner von Lust und Leid. 

9. (9109.) In ihm empfindet sie bald Schmerz, bald Lust, 
und wenn sie sich dem Zorn und der Begierde hingibt, gerät 
sie ins Unglück. 

10. (9110.) Oder auch sie glaubt sich beglückt, wenn sie 
grofse Zwecke erreicht, sie vollbringt in ihm [dem Traume) 
gute Werke und ist sehend wie im wirklichen Leben. 

11. (9iii.) Ja selbst in die Hitze gelangt und zum Embryo 
geworden und zehn Monate lang in der Bauchhöhle verweilend, 
wird sie doch nicht wie die Nahrung verdaut. 

12. (9i is.) Diesen Bhütatman, welcher als ein Teil der 
höchsten Kraft [der Allseele] im Herzen wohnt, können die 



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400 III. Mokshadharma. 

von Tamas und Kajas beherrschten Menschen nicht in den 
Körpern sehen. 

13. (9ii3.) Sie, welche den Yogakanon hochschätzen und 
dadurch von Verlangen nach jenem Ätman erfüllt sind, 
[schauen, nach Nil. überschreiten] jene nicht mitsterbenden, 
nicht grobmateriellen Wesenheiten, welche unzerstörbar wie 
Diamanten sind. 

14. (9ii4.) Als die Einzelwesen geschaffen wurden, um 
die Werke des vierten Lebensstadiums zu üben, da hat Qän- 
dilya im Zustande der Versenkung in dieser Weise den Yoga 
für die Beruhigung erklärt. [Vgl. Chänd. Up. 3,14,1 fttwfa* 
upäsila.] 

15. (9ii5.) Wer die sieben feinen Wesenheiten [vgl. Vers 9107] 
und den sechsgliedrigen [Allwissenheit, Allgenügsamkeit, 
Geistigkeit, Freiheit, ununterbrochenes Schauen und Allmacht 
besitzenden, Nil.] höchsten Gott erkannt hat, der schaut das 
in die Materie unverstrickt bestehende höchste Brahman. 

So lautet im Mokshadhnmia die Frage des (,'uka 

ftuka - anupra<;nu). 

AdhyAya 254 (B. 254). 

Vers 91KJ-9130 (B. 1—14). 
Vyasa sprach: 

1. (9ii6.) Im Herzen wächst der bunte Baum der Begierde, 
aus dem Wust der Verblendung entspringend, Zorn und Hoch- 
mut sind seine mächtigen Äste und von Absichten wird er 
bewässert. 

2. (»117.) Sein tragender Grund ist das Xicht-Wissen. 
seine Bewässerung geschieht durch die Unbesonnenheit, Übel- 
wollen bildet seine Zweige, vormalige Übeltaten sind sein 
Kernholz. 

3. (9ii8.) Verblendung und Sorge sind seine Ranken, der 
Kummer bildet sein Astwerk, die Furcht seine Spröfslinge; 
er ist umwuchert von verwirrenden Durstgelüsten als Schling- 
pflanzen. 



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Adhy&ya 254 (B. 254). 



401 



4. (9ii9.) Diesen grofsen Baum verehren die sehr Begehr- 
lichen, nach seinen Früchten Verlangenden, von Aufregungen 
wie von Stricken gebunden, um seiner Früchte willen ihn 
umschlingend. 

5. (9120.) Wer dieser Stricke Meister wird und den Baum 
ausreifst, der gelangt ans Ende beider Leiden [der Lust und 
des Schmerzes] und wird von beiden befreit. 

6. (9i2i.) Weil der Unverständige allezeit den Baum ge- 
deihen macht fsamrohati l), darum tötet dieser ihn, wie das 
Giftgeschwür den Kranken. 

7. (9122.) Aber dieses weiterwurzelnden Baumes Wurzel 
wird mit Macht losgetrennt mittels der Gleichmütigkeit als 
vorzüglichem Messer von dem, der durch die Beruhigung des 
Yoga bereitet ist. 

8. (9123.) Wer in dieser Weise es versteht, alle Begierde 
zu vernichten, der gelangt über die Knechtschaft unter dem 
Gesetz der Begierde und über die Leiden hinaus. 

9. (9124.) Den Körper betrachtet man als die Stadt, als 
Herrscherin in ihr gilt die Buddhi, und das Manas ist es, 
welches die Zwecke der auf das Wesen gerichteten Buddhi 
besorgt. 

10. (9125.) Die Sinnesorgane sind die dem Manas unter- 
stellten Bürger und ihren Zwecken zu dienen ist seine Haupt- 
aufgabe. In der Stadt herrschen zwei furchtbare Seuchen, 
sie heifsen Tamas und Rajas. (9126.) Von jenen Zwecken leben 
die Bürger mitsamt den Stadtherren. 

11. Unberechtigterweise leben von jenen Zwecken auch 
die beiden Seuchen. (9127.) Hierbei sinkt die schwer zu über- 
wältigende Buddhi auf die gleiche Stufe wie das Manas 
herab. 

12. Die Bürger aber zittern vor dem Manas, und so 
wird auch ihre Stellung eine unsichere (9128.) und die Zwecke, 
welche die Buddhi verfolgt, sinken zur Zwecklosigkeit herab. 

13. Wenn nun die Buddhi einen gesonderten Zweck 
verfolgt, so leidet das Manas darunter, (9129.) denn von der 
Buddhi abgesondert bleibt das Manas isoliert. 

14. Dann bemächtigt sich des von jenem entblöfst ge- 
lassenen Menschen das Rajas, (9iso.) ja, das Manas schliefst 

Dti'MKw. Mababhuratam. 20 



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402 



III. Moksliadhanua. 



sogar mit dem Rajas Freundschaft und verbündet sich ihm, 
nimmt den in der Stadt wohnenden Bürger gefangen und 
liefert ihn dem Rajas aus. 

So lautet im Mokaliadharma dir Frage dos (Jnka 
(<,ula-anupra<na). 

Adhyftya 255 (B. 255). 

Vers 9131-9143 (B. 1-13). 
tthishma sprach: 

1. (9131.) Vernimm, o Sohn, weiter die Aufzählung der 
Elemente, wie sie, o Untadeliger, in höchst rühmlicher Weise 
dem Munde des Dvaipäyana (Vyäsa) entströmte. 

2. (9132.) Einem flammenden Feuer ähnlich sprach der 
Heilige zu ihm, der an Aussehen dem Rauche glich, und 
nunmehr will ich dir, o Sohn, wieder die Erklärung mit- 
teilen. 

3. (9133.) Der Erde kommen zu: Unerschütterlichkeit, 
Schwere, Festigkeit, Produktivität, Geruch, [nochmals) 
Schwere, Kraft, Kompaktheit, Fähigkeit zu stützen und Aus- 
dauer. 

4. (9134.) Dem Wasser kommen zu: Kälte, Geschmack. 
Nässe, Flüssigkeit, Anhaftung und Geschmeidigkeit, Ge- 
schmacksorgan, Tropfbarkeit und Garmachung fester Stoffe. 

5. (9135.) Dem Feuer sind eigen: Schwerbezwinglichkeit, 
Licht, Hitze, Kochung, Helle, Glut, leichte Erregbarkeit, Hef- 
tigkeit und beständiges Nach-oben-flammen. 

b\ (9136.) Dem Winde kommen zu: unbestimmtes Gefühl 
[nicht warm noch kalt Nil.], Tragen der Rede, Freiheit, Stärke. 
Geschwindigkeit, Bewirken der Entleerung, Fälligkeit zu be- 
wegen und Sich-erheben. 

7. (9137.) Die Qualität des Äthers ist der Ton, Alldurch- 
dringung, Widerstandslosigkeit, ohne Träger und Stütze zu 
sein, Un wahrnehmbarkeit, Unwandelbarkeit, 

8. (9138.) sowie Durchlässigkeit. Die Elemente selbst 
und ihre Umwandlungen werden als fünfzig Qualitäten ge- 



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Adhyäya 255 (B. 255). 



403 



rechnet welche sich aus dem Wesen der fünf Elemente ent- 
wickeln. 

it. (9139.) Festigkeit und Überlegen, Verdeutlichung, Aus- 
breitung, Vorstellung und Nachgiebigkeit, Güte und Nicht- 
Güte, sowie Schnelligkeit, das sind die neun Qualitäten des 
Manas. 

10. (9H0.) Vergessen machen des Erwünschten und Un- 
erwünschten, Entscheidung, Vertiefung, Zweifel und Zustim- 
mung, diese gelten als die fünf Qualitäten der Buddhi. 

Yudhishthira sprach : 

11. (sin.) Wie kann die Buddhi fünf Qualitäten und wie 
können diese Qualitäten die fünf Sinne zu ihrer Verfügung 
haben ? Diese ganze subtile Wissenschaft erkläre mir, o Grofs- 
vater ! 

Bliishraa sprach : 

12. (9H2.) Man lehrt, dafs es sechzig Qualitäten der 
Buddhi gibt, welche von den Elementen verschiedene und 
immer von ihnen getrennte Entfaltungen der Elemente 
sind; von dem Unvergänglichen (dksharaj sind sie er- 
schaffen worden; das übrige, o Sohn, hienieden nennt 
man das Nichtbeständige. 

13. (9143.) Das alles ist mit Sorgen erfüllt. Ich habe 
es dir jetzt mitgeteilt, obwohl es nicht auf heiliger Über- 
lieferung beruht fanägatanij. Nachdem du aber die ganze 
Bedeutung der Elemente erfahren hast, mögest du von 
der Herrschaft der Elemente her zur Beruhigung deiner 
Buddhi gelangen. 

$o lautet im Mokühailharma die Kruge des Tuk:i 
(£uka-ani4prat;na). 



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404 



III. Mokshariharma. 



Adhyäya «57* (B. 256). 

Vers 9144-9164 (B. 1-21). 

Yudhishthira sprach : 

1. (91M.) Siehe diese Erdeherren, welche auf dem Boden 
daliegen, die Grofsmächtigen , welche im Kampfgewühl das 
Bewufstsein verloren haben. 

2. (9i4ö.) Obgleich sie Mann für Mann von furchtbarer 
Kraft und auch noch durch die Kraft ihrer Elefanten ver- 
stärkt waren, sind sie doch im Kampfe niedergemacht worden 
von Männern, welche ebenso grofse Energie und Stärke hatten. 

3. (9146.) Ich sehe ihn nicht, der ihr eigentlicher Töter 
im Kampfe war. Mit Tapferkeit waren sie begabt, mit Energie 
und Stärke ausgerüstet, 

4. (9147.) und nun liegen die sehr weisen Helden leblos 
da und auf sie, wie sie leblos daliegen, findet der Ausdruck 
Anwendung, dafs sie tot seien. 

5. (9148.) Denn tot sind sie, diese Fürsten, die doch sonst 
eine furchtbare Tapferkeit besafsen, und mich erfafst dabei 
ein Zweifel, woher die Bezeichnung komme, dafs sie tot seien. 

6. (9149.) Was am Menschen unterliegt dem Tode, woher 
kommt der Tod und wie kommt es, dafs der Tod hienieden 
die Menschen wegrafft, o du Gottähnlicher? Erkläre mir 
das, o Grofsvater! 

Bhlshma sprach: 

7. (9150.) Einstmals im Weltalter Kritam, o Freund, gab 
es einen König mit Namen Akampana (C. Anukampaka), der 
geriet in die Gewalt seiner Feinde, nachdem im Kampfe sein 
Wagen zerstört worden war. 

8. (9151.) Dieser hatte einen Sohn mit Namen Hari, der 
dem Näräyana (Vishnu) auch an Kraft ähnlich war; dieser 
wurde mitsamt seinem Heere und seinem Gefolge im Kampfe 
von den Feinden getötet. 

9. (9152.) Da geschah es, dafs jener von den Feinden ge- 



• Durch einen Fehler in der Zählung ist 256 in C übersprungen 
(Tgl. oben, S. 318). 



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Adhyaya 257 (B. 256). 



405 



f&ngene und vom Kummer über seinen Sohn erfüllte König, 
nach Beruhigung verlangend, zufällig den Närada vor sich 
auf dem Boden stehen sah. 

10. (9153.) Ihm erzählte der König alles, wie es sich be- 
geben hatte, wie er im Kampfe von den Feinden gefangen 
genommen und wie sein Sohn getötet worden war. 

11. (»ibi.) Als der askesereiche Närada seine Rede an- 
gehört hatte, da erzählte er ihm, um den Kummer über den 
Sohn zu verscheuchen, folgende Geschichte. 

Narada sprach: 

12. ii»i55.) 0 König, vernimm nun folgende ausfuhrliche 
«»eschichte, wie sie sich begeben hat und von mir gehört 
worden ist, o Herr der Erde. 

13. i9iis.) Als der mächtige Urvater bei der Schöpfung 
der Kreaturen die Geschöpfe geschaffen hatte, da wollte er 
es nicht dulden, dafs die Geschöpfe übermäfsig wuchsen und 
«ich mehrten. 

14. Öls;.) Denn durch die Geschöpfe wurde nirgendwo 
ein freier Zwischenraum gelassen, o Unerschütterlicher, und 
alle drei Welten waren so vollgepfropft, o König, dafs man 
heinahe nicht atmen konnte. 

1T>. i»i5s.) Da richtete sich seine Absicht darauf, sie 
wieder zu vernichten, o König, und indem er darüber nach- 
dachte, fand er kein geeignetes Mittel , diese Vernichtung zu 
bewirken. 

)<>. <9i59.) Da brach infolge seines Zornes aus seinen 
KörperöfThungen Feuer hervor, o GrofskÖnig ; damit ver- 
brannte der Urvater alle Weltgegenden. 

17. (9i0u Da wurde der Himmel, die Erde, der Zwischen- 
raum, sowie die Welt der Lebenden mitsamt Beweglichem 
und Unbeweglichem von dem Feuer verbrannt, welches aus 
d*m Zorn des Heiligen entsprungen war. 

1*. i9i«i.> Da wurden alle Wesen, die gehenden und 
»teilenden, verbrannt durch den grofsen Ansturm des Zornes, 
welchen der Urvater hegte. 

V.K im**.) Da geschah es, dafs [der bei seinen asketischen 
l'bungen] baumstammähnliche, die Opferlocke tragende Herr 



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40f> 



III. Mokshadhanua. 



der Vedaopfer, Gott (?\\&, den Gott Brahmän um Hilfe an- 
ging, er, der Töter der feindlichen Helden. 

20. (öiea.; Als dieser Baumstammähnliche aus Wohlwollen 
für die Kreaturen sich genaht hatte, da sprach der höchste 
Gott gleichsam lodernd zu (^iva: 

21. (i»it>4.) Welche Gunst soll ich dir heute erweisen? 
Du bist von mir einer Gnadengabe für würdig erachtet, denn 
ich will den Wunsch erfüllen, welchen du, o Heilbringer, im 
Herzen hegst. 

So lautet im Mokthadbarma die Unterredung zwiichen Mritjro und Prajap&ti 

(Mrifju ■ Praj&pati-uonedda). 



Adhydya 258 (B. 257). 

Vers <U6f>-9186 (B. 1-22). 

Der Baumstammahnliche sprach : 

1 (9165.) Um die Schöpfung der Geschöpfe handelt es 
sich bei meinem Anliegen, das wisse, o Herr; sie sind doch 
von dir geschaffen worden, so zürne ihnen denn auch nicht, 
o Urvater. 

2. (9166.) Durch das Feuer deiner Energie, o Gott, werden 
die Geschöpfe allenthalben verbrannt: ihr Anblick erweckte 
mein Mitleid, so zürne denn auch du ihnen nicht, o Herr 
der Welt. 

Prajapati (der Herr der Welt) sprach: 

3. (9167.) Ich zürne nicht und mein Verlangen ist nicht 
darauf gerichtet, dafs die Geschöpfe nicht bestehen sollen, 
aber um die Last der Erde zu erleichtern, ist ihre Vernichtung 
erwünscht. 

4. (9168.) Denn diese Erdgöttin hat mich, da sie durch 
ihre Last gequält wurde, dazu angetrieben, die Geschöpfe zu 
vernichten, o Mahädeva, denn schon beginnt sie, wegen ihrer 
Last im Wasser zu versinken. 

5. (9169.) Als ich mit meinem Verstände trotz vielfachen 
Überlegens nicht herausbringen konnte, wie sie, nachdem 



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Adhyaya 258 (B. 257). 



407 



sie so gewachsen sind, vernichtet werden können, da über- 
kam mich der Zorn. 

Der Baumstain mahn liehe sprach: 
ti. (9170.) Wegen ihrer Vernichtung beruhige dich und 
zürne nicht, o Herr der Götter, damit [dein Zürnen] nicht 
die Geschöpfe und mit ihnen alles Bewegliche und Unbeweg- 
liche vernichte (mä vyamna^at !J, 

7. (9i7i.) nebst allen Gewässern und allen Gräsern und 
Sträuchern, dem Beweglichen und dem Unbeweglichen und 
der vierfachen Schar der Wesen. 

8. (9172.) Darum, bevor alles dies zu Asche geworden 
und die ganze Welt der Lebenden zugrunde gegangen ist, 
sei gnädig, du Heiliger, du Guter, das ist die Gunst, die ich 
mir erbitte. 

9. (9173.) Werden erst diese Geschöpfe vernichtet worden 
sein, so können sie in keiner Weise wieder hervorkommen, 
darum möge dieses ungeschehen bleiben vermöge der dir 
eigenen Machtvollkommenheit. 

10. (9174.) Ersinne ein anderes Mittel aus Wohlwollen 
gegen die Wesen, so dafs alle diese Geschöpfe nicht zu ver- 
brennen brauchen, o Urvater, 

11. (9175.) damit die Geschöpfe nicht zugleich mit Aus- 
rottung ihrer Nachkommenschaft der Vernichtung anheim- 
fallen. Ich bin ja von dir, o Herr der Götter, mit der gött- 
lichen Fürsorge betraut worden. 

12. (9176.) Aus dir ist ja, o Weltenherr, alles dieses Be- 
wegliche und Unbewegliche entsprungen; indem ich dich 
besänftige, o grofser Gott, erbitte ich von dir, dafs die Ge- 
schöpfe wiederkehren können. 

Narada sprach: 

13. (9177.) Als der Gott dieses Wort des Baumstamm- 
gleichen gehört hatte, zügelte er Rede und Gedanken und 
zog jene Glut wieder in sein inneres Selbst zurück. 

14. (9178.) Nachdem nun der von den Welten verehrte 
Heilige das Feuer in sich zurückgezogen hatte, ordnete er, 
der Herr, das Entstehen und Vergehen der Wesen. 



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I 



408 Iii. Mokshadharma. 

15. (9i7i*.) Indem er nun jenes durch seinen Zorn ent- 
standene Feuer in sich zurückzog, kam aus allen Körper- 
Öffnungen des Hochsinnigen ein "Weib hervor, 

16. (9i8o.) bekleidet mit schwarz und rotem Gewände, 
mit schwarzen Augen und schwarzen inneren Handflächen, 
mit göttlichen Ohrringen ausgestattet und mit himmlischem 
Schmuck geziert. 

17. (9181.) Nachdem diese aus seinen Körperöffnungen 
hervorgegangen war, wandte sie sich der südlichen Himmels- 
gegend zu, und beide göttlichen Beherrscher des Weltalls 
schauten das Mädchen. 

18. (9182.) Da rief sie der göttliche Schöpfer und Herr 
der Welt heran, o Fürst, und sprach zu ihr : 0 Mrityu (Tod), 
töte diese Geschöpfe! 

19. (9183.) Denn du bist durch mein Denken an die Ver- 
nichtung und durch mein Zürnen erdacht worden, darum ver- 
nichte du alle Geschöpfe, die unbeseelten und die beseelten. 

20. (9184.) Alle Geschöpfe ohne Unterschied raffe hin, du 
Holde, denn durch Erfüllung dieses meines Auftrags wirst 
du das höchste Glück erlangen. 

21. (9185.) So angesprochen, sann die lotosbekränzte Göttin 
Mrityu dem nach, die Jungfrau, von Schmerz erfüllt und unter 
einem Strom von Tränen. 

22. (9186.) Ihre Tränen hemmte sie mit beiden Händen, 
o Völkerfürst, und sprach aus Wohlwollen für die Menschen 
weiterhin eine Bitte aus. 

So Uutet im Mokthndbnnna die Unterredung zwischen Mrityu und Prajipati 

(Mrityu - Projdpati - tamvdda). 

Adliyaya 259 (B. 258). 

Vera 9187-9228 (B. 1-42). 
Närada sprach: 

1. (9187.) Indem die langaugige Jungfrau ihren Schmerz 
durch sich selbst zügelte, sprach sie mit zusammengelegten 
Händen und vorgeneigtem Körper zu jenem: 



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Adhyäya 259 (B. 258) 



409 



• 2. o 18ä.) Wie kann ein von dir, o Bester der Redenden, 
geschaffenes Weib wie ich zu einem so grausamen Werke 
geboren worden sein, durch welches sie allem Lebenden Furcht 
einfiofst? 

3. (9188.) Ich furchte mich vor dem Unrecht, weise mir 
ein gerechtes Werk an. Nimm Rücksicht auf mein Fürchten, 
siehe mich mit gnädigem Blicke an. 

4. (.9190.) Ich will nicht Kinder, Greise und in der Voll- 
kraft Stehende, will nicht unschuldige Lebende hinwegraffen, 
o Herr der Lebenden, Verehrung sei dir, sei mir gnädig! 

.">. (9i9i.) Nicht wegraffen will ich liebe Söhne, blühende 
Brüder, Mütter und Väter. Sie werden mich verwünschen, 
wenn sie so gestorben sind, ich fürchte mich vor ihnen. 

«. (9i9*.) Ihre Benetzung durch Tränen des Jammers wird 
mich ewige Jahre durch brennen; ich fürchte mich gewaltig 
vor ihnen, zu dir nehme ich meine Zuflucht. 

7. (9193.) Nur Übeltäter, o Gott, werden hinabgestürzt in 
die Behausung des Yama. Ich bitte dich um Gnade, o Gaben- 
verleiher, erweise mir deine Gunst, o Herr. 

8. (9194.) Das ist der Wunsch, den ich von dir erbitte, 
o Urvater der Welt, ich will gern, um dich zu begütigen, 
Askese üben, o grofser Gott. 

' Der l'rvater sprach : 

i». 1*195.) Ö Mrityu, du bist von mir geschaffen worden, 
um die Geschöpfe wegzuraffen. Gehe hin und raffe alle Ge- 
schöpfe weg, besinne dich nicht. 

iu. (9i»6.) Es mufs notwendig so geschehen und kann 
nicht anders sein; führe mein Wort aus, o Sehöngliedrige, 
»ie ich es gesprochen habe, o Untadelige. 

11. m»197.) Nachdem, o Grofsarmiger , die Mrityu diese 
Antwort vernommen hatte, o Eroberer feindlicher Burgen, 
gab sie keine Antwort, sondern stand gebeugt und zu dem 
Heiligen emporblickend da. 

VJ. m9A.) Wieder und wieder wurde die Glanzvolle auf- 
gefordert, einer Geistesabwesenden gleichend. Da schwieg 
der Gott, welcher Herr ist über die Götterherren. 

13. w.o Und er, der Gott Brahmän, besänftigte sieh 



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410 



III. Mokshailhanna 



durch sich selbst und lächelnd blickte er, der Herr der Welten, 
auf alle Welten herab. 

14. (920<).) Als der Zorn des Heiligen, Unüberwindlichen 
verraucht war, da ging die Jungfrau weg von ihm, so ist es 
uns überliefert. 

15. (9Soi.) Und weggehend, ohne der Vernichtung der 
Geschöpfe zugestimmt zu haben, gelangte eilig, o Fürst der 
Könige, die Mrityu nach Dhenukam [einem heiligen Bade- 
platz Nil.]. 

Mi. (9202.) Dort übte die Göttin gewaltige, schwer zu voll- 
bringende Askese, denn sie stand fünfzehn tausend Millionen 
Jahre auf einem Fufse. 

17. (9203.) Zu ihr, welche dort in dieser Weise gewaltige, 
schwer zu vollbringende Askese übte, sprach wiederum der 
grofsmächtige Gott Brahmän das folgende Wort: 

18. (9204.) Führe meinen Befehl aus, o Mrityu! — Sie 
aber beachtete das Wort nicht und stand flugs noch einmal 
weitere sieben 

Hl. (9205.) und sechs und fünf und zwei Tausende von 
Millionen Jahren auf einem Fufse, o Ehrenspender, und lebte 
dann noch weitere zehntausend mal tausend Millionen mit 
den Tieren des Waldes zusammen, o Freund. 

20. (9206.) Und nachdem sie sodann, o Bester der Männer, 
noch zwei Myriaden Jahre nur vom W r ind sich genährt hatte, 
o Hochweiser, so beobachtete sie dann weiter das tiefste 
Schweigen, 

21. (9207.) während sie siebentausend und tausend Jahre 
im Wasser stand, o Erdeherr. Dann ging die Jungfrau zum 
Flusse Kauciki, o Bester der Fürsten. 

22. (92o8.) Dort lebte sie, von Wind und Wasser sich 
nährend, noch weiter in Selbstbezähmung. Darauf ging die 
Vortreffliche nur noch zur Gangä und zum Berge Meru. 

23. (9209.) Dann stand sie aus Wohlwollen für die Ge- 
schöpfe unbeweglich wie ein Stück Holz auf dem Gipfel des 
Himalaya, wo die Götter gemeinschaftlich geopfert haben, 

24. (92to.) auf einer Fufszehe, o Fürst der Könige, noch- 
mals wieder hunderttausend Millionen Jahre. So stand sie 
da und erfreute durch ihre Bemühung den Urvater. 



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Adliyäya 2.">9 (B. 25* ). 



411 



25. (92ii.) Da sprach zu ihr er, der Ursprung und Ver- 
gang der Welt ist: Was soll das heifsen, o Tochter, erfülle 
doch den Befehl, den ich dir gegeben liabe. 

26. (i»2i2.) Da sprach die Mrityu zu dem heiligen Urvater: 
Ich mag die Geschöpfe nicht wegraffen, ich bitte dich noch- 
mals um Gnade. 

27. (9213.) Zu ihr, welche sich fürchtete, Unrecht zu tun, 
und ihn nochmals anflehte, sprach wiederum der Gott der 
Götter, ihr Einhalt gebietend, dieses Wort: 

28. (9214.) Du begehst damit kein Unrecht, o Mrityu, 
bringe diese Kreaturen in deine Gewalt, o Schöne, denn was 
ich einmal gesagt habe, o Holde, das darf nimmermehr un- 
wahr werden. 

29. (9215.) Als ewige Verpflichtung wird es dir hier auf- 
erlegt ; ich und die Götter werden uns jmmer an deinem Wohl- 
sein erfreuen. 

30. (y2i6 ) Ich erfülle diesen und jeden andern Wunsch, 
den du im Herzen hegst; die Geschöpfe sollen nicht durch 
deine Schuld, sondern von Krankheit befallen zu dir kommen. 

31. (9217.) Für die Männer sollst du ihrer Natur ent- 
sprechend ein Mann sein, bei Frauen sollst du die Gestalt 
einer Frau annehmen und bei den übrigen wirst du säch- 
lichen Geschlechts sein. 

32. (9218.) Nachdem sie so angeredet war, o grofser König, 
da sprach sie mit zusammengelegten Händen abermals zu dem 
hochherzigen, ewigen Herrn der Götter: Es kann nicht sein. 

33. (9219.) Da sprach der Gott zu ihr: 0 Mrityu, raffe 
die Menschen weg. Es soll dir nicht als Unrecht angerechnet 
werden, so werde ich es auffassen, o Schöne. 

34. (9220.) Die Tränentropfen, die ich dir ehedem her- 
vorbrechen sah und die du mit deinen Händen zurück- 
hieltest, die sollen als furchtbare Krankheiten den Men- 
schen, wenn ihr Ende herannaht, ein Ende bereiten. 

35. (»221.) Hei allen lebenden Wesen, wenn es mit 
ihnen zu Ende geht, sollst du Begierde und Zorn im 
Verein gegen sie entfesseln. So wirst du unermefslicher 
Gerechtigkeit teilhaftig sein und bei solchem Verfahren 
kein Unrecht verüben. 



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412 



III. Mokshadharma. 



36. (9222.) In dieser Weise wirst du die Gerechtigkeit 
wahren und wirst dich nicht in Ungerechtigkeit stürzen. 
Darum heifse die Begierde willkommen, wenn sie sich 
dir naht, verhinde dich mit Dir und raffe die Ge- 
schöpfe weg. 

37. (»223.) Da sprach die Mrityu Genannte, welche sich 
vor dem Befehl wegen des darauf lastenden Fluches ge- 
fürchtet hatte, zu ihm : Nun wohl, ! — Daher kommt 
es, dafs sie das Lehen der Lebendigen, nachdem sie die- 
selben mittels Begierde und Zorn verblendet hat, ver- 
nichtet. 

38. (9224.) Tränenströme der Mrityu sind sie, diese 
Krankheiten, durch welche der Leib der Sterblichen ge- 
brochen wird; darum sollst du beim Lebensende aller 
Lebenden keinem Rummer Raum geben, mit Überlegung 
es überlegend. 

39. (9225.) Alle Seelen der lebenden Wesen gehen weg 
am Ende des Lebens, kehren wieder und verschwinden 
aufs neue [Nil. denkt an Schlaf und Wachen, wohl mit 
Unrecht]; so müssen auch alle Menschen so gut wie 
die Götter [als Schutzgottheiten der Organe] am Ende 
des Lebens weggehen und wiederkehren, o Löwe unter 
den Königen. 

40. (9226.) Furchtbar mit furchtbarem Sausen und ge- 
waltiger Kraft fährt Väyu [der Windgott] dahin, und 
er, als der Lebenshauch in allen lebenden Wesen, führt 
sie bei der Trennung der Seelen von ihrem Leibe auf 
verschiedenen Wegen, darum gilt Väyu als Gott über 
den Göttern [den Schutzgottheiten der Organe]. 

41. (9227.) Alle Götter tragen das Merkmal der Sterb- 
lichkeit an sich, alle Sterblichen tragen das Merkmal 
der Göttlichkeit an sich, darum, o Löwe unter den Königen, 
beklage deinen Sohn nicht, dein Sohn ist zum Himmel 
gelangt und freut sich dort. 

42. (9228.) So ist es denn wahr, dafs die Mrityu, von 
den Göttern geschaffen, wenn die Zeit der Lebenden ge- 
kommen ist, sie dahinrafft, wie es sich gebührt; die 



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Adhyäya 259 (B. 258). 413 

Krankheiten, jene von ihr vergossenen Tränen, raffen 
die Wesen hienieden dahin, wenn ihre Zeit gekommen ist. 

So lautet im Mokahadharma die Unterredung zwischen Mrityu und Prajapati 

(ilrityu • frajipati - uminUaj. 

Adhyäya 260 (B. 259). 

Vera 9229-9256 (B. 1-27). 

Yudhishthira sprach : 

1. (»2^9.) Alle die Menschen sind in betreff der Pflicht 
in Ungewifsheit; was ist die Pflicht, woher stammt die Pflicht? 
Das, o Grofsvater, sage mir. 

2. (9230.) Ist die Pflicht nur für das Diesseits Zweck oder 
auch für das Jenseits, oder ist sie Zweck für beide? Das, 
o Grofsvater, sage mir. 

Bhlshma sprach: 

3. (923i.) Gute Sitte, Rechtsüberlieferung und Vedaglaube 
ist das dreifache Kennzeichen der Pflicht; als viertes Kenn- 
zeichen der Pflicht gilt bei den Weisen der gewollte Zweck. 

4. (9232.) Auch haben sie die von ihnen verkündigten 
Pflichten eingeteilt in höhere und niedere. Damit die Welt 
hienieden ihren richtigen Gang gehe, ist die Auferlegung der 
Pflicht erfolgt. 

5. (9233.) Aber das Resultat der Pflicht ist beide Male 
Glück, sowohl hienieden als auch im Jenseits, während der- 
jenige, welcher die genaue und richtige Pflicht sich nicht 
zu eigen macht, als Übeltäter mit Übel behaftet sein wird. 

6. (9234.) Und auch wenn sie ins Unglück geraten, werden 
die Übeltäter dadurch nicht von ihrem Übel frei. Wer aber 
nichts Übles redet, der steht dem gleich, welcher die Pflicht 
erfüllt. (9235.) Der tragende Grund der Pflicht ist ein guter 
Wandel, dessen dich befleifsigend wirst du erkennen, was 
Pflicht ist. 

7. Von Ungerechtigkeit erfüllt, bemächtigt sich der Räuber 
des Gutes; (9236.) und indem der Dieb fremdes Gut raubt, freut 
er sich einer bestehenden Anarchie. 



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414 III- Mokshadbariua. 

s. Wenn aber andere ihn berauben wollen, dann ver- 
langt er nach einem Könige (t»i»37.) und beneidet diejenigen, 
welche sich ruhig ihres Besitzes erfreuen. 

1». Wer hingegen rein ist, der naht sich [jederzeit] ohne 
Furcht und Bedenken der Pforte des Königs, (9238.) denn er 
ist sich in seinem Herzen keiner Übeltat bewufst. 

10. Die Rede der W r ahrheit ist gut, es gibt nichts Höheres 
als die Wahrheit. (9239.) Durch die Wahrheit wird alles aus- 
einandergehalten, auf die Wahrheit ist alles gegründet. 

11. Auch schreckliche Bösewichter halten unter beson- 
deren Umständen zur W'ahrheit (9240.) und, auf sie sich stützend, 
bewahren sie [unter sich] Treue und Eintracht. 

12. Würden sie in ihre Vereinigung Zwiespalt tragen, 
so müfsten sie ohne Zweifel zugrunde gehen. (9241.) Aber 
es ist ein ewiges Gesetz, dafs man fremdes Gut nicht 
rauben darf. 

13. Die Starken freilich halten es für ein Gesetz, welches 
von den Schwachen aufgestellt sei. (9242.) Wenn aber auch 
sie durch das Verhängnis in Schwäche geraten, dann leuchtet 
auch ihnen das Gesetz ein. 

14. Denn sie bleiben nicht ewig stark und glücklich. 
(9243.) darum sollst du deinen Sinn niemals auf Ungeradheit 
richten. 

15. Ein solcher braucht sich nicht vor dem Bösen zu 
furchten, nicht vor Dieben und nicht vor dem König: 
(9244.) keinem irgend etwas tuend, wird er ohne Furcht und 
rein leben. 

1(>. Der Dieb furchtet sich nach allen Seiten hin, wie 
eine Gazelle, die in ein Dorf geraten ist, (9246.) das vielfach 
von ihm verübte Böse erwartet er auch von den anderen. 

17. Der Reine hingegen geht fröhlich dahin, allezeit ohn<* 
Furcht irgendwoher, (9246.) denn er hat nichts Böses getan, 
dessen er sich auch bei anderen zu versehen hätte. 

18. Man soll freigebig sein, diese Forderung ist auf- 
gestellt worden von solchen, die sich am W r ohlsein der Ge- 
schöpfe freuten, (9247.) aber die Reichen glauben, dafs dieses 
Gesetz von den Bedürftigen aufgebracht worden sei. 



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Adhyäya 2<iO (B. lT>0). 



415 



Ii*. Wenn aber auch sie durch das Verhängnis in Dürftig- 
keit geraten, dann leuchtet auch ihnen das Gesetz ein, 
(i>248.) denn sie bleiben nicht ewig reich und glücklich. 

20. Was ein Mensch sich nicht von anderen angetan 
wünscht, (9249.) das füge er auch nicht anderen zu, da er an 
sich selbst erfahren hat, was unangenehm ist. 

21. Wer mit eines andern Weih buhlt, wie kann der 
irgend jemandem Vorwürfe machen, (;»25o.) aber ich denke, 
was er dem andern antut, das würde er sich nicht von ihm 
gefallen lassen. 

22. Wer selbst das Leben liebt, wie mag der einen an- 
dern ermorden ! (9251.) Was er für sich selbst wünscht, dafür 
sorgt; er auch bei den anderen. 

23. An der übermäfsigen Fülle soll man andere, die nichts 
besitzen, teilnehmen lassen; (9252.) wer aus diesen Gründen 
sein Geld anlegt, dem kommt es mit Wucher heim. 

24. Zu der Zeit, wo er des Heistandes der Götter noch 
bedarf, möge er sich so verhalten, (9253.) aber auch zur Zeit, 
wo er erlangt hat, was er wünscht, steht es ihm wohl an, 
in der Pflicht zu verharren. 

25. Alle Pflicht wird erfüllt durch Wohltun, so lehren 
die Weisen, (9»54.) beachte, o Yudhishthira, dieses als den 
Nachweis des Merkmals für Gutes und Böses. 

20. Das Bestehen der Welt zu befördern, ist vordem vom 
Schöpfer verordnet worden (9255.) der vollkommene, durch 
feine Gesetze und Zwecke geregelte Wandel der Guten. 

27. Dieses ist dir als Kennzeichen der Pflicht erklärt 
worden, o Bester der Kuru's, (925c) darum sollst du deinen 
Sinn niemals auf l'ngeradheit richten. 

So lautet im Mukslmdharmu da» Kennzeichen der l'Hicht 

(ilhanua - laksltanam). 



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416 



III. Mokshadharma. 



AdhyAya 261 (B. 260). 

Vers 9257-9276 (B. 1-20). 

Yudhishthira sprach: 

1. (9257.) Subtil und von guten Menschen erwiesen ist 
die im heiligen Schriftwort gelehrte Pflicht. Es fällt mir aber 
dabei etwas ein, was auf Argumentation beruht, das möchte 
ich aussprechen. 

2. (9258.) Die meisten Fragen, die ich auf dem Herzen 
hatte, die hast du mir gelöst; ich mufs aber hier noch etwas 
weiteres vorbringen, nicht aus blofser Lust am Disputieren, 
o König. 

3. (9259.) Diese [Elemente] erhalten unser Leben und 
schaffen es und lassen es entfliehen; was recht ist, das läfst 
sich nicht so summarisch ausmachen. 

4. (9260.) Anders ist die Pflicht für den, dem es gut geht, 
und anders für den, dem es schlecht geht; wie kann man 
alle schlimmen Eventualitäten so summarisch voraussehen. 

5. (9261.) Der Wandel der Guten gilt als Gesetz, wer aber 
gut ist, darüber entscheidet wieder der Wandel; wie kann 
man also wissen, was zu tun und zu lassen ist, da der Wandel 
der Guten kein sicheres Merkmal bietet? 

G. (9262.) Aus dem, was recht ist, wird erkannt, dafs der 
schlechte Mensch Unrecht tut, und aus dem, was Unrecht 
ist, wird erkannt, dafs der edle Mensch recht tut. 

7. (9263.) Ferner: die Autorität des Gesetzes beruht auf 
dem, was die Kenner des Veda aus ihm vorbringen, aber die 
Worte des Veda schwinden im Verlaufe der Weltalter, wie 
die Schrift selbst uns lehrt. 

8. (9264.) Anders sind die Satzungen im Weltalter Kritam 
und anders in dem der Treta und des Dväpara, und wieder 
anders sind die Satzungen im Weltalter Kali, indem sie nur 
nach der jeweiligen Leistungskraft erfüllt werden können. 

9. (9265.) Das Wort der heiligen Uberlieferung ist die 
Wahrheit, das ist die allgemeine Ansicht; und aus der hei- 
ligen Uberlieferung hervorgehend, haben sich die Veden nach 
allen Seiten verbreitet. 



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Adhy&ya 261 (B. 260). 



417 



10. (9266.) Wären sie nun die einzige Autorität für alles, 
so wäre eine unbedingte Autorität auf der Welt vorhanden. 
Aber wenn diese Autorität nun in Widerspruch steht mit 
dem. was nicht unbedingte Autorität ist [z. B. der Smriti], 
wo bleibt dann ihr kanonisches Ansehen? 

11. (9267.) Wenn irgendeine rituelle Pflicht ausgeführt 
wird und dabei mächtige Übelwollende irgend etwas an dem 
Schema modifizieren, so ist damit auch das Ganze nichtig 
geworden. 

12. (9268.) Wir wissen eine Sache oder wir wissen sie 
nicht, es ist möglich sie zu wissen oder es ist nicht mög- 
lich , mag sie feiner als die Schneide eines Schermessers 
oder mag sie massiger als ein Gebirge sein. 

13. (9269.) Aber sie [die Pflicht] hat zuerst das Aussehen 
einer Fata Morgana, und wenn sie von den Weisen näher 
geprüft wird, so verschwindet sie wieder ins Nichts. 

14. (9270.) Wie Trinkgruben für die Kühe oder ein auf 
das Feld geleitetes Bächlein [mit C. kuh/eva], o Bhärata 
[schnell austrocknen], so schwindet, wie die Überlieferung 
lehrt, das ewige Gesetz hin und wird nicht mehr gesehen. 

15. (9271.) Auch kommt es vor, dafs aus Begierde oder 
Verlangen nach Veränderung oder aus anderen Ursachen 
viele andere Menschen, obwohl sie nicht rechtschaffen sind, 
sich ihres lockern Lebenswandels [ungestraft] freuen. 

16. (927*.) Oder ihnen gilt die Pflicht als ein billiges Ge- 
rede bei den Guten oder sie erklären dieselben fiir verrückt 
oder lachen sie auch aus. 

17. (9273.) Und auch hochsinnige Menschen wenden sich 
von der Pflicht ab und erkennen nur noch das Staatsgesetz 
an; es gibt eben keinen Lebenswandel, der fiir alle verbind- 
lich wäre. 

18. (9274.) Durch seinen Lebenswandel kommt der eine 
in die Höhe und bringt dadurch einen andern herunter, und 
dieser, je nachdem es sich trifft, zeigt sich wiederum ähnlich 
[als Unterdrücker anderer]. 

19. (9275.) Derselbe Wandel, durch den der eine in die Höhe 
kommt, bringt dadurch andere herunter; man sieht daran, dafs 
nicht alle Lebensführungen auf dasselbe Ziel hinstreben. 

Dkcmkx, M&babbaratam. 27 



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III. Mnkshndharma. 



20. (9276.) Vor Zeiten wurde ein von langher überkommener 
Wandel für die Pflicht erklärt, und min ist sie durch jenen 
frühern Wandel zu einer ewigen Norm geworden. 

So lautet im Mokibadharm» der Angriff auf die Autorität der Pflicht 

(Hhanua - prdmdnya - dkthepa). 

AflhyAya 262 (B. 261). 

Vers 9277-9328 (B. 1-51). 

Bhlshma sprach: 

1. (9277.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Tulädhära mit dem 
Jäjali über die Pflicht. 

2. (9278.) Ein gewisser Brahmane mit Namen Jäjali, der 
im Walde als Waldbewohner lebte, wandte sich zum Meere 
hin und übte als grofser Asket daselbst Askese, 

3. (9279.) indem er als ein weiser Einsiedler lange Reihen 
von Jahren hindurch sich kasteite, seine Nahrung einschränkte, 
Lumpengewand, Antilopenfell und Haarschopf trug und sich 
mit Schmutz und Schlamm bestrich. 

4. (9280.) Einstmals geschah es, dafs dieser gewaltige 
Brahmanenweise, während er [mit seinem Leibe] im Wasser 
weilte, o Fürst, schnell wie der Gedanke [durch Yogakraft] 
die Welten schauend durcheilte. 

5. (9281.) Da bedachte dieser Muni, während er im Wasser 
weilte und auf die meerumgürtete Erde mit ihren Wäldern 
und Hainen hinblickte: 

6. (9282.) Es gibt doch in dieser ganzen Welt des Be- 
weglichen und Unbeweglichen keinen, der mir gleichkäme, 
der zugleich mit mir im Wasser weilend den Luftraum durch- 
messen könnte. 

7. (9283.) Während er im Wasser und von den Rakshas 
ungesehen so redete, sprachen die Picäca's zu ihm: Es ge- 
ziemt dir nicht also zu reden. 

8. (9284.) Selbst der hochberühmte Tuladhara, seines 
Zeichens ein Kaufmann, der in Benares wohnt, selbst dieser 
darf nicht so sprechen wie du, o Bester der Z wiegeborenen. 



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. . I 



Adhyaya 262 (B. 2»>1). 



419 



9. (9285.) So von den Kobolden angeredet, erwiderte der 
askesereiche Jäjali : Diesen weisen und berühmten Tulädhära 
möchte ich sehen. 

10. (9286.) Als der Rishi so gesprochen hatte, holten ihn 
die Rakshas aus dem Meere und sprachen: Diesen Weg 
schlage ein und gehe ihn, o Bester der Brahmanen. 

1 1 . (9287.) Nachdem Jajali von den Kobolden so angeredet 
worden war, ging er bestürzten Geistes nach Benares zum 
Tulädhära, und ihm nahend, sprach er folgendermafsen. 

Yudhishthira sprach: 

12. (9288.) Was hatte doch der Jäjali vorher für ein 
schwieriges Werk vollbracht, o Freund, wodurch er jene 
höchste Vollkommenheit erlangte, das mögest du mir er- 
klären. 

Bhlshma sprach : 

lft. (9289.) Er hatte sich gar sehr mit furchtbarer Askese 
beschäftigt. Abends und morgens hatte der gewaltige Asket 
seine Freude am Baden und Mundausspülen. 

14. (9290.) Er pflegte pünktlich seine Feuer und schätzte 
als Zwiegeborener das Studium über alles, und indem er so 
die Regel der Waldeinsiedler beobachtete, strahlte er von 
Schönheit. 

15. (929i.) Im Walde beharrte er bei der Askese und 
achtete keine Satzung gering; in der Regenzeit lag er im 
Freien, im Winter steckte er im Wasser. 

1(>. (9292.) Im Sommer ertrug er Wind und Sonnenglut 
und fand immer noch nicht die wahre Pflichterfüllung. Er 
ertrug manche beschwerlichen Lagerungen und wälzte sich 
auf der Erde. 

17. (9293.) Manchmal geschah es, dafs dieser Muni, wäh- 
rend der Regenzeit im Freien verweilend, fort und fort aus 
der Luft das Wasser mit seinem Kopfe aufling. 

18. (9294.) Dabei wurden seine zusammengeflochtenen Haar- 
büschel nafs, o Herr, und von dem fortwährenden Herum- 
streifen im Walde wurde er schmutzig, der so fleckenlosen 
AVesens war. 

27* 



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A'20 



III. Mokshadharnia. 



19. (9295.) Manchmal stand er, der Askesereiche, ohne 
Nahrung nur vom Winde zehrend, da wie ein Stück Holz, 
ohne sich umzusehen und ohne sich irgendwie zu bewegen. 

20. (9296.) Wie er nun so einem Baustamm gleich un- 
beweglich dastand, o Bharata, bauten zwei Kulingavögel auf 
seinem Haupte ihr Nest. 

21. (9297.) Der Brahman weise duldete es aus Mitleid, dafs 
das Ehepärchen sein Nestchen aus Grashalmen und Fäden in 
seinem Haarschopf machte. 

22. (9298.) Da der grofse Asket sich wie ein Baustamm 
nicht rührte, so fafsten die beiden Vögel gern Vertrauen und 
wohnten beglückt auf ihm. 

23. (9299.) Als nun die Regenzeit vorüber war und der 
Herbst sich einstellte, geschah es, dafs nach den Satzungen 
des Schöpfers, von Liebe verfuhrt, vertrauensvoll 

24. (93oo.) das Vogel pärchen Eier auf seinem Haupte legte, 
o König. Sie bemerkte der mächtige, sein Gelübde scharf 
beobachtende Brahma ne. 

25. (93oi.) Und obwohl es der gewaltige Jäjali bemerkte, 
rührte er sich doch nicht, denn er richtete seinen Geist be- 
ständig auf die Pflicht und fand kein Wohlgefallen an dem, 
was der Pflicht zuwider war. 

26. (9302.) Tag für Tag flogen die beiden Vöglein auf 
seinen Kopf zurück und wohnten daselbst vertrauensvoll und 
fröhlich, o Herr. 

27. (9303.) Weiter aber wurden aus den bebrüteten Eiern 
kleine Vögelchen geboren und wuchsen daselbst heran, Jäjali 
aber rührte sich nicht. 

28. (9304.) Und der Gelübdetreue beschützte die Eier der 
Kulingavögel und stand dabei ebenso weiter unbeweglich, 
der Pflichttreue, und in Meditation vertieft. 

29. (9305.) Darauf, im Verlaufe der Zeit, wurden die Jungen 
flügge, und der Muni merkte, dafs die Kulingavöglein ihre 
Federn bekommen hatten. 

30. (93oö.) Und als der Gelübdefeste einstmals diese Vögel 
ansah, da wurde er, der Weiseste der Weisen, von grofser 
Freude erfüllt. 



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Adhyaya 262 (B. 261). 



421 



31. (9307.) Während er sie so heranwachsen und die Freude 
der Gedeihenden sah, wohnten die heiden Vögel mitsamt ihren 
Jungen furchtlos auf ihm. 

32. (9308.) Er beobachtete die Vögel, wie sie, flügge ge- 
worden, ausflogen und allabendlich wieder zurückkehrten, und 
er rührte sich nicht, der weise Jäjali. 

33. (9309.) Und auch nachdem sie von Vater und Mutter 
verlassen worden waren, flogen sie manchmal herzu und flogen 
immer wieder weg, Jäjali aber rührte sich nicht. 

34. (9310.) In dieser Weise gingen die Vögel am Tage weg 
und kehrten am Abend, o Fürst, zurück, um auf ihm zu über- 
nachten. 

35. (93ii.) Manchmal flogen die Vögel für fünf Tage weg 
und kamen erst am sechsten Tage wieder, Jäjali aber rührte 
sich nicht. 

36. (9312.) Nach und nach aber pflegten die Vögel alle, 
nachdem ihre Lebenskraft erstarkt war, viele Tage lang nicht 
heimzukehren. 

37. (9313.) Einstmals aber flogen die Vögel davon und 
kehrten einen ganzen Monat nicht zurück, da machte sich 
auch Jäjali auf den Weg, o König. 

38. (9314.) Als sie nun davongeflogen waren, da über- 
kam den Jäjali Bewunderung, und er bildete sich ein, 
die Vollendung erreicht zu haben, da beschlich ihn der 
Hochmut. 

39. (9316.) Als nun der Gelübdestrenge erkannte, dafs die 
Vögel ihn verlassen hatten, bewunderte er sich selbst, und in- 
dem er sich bewunderte, wurde er von grofser Freude erfüllt. 

40. (9316.) Nachdem er sich im Flusse gebadet und ge- 
spült und das Feuer genährt hatte, zollte der Askesereiche 
der aufgehenden Sonne seine Verehrung. 

41. (9317.) Als der Beste der Murmler so auf seinem Kopfe 
die Spatzen gepflegt hatte, da brach er laut in den Ruf aus: 
Wahrlich, die Pflicht ist von mir erfüllt! 

42. (9318.) Da kam aus dem Luftraum eine Stimme und 
Jäjali hörte sie sagen: 0 Jäjali, du bist an Pflichterfüllung 
doch noch nicht dem Tulädhära gleichgekommen. 

43. (9319.) In Benares wohnt der hochweise Tulädhära, 



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- 



422 Hl. Mokshadharma. 

und selbst der darf nicht so sprechen, wie du, o Brahmane, 
redest. 

44. (9320.) Da wurde er von Unmut übermannt, und be- 
gierig, den Tulädhära kennen zu lernen, wanderte er, der 
Muni, in die Welt hinaus, indem er sein Haus da hatte, wo 
ihn der Abend überkam. 

45. (9321.) Lange Zeit wanderte er bis zur Stadt Benares; 
da sah er den Tulädhära, wie er seine Waren feilhielt. 

46. (9322.) Als der vom Verkauf seiner Waren Lebende 
den Brahmanen herankommen sah, erhob er sich voll Freude 
und ehrte ihn durch den Willkommensgrufs. 

Tulädhära sprach: 

47. (9323.) 0 Brahmane, schon wie du herbeikamst, habe 
ich dich unzweifelhaft erkannt, aber vernimm, o Bester der 
Zwiegeborenen, das Wort, welches ich dir zu sagen habe. 

48. (9324.) Du bist zum Gestade des Ozeans gegangen und 
hast gewaltige Askese geübt, und doch weifst du noch lange 
nicht, was Pflicht heifst. 

49. (9325.) Weiter wurden, als du in der Askese dich ver- 
vollkommnet hattest, o Brahmane, alsbald Vögel auf deinem 
Kopfe geboren und von dir grofsgezogen. 

50. (9326.) Und als diese flügge geworden und sich überall 
hin auf Wanderung begeben hatten, da wähntest du, o Brah- 
mane, dafs die Pflichterfüllung im Grofsziehen von Spatzen 
bestünde. 

51. (9327.) Da hörtest du in der Luft eine Rede, die auf 
mich hinwies, o Bester der Zwiegeborenen, und von Unmut 
übermannt, bist du sodann hierher gekommen. (9328.) Was 
kann ich dir zuliebe tun? Das sage mir, o Bester der Zwie- 
geborenen. 

So lautet im Mokthadharma die Unterredung xwiicLtu Tuladbara und Jajali 

( Tulddhdra - Jdjati ■ tumeddu). 



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AdhyAya 263 (B. 262). 



4 23 



AdhyAya 263 (B. 262). 

Vers 9339*- 9395 (B. 1-55). 

Bhishma sprach: 

1. (9339.) In dieser Weise von dem verständigen Tuladhara 
angeredet, sprach der verständige Jajali, der Beste der 
Murmler, das folgende Wort. 

Jajali sprach: 

2. (9340.) Obwohl als Kaufmannssohn von einem [ab- 
stammend], der allerlei Essenzen und Wohlgerüche , Baum- 
holz und Kräuter nebst ihren Wurzeln und Früchten verkauft, 

3. (9341.) bist du zu einer festen Erkenntnis gelangt. 
Woher ist dir das gekommen? Das alles berichte mir voll- 
ständig, o Hochsinniger. 

Bhishma sprach : 

4. (9342.) So angeredet von dem berühmten Brahmanen, 
erklärte Tuladhara, der, obgleich ein Vaicya, Zweck und Wesen 
der Pflicht erkannt hatte, die Feinheiten der Pflichterfüllung 
(9343. fehlt in b ) dem schwere Askese übenden Jajali, er, o König, 
der sich an der Erkenntnis gesättigt hatte. 

Tuladhara sprach: 

5. (9344.) Ich kenne, o Jajali, die ewige, geheimnisvolle 
Pflicht, die allen Wesen heilsame und wohlwollende, welche 
als eine uralte unter den Menschen gilt. 

6. (934&.) Das Verhalten, welches ohne Falsch oder mög- 
lichst ohne Falsch gegen die Wesen ist, das ist die höchste 
Pflicht, und ihr lebe ich nach, o Jajali. 

7. (9346.) Aus abgeschnittenem Holz und Stroh habe ich 
mir diese Hütte gebaut. Roten Lack, Padmakaholz, Tunga- 
holz, feine und geringere Wohlgerüche 

8. (9347.) und vielerlei Essenz mit Ausschlufs berauschen- 
der Getränke kaufe ich aus anderer Hand und verkaufe sie 
wieder mit Ehrlichkeit. 



• Die Zählung der Verse springt von 9o28 auf 9339 über. 



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424 



III. Mokshadhanna. 



9. (9848.) Wer stets ein Freund aller Menschen ist und 
wer das Wohlsein aller Menschen in Werken, Gedanken und 
Worten fördert, der kennt die Pflicht, o Jäjali. 

10. (9349.) Ich begünstige nicht und übervorteile nicht, 
ich hasse nicht und liebe nicht und bin unparteiisch allen 
Wesen gegenüber, da siehst du, o Jäjali, meinen Wahlspruch. 
(9350.) Meine Wage wägt für alle Wesen gleichmäfsig, o 
Jäjali. 

11. Was andere tun, lobe ich nicht und tadle ich nicht 
(9351.) und blicke auf das bunte Treiben der Welt, o Fürst 
der Brahmanen, wie [auf die Wolkenspiele] im Himmels- 
räume. 

12. Als einen solchen wisse mich, o Jäjali, als gegen 
alle Welt (9352.) unparteiisch, o Bester der Weisen, als gleich- 
mütig blickend auf Erdklumpen, Steine und Gold. 

13. Wie Blinde, Taube und Verrückte den Tod immer- 
fort herbeisehnen, (9353.) weil die Pforten [der Sinne] ihnen 
von den Göttern verschlossen sind, ähnlich ergeht es mir, 
obgleich ich sehend bin. 

14. Wie Alte, Kranke und Schwächliche in bezug auf 
die Sinnendinge ohne Begierde sind, (9354.) so ist auch mir 
das Verlangen nach Nutzen, Lust und Genufs vergangen. 

15. Wenn einer sich nicht mehr fürchtet und wenn man 
sich vor ihm nicht mehr fürchtet, (9300.) wenn er nicht mehr 
wünscht und nicht mehr hafst, dann erlangt er das Brahman. 

16. Wenn einer keine böse Gesinnung mehr gegen alle 
Wesen betätigt (9356.) in Werken, Gedanken und Worten, 
dann erlangt er das Brahman. 

17. Es gab, wird geben und gibt keine andere Pflicht 
als diese. (9357.) Wer in bezug auf alle Wesen keine Furcht 
hegt oder einflöfst, der erlangt die Stätte, wo es keine Furcht 
mehr gibt. 

18. Vor wem aber alle Welt wie vor dem Rachen des 
Todes zittert, (9358.) wer in seinen Reden hart, in seinen 
Strafen grausam ist, der erlangt die Stätte der grofsen Furcht. 

19. Den Alten, mitsamt Söhnen und Enkeln, recht- 
schaffen ^Wandelnden (9359.) folgen wir in ihrer Lebensführung, 
den Hochherzigen, welche kein Wesen kränkten. 



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Adhyftya 263 (B. 262). 



425 



20. Die ewige Verpflichtung [des Wohlwollens] ist ver- 
loren gegangen und durch den guten [asketischen] Wandel 
verdunkelt worden; (9300.) durch diesen wurden Vedakundige, 
Asketen und Gewaltige verwirrt. 

21. Allerdings mag durch den guten Wandel ein ver- 
ständiger Mensch leicht zur Pflichterfüllung gefuhrt werden, 
<936i.) aber nachdem er durch die Guten [und ihr Vorbild] 
zur Selbstbezähmung gelangt ist, mufs er truglosen Geistes 
wandeln. 

22. Wie in der Welt ein Stück Holz im Flusse zufällig 
fortgeschwemmt wird (9362.) und zufällig mit irgendeinem 
andern Holze sich zusammenfindet. 

23. und .wie sich dann an diese wechselseitig andere 
Baumstämme festklammern (9363.) mit Stroh und Holz und 
allerlei Abfall, blindlings und beliebig, [so ist es mit der 
Tradition des guten Wandels bestellt]. 

24. Vor wem niemals und in keiner Weise irgendein 
Wesen zittert, (9364.) der erlangt für alle Zeit, o Muni, Furcht- 
losigkeit vor allen Wesen. 

25. Vor wem sich aber alle Welt fürchtet wie vor einem 
Wolfe (9365.) oder wie vor einem Gebrüll alle Wassertiere, 
wenn sie dem Ufer nahen, [der erlangt auch für sich keine 
Furchtlosigkeit]. 

26. Somit ist nur jene Lebensführung [der Schonung 
aller Wesen], mag sie herrühren, wovon sie will, (93<;e.) die- 
jenige, welche Freunde erwirbt, Reichtum erwirbt, glück- 
bringend und die höchste ist. 

27. Darum werden sie [die dieser Lebensführung huldi- 
gen] in den Lehrbüchern gepriesen von den Weisen, (»sei.) um 
des Ruhmes willen von ihnen, welche wenig vom Zweifel ge- 
quält werden, scharfsinnig und vollkommen klar denkend sind. 

28. Durch alle Askese, Opfer und Gaben und weisheits- 
volle Reden (9368.) erreicht man hienieden nicht mehr, als 
was man als Frucht der Furchtlosigkeitsgewährung erlangt. 

29. Wer in der Welt allen Wesen die Opfergabe der 
Furchtlosigkeit spendet, (9369.) der ist so gut, als wenn er 
alle Opfer darbrächte, und der erlangt als Opfergabe die Furcht- 
losigkeit. 



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426 



III. Moksbadharina. 



30. Es gibt keine edlere Pflicht als die Schonung fdhiiisä) 
der Wesen. (»370.) Vor wem niemals und in keiner Weise 
irgendein Wesen zittert, der erlangt Furchtlosigkeit vor allen 
Wesen, o grofser Muni. 

31. (9371.) Vor wem alle Welt zittert wie vor einer ins 
Haus geschlüpften Schlange, der erlangt nicht die Pflicht- 
erfüllung, weder hienieden noch im Jenseits. 

32. (Ü372.) Wer als einer, dem alle Wesen zum eigenen 
Selbste geworden sind, auf alle Wesen hinblickt, an dessen 
Weg werden auch die Götter irre, verfolgend des Spur- 
losen Spur. 

33. (9373.) Die Gabe der Furchtlosigkeit der Wesen er- 
klären sie unter allen Gaben als die höchste,, das sage ich 
dir als die Wahrheit, glaube es mir, o Jajali. 

34. («374.) Einundderselbe, der zum Glück gelangt ist, 
kann auch wieder unglücklich werden, und wenn die Leute 
den Verfall seiner Verhältnisse sehen, dann wenden sie sich 
jedesmal von ihm ab. 

35. (»37&.) Allerdings ist die Pflicht nicht ohne Grund, 
aber sie ist schwer zu verstehen, o Jajali ; um des Gewordenen 
und Künftigen [Irdischen und Himmlischen] willen erfolgte 
hienieden die Verkündigung der Pflicht. 

36. (»376.) Wegen ihrer Schwerverständlichkeit kann die 
vielfach widerspruchsvolle Pflicht nicht erkannt werden, und 
nur, indem man zwischendurch [während ihres Studiums] 
andere Lebensführungen ins Auge fafst, wird sie [durch den 
Gegensatz] erkannt. 

37. (9377.) Die, welche [jungen Stieren] die Hoden aus- 
schneiden und die Nasenwände durchbohren [um sie zu 
lenken], mit ihnen grofse Lasten fahren, sie ihnen aufbinden 
und sie zähmen 

38. (9378.) und lebende Wesen töten und verspeisen, wie 
solltest du die nicht tadeln? Ja sogar den Menschen macht 
der Mensch zum Sklaven und nutzt ihn aus 

39. (9379.) und zwingt ihn durch Schläge, Fesseln und Ge- 
fangenschaft, Tag und Nacht zu arbeiten! Und durch sich 
selbst weifs er doch, wie schmerzlich Schläge und Fesseln sind. 

40. (9380.) In den mit fünf Sinnesorganen ausgestatteten 



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Adhyaya 263 (B. 2«2). 



427 



Wesen wohnt jede Gottheit : die Sonne [im Auge], der Mond 
[im Mauas], der Wind [im Tastsinn], Brahman, Präna, Kratu 
und Yama [in anderen Organen]. 

41. (9381.) Wenn man diese noch bei Lebzeiten verkauft, 
wie sollte man Umstände mit ihnen machen, wenn sie tot 
sind ! Der Ziegenbock ist Agni, der Widder ist Varuna, das 
Pferd ist Sürya, die Erde als Viräj 

42. (9382.) ist die Kuh und ihr Kalb ist der Sorna; wer so 
etwas verkauft, kann nicht glücklich werden. Aber welches 
[Bedenken] könnte bestehen beim Verkauf von Sesamöl und 
zerlassener Butter, o Brahmane, von Honig und Kräuter- 
säften V 

43. (9383.) Da wachsen die Tiere fröhlich auf in einer 
Gegend, wo es keine Bremsen und Fliegen gibt, und ob- 
gleich der Mensch weifs, wie lieb sie ihren Müttern sind, 
kommt er oft 

44. (9384.) und führt sie fort in Gegenden voll Bremsen 
und Schmutz, und andere wieder schmachten als Jochtiere, 
gegen die göttliche Ordnung durch Ziehen gequält. 

45. (9385.) Ich sollte denken, sogar die Embryotötung ist 
nicht schlimmer als so etwas. Das Pflügen des Ackers hält 
man für etwas Gutes, und doch ist auch das ein grausames 
Geschäft. 

46. (9386.) Denn das Pflugholz mit eiserner Spitze vorletzt 
die Erde und was in ihr lebt. Und dann denke auch an die 
angespannten Ochsen, o Jäjali! 

47. (9387.) Aghmjä (die Nicht-zu-Tötende) wird ja die Kuh 
genannt, wer darf sie also töten ? Ja, eine grofse Unbill ver- 
übt, wer einen Stier oder eine Kuh opfert. 

48. (9388.) Das war es ja auch, was die Weisen und 
Büfser dem Nahusha vorhielten: Du hast eine Kuh und so- 
gar eine Mutterkuh getötet und einen Stier, eine Verkörperung 
des Prajapati. 

49. (9389.) Eine Untat hast du verübt, o Nahusha, wir 
werden durch dich zu leiden haben. Hundert und eine Krank- 
heit haben sie über die Wesen gebracht. 

50. (9390.) Diese unter den Untertanen hochbedeutenden 
Rishi's, o Jäjali, nannten den Nahusha einen Embryo- 



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f 



428 III. Mokshadharma. 

töter und erklärten, dafs sie seinen Opfertrank nicht opfern 
könnten. 

51. (9391.) So sprachen sich alle jene hochherzigen, das 
Wesen der Dinge erkennenden, durch Askese beruhigten 
Weisen und Büfser aus und hielten es ihm vor. 

62. (9392.) Diese unseligen, greulichen Bräuche, wie sie 
auf dieser Welt geübt werden, o Jäjali, verurteilst du nur 
darum nicht, weil sie als guter Wandel überliefert sind. 

53. (9393.) Vom Grunde aus soll man die Pflicht erforschen 
und nicht dem überlieferten Wandel der Leute folgen. Und 
auch das merke dir, o Jajali: Mag einer mich schlagen oder 
mag er mich loben, 

54. (9394.) beides gilt mir gleich, es gibt für mich nichts 
Liebes und Unliebes. Das ist die Pflichterfüllung, welche 
-die Weisen rühmen. 

55. (9396.) Denn sie beruht auf gutem Grunde und wird 
von den Selbstbezwingern hochgehalten, welche immerfort in 
-der Pflichterfüllung sich übten, und von dem Verständigen 
wird sie beobachtet. 

So lautet Im Mokibadharma die Unterredung zw liehen Tuladhara und Jajali 

( TulMhdra - J^ali ■ $a,nr4H<t). 

Adhy&ya 264 (B. 263). 

Vers 9396-0441 (B. 1-42). 
Jäjali sprach : 

1. (9396.) Diese Pflichterfüllung, wie du sie mit der Krämer- 
wage in der Hand empfiehlst, würde den Eingang zum Himmel 
und auch das Leben der Geschöpfe unmöglich machen. 

2. (93»7.) Durch das Pflügen des Ackers wird Nahrung 
-erzeugt, und von der lebst auch du ; von Viehzucht und Kräu- 
tern leben die Menschen, o Krämersohn. 

3. (9398.) Und da durch das Genannte erst das Opfer mög- 
lich wird, so redest du sogar der Ungläubigkeit das Wort, 
und auch diese Welt könnte nicht bestehen, wenn sie auf 
den Erwerb ganz und gar verzichtete. 



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Adhyaya 264 (B. '263). 



Tuladhara sprach: 

4. (9399.) Ich will dir sagen, wie die Geschöpfe leben 
können, und von Ungläubigkeit kann bei mir keine Rede 
sein, o Brahmane. Ich tadle das Opfer auch gar nicht, aber 
einer, der sich auf das Opfer versteht, ist schwer zu linden. 

f>. (9400.) Ich verehre, o Brahmane, das Opfer und die, 
welche sich auf das Opfer verstehen, aber die Brahmanen 
haben das ihnen geziemende Opfer aufgegeben und haben 
sich dem Kshatriya- Opfer ergeben, 

(5. (9401.) einem Opfer, o Brahmane, welches von Hab- 
gierigen und nur auf den Gewinn sehenden Ungläubigen auf- 
gebracht wurde, welches aus Unkenntnis der Vedaworte nur 
scheinbar wahr, in Wirklichkeit unwahr ist. 

7. (9402.) Dies mufs man geben und das mufs man geben,, 
so heifst es, und ein solches Opfer wird gelobt; darum artet 
es zur Dieberei und zur Unart aus, o Jüjali. 

8. (9403.) Die Götter haben ihre Freude nur an einem 
Opfer, welches in rechter Weise dargebracht wird, nämlich 
mit Verehrung als Opferspeise und mit Vedastudium als 
Kräutersäften. (9404.) Denn man soll die Götter so verehren* 
wie es der Schriftkanon vorschreibt. 

9. Durch Opfer und fromme Werke schlechter Menschen 
wird nur eine untüchtige Nachkommenschaft erzielt, (9405.) von 
Habgierigen wird nur ein Habgieriger erzeugt, von Billig- 
denkenden nur ein Billigdenkender. 

10. Wie die Opferherren und die Priester selbst sind 
[doch wohl ätmanah zu lesen], so sind auch ihre Nachkommen ; 
(9406.) aus dem Opfer entspringt die Nachkommenschaft, wie 
reines Wasser aus der \Y r olke. 

11. Der in das Feuer gegossene Opfertrank, o Brahmane, 
geht hinauf zur Sonne, (9407.) aus der Sonne stammt der 
Regen, aus dem Regen die Nahrung, aus ihr die Nach- 
kommenschaft. 

12. Darum haben die festgegründeten Altvorderen alle 
ihre Wünsche erlangt, (9408.) ungepflügt liefs die Erde ihre 
Früchte reifen, durch die blofsen Gebete gediehen die Pflanzen r 

13. aber damals fafsten sie weder für das Opfer noch 
für sich selbst einen Uohn ins Auge. (9409) Diejenigen hin- 



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III. Mokshadharina. 



gegen, welche ihr Opfer mit Besorgnis um die Frucht dar- 
bringen, 

14. werden als schlechte Menschen, als Bösewichter, Hab- 
gierige, nach Reichtum Trachtende geboren. (9410.) Der geht 
wegen seines schlechten Werks in die Welten der Übel- 
täter ein, 

15. welcher aus Mangel an einer Richtschnur sich eine 
schlechte Richtschnur schafft; (ein.) und er ist allezeit hie- 
nieden von schlechtem Charakter und mangelhafter Erkennt- 
nis, 0 Bester der Brahmanen. 

16. Wenn von Gebotenem die Rede ist, so ist sich der 
Brahmane ohne Scheu bewufst, dafs es nur Gebotenes ist: 
(9412.) als Brahmane verharrt er in der Welt und wendet sich 
nicht wieder der Befolgung von Gebotenem zu. 

17. Freilich haben wir [im Veda] vernommen, dafs ein 
untugendhaftes Werk höher stehe, (9413.) nämlich eine Tötung 
aller möglichen Wesen und die Erzwingung einer Frucht der 
Werke. 

18. Das Opfer der Wahrheit, das Opfer der Selbst- 
bezähmung, das ist das Opfer, welches alle der Habgierigen 
und der Habe satten, (»414.) auf das Gewordene verzichtenden, 
selbstlosen Menschen darbringen. 

19. Das Wesen von Leib und Seele fishctrajna) er- 
kennend und bei dem ihnen geziemenden Opfer verharrend, 
(9415.) studieren sie den über das Brahman belehrenden Veda 
und erfreuen dadurch auch die anderen. 

20. Alle Gottheit ohne Ausnahme ist Brahman und ruht 
in Brahman, (94ie.) und wenn einer, o Jäjali, [im Pranagni- 
hotram, vgl. Chänd. Up. 5,19 fg.] sich sättigt, mag er dabei 
satt werden oder nicht, so haben die Götter an ihm ihre Freude. 

21. Wie einer, der an allem Wohlgeschmack satt ge- 
worden ist, nach nichts mehr verlangt, (9417.) so wird dem, 
welcher sich an der Erkenntnis gesättigt hat, eine beglückende, 
ewige Sättigung zuteil [vgl. Ev. Joh. 4,14]. 

22. Solche sind Träger der Pflicht, freuen sich der Pflicht 
und sind über alles zur Entschiedenheit gelangt. (9416.) Uns 
ist in Wahrheit das Gröfsere eigen, so sprechend blickt der 
Weise auf die Welt. 



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Adhyäya 2f>4 (B. 263). 



431 



23. Manche, das Wissen erkennend und das jenseitige 
Ufer erstrebend, (9419.) das vollkommene Heiligkeit verleihende, 
heilige, von heiligen Geschlechtern bewohnte, 

24. wohin gelangt, sie nicht mehr trauern, nicht mehr 
wanken und unerschüttert bleiben, (tuao.) solche Sattvahaften 
erlangen schon hienieden jene Stätte des Brahman. 

25. Sie verlangen nicht nach dem Himmel, sie bringen 
nicht Prunk und Reichtum zum Opfer dar, (9421.) sondern sie 
wandeln den Pfad der Guten und bringen als Opfer die 
Schonung aller Wesen. 

2*i. Sie wissen Bescheid mit Bäumen und Kräutern, mit 
Früchten und Wurzeln (9422.) und lassen nicht gierig und 
nach Lohn verlangend durch diese Opferpriester opfern. 

27. Indem sie die ihnen geziemende Sache betreiben, 
vollbringen sie wieder als rechte Zwiegeborene das Opfer, 
(9*23.) in ihren Werken fest bestimmt durch den Wunsch, 
den Kreaturen Wohlwollen zu erweisen. 

28. Darum sind es nur die Gierigen, welche durch die 
Opferpriester, diese häfslichcn Menschen, opfern lassen; 
(9424.) wer aber die ihm geziemende Pflicht beobachtet, der 
sichert sogar seinen Nachkommen [einen Platz] im Himmel. 
Das ist meine Meinung, o Jujali, die ich unabänderlich überall 
vertrete. 

21). (9425.) Dasjenige, was hienieden in den Opfern dar- 
gebracht wird, [durch das] steigen allezeit die weisen Besten 
der Zwiegeborenen auf jenem Götterpfade empor, o grofser 
Muni, 

30. (942»;.) und der eine kehrt auf diesem wieder zurück 
[was freilich nach den Upanishad's unmöglich ist], aber für 
den Weisen gibt es auf ihm keine Rückkehr. 

31. (9427.) Für solche [Weise] schirren sich die Ochsen 
\anaduhuh als Nominativ] von selbst an und ziehen den Wagen, 
die Kühe geben ihre Milch von selbst durch die Zauberkraft 
des im Manas gehegten Wunsches, 

32. (9428.) und ebenso erlangen sie von selbst den Opfer- 
pfosten und opfern, indem der Opferlohn sich von selbst ein- 
stellt; wer in dieser Weise seinen Atman bereitet hat, der 
mag sogar eine [nur gedachte] Kuh opfern. 



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432 



III. Mokshadharnia. 



33. (9429.) Darum mögen, o Brahmane, solche Menschen 
in dieser Weise nur Pflanzen opfern, nachdem sie vorher zur 
Entsagung gelangt sind. Einen solchen will ich dir ver- 
kündigen : 

34. (9430.) Wer ohne Wunsch und ohne Vorhaben, ohne 
Verehrung und Preisung ist, fortlebend, ohne dafs sein Werk 
fortlebt, den erkennen die Götter als einen Brahmanen an. 

35. (9431.) Wenn er, nicht den Veda lehrend, nicht opfernd 
und nicht einmal den Brahmanen spendend, die von ihm er- 
wünschte Verhaltungsweise anstrebt, welchen Weg geht er 
dann, o Jäjali ? (9432.) Er wird, dieses Verhalten zur Gottheit 
einschlagend, das seinem Opfer Entsprechende erlangen. 

Jäjali sprach: 

36. (9433.) Von den W eisen vernehmen wir nicht die 
Wahrheit, dich frage ich nach ihr, o Krämersohn, eine 
schwierige Sache ist es. Die alten Rishi's haben sich 
nicht darum gekümmert, und auch in der Folgezeit haben 
die Weisen diese Sache nicht festgestellt. 

37. (9434.) Wenn bei einem aus freien Stücken die Opfer- 
tiere sich zum Opferfeste einstellen, welches ist denn dabei 
sein Verdienst, wodurch er das Glück erlangen soll? (9435.) Das 
sage mir, o Weiser, ich schenke dir vollen Glauben. 

Tulädhara sprach: 

38. (9436.) Mag man es Opfer oder nicht Opfer nennen, 
jene Tiere verdienen es nicht, geopfert zu werden ; nur durch 
ihre Butter, Milch und saure Milch, namentlich wenn sie in 
vollem Gusse gespendet werden, (9437.) sowie durch Haare, 
Horn und Hufe bringt die Kuh [auch ohne geschlachtet zu 
werden] das Opfer zustande. 

30. Und wenn er so verfährt, so zieht er dadurch die 
Gattin [auch wenn keine solche vorhanden ist] heran und 
stellt sie an. (9433.) Indem er das wünschenswerte Verhalten 
zur Gottheit einschlägt, wird er das seinem Opfer Entsprechende 
erlangen (vgl. Vers 9432). 

40. Denn von dem Opferkuchen heifst es ja, dafs er vor 



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Adhyäya 264 (B. 263). 



433 



allen Tieren opferwürdig sei. (H43!<.) Alle Flüsse sind [ebenso 
heilig wie] Sarasvati und alle Berge sind heilig, 

41. und der Atman ist der geweihte Boden, o Jajali, 
andere Gegenden brauchst du nicht zu besuchen. (i»44o.) Wer 
diese so beschaffenen Pflichten befolgt, o Jajali, und die Pflicht 
von Grund aus erforscht, der erlangt schöne Welten. 

Bhishnia sprach: 

42. (9*41.) Diese so beschaffenen Pflichten empfiehlt Tula- 
dhära an, sie, welche durch Gründe gestützt allezeit von den 
Guten befolgt werden. 

So lautet Im Moktbadharma die Unterredung zwischen Tuladhara und .lajali 

(Tutätlhdra - Jtijali - »cnntdHa) 



AcUiyftya 265 (B. 264). 

Vers 9442-9466 (B. 1-23). 

Tuladhara sprach: 

1. is»442.) Diesen Weg, mag er nun von Guten oder Nicht- 
Guten eingeschlagen sein — es soll dir recht anschaulich 
gemacht werden — den wirst du erkennen nach seinem Wesen. 

2. (0443.) Du siehst diese Vögel, wie sie überall umher- 
fliegen, es sind die auf deinem Haupte geborenen, sowie 
Falken und andere Arten. 

3. (»444.) Rufe sie herbei, o grofser Brahmane, wie sie 
hier und dort sich niedersetzen; siehe, wie sie dabei Flügel 
und Füfse von allen Seiten an ihren Leib anschmiegen. 

4. (»445.) Von dir wurden sie grofsgezogen und nun be- 
grüfsen sie dich als Vater, denn du bist doch unzweifelhaft 
ihr Vater, da du sie als deine Kinder herbeirufst, o Jajali. 

Bhishnia sprach: 

f>. (»446.) Da geschah es, dafs die von diesem Jajali her- 
beigerufenen Vögel in Worte ausbrachen, um die Pflicht zu 
erklären. 

Data»*», Mahabbaralara. 28 



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434 



III. Mokshadharma. 



6. (9447.) Das ohne Nicht -Tötung [lies: anahiitsd] unter- 
nommene Werk tötet hienieden und im Jenseits den Glauben 
ftraddhä), o Brahmane, und dieser, wenn getötet, tötet den 
Menschen. 

7. (9448. ) Wenn Billigdenkende, Gläubige, Bezähmte, Wohl- 
verständige opfern, das heifst ein wahres Opfer; dies Opfer 
ist nie unerwünscht. 

8. (9449. ) Diese QYaddhä (der Glaube), von Vivasvant 
stammend, ist die Tochter der Sonne, o Z wiegeborener, sie 
ist fördernd und nachkommen verleihend, ist erhaben (bahis) 
über Worte und Gedanken. 

9. (9450.) Die (/raddhä schützt, was aus der Rede ent- 
springt und was aus dem Manas entspringt, o Bharata; was 
aus der C,Yaddha entspringt, schützt Rede und Manas, das 
Werke kann beide nicht schützen. 

10. (9451.) Darüber sagen die Weisen der Vorzeit in Lie- 
dern, die von Brahmanen gesungen wurden : W T enn einer rein 
und ungläubig war, oder gläubig und unrein, 

1 1. (9462.) so erachteten die Götter die Darbringung beider 
beim Opfer für gleichwertig. Wenn einer schriftkundig und 
knauserig oder freigebig und ein Wucherer war, 

12. (9453.) so legten die Götter, nachdem sie beides er- 
wogen, beider Opferspeisen gleichen Wert bei. Da aber 
sprach Prajapati zu ihnen: Das heifst nicht recht verfahren. 

13. (9454.) Durch Glauben geläutert ist die Gabe des 
Freigebigen und die des andern ist verwerflich, weil ihm 
der Glaube fehlt; darum mögt ihr die Opferspeise des Frei- 
gebigen entgegennehmen, die Opferspeise des Knauserigen 
und Wucherers aber nicht. 

14. (9465.) Denn dieser ist in Wahrheit ungläubig und 
nicht würdig, den Göttern Opfer zu bringen; seine Opfer- 
gabe dürft ihr nicht annehmen, wie es auch die Kenner der 
Pflicht erkannt haben. 

15. (9456.) Der Unglaube ist das höchste Übel, der Glaube 
erlöst vom Übel, der Gläubige streift das Übel ab, wie eine 
Schlange ihre alte Haut. 

16. (9457.) Die Abkehr [vom Übel], verbunden mit dem 



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Adhyäva 205 (B. 2G4). 



435 



Glauben, ist das vornehmste Sühnemittel; wer seine Charak- 
terfehler abgelegt hat und dabei gläubig ist , der ist ge- 
läutert. 

17. (!U58.) Wozu braucht er Askese, wozu den guten 
Lebenswandel, wozu den Atman : Aus Glaube besteht der 
Mensch, wie einer glaubt, so ist er (vgl. oben, S. 97). 

18. (0459.) Damit ist, was Pflicht ist, erklärt von Guten, 
den Sinn der Pflicht Erkennenden, und wir, die wir danach 
forschten, sind zum Ziele gelangt und haben die Pflicht 
erkannt. 

19. mm.) Erwirb Glauben, o grofser Weiser, und du wirst 
dadurch das Höchste erlangen ; der Gläubige ist vom Glauben 
beseelt und ist die [verkörperte] Pflicht, o Jajali, (9461.) und 
auf seinem Wege beharrend, ist er von höchster Würde, 
o Jajali. 

Bhishma sprach : 

20. mc2.) Darauf sind nach geraumer Zeit Tulädhära und 
auch der andere als grofse Weise zum Himmel emporgestiegen 
und werden dort sich der Seligkeit erfreuen, 

21. (9463.) nachdem sie den jedem von ihnen zukommen- 
den, durch ihre Werke erworbenen Ort erreicht haben. So 
also war die inhaltreiche Rede des Tulädhära. 

22. (9464.) Damit ist die ewige Pflicht vollständig erkannt 
und ausgesprochen worden, und jener Brahmane, nachdem 
er die Reden dieses durch seine Tüchtigkeit berühmten 

23. (946:,.) Tulädhära gehört hatte, ist, o Kuntisohn, zum 
Frieden eingegangen. So also geschah die gedankenreiche 
Rede des Tulädhära, (9466. i vermittels einer gleichnisweisen 
Belehrung. Was willst du nun weiter hören? 

So lautet im Mokshadharma <li« Unterredung zwischen TulAdhara und Jajali 

(Tulädhära ■ Jdjctli - »<jv,ed-ta,. 



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436 



III. Mokßhadhanna. 



Adhyäya 266 (B. 265). 

Vers 9467-9480 (B. 1-14). 
Bhlsbma sprach: 

1. (9*67.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich das, was aus Mitleid mit den Kreaturen 
von dem König Vicakhyu (mit C; B. Vicakhnu) gesungen 
wurde. 

2. (9468.) Als dieser König gesehen hatte, wie dem Stiere 
die Gebeine zerschlagen wurden und die Kühe laut jammerten, 
und wie der Fürst wahrnahm, dafs bei der Stierschlachtung 
auf dem Opferplatze 

3. (9469.) sodann der Ruf laut wurde : „Heil sei den Kühen 
in aller Welt" — denn wenn die Schlachtung vor sich geht, 
ist dieser Segenswunsch vorgeschrieben — , [da sprach er:] 

4. (947o.) Nur von mafslosen, betörten, ungläubigen, zweifel- 
behafteten und obskuren Menschen ist die Tiertötung verherr- 
licht worden. 

5. (9471.) Denn der von Pflichtbewufstsein erfüllte Manu 
hat befohlen, bei allen Werken nicht zu töten. Nur aus 
eigenem Gelüste töten die Menschen auf dem Vorplatze der 
Vedi die Tiere. 

6. (9472.) Aus diesem Grunde mufs von dem Kundigen 
die schwer erkennbare Pflicht befolgt werden; die Schonung 
aller Wesen steht höher als alle anderen Pflichten. 

7. (9473.) Wer durch Fasten sein Gelübde geschärft hat, 
der geht ab von den im Veda gegebenen Vorschriften [und 
sagt:] der Brauch ist ein Mifsbrauch, erbärmlich sind, die 
sich von der HofTnung auf Lohn treiben lassen. 

8. (9474.) Wenn die Menschen in Hinblick auf Opfer, hei- 
lige Bäume und Opferpfosten nur beliebiges [nicht vom Opfer 
herrührendes] Fleisch zu essen vermeiden, so ist dieser Brauch 
nicht zu loben. 

9. (9475.) Branntwein, Fische, Honig, Fleisch, Rum und 
Sesamreis [zu geniefsen], das ist von Nichtswürdigen ein- 
geführt worden und nicht in den Veden zugelassen. 



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i 



Adhväya 266 (B. 265). 



437 



10. (9476.) Aus Hochmut, Verblendung und Begierde ist 
das Gelüste nach solchen Dingen aufgekommen. Aber Brah- 
manen sehen in allen Opfern nur den einen Vishnu, 

11. (9477.) und dessen Opfer geschieht nach der Über- 
lieferung nur mit Milchspenden und Blumen, und wenn etwa 
noch opferwürdige Bäume dafür im Veda vorgesehen sind, 

12. (9478.) oder was sonst noch an wohlgeweihten Dingen 
von Lauteren, sehr Tüchtigen mit reinem Herzen dargebracht 
werden mag, alles das ist des Gottes würdig. 

Yudhishthira sprach: 

13. (9479.) Das leibliche Bedürfnis und Notfälle erheben 
Einspruch gegen die, welche nicht töten wollen; wie kann, 
ohne dafs man dergleichen unternimmt, der Unterhalt des 
Körpers vonstatten gehen? 

Bhishma sprach: 

14. (9480.) Damit der Körper nicht hinwelke und damit 
er nicht der Gewalt des Todes anheimfalle, mag man sich 
in seinem Tun dementsprechend verhalten und nach Kräften 
die Pflicht erfüllen. 

S<> lautet im Mokohadharma der Sang det Yicakhyu 

(Y,cakh V u. u itd). 

Adhyftya 207 (B. S6G). 

Vers 9481-1)558 (B. 1-78). 

Yudhishthira sprach: 

1. (9481.) Wie soll man ein vorliegendes Werk prüfen, 
schnell oder langsam? Allezeit in unserer schwierigen Auf- 
gabe warst du ja unser bester Lehrmeister. 

Bhishma sprach: 

2. (9482j Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich was ehemals dem Cirakäri[n] aus dem 
Stamme des Angiras begegnet ist. 



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438 i III- Mokshadharma. 

3. (9483.) 0 Saumseliger fcirakärika) , Heil sei dir, Heil 
sei dir, o Saumseliger, denn Cirakärin (der Saumselige), der 
Verständige, versündigt sich nicht in seinem Tun. 

4. (9484.) Der sehr verständige Cirakärin war ein Sohn 
des Gautama und ging bei allen Geschälten erst zu Werke, 
nachdem er die Sachen lange überlegt hatte. 

5. (9485.) Er pflegte die Sachen lange zu überlegen, lange 
im Wachen und lange im Schlafe, lange, wenn ihm ein Auf- 
trag gegeben wurde, darum nannte man ihn Cirakärin. 

6. (9486.) Weil er träge war beim Angreifen einer Sache, 
wurde er auch beschränkt genannt von einem leichtsinnigen, 
kurzsichtigen Menschen. 

7. (9487.) Mit Übergebung der anderen Söhne wurde er 
von seinem erzürnten Vater beauftragt, seine Mutter infolge 
eines bestimmten Fehltrittes zu töten. 

8. (9488.) Und nachdem der weise Gautama, der Beste 
der Murmler, ihm diesen Befehl erteilt hatte, ging der Mäch- 
tige ohne weitere Überlegung in den Wald. 

9. (9489.) „So sei es", antwortete langsam, wie es seine 
Art war, der langsam handelnde Sohn, und indem er seiner 
Langsamkeit entsprechend die Sache überdachte, verfiel er 
darüber in langes Sinnen: 

10. (9490.) Wie kann ich den Befehl des Vaters ausführen? 
Wie kann ich es vermeiden, die Mutter zu töten ? Wie kann 
ich es verhindern, dafs ich dabei als schlechter Mensch in 
eine Pflichtübertretung verfalle? 

11. (9491.) Der Befehl des Vaters ist höchste Pflicht, aber 
Naturpflicht ist es, die Mutter zu schützen, ein Sohn ist nicht 
frei in seinem Handeln, wie mache ich es, dafs mich nicht 
hinterher die Reue quält. 

12. (9492.) Wer ein W r eib und noch dazu seine Mutter 
getötet hat, wie kann der je wieder froh werden! Und wer 
seinen Vater mifsachtet, wie kann der zu Ansehen ge- 
langen ! 

13. (9493.) Den Vater nicht zu mif sachten geziemt sich, 
und die Mutter zu beschützen ist Gesetz ; beide Pflichten sind 
als auferlegte berechtigt, wie ist es möglich, dafs die Sache 
mich nicht in Verlegenheit bringt? 



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Adhyäya 2G7 (B. 260). 



439 



14. (9*94.) Der Vater legt bei der Zeugung sein Selbst in 
die Gattin, so heifst es (Ait. Up. 2, 1-2), um Charakter, guten 
Wandel und Geschlecht und seine Familie fortzuführen. 

15. (9495.) Ich selbst bin als Sohn vom Vater und auch 
wiederum von der Mutter geschaffen worden, wie sollte ich 
mir dessen nicht bewufst sein! Erkenne ich doch beide als 
meinen Ursprung an. 

IG. (949C.) Was der Vater bei der Geburtszeremonie und 
beim Upakarman [Zeremonie nach der Heimkehr vom Lehrer 
NU.] gesprochen hat, dessen Bestätigung besteht in der Ge- 
wifsheit der väterlichen Autorität. 

17. (9497.) [Was] der Lehrer [sagt] ist die oberste und 
höchste Pflicht, weil er sich mit Pflege und Belehrung be- 
fafst, und was der Vater sagt, ist ebenfalls Pflicht, welche 
auch in den Veden eingeschärft wird. 

18. (9498.) Der Sohn ist für den Vater eitel Freude, und 
der Vater ist für den Sohn alles, denn der Vater allein ver- 
leiht ihm den Leib und alles, dessen er bedarf. 

19. (9499.) Darum ist das Wort des Vaters auszuführen 
und niemals dabei zu zaudern; auch von Sünden wird ge- 
reinigt, wer die Gebote des Vaters erfüllt. 

20. (9500.) Beim Geniefsen, beim Essen, beim Studium, 
bei Belehrung über weltliche Dinge, sowie beim Verkehr mit 
dem Gatten und bei der Scheitelziehungszeremonie [gewöhn- 
lich im vierten Monat der Schwangerschaft] 

21. (9501.) ist der Vater das Gesetz, ist der Vater der 
Himmel, ist der Vater die höchste Askese; wenn der Vater 
Freude hat, dann freuen sich alle Gottheiten. 

22. (9502.) Alle jene [bei den Zeremonien gesprochenen] 
Segenswünsche beglücken einen Menschen, wenn sie der 
Vater spricht, und eine Befreiung von allen Sünden ist es, 
wenn der Vater seine Zufriedenheit äufsert. 

23. (9603.) Die Blume wird vom Stengel fahren gelassen und 
die Frucht vom Baume, der Vater aber, auch wenn er den Sohn 
aus Liebe züchtigen mufs, so läfst er ihn doch niemals fahren. 

24. (9504.") Damit wäre also die Autorität d»»s Vaters über 
den Sohn durchgedacht, der Vater ist kein geringes Moment, 
nun aber mufs ich auch an die Mutter denken. 



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440 



III. Mokshailharma. 



25. (9506.) Dieses mir gehörige Körperaggregat, welches 
seinem sterblichen Teile nach aus den fünf Elementen be- 
steht, hat als Ursache meine Mutter, wie das Feuer als Ur- 
sache das Reibholz hat. 

26. (9506.) Die Mutter ist das Reibholz für den Leib des 
Menschen und ist ein Glück für jeden in seiner Not. Wer 
eine Mutter hat, der hat eine Beschützerin, und ohne Be- 
schützerin ist, wer sie nicht hat. 

27. (U607.) Der braucht nicht zu klagen, den bringt das 
Alter nicht herunter, wer, auch vom Glück verlassen, wenn 
er nach Hause kommt „Mutter!" sagen kann. 

28. (9608.) Wenn einer auch Söhne und Enkel hat und 
zu seiner Mutter kommt, der, und wäre er hundert Jahre alt, 
naht ihr wie ein zweijähriges Kind. 

29. (9500.) Mag einer tüchtig sein oder untüchtig, mag er 
kränklich sein oder gesund, die Mutter ist es immer, welche 
den Sohn behütet, keinen andern Pfleger hat er nach der 
Naturordnung. 

30. (95io.) Dann ist er alt geworden, dann ist er elend 
geworden, dann ist die W r elt für ihn leer, wenn er die Mutter 
verloren hat. 

31. (95ii.) Der Mutter kommt kein kühlender Schatten 
gleich, der Mutter kommt keine Zuflucht gleich, der Mutter 
kommt kein Schutz gleich, der Mutter kommt keine an Liebe 
gleich. 

32. (9512.) Wegen des Tragens im Mutterleib heifst sie 
dhätri (die Tragende), wegen des Gebärens heifst sie janani 
(die Gebärende), wegen der Pflege der Glieder heift sie atnbd 
[ein Lallwort wie Mama], weil sie Helden hervorbringt, heifst 
sie virasü (Heldenmutter). 

33. (9613.) Weil ihr die Kinder gehorchen, heifst die Mutter 
fttrr« (etwa: der man gehorcht). Und ihren Leib sollte ohne 
weiteres ein verständiger Mann, der kein Hohlkopf ist, töten ? 

34. (9514.) Die Absicht, welche bei Verschlingung der 
Lebenshauche der Eltern bestand, die [teilen] Vater und 
Mutter; der erreichte Zweck fällt der Mutter zur Last. 

35. (9615.) Die Mutter weifs, aus welchem Geschlechte, die 
Mutter weifs, von wem einer ist; aus dem blofsen Tragen 



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AdhyAya 2H7 (B. 266). 



441 



im Leibe entspringt schon die Liebe der Mutter, dem Vater 
liegt nur an der Nachkommenschaft. 

36. (t»5i6.) Wenn die Männer aus freien Stücken die Ver- 
bindung der Hände geschlungen und die gemeinsame Ehe- 
pflicht eingegangen haben und dann davonlaufen, so haben 
die Frauen nicht nötig, ihnen gute Worte zu geben. 

37. (9517.) Weil er die Frau ernährt, heifst er der Er- 
nährer, weil er über sie herrscht, heifst er der Herr, wenn 
seine Tugend zunichte wird, dann ist er nicht mehr Ernährer 
und auch nicht mehr Herr. 

38. (9618.) In einem solchen Falle ist das Weib schuldlos 
und nur der Mann schuldig, und auch wenn er die grofse 
Sünde des Ehebruchs begeht, ist nur der Mann schuldig. 

WX (9519.) Freilich steht für eine Frau ihr Gatte am 
höchsten, er gilt für ihre höchste Gottheit, aber sie hat doch 
einem seinem Selbste ähnlichen, gleichfalls höchsten Selbste 
das Leben gegeben [anders Nil.]. 

40. (9520.) Die Frauen versündigen sich nicht, der Mann 
ist es, der sich versündigt, denn weil bei allen derartigen 
Händeln an ihnen gesündigt wird, sind die Frauen nicht der 
sündigende Teil. 

41. (9521.) Er, an den keine Aufforderung von Seiten des 
Weibes zum Geschlechtsgenusse erging, der vielmehr seiner- 
seits offen darauf die Rede brachte, er ist der schuldige Teil, 
daran ist kein Zweifel. 

42. (9522J Dafs ein Weib, und besonders eine Mutter, der 
eine so hohe Würde zukommt, nicht getötet werden darf, das 
dürften sogar die unvernünftigen Tiere begreifen. 

43. (952a.) Man weifs. dafs der Vater für sich allein ein 
Inbegriff von Göttern ist, der Mutter aber naht man als einer 
solchen, die vermöge ihrer Liebe ein Inbegriff von Sterblichen 
und Göttern ist. 

44. (9524.) Während der Sohn in dieser Weise vermöge 
seiner Saumseligkeit hin und her überlegte, war eine gar 
lange Zeit verstrichen; — da kam sein Vater zurück. 

45. (9525.) Der weise Medhatithi, der askesefeste Gautania T 
hatte sich während dieser Zeit die Übertretung der Ordnung 
durch die Gattin überlegt 



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442 



III. Mokshadliarma. 



46. (3526.) und sprach nun sehr bekümmert, indem er aus 
Schmerz Tränen vergofs, da er dank seinem Vedastudium 
und festen Charakter Reue empfand: 

47. (9527.) Der Herr der drei W elten, der Städtezerstörer 
(Indra) war zu meiner Einsiedelei gekommen und hatte, als 
Gast auftretend, die Gestalt eines ßrahmanen angenommen. 

48. (9528.) Ich gewann ihn durch freundliche Worte, ehrte 
ihn durch den Willkommensgrufs und verhalf ihm vorschrifts- 
raäfsig zur Gastspende und zum Fufswasser. 

49. (9523.) Ich stehe ganz zu Diensten, so sprach ich, und 
[erwartete], er werde sich infolgedessen freundlich zeigen, 
und wenn dann etwas Unpassendes sich ereignet hat, so fällt 
meinem Weibe der Fehltritt nicht zur Last. 

50. (9530.) So trifft weder mein Weib noch mich, noch 
den Wanderer, den Herrn der dreifsig Götter, ein Vorwurf 
<ier Pflichtverletzung, sondern ein Vorwurf trifft nur meine 
Unbesonnenheit. 

51. (9531.) Darum sagen die das Keuschheitsgelübde Be- 
folgenden, dafs Eifersucht zu Unheil führt, von Eifersucht aber 
war ich befallen und in einem Ozean von Übeltat versunken. 

52. (9532.) Ich habe sie getötet, die gute Frau, die leiden- 
schaftlich geliebte, die ich als Gattin hätte schützen müssen, 
wer hilft mir nun aus der Not! 

53. (9533.) In einer Anwandlung von Schwäche habe ich 
dem hochherzigen Cirakärin den Befehl erteilt; sollte er dies- 
mal wirklich ein Cirakärin (Saumseliger) gewesen sein, so 
könnte er mich vor dem Verbrechen bewahrt haben. 

54. (9584.) 0 Saumseliger, Heil sei dir, Heil sei dir, o 
Saumseliger, wenn du diesmal saumselig gewesen bist, so 
trägst du deinen Namen Cirakärika mit Recht. 

55. (9535.) Rette mich und die Mutter und den von mir 
aufgesammelten Schatz von Askese und dich selbst vor Ver- 
sündigungen, sei diesmal ein Cirakärika. 

56. (9536.) Die Saumseligkeit ist dir vermöge deiner grofsen 
Verständigkeit angeboren, so möge sie von Erfolg gewesen 
sein, sei diesmal ein Cirakärika. 

57. (9537.) Lange (ciram) wurdest du von deiner Mutter 
ersehnt, lange in ihrem Leibe getragen, mache diesmal deine 



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I 



Adhy&ya 207 (B. 26(5). 



443 



Langsamkeit erfolgreich als der Langsamhandelnde (Cira- 
kärika). 

58. (9538.) Mag er langsam handeln aus Kummer, mag 
er lange über dem gewordenen Auftrage schlafen, wegen des 
uns beide treffenden langen Kummers bedachtsam, o du Cira- 
•kärika! [Dieser Vers ist in B. in Paranthesen eingeschlossen.] 

59. (9539.) In dieser Weise von Schmerz erfüllt, o König, 
sah der grofse Rishi Gautama seinen Sohn Cirakäri[n] sich 
gegenüberstehen. 

60. (9540.) Als aber Cirakarin, von tiefem Schmerze er- 
füllt, seinen Vater erblickte, da warf er seine Waffe von sich 
und näherte sich dem Vater gebeugten Hauptes, um ihn 
gnädig zu stimmen. 

61. (9541.) Als Gautama sah, wie sein Sohn sich mit dem 
Haupte zur Erde neigte, und wie auch seine Gattin dastand 
ohne Fassung [vor Scham versteinert, nach Nil.], geriet er 
in grofse Freude. 

62. (9542.) Fortan blieb diese Gattin nicht mehr von dem 
nochherzigen geschieden, selbst wenn er in der Einsamkeit 
seine Einsiedelei bewohnte, und ebenso sein besonnener Sohn. 

63. (9543.) Töte sie, so hatte der Befehl gelautet, während 
der Sohn mit der Waffe in der Hand gehorsam dagestanden 
hatte, indes die Sache drängte und [der Vater] sich davon 
machte, obwohl es doch seine Sache war. 

64. (9544.) Und als er jetzt seinen Sohn sah, wie er sich 
zu den Füfsen des Vaters neigte, da kam ihm die Einsicht: 
Meinen Leichtsinn, zur Waffe zu greifen, macht er wieder 
gut durch seine Furcht [vor den Folgen]. 

65. (9545.) Lange lobte ihn darauf der Vater, lange küfste 
er ihn auf das Haupt, lange hielt er ihn in seinen Armen 
und rief ihm zu: Mögest du lange leben. 

66. (9&46.) So geschah es, dafs der hochweise Gautama, 
von Liebe und Freude erfüllt, zum Grufse folgendes Wort 
sprach : 

67. (9547.) Heil sei dir, o saumseliger Cirakarin, bleibe 
lange ein Saumseliger, weil ich dir als Saumseligem, o Trauter, 
langezeit ein vor Schmerz Bewahrter sein werde. 



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444 HL Mokshadharma. 

68. (itr»*8.) Und der weise Gautama, der Beste der Muni s, 
sang Lobhymnen, welche die Tugend der Langsamhandeln- 
den, Besonnenen feierten: 

69. (9UB.) Langsam möge er den Freund an sich fesseln 
und nur langsam den Gewonnenen aufgeben, denn der lang- 
sam gewonnene Freund ist wert, lange festgehalten zu werden. 

70. (9&5o.) Wer bei Liebe, Stolz, Hochmut, Betrug, Übeltat 
und bei unangenehmen Aufträgen langsam handelt, der ist 
zu loben. 

71. (955i.) Wenn bei Verwandten, Freunden, Dienern und 
Weibervolk ein Vergehen nicht klar zutage liegt, so ist es 
löblich, langsam zu handeln. 

72. (9552.) So wurde, o Bharata, dieser Gautama durch 
diese Handlungsweise seines Sohnes, o Kurusprofs, dank 
seiner Saumseligkeit erfreut. 

73. (9. r >53.) So wird ein Mensch, wenn er in allen An- 
gelegenheiten überlegt und nur langsam seinen Entschlufs 
fafst, vor langer Reue bewahrt. 

74. (9554.) Lange hält er mit dem Zorn an sich, lange 
hält er mit der Tat zurück; dann wird kein Werk von ihm 
vollbracht, das Reue nach sich ziehen kann. 

75. (9655.) Lange sitze er zu Füfsen der Alten, lange ihnen 
huldigend ehre er sie, lange betreibe er die Pflicht, lange 
beschäftige er sich mit der Forschung. 

76. (9566.) W T enn er lange den Weisen huldigt, lange die 
Gelehrten besucht und lange sich selbst zügelt, so wird er 
zu langdauernder Achtung gelangen. 

77. (9557.) Und [so wie diese Rede] soll man auch die 
Rede eines andern, wenn sie sich mit der Pflichterfüllung be- 
schäftigt, nur langsam mitteilen, auch wenn man danach ge- 
fragt wurde; dann wird man keine lange Reue erleiden. 

78. (9558.) Nachdem der askesereiche Brahmane in jener 
Einsiedelei noch viele Jahre lang seine Verehrung fortgesetzt 
hatte, ist er zugleich mit seinem Sohne in den Himmel ein- 
gegangen. 

So lautet im Mokfhadbitrma die Geschichte von dem Saumseligen 

(r,rakär,Ui-updU„jdnam) 



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Adhyäya 268 (B. 267). 



44f> 



AclhyAya 268 (B. 267). 

Vers 9559-9595 (B. 1-36). 

Yudhiahthira sprach: 

1. Wie vermag ein König seine Untertanen zu 
schützen, ohne dafs er irgendwie einmal [jemanden] hin- 
richten läfst? Darnach frage ich dich, o Bester der Guten, 
das erkläre mir, o Grofsvater. 

Bhisbma sprach: 

2. Obm.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Dyumatsena mit 
dem Könige Satyavant. 

3. (9561.) Noch nicht Ausgesprochenes sprach Satyavant 
aus, so wird erzählt, als einige auf Befehl seines Vaters ab- 
geführt wurden, um hingerichtet zu werden: 

4. f»562.) Das Recht wird zum Unrecht und das Unrecht 
zum Recht! Mag auch die Hinrichtung ein Recht sein, so 
sollte doch dergleichen nicht geschehen. 

Dyumatsena sprach: 

5. iim:\.) Wenn die Hinrichtung ein Unrecht ist, wie kann 
dann die Gerechtigkeit jemals bestehen? Wenn die Räuber 
nicht getötet werden dürfen, o Satyavant, so würde Anarchie 
die Folge sein. 

(>. (9564.) „Dieses ist mein und jenes gehört ihm 4 *, [dies** 
Scheidung] könnte im Kali -Zeitalter nicht bestehen, und 
Handel und Wandel wäre unmöglich. Wenn du da Rat 
weifst, so sage es uns. 

Satyavant sprach: 

7. (9565.) Alle die drei übrigen Kasten müssen der Brah- 
manenkaste unterworfen sein, dann wird auch jeder andere, 
der nicht den Fesseln des Gesetzes unterworfen ist, ebenso 
wie sie handeln. 

8. (9566.) Und wenn einer von ihnen sich vergehen sollte, 
dann soll ihm ein Zwiegeborener zureden, und wenn dieser 



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44G 



III. Mokühsulliurma. 



sagt: der Mensch will nicht auf mich hören, so mag der 
König strafend einschreiten. 

9. (»567.) Was der Gesetzeskanon vorschreibt, ohne da/s 
einer der Existenz beraubt wird, das mufs eingehalten und 
nicht anders, nicht ohne Prüfung der Tat und der entsprechen- 
den Gesetzesvorschrift verfahren werden. 

10. (9668.) Der König tötet den Räuber, aber zugleich 
mit ihm viele Unschuldige, denn zugleich mit dem Ver- 
brecher werden Gattin, Mutter, Vater und Sohn mitbetroffen, 
(9569.) darum möge der König, wenn sich einer gegen ihn 
vergeht, die Sache sorgfältig überlegen. 

11. Auch ein nichtguter Mensch kann mitunter einen 
guten Charakter sich aneignen. (9570.) Von einem Guten, aber 
auch von Nicht-Guten kann eine edle Nachkommenschaft er- 
zeugt werden. 

12. Man braucht nicht die ganze W urzel auszurotten, 
das befiehJt kein ewiges Gesetz; (9571.) auch wenn man sehr 
wenig von der Tötung Gebrauch macht, kann eine Sühnung 
des Verbrechens erreicht werden. 

13. Durch Einschüchterung, Gefangenschaft, Verstümme- 
lung, (9572.) und Todesstrafe soll man sie nicht vor dem Ge- 
richtshofe des Purohita quälen, 

14. sondern wenn sie den Purohita angehen und um 
Schutz bitten und sagen: (9573.) Wir wollen das Verbrechen 
nicht wieder begehen, o Priester, 

15. dann verdienen sie wohl losgelassen zu werden, das 
ist das Gesetz des Schöpfers. (9574.) Aber sogar ein mit Stab 
und Fell daherkommender kahlköpfiger Brahmane mufs [unter 
Umständen] seine Züchtigung erhalten. 

ltf. Ja, je höher einer steht, um so höher mufs die Strafe 
sein. (9575. j Vergeht sich einer zu wiederholten Malen, so 
darf er nicht freigesprochen werden, wie beim ersten Male. 

Dyumatsena sprach: 
17. (9576.) Soweit nur immer zu irgendeiner Zeit die 
Untertanen [ohne Strafe] im Zaume gehalten werden können, 
braucht das Gesetz nur in Erinnerung gebracht zu werden, 
solange es nicht übertreten wird. 



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Adhyäya 268 (B. 267). 



447 



18. (i*577.) Soll aber die Todesstrafe gar nicht mehr ver- 
hängt werden, so gerät alles in Verfall; freilich die früheren 
und noch früheren Geschlechter waren noch leicht zu regieren ; 

19. (9578.) sie waren milde, wahrheitsliebend, selten be- 
trügend und selten zornig. Zuerst war schon das „Pfui!" 
eine Strafe, ihm folgte als Strafe der Vorwurf. 

20. (»579.) Oder es genügte auch eine Vermögens- 
schmälerung als Strafe, heute aber herrscht die Todesstrafe, 
und nicht einmal durch sie ist es möglich, niedrige Menschen 
im Zaume zu halten. 

21. (»580.) Ein Räuber hat keine Gemeinschaft mit den 
Menschen, keine Gemeinschaft mit Göttern, Gandharven und 
Manen : mit wem hätte er sie ? Er ist überhaupt kein Mensch 
mehr. 

22. (9581.) Er raubt die Lotosblume vom Leichenacker 
und ist noch ein schlimmerer Dämon als ein Picäca; wer 
möchte mit diesen Unwissenden und Geistbetörten Gemein- 
schaft machen? [mit C] 

Satyavant sprach: 

23. (9582.) Wenn du durch Enthaltung vom Töten die 
Guten nicht hinreichend schützen kannst, so mache ein Ende 
[statuiere ein Exempel], indem du irgendeinen früher oder 
später dingfest machst. 

24. (9583.) Die Könige legen sich ja, um die Welt in Ord- 
nung zu halten, die gröfste Askese auf, sie schämen sieh 
solcher Übeltäter und darum benehmen sie sich so. 

25. (9584.) Aus Angst und nicht zu ihrem Vergnügen töten 
sie als Wohltäter [der Menschheit] die Bösewichter, denn 
um ihnen wohlzutun regieren doch die Könige zumeist ihre 
Untertanen. 

26. (»585.) Und so folgt die Welt dem Beispiel des jedes- 
mal Bessern, denn die Menschen richten sich immer nach 
dem Vorbilde eines Lehrers. 

27. (9586.) Wer sich selbst nicht im Zaume hält und andere 
im Zaume halten will, wer den Dingen gegenüber ein Knecht 
seiner Sinnlichkeit ist, den verlachen die Menschen. 

28. (9587.J Wer aus Trug oder Torheit jte,j:en den König 



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44* 



III. Moksliailliarma. 



etwas Unangemessenes begeht, der ist durch alle Mittel in 
seine Schranken zu weisen, dann läfst er vom Bösen ab. 

29. (s»588.) Seiner selbst mufs zuerst Herr werden, wer 
des Bösen Herr werden will, dann mag er weiterhin selbst 
die nächsten Verwandten mit schweren Strafen belegen. 

30. (9ö8jm Denn wo den gemeinen Übeltäter nicht grofses 
Leiden trifft, da nehmen die bösen Taten überhand und die 
Gerechtigkeit geht unfehlbar in die Brüche. 

31. (9590.) So hat es ein mitleidvoller, weiser Brahmane 
befohlen, und in diesem Sinne bin auch ich, o Freund, von 
früheren Vorfahren belehrt worden, 

32. (9691.) welche aus Mitleid [ihrem Volke] festes Vertrauen 
«inzuflöfsen suchten, indem sie folgendermafsen sprachen: 
Diese Welt möge ein König im Krita-Zeitalter durch das erst- 
genannte [gelindeste, oben, Vers 957s] Mittel beherrschen. 

33. (9592.) Im Treta-Zeitalter möge er vorgehen mit dem 
um ein Viertel verminderten Gesetze [vgl. oben, Vers 85oo f* ], 
im Dväpara nur mit zwei Vierteln und mit einem Viertel 
in dem letzten Zeitalter. 

34. (9593.) Aber nachdem dieses Kali-Zeitalter eingetreten 
ist, bleibt wegen der schlechten Führung des Königs und 
vermöge der Verschiedenheit der Zeit [schlief slich] nur noch 
ein Sechzehntel des Gesetzes bestehen. 

35. (9594.) Dann würde durch das erstgenannte Mittel, 
o Satyavant, Anarchie entstehen, daher mufs er in Anbetracht 
des Lebensalters, der Fähigkeit und der Zeit Bufsen auf- 
erlegen. 

3*5. (9595.) Damit für die Erlangung des Wahren die grofse 
Frucht der Gerechtigkeit hienieden nicht unzulänglich werde, 
hat aus Mitleid mit den Geschöpfen Manu Svayambhuva dieses 
verkündigt. 

So Uutet im Mukahadharraa 
die Unterredung zwischen Dyumatscna und Satyavant 

(ltijHmat*fna - Satyarant - »amrdda). 



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Adhyäya 2G9 (B. 268). 



449 



Adhyftya 269 (B. 268). 

Vers 9596-9635 (B. 1-40). 

Yudhishthira sprach: 

1. (9596.) Der Yoga freilich vermag es, ohne Beeinträch- 
tigung der Kreaturen seine sechs Vorzüge [Gottherrlichkeit, 
Wissen, Ruhm, Schönheit, Entsagung und Pflichterfüllung, 
Nil.] hervorzubringen; aber nun sage mir, o Grofsvater, die- 
jenige der beiden Pflichten, welche beider Frucht in sich befafst, 

2. (9597.) die der Hausvaterpflicht und die der Yogapflicht, 
der einen wie der andern; beide stehen ja nicht weit von- 
einander ab, was ist nun vorzuziehen, o Grofsvater? 

Blitshma sprach: 

3. (9598.) Beide Pflichten sind sehr hervorragend, beide 
sind überaus schwer zu erfüllen, beide bringen grofse Frucht 
und beide werden von Guten betrieben. 

4. (9599.) Ich werde dir jetzt die autoritative Geltung der 
beiden entwickeln; so höre, o Prithäsohn, mit ungeteilter 
Aufmerksamkeit mich an, der ich den Zweifel über den Sinn 
des Gesetzes überwunden habe. 

5. (96<x>.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen Kapila und 
einer Kuh, die vernimm, o Yudhisbthira. 

6. (9601.) Eingedenk des alten, ewigen, unverbrüchhchen 
Brauches wollte Nahusha einstmals [zu Ehren] des Tvashtar 
eine Kuh schlachten, so wird erzählt. 

7. (9602.) Als sie schon an dem Pfosten angebunden war, 
erblickte sie heiteren Geistes der wahrheitfeste, askesefrohe, 
erkenntnisreiche, mäfsige Kapila, 

8. (9603.) und er, welcher zum höchsten, festgegründeten, 
furchtlosen, edlen, nicht wankenden, wahrhaften Bewufstsein 
durchgedrungen war, sprach nur das Wort : „O diese Veden !" 

9. (9604.) Da geschah es, dafs ein Rishi mit Namen Syü- 
maracmi in die Kuh hineinfuhr und aus ihr heraus folgender- 
mafsen zu dem Asketen sprach: Ei, ei! wenn du sagen 
kannst: o diese Veden! so möchte ich wissen, von wem sind 
denn andere [bessere] Satzungen erdacht worden? 

DzcsfliK, Mafa&bbAraUm. 29 



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450 



III. Mokshadharma. 



10. (9605.) Askesereiche, Charakterfeste, in der Schrift- 
wissenschaft Gelehrte sind doch der Meinung, dafs alles, 
was im Veda vorkommt, von dem Wesenskenner uns offen- 
bart worden ist. 

U. (»bog.) Und wenn er, der Durstfreie, Leidlose, Wunsch- 
lose, völlig Werkfreie in dieser Weise in den Veden sich ge- 
äufsert hat, wie kann da einer noch etwas sagen wollen! 

Kapila sprach: 

12. (!)6o7.) Ich tadle die Veden nicht und gedenke nichts 
gegen sie zu sagen, aber in der Schrift wird gelehrt, dafs 
die Werke der Menschen in den verschiedenen Lebensstadien 
alle dasselbe Ziel haben. 

13. (yoos.) Auf dieses strebt der Entsagende [Sannyasin] 
hin, auf dieses der Waldeinsiedler, auf dieses streben beide 
hin, der Hausvater und der Brahmanschüler. 

14. (ycoö.) Denn es gibt vier ewige zu den Göttern führende 
(divayanäh) Wege, und ihr gröfserer oder geringerer Wert, 
ihre Stärke und Schwäche liegt in ihrer Frucht. 

1C>. (i»6io.) Dieses wissend, soll man alle Dinge in Angriff 
nehmen, das ist Vedalehre, und nicht anders soll man sie in 
Angriff nehmen, das lehrt die unverbrüchliche Schriftüber- 
lieferung. 

lt). (seil.) Wer sie nicht [anders] in Angriff nimmt, den 
trifft keine Schuld, wer sie aber [anders, d. h. ohne Kenntnis 
der Vedavorschrift] in Angriff nimmt, der versündigt sich 
schwer. So steht es mit dem Kanon, und doch ist aus ihm 
die Stärke und Schwäche [der zu den Göttern führenden 
Wege] schwer zu erkennen. 

17. (»Gl--'.) Wenn es nun in der Welt irgend etwas gibt, 
von dem die Erfahrung, abgesehen von der Schrift Überliefe- 
rung, lehrt, dafs es höher als die Nichtschädigung stehe, so 
nenne mir das, wenn du kannst. 

Syiimara^mi sprach : 

18. (9613.) Immer wieder [z. B. Pancav. Br. U>,3,3] heifst 
es in der Schrift: „wer nach dem Himmel begehrt, soll 
[dies oder das] opfern"; erst nachdem man die Frucht in 



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AdhyAya 2GS> (B. 2t»8). 



45 t 



Aussicht genommen hat, wird sodann das Opfer bewerk- 
stelligt. 

19. (j»6U.) Ziegenbock, Rofs, Widder, Kuh und alle Vogel- 
arten und die zahmen und wilden Kräuter dienen dem Präna 
zur Nahrung, so lehrt die Schrift [vgl. Brill. Up. «»,1,14]. 

20. (t«6i5.) Und dasselbe wird vorgeschrieben in bezug auf 
die tägliche Mahlzeit abends und morgens, und auch Haus- 
tiere und Getreidekörner bilden einen Teil des Opfers, wie 
die Schrift lehrt. 

21. (oGie.) Alles dies hat Prajapati zugleich mit dem Opfer 
erschaffen, und dieses Opfer hat Prajapati, der Herr, den 
Göttern dargebracht. 

22. (9617.) Und so sind alle die siebenmal sieben Klassen 
lebender Wesen, eines immer höher stehend als das andere, 
ja diese ganze Welt zum Opfer bestimmt bis hinauf zu dem, 
was den höchsten Namen führt [dem Purusha), wie die Veden 
lehren (Rigveda 10,90,10). 

23. (iMiis.) Das ist für zulässig erklärt worden von den 
Alten und den noch Älteren; wer, der dies weifs, möchte 
nicht immer nach seiner Leistungsfähigkeit [das Beste zum 
< )pfer J aussondern. 

24. (;»6iio Tiere und Menschen, Bäume und Kräuter ver- 
langen nach dem Himmel und kein Himmel ist ihnen 
[sicherer] als durch dieses Geopfertwerden. 

2f>. (w-jo.) Kräuter, Tiere, Bäume, Strauchwerk, Schmelz- 
butter, Milch und saure Milch, Opfersprise, Krde, Himmels- 
gegenden, Glaube und Zeit, das sind zwölf; 

20. (;m;2i.) dazu Rigverse, Yajus-Sprüche, Säman-Uieder 
und der Opferherr macht sechzehn; Agni ist als Hausvater 
anzusehen und gilt als der siebzehnte. 

27. (iw*2.) Dieses sind die Glieder des Opfers, das Opfer 
aber ist die Wurzel [der Welt], wie die Schrift sagt. Durch 
Schmelzbutter, Milch, saure Milch, Dung, Quark, Haut, 

2s. r.i6:!3.) Haare, Horn und Fufs geht die Kuh in das 
Opfer ein; so ist im einzelnen alles beschallen, was bei ihm 
vorgeschrieben ist. 

21». (y<-,24.) Diese Bestandteile, in das Opfer eingehend, 
führen es empor mitsamt den abgelohnten Priestern, diese 



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452 



III. Mokshadharma. 



fassen das alles zusammen und bringen das Opfer in 
Gang. 

30. (»625.) Denn um beim Opfer zu dienen sind sie ge- 
schaffen worden, wie die Schrift der Wahrheit gemäfs lehrt, 
so haben alle die vormaligen Menschen verfahren. 

31. (9626.) Nichts tötet oder vergewaltigt oder überlistet 
der, welcher mit dem Gedanken : das Opfer mufs dargebracht 
werden, ohne Verlangen nach Lohn opfert. 

32. (9627.) Diese Bestandteile des Opfers, wie sie in ihrer 
Reihenfolge das Opfer genannt werden, und wie sie durch die 
Vorschrift mit Gebrauchsanweisung versehen sind, stützen 
sich gegenseitig. 

33. (9628.) Die heilige Überlieferung, auf welcher die Veden 
beruhen, sehe ich als eine von Rishi's herrührende an; und 
nach ihr richten sich die Weisen, indem sie das Brahmanam 
als Richtschnur nehmen. 

34. (9629.) Von Brahmanen hat das Opfer seinen Ursprung, 
und durch Brahmanen ist es uns überliefert worden, die ganze 
Welt ist dem Opfer entsprechend gebildet, und das Opfer ent- 
spricht der Welt immerdar. 

35. (9630.) Der Laut Om ist die Quelle des Veda, dazu 
die Ausrufe: tiamas, svähä y svadhd und vashat. Wer diese 
benutzt und nach Kräften verwendet, 

36. (9631.) für den gibt es in allen drei Welten keine 
Furcht vor dem Jenseits, so lehren hienieden die Veden und 
die vollendeten höchsten Weisen. 

37. (9632.) Die Rigverse, Yajussprüche und Sämanlieder 
mit ihren richtig vorgetragenen Modulationen, bei wem das 
alles richtig vorhanden ist, der ist hienieden ein wahrer 
Zwiegeborner. 

38. (9633.) Was sonst noch bei der Feueranlegung und 
Somapressung Brauch ist, und was durch die anderen grofsen 
Opfer gewirkt wird, das weifst du ja, o Heiliger. 

39. (9634.) Darum, o Brahmane, soll man ohne Bedenken 
opfern und opfern lassen; wer nach der den Himmel be- 
treffenden Vorschrift opfert, dem wird nach dem Tode als. 
grofser Lohn der Himmel zuteil. 



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Adhyaya 269 (B. 268). 



453 



40. (963») Wer nicht opfert, dem wird wahrlich weder 
diese Welt noch die andere Welt zuteil, für beides als Autorität 
sind die Kenner der Vedaworte anzusehen. 

So lautet im Moksbadbarma die Begebenheit zwUchen Kapila und der Kuh 

(go - kapiUyan,). 



Adhyftya 270 (B. 269). 

Vers 9636-9706 (B. 1-68). 
Kapila sprach: 

1. (9636.) Das alles, soviel es ist, sehen die Asketen an 
und verfolgen ihren Weg, für sie gibt es in aller Welt keine 
Übertretung [weil sie dem Ritualgesetz nicht mehr unter- 
worfen sind]. 

2. (9637.) Frei von den Gegensätzen, von Verehrung, von 
den Fesseln der Wünsche, verständig, erlöst von allen Sünden 
wandeln sie dahin, rein und fleckenlos. 

3. (9G3*.) Sie besitzen die Gewifsheit in betreff der Er- 
lösung, Entsagung und Erkenntnis, als Brahmanhafteste, 
Brahmangewordene, in Brahman ihre Heimat Findende. 

4. (9639.) Ihnen sind die kummerlosen, staubfreien, ewigen 
Welten eigen; wozu brauchen sie, welche das höchste Ziel 
erlangt haben, erst noch Hausväter zu werden? 

Syümaravmi sprach: 

5. (964u.) Zugegeben, dafs sie das höchste Ziel, den höchsten 
\\ T eg verfolgen, so kann doch, ohne sich auf die Hausväter 
zu stützen, kein anderes Lebensstadium Bestand haben. 

6. (9641.) Wie alle Wesen, nur sofern sie auf eine Mutter 
sich stützen, ihr Leben haben, so können die übrigen Lebens- 
stadien nur bestehen, sofern sie auf den Hausvaterstand sich 
stützen. 

7. (96*2.) Der Hausvater ist es, der opfert, er ist es, der 
die Askese übt, der Hausvater ist die Wurzel jeder Pflicht 
für alles, was lebt und webt. 

8. (9643.) Alle lebenden Menschen haben sich aus der 



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451 



III. Mokshadharma. 



Zeugung und dem, was ihr folgt, entwickelt, und die Zeu- 
gung ist aufserhalb des Hausvaterstandes nicht möglich. 

9. (9644.) Und was die Gräser und Kräuter sind, und was 
aufser ihnen noch auf den Bergen wächst [entsteht auch 
durch Zeugung, und durch sie alles andere], weil ohne die 
Kräuter, ohne ihr Leben keines denkbar ist. 

10. (9645.) Wer könnte diese Behauptung als wahr hin- 
stellen, dafs vom Hausvaterstande aus die Erlösung nicht er- 
folgen könne! Nur von Ungläubigen, Unverständigen, sub- 
tiler Erkenntnis Ermangelnden, 

11. (9646.) Auswürflingen, Trägen, Matten, unter der 
Arbeit Seufzenden, Unweisen wird die Hingabe an die Ruhe 
nur im Waldeinsiedlertum gefunden. 

12. (y647.) Denn als Ursache der drei Welten und ihre 
ewige feste Begrenzung wird, als von Geburt an geheiligt, 
der geehrt, der den Namen Brahmane trägt. 

13. (9648.) Schon vor ihrer Empfängnis werden heilige 
Sprüche für die Zwiegeborenen verwendet und sind wirksam 
in Sachen des Glaubens und der Erfahrung [nach Nil.], 

14. (964».) bei der Leichenverbrennung und beim Eingang 
in einen neuen Leib, und nach diesem Eingange beim Trinken 
und Essen, beim Schenken von Kühen und anderem Vieh 
und beim Eintauchen der Manenklöfse ins Wasser. 

15. (9650.) Und auch die Abgeschiedenen, die Glanzreichen, 
die auf der Streu Sitzenden und die Fleischfressenden [arcisJi- 
mantahy barhishadah, kravyädäft, „three classes of Pitris" nach 
Pratapa Chandra Ray] sind der Meinung, dafs auch für den 
Toten Sprüche und abermals Sprüche das Wirksame sind. 

16. (9651.) Wenn dies die Veden uns entgegenrufen, wie 
sollte dann für irgendeinen [ohne den opfernden HausvaterJ 
die Erlösung möglich sein, zumal die Menschen gegen Manen, 
Götter und Brahmanen in der Schuld sind. 

17. (9652.) Von glückverlassenen, trägen Gelehrten ist diese 
Ignorierung derVedaworte aufgebracht worden wie eine Lüge, 
die den Schein der Wahrheit hat. 

18. (»653.1 Nicht wird vom Übel erfafst und fortge rafft 
der Brahmane, welcher nach Vorschrift des Veda opfert, 



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Adliyäya 270 (B. 2C9). 



455 



empor zum Himmel steigt er mit den Opfertieren, und 
selbst befriedigt, befriedigt er auch ihre Wünsche. 
VA (!H554.) Nicht durch Mifsachtung der Veden, nicht 
durch Trug und Täuschung erlangt der Mensch Grofses, 
sondern nur im Brahman (Veda) findet er das Brahman. 

Kapila sprach : 

20. (9G55.) Für den Weisen gab es das Neu- und Voll- 
mondsopfer, das Agnihotram und die Viermonatsopfer, in 
ihnen liegt ein ewiges Gesetz. 

21. (9656.) Hingegen die nichts Unternehmenden, Wohl- 
gefestigten, Reinen, die den Namen des Brahman tragen, 
diese, nach Unsterblichkeit verlangend, erfreuen die Götter 
nur durch ihr Brahman (heiligen Wandel). 

22. (9657.) W r er auf alle Wesen hinblickt als einer, der 
zum Selbste aller Wesen geworden ist, an dessen Weg werden 
sogar die Götter irre, verfolgend des Spurlosen Spur. 

23. (9658.) Den Menschen, der vier Tore [Arme, Rede, 
Bauch, Genitalien] und vier Pforten [Leib, Sinne, Manas, 
Buddhi] hat, betritt er [der Atman] vermittelst der Be- 
lehrung als vierfaltiger [Viräj, Süträtman, Antaryümin 
und Cuddha; die Ergänzungen nach Nil.]; dabei soll man 
von Armen, Rede, Bauch und Genitalien aus deren Tor- 
eingang als Torwächter zu bewachen suchen. 

24. (9659.) Man spiele nicht mit Würfeln, man nehme 
kein fremdes Eigentum, man befasse sich nicht mit der 
gekochten [Opferspeise, Nil.] eines Unebenbürtigen 
fayoniyaj; erzürnt, möge der Weise nicht zu Tätlich- 
keiten schreiten, so werden seine Hände und Füfse wohl 
bewacht sein. 

25. (9660.) Er lasse sich nicht zu Schmähungen fort- 
reifsen, er führe nicht lose Reden, er befasse sich nicht 
mit Angeberei und Nachrede; er sei wahren Gelübdes, 
mafsvoller Rede und besonnen, dann ist bei ihm das Tor 
der Rede wohlbewacht. 

2ö. (9661.) Er enthalte sich nicht der Speise, nehme 
aber auch nicht viele Speise zu sich, sei ohne Habgier 
und in Gesellschaft der Guten, nehme Nahrung nur ein, 



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456 



III. Mokshadharma. 



um sein Leben zu erhalten, dann ist bei ihm das Tor 
des Bauches wohlbewacht. 

27. (9662.) Er soll sich nicht mit einem Weibe, die 
eines Edlen Gattin ist, vergnügen, er soll auch nicht ein 
Weib durch Unwahrheit an sich locken, das Ehegelübde 
bewahre er treu im Herzen, dann ist bei ihm das Tor 
der Genitalien wohlbewacht. 

28. (9663.) W r er als Weiser alle diese Tore wohlbewacht, 
Genitalien, Bauch, Arme und Rede, der ist ein wahrer Zwie- 
geborener [wohl dvijah zu lesen]. 

29. (9664.) Alles aber ist nutzlos für den, der diese Tore 
nicht bewacht; was nützt ihm Askese, was Opfer, was der 
Ätman ! 

30. (9665.) Wer kein Ubergewand trägt, keine Streu als 
Lager benutzt, nur die Arme als Kopfkissen hat und be- 
ruhigten Gemütes ist, den erkennen die Götter als einen 
Bnihmanen an. 

31. (9666.) Wer an der Ruhe vor allen Gegensätzen einzig 
als Weiser seine Freude hat und sich um die anderen nicht 
bekümmert, den erkennen die Götter als einen Brahmanen an. 

32. (9667.) Wer alles vollkommen erkannt hat, die Ur- 
natur fprakritij und ihre Entfaltungen und die Ziele aller 
Wesen kennt, den erkennen die Götter als einen Brah- 
manen an. 

33. (9668.) Wenn einer sich vor allen Wesen nicht mehr 
fürchtet und alle Wesen nicht mehr vor ihm, wer zum Selbste 
aller Wesen geworden ist, den erkennen die Götter als einen 
Brahmanen an. 

34. (9669.) Die Menschen aber nehmen ununterbrochen zu 
ihrer Richtschnur die Frucht von Gaben, Opfern und Zere- 
monien, indem sie alles jenes [Gesagte] verkennen, da etwas 
anderes sie als Frucht lockt. 

35. (9670.) Von solchen, welche sich auf die vermöge ihrer 
Werke betriebene, furchtbare Askese stützen, haben sie dieses 
als alten, ewigen, unverbrüchlichen guten Wandel über- 
nommen, 

36. (967i.) und doch sind sie nicht imstande, dasjenige, 
was [in Wahrheit] im Gesetze vorgeschrieben wird, irgendwie 



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Adhyäya 270 (B. 269). 



457 



zu erfüllen, denn der Wandel, welcher es sich zum Gesetze 
macht, kein Unheil [durch Tötung] anzurichten, ist der wahr- 
haft besonnene und unumstöfsliche ; 

37. (9672.) sie aber sehen nur auf die fruchtbringenden 
Werke, welche ihnen als gediegen entgegenglänzen und doch 
kraftlos sind und des einen wahren Zieles entbehren. 

38. (»673.) Auch sind die dabei [beim Opfer] wirkenden 
Faktoren sehr schwer zu erkennen und, werden sie erkannt, 
sehr schwer in die Tat umzusetzen, und wenn sie auch rich- 
tig ausgeführt sind, so bringen sie doch nur endliche Frucht, 
das siehst du selbst wohl ein. 

Syümara^mi sprach: 

39. (9674.) [Wie kann es zusammen bestehen], dafs der 
Veda die Richtschnur, und dafs doch die Entsagung das 
wahrhaft Fruchtbare ist? Das sind doch offenbar zwei ver- 
schiedene Wege! Erkläre mir das, o Heiliger. 

Kapila sprach: 

40. (9675.) Wenn ihr hienieden euch auf einem richtigen 
Wege befindet, so habt ihr dabei ein sichtbares [Ziel] vor 
Augen; was ist denn nun das sichtbare Ziel dabei, was ihr 
so hochschätzt? 

Syümara<;mi sprach: 

41. (9676.) 0 Brahmane, ich, Syümaracmi, bin hierher ge- 
kommen, um mich zu belehren, aus Verlangen nach dem 
Heil habe ich dich angesprochen in ehrlicher Absicht und 
nicht um blofs zu reden. 

42. (9677.) Und diesen furchtbaren Zweifel mögest du, 
o Heiliger, mir lösen. Wenn ihr hienieden euch auf einem 
richtigen Wege befindet, so habt ihr dabei ein sichtbares 
[Ziel] vor Augen, (9678.) was ist denn nun das so sehr sicht- 
bare Ziel, was ihr hochschätzt 

43. als den Inhalt der heiligen Überlieferung als solcher 
und abgesehen von den argumentierenden Lehrbüchern? 
(9679.) Die heilige Überlieferung besteht in den Worten dos 



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458 



111. Mokshadhanna. 



Veda, aber [gewisse] argumentierende Lehrbücher sind auch 
heilige ("berlieferung. 

44. Nach dem Lebensstadium, in dem man steht, richtet 
sich das, was man [als Pflicht] hochschätzt, dann kommt die 
heilige Überlieferung zu ihrem Rechte, (9680.) und dafs sie zu 
ihrem Rechte komme, darin besteht das sichtbare Ziel, denn 
dies ist klärlich überliefert 

4f>. Wie ein Schiff, welches an ein anderes Schiff ge- 
bunden ist, durch dessen Dahinschiefsen mit fortgerissen wird, 
weil es gebunden ist, (»681.) — wie kann einer, o Brahmane, 
sich von seinen irrigen Ansichten freimachen? Das mögest 
du, o Heiliger, mir sagen, ich komme als Schüler, belehre 
mich, o Herr. 

40. (9682.) Es gibt keinen Entsagenden, keinen Zufriedenen, 
keinen Kummerlosen, keinen von Krankheit Freien, keinen 
Wunschlosen [lies: na nirvidhiisah], keinen Insichgekehrten, 
keinen von der Welt Abgekehrten, wer es auch sei. 

47. (9083.) Auch ihr freut euch und betrübt euch, so gut 
wie wir; auch euch sind die Sinnendinge mit allen übrigen 
Geschöpfen gemeinsam. 

48. (y<?84.) Da dieses in bezug auf die Tätigkeit der vier 
Kasten und Lebensstadien, welche alle auf demselben Grunde 
stehen, klar ist, was gibt es da, was wirklich gesund wäre? 

Kapila sprach: 

41*. (M8ft.) Jeder Kanon, den einer sich bei seinem Tun 
als Richtschnur nimmt, fuhrt zum Ziele, und was auch immer 
einer recht betreibt, das ist über Anfeindungen erhaben. 

50. (9G8i;.) Die Erkenntnis lenkt das Schiff eines jeden, 
der die Erkenntnis zur Richtschnur nimmt; eine Handlungs- 
weise, welche von der Erkenntnis abweicht, bringt die Leute 
ins Verderben. 

51. («687.) Wenn ihr die Erkenntnis habt, dann seid ihr 
sicherlich in jedem Sinne unanfechtbar, und zur Einheit mit 
dem Ätman kann jeder irgend einmal gelangen. 

52. f«688.) Aber manche Menschen, welche, vertrauend auf 
die Macht ihrer Rede, den Kanon nicht in Wahrheit verstehen, 



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Adhyftya 270 (B. 2tJ9). 



werden von Begierde und Hafs überwältigt und geraten unter 
die Herrschaft des Ahankära (der Selbstsucht). 

53. (%sn.) Die wahre Wesenheit der Lehrbücher nicht 
verstehend, sind sie nur die Sklaven der Lehrbücher, Diebe- 
an Brahman, ohne Halt, dem Trug und der Täuschung hin- 
gegeben. 

54. («690.) Sie sehen überall nur Untugend und mögent 
sich daher nicht mit Tugenden befassen; sie sind das ver- 
körperte Tamas, und Tamas ist ihr höchstes Ziel. 

55. (%üi.) Wer ein der Prakriti gemäfser Mensch ist und 
unter der Herrschaft der Prakriti steht, dem sind zu eigen 
Hafs und Begierde, Zorn, Trug, Unwahrheit und Rausch, 
(9f.:«2.) und diese aus der Prakriti entspringenden Eigenschaften 
haften ihm immerdar an. 

56. Wer in dieser Weise nach reiflicher Überlegung die 
Sache ansieht, der lafst Gutes und Böses hinter sich, (iwja.) ea 
sind die, welche nach dem höchsten Ziele trachten, als Selbst- 
bezwinger, der Bezwingung froh. 

Syümaracmi sprach : 

57. (9694.) Das alles ist [auch] von mir, o Brahmane, auf 
Grund des Schriftkanons verkündet worden, denn ohne- 
Kenntnis des Schriftinhalts kann das rechte Tun nicht er- 
folgen. 

58. (9695.) Jeder vernunftgemäfse Lebenswandel entspricht, 
dem ganzen Kanon, so lehrt die Schrift, und was nicht ver- 
nunftgemäfs ist, das ist auch gegen den Kanon, das ist es„ 
was die Schrift lehrt. 

51*. (9696.) Nicht gibt es ein rechtes Tun ohne den Schrift- 
kanon, das ist ganz gewifs, und was den Vedavorschriftcrc 
widerstreitet, das geht gegen den Kanon an, so lehrt die- 
Schrift. 

60. (9697.) Viele, welche sich an die erscheinende Welt 
halten, haben eine von der Schrift abweichende Anschauung 
(ihre Erkenntnis ist durch Unwissenheit getrübt, sie er- 
mangeln der Erkenntnis und sind von Tamas umhüllt, — 
dies nur in C), (9698.) sie sehen nicht ihre von der Schrift 
gerügten Fehler und leiden doch so gut wie wir [die wir 



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400 



III. Mnkshadhanua. 



unsere Versündigungen gegen die Schrift empfinden]; denn 
auch euch sind die Sinnendinge [und ihre Qual] mit allen 
übrigen Geschöpfen gemeinsam. 

61. (9699.) Da dieses in bezug auf die Tätigkeit der vier 
Kasten und Lebensstadien, welche alle auf demselben Grunde 
stehen, allüberall klar ist, 

62. (97oo) so ist es nur für einen, welcher die Ewigkeit 
preist, die Kraft dazu hat und seinen Geist auf sie richtet, — 
denn [bei uns übrigen] ist die Erkenntnis durch Unwissen- 
heit getrübt, [wir] ermangeln der Erkenntnis und sind von 
Tamas umhüllt [dies nur in B.]. — 

63. nur für diesen Einen, dem Yoga Hingegebenen, wel- 
cher in jedem Sinne seine Aufgabe vollendet hat, (9701.) ist es 
möglich, allein von dem gereichten Bissen lebend mit Be- 
herrschung seines Selbstes (C. allüberall) umherzuschweifen, 
(nur für diesen, der sich auf Streiten nicht mehr einläfst, in 
sich klar ist und Beherrschung seines Selbstes besitzt, — dies 
nur in C.) 

64. (9702.) nur für diesen ist es möglich, gestützt auf 
[gewisse] Vedalehren, zu behaupten, das sei die Erlösung, 
indem er dabei vom Schriftkanon, der unsere Regel ist, ab- 
geht und alle Welt tadelt. 

6;>. (9703.) Unser Werk aber, welches auf eine Familie 
sich stützt, ist sehr mühsam auszuführen: zu spenden, zu 
studieren, zu opfern, Kinder zu zeugen und dabei recht- 
schaffen zu bleiben. 

66. (9704.) Wenn einer das alles tut und dadurch nicht 
die Erlösung erreichen soll, dann ist es schade um den Täter 
und seine Werke, denn alle seine Mühe ist verloren. 

67. (9705.) Nein! Jedes andere Verhalten, das dem Veda 
den Rücken kehrt, ist Nihilismus. Wie so etwas zur ewigen 
Erlösung führen soll, das möchte ich, o Heiliger, sogleich 
von dir hören. 

68. f!»7oe.) Sage mir die Wahrheit, o Brahmane, ich will 
dein Schüler sein, belehre mich, o Meister! Wie die Erlösung 
von dir Wiganden wird, das möchte ich gern von dir lernen. 

So Uiiu-t iui ]•: l>s!i:id»tarni» die Begebenheit zwischen Kapiln and der Kuh 

(go • kopiliyam). 



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Adhy&ya 271 (B. 270). 



AdhyAya 2U (B. 270). 

Vers 9707-0754 (B. 1-47). 

- 

Kapila sprach; 

1. (9707.) Die Veden sind Autorität für alle Welten, nicht 
handelt es sich um ein Verfahren, das dem Veda den Rücken 
kehrt. Aber: Zwei Brahman's mufs der Mensch kennen, das 
Wortbrahman und das höchste, 

2. (9708.) wer im Wortbrahman bewandert ist, ei reicht 
auch das höchste Brahman (vgl. oben Vers 8540fg.). Das 
Wesen des Leibes macht das aus, was [als Empfängnis- 
zeremonie usw. Nil.] in der Vedavorschrift den Leib bildet. 

3. (97oy.) Denn der Brahmane, dessen Körper in reiner 
Weise gebildet wurde, ist ein würdiges Gefäfs; in diesem 
Sinne verstehe die ewige Erlösung [als Frucht] der Werke, 
ich will sie dir erklären, 

4. (9710.) wie sie besteht [auch] ohne heilige Lehre und 
ohne Tradition als eine sichtbare und von der Welt bezeugte. 
Diejenigen, welche die Opfer nur aus Pflichtbewufstsein und 
ohne Hoffnung auf Lohn ausüben, 

5. (97ii.) sind zum Entsagen durchgedrungen, frei von 
Begehren, von Mitleid und Unzufriedenheit unberührt; das 
ist der Weg zum Reichtum, dafs man Würdige beschenkt. 

6. (9712.) Niemals auf böse Wege geratend, aber doch, 
dem Werke hingegeben, an Geist und Gedanken vollkommen, 
im sicheren Besitze reiner Erkenntnis, 

7. (9713.) frei von Zorn und Murren, ohne Eigenliebe uml 
Selbstsucht, in der Erkenntnis fest, dreimal rein und am 
Wohlsein aller Wesen sich erfreuend, 

8. (97U.) so waren von je meistenteils die Hausväter, in 
ihren Werken ohne Übertretung beharrend, und so waren 
auch die ihrer Aufgabe hingegebenen Könige und die nach 
der Vorschrift lebenden Brahmanen. 

9. (9715.) Gleichmütig waren sie und gradsinnig, zu- 
frieden und im sicheren Besitz der Erkenntnis, ihre Pflicht 
klar vor Augen habend, rein, gläubig im höchsten und tiefsten 
[Brahman]. 



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4G2 



III. Moksliadharma. 



10. (97if5.) Von altersher wohlbereiteten Geistes und ihre 
<jelübde geziemend beobachtend, befolgten sie das Gesetz, 
auch in Elend und Not treu zusammenhaltend. 

11. (y<i7.) Und indem sie treu zusammenhaltend das Ge- 
setz übten, war dieses von jeher ihre Freude und niemals 
brauchte ihnen eine Sühne auferlegt zu werden. 

12. (9718.) Denn die wahrhafte Pflicht übend, galten sie 
für völlig unüberwindlich, sie dienten nicht der Sinnenwelt, 
noch im geringsten dem Schein der Pflicht. 

13. (9719.) Nur die vorzüglichste Möglichkeit wUhlten sie 
sich gemeinsam als Richtschnur, und niemals brauchte ihnen 
eine Sühne auferlegt zu werden. 

14. (97-jo.) Denn für solche, welche diese Vorschrift be- 
harrlich verfolgen, ist keine Sühne erforderlich, nur für einen 
schwachen Charakter besteht die Sühnung, so lehrt die Schrift. 

15. (97.'i.) Von dieser Art gab es in alter Zeit viele opfer- 
bringende Priester, grofsgezogen in der dreifachen Wissen- 
schaft, rein, von gutem Wandel und ruhmreich, 

10. (9722.) Tag für Tag die Opfer vollbringend, festhaltend 
an der Wunschlosigkeit und weise. Bei denen waren Opfer 
und Veden und Werke der heiligen Überlieferung gemäfs, 

17. (9723.) das Vedastudium erfolgte zur rechten Zeit und 
<lie Entschliefsungen am rechten Orte, bei ihnen, welche frei 
von Begierde und Zorn, einem schwer zu befolgenden Wandel 
oblagen 

18. (9721.) und, scharf ihre eigenen Werke betreibend, von 
Natur geschärften Geistes, geradsinnig, in der Gemütsruhe 
beständig, ihrer eigenen Werke sich befleifsigten, 

19. (972').) diesen war die vollständige ewige Erlösung 
gewifs, so lehrt uns die unvergängliche Schrift. Von ihnen, 
welche unverdrossenen Gemütes einen schwer zu vollbringen- 
den Wandel übten 

20. (972G.) und mit den ihnen obliegenden Werken über- 
häuft waren, wurde eine furchtbare Askese geübt. Von solchen 
aber, welche diesen guten, wunderbaren, alten, ewigen, festen 
Wandel 

21. (9727.) nicht irgendwie einzuhalten vermochten, nament- 
lich nicht die Feinheit in den Gesetzesbestimmungen — denn 



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Adhyäya 271 (B. 270). 



463 



der Wandel, welcher es sich zum Gesetze macht, kein Unheil 
[durch Tötung] anzurichten, ist der wahrhaft besonnene und 
unumstöfsliche, 

22. (9728.) und durch ihn gab es in allen entstandenen 
Kasten keinerlei Übertretung, — von solchen wurde, wie die 
Brahmanen wissen, die eine Lebensordnung in die vier Lebens- 
stadien zerlegt. 

23. (97*9.) Diese [neu geschaffene Ordnung] sich an- 
eignend, gelangen die Guten zum höchsten Ziel. Die einen, 
aus dem Hausvaterstande austretend, ziehen [als Vänaprastha] 
in den Wald hinaus, 

24. (9730.) nachdem sie vorher sich dem Hause gewidmet 
hatten. Von beiden verschieden sind die Brahmanschüler, und 
alle diese sind es, welche, als Z wiegeborene zu Sternen ge- 
worden, am Himmel sichtbar sind. 

25. (9731.) wie die Mondhäuscr an ihren bestimmten Plätzen 
als zahlreiche Sternhaufen, nachdem sie die ewige Erlösung 
dank ihrer Vollberuhigung erlangt haben, — so lehrt's der 
Veda. 

2t>. (9732.) Und wenn solche wiederum zum Samsära zu- 
rückkehren und in einen Mutterschofs eingehen, so werden sie 
doch niemals durch 1 beitaten befleckt, welche aus [früheren] 
Werken entspringen. 

27. (973:0 So steht es mit dem Brahmanschüler, welcher 
dem Lehrer gehorsam und in erhabener Sicherheit dasteht; 
wer so sich hingab, der ist ein wahrer Brahniane, jeder 
andere ist ein Schein-Brahmane. 

28. (973+.) In dieser Weise gehört das Werk dem Mensehen 
an, so heifst es, mag es gut oder böse sein. Die, welche so 
von Sünde gereinigt sind durch das Bewufstsein des Ewigen 
und durch die Schrift, 

21). (9735j denen wird die volle ewige Erlösung zuteil, so 
lehrt uns die unvergängliche Schrift, ihnen, welche von 
Begierde (trithna) freigeworden, reingewaschen und edlen 
Wesens sind. 

30. (97hg.) Die vierte Pflicht, welche in den l'panishad's 
gelehrt wird, ist gemeinschaftlich für alle, so bestätigt es 
die Tradition famritij; sie wird von den Vollendeten allezeit 



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4 04 III. Mokshadharma. 

vollbracht, von den Brahmanen, die sich selbst bezwungen 
haben. 

31. (9737.) Ihre Wurzel ist Zufriedenheit, ihr Wesen Ent- 
sagung, das Wissen wird ihr Standort genannt, sie ist die 
Erlösung verleihende Erkenntnis, die ewige, unvergängliche 
Pflicht des Selbstbezwingenden. 

32. (9738.) Mag sie [mit den übrigen drei Acraraa's] ver- 
bunden oder für sich allein stehen, man übt sie nach Kräften, 
sie ist jedem zugänglich, der so oder so zum Frieden ge- 
langt, und nur der Schwache erlahmt in ihr, (9739.) aber der 
Reine, der nach der Stätte des Brahman strebt, wird aus 
dem Samsära erlöst. 

Syümaracmi sprach: 

33. (9740.) Diejenigen, welche geniefsen, welche schenken, 
welche opfern und welche studieren, und wiederum diejenigen, 
welche infolge ihrer Erkenntnis der Sinnenwelt sich der Ent- 
sagung weihen, 

34. 19741.) welcher von diesen allen ist nach dem Tode 
der am sichersten den Himmel Gewinnende? Das sage, o 
Brahmane, mir, der ich dich mit Bestimmtheit befrage. 

Kapila sprach: 

35. (9742.) Alle jene schönen Lebenstätigkeiten tragen 
zur Tugendhaftigkeit bei, erreichen aber nicht die Wonne der 
Entsagung, das wirst auch du einsehen. 

Syftmaracmi sprach: 

36. (9743.) Ihr beharrt beständig in der Erkenntnis, und 
der Hausvater verläfst sich auf die Werke, aber in bezug 
auf das Endziel sind alle Lebensstadien einig, wie man weifs. 

37. (9744.) Mögen sie als Einheit oder voneinander ge- 
sondert betrachtet werden, in diesem Punkte sind sie nicht 
voneinander verschieden. Wie das der Vernunft nach sich 
verhält, das sage mir, o Heiliger. 

Kapila sprach: 

38. (9745.) Die Werke sind Läuterung des Leibes, die Er- 
kenntnis ist das höchste Ziel. Wenn die Sünde durch die 



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Adhyäya 271 (B. 270). 



465 



Werke abgeschmolzen ist und das Bewufstsein des Ge- 
schmackes [an dem Höchsten] sich einstellt, 

39. (9746.) dann folgen Wohlwollen, Geduld, Beruhigung, 
Nicht-Schädigung, Wahrhaftigkeit, Geradheit, Redlichkeit, 
Freiheit von Hochmut, Schamhaftigkeit , Ausdauer und Ge- 
mütsruhe. 

40. (9747.) Das sind die Pfade, welche zu Brahman fuhren, 
durch sie erlangt man, was das Höchste ist; dieses wissend, 
möge man im Geiste den bestimmten Wert der Werke ver- 
stehen. 

41. (9748.) Der Weg, welchen die in jeder Hinsicht be- 
ruhigten, geläuterten, erkenntnisfesten Brahmanen mit Freudig- 
keit gehen, das ist der höchste Weg. 

42. (9749.) Wer die Veden und das zu W issende nach 
seiner Bedeutung erkannt hat, wer so ist, der wird ein Veda- 
kenner genannt, jeder andere ist nur ein W indmacher. 

43. (9750.) Wer den Yeda kennt, der kennt alles, im Veda 
ist alles gegründet, denn im Veda ist das Fundament für 
alles zu finden, für das Seiende und für das Nicht-Seiende. 

44. (9751.) Das ist das Fundament allüberall dessen, was 
ist und was nicht ist, für den, der das Ende und die Mitte, 
das Seiende und das Nicht-Seiende versteht. 

45. '(97f»2.) Mit dem Worte Entsagung wird alles gesagt, 
was im Veda aufgestellt ist; das Wort Befriedigung folgt 
ihm nach, in der Erlösung wurzelnd. 

40. (9753.) Recht, Wahrheit, Gewufstes, Wifsbares, All- 
seele, Bewegliches und Unbewegliches, alle Freude, was 
selig macht und mehr als das, das unoffenbare Brahman, 
der Urgrund, das Unvergängliche, 

47. (9754.) Energie, Geduld, Beruhigung, Gesundheit, 
Schönheit und was dem gleich ist, der ewige feste 
Himmel, durch alle diese wird es mit den Augen der Er- 
kenntnis errungen, ihm sei Verehrung, dem Brahman 
und dem Brahmanträger. 

So lautet im Mokahailhartnu die H«>Bchenti«-it zwingen Ka|>iU und .Irr Kuu 

<<j>,- kttpiliijam). 



DcrisiK, MahAbh&ratam 



30 



in. Mokshadhurma. 



Adhyftya 2T4 (B. «71). 

Vera 9755-9810 (B. 1-56). 

Yudhishthira sprach: 

1. (9755.) Die Veden, o Bhärata, rühmen das Gute, das 
Nützliche und das Angenehme; welches von diesen dreien zu 
erlangen ist am wünschenswertesten? Das sage mir, o Grofs- 

vaier. 

Bhishma sprach: 

2. (9756.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte er- 
zählen von dem, was einstmals Kundadhära aus Liebe einem 
Verehrer zu Nutzen getan hat. 

:>. (9757.) Ein gewisser armer Brahmane betrieb das Gute 
um des Angenehmen willen und übte, nach dem Nützlichen 
trachtend, um des Opfers willen grausame Askese. 

4. (9758.) Nachdem er sich darin befestigt hatte, verehrte 
er die Götter, aber trotz der Verehrung, die er den Göttern 
zollte, gelangte er nicht zu Reichtum. 

.">. (9759.) Da kam er auf den Gedanken: Welche Gott- 
heit, deren Ohr von Menschen noch nicht betäubt ist, möchte 
mir sogleich gnädig sein? 

♦'». (9760.) Da sah er einen Diener der Götter, den Wolken- 
Genius Kundadhära mit freundlicher Gesinnung vor sich 
stehen. 

7. (»761.) Als er diesen Grofsarmigen erblickt hatte, fühlte 
er Zuneigung zu ihm und dachte: Dieser wird mir Glück 
bringen, denn von solcher Art ist seine Gestalt; 

s. (9762.) er steht sicher einer Gottheit nahe und wird 
nicht von anderen Menschen umlagert; der wird mir Reich- 
tum verschaffen, mächtig viel und in kurzer Zeit. 

y. (9763.) Und der Brahmane begann ihn mit Räucher- 
werk, Wohlgerüchen, bunten Kränzen und mancherlei Spenden 
zu verehren. 

10. (9764.) Da wurde der Wolkengenius in kurzer Zeit 
freudig gestimmt und sprach zu ihm das folgende, zur Hilfe- 
leistung verbindende Wort : 



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Adhyaya 272 (B. 271). 



467 



11. (9765.) „Für einen Brahmanenmörder, einen Brannt- 
weintrinker, einen Dieb, einen Gelübdebrecher ist von den 
Guten eine Sühnung vorgeschrieben, — fiir einen Undankbaren 
gibt es keine Sühnung. 

12. (9766.) Des Wunsches Tochter ist die Ungerechtig- 
keit, der Zorn ist der Sohn der Unzufriedenheit, die Hab- 
sucht ist das Kind der Gemeinheit, der Undankbare züchtet 
keine Nachkommenschaft [die noch schlimmer wäre]." 

13. (9767.) Darauf begab es sich, dafs dieser Brahmane 
durch die Zauberkraft des Kundadhära, während er auf einer 
Streu von Kucagras schlief, alle Wesen schaute. 

14. (9768.) Vermöge seiner Gemütsruhe, Askese und Fröm- 
migkeit sah der von Glücksgütern entblöfste, herzensreine 
Brahmane in der Nacht ein Traumgesicht. 

15. (9769.) Er sah nämlich vor sich stehen im Kreise der 
Götter den glanzreichen und edelgesinnten Manibhadra [einen 
Bruder des Kubera, des Gottes des Reichtums], wie er seine 
Verfügungen traf, o Yudhishthira. 

16. (9770.) Dabei verliehen die Götter Königreiche und 
Schätze, wo sie durch gute Werke günstig gestimmt worden 
waren, und entzogen sie den Bösen. 

17. (9771.) Und während alle Yakshas zusahen, neigte sich 
der glanzreiche [Wolkengenius] Kundadhära und warf sich 
vor den Göttern nieder, o Stier der Bharata's. 

18. (9772.) Aber der hochherzige Manibhadra, von den 
Göttern dazu aufgefordert (tu (hvavacanät, C), sprach sodann 
zu ihm, der vor ihm auf dem Boden lag: o Kundadhära, 
was ist dein Begehr? 

Kumladliara sprach : 

19. (9773.) Wenn die Götter mir gnädig sein wollen, so 
ist da ein mir treuergebener Brahmane, für den erbitte 
ich als Gnade, dafs etwas geschehe, was seinem Glücke 
aufhilft. 

20. (9774.) Darauf sprach Manibhadra zu diesem glanz- 
reichen Kundadhära, von den Göttern dazu aufgefordert, 
wiederum folgendes Wort: 

30* 



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468 



III. Mokshadharma. 



Manibhadra sprach : 

21. (9775.) Steh auf, steh auf, Heil sei dir, dein Wunsch 
sei gewährt, sei glücklich! Wenn jener Brahmane nach Reich- 
tum begehrt, so mag ihm Reichtum gegeben werden. 

22. (,9776.) Soviel Reichtum jener Brahmane, dein Freund,, 
begehren mag, soviel will ich ihm auf Befehl der Götter an 
unermefslichem Reichtum geben. 

23. (9777.) Da bedachte Kundadhara das Schwankende 
und Unsichere des Menschen wesens, und er richtete seine 
Absicht für den Brahmanen auf Askese, o Yudhishthira. 

Kundadhara sprach: 

24. (9778.) Ich bitte nicht um Reichtum für meinen Brah- 
manen, o Schätzespender, ich wünsche, dafs meinem Ver- 
ehrer eine andere Gnade verliehen werde. 

25. (9779.) Nicht wünsche ich ftir meinen Verehrer die 
ganze mit Edelsteinen erfüllte Erde, nicht etwas Grofses, 
keinen Haufen von Juwelen, sondern ich wünsche, dafs er 
ein rechtschaffener Mann werde. 

26. (9780.) Möge sein Geist sich an Gerechtigkeit erfreuen,, 
möge er von Gerechtigkeit leben, Gerechtigkeit sei sein Höch- 
stes; das habe ich mir als Gnade für ihn ausgedacht. 

Manibhadra sprach: 

27. (9781.) Gerechtigkeit bringt jederzeit als Frucht Herr- 
schaft und mancherlei Freuden, möge er diese Früchte ge- 
niefsen frei von körperlichen Plagen. 

Bhlshma (der Erzähler) sprach: 

28. (9782.) Darauf wiederholte der hochberühmte Kunda- 
dhara mehrfach seine Bitte um [Verleihung von] Gerechtig- 
keit, und die Götter waren erfreut darüber. 

Manibhadra sprach: 

29. (9783.) Alle Götter sind zufrieden mit dir und ebenso 
mit jenem Z wiegeborenen, er soll gerechten Wesens werden 
und auf Gerechtigkeit seinen Sinn richten. 

30. (9784.) Da freute sich der Wolkengenius, da er seinen 



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Adhyaya 272 (B. 271). 469 

Zweck erreicht, o Yudhishthira, und die in seinem Herzen 
gewünschte und von anderen schwer zu gewinnende Gabo 
erlangt hatte. 

31. (9785.) Da erblickte der Beste der Z wiegeborenen feine 
Kleider, welche neben ihm ganz nahe ausgebreitet lagen, und 
fand an ihnen kein Wohlgefallen. 

Der Brahmane sprach : 

32. (yisi;.) Der da oben beachtet meine frommen Werke 
nicht, welcher andere Gott wird sich dann aus meinen 
Leistungen etwas machen! Ich gehe in den Wald, es ist 
besser, der Gerechtigkeit zu leben. 

Bhisbma (der Erzähler) sprach: 

33. (9787.) Vermöge seiner Weltverdrossenheit und der 
Gnade der Götter ging der Beste der Zwiegeborenen darauf 
in den Wald und übte gewaltige Askese. 

34. (9788.) Von dem, was die Götter und die Gäste übrig 
liefsen, von Früchten und Wurzeln nährte sich der Z wie- 
geborene; da erstarkte sein Geist in der Gerechtigkeit, 
o grofser König. 

35. (978y.) Darauf verzichtete der Zwiegeborene auf alle 
Früchte und Wurzeln und lebte nur noch von Blättern, dann 
aber gab er auch die Blätter auf und nährte sieh nur noch 
von Wasser. 

36. (9790.) Weiterhin aber verbrachte er viele Jahre, in- 
dem er nur von der Luft lebte, aber seine Lebenskraft liefs 
nicht nach, es war wie ein Wunder. 

37. (979i.) Ihm, der sein Vertrauen auf die Gerechtigkeit 
setzte und in furchtbarer Askese lebte, wurde nach langer 
Zeit ein göttlicher Blick zuteil, 

38. (9792.) und es wurde ihm klar: Wenn ich jetzt je- 
mandem, weil ich mit ihm zufrieden bin, [durch die Kraft 
meiner Askese] Reichtum geben wollte, so würden meine 
Worte nicht unerfüllt bleiben. 

39. (9793.) Da nahm er mit heiterem Angesicht noch 
stärkere Askese in Angriff und überlegte als Vollendeter weiter, 
was er wohl als Höchstes begehren möchte. 



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470 



III. Mokshiulharma. 



40. (9794.) Wenn ich jetzt jemandem, weil ich mit ihm 
zufrieden bin, ein Königreich geben wollte, so würde er als- 
bald König sein und meine Worte würden nicht unerfüllt 
bleiben. 

41. (9795.) Da erschien ihm, o Bharafca, leibhaftig Kunda- 
dhara, kraft der Askese des Brahmanen und auch von Freund- 
schaft zu ihm angetrieben. 

42. (9796.) Als er diesen nun gegenwärtig vor sich sah,, 
da zollte der Brahmane dem Kundadhara die gebührende Ver- 
ehrung und stand von Erstaunen erfüllt, o Fürst. 

43. (9797.) Da sprach Kundadhara: Das höchste göttliche 
Auge ist dir verliehen, so sieh dir einmal mit diesem Auge 
den Weg der Könige und die Welten an, o Brahmane. 

44. (9798.) Da sah der Brahmane mit seinem göttlichen 
Auge von ferne, wie Tausende von Königen in die Hölle 
gestürzt waren. 

^Kundadhara sprach: 

45. (9799.) Wenn du, der du mich mit Liebe verehrt 
hast, einmal ins Unglück geraten solltest, was könnte ich 
dann etwa für dich tun, welche Gnade könnte ich dir er- 
weisen ? 

46. (98oo.) Sieh noch einmal besser zu, wie es dem nach 
Lüsten begehrenden Menschen ergeht, denn vor allen ist 
diesen Menschen die Pforte des Himmels verschlossen. 

Bhishma (der Erzähler) sprach: 

47. (980i.) Da sah er die Menschen stehen, wie sie sich 
hingewendet hatten zu Lust, Zorn, Begierde, Furcht, Rausch, 
Schlaf, Mattigkeit und Schlaffheit. 

Kurnjadhara sprach: 

48. (9802.) Durch diese Dinge sind die Himmelswelten 
verschlossen. Die Götter entsetzen sich vor dem Menschen- 
wesen. Und diese Dinge sind es, welche nach dem Ausspruch 
der Götter allenthalben Hindernisse in den Weg legen. 

49. (9803.) Nicht ohne Bewilligung der Götter kann ein 
Mensch zur Rechtschaffenheit gelangen, du aber als ein solcher 



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Adhyäya 272 (B. 271). 



„bist kraft deiner Askese im stände, Königreiche und Reich- 
tümer zu verleihen. 

Bhlshma (der Erzähler) sprach: 

50. (9804.) Da neigte sich der Brahmane mit dem Haupte 
zu den Füfsen des Wasserträgers und sprach zu ihm, von 
Gerechtigkeit erfüllt: Grofse Gnade ist mir zuteil geworden. 

51. (»805.) Wenn ich aus Hang nach Lust und Begierde 
vordem gegen dich murrte und deine Liebe zu mir verkannte, 
so mögest du mir das verzeihen. 

52. (9806.) Ich habe es dir verziehen, sprach Kundadhära 
zu dem Besten der Z wiegeborenen, umschlang ihn mit seinen 
Armen und verschwand. 

53. (9807.) Sodann durchstreifte der Brahmane alle Welten, 
nachdem er durch die Gnade des Kundadhara und durch 
Keine Askese die Vollendung erreicht hatte. 

54. (9808.) Denn das Fliegen durch die Luft und die Er- 
füllung aller Wünsche [wird erreicht] durch die aus Gerech- 
tigkeit und Hingebung (yogaj entspringende Kraft, sowie auch 
ferner das höchste Ziel. 

55. (9809.) Götter, Brahmanen, Rechtschaffene, Halb- 
götter, Menschen und himmlische Sänger, sie alle ehren in 
dieser Welt die Gerechten, nicht die Reichen und nicht die 
Begehrlichen. 

56. (98io.) Die Götter sind dir sehr gnädig, weil dein Sinn 
sich an der Gerechtigkeit freut; im Reichtum (dhane mit C.| 
liegt nur geringe Befriedigung, in der Gerechtigkeit aber dae 
höchste Glück. 

So )ant«t im Moktbadbarma die Ertablun# von Kandadbara 

(Kundadfidra • updkhijäniin. 

Adhyäya 273 (B. 2V£). 

Vers 9811-9830 (B. 1-20). 

Yudhishthira sprach: 
1. (9811.) Da so viele Opfer und Askesen unternommen 
werden, um denselben Zweck [das Glück] zu erlangen, o Grofs- 
vater, wie mufs ein Opfer eingerichtet sein, damit es dem 



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472 III. Mokshadharma. 

Zwecke der Gerechtigkeit und nicht dem Zwecke des Glücks 
diene ? 

Bhlshma sprach: 

2. (9812.) Hierüber will ich dir eine von Närada berichtete 
alte Begebenheit erzählen von einem, der von Ährenlesen 
lebte und dabei ein Brahmane war. 

Mrada sprach: 

3. (»813.) In dem durch Gerechtigkeit hervorragenden vor- 
trefflichen Reiche der Vidarbha's war ein gewisser Zwie- 
geborener, ein weiser Mann, der von Ährenlesen lebte und 
sich einstmals anschickte, ein Opfer darzubringen. 

4. (98H.) Seine Nahrung bestand aus Qyämäkam, Sürya- 
parni, Suvarcalä nebst anderen bitteren und widrigen Pflan- 
zen, welche für ihn vermöge seiner Askese schmackhaft waren, 

5. (9816.) und da er im Walde durch die Schonung aller 
Wesen zur Lauterkeit gelangt war, so war auch sein nur aus 
Wurzeln und Früchten bestehendes Opfer geeignet, den Himmel 
zu erwerben, o Feindbedränger. 

6. (9816.) Seine Gattin, die infolge ihres Gelübdes ab- 
gemagerte und reine Pushkaradhärini , war von ihm mit- 
genommen worden und wurde als Opferer -Gattin von ihm, 
dem Satya, verwendet; 

7. (9817.) sie hatte sich aber seiner Lebensweise nur aus 
Furcht vor seinem Fluche angeschlossen ; ihr aus abgefallenen 
Pfauenfedern bestehendes Kleid war zierlich gebildet. 

8. (9818.) Obgleich sie nicht dazu geneigt war, nahm sie 
doch auf Befehl ihres als Hotar fungierenden Gatten am Opfer 
teil. — Nun geschah es, dafs auf Befehl des Cukra ein frommer 
Mann, namens Parnada, 

9. (9819.) der in demselben Walde in der Nähe wohnte, 
sich in eine den Wald bewohnende Gazelle verwandelte. Die 
sprach zu Satya die Worte : Was du da tust, ist schlecht getan, 

10. (9820.) wenn dein Opfer ohne die Sprüche und die 
gehörigen Zutaten dargebracht wird. 0 Herr, füge mich [als 
Opfertier] bei deinem Opfer ein und gehe dann, frei von Vor- 
wurf, zum Himmel empor. 



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Adhyäya 273 (B. 272). 



473 



11. (982i.) Weiter erschien bei seinem Opfer in leibhafti- 
ger Gestalt die Sonnengöttin Savitri und redete ihm auch zu, 
aber auf ihre Aufforderung erwiderte er: Ich mag die Mit- 
bewohnerin dieses Waldes nicht töten. 

12. (9822.) Auf diese Worte hin wandte sie sich um und 
sprang ins Opferfeuer hinein, um die Unterwelt zu sehen, [in- 
dem sie ausrief:] Wie kann dies beim Opfer als Übeltat er- 
scheinen ! 

13. (9823.) Da bat die Gazelle den Satya, der mit zu- 
sammengelegten Händen dastand, abermals, aber Satya um- 
armte sie und befahl ihr: Gehe von hinnen! 

14. (9824.) Da ging die Gazelle acht Schritte weit weg 
und kam wieder zurück und sprach: Töte mich nur ohne Um- 
stände, o Satya, getötet werde ich den Weg der Guten gehen. 

15. (9825.) Sieh einmal mit dem Auge, welches ich dir 
verleihe, diese himmlischen Apsaras (Göttermädchen) und die 
glänzenden Paläste der hochsinnigen Gandharva's (der himm- 
lischen Musiker). 

16. (9826.) Nachdem er lange Zeit mit einem von Be- 
gierde gefesselten Auge diesen Anblick genossen hatte, schaute 
er auf die Gazelle und fing an die durch ihre Tötung erlang- 
bare Himmelswelt zu begehren. 

17. (9827.) Da wurde die Gazelle, welche viele Jahre den 
Wald bewohnt hatte, zu Dharma (dem Gott des Rechts) und 
vollzog seine Rettung, [mit den Worten:] Nicht ist dies die 
rechte Art des Opfers. 

18. (9828.) Aber ihm, da er die Gazelle hatte töten wollen, 
war infolgedessen seine grofse Askese verlorengegangen. 
Somit ist die Tötung nicht opfermäfsig. 

19. (9829.) Darauf lehrte ihn der heilige Dharma selbst die 
rechte Art des Opfers, und durch erneute Askese gelangte er 
auch zu vollständiger Übereinstimmung mit seiner Gattin. 

20. (9830.) Schonung der Wesen begreift die ganze Pflicht 
in sich, ihre Tötung aber ist kein gutes besetz. Jch will dir 
aber der W r ahrheit gemäfs sagen, was (yo, mit C.) die Pflicht 
der Wahrheitredenden ist. 

So lautet im M'.ksliadhartna die Virwirlu >k <!«•* [Tii>r-1< > v frrs 



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474 



III. Mokshadharma. 



AdliyAya 274 (B. 273). 

Vers 9831-9854 (B. 1-24). 

Yudhishthira sprach: 

1. (9831.) Wie wird man zu einem Bösewicht und wie er- 
füllt man die Pflicht? Wie erreicht man die Weltverdrossen- 
heit und wie gelangt man zur Erlösung? 

Bhlshma sprach: 

2. (9832.) Bekannt sind dir alle Pflichten, aber um der 
Bestätigung willen fragst du, so vernimm denn die Erlösung 
nebst der Weltverdrossenheit, das Böse und die Pflicht von 
Grund aus. 

3. (9833.) Dem Erkennen der fünf Sinnesobjekte geht vor- 
her der Wunsch, und wenn man eines derselben erlangt hat, 
entstehen Liebe und Hafs, o Stier der Bharata. 

4. (9834.) Dann ist man um dessentwillen bestrebt und 
unternimmt ein grofses Werk und wünscht die angenehmen 
Gestalten oder Gerüche wiederholen tlich zu geniefsen. 

5. (9835.) Dann entspringt die leidenschaftliche Liebe und 
der Hafs unmittelbar darauf, dann entspringt Habgier und 
Verblendung unmittelbar darauf. 

6. (9836.) Wer aber von Habgier und Verblendung be- 
herrscht, von Liebe und Hafs erfüllt ist, dessen Sinn richtet 
sich nicht auf die Pflicht, und nur aus Falschheit tut er die 
Pflicht. 

7. (9837.) Durch Falschheit übt man die Pflicht, durch 
Falschheit hat man Gefallen an einer Sache, so dafs durch 
Falschheit Reichtümer erworben werden, o Liebling der Kuru's. 

8. (9888.) Auf diese Weise ist er verständig, auf diese 
Weise wünscht er Böses zu tun, wenn ihn auch Freunde und 
Weise davor warnen, o Bharata. 

9. (9839.) [Aus Falschheit] entgegnet er ihnen, was mit 
dem Gesetz in Einklang und durch die heilige Vorschrift ge- 
fordert ist; dreifach [in Gedanken, Worten und Werken] 
wächst seine Ungerechtigkeit, aus Leidenschaft und Ver- 
blendung entspringend : 



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Adhyiya 274 (B. 273). 



475 



10. (9Wo.) Er denkt, spricht und tut Böses, und indem er 
auf dem Wege der Ungesetzlichkeit fortschreitet, erkennen 
die guten Menschen seine Fehler. 

11. (9841.) Die aber einen gleichen Charakter mit ihm 
haben, unterhalten Freundschaft mit dem Übeltäter; er kommt 
in diesem Leben nicht zum Glücke, wieviel weniger im jen- 
seitigen ! 

12. (9842.) So steht es mit dem Übelgesinnten, höre jetzt 
von mir über den Wohlgesinnten, und wie er, der rechten 
Pflicht obliegend, zum rechten Ziele gelangt. 

13. (9843.) Denn vermöge der rechten Pflicht geht er den 
guten Weg, indem er mit Weisheit die genannten Fehler 
voraussieht und meidet. 

14. (9844.) Bewandert in dem, was zum Glück und Un- 
glück fuhrt, pflegt er Umgang mit den Guten, und durch 
seinen Verkehr mit den Guten und durch die Übung wächst 
er immer mehr. 

15. (9845.) Sein Geist freut sich an der Pflicht und lebt 
von der Pflicht, und nur auf solche Schätze, die mit Recht- 
schaffenheit gewonnen werden, richtet er seinen Sinn. 

16. (9846.) Nur von solchem begiefst er die Wurzel, von 
welchem er Tugenden [als Früchte] hofft; so wird er von 
Pflichtbewufstsein durchdrungen und gewinnt sich einen edlen 
Freund. 

17. (98*7.) Durch die Erlangung von Freunden und Gütern 
ist er beglückt im Jenseits und schon hienieden. Über Töne, 
Gefühle, Geschmäcke, Gestalten und Gerüche, o Bhiirata, 

18. (9848.) erlangt ein solcher Mensch die Herrschaft, das 
ist die Frucht seiner Rechtschaffenheit ; aber obgleich er die 
Frucht seiner Rechtschaffenheit erntet, freut er sich doch 
nicht, o Yudhishthira. 

19. (9849.) Unbefriedigt erfafst er mit dem Auge der Er- 
kenntnis die Weltverdrossenheit. Und wenn das Auge der Er- 
kenntnis keinen Gefallen mehr findet an Begierde, an Ge- 
schmack und Geruch, 

20. (9850.) und er auf Ton, Gefühl und Gestalt nicht mehr 
seinen Geist lenkt, dann kommt er los von der Begierde, aber 
die Rechtschaffenheit läfst er nicht los. 



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476 



III. Mokshadharnia. 



21. (985i.) Er strebt voran, indem er auf die [rituelle] 
Pflicht verzichtet, da er die Vergänglichkeit der Welt erkannt 
hat, nur nach Erlösung strebt er dann, gestützt auf ein Mittel, 
•das zum Zwecke führt. 

22. (98. r >2.) Nach und nach ergreift er die Weltverdrossen- 
heit und läfst das böse Werk fahren, dann wird er von Ge- 
rechtigkeit erfüllt und erlangt die höchste Erlösung. 

23. (9853.) Damit ist dir erklärt worden, o Freund, wo- 
nach du mich fragst, das Böse und das Gute, die Erlösung 
und die Weltverdrossenheit, o Bhärata. 

24. (!»8f,4.) Darum bleibe dem Guten treu in jeder Lage, 
o Yudhishthira; die im Guten beharren, o Kuntisohn, er- 
langen die ewige Vollendung. 

So lautet im Moksh&dtiarma der Abschnitt von den vier Fragen 

(catuh . p> d\ nik,iu,j. 

Adhyftya 275 (B. 274). 

Vers 9855-9373 (B. 1-19). 

Yudhishthira sprach : 

1. o>855.) Die Erlösung ist von dir, o Grofsvater, erklärt 
worden auf Grund eines Mittels, das zum Zwecke führt. Dieses 
Mittel möchte ich in gehöriger Weise kennen lernen, o Bharata. 

Bhishma sprach: 

2. (9856.) Deiner würdig, o sehr Weiser, ist diese ver- 
ständige Einsicht, nach dem Mittel zu fragen, durch welches 
du beständig dem vollen Sinn nachspüren willst, o Untadliger. 

3. («J857.) Das Bewufstsein, welches bei der Anfertigung 
eines Topfes besteht, ist nicht mehr dasselbe gegenüber dem 
fertigen Topfe; so ist, wo es sich um die Mittel zur [höchsten] 
Pflicht handelt, dasjenige nicht mehr Ursache, was es bei 
den anderen [niederen] Pflichten war. [Letztere beruhen auf 
pravritti, Tätigkeit, erstere auf mvntti, Abstehen vom Tun.] 

4. (ys58.) Der Weg nach dem östlichen Ozean hin führt 
nicht zu dem westlichen Ozean, ein eigentümlicher ist der 



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Adhyäya 275 (B. 274). 



477 



Weg, der zur Erlösung führt: vernimm ihn von mir mit Aus- 
führlichkeit. 

5. (9M9.) Durch Langmut soll man den Zorn überwinden, 
die Begierde durch Fernhaltung der Wünsche; durch Pflege 
des Sattvam soll der Weise den Schlaf abtun. 

f>. (9860.) Durch Besonnenheit soll man die Furcht ver- 
hüten, durch fleifsige Betrachtung des Kshetrajfta den Atem 
[regeln]; Wunsch, Hafs und Liebe soll man durch Beharr- 
lichkeit beseitigen. 

7. (98ßi.) Lnstetheit, Verblendung und Strudelhaftigkeit 
soll der Wesenskundige durch Übung, Schlaf und Phantasterei 
durch Wissenseifer beseitigen. 

8. (9862.) Anfälle und Krankheiten durch leichtverdau- 
liche und mäfsige Nahrung, Begierde und Verblendung durch 
Zufriedenheit, die Sinnendinge durch Schauen der wahren 
Realität. 

9. (9868.) Durch Mitleid soll er die Ungerechtigkeit be- 
siegen, durch Rücksichtnahme die Gerechtigkeit [ersiegen], 
durch Anspannung überwinde er die Hoffnung, die Geldgier 
durch Befreiung vom Welthang, 

10. (9864.) das Halten am Materiellen durch Bewufstsein 
der Vergänglichkeit, den Hunger als Weiser durch den Yoga, 
durch Mitgefühl den Eigendünkel und den Durst flrishnaj 
durch Genügsamkeit. 

11. (9865.) Durch Frühaufstehen bekämpfe er die Träg- 
heit, den Zweifel durch Bestimmtheit, die Geschwiitzigkeit 
lege er ab durch Schweigen, die Furchtsamkeit durch Mut. 

12. (9866.) Er zähme Reden und Gedanken durch die Buddhi, 
diese zähme er durch das Auge der Erkenntnis, die Erkennt- 
nis durch Erweckung des Atman, den Ätman durch den 
Atman selbst. 

13. (9867.) Dies alles soll der Beruhigte reinen Werkes 
verstehen und die Hindernisse fdosltäv) des Yoga ausrotten, 
deren die Weisen fünf kennen. 

14. (9868.) Lust, Zorn, Begierde, Furcht und Schlaf als 
fünftes hinter sich lassend, soll er schweigend mit Hilfe des 
Yoga beharren [in dem Folgenden]. 

15. (9869 ) Meditation, Studium und Spenden, Wahrhaftig- 



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478 



III. Moksliadliarma. 



keit, Scham, Geradheit und Geduld, Lauterkeit, Reinheit in 
der Ernährung und Bezähmung der Sinne, 

16. (9870.) durch diese wächst seine Kraft und schlägt 
das Böse nieder, dann gehen seine Wünsche in Erfüllung 
und seine Erkenntnis schreitet fort. 

17. (»87i.) Der Sünde ledig und voll Energie, mäfsig in 
der Nahrung, seine Sinne bemeisternd, Herr über Lust und 
Zorn, möge er der Stätte des Brahman zustreben. 

18. (9872.) Unbetörtheit, Nicht-Anhänglichkeit, Freiheit von 
Begierde und Zorn, Unverdrossenheit, Bescheidenheit, Uner- 
schütterlichkeit und Beständigkeit, 

19. (9873.) das ist der Weg, der zur Erlösung führt, der 
ruhige, fleckenlose, reine, so wird die Herrschaft über Rede, 
Leib und Denken erlangt, frei von Begierde. 

fco lautet im Mokahadharma die Schilderung de» Yogawandtli 

fr/'-ya - AcAra • annrwn0*ttni). 

Adhyaya 376 (B. 275). 

Vera 9874-9913 (B. 1-38). 
Bhishma sprach: 

1. (9C.74.) Darüber erzählt man sich folgende alte be- 
schichte, nämlich die Unterredung des Närada mit dem Asita 
Devala. 

2. (!>$75.) Den alten Devala, den Vorzüglichsten der Ver- 
ständigen an Verstand, wie er dasafs, befragte Närada nach 
Ursprung und Vergang der Wesen. 

Närada sprach: 

3. (i»H76.) Woher, o Brahmane, ist diese ganze Welt des 
Unbeweglichen und Beweglichen geschaffen worden, und zu 
wem geht sie beim Untergange ein? Das mögest du, o Herr, 
mir sagen. 

Asita sprach: 

4. (!»877.) Woraus er, durch seine Natur veranlafst, im 
Laufe der Zeit die Wesen schafft, das bezeichnen die über das 



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Adhyaya 27« (B. 275). 



479 



Gewordene Nachdenkenden als die fünf grofsen Elemente 
(mahäbhütanij. 

5. (9878.) Aus diesen schafft er die Wesen im Laufe der 
Zeit, angetrieben durch sich selbst; wer etwas von ihnen 
Verschiedenes [als Ursache] angibt, der gibt unzweifelhaft 
etwas Falsches an. 

6. (»879.) Wisse, o Narada, dafs diese fünf ewigen, un- 
wandelbaren, beständigen Anhäufungen der grofsen Energie 
nebst Kala (der Zeit) als sechstem ursprünglich sind, 

7. (9880.) nämlich das Wasser und der Äther (antarikshamj, 
die Erde, der Wind und das Feuer; denn es gab nichts Höheres 
als diese Elemente, daran ist nicht zu zweifeln. 

8. (9881.) Durch keinen Beweis, durch keine Argumenta- 
tion kann jemand behaupten, dafs dem nicht so sei, das steht 
fest. Du weifst, dafs diese [grofsen Elemente] sich ent- 
wickelt haben [aus der Energie, tejas], deren Anhäufungen 
alle sechs sind. 

9. (9882.) Diese fünf und die Zeit, sowie das Werden und 
das Zunichtewerden noch besonders — das sind die acht 
ewigen Elemente der Wesen, sind ihr Ursprung und ihr 
Vergang. 

10. (9883.) In diesen gelangen sie zum Zunichtewerden 
und aus ihnen entspringen sie wieder, und ihnen entsprechend 
wird ein Wesen beim Untergange in die Fünfheit aufgelöst. 

11. (9884.) Sein Leib besteht aus Erde, das Gehör ist aus 
Äther gebildet, aus der Sonne das Auge, der Odem aus dem 
Winde, aus dem Wasser das Blut. 

12. (9885.) Augen, Nase, Ohren, Haut und Zunge als 
fünftes sind die Sinnesorgane, die Erkenntnisorgane für di»> 
Sinnendinge, wie die Weisen lehren. 

Ki. o>«86.) Das Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und 
Schmecken erkenne aus der Angemessenheit als ihre Eigen- 
schaften (guna), fünf in den fünfen fünffacher Art. 

14. (9887.) Gestalt, Geruch, Geschmack, Berührung und 
Ton wiederum sind die Eigenschaften von jenen [Elementen]; 
sie. werden als fünf in fünffacher Weise mittels der fünf 
Sinne wahrgenommen. 

15. (i»88s.) Aber Gestalt, Geruch, Geschmack, Berührung 



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480 



III. Mokshwlharma. 



und Ton wiederum als die Eigenschaften jener [Elemente] 
werden nicht von den Sinnen erkannt, sondern der Kshe- 
traj&a (das Subjekt des Erkennens) ist es, welcher durch sie 
erkennt. 

1C>. (»889.) Das Cittam (hier: die Wahrnehmung) steht 
höher als der Komplex der Sinnesorgane, höher als dieses 
steht das Manas, höher als das Manas die Buddhi, höher als 
die Buddhi der Kshetrajfta. 

17. (9890.) Zuerst nimmt ein Mensch mittels der Sinne 
die einzelnen Objekte wahr fcetayatej, sodann erwägt er mittels 
des Manas und dann entscheidet er mittels der Buddhi, 
(989i.) denn über die durch die Sinne wahrgenommenen Dinge 
entscheidet der mit Buddhi Begabte. 

18. Das Cittam, der Komplex der Sinnesorgane, das 
Manas und die Buddhi als achte — (9892.) diese acht be- 
zeichnen als die Erkenntnisorgane (jriäna-indriyäni) die, welche 
über die innere Seele nachdenken. 

19. Hände und Füfse, Entleerungs- und Zeugungsorgan 
und als fünftes der Mund, (9893.) diese werden als Tatorgane 
(karma-indriyänij aufgeführt, das merke. 

20. Der Mund heifst Organ, weil er zum Reden und Essen 
dient, (9894.) das Organ des Gehens sind die Füfse, die Hände 
dienen zum Vollbringen des Werkes. 

21. Entleerungs- und Zeugungsorgan dienen der Ent- 
leerung als Organe von gleicher Verrichtung, (9895.) zur Ent- 
leerung der Faeces und zur geschlechtlichen Entleerung. 

22. Als sechstes kommt dazu die Kraft fbalamj; diese 
sechs sind, wie es sich gehört, durch meine Rede [erklärt 
worden]; (9896.) die Eigenschaften aber der Erkenntnisorgane 
und Tatorgane wurden von mir für sämtliche namhaft gemacht. 

23. Wenn wegen Ermüdung der -Sinnesorgane ein Aus- 
ruhen von ihrer Tätigkeit eintritt, (9897.) dann fällt zufolge 
des Versagens der Sinnesorgane der Mensch in Schlaf. 

24. Wenn beim Ruhen der Sinnesorgane das Manas nicht 
ruht, (9898.) sondern sich mit den Objekten beschäftigt, so 
heifst das ein Traumgesicht. 

25. Was nun die sattvahaften Zustände sowie die tamas- 
artigen und rajas-artigen betrifft, (9899.) so lehren die Weisen,. 



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AdhyÄya 276 (B. 275). 



dafs sie an Werke gebunden sind, die sattvahaften so gut 
wie die andern. 

26. Wonne, Gelingen der Werke, Erkenntnis und höch- 
ster Gang (9900.) sind Anzeichen des Sattvahaften. Die Er- 
innerung [im Traume] stützt sich auf jene Zustände 

27. in dem Mafse, wie bei jedem einzelnen Menschen die 
Zustände sich in Handlungen umgesetzt haben. (9901.) Diese 
beiden Zustände aber [Wachen und Traum] haben einen 
wahrnehmbaren Zugang zu dem ewigen Ziele der Sehnsucht 
[nämlich im Tiefschlaf, Nil.]. 

28. Die Indriya's [fünf Erkenntnisorgane nebst Manas, 
fünf Tatorgane nebst Balam (der Kraft), dazu Cittam und 
ßuddhi] und die Zustände [Sattvam, Kajas. Tamas] werden 
als die siebzehn Eigenschaften betrachtet; (\>\m.) über ihnen 
steht als achtzehnte die Seele, welche im Leibe wohnt, und 
sie ist ewig. 

29. Nun sind zwar alle diese Eigenschaften der Ver- 
körperten mit dem Körper verbunden (»903.) und auf ihn sich 
stützend, aber bei der Trennung der Seele von ihm bleiben 
auch sie nicht länger mit dem Körper verbunden. 

30. Nun bildet dieses Gemisch den aus den fünf Ele- 
menten bestehenden Leib: (wo*.) der Eine [Kshetrajfia] und 
die Achtzehn, nämlich die [siebzehn] Eigenschaften nebst der 
verkörperten Seele mitsamt der Körperwärme bilden das 
zwanzigfache, fünfelementhafte Aggregat. 

31. (9'.»05.) Diesen Körper hält zusammen der Mahän in 
Gemeinschaft mit dem Winde, seine gewaltige Wirkung zeigt 
sich bei der Trennung [der Seele] vom Körper. 

32. (9906.) In dem Mafse, als irgendein [Geschöpf] ent- 
steht, geht es wieder in die fünf Elemente zurück, wenn das 
Gute und Böse [der vorhergehenden ' Geburt] verbraucht ist. 
Und abermals von guten und bösen Werken getrieben, 
(9907.) geht sie [die Seele] mit der Zeit in einen durch ihre 
Werke bedingten neuen Leib ein. 

33. Immer wieder loslassend, geht aus einem Leibe in 
den andern ein, auf ihre Werke gestützt (9908.) und von der 
Zeit getrieben, die Seele wie aus einem verfallenen Hause in 
ein neues. 

DiratBX, Mahabharatam. gj 



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482 



III. Mokshadhariiia. 



34. Hierüber betrüben sich nicht die in der Gewifsheit 
gefestigten Weisen, (9909.) es betrüben sich nur die bemit- 
leidenswerten Menschen, welche sich an den Körper gebunden 
wähnen. 

35. Denn er [der Atman] ist in Wahrheit nicht ein ge- 
wisser und einem gewissen gehörig, und ihm gehört keiner 
(vgl. Käth. Up. 2,18), (9910.) sondern er besteht ewig für sich 
allein und schafft sich den Körper nebst Lust und Leid. 

36. Nicht wird geboren ein Mensch und niemals geht 
er zugrunde, (9911.) sondern das Körperhafte verlassend, geht 
er einstmals den höchsten Gang. 

37. Den durch gute und böse Werke bedingten Leib 
vernichtet er, indem er seine Werke vernichtet, (9912.) und 
ist der Körper vernichtet, so kehrt der Verkörperte in die 
Brahmanwesenheit zurück. 

38. Um die guten und bösen W r erke zu vernichten, dazu 
ist uns die Sänkhya-Erkenntnis verliehen. (9913.) Sind sie ver- 
nichtet, so erblickt man für ihn das höchste Ziel in der 
Brahmanwerdung. 

So lautet im Mokahadharma die Unterredung zwischen Xarada und Aaita 

(Sdrada - Atita - »amv&da). 

Adhyäya 277 (B. 276). 

Vers 9914-9927 iB. 1-14). 

Yudhishthira sprach : 

1. (9914.) Brüder, Väter, Enkel, Verwandte, Freunde und 
Söhne sind um des Gewinnes willen von uns grausamen 
Missetätern erschlagen worden. 

2. (9915.) Was dieser aus Gewinnsucht entspringende Durst 
(trishnä) ist. wie kann ich den, o Grofsvater, zur Ruhe bringen? 
Denn durch den Durst getrieben haben wir Böses getan. 

Bhishma sprach: 

3. (9916.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich was von dem Könige der Videha's dem 
Mändavya auf seine Frage vorgetragen wurde. 



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Adhyäya 277 (B. 276). 



483 



4. (9917.) Fürwahr, ich lebe ganz glücklich, weil mir gar 
nichts angehört; wenn ganz Mithilä verbrennt, so verbrennt 
nichts, was raein wäre. 

5. (9918.) Reichtum, auch wenn er sehr grofs ist, ist für- 
wahr ein Unglück für die Weisen, aber auch wenn er sehr 
klein ist, vermag er doch jederzeit den Unweisen zu blenden. 

6. (9919.) Die weltliche Freude an der Lust und die grofse 
himmlische Freude sind beide nicht den sechzehnten Teil von 
dem wert, was die Freude an der Aufhebung des Durstes 
wert ist. 

7. (9920.) Wie das Horn einer Kuh wächst in dem Mafse, 
wie sie wächst, so wächst der Durst in dem Mafse, wie der 
Reichtum wächst. 

8. (9921.) Wenn uns irgend etwas als Besitztum zu eigen 
geworden ist, so wird es ebenso sehr zur Qual, wenn es 
verloren gehen sollte. 

9. (992-2.) Man folge nicht der Lust, denn die Freude an 
der Lust ist fürwahr ein Leid, wer aber zu Reichtum gelangt 
ist, stelle ihn in Dienst des Guten und lasse die Lüste fahren. 

10. (»923.) Der Wissende möge alle Wesen behandeln wie 
sich selbst; wer seinen Zweck erreicht hat und reinen Wesens 
ist, der leistet Verzicht auf alles. 

11. (99-24.) Wenn er beidem entsagt, der Wahrheit und 
Unwahrheit, dem Schmerz und der Lust, dem Lieben und Un- 
lieben, wenn er Furcht und Furchtlosigkeit hinter sich läfst, 
dann lebt er in Gemütsruhe und Gesundheit. 

12. (9y-2-».j Der von Übelberatenen schwer aufzugeben ist, 
der mit dem Alternden nicht altert, der eine Krankheit ist, 
die erst mit dem Leben endigt, das ist der Durst, wohl dem, 
der ihm entsagt. 

13. (9926.) Darauf sehend, dafs sein Wandel rein wie der 
Mond und ohne Anstofs sei, erntet der Pflichttreue Ehre, im 
Jenseits und hienieden, soviel er wünscht. 

14. (9927.) Als der Brahmane dieses Wort des Königs ver- 
nommen hatte, wurde er von Freude erfüllt, und indem er dieses 
Wort in Ehren hielt, gelangte er, Mändavya, zur Erlösung. 

So lautet im Mok»h*dbarma die Unterredung «kriechen Jauaka und MAndaTya 

(Janaka - Mändavya- xttnrdda). 

31* 



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484 



III. Mokshadharma. 



Adhyftya 278 (B. 277). 

Vers 9928-D%(5 (B. 1-39). 

Dieser Abschnitt ist, abgesehen von einigen unerheblichen Auslas- 
sungen, Umstellungen und Varianten identisch mit Adhyaya 175, oben 
S. 118-122. 

Adhy&ya 279 (B. 278). 

Vers 9967-9981» (B. 1-22). 

Yudhishthira sprach: 

1. (9967.) Durch welchen Charakter, welchen Wandel, 
welche Wissenschaft, welches Streben erlangt man die Stätte 
des Brahman, die feste, über die Natur (Prakriti) erhabene? 

Bhishma sprach: 

2. (9968.) Wer seine Freude an den Regeln für die Er- 
lösung (mokshadharmäh) hat, sich mäfsig nährt und seine 
Sinne beherrscht, der erlangt die Stätte des Brahman. die 
feste, über die Natur erhabene. 

3. (9969.) Aus seinem Hause ausziehend und gleichgültig 
gegen Besitz und Nicht-Besitz, soll der Muni mit Verachtung 
der auf ihn einstürmenden Begierden umherpilgern. 

4. (9970.) Nicht durch den Blick, nicht in Gedanken, nicht 
durch die Rede soll man etwas mifsbilligen, nicht offen und 
nicht im Geheimen soll er irgendwo seine Mifsbilligung zum 
Ausdruck bringen. 

5. (9971.) Kein Wesen soll er verletzen, den Pfad des Wohl- 
wollens verfolgend hinwandeln, und da er einmal in dieses 
Dasein geraten ist, soll er mit keinem in Feindschaft leben. 

6. (9972.) Übermütige Reden ertrage er, gegen niemanden 
hege er böse Absichten, wird er örzürnt, so rede er freund- 
lich, schreit man ihn an, so entgegne er mit heilbringenden 
Worten. 

7. (9978.) Geht er mitten durch ein Dorf, so soll er nicht 
nach rechts oder links abschweifen, er soll nicht [gewerbs- 



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Adhy&ya 279 (B. 278). 



485 



mäfsig] betteln und einer vorherigen Einladung nicht Folge 
leisten. 

8. (9974.) Wird er beworfen, so nehme er sich wohl in 
acht und entgegne nichts Unfreundliches, er sei milde, er- 
widere nichts Rohes, sei vertrauensvoll, aber nicht geschwätzig. 

9. (9975.) Wo es nicht mehr raucht, wo der Stöfser des 
Mörsers ruht, wo die Kohlen nicht mehr glühen, wo die Leute 
abgegessen haben und das Abtragen (sumrära) der Gefäfse 
vorbei ist, da soll der Muni sein Almosen erbitten. 

10. (9976.) Er sei nur bedacht, sein Leben zu unterhalten; 
empfängt er nur kärglich, so soll er sich nichts daraus 
machen: empfängt er nichts, so soll er sich nicht verletzt 
fühlen, und wenn er etwas empfängt, so soll es ihn nicht 
freudig stimmen. 

1 1. (9977.) Was alle schätzen [Kränze, Sandelholz usw. 
Nil.], soll er nicht begehren, er soll nicht essen, wo man ihm 
Ehre erweist, denn ein Mann wie er mufs es verabscheuen, 
unter Ehrenbezeugungen zu empfangen. 

12. (997s.i Schlechte Speisen soll er nicht bemängeln, gute 
nicht preisen ; Lager und Sitz in der Einsamkeit soll er stets 
hochschätzen. 

}'.). (9979.) Ein leeres Haus, eine Haumwur/.el. die Wald- 
einsamkeit oder eine Höhle soll er als Aufenthalt wählen; 
unbekannte [von der Menge] gemiedene Wege gehend, soll 
er [von ihr] geschieden wohnen. 

14. (99*o.) In liilligung und Mifsbilligung sei er unparteiisch, 
unerschütterlich und fest; er strebe nicht danach, durch 
Werke Verdienst oder Schuld zu ernten. 

lf). (9981.) Er sei immer zufrieden und sehr fröhlich, be- 
ruhigten Angesichts und beruhigter Sinne, furchtlos, am 
liebsten Gebete murmelnd, schweigsam und der Leidenschafl- 
losigkeit ergeben. 

U). (9982.) Wiederholentlich betrachte er die elementare 
Welt und das Kommen und Gehen der Wesen; begierdelos 
und gleichmütig blickend, mag er Zubereitetes oder Rohes 
zu sich nehmen, (9i»s:t.) er, der durch das Selbst beruhigten 
Selbstes, in Nahrung mäfsig und Herr über seine Sinne ist. 
17. (»984.) Das Ungestüm der Rede, die Aufwallung 



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486 



III. Moksliadharma. 



des Zornes im Herzen, den Anreiz zu schädigen und den 
Drang des Hungers und der Liebe, den Ansturm von 
dem allem halte der Asket aus, dann wird keine Selbst- 
anklage sein Herz zu verletzen brauchen. 

18. (»985.) Unparteiisch stehe er da, gleichmütig bei Lob 
und Tadel. Ja, das ist die höchste Läuterung: ein Heimat- 
loser in seinem Entsagungsstande. 

19. (9986.) Hochherzig, allseitig bezähmt, allseitig ohne 
Abhängigkeit, nicht zurückkommend auf den frühern Wandel, 
leutselig, heimatlos und andachtsvoll 

20. (9987.) möge er mit den Waldeinsiedlern und Haus- 
vätern niemals mehr in Gemeinschaft treten; nicht Vorher- 
begehrtes soll er zu sich nehmen und keine Freude soll ihn 
beschleichen. 

21. (9988.) Für den Weisen ist dies die Erlösung, für den 
Unweisen eitel Mühe; das ist der ganze Weg zur Erlösung 
für die Wissenden, wie Hanta ihn verkündigt hat. 

22. (99S9.) Wer, allen Wesen ihren Frieden lasserfd, aus 
der Heimstätte auswandert, dem werden glanzvolle Welten 
zuteil, der ist reif für die Ewigkeit. 

So lautet im Mokahadharma der Oeaang dei Hartta 

(HArita-gitd). 

Adhyaya 280 (B. 279). 

Vers 99<HJ- 10024 (B. 1-84). 

Yudhisbthira sprach : 

1. (9990.) Glücklich seid ihr, glücklieh! so sagen zu uns 
alle Leute, und doch gibt es wahrlich keine unglücklicheren 
Menschen als wir sind. 

2. (999i.) Das Unglück, das uns getroffen hat, die wir 
von den Leuten geehrt werden, o Bester der Kuru's, die wir 
unter den Menschen unsere Geburt sogar den Göttern ver- 
danken, o Grofsvater, — 

3. (9992.) wann werden wir die Entsagung vollbringen, 
welche als ein Unglück gilt! — das wahre Unglück be- 



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Adhy&ya 280 (B. 279). 



487 



steht nur darin, dafs wir diesen Leib tragen, o Bester der 
Kuru's. 

4. (9993.) Erlöst von den siebzehn [den fünf Präna's, 
Manas, Buddhi und den zehn Indriya's, Nil.] und den fünf 
Grundstoffen, sowie von den acht [nämlich den fünf] Sinnes- 
objekten und [den drei] Guna s, 

5. (9994.) gehen nicht in eine abermalige Geburt ein die 
Munfs, die ihre Gelübde scharf beobachten; wann werden 
denn auch wir, das Königreich aufgebend, dazu kommen, 
o Bedränger der Feinde? 

Bbishma sprach: 

0. (999ö.) Es gibt nichts Ewiges, o grofser König, die 
Welt ist das Reich der Erscheinung, und auch die Wieder- 
geburt ist eine bekannte Sache, es gibt hienieden nichts Un- 
wandelbares, 

7. (999«.) und auch du, o König, glaubst das nicht. Diese 
Mangelhaftigkeit [der Welt] ist keine blofs zufällig anhaftende; 
nur wenn ihr mit Anstrengung die Pflicht erkannt habt, 
werdet ihr mit der Zeit dazu kommen [dies einzusehen]. 

8. (9997.) Diese verkörperte Seele ist niemals Herr (h-o 
mit C.|, o König, über Gutes und Böses, und aufserdem wird 
sie noch durch das um sie aufsteigende Tamas gehemmt. 

f. (9998.) Wie der mit Feuchtigkeit gesalbte Wind, wenn 
er sich weiterhin mit dem Staube des Rausehrots erfüllt, mit 
dessen Farbe alle Gegenden überzieht, 

10. (9999.) so bewegt sich die von den Früchten ihrer 
Werke gefärbte und mit Tamas umhüllte Seele, indem sie, 
obgleich farblos [ihrem Wesen nach], deren Färbung an- 
nimmt, in den Körpern. 

11. ikmhmu Wenn aber der Mensch die aus dem Nicht- 
wissen entspringende Finsternis durch das Wissen verscheucht, 
dann kommt [in ihm] das ewige Brahman zur Erscheinung. 

lL\ i looou Nicht durch Anstrengung ist es zu erringen, 
wie die Weisen lehren und sie, welche erlöst sind: sie 
sind zu verehren von dir und der Welt und den Göttern, 
von Ihm (dem Brahman) lassen nicht ab die Scharen der 
grofsen Rishi s. 



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488 III. Moksbadharma. 

13. (10002.) Vernimm andächtig, o König, was hierüber 
einstmals gesungen wurde, nämlich wie sich der Dämon 
Vritra, als er um seine Herrschaft gekommen war, verhielt, 

14. (10003.) als er besiegt und hilflos seines Reiches be- 
raubt war, o Bhärata, und doch, von Feinden umgeben, nicht 
klagte, sondern zur reinen Erkenntnis seine Zuflucht nahm. 

15. (iooo4.) Es geschah einmal, dafs zum Vritra, der von 
seinem Throne gestürzt worden war, Ucanas das Wort sprach: 
Fühlst du denn, nachdem du besiegt worden bist, darüber 
gar keinen Kummer, o Dänava? 

Vritra sprach: 

II). (10005.» Nachdem ich durch Wahrhaftigkeit und Askese 
über das Kommen und Gehen der Wesen zur Erkenntnis 
ohne Zweifel gelangt bin, trauexe ich nicht mehr und freue 
mich nicht mehr. 

17. (loooe.) Von Kala (der Zeit J fortgetrieben, stürzen die 
Lebenden in die Hölle gegen ihren Willen, aber alles Himm- 
lische lebt in Vollbefriedigung, wie die Weisen lehren. 

18. (loooT.) Nachdem aber die Lebenden die ihnen zu- 
gemessene Zeit dort verbracht haben, entstehen sie, von der 
Zeit getrieben, in der folgenden Zeit immer wieder und wieder. 

11). (10008J Und nachdem sie in tausend tierische Ge- 
burten oder auch in die Hölle gelangt sind, kommen die 
Lebenden wieder aus ihnen heraus ohne ihr Zutun, gebunden 
durch die Stricke der Begierde. 

20. (KHK)y.) Dafs die Lebewesen in dieser Weise um- 
wandern müssen, hatte ich vordem nicht erkannt; aber die 
Schrift lehrt: wie die Werke, so ist auch die Vergeltung;. 

21. (looio.) Sie gehen ein in ein Tier, in die Hölle, in 
ein menschliches oder göttliches Dasein, nachdem sie vorher 
Lust und Leid, Liebes und Unliebes durchgekostet haben. 

22. (looii.) An das Gesetz des Todes gebunden, geht alle 
Welt von hinnen und alle Wesen gehen immerfort den Weg, 
den sie schon gegangen waren, 

23. (10012.) der durch das Mafs der Zeit gemessen ist und 
Schöpfung und Bestand zum Ziele hat. 



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Adhyaya 280 (B. 279). 



489 



Zu ihm, der so redete, sprach der heilige Ucanas: 
(iooi3j 0 Weiser, warum bringst du so schlechtes Gerede 
vor, o Freund? 

Vritra sprach: 

24. (loou.) Dir sowie den anderen Weisen dürfte es be- 
kannt sein, dafs ich vordem, nach Sieg begehrend, grofse 
Askese übte. 

2f>. (loois.) Mancherlei Gerüche und Geschmäcke der [von 
mir getöteten Nil.] Wesen mir aneignend, gedieh ich und 
durchdrang alle drei Welten mit meiner Kraft. 

2f>. (iook,.) Von einem Flammenkranz umgeben, durch- 
wandelte ich den Luftraum und, unbesiegbar für alle Wesen, 
war ich jederzeit frei von Furcht. 

27. (looir.) Diese durch Askese erlangte Gottherrlichkeit 
brach zusammen infolge meiner Werke, aber ich halte mich 
tapfer und klage nicht, o Heiliger. 

28. (10018.) Vordem habe ich neben dem kampflustigen 
grofsen Indra, dem hochherzigen Helden, den heiligen Herrn 
Hari Näräyana geschaut, 

2 ( .>. iiooiiu den Vaikuntha, den unendlichen Geist, den 
glänzenden ewigen Vishnu, den schilfgrashaarigen , blond- 
bärtigen Urvater aller Wesen. 

30. (10020.) Nun aber ist mir von aller meiner Askese 
noch alst Uberrest geblieben, dafs ich den Wunsch hege, 
o Heiliger, dich nach der Frucht der Werke zu befragen. 

31. (10021.) In welcher Kaste ruht die Gottherrlichkcit, das 
grofse Brahman? Und wie geschieht es, dafs die>e höchste 
Gottherrlichkeit zunichte wird? 

32. (10022.) Wodurch haben die Wesen ihr Leben und 
[tathä mit C] seine Betätigung? Welches ist die höchste 
Frucht, durch deren Krlangung der Lebende ewig besteht? 

33. (10023.) Und ferner, durch welches Werk oder durch 
welches Wissen ist es möglich, diese Frucht zu erlangen? 
Das, o Brahmane, mögest du mir erklären. 

34. (10024.) Als der Weise damals so angeredet wurde, 
was er da antwortete, das, o Königslöwe, vernimm mit 



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490 III. Mokshad härme. 

ungeteilter Aufmerksamkeit, wie ich es dir mitsamt 
deinen Brüdern berichte, o Stier unter den Männern. 

So lautet im Mokshadharm» der Gea*ng vom Vritra 

(Vritra-gttd). 



AdhyAya 281 (B. 280). 

Vers 10025-10097 (B. 1-70). 
Ucanas sprach: 

1. (ioo-.>5.) Verehrung sei jenem heiligen, übermächtigen 
Gotte, der den Erdboden, o Freund, und den Luftraum mit 
seinen Armen umspannt, 

2. (10026.) und dessen Haupt die ewige Stätte ist, o Bester 
der Dänava's; dieses Gottes Vishnu höchste Majestät will 
ich dir verkündigen. 

3. (10027.) Während diese beiden in dieser Weise mitein- 
ander redeten, kam dazu ein grofser Weiser, der pflicht- 
getreue Sanatkumära, um ihre Zweifel zu lösen. 

4. (10028.) Nachdem er von dem Fürsten der Dämonen 
und ebenso von dem weisen Ucanas verehrt worden war, liefs 
er, der Stier unter den Muni's, sich auf dem Ehrensitze nieder, 
o König. 

5. (100-29.) Als der Hochweise sich gesetzt hatte, sprach 
Ucanas zu ihm das W r ort: Verkündige diesem Fürsten der 
Dänava's die höchste Majestät des Vishnu. 

0. (10030.) Sanatkumära aber, als er dies vernommen, 
sprach das treffliche Wort über die Majestät des Vishnu zu 
dem weisen Fürsten der Dänava's. 

7. (ino3i.) Vernimm, o Daitya, vollständig die Majestät 
des Vishnu. In Vishnu ruht diese ganze Welt, das wisse, 
o Feindbedränger. 

8. (10032.) Er ist es, o Grofsarmiger, der die Schar der 
beweglichen und unbeweglichen Wesen schafft, der sie im 
Laufe der Zeit wieder in sich hereinreifst und sie abermals 
schafft. 

9. (10033.) In ihm gelangen sie zur Vernichtung, und aus 



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Adhyäya 281 (B. 280). 



491 



ihm entstehen sie wieder; er kann nicht durch Erkenntnis, 
nicht durch Askese, nicht durch Opfer (10034.) erlangt werden, 
sondern nur durch Fesselung der Sinnesorgane. 

10. Standhaft im Geiste bei dem Hufsern und innern 
Werke. (10036.) läutert man beide durch das Bewufstsein [keinen 
Lohn zu begehren], dann erlangt man im Jenseits die Ewigkeit. 

11. Wie ein Goldschmied das Silber im Feuer läutert, 
(ioo36.) vielfältig mit grofser, selbstauferlegter Überanstrengung; 

12. so wird die Seele hundert Geburten hindurch von 
ihrem Werke geläutert, (10 037.) aber bei grofser Anstrengung 
kann sie auch in einer einzigen Geburt rein werden. 

13. Wie man mit nur geringer Mühe einen kleinen Staub- 
fleck von seinem Körper abwischt, (10038.) so soll man mit 
grofser und vielfacher Anstrengung seine Fehler aus sich 
ausrotten. 

14. Wie Sesam oder Senf, nur von einem kleinen Blumen- 
kranze durchduftet, (10039.) seinen natürlichen Geruch noch 
nicht verliert, ähnlich geht es auch zu, wo es sich um das 
Schauen des Schwererkennbaren handelt. 

15. Wenn aber eben jener [Sesam oder Senf] von 
vielen Blumenkränzen wieder und wieder durchduftet wird, 
(10040.) dann verliert er seinen natürlichen Geruch und nimmt 
auf die Dauer den Geruch des Kranzes an. 

lf>. So wird bei solchen, die durch die Guna's an die 
Welt geknüpft sind, erst durch hundert Geburten ein ihnen 
anhaftender (10041. j Fehler durch die Erkenntnis zunichte 
mittels einer durch Übung erworbenen Anstrengung. 

17. Was nun die am Werke hängenden oder ihm ent- 
sagenden [Geschöpfe] betrifft, o Dänava, (1004-.».) wie diese zu 
einer verschiedenen Stellung den Werken gegenüber ge- 
langen, das vernimm. 

18. Wie sie sich im Leben betätigen, und worin sie ihren 
Halt finden, 0 Herr, das will ich dir eins nach dem andern 
erklären, (10043.) das mögest du mit ungeteilter Aufmerksam- 
keit vernehmen. 

19. Der anfanglose und endlose, glückselige Huri Xu- 
rayana, der Herr, (10044.) schafft als Gott die Wesen, die un- 
beweglichen und beweglichen. 



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492 



III. Mokshadhiirma. 



20. Er weilt in allen Wesen als ihr vergänglicher und 
ihr unvergänglicher Teil (10045.) und in Gestalt der elffachen 
Umwandlung [zu Manas und Indriya's] trinkt er mit seinen 
Strahlen [den Indriya's Nil.] die Welt. 

21. Seine Füfse sind die Erde und sein Haupt ist der 
Himmel, das wisse, (iimu<?.) seine Arme sind die Himmels- 
gegenden, o Daitya, sein Gehör ist der Äther. 

22. Von ihm stammt die gluterfüllte Sonne, sein Manas 
weilt im Monde, (10047.1 seine Buddhi ist überall in der Er- 
kenntnis zu finden, sein Geschmack weilt in den Wassern. 

23. Zwischen seinen Brauen schweifen die Planeten, o 
Bester der Dänava's, (ioo48.) das Rad der Gestirne dreht sich 
in seinen Augen, aus seinen Füfsen ist die Erde geworden, 
o Dänava. 

24. Wisse, dafs Kajas, Tamas und Sattvam ihrem Wesen 
nach Närayana sind, (10049.) er ist die Frucht des Beharrens 
in den Lebensstadien, bei ihm steht die Frucht des Werkes; 

25. aber auch für das Nicht-Werk ist er, der Unver- 
gängliche, die höchste Frucht, (10050.) die heiligen Lieder sind 
die Haare seines Leibes, der Laut Om ist seine göttliche Rede. 

2t>. Viele Standorte hat er und viele Angesichter, Dharma 
(die Gerechtigkeit) wohnt in seinem Herzen, (10051.) er ist das 
Brahman, ist die höchste Gerechtigkeit, ist Askese, ist das 
Seiende und Nicht-Seiende. 

27. Auf ihn gerichtet ist der Schriftkanon und die Soma- 
güsse, er befafst in sich die sechzehn Opferpriester und das 
Opfer selbst, (10052.) er ist der Urvater, ist Vishnu, die Acvin's 
und der Städtezerstörer (Indra) sind seines Wesens. 

28. Mitra, Varuna, Yama und der Schätzespender (Kubera) 
(ioo:>a.) sind seine einzelnen Erscheinungsformen, sind sich der 
Einheit in ihm bewufst, das ganze Weltall ist in dieses einen 
Gottes Gewalt. 

29. (10054.)' Er offenbart, o Fürst der Daitya's, die Ein- 
heit dieser mannigfachen Welt, und der Mensch durch Er- 
kenntnis schaut sie, dadurch wird das Brahman offenbar. 

30. (10055.) Durch zehntausend Millionen Weltvernich- 
tungen und Neuschöpfungen bestehen die einen Seelen, 
während andere abtreten. Der Umfang aber der Wesens- 



L 



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AdhyAya 28 t (B. 280). 



493 



Schöpfung ist [vergleichbar] dem vieler tausend Seen, 
o Daitya. 

31. (ioo56.) Diese Seen sind ein Yojanam [etwa eine 
Meile] breit und an Tiefe gehen sie einen Kroca (eine 
Rufweite) hinunter, an Länge aber erstreckt sich jeder 
einzelne von ihnen fünfhundert Yojana's weit. 

32. (10057.) Nun wird aus den Teichen mit der Spitze 
eines Haares einmal täglich, und nicht zweimal, Wasser 
entnommen: wenn sie dadurch verbraucht sind, dann ist 
eine Periode von der Neuschöpfung bis zur Vernichtung 
der Wesen verstrichen. 

33. fioo5s.) Die sechs Farben der Seele dienen als ihr 
höchster Wertmesser: Schwarz, Grau und Blau, letzteres 
ist ihr mittelmäfsiger Zustand, sodann Rot ist schon er- 
träglicher, die gelbe Farbe ist Glück, und grofses Glück 
ist Weifs. 

34. (10059.) Das Höchste ist Weifs, als fleckenlos, 
kummerlos, beschwerdelos wird es orreicht, o Fürst der 
Dänava's, denn erst, nachdem sie tausendmal durch die 
Entstehung aus einem Mutterschofse durchgegangen ist. 
gelangt die Seele zur Vollkommenheit, o Daitya. 

35. (10060.) Der Gang, welchen der Gott als Vorbild 
aufgestellt hat, nachdem er seihst auch das gute Vor- 
bild gegeben hatte [vgl. Chand. lp. 8.7-12: Nil. denkt 
an Ait. l'p. 1,3,13 fg.], dieser Gang ist für die Geschöpfe- 
bedingt durch ihre Farbe, die Farbe aber wiederum ist 
bedingt durch Kala (die Zeit, das Schicksal), o Fürst 
der Dämonen. 

3t>. (loor.i.) Hunderttausendmal vierzehn Stufen [ent- 
sprechend den zehn Indriya's, Mauas, Kuddhi, Ahankara und 
Cittam] hat der nach oben führende Weg der seelischen 
Tugend, o Daitya; dadurch wird das Emporsteigen der 
Seelen bewirkt, sowie ihr Verharren und ihr Herabsteigen. 

37. (10062.) Der Weg der schwarzen Farbe führt ab- 
wärts; man klebt [an der Sünde Nil.] und brät in der 
Hölle, und der Aufenthalt in ihr für die Bösen wird, wie 
sie lehren, viele Schöpfungsperioden durchdauern. 

38. (10063.) Und nachdem er ihrer hunderttausend in 



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494 III. Mokshadharma. 

diesem Zustande vollbracht hat, so erlangt er alsdann 
die fahle [harita-dlunnra Nil.] Farbe; in ihr weilt er 
unfrei, während das Weltalter abläuft, qualumhüllten 
Geistes. 

39. (io(MJ4.) Wenn er sodann, mit dem Guna des Satt- 
vam verbunden, das Tamas abschüttelt und mit Hilfe 
seiner ßuddhi dem Besseren zustrebt, dann gelangt er 
aus der blauen Farbe in die rote und ergeht sich in der 
Menschenwelt. 

40. (ioo65.) In diesem Zustande verweilt er eine Schöp- 
fungsperiode hindurch, indem er von den aus seiner 
Naturbeschaffenheit entspringenden Fesseln gequält wird ; 
dann gelangt er in die gelbe Farbe, während hundert 
Schöpfungsperioden verstreichen. 

41. (10066.) Hat er aber die gelbe Farbe erreicht, so 
verharrt er in ihr, bis tausendmal die Wesenschöpfung 
vergangen ist, und verbraucht sodann, da er noch nicht 
erlöst ist, in der Hölle, o Daitya, zehntausend weitere 

42. (ioo67.) Perioden, dazu noch fünf- und viertausend 
[entsprechend der Zahl der neunzehn Organe Nil.] und 
seine aufgehäuften Werke; dann wisse ihn erlöst aus der 
Hölle und in allen möglichen anderen Kreaturen weilend. 

43. (ioo6s.) So verweilt er wiederholentlich in der 
Götterwelt und nimmt, aus ihr herabgestürzt, wieder 
Menschengestalt an; achthundert Weltvernichtungen und 
Neuschöpfungen weilt er unter den Sterblichen und geht 
[sodann] in die Unsterblichkeit ein. 

44. (ioo69.) Und wieder stürzt er aus ihr herab durch 
Fügung des Schicksals und weilt auf dem schwarzen 
Grunde, dem alleruntersten. Wie aber weiter diese Welt 
der Lebenden zur Vollendung gelangt, das will ich dir 
erklären, o Held der Asura's. 

45. (10070.) Durch siebenhundert göttliche [sattvahafte 
Nil.] Umgestaltungen hindurch wird er rot, dann gelb 
und endlich weifs; denn zu jener weifsen Stätte gelangt 
er erst, nachdem er die acht verehrungswürdigsten Welten 
niederer Ordnung bewohnt hat, 

46. (ioo7i.) die acht [Welten] der Glanzreichen und 



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Adhyäya 281 (B. 280). 



495 



die [mit ihnen identischen] sechzig Hunderte [von psychi- 
schen Zuständen, dreifsig für das Wachen, dreifsig für 
den Traum, von Nil. sehr willkürlich zusammengebracht] 
sind auf das Manas beschränkt; was aber den höchsten 
Gang der weifsen Farbe [den Turiya Nil.] betrifft, so 
sind alle drei [Wachen, Traumschlaf, Tiefschlaf] bei 
ihm ausgeschlossen, o Hochmächtiger. 

47. (10072.) Der Noch- nicht- Freie aber bewohnt eine 
unerwünschte Weltperiode hindurch die vier anderen 
Stätten [Mahas, Janas, Tapas, Satyam, Nil.], welches 
das höchst erreichbare Ziel in der sechsten Farbe für 
den ist, welcher in der Vollkommenheit noch nicht voll- 
kommen, wenn auch frei von Mühsal, ist. 

48. (10073.) Daselbst wohnt er, mit den sieben [In- 
driya's, Manas, Buddhi] belastet, als ein Unfreier noch 
hundert Weltperioden hindurch, an seinen Werkrest ge- 
bunden; wenn er von dort nochmals in die Menschen- 
welt zurückkehrt, so gelangt er als ein Grofser zum 
menschlichen Dasein. 

41». (10074.) Von diesem sich abkehrend , gesellt er sich 
darauf, zunächst stufenweise emporsteigend, zu Scharen 
[höherer) Wesen und durchschreitet siebenmal die Welt- 
räume, da seine Macht durch die [überslandenen] Welt- 
Vernichtungen und Neuschöpfungen [nach Nil. durch 
Yogaversenkung und Erwachen aus ihr] gewachsen ist. 

5<>. (10075.) Und obgleich er alle sieben [Welten] be- 
seitigt, indem er sie als Hemmnisse erkannt hat, beharrt 
er doch noch in der Welt der Lebenden ; dann aber ge- 
langt er zu der unvergänglichen, unendlichen Stätte des 
Gottes Vishnu, des Brahman, (low) des (Vsha (vgl. 
unten Vers i*»oo), des Nara (des Purusha), des Gottes 
Vishnu als des Allerhöchsten. 

51. Zur Zeit der Weltvernichtung gehen nach Ver- 
brennung ihrer Leiber jedesmal die Geschöpfe zum Gotte 
Brahman ein (10077.) und auch alle lebenerfüllten (crshfat- 
manafi Nom.!) Götterscharen, soweit sie unterhalb der 
Brahmanwelt stehen. 

52. In der Zeit, wo der Werkrest zur Geltung kommt, 



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III. Moksliadhanna. 



strömen die Seelen nach den gebührenden Plätzen zur 
Neuschöpfung der Wesen; (10078.) aber sofern kein Werk- 
rest mehr vorhanden ist, gehen am Ende alle Götter 
und die Menschen, welche ihnen ähnlich sind, zu jener 
[höchsten] Stätte ein. 

53. Aber diejenigen, welche aus der Welt der Voll- 
endeten herabgestürzt sind, gehen stufenweise ent- 
sprechend [ihrem Verdienste] den Weg jener [der Men- 
schen]; (10079.) aber im Gegensatze zu ihnen gehen höhere 
Seelen und die mit ihnen gleiche Kraft besitzen, zu der 
jedem einzelnen gebührenden Bestimmung ein. 

54. Solange ein solcher noch an dem Reste seiner 
Werke zu zehren hat, solange wohnen alle diese Krea- 
turen und die beiden weifsen Göttinnen [die höhere und 
niedere Wissenschaft Nil.] (iooso.) in seinen Gliedern; er 
ist reinen Herzens, da er dieses Fünf-Sinne -Wesen über- 
wunden hat. 

55. Kr geht jenen reinen, höchsten Gang, mit reinem 
Geiste immerfort meditierend, uoosi.) dann gelangt er zu 
der unvergänglichen Stätte, zu dem schwer erreichbaren 
ewigen Brahman geht er ein. 

56. Damit ist dir, o Mann von tadellosem Charakter, 
diese Macht des Näräyana hier verkündet worden. 

Vritra sprach: 

57. (10082.) Wenn es so steht, brauche ich nicht zu 
verzagen, und ich begreife deine Rede vollständig, und 
indem ich deine Rede angehört habe, du Unverdrossener, 
fühle ich mich nunmehr von Sünde gereinigt und frei 
von Bösem. 

58. (10088.) In Gang gebracht, o heiliger grofser Weiser, 
ist dieses unendlich kräftige Rad [des Samsära] des 
glanzreichen Gottes, und dem ewigen Vishnu gehört 
auch der . ewige Ort , von welchem alle jene Schöpfun- 
gen ausgegangen sind; (ioom.) er ist der Hophsinnige, 
der höchste Purusha, in ihm ist diese ganze Welt ge- 
gründet. 



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Adhyaya 281 (B. 280). 



497 



Bhlshma sprach: 

59. (10086.) Nachdem Vritra dies gesprochen hatte, o Sohn 
der Kunü, hauchte er sein Leben aus und erlangte wohl- 
bereiteten Geistes die höchste Stätte. 

Yudhishthira sprach : 

60. (10086.) So ist es also jener heilige Gott und Heim- 
sucher der Menschen, o Grofsvater, worüber Sanatkumära da- 
mals dem Vritra jenen Aufschlufs gab. 

Bhlshma sprach: 

61. (ioo87.) In der Weltwurzel wohnt kraft seiner eigenen 
Energie der heilige grofse Gott, und dort weilend, schafft der 
Hochsinnige alle die mannigfachen Zustände der Welten. 

62. (10088.) Aus der Hälfte seines einen Viertels (vgl. Rig- 
veda 10,90,3), wisse, besteht dieser unerschütterliche Kecava 
(Krishna), und aus der andern Hälfte desselben Viertels bildet 
der Erkenntnisreiche die drei Welten. 

63. (10089.) Derjenige Teil [des Höchsten], welcher her- 
wärts stehend sich befindet, wandelt sich am Ende jedes 
Weltalters, er aber, welcher der über alles mächtige Herr 
ist, der Heilige, ruht auf den Wassern, (10090.) und als gnädi- 
ger Weltordner durchwaltet er die ewigen Welten. 

64. (10 091.) Er, der Unendliche, erfüllt alles mit seinem 
Wesen und durchwaltet als der Ewige die Welten, er, 
der Hochsinnige, schafft ohne Hemmnis; in ihm ruht 
diese ganze mannigfaltige Welt der Lebenden. 

Yudhishthira sprach: 

65. (10098.) Vom Vritra, o Kenner der höchsten Realität, 
wurde, so glaube ich, das schöne, ihm bevorstehende Ziel er- 
kannt, darum war er glücklich und klagte nicht, o Grofs- 
vater. 

66. (10093.) Wer weifs ist und weifsen Ursprungs, kehrt 
als ein Vollendeter nicht mehr zurück, o Schuldloser, sondern 
ist erlöst von der Wanderung in die Tierwelt und von d<»r 
Hölle, o Grofsvater. 

67. (10094.) Wer aber sich in der gelben und roten Farbe 

Dzuibk», MabAbhAr*t*ra. 32 



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498 III. Mokshadharma. 

befindet, o Fürst, der möge auf die Tierwelt hinblicken, wenn 
er sich von tamas-artigen Werken umgarnen läfst. 

68. (10095.) Wir aber, die wir als Rote [den drei Guna's 
entsprechend] Schmerz, Lust und Gleichgültiges erfahren 
haben, welchen Weg werden wir gehen, den blauen oder den 
niedrigsten schwarzen? 

Bhlshma sprach: 

69. (10096.) Ihr Pändusöhne, die ihr von reiner Abkunft 
und geschärften Gelübdes seid, werdet, nachdem ihr euch 
der Götterwelten erfreut habt, wieder in das Menschentum 
eingehen. 

70. (10097.) Nachdem ihr, unter den Göttern Glück ge- 
nossen habend, seinerzeit mit Freude wieder zur Wesens- 
schöpfung zurückgekommen sein werdet, werdet ihr mit 
Freuden zu der Schar der Vollendeten eingehen. Fürchtet 
euch nicht, fleckenlos seid ihr alle. 



So lautet im Mokshadharma der Gesang Tom Vritra 

(Vritra -gltd). 



Adhyftya (B. 281). 

Vers 10098-10142 (B. 1-44). 

Yu<lhi>hthira sprach: 

1. (too9s.) () über die grofse Gerechtigkeit des unermefs- 
lich kräftigen Vritra, dessen Erkenntnis unvergleichlich und 
dessen Verehrung für Vishnu nicht weniger grofs war! 

2. (10099) Schwer zu erkennen, o Freund, ist die Stätte 
des unermefslich kraftvollen Vishnu; wie hat er, o Tiger 
unter den Königen, diese Stätte erkennen können? 

3. (ioioo.) Du hast mir ja die Sache erzählt, und ich 
glaube daran unerschütterlich; aber mein Geist ist nur noch 
mehr aufgeregt, weil ich dabei etwas Unerklärliches finde. 

4. (loioi.) Wie konnte dieser Vritra von £akra (Tndra) 
niedergeschlagen werden, o Männerstier, da er doch so fromm 
und dem Vishnu ergeben war und im Zusammenhang der 
Vedaworte die Wahrheit erkannt hatte! 



i 



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Adhyaya 282 (B. 281). 



499 



5. (10102.) Diesen Zweifel löse mir, dem Fragenden, o 
Bharatastier, wie es möglich war, o Tiger unter den Königen, 
dafs Vritra von £akra besiegt wurde. 

<5. (loios.) Und wie der Kampf entbrannte, auch das er- 
kläre mir, o Grofsvater, in Ausführlichkeit, denn meine Wifs- 
begier ist aufs höchste gesteigert, o Grofsarmiger. 

Bhlshma sprach: 

7. (10104.) Einstmals war Indra zu Wagen ausgefahren, 
von den Götterscharen begleitet. Da sah er vor sich den 
Vritra stehen, einem Berge vergleichbar, 

8. (10105.) fünfhundert Meilen in die Höhe emporragend, 
o Feindebezwinger, und mehr als dreihundert betrug sein 
Umfang. 

9. (10106.) Als sie diese so gewaltige, auch von den drei 
Welten schwer zu besiegende Gestalt sahen, da zitterten die 
Götter vor dem Vritra und fanden keine Ruhe. 

10. (10107.) Und auch dem (,'akra, o König, schlotterten 
die Knie aus Furcht vor dem Vritra, als er so plötzlich diese 
gewaltige Gestalt sah. 

11. (loios.) Da erhob sich ein Lärm und ein Getön von 
Instrumenten, als dieser Kampf zwischen allen Göttern und 
Dämonen entbrannte. 

12. (loioi») Aber den Vritra, o Kurusprofs. ergriff beim 
Anblick des gegenüberstehenden (,'akra keine Verwirrung, 
keine Furcht oder Besorgnis. 

13. (lono.) Da entspann sich ein Kampf, der alle drei 
Welten in Schrecken setzte, zwischen dem Götterfürsten Uakra 
und dem hochsinnigen Vritra. 

14. (loui.) Von Schwertern, Sensen, Speeren, Lanzen, 
Wurfspiefsen, Streithämmern, von mancherlei Steinen und 
lautschwirrenden Bogen, 

15. (loii'i.) von allerlei himmlischen Waffen und Feuer- 
bränden sowie von göttlichen und dämonischen Streitern 
war alles erfüllt. 

10. (10113.) Und mit dem Urvater an der Spitze kamen 
alle Götterscharen und die hochbeglückten Rishi's herbei, um 
diesen Kampf anzusehen. 

32* 



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III. Mokshudharma. 



17. (10H4.) Und auch die Vollendeten auf herrlichen 
Wagen, o Bharatastier, und die Gandharven hoch zu Wagen 
mit den Apsaras eilten herbei. 

18. (10H5.) Da überschüttete Vritra, der Beste der Ge- 
setzesträger, mit einem die Luft erfüllenden Hagel von Steinen 
blitzesschnell den Fürsten der Götter. 

19. (ioii6.) Darauf wurden die Götterscharen zornig und 
wehrten von allen Seiten her mit einem Regen von Pfeilen 
den Steinhagel ab, der von Vritra im Kampfe über sie aus- 
geschüttet worden war. 

20. (loin.) Aber Vritra, o Kurutiger, mit grofser List und 
grofser Kraft brachte von allen Seiten im Zauberkampfe Ver- 
wirrung über den Götterfürsten. 

21. (10118.) So überkam den von Vritra bedrängten Hun- 
dertkräftigen Verwirrung. Aber da gab ihm Vasishtha mittels 
eines Rathan taram die Besonnenheit wieder. 

Vasishtha sprach: 

22. (10H9.) Du bist der Beste unter den Göttern, o Götter- 
fürst, o Zerschmetterer der Daitya's und Asura's; wie kommt 
es, dafs dich, o (>kra, der du über die Macht der drei W'elten 
verfügst, Verzagtheit anwandelt? 

23. (10120.) Da stehen Brahmän, Vishnu und fiva, der 
Herr der Welt, da stehen Sorna, der heilige Gott und alle 
die höchsten Weisen; 

24. (10121.) verfalle nicht in Kleinmut, o (^akra, wie es 
irgendein anderer tun würde, betätige deine edle Gesinnung 
im Kampfe und schlage die Feinde, o Oberherr der Götter. 

25. (10122.) Hier dieser Lehrer der Welt, der von allen 
Welten verehrte heilige Dreiaugige schaut auf dich hin; so 
mache dich von der Verwirrung los, o Oberster der Götter! 

26. (10123.) Diese von Brihaspati angeführten Brahman- 
weisen feiern dich durch himmlischen Löbgesang, o <>kra, 
um dir den Sieg zuzuwenden. 

Bhlshma (der Erzähler) sprach: 

27. (ioi2i.) Als er von dem hochherzigen Vasishtha in 
dieser Weise zur Besonnenheit zurückgebracht war, da 



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Adhyaya 282 (B. 281). 



501 



wuchs die Kraft des allerglanzvollsten Vasava ins Un- 
geheure. 

28. (10125.) Da raubte der heilige Züchtiger des Päka, 
auf seine Einsicht sich stützend, mit grofser Yogakraft jene 
Zauberkraft [des Vritra]. 

29. (10126.) Als nun der glückselige Sprofs des Angiras 
(Brihaspati) und alle die grofsen Rishi's das tapfere Los- 
stürmen des Vritra sahen, da gingen sie zu Mahecvara ((,'iva) 

30. (ioi27.) und sprachen mit ihm wegen der Vernichtung 
des Vritra aus Wohlwollen für die Welten. Da geschah es, 
dafs die Kraft des heiligen Herrn der Welt in Gestalt eines 
Fiebers 

31. (ioi28.) von furchtbarer Heftigkeit in den Vritra, den 
Herrn der Daitya's [mit C], hineinfuhr. Vishnu aber, der 
heilige, von allen Welten verehrte Gott, 

32. (10129.) fuhr in den Donnerkeil des Indra der Be- 
schützung der Welt zuliebe. Da traten an den Hundert kräf- 
tigen (Indra) heran Brihaspati, der Weise, (10130.1 und der 
kraftvolle Vasishtha und mit ihnen alle die höchsten Weisen 

33. und bestürmten den gabenspendenden, allverehrten 
Väsava (Indra), (löiai.) indem sie ihn einmütig baten, den 
Vritra zu töten, o Herr. 

Mahecvara (Vishnu) sprach: 

34. (10132.) Dieser grofse und mit gewaltiger Kraft aus- 
gerüstete Vritra ist, o Oakra, als allbeseelend, allgegenwärtig 
und viele Zauberkünste übend bekannt, • 

35. (10133.) darum mufst du diesen besten, auch von der 
Dreiwelt schwer zu überwindenden Asura mit Hilfe der Yoga- 
kraft töten; unterschätze ihn nicht, o Herr der Götter. 

3ti. (10134.) Denn er hat, o Herr der Götter, um seine 
Kraft zu stärken, Askese geübt sechzigtausend Jahre hin- 
durch, und Gott Brahmän hat ihm dafür als Gabe verliehen 

37. (10135.) die Majestät der Yogin's und die grofse Zauber- 
kunst und die grofse Kraft und die höchste Energie, o Herr 
der Götter. 

38. (10136.) Darum ist meine Kraft in dich hineingefahren. 



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502 



III. Mukshadharma. 



o Vasava, und jetzt, da er in Bestürzung ist, mögest du ihn, 
den Dänava, mit deinem Donnerkeil erschlagen. 

■ 

<>kra sprach: 

39. (101S7.) 0 Heiliger, durch deine Gnade will ich den 
schwer angreifbaren Ditisohn vor deinen Augen, o Götter- 
stier, mit meinem Donnerkeile niederschmettern. 

Bhlshma sprach: 

40. (10138.) Als aber der grofse Dämon, der Daitya, vom 
Fieber befallen war, da entstand unter den Göttern und Rishi's 
vor Freude ein grofser Lärm. 

41. (10139.) Da liefsen sie Pauken und helltönende Muscheln, 
Trommeln und Tamburine tausendfach erschallen. 

42. (loiio.) Aber unter allen Asura's trat ein grofses 
Schwinden des Gedächtnisses ein, und eine völlige Vernich- 
tung ihrer Zauberkunst erfolgte augenblicklich. 

43. (ioi4i.) Als die Rishi's und Götter jenen in dieser 
Weise befallen sahen, da priesen sie (^akra, den Herrn, und 
feuerten ihn an. 

44. (ioi48.) Aber furchtbar war in diesem Kampfe das 
Aussehen des von den Rishi's gepriesenen, hochherzigen 
Qakra, wie er auf seinem Wagen stand. 

So lautet im Moksbadbarma die Tötong des Vritra 

( Vritra -todha). 



Aclhyftya 283 (B. 282). 

Vers 10 14:1-10-207 (B. 1— 1>5>. 
Bhlshma sprach: 

1. (io u3.) Was bei dem vom Fieber durch und durch er- 
griffenen Vritra für Anzeichen an seinem Körper hervortraten, 
die vernimm von mir, o grofser König. 

2. (io H4.) Flammenden Mundes war der Furchtbare und 
grofses Erbleichen überkam ihn, heftiges Gliederzittern und 
starkes Röcheln stellte sich ein, 



* 



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Adhy&ya 283 (B. 282). 



50a 



3. (10 145.) schlimmes Haarsträuben und mächtiges Stöhnen, 
o Fürst. Und als unheilverkündender, scheufslicher Schakal 
fuhr aus seinem Munde 

4. (10U6.) heraus sein ungeheuerliches Gedächtnis, o Bhä- 
rata, während flammende und glühende Feuerbrände an seiner 
Seite zum Vorschein kamen. 

5. (10147.) Geier, Reiher und Kraniche stiefsen ein furcht- 
bares Geschrei aus, und über seinem Haupte sich sammelnd, 
umschwärmten sie ihn im Kreise. 

0. (Ions.) Da bestieg, von den Göttern im Kampfe unter- 
stützt, seinen Wagen mit dein gezückten Donnerkeile in der 
Hand Cakra und blickte auf den Daitya hin. 

7. (ioi4y.) Da liefs der grofse Dämon ein unmenschliches 
Geschrei hören und rifs den Rachen auf, o Fürst der Könige, 
von dem heftigen Fieber geschüttelt. 

8. (loir.o.) Und wie er den Rachen aufrifs, schleuderte 
(,'akra gegen ihn den Donnerkeil, und der furchtbar scharfe 
Donnerkeil, dem Todesfeuer an Ähnlichkeit vergleichbar, 

0. (10151.) schmetterte alsbald den mächtigen Leib des 
Daitya zu Boden. Da entstand abermals von allen Seiten 
her ein Geschrei 

10. (1015-'.) der Götter, als sie den Vritra gestürzt sahen, 
o Bharatasticr. Als aber der mächtige, hochberühmte Dä- 
monenfeind den Vritra geschlagen hatte, 

11. (ioir»3.j fuhr er rr.U dem von Vishnu erfüllten Donner- 
* keil zum Himmel empor. Aber aus dem Leibe des Vritra, 

o Kurusprofs, fuhr heraus 

12. (n»i54.) die Brahmavadhya (der Brahmanenmord), ent- 
setzlich, fürchterlich, die Welt erschreckend, mit klaffendem 
Gebifs, schauerlich, mifsgestaltet, schwarz und gelb, 

18. (10155! mit flatternden Haaren, furchtbaren Augen, 
o Bhärata, mit einem Schädelkranz behängt, einer Zauberin 
vergleichbar, o Bharatasticr, 

14. (ioi5«>.) bluttriefend, o Ftlichtkundiger, mit Lumpen 
und Baumbast bekleidet. In dieser fürchterlichen Gestalt, 
o Fürst der Könige, fuhr sie aus ihm heraus 

15. (10157.) und fing an den Donnerkeilträger zu verfolgen, 



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504 



III. Mokshadharnaa. 



o Bester der Bharata's. Eine Zeitlang gelang es dem Vritra- 
töter, o Kurusprofs, 

16. (10158.) dem Himmel zuzufliegen aus Wohlwollen für 
die Welt. Aber jene, als sie den mächtigen Indra ent- 
schlüpfen sah, 

17. (10169.) die Brahmavadhyä, packte den Götterfursten 
und klammerte sich an ihm fest. Er aber, von der durch 
die Brahmavadhyä gewirkten Furcht erfüllt, 

18. (10160.) versteckte sich in der Knolle einer Lotos- 
blume und verweilte in ihr viele Jahre lang. Aber von der 
Brahmahatya mit Eifer verfolgt, 

19. (loiei.) wurde er endlich ergriffen, o Kurusprofs, und 
seiner Energie beraubt. Sie abzuschütteln gab sich (^akra. 
die gröfste Mühe, 

20. (10162.) doch der Fürst der Götter vermochte nicht, 
die Brahmavadhyä von sich loszumachen. Aber der Götter- 
fiirst, von ihr festgehalten, o Bharatastier, 

21. (10163.) wandte sich an den Urvater und verehrte ihn 
durch Neigung des Hauptes. Als er bemerkte, dafs (^akra 
von der Dvijapravaravadhyä (dem Brahmanenmord) ergriffen 
worden war, 

22. (ioi64.) ging Gott Brahraän mit sich zu Rate, o Bester 
der Bharata's, und er, der Urvater, sprach, o Grofsarmiger, 
zu der Brahmavadhyä 

23. (ioi«5.) mit sanfter Stimme, um sie zu besänftigen, 
o Bhärata : Lasse den Herrn der dreifsig [Götter] los, tue es 
mir zuliebe, o nolde. 

24. (10166.) Sage, was ich dir dafür erweisen soll, und 
welchen Wunsch du hegst. 

Die Brahmavadhyä sprach: 

25. (ioi67.) Wenn dem von den drei Welten verehrten 
Gotte, dem Schöpfer der drei Welten, damit ein Gefallen ge- 
schieht, so sehe ich die Sache schon als getan an. Aber 
weise mir eine andere Wohnung an. 

26. (10168.) Von dir selbst ist diese Bestimmung [keinen 
Brahmanen zu töten], getroffen worden, um die Welt zu er- 



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Adhyaya 283 (B. 282). 



halten, und diese grofse Anordnung ist von dir selbst, o Gott, 
verlassen worden. 

27. (10169.) Aber wenn dir ein Gefallen damit geschieht, 
o Pflichtkundiger, o Herr der Welt, o Gebieter, so will ich von 
^akra ablassen, aber weise mir eine andere Wohnung an. 

Bhlshma (der Erzähler) sprach: 

2H. (lono.) Da sprach der Urvater zur Brahma vadhya : 
„So sei es! u Durch dieses Mittel machte er die Brahma- 
vadhyä von (,'akra los. 

29. (loiii.) Da wurde von dem hochherzigen, durch sich 
selbst Seienden der Feuergott herbeigedacht, und dieser, vor 
Gott Brahmän tretend, sprach folgendes Wort: 

30. (ioi72.) Ich bin, o heiliger Gott, vor dir erschienen, 
o Untadliger; was ich zu tun habe, o Gott, das mögest du, 
o Herr, mir sagen. 

Gott Brahmäu sprach : 

31. (10173.) Ich gedenke liier diese Brahmavadhyä in 
mehrere Teile zu zerlegen, um den Uakra von seiner Sünde 
zu befreien, so übernimm du ein Viertel von ihr. 

Agui (der Fcuergotti sprach: 

32. (10174.) Welches ist der Endpunkt, wo icli von ihr 
werde befreit werden, o Brahmän, darüber denke nach, o 
Herr, das wünsche ich mit Bestimmtheit zu wissen, o du 
von aller Welt Verehrter. 

Gott Brahmän sprach: 

33. (10175.) Wenn jemals irgendwo ein Mensch deinen 
Flammen naht und, von Tamas umnebelt, es unterlassen wird, 
dir mit Körnern, Pflanzen und Säften zu opfern, 

34. (10176.) dann wird diese Brahmavadhya sofort in ihn 
hineinfahren und Wohnung in ihm nehmen; lafs den Kummer 
deiner Seele fahren, o Opferfahrer. 

35. (ioi77.) Nach diesen Worten nahm der heilige Ge- 
niefser des Götter- und Manenopfers den Befehl des Urvaters 
an, und es geschah so, o Herr. 



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50t> III. Mokshadharma. 

36. (10178.) Weiter rief der Urvater Bäume, Kräuter und 
Gräser herbei und unternahm es, an sie dieselbe Zumutung 
zu stellen, o Grofskönig. 

37. (10179.) Als aber an die Bäume, Kräuter und Gräser 
ebendasselbe Wort erging, da waren sie ebenso aufgeregt 
wie Agni, o König, und sprachen zu Gott Brahman: 

38. (10180.) Welches wird für uns der Endpunkt des 
Tragens der Brahma vadhyä sein, o Urvater; uns, die wir 
vom Schicksal schon genug geschlagen sind, solltest du nicht 
noch mehr schlagen. 

39. (loisi.) Immerfort müssen wir Feuer und Kälte und 
vom Winde gepeitschten Regen aushalten, o Gott, dazu noch 
das Abhauen und Spalten. 

40. (ioi82.) Wir wollen jetzt auf dein Geheifs diese Brahma- 
vadhya hier übernehmen, o Herr der drei Welten, aber denke 
daran, wie wir wieder davon loskommen. 

Gott Brahman sprach: 

41. (ioi83.) Wenn ein Mensch zur festlichen Zeit des Mond- 
wechsels aus Verblendung euch abhauen oder spalten wird, 
so wird sie in ihn hineinfahren. 

Bhlshma (der Erzähler) sprach: 

42. (1018+ ) Nachdem der Hochsinnige diese Worte zu den 
Bäumen, Pflanzen und Gräsern gesprochen hatte, verehrten sie 
den Gott Brahman und gingen schnell dahin, woher sie ge- 
kommen waren. 

43. (ioi85.) Weiter rief der Gott und Urvater der Welten 
die Apsaras heran und sprach zu ihnen mit milder Stimme, 
um sie freundlich zu stimmen, o Bhärata: 

44. (1018G.) 0 ihr Schönglied rigen, diese Brahmavadhya 
stammt von Indra her, so übernehmt denn auf meinen 
Wunsch ein Viertel von ihr. 

Die Apsaras sprachen: 

45. (ioi87.) Auf deinen Befehl, o Herr der Götter, sind wir 
geneigt, sie aufzunehmen, aber überlege, o Urvater, wie wir 
der Vereinbarung gemäfs von ihr loskommen werden. 



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Adhyaya 283 (B. 282). 



f.07 



Gott Brahman sprach: 

46. (10188.) Wer während der Regel der Frauen mit ihnen 
die Begattung vollzieht, in den wird sie alsbald eingehen; 
lafst den Kummer eurer Seele fahren. 

Bhishma (der Erzähler) sprach: 

47. (ioi89.) „So sei es! u sprachen mit fröhlichem Geiste 
die Scharen der Apsaras und kehrten an ihren Ort zurück 
zum lustigen Leben, o Bharatastier. 

48. (10190.) Weiter dachte der Schöpfer der drei Welten, 
der askesereiche Gott, an die Wasser, und auf seine Medita- 
tion hin kamen sie auch herbei. 

49. (ioi9i.) Als sie nun alle bei dem unermefslich kräf- 
tigen Gott Brahman zusammengekommen waren, fielen sie 
vor dem Urvater nieder und sprachen dieses Wort: 

50. (10192.) Wir alle sind, o Gott, vor dich getreten, o 
Feindebändiger, auf deinen Befehl, o Herr der W r elt; tue uns 
deinen Willen kund, o Herr. 

Gott Brahman sprach: 

51. (10193.) Diese furchtbare Brahmavadhya hat von Vritra 
aus den Vielangerufenen (Indra) ergriffen, so übernehmt 
denn ihr ein Viertel von ihr. 

Die Wasser sprachen: 

52. (10194.) So möge es geschehen, o Herr der W elt, wie 
du es uns befiehlst, o Gebieter, aber überlegen mögest du, 
wie wir nach Vereinbarung wieder von ihr loskommen werden. 

53. (10 n*5.) Du bist ja, o Götterherr, für die ganze Welt 
die höchste Zuflucht; wen sonst könnten wir anflehen, dafs 
er uns aus dem Klend errette (mit ('.). 

Gott Brahman sprach : 

54. (H>i96j Wenn ein Mann, in seinem Geiste verblendet, 
euch geringschätzen und Schleim, I rin oder Kot in euch ge- 
langen lassen sollte, 

55. dorn.) so wird diese hier alsbald in ihn fahren und 



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508 



III. Mokshadharma. 



in ihm Wohnung nehmen ; so werdet ihr von ihr frei werden, 
das sage ich euch als die Wahrheit. 

56. (10198.) Da liefs die Brahmavadhyä von dem Götter- 
fürsten ab, o Yudhishthira, und fuhr in die Behausung, wie 
sie ihr durch den Befehl des Gottes angewiesen worden war. 

57. (ioi99.) Das ist die Geschichte von der Behaftung des 
Cakra mit der Brahmavadhvä, o Völkerherr; er aber ver- 
abschiedete sich von dem Urvater und brachte ein Rofs- 
opfer dar. 

58. (10200.) Und so ist es uns überliefert, dafs Väsava 
(Uakra) mit der Brahmavadhyä behaftet gewesen ist, o grofser 
König, und dafs er die Reinigung von ihr durch ein Rofs- 
opfer erlangte. 

59. (10201.) Der Gott Väsava also, nachdem er seine 
Herrlichkeit wiedererlangt und die Feinde tausendfach ge- 
schlagen hatte, genofs unvergleichliches Glück, o Herr der 
Erde. 

00. (10202.) Aus dem Blute des Vritra, o Prithäsohn, ent- 
standen die Uikhanda's*, von geweihten und askesereichen 
Brahmanen dürfen sie nicht gegessen werden. 

61. (10 203.) Auch du mufst solchen Zwiegeborenen in 
allen Lagen Liebe erweisen, denn sie werden als die Götter 
auf Erden gepriesen, o Kurusprofs. 

62. (10201.) So wurde, o Kurusprofs, von dem unermefs- 
lich kräftigen (,'akra vermöge der Feinheit seines Geistes der 
grofse Dämon Vritra durch Anwendung der rechten Mittel 
niedergeschlagen. 

63. (10205.) Und so wirst auch du, o Sohn der Kunti, un- 
besiegbar sein auf der Erde, wie der hundertkräftige, Feinde 
tötende Gott. 

64. (10206.) Wer aber diese göttliche Geschichte vom <>kra 
an jedem Mondfeste im Kreise von Brahmanen erzählen wird, 
der wird sich von Sünde freihalten. 



• Nach P.W. „wohl eine bestimmte Pflanzt"; Xllakantha, £abdakal- 
padruma und Vacaspatyam geben keine Hilfe; „high-crested cocfo" P. C. 
Ray; ,.Hähne" Jacobi. 



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Adhyaya 283 (B. 282). 



509 



65. (10207.) So habe ich dir denn die grofse, überaus 
wunderbare Tat, die (^akra am Vritra vollbrachte, erzählt, 
o Freund; was wünschest du nun weiter zu hören? 

8o lautet im Mokshadharma die Verteilung der Brahmabatya 

(Brahmakatyd - tibhdga). 

Aclhy&ya 284 (B. 283). 

Vers 10208-10271 (B. 1-63). 

Yudhishthira sprach: 

1. (10208.) 0 Grofsvater, Weiser, aller Lehrbücher Kun- 
diger! Über jene Tötung des Vritra, o Himmlischer, wünsche 
ich etwas zu fragen. 

2. (10209.) Du sagtest, o Fürst der Völker, dafs Vritra 
durch das Fieber in Verwirrung gesetzt war und darauf von 
Vasava mit dem Donnerkeil getötet wurde, o Untadliger. 

3. (10210.) Wie ist dieses Fieber entstanden und zum Vor- 
schein gekommen, o Hochweiser? Die Entstehung dieses 
Fiebers wünsche ich von dir, o Herr, ausführlich zu ver- 
nehmen. 

Bhlshma sprach: 

4. (10211.) Vernimm den weltberühmten Ursprung jenes 
Fiebers, und auch seine Ausbreitung will ich dir erklären, 
wie sie geschehen ist, o Bhärata. 

5. (10212.) Es war einmal, o Grofskönig, ein von allen 
drei Welten verehrter Gipfel des Götterberges Meru, mit 
Namen Jyotishka (der Glänzende), dem Savitar heilig, mit 
allerlei Edelsteinen geschmückt, 

0. (10213.) unermefslich grofs, in allen Welten nicht zu 
überwinden, o Bhärata. Dort befand sich der Gott [Civa] 
auf einem mit Gold und Edelmetallen geschmückten Berg- 
abhang, 

7. (102U.) wie auf einem Ruhebette glanzvoll sitzend, und 
die Tochter des Königs der Berge [Umä, Tochter des Himü- 
laya] strahlte allezeit an seiner Seite (10215.) und hochsinnige 
Götter, unermefslich kräftige Vasus, 



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1 



510 III. Mokshadharnia. 

8. ferner die hochherzigen beiden Acvin's, die Besten der 
Arzte, (10216.) dazu der König Vaicravana (Kubera), von seinen 
Gnomen umgeben, 

9. der glückliche Fürst der Yaksha's, ihr auf dem Kai- 
läsa wohnender Gebieter, — (10217.) sie alle verehrten den 
Hochsinnigen (Civa) und mit ihnen der grofse Weise Ucanas. 

10. Und auch die von Sanatkumära angeführten grofsen 
Rishi's (10218.) und, mit Angiras an der Spitze, andere Götter- 
Rislü's 

11. und der Gandharva Vicvävasu, sowie Narada und 
Parvata (10219.) und Schwärme aus der Schar der Apsaras 
kamen in grofser Menge zusammen. 

12. Ein lieblicher, heilbringender Wind wehte, mancherlei 
Düfte mit sich bringend und rein, (10220.) und blühende Bäume, 
von Blumen aller Jahreszeiten umgeben, 

13. sowie Vidyädhara's und askesereiche Siddha's, — 
(10221.) diese alle umgaben verehrend den Mahadeva, den 
Herrn der Herden, o Bhärata. 

14. Und auch Geisterscharen von mannigfachen Gestalten, 
o Grofskönig, (10222.) furchtbare Rakshasa's, gewalttätige 
Picäca's, 

15. mancherlei Gestalten tragend, im Freudenrausch 
allerlei Waffen schwingend, (10223.) standen daselbst als Ge- 
folge des Gottes, dem Feuer vergleichbar. 

16. Auch der heilige Nandin stand dort mit Erlaubnis 
des Gottes (10224.) mit dem flammenden Speere in der Hand, 
strahlend in eigenem Glänze. 

17. Und Gangä, die Beste unter den Flüssen, die allen 
heiligen Badeplätzen das Wasser spendet, (10225.) verehrte in 
leibhaftiger Gestalt den Gott, o Kurusprofs. 

18. Der Heilige aber, in dieser Weise dort von Götter- 
weisen verehrt (10226.) und von Göttern, stand da als Mahadeva 
in grofser Majestät. 

19. Einstmals nun geschah es, dafs ein Prajäpati (Schöpfer) 
mit Namen Daksha (10227.) sich anschickte, in althergebrachter 
Weise ein Opfer zu bringen. 

20. Und es hatten sich wegen seines Opfers alle Götter 



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Adhyaya 2«4 (B. 283). 



511 



mit Qakra an der Spitze (10228.) zusammengetan und die Ab- 
sicht gefafst, dahin zu gehen. 

21. Auf ihren Wagen, die wie Feuer und Sonnen glänzten, 
kamen diese Hochsinnigen (10229.) mit Erlaubnis des Gottes 
(Daksha) nach Gangädvära, wie es heifst. 

22. Als aber die Bergkönigstochter (L'mä) sah, wie die 
Götter sich aufgemacht hatten, (102.30.) da sprach die Vortreff- 
liche zu ihrem Gatten, dem tierbehütenden Gotte, dieses 
Wort: 

23. 0 Heiliger! wohin mögen wohl diese Götter unter 
(,'akra's Führung gehen? (10231.) Das sage mir der Wahrheit 
nach, o Wahrheitskenner, ich bin darüber in grofsem Zweifel. 

Mahe<;vura ((,'iva) sprach: 

24. (10232.) 0 Glückliche! ein Oberherr der Geschöpfe mit 
Namen Daksha bringt ein Rofsopfer dar, dahin gehen die 
Himmelsbewohner. 

Umä sprach: 

2b. (10233.) Wie kommt es, dafs du, o Mahädeva, nicht 
auch dieses Opferfest besuchst? Welches Hindernis besteht, 
dafs du nicht dorthin gehst? 

Mahervnra sprach • 

20. (10234.) 0 Glückliche! von den Göttern ist das von 
jeher so gehalten worden, bei allen Opfern ist kein Anteil 
für mich bestimmt. 

27. (10235.) Gemäfs einem durch althergebrachtes Ver- 
fahren überkommenen Brauche, o Schönfarbige, geben die 
Götter mir gewohnheitsmäfsig keinen Anteil am Opfer. 

Uma sprach: 

28. (10236.) O Heiliger! du bist vermöge deiner Tugen- 
den an Macht allen Wesen überlegen, bist unbesiegbar und 
unüberwindlich an Macht, Ruhm und Glück. 

29. (10237.) Durch diese Verweigerung deines Anteils, 
o Glücklicher, bin ich von grofsem Schmerze und Zittern er- 
griffen, o Untadliger. 



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512 



III. Mokshadharma. 



Bhishma sprach : 

30. (10288.) So sprach die Göttin zu ihrem Gemahl, dem 
Herrn der Tiere, und schwieg, o König, glühenden Zorn im 
Herzen. 

31. (10239.) Er aber durchschaute, was in ihrem Herzen 
vorging, und was sie getan zu sehen wünschte, und erteilte 
dem Nandin den Befehl: „Du wartest hier." 

32. (10240.) Er aber wappnete sich mit Yogakraft, der 
Meister aller Yogameister, und unternahm es, er, der Ge- 
waltige, mit seinen furchtbaren Mannen das Opfer 

33. (10241.) jählings zu stören, der Göttergott mit dem 
Pinäka-Bogen. Einige erhoben ein Geheul, andere brachen 
in Gelächter aus, 

34. (10242.) einige besudelten sogar das Opferfeuer mit 
Blut, andere rissen die Opferpfosten aus und schwärmten 
umher, ihre Gesichter verzerrend, 

35. (10243.) andere schnappten mit ihren Mäulern nach 
den Opferdienern. So wurde dieses Opfer vollständig ge- 
stört, o Fürst. 

36. (10244.) Da nahm das Opfer die Gestalt einer Gazelle 
an und flüchtete ins Weite, er aber haschte nach dem in 
dieser Gestalt fliehenden Opfer, 

37. (1024&.) ergriff Bogen und Pfeil und jagte ihm nach, 
der Herr. Aber durch den Zorn des unermefslich kräftigen 
Götterherrn 

38. (10246.) rann von seiner Stirn ein furchtbarer Schweifs- 
tropfen herab. Kaum aber war dieser Schweifstropfen auf 
die Erde gefallen, 

39. (10247.) so flammte aus ihm ein mächtiges Feuer auf, 
dem Weltuntergangsfeuer vergleichbar. Aus diesem ging 
hervor ein Mann, o Stier der Männer, 

40. (10248.) zwergartig klein, mit roten Augen und gelbem 
Barte, furchtbar anzusehen; seine Haare standen zu Berge, 
sein Körper war ganz mit Federn bedeckt, wie bei Habichten 
oder Eulen, 

41. (10249.) seine Farbe ein grausiges Schwarz, sein Ge- 
wand blutrot. Dieser gewaltige Unhold verbrannte das Opfer, 
wie Feuer ein Gebüsch. 



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Adhyftya 284 (B. 283). 



513 



42. (iu25o.) Dann stürzte er sich überallhin auf die Götter 
und rannte gegen die Rishi's an, und alle Götter stoben er- 
schreckt nach den zehn Weltrichtungen auseinander. 

43. (10251.) Und wie der Mann dort umherstürmte, o 
Völkerherr, bebte die Erde gewaltig, o Bharatastier. 

44. (10252.) Als aber der Gebieter und Urvater die ganze 
Welt in Wehgeschrei ausbrechen sah, da erschien er dem 
Mahadeva und sprach zu ihm. 

Gott Brahinän sprach : 

45. (10358.) O Herr, alle Götter werden auch dir einen 
Anteil geben, nur nimm zurück [was du getan hast], o 
Allgott. 

4*». (10254.) Denn alle diese Gottheiten und Rishi's, o Feind- 
bedränger, können vor deinem Zorne, o Mahadeva, kerne 
Ruhe finden. 

47. (10255.) Aber der Mann da, der aus deinem Schweifse 
entstanden ist, o Bester der Götter, mag unter dem Namen 
Fieber in der Welt wüten, o Pflichtkundiger. 

48. (1025«.) Aber wenn er Einer bleibt, o Herr der Kraft, 
ist die ganze Erde nicht imstande, ihn zu ertragen, möge 
er in viele zerlegt werden. 

4t*. (10257.) Nachdem dem Gotte so von Brahmän zu- 
geredet und auch sein Opferanteil zugesichert worden war, 
da sprach er zu dem heiligen, unermefslich kräftigen Gott 
Brahmän: „So sei es!" 

50. (10258) Mit grofser Freude wurde da der Pinäka- 
bogenträger erfüllt, und schmunzelnd nahm er, der Ewige, 
den von Gott Brahmän ihm zugesprochenen Teil entgegen. 

51. (10259.) Das Fieber zerlegte der aller Satzungen Kun- 
dige in viele Teile, um allen Wesen die Ruhe wiederzugeben; 
auch das vernimm, mein Sohn. 

52. (10260.) Die Kopfhitze der Elefanten, das Steinharz der 
Berge, die Algen des Wassers, das soll man wissen, die 
Häutung bei den Schlangen, 

53. (io»;i.) die Klauenseuche der Kühe, der Salzboden auf 
der Erde, die Sehstörung des Viehs, o Pflichtkundiger. 

54. (lo^es.) die Rotzkranhkeit der Pferde, die Kammspaltung 



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514 



III. Mokshadharma. 



der Pfauen und die Augenkrankheit des Kuckucks, auf diese 
wurde durch des Hochsinnigen Wort das Fieber verteilt. 

55. (10263.) Auch die Gallen Verteilung , wo sie bei den 
Schafen vorkommt, ist als solches überliefert; ferner der 
Schluchzer, wo er bei den Papageien vorkommt, wird als 
Fieber bezeichnet. 

56. (10264.) Auch die Mattigkeit bei den Tigern wird als 
Fieber bezeichnet, o Pflichtkundiger, bei den Menschen end- 
lich führt es den Namen Fieber, o Bharata. 

57. (10265.) Beim Sterben, bei der Geburt und zwischen 
beiden kann es den Menschen beschleichen ; es ist die von 
Mahecvara herrührende Glut, welche als das furchtbare Fieber 
bekannt ist. 

58. (10266.) Verehrung und Anbetung aller Lebenden ge- 
bührt dem levara, denn von ihm [in Gestalt des Fiebers] 
wurde Vritra, der Beste der Gesetzesträger, befallen. 

59. (10267.) Er rifs den Rachen auf, da schleuderte Qakra 
den Donnerkeil gegen ihn, und der Donnerkeil drang in 
Vritra ein und zerrifs ihn, o Bharata. 

60. (10268.) Und von dem Donnerkeil zerrissen, ging der 
grofse Zauberer, der grofse Dämon hinauf zu der höchsten 
Stätte des unermefslich kräftigen Vishnu. 

61. (10269.) Denn durch die Liebe zu Vishnu war ihm diese 
ganze Welt zuteil geworden, und eben darum erlangte er 
nach seiner Niederwerfung im Kampfe die Stätte des Vishnu. 

62. (10270.) Damit habe ich dir, von Vritra ausgehend, be- 
richtet, wie sich das grofse Fieber verbreitete; was soll ich 
dir, o Sohn, weiter sagen. 

63. (10271.) Der Mann, welcher andächtig und unver- 
drossenen Geistes diese Entstehung des Fiebers fort und 
fort studiert, der wird, von Krankheit freibleibend, glück- 
lich und freudeerfüllt alle Wünsche seines Herzens er- 
langen. 

So lautet im Mokabadharma die Entstehung des Fieber» 

(jeara-vtpalti). 



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Adhyaya 285 (B. 284). 



515 



Adhyäya 285 (B. 284). 

Vers 10272-10345 {B. 1-71). 

Janamejaya sprach: 

1. (10272.) Wie geschah es, o Brahmane, dafs in der Welt- 
periode des [Manu] Vaivasvata das Rofsopfer des Schöpfer- 
herrn Daksha Präcetasa zerstört wurde? 

2. (10273.) Und wie geschah es ferner, dafs der die Erregung 
der Göttin (Umä) bemerkende und in Zorn geratende all- 
beseelende Herr (Pivaj , — dafs durch dessen Gnade vom 
Daksha das Opfer wieder in Ordnung gebracht werden konnte? 
(10274.) Das wünsche ich zu wissen, das erkläre mir, wie es 
sich begeben hat. 

Vaiyampayana sprach : 

3. (n>276.) Einstmals also brachte Daksha ein Opfer dar 
auf dem Rücken des Himälaya in Gangädvära, einer schönen, 
von Weisen und Vollendeten bewohnten Gegend, 

4. (io -.»76.) wo es von Gandharven und Apsarasen wimmelte, 
und die mit mancherlei Bäumen und Schlingpflanzen be- 
wachsen war. Dem von Rishischaren umgebenen Daksha, 
dem Besten der Gesetzesträger, 

5. (10277.) nahten alle Bewohner der Erde, des Luftraums 
und der Himmelswelt und huldigten mit zusammengelegten 
Händen diesem Prajäpati. 

f>. (10278.) Götter, Dänavas, Gandharva's, Picäca's, Schlan- 
gen, Rakshasa's, die beiden Gandharven Haha- und Huhu, 
sowie Tumburu und Närada, 

7. (10-279.) Vicvävasu, Vicvasena und andere Gandharven 
mit Apsarasen: auch die Ädit ya's, Vasu's, Rudra's, Sädhya's 
und die Scharen der Marut's, 

H. (i028<>.) sie alle waren mit Indra herbeigekommen, um 
teil am Opfer zu haben. Auch alle, welche die Hitze trinken, 
den Sorna trinken, den Dampf trinken, die Schmelzbutter 
trinken, 

9. (io28i.) die Rishi's und die Manen kamen mit Gott 
Brahmän herbei. Denn diese und viele andere, auch die vier- 
fachen Scharen der Wesen, 

33* 



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516 



III. Mokshadharma. 



10. (10282.) lebendgeborene und eigeborene, schweifs- 
geborene und sprofsgeborene in Eile, sie alle waren gerufen 
und geladen nebst allen Göttern mit ihren Frauen. 

11. (10288.) Auf ihren Wagen stehend, glänzten sie wie 
flammende Feuer. Sie erblickte von Zorn erfüllt Dadhici 
und sprach das Wort: 

12. (10284.) Das ist kein Opfer, keine fromme Handlung, 
bei der nicht auch dem Rudra (Ci va ) geopfert wird ; verfallen 
sind sie dem Tode und der Gefangenschaft, ist wohl eine 
Wendung ihres Schicksals möglich? 

13. (10285.) Sehen sie denn in ihrer Verblendung nicht, 
wie das Verderben sie umgarnt? Begreifen sie nicht das 
Furchtbare, das ihnen bei ihrem grofsen Opferfeste droht? 

14. (10286.) So sprach der grofse Yogin und blickte aus 
mit dem Auge der Meditation ; da sah er den Mahädeva und 
die schöne, spendende Göttin (Umä) 

15. (10287.) und den hochherzigen Närada, wie er in der 
Nähe dieser Göttin weilte. Als der Yogakenner sich dessen 
vergewissert hatte, wurde er von grofser Befriedigung erfüllt. 

16. (10288.) Einseitig ist das Gebet von ihnen allen, da 
sie den Herrn (Civa) nicht hinzugebeten haben, [sprach er]; 
damit verliefs Dadhici diesen Ort und sprach: 

17. (10289.) Wer Nicht -Verehrungswürdige verehrt und 
Verehrungswürdige nicht verehrt, der Mensch begeht allemal 
eine Sünde, die dem Menschenmorde gleichkommt. 

18. (10290.) Niemals noch habe ich die Unwahrheit ge- 
sagt und werde sie auch niemals sagen, mag ich bei Göttern, 
mag ich bei Weisen weilen, ich sage die Wahrheit. 

19. (10291.) Ihr sollt sehen, der Herr der Tiere, der Schöpfer 
und Herr der Welt, der Gebieter aller Wesen als bester Ge- 
niefsender kommt zu eurem Opfer. 

Daksha sprach: 

20. (10292.) Wir haben hier viele Rudra's mit dem. Speer 
in der Hand und der Haarlocke auf dem Haupte; sie haben 
ihre elf Plätze eingenommen, aber deinen Mahecvara kenne 
ich nicht. 



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Adhyaya 285 (B. 284). 



517 



Dadhici sprach: 

21. (10293.) Dieses Gebet, welches ihr alle darbringen 
wollt, wird — weil ihr ihn nicht dazu gebeten habt, — so 
gewifs wie ich keine höhere Gottheit als (Jankara (Civa) an- 
erkenne, (10294.) so gewifs wird dieses grofse Opfer des Daksha 
nicht zustande kommen. 

Daksha sprach: 

22. (10295.) Dem Herrn des Opferfestes bringe ich diese 
ganze, durch Bräuche und Sprüche geheiligte Opferspeise 
auf goldener Schüssel dar als gebührenden Anteil des 
unvergleichlichen Vishnu, er ist der Herr, der Allbeherr- 
scher, ihm ist das Opfer darzubringen. 

Die Göttin (Uma) sprach: 

23. (10296.) Welches Geschenk, welche Selbstbezwin- 
gung oder Askese könnte ich wohl leisten, damit mein 
Gatte, der heilige, unausdenkbare, heute die Hälfte des 
Opfers oder doch ein Drittel als seinen Anteil erhalte. 

24. (10297.) Seiner Gattin, welche in Aufregung so zu 
ihm sprach, erwiderte mit heiterem Angesicht der Heilige: 
Du kennst mich noch nicht, du Göttin, schlank an Leib 
und Gliedern, und weifst nicht, wie es sich geziemt, zu 
[mir], dem Herrn der Opferfeste, zu reden. 

25. (102^8.) Ich weifs es [wer ich bin], o Grofsaugige, 
aber jene Nichtswürdigen ermangeln der Meditation und 
wissen es nicht; so wie du heute verwirrt erscheinst, so 
gehen auch die Götter, Indra voran, und die drei Welten 
allesamt in der Irre. 

2rt. (10299.) Ich bin es, den [in Wahrheit] die An- 
rufenden beim Opfer preisen, dem die Sämansänger das 
Rathantaram singen, ich bin es, dem die brahmankundi- 
gen Brahmanon opfern, dem die Adhvaryu-Priester die 
Opferspende zuteilen. 

Die Göttin (Umai sprach . 
27. (io30o.) Jeder Mann, auch ein ganz gewöhnlicher, kann 
in Gegenwart des Weibervolkes sich rühmen und wichtig 
machen, das versteht sich. 



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518 



III. Mokshadharma. 



Der Heilige sprach: 

28. (10801.) Nicht rühme ich mich seihst, o Götterherrin ; 
sieh mir einmal, o Schlanke, wen ich jetzt hervorbringen 
werde, o Schöngewachsene, um dies Opfer zu stören, o Schön- 
farbige. 

29. (10302.) So sprach der Heilige zu seiner ums Leben 
lieben Gattin und brachte aus seinem Munde hervor ein 
Wesen, furchtbar, haarsträubend. 

30. (10308.) Zu dem sprach Mahecvara: Beschimpfe das 
Opfer des Daksha! Darauf wurde von diesem einzigartigen 
Löwen, den er spielend 

31. (losen.) geschaffen hatte, um den Groll der Göttin zu 
begütigen, das Opfer des Daksha zerstört. Aber die furcht- 
bare, grofse Göttin Kali (Umä), aus Groll, 

32. (10805.) den sie hegte, ging hinter ihm her, um Zeugin 
des Vorgangs zu sein. Der Einwilligung des Gottes sicher 
und sich vor ihm mit dem Haupte verneigend, 

33. (10306.) stand er da, an Heldenmut dem Gotte ähnlich, 
in kraftvoller Gestalt als sein heiliger, leibhaftig gewordener Zorn. 

34. (i«)307.) Unermefslich an gewaltiger Heldenkraft, un- 
ermefslich an gewaltiger Mannhaftigkeit,wurde er Virabhadra 
(Mannhold) genannt, der Rächer der grollenden- Göttin. 

35. (1O308.) Da schuf er aus seinen Hautporen Scharen 
von herrischen Wesen, genannt Raumya's (Haarentsprossene). 
Diese dem Rudra ähnlichen, furchtbaren (raudraj, dem Rudra 
an Tapferkeit gleichen Scharen 

36. (10309.) stürzten sich stürmisch auf das Opfer des 
Daksha, um es zu zerstören, furchtbar an Aussehen, mächtig 
an Leib, zu Hunderten und Tausenden. 

37. (10310.) Darauf erfüllten sie mit wildem Geheul gleich- 
sam den Weltraum, und durch diesen grofsen Lärm wurden 
die Himmelsbewohner in Schrecken versetzt. 

38. (103U.) Die Berge zerrissen und die Erde bebte, die 
Winde tobten und das Reich des Varuna (das Meer) kam in 
Aufruhr. 

39. (10312.) Die Feuer leuchteten nicht mehr, nicht strahlte 
mehr die Sonne, Planeten, Fixsterne und Mond schienen 
nicht mehr. 



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Adhyäya 285 (B. 284). 



519 



40. (10313.) Keine Rishi's kamen zum Vorschein, keine 
Götter und keine Menschen. Nachdem es so ganz dunkel 
geworden war, fingen die beleidigten Unholde an zu sengen 
und zu brennen. 

41. (10314.) Die einen schlugen darauf los, die anderen rissen 
die Opferpfosten aus, zerbrachen sie und traten auf ihnen 
herum. 

42. (10315.) Sie stürmten heran, stürmten von dannen 
schnell wie der Wind, wie der Gedanke schnell, zermalmten 
die Opferschalen und die himmlischen Schmuckgegenstände* 

43. (10316.) zerstückelt lagen diese da, den Sternen am 
Himmel vergleichbar, himmlische, zum Genüsse bestimmte 
Speisen und Getränke waren in Haufen wie Berge aufgetürmt. 

44. (10317.) Milchströme waren da zu sehen, in welchen 
Schmelzbutter und Milchbrei mit Schmutz, saure Milch und 
Rahm mit Wasser und himmlische Zuckerstücke mit Sand 
durcheinanderflossen, 

45. (io3i8.) und welche alle sechs Geschmäcke zugleich 
an sich trugen. Verlockende Bäche von Sirup, allerlei Fleisch 
durcheinander, verschiedene andere Speisen, 

4fi. (io3i<>.) himmlische Getränke und alles, was zu lecken 
und zu schlürfen ist, wurde von ihnen mit mancherlei 
Mäulern genossen, zerbrochen und beschmutzt. 

47. (10320.) Getrieben von Rudra's Zorn, mit mächtigen 
Leibern, an Aussehen dem Weltuntergangsfeuer vergleichbar, 
brachten sie die Götterheere, überall Furcht verbreitend, in 
Verwirrung, 

48. (10321.) trieben allerlei Kurzweil und zerrten die Götter- 
frauen herum. So wurde durch Rudra's Zorn das von den 
Göttern sorgsam behütete 

41». (10322.) Opfer von dem Rudra's W erk Ausführenden 
[Virabhadra] in kurzer Zeit vollständig verbrannt. Er voll- 
führte einen fürchterlichen Lärm, der allen Wesen Angst 
einflöfste, 

50. (10323.) und nachdem er das Opfer [gleichsam) ent- 
hauptet hatte, brüllte er und jubelte vor Freude. Die Götter 
aber, mit Gott Brahmän an der Spitze, und der Schöpferherr 
Daksha 



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520 in. Mokshadharma. 

51. (10324.) sprachen alle mit demütig zusammengelegten 
Händen zu ihm: Sage uns, o Herr, wer du bist. 

Vlrabhadra sprach: 

(10325.) Ich bin nicht Rudra oder die Göttin [Umä], bin 
auch nicht hierhergekommen, um zu geniefsen. 

52. Den erregten Groll der Göttin bemerkend, geriet der 
allbeseelende Herr in Zorn. (10326.) Nicht etwa um die Brah- 
manenfürsten zu sehen, noch auch aus Neugierde, 

53. sondern um dein Opfer zu stören bin ich hierher- 
gekommen fo Daksha], das merke dir. (10327.) Mein Name 
ist Virabhadra, und aus dem Zorne Rudra's bin ich hervor- 
gegangen. 

54. Diese hier aber heifst Bhadrakali und ist aus dem 
Zorne der Göttin hervorgegangen. (10328.) Von dem Gott der 
Götter sind wir beide zu deinem Opfer entsandt worden und 
da sind wir. 

55. Nimm, o Brahmanenfiirst , deine Zuflucht zu dem 
Gott der Götter, zum Gemahle der Umä; (10329.) auch der 
Zorn dieses Gottes ist dir besser, als wenn du von einem 
andern eine erwünschte Gabe empfingest. 

56. Als Daksha, der Beste der Pflichtträger, das Wort 
des Virabhadra vernommen hatte, (10330.) da warf er sich vor 
dem Mahecvara (C iv a) nieder und begütigte ihn durch folgen- 
den Lobgesang: 

57. „Ich nehme meine Zuflucht zu dem Gotte, dem 
ewigen, festen, unvergänglichen Herrn, (10331.) zu dem hoch- 
herzigen Mahädeva, dem Beherrscher aller, die da leben." — 

*58. (Aus Veranlassung des Opfers des Schöpferherrn 
Daksha waren durch die wohlzubereiteten Opfergaben (io332.)aUe 
Götter herbeigelockt worden, sowie die askesereichen Rishi*s. 

59. Aber der alles wirkende Gott Mahecvara war nicht 
dazu geladen worden. (10 333.) Da liefs die erzürnte Maha- 
devi ihre Scharen gegen das Opfer los, 

60. damals, als der Opferplatz in Flammen aufging, die 



* Die eingeklammerten Worte, Vers 10331b — 10336, werden schon 
in B. durch Klammern als eine Interpolation gekennzeichnet. 



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Adhy&ya 285 (B. 284). 



521 



Brahmanen auseinanderstoben (10334.) und das hochmächtige, 
den Sternen an Glanz gleichkommende Geschöpf des Rudra 
(Virabhadra) in Wut entbrannt war 

61. nebst seinen mit Spiefsen die Herzen durchbohrenden, 
brüllenden Dienern, (10335.) während die Opferpfosten aus- 
gegraben und umgerissen und nach allen Seiten fortgeschleu- 
dert wurden, 

02. während nach Beute gierige Geier hin und her flogen 
(10336.) und durch den Wind ihrer Flügel das Geheul von 
Hunderten von Schakalen ringsherum verweht wurde, 

63. in Begleitung von Scharen von Yaksha's und Gan- 
dharven, von Picaca's, Schlangen und Räkshasa's) — (10337.) da 
geschah es, dafs [O v *]» indem er Aushauch und Einhauch 
unter Schliefsung des Mundes mit Anstrengung hemmte 

tU. und seine Blicke umherschweifen liefs, dafs er. der 
weitblickende, feindüberwindende (.10 338.) Gottherr der Götter 
sich plötzlich von seinem Feuerbecken erhob, 

65. er, der Träger der Glut von tausend Sonnen, der 
dem Weltuntergangsfeuer Vergleichbare, (103311.) und lächelnd 
das Wort sprach: Sage, was ich für dich tun soll. 

66. Nachdem darauf die für das Opferfest bestimmte 
Lektion von dem Lehrer der Götter (Brihaspati) rezitiert 
worden war, (10340) sprach der Schöpferherr Daksha mit zu- 
sammengelegten Händen zu jenem Gotte (Tivaj, 

67. mit Furcht, Angst und Zittern, mit Tränen in Augen 
und Angesicht: (10341. i Wenn du, o Heiliger, mir gnädig bist 
und wenn ich dir lieb bin, 

68. wenn ich deiner Gnade würdig bin, wenn du mir 
anders einen Wunsch gewähren willst, ( 10342.) dann mögest 
du alles das, was hier verbrannt, aufgezehrt, ausgetrunken, 
verschlungen, zugrunde gerichtet, 

69. zertreten und herumgeschleudert worden ist, diese 
grofse Opferzurüstung, (10343.) die ich in langer Zeit und mit 
grofser Mühe sorgsam zusammengebracht hatte, — möge das 
alles für mich nicht vergeblich gewesen sein, das ist die 
Gnade, die ich von dir erbitte. 

70. (10344.) „Möge es denn also sein 4 ', sprach der heilige 



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522 



III. Mokshadharma. 



Hara, der Blender des Bhaga, der Hüter des Rechts, der 
seltsamaugige, dreiaugige, schöpferische Gott. 

71. (10345.) Da warf sich Daksha, nachdem ihm Bhava 
(fiva) seinen Wunsch gewährt hatte, mit den Knien auf die 
Erde nieder und pries den den Stier im Banner Tragenden 
unter Anrufung seiner tausendundacht Namen. 

8o lautet im Mokahadharma die Zerstörung dei Opfere des Daksha 

Adhy&ya 5586* (B. 284 Fortsetzung). 
Vers 10346-10484 (B. 72-208). 

Yudhishthira sprach: 

72. (10340.) Die Namen, mit welchen der Schöpferherr 
Daksha den Gott gepriesen hat, die sollst du mir, o Freund, 
mitteilen; ich habe gläubiges Verlangen, sie zu hören, o Un- 
tadeliger. 

Bhishma sprach: 

73. (10347.) Vernimm denn die Namen des wunderwirken- 
den, geheimnisvollen Gottes der Götter, die verborgenen wie 
die offenbaren, o Bhärata. 

74. (10348.) Verehrung dir, o du Herr des Gottes der Götter, 
Töter des Götterfeindes Bala, Stütze der Kraft der Götter- 
fürsten, von Göttern und Dämonen Verehrter, 

75. (10349.) Tausendaugiger, Seltsamaugiger, Dreiaugiger, 
Freund des Fürsten der Yaksha's, überallhin Hände und Füfse, 
überallhin Augen, Haupt und Mund Ausstreckender! 

76. (10350.) Nach allen Seiten hin hörend, die Welt um- 
fassend stehst du da (vgl. ( 4 Yet. Up. 3,16), o Spitzohriger, 
Grofsohriger, Topfohriger, Ozean umfasser, 



* Dieses rivasahasranäman steht, ähnlich wie das Vishuusahasranäman 
Mbh. XIII, Adhy. 149, in ludien im Gerüche besonderer Heiligkeit und 
wird von vielen als tägliches Gebet rezitiert. Die Bezeichnungen sind 
stellenweise völlig sinnlos und wirken nur durch den Gleichklang, den wir 
hin und wieder auf Kosten der Genauigkeit der Übersetzung nachzubilden 
versuchten. 



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Adhy&ya 28ß (B. 234 Fortsetzung). 



523 



77. (io35i.) Elefantenohriger, Ochsenohriger, Handohriger, 
Verehrung sei dir! 0 du hundert Bäuche, hundert Haar- 
wirbel, hundert Zungen Habender, Verehrung sei dir! 

78. (10352.) Dich besingen die Liedersänger, dir zollen 
Preis die Lobsingenden, dich, den hundertkräftigen Gott Brah- 
man, erachten sie hoch wie den Äther. 

79. (103™.) In deiner Gestalt sind sie, o Grofsgestaltiger, 
dem Ozean und Luftraum Ähnlicher, „alle jene Götter sind 
in ihm wie im Kuhstall die Kühe sind 44 (Atharvaveda 11,8,32). 

80. (10354.) Ich sehe in deinem Leibe Sorna, Agni, Varuna, 
Aditya, Vishnu und den Priester Brihaspati. 

81. (10355.) Du, o Heiliger, bist die Ursache und die Wir- 
kung, die Tat und das Werkzeug, du bist Entstehung und 
Vergang des Nichtseienden und des Seienden. 

82. (10356.) Verehrung dir als Bhava, C arva > Rudra, als 
Gabengeber und Herrn der Tiere immerdar, Verehrung dem 
Töter des Andhaka. 

H3. (10357.) Dir, dem Dreilockigen, Dreiköpfigen, dem 
Besten der Dreizackeschwingenden, Dreimutterhaften, Drei- 
augigen, drei Burgen Zerstörenden sei Verehrung! 

84. (10 358.) Verehrung dem Zornmütigen, dem Befasser, 
dem Weltei und Träger des W r elteis, dem Richtenden, Un- 
parteiischen, Stab und Tonsur des Asketen Tragenden sei 
Verehrung! 

85. (io35i).) Verehrung dem von Zähnen und Haaren Star- 
renden, dem Fleckenlosen, Weitverbreiteten, dem Hochroten, 
Rauchgrauen, Schwarzhalsigen Verehrung! 

8t5. (10360.) Verehrung sei dem Unvergleichlichen, Seltsam- 
gestalteten, Glückseligen, dem Sonnenhaften, Sonnumstrahl- 
ten, die Sonne als Banner und Fahne Führenden! 

87. (10301.) Verehrung dem Kobold fuhrer, dem Stier- 
nackigen, dem Bogenträger, dem Feindbezwinger, Rächer, 
als Asket in Blätter und Lumpen Gehüllten! 

88. (losr,* ) Verehrung dem Goldkeim fhiranywjnrbhuj^ dein 
Goldgepanzerten, Goldschopfigen , dem Herrn des Goldes sei 
Verehrung! 

89. (loses.) Verehrung dem Preislichen, Preiswerten, Ge- 
priesenen, dem Allseienden, Allverschlingenden, Allbeseelenden ! 



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524 



III. MokshaiUianna. 



90. (10364.) Verehrung ihm, der Priester und Hymnus ist, 
der ein weifses Banner als Fahne trägt, Verehrung dem Welt- 
nabel, Weltnabelhaften, der die Hülle der Hüllen ist! 

91. (10366.) Verehrung dem Schmal nasigen, Schmalglie- 
drigen, Schmalen, dem Freudestarrenden, Freudesträubigen, 
im Freudenrufe Aufjauchzenden! 

92. (103ü6.) Verehrung ihm, dem Liegenden, wenn er liegt 
und wenn er aufsteht, dem Ruhenden und Rennenden, dem 
Kahlköpfigen, Haarschöpfigen ! 

93. (10367.) Verehrung dem Tanzkundigen, Tönekunst- 
mundigen, die Flufsgabe [Lotosblume, Nil.] Liebenden, Ge- 
sang und Saitenspiel Übenden! 

94. (10368.) Verehrung dem Edelsten, Besten, dem Stürzer 
des Bala, dem Zeitgebieter, dem Weltalter (kalpäya mit C), 
Weltvernichter, Weltaltervernichter ! 

95. (10369.) Dem furchtbar wie Trommeln Lachenden, 
furchtbare Gelübde Haltenden, dem Schrecklichen sei furcht- 
bare Verehrung, dem Zehnarmigen! 

96. (10370.) Verehrung dem Schäd el tragenden , Scheiter- 
haufen und Asche Liebenden, dem Furchteinflöfsenden, Fürch- 
terlichen, furchtbare Gelübde Haltenden! 

97. (io37i.) Verehrung ihm, mit dem seltsamen Munde, 
mit der schwertgleichen Zunge und dem furchtbaren Gebifs, 
ihm, der gierig ist nach gekochtem und rohem Fleische und 
seine Freude hat am Lautenspiel! 

98. (10372.) Verehrung dem Stiere, dem Stierkräftigen, 
dem Stier der Kühe, dem Stiere, ihm, dem Umhüller der 
Hüllen, dem Rächer, dem Reifmacher der Taten! 

99. (10373.) Verehrung dem Trefflichsten von allen, dem 
Trefflichen, Treffliches Schenkenden, treffliche Kränze, Düfte 
und Gewänder Tragenden, Treffliches, Unübertreffliches 
Schenkenden (varade = varadäya Nil.) ! 

100. (10374.) Verehrung dem Leidenschaftlichen, Leiden- 
schaftslosen, dem Bildner, dem Rosen kränz träger, dem Kon- 
zentrierten und Differenzierten, der Schatten und Glut zu- 
gleich ist! 

101. (10 375.) Dem Nichtfurchtbaren und Furchtbaren, der 



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AdhyAya 286 (B. 284 Fortsetzung). 



525 



furchtbarer als das Furchtbare ist, sei Verehrung! Dem Gütigen, 
Beruhigten, dem Allerberuhigtesten sei Verehrung! 

102. (1037«) Dir, dem Einfüfsigen und Vielaugigen, dem 
Einköpfigen sei Verehrung, dem Rudra, der nach Kleinem 
begehrt und gerechte Verteilung liebt! 

103. (10377.) Dem Paßcala [nach Nil. dem Kunstfertigen], 
dem Weifsgliedrigen sei Verehrung, dem Allberuhigten, dem 
heftig Tönenden, Tonreichen, tonlos Tönenden! 

104. (10378.) Verehrung dem tausendglockig Tönenden, des 
Glockenspiels Frohen, dem Odemsausenden, Duftberauschen- 
den, Lärjnerbrausenden, 

105. (10379.) dem dem lauten Summen Entrückten, durch 
das laute Summen Beglückten! Verehrung, wo der ewig 
Ruhige thront, ihm, der in des Berges Waldungen wohnt! 

10(i. (10380.) Dem als Schakal nach Kernfleisch Gierenden, 
als Retter Hinüberführenden sei Verehrung, ihm, der Opfer 
und Opferer ist und Dargebrachtes zu jeder Frist! 

107. (10381.) Dem Opferbringer und Selbstbezwinger, dem 
Entflammten und dem Entflammer, dem Ufer und Uferführen- 
den, Verehrung dem Uferregierenden! 

108. (10382.) Verehrung dem Speiseschenker, Speiseherrn, 
Speiseverzehrer, dem Tausendköpfigen, Tausendlufsigen, 

109. (10383.) mit tausend Dreizacken Schützenden, tausend 
Augen Besitzenden ! Verehrung dem wie junge Sonnen Blitzen- 
den, junge Gestalt Besitzenden, 

110. (10384.) die Jugendschar Besitzenden, im Jugendspiel 
sich Erhitzenden! Verehrung dem Alten, Gierigen, Erschüt- 
terten, Erschütternden ! 

111. (103H5.) Verehrung dem Wellennafshaarigen, Mufija- 
grashaarigen, die sechs Werke Übenden, die drei Werke 
Liebenden, 

112. (10386.) dem die Werke der Kasten und Lebensstadien 
nach Vorschrift gesondert in Umschwung Erhaltenden! Ver- 
ehrung sei dem Sausenden, dem Sausen, dem Liirmerbrau- 
senden, 

113. (10387.) dem W r eifsgelbaugigen, Schwarzrotaugigen, 
Röchelnden, Rächenden, Knackenden, Nackenden, 

114. (10388.) ihm, der über Gutes, Lust, Nutzen und Er- 



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I 



526 HL Mokshadharma. 

lösung darbietet aller Fragen Lösung, dem Sänkhyatreuen, 
Sänkhyamundigen, des Sänkhya und Yoga Kundigen! 

115. (10389.) Verehrung dem Fahrer, dem Nichtfahrer, dem 
alle vier Wege Durchfahrer [Wasser, Feuer, Luft, Äther, nach 
Nil.], von schwarzer Antilope Umhäuteten, mit Schlangen- 
Opferschnur Umkleideten ! 

116. (10390.) 0 Herr, o Diamantfester, Goldhaariger, Ver- 
ehrung dir! Dreimutterhafter , Schützer der Mutterhaften, 
Offenbarer und Geheimer, Verehrung dir! 

117. (10391.) 0 Lust, o Lustvermehrer, Lustzerstörer, Satter 
und Nichtsatter, Streifender, o All, o Allvermehrer, Allzer- 
störer, Dämmerungsfreund, Verehrung dir! 

118. (10392.) Als grofse Wolken dich Häufender, als grofses 
Verhängnis Ergreifender, Verehrung dir! Stark und gebrech- 
lich an Körper und Locke, in Baumbast gekleidet und Fell 
vom Bocke! 

119. (10393.) Mit sonnengleich, feuergleich flammender 
Locke, im Kleid aus Baumbast, im Fell vom Bocke, tausend 
Sonnen Vergleichbarer, an Askese Unerreichbarer, Verehrung 
sei dir! 

120. (10394.) Tollmachender, Hunderthaarwirbel iger, am 
Haar von Gangäwasser Benetzter, Mondlenker, Weltalter- 
lenker, Wolkenlenker, Verehrung dir! 

121. (10395.) Du bist Speise, Fresser und Geniefser, Speise- 
verleiher, Speisegeniefser, Speiseverbreiter und Speisebereiter, 
Geniefser, Wind und Feuerglut! 

122. (1039*;.) Du bist Lebendgeborenes, Eigeborenes, 
Schweifsgeborenes, Sprofsgeborenes , du bist, o Herr des 
Gottes der Götter, die vier W r esensscharen allzumal! 

123. (10397.) Du bist des Beweglichen und Unbeweglichen 
Schaffer und Wegraffer, dich preisen sie als Inbegriff der 
Brahmanwissenden, als das Brahman, o Bester der Brahman- 
wissenden ! 

124. (10398.) Du bist die höchste Quelle des Geistes, bist 
Äther, Wind und Schatzkammer der Gestirne, dich bezeichnen 
die Brahmanlehrer als Ric, Säman und Om-Laut! 

125. (10399.) Häyihäyi hüva hdyi hävuhäyi, mit diesen 



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Adhyäya 286 (B. 284 Fortsetzung). 527 



Lauten wiederholentlich besingen dich, o Bester der Götter, 
die brahmankundigen Samansänger! 

126. (10400.) Als bestehend aus Opfersprüchen, Versen, 
und Opfergüssen wirst du gepriesen mit Lobliedern von den 
Scharen der Upanishad's des Veda! 

127. (10401.) Du bist Brahmanen, Kshatriya's, Vaicya's, 
(,üdra's, sowie die untersten Kasten, bist Wolkenmassen, 
Blitz und Donnerschall! 

128. (10402.) Du bist Jahr und Jahreszeiten, Monate und 
Halbmonate, Weltalter, Augenblicke und Minuten, bist Stern- 
bilder, Planeten und Mondphasen! 

129. (10403.) Du bist der Bäume Wipfel und der Berge 
Gipfel, der Tiger unter den Waldtieren, der Garuda unter 
den Vögeln, Ananta unter den Schlangen! 

130. (10404.) Du bist das Milchmeer unter den Ozeanen, 
der Bogen unter den Werkzeugen, unter den Waffen der 
Donnerkeil, unter den Gelübden tlie Wahrhaftigkeit! 

131. (10 405.) Du bist Hafs und Liebe, Leidenschaft, Ver- 
blendung, Geduld und Ungeduld, Entscheidung, Festigkeit, 
Begierde, Lust und Zorn, Sieg und Niederlage! 

132. (10406.) Du führst Keule, Pfeil, Streitkolben, Trom- 
mel ; du giltst als Zerschneider, Zerspalten Angreifer, Führer, 
Vorseker und Vater! 

133. (10 407.) Mit den zehn Kennzeichen begabt [den zehn 
Yogasütra 2,30 und 32 aufgezählten, Nil.] bist du, bist das 
Gute, Nützliche und Angenehme; du bist die Gangä, die 
Meere und die Ströme, die Sümpfe und Teiche! 

(10408.) Du bist Schlingpflanzen und Ranken, Gräser 
und Kräuter, Haustiere, Waldtiere und Vögel, du bist Sub- 
stanz, Tätigkeit und Unternehmen, bist die Zeit, welche 
Blumen und Früchte bringt! 

135. (10409.) Du bist Anfang und Ende der Götter, die 
Gäyatri und der Om-Laut, bist grün, rot, blau, schwarz, pur- 
purn und goldgelb, (10410.) schwarzgelb, affenbraun, tauben- 
grau und dunkelfarbig! 

136. Du bist farblos und farbenschön, Farbenspender, 
der Wolke gleich, (10411.) nach Gold benannt und Gold 
liebend ! 



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528 



III. Moks)i;i<lhariua. 



137. Du bist Indra, Yama, Varuna, Kubera und Agni, 
(10412.) du bist Sonnenfinsternis und Sonnenschein, bist Him- 
melsglanz und Sonne! 

138. Du bist Priesteramt, Priesterhandlung, Darbringung 
und Herr, (i04is.) du bist das Trisuparna-Gebet, bist unter den 
Yajus die Qatarudriya- Sprüche! 

139. Du bist die Sühne der Sühnen, der Glückwunsch 
der Glückwünsche, (10414.) bist bergschweifend, umherstrei- 
fend und wurzelnder Baum, bist die Seele und auch der Leib ! 

140. Du bist der Lebensodem, bist Sattvam, Kajas und 
Tamas, die Nüchternheit, (i04is.) bist Aushauch, Einbauen, 
Allhauch, Auf hauch und Zwischenhauch! 

141. Du bist Aufschlagen und Schliefsen der Augen, bist 
Niesen und Gähnen, (10416.) bist das rote, nach innen gekehrte 
Auge, mit grofsem Rachen und grofsem Bauche! 

142. Nadelhaarig, blondbärtig, haarsträubig und voll Be- 
weglichkeit bist du, (10417.) des Gesangs und Saitenspiels 
kundig, ein Freund des Gesänge Vortragenden! 

143. Du bist der Fisch, wie er im Wasser spielt und 
im Netze zappelt, unteilig, spielweilig, streiteilig, (i04is.) un- 
zeitig, überzeitig, schlimmzeitig und zeitig! 

144. Du bist der Tod, die Sense und der zu Mähende, 
der Vernichter von Freund und Feind, (i04io.) bist Weltunter- 
gangswolkenzeit, mit grofsem Gebifs, die Umsturzwolke, die 
Einhüllungswolke ! 

145. Du bist die Glocke, die Nicht-Glocke, der Kessel- 
mann, der Glockenmann, der Topfumfangene, der Allbegangene, 
(10420.) die Priesterheiligkeit, der Feuer Leiblichkeit, der Rächer, 
der Tonsurhafte, Dreistabhafte, 

146. vierweltalterhaft, viervedahaft, der vier Priester Rege- 
kraft, (10421.) der vier Lebensstadien Führer, der vier Kasten 
Regierer, 

147. stets das Würfelspiel liebender Schelm, Scharen- 
hüter und Scharenherr, (10422.) ein rotbekränztes Kleid tragend, 
berghaft, in Bergen sich behagend, 

148. kunstfertig, der Künstler Bester, aller Künste Be- 
förderer, (10423.) der grimmige Haken für Bhaga's Augen, der 
Vernichter von Püshan's Zähnen! 



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Adhyäya 286 (B. 2*4 Fortsetzung). 



529 



149. Du bist die Opferrufe svahä, svadha, uashat, Be- 
grüfsungslaut, Verehrungslaut, (104J4.) verhüllten Gelübdes, 
geheimer Kasteiung, sternhaft, aus Sternen bestehend, 

150. Schöpfer, Ordner und Bildner der Welt, Bildner und 
Träger, der sie erhält, (10425.) Brahman, Askese, Wahrhaftig- 
keit, Brahmanwandel und Redlichkeit, 

151. der Wesen Selbst, der Wesen schafTer, selbst Wesen, 
des Gewesenen, Zukünftigen und Seienden Quelle, (10426.) Erde, 
Luftraum und Himmel, und darum der feste, bezähmte, 
grofse Herr, 

152. Weihe vollbringend und nicht vollbringend, geduldig, 
unbezwingbar, der Unbezähmten Bezwinger, (10 427.) den Mond 
wälzend, Weltalter wälzend, umwälzend und durcheinander- 
wälzend ! 

15:1 Du bist Begierde, ein kleiner Punkt und doch grofs, 
Lotoskränze liebend, (10428.) lieblichen Mundes, schrecklichen 
Mundes, schönen Mundes, häfslichen Mundes, entbehrend des 
Mundes, 

154. viermundig, vielmundig und im Gefechte feuermundig, 
(10429.) der goldene Keim, der Sonnenvogel, Herr grofse r 
Schlangen und Virat, 

155. des Frevlers Strafer, mit grofsen Flanken, der 
Scharenherr, voll Zorngedanken, (10430.) Kuhbrüller, Kuhfurt, 
mit besten Stieren Fahrender, 

15*». Beschützer der Dreiwelt, Kuhgewinner, der Kühe 
Pfad und ohne Pfad, (10431.) der Beste, Feste, Baumstamm- 
artige, unerschütterlich und zugleich Erschütterung, 

157. schwer hemmbar, schwer bezwingbar, schwer über- 
windbar, schwer übertreffbar, (10432.) schwer bestellbar, schwer 
erschütterlieh, schwer bewältigbar, schwer besiegbar, der 
leibhaftige Sieg, 

158. Hase, Hasenträger (Mond), Stillmacher, Bewirker 
von Kälte, Hitze, Hunger, Alter und Not, (1043».) Sorgen- 
inbegriff, Krankheitsinbegriff, Krankheitbrecher und Krank- 
heit selbst! 

159. Du bist der Jäger meines als Wild fliehenden Opfers, 
der Krankheiten Kommen und Gehen, (10434) der Pfau mit 
den Lotosaugen, in Lotoswäldern thronend, 

Dicww, M&hAhhAraUm. 



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530 III. Mokshadharma. 

160. Stabtragender, Dreimutterhafter, furchtbarer Strafer, 
Welteivernichter, (10435.) Giftfeuerschlürfer, der Götter Bester, 
Somaschlürfer bist du, Windgötterherr, 

161. Nektarschlürfer, der Welten Herr, o Göttergott, der 
Scharenherr, (10436.) Giftfeuerschlürfer, Todschlürfer, Milch- 
schlürfer, Somaschlürfer auch, der Gestürzten Honig, Erst- 
schlürfer, Anfangschlürfer der Götter du! 

162. (10437.) Gold ist dein Same, Weltgeist bist du, 
der Mann, das Weib und auch was keins von beiden, bist 
Kind und Jüngling und zahnloses Alter, bist Schlangen- 
fürst, Machthaber, Allgottschöpfer, 

163. (10438.) Allschöpfer, der Allschöpfer Bester, All- 
träger, Allgestal tiger, Glanzreicher, Allwärtsblickender, 
Sonne und Mond sind deine Augen, dein Herz ist Vater 
dieser Welt! 

164. (10439.) Du grofses Meer, Sarasvati, der Rede Kraft, 
Feuer und Wind, du Tag und Nacht, Schliefser und Öffner 
der Augen! 

165. (10440.) Nicht Gott Brahmän, nicht der Kuhgewinner, 
nicht die Weisen des Altertums vermögen deine Majestät zu 
fassen, wie sie der Wahrheit nach besteht, o £iva! 

166. (10441.) Deine sehr feinen Formen zeigen sich meinem 
Blicke nicht, errette mich, beschütze stets mich wie der Vater 
den eigenen Sohn! 

167. (10442.) Errette mich, rettungswert bin ich dir, Un- 
tadliger, Verehrung dir! Du erbarmst dich derer, die dich 
lieben, o Heiliger, und geliebt habe ich dich allezeit! 

168. (10443.) Der vor viel tausend Menschen sich bergend, 
schwer sichtbar, steht am Meeresrand, der sei mein Hüter 
immerdar! 

169. (10444.) Den die schlummerlosen, atembezwingenden, 
im Sattvam stehenden, die Sinne zügelnden Yogin's als Licht 
schauen, ihm als der Yogaseele sei Verehrung! 

170. (10445.) Dem Schopfträger, stets Stabträger, mit 
Hängebauch Verkörperten, dem der Krug an der Seite hängt, 
ihm als der Brahmanseele sei Verehrung! 

171. (10446.) Der Wolken in den Haupthaaren, Ströme in 



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Adhyäya 286 (B. 284 Fortsetzung). 



f>31 



den Gelenken trägt, in dessen Bauch die vier Meere, ihm als 
der Wasserseele sei Verehrung! 

172. (10447.) Der, wenn sich naht das Weltende, aller 
Wesen Verschlinger ist, der dann ruht auf der Wasser Mitte, 
den auf den Wassern rufe ich an! 

173. (10448.) Der, in den Mund des Rahu eingehend, den 
Sorna in der Nachtzeit trinkt [d. h. den Mond verschlingt] 
und die Sonne einschluckt als Svarbhänu (Rahu), der möge 
mich beschützen! 

174. (10449.) Die als Leibesfrucht dir entsprungenen [Götter], 
welche ihren Anteil [am Opfer] geniefsen, Verehrung sei ihnen, 
svadhä, svähä, mögen sie erlangen, was sie freut! 

175. (loiöo.) Die, welche als Purushas, zollhoch an Länge, 
im Leibe aller Verkörperten weilen, die mögen mich allezeit 
beschützen, allezeit mein Gedeihen fördern! 

176. (io45i.) Die, im Körper wohnend, nicht weinen, aber 
die Verkörperten weinen machen, die sie froh machen, ohne 
selbst froh zu sein, diesen [Rudra's] sei Verehrung immerdar! 

177. (10462.) Sie, die in Flüssen und Meeren, in Bergen 
und Höhlen, in Baumwurzeln, Kuhställen, in der Wildnis und 
in Dickichten, 

178. (10453.) auf allen vier Wegen [oben, Vers 103*9] als 
ihren Strafsen, auf Plätzen und an Abhängen, in den Stal- 
lungen für Elefanten, Pferde und Wagen, in allen Gärten 
und Wohnungen, 

171). (10464.) und was die fünf Elemente sind, in den 
Gegenden und Zwischengegenden weilen, welche mitten in 
Mond und Sonne und ihren Strahlen zu finden sind. 

180. (10455.) die sogar in die Unterwelt gedrungen und 
ihm [dem (,'iva, Nil.] zu Ehren zum Höchsten gelangt sind — 
Verehrung ihnen, Verehrung ihnen, Verehrung ihnen immerdar! 

181. (10456.) Sie, deren Zahl, Gröfse und Gestalt nicht ge- 
kannt wird, die unzählige Geschicklichkeiten besitzenden 
Rudra's, diesen sei Verehrung immerdar! 

182. (10457.) Da du, Hara, ja der Schöpfer aller Wesen, 
der Herr aller Wesen, die Seele aller Wesen bist, darum 
wurdest du nicht [noch besonders] geladen. 

»4* 



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532 



III. Mokshadharma. 



183. (10458.) Weil du ja ohnehin durch alle Opfer mit 
ihrem mannigfachen Opferlohn verehrt wirst, denn du bist 
ja der Schöpfer des Weltalls, darum wurdest du nicht [noch 
besonders] geladen. 

1X4. (1045h.) Oder auch weil ich durch deine feine Zauber- 
kraft, o Gott, verblendet war, aus diesem Grunde vielleicht 
wurdest du nicht [noch besonders] geladen. 

185. (10460.» Nimm dich meiner gnädig an — Heil dir. 
o tthava! — der ich Gnade bei dir gefunden! Dir ist mein 
Herz, o Gott, ergeben, dir mein Geist und dir mein Sinn ! 

1HC>. (iu4rti.) Nachdem der Sehöpferherr [Daksha] mit die- 
sen Worten den Mahadeva gepriesen hatte, schwieg er; oh»-r 
der Heilige, hocherfreut, sprach hingegen zu Daksha: 

IST. (io4«;--\) Sehr erfreut bin ich. o Daksha, durch die»«»n 
Lobgesang, o Gelübdetreuer; wozu langes Reden, du soll-t 
in meiner Nahe bleiben. 

iss. (io4«i.) Durch meine Gnade, o Sehöpferherr. snlUr 
du der Frucht von tausend Rofsopfern und hundert \ iija|«\ a- 
Opfern teilhaftig werden. 

(io nw.) Und weiter sprach zu ihm Bhava. der hUt- 
herr der Welt, das Wort, das beruhigende Wort, er, d-r 
Wortkenner, das nach Worten wohlabgewogene: 

IHo. (io4«r».i I)aksha, lieber Daksha, sei nicht lx"»«»e dar- 
über, dafs ich dein Opfer störte, ich mufste dein npfer *ee> 
reifsen, das war von alterslier vorgesehen. 

KU. (104S6. i l'nd noch ein weiteres Geschenk verleihe ich 
dir, nimm es entgegen, o Gelübdetreuer, mit heiterem An- 
gesichte, vernimm ^es hier mit ungeteilter Aufmerksamkeit. 

192. (104»»7 ) Was aus dem Yeda und seinen sechs Ani»a** 
geschöpft und durch Gründe aus der Reflexionslehre sankhy-im 
und Verinnerlichungslehre (ywja) unterstützt als ein groNe*. 
schwer zu übendes Tapas von Göttern und Dämonen etfnc 
betrieben Morden ist, 

li»3. das noch nicht dagewesene, allbeglürkend«-. 

allwärtshinblickende. unvergängliche, durch eine zehniä&ntt** 
Zeremonie an Jahre gebundene, geheimnisvolle, von l\«r»"i 
getadelte, 



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Adhyftya 286 (B. 284 Fortsetzung). 



Ö33 



194. (10469.) mit den Pflichten der Kasten und Lebens- 
stadien in Widerspruch stehende, teilweise auch überein- 
stimmende, von Tiefdenkenden bestätigte, über die Lebens- 
stadien erhabene Gelübde 

195. (10 470.) der Päcupata's, dieses vortreffliche ist von 
mir vor Zeiten geschaffen worden, o Daksha. Durch die Be- 
obachtung dieses Gelübdes entsteht daraus allseitige reiche 
Frucht, 

196. (10471.) und sie soll dir zuteil werden, o Hochbeglück- 
ter, lafs den Kummer deines Herzens fahren! So sprach Maha- 
deva, und mit seiner Gattin und seinem Gefolge < 10472.) ver- 
schwand vor dem Daksha der unermefslich Mächtige. 

197. Wer nun diesen von Daksha gesprochenen Lob- 
gesang rezitiert oder anhört, (10473.) der wird in kein Unglück 
geraten und ein hohes Alter erreichen. 

198. So gewifs unter allen Göttern der heilige Civa der 
höchste ist, (10474 ) so gewifs ist dieser dem Veda gleich- 
kommende Lobgesang unter allen Lobgesängen der höchste. 

199. Und alle, welche nach Ruhm, Herrschaft, Lust, Gott- 
herrlichkeit , Angenehmem, Nützlichem und Reichtum Ver- 
langen tragen, (10 475.) und auch die nach Wissenschaft Trach- 
tenden sollen ihn mit frommem Sinne eifrig anhören. 

*J(M). Aber der Kranke, Leidende, Gedrückte, Diebgeplün- 
derte, Furchtgequälte, ri0476.) Amtbelastete wird dadurch von 
grofser Furcht befreit. 

201. Und schon in diesem Leibe gelangt er zum gleichen 
Range mit (^iva's Scharen, (104;;.) und von Glanz und Ruhm 
umgeben, lebt er in Reinheit. 

202. Nicht Kobolde, nicht Unholde, nicht Geister noch 
Gespenster (10478.) können das Haus dessen in Not bringen, 
bei dem dieser Lobgesang rezitiert wird. 

203. Und wenn eine dem Gott ergebene, in Hrahman 
wandelnde Frau ihn anhört, 1 10479). die ist von Seiten des 
Vaters, von Seiten der Mutter gottgleich zu ehren. 

204. Und wer den ganzen Lobgesang anhört oder ihn 
mit Hingebung hersagt, (ioiro.) dessen sämtliche Geschäfte 
gelingen vollkommen fort und fort. 

205. Und was einer im Geiste denkt und was er mit der 



III. Mokshadbarnia. 



Rede ausspricht, (10481.) das wird ihm alles zufallen für die 
Rezitation dieses Lobgesanges. 

206. Nachdem einer dem Gotte Guha (Skanda), der 
Göttin (Umä) und dem Gebieter des Nandin (Qiva) (1048*.) die 
wohlbereitete Spende dargebracht hat unter Bezähmung und 
Selbstbezwingung, 

207. möge er sodann mit Hingebung die Namen der Reihe 
nach schnell hersagen; (1048B.) ein solcher Mensch erlangt die 
von ihm erhofften Zwecke, Genüsse und Freuden. 

208. Und ist er gestorben, so kommt er in den Himmel 
und wird nicht als ein Tier wiedergeboren. (10484.) So hat 
es verkündigt der heilige Vyäsa, des Paräcara Sohn, der 
Gewaltige. 

So lautet im Mokehadharma 
der von Dakiba rezitierte Lobgetan« der taoaend Namen dee CWa 

(DakMha - prokta - (,'irtuahasrandnta - ttara). 



Adhyftya 287 (B. 285). 

Vers 10485-10531 (B. 1-46). 

Yudhishthira sprach: 

1. (104*5.) Was hienieden an dem Menschen das innere 
Selbst (adhyätmamj genannt wird, was dieses innere Selbst 
ist und woher es stammt, das sage mir, o Grofsvater. 

Bhlshma sprach: 

2. (10486.) Das höchste Allwissen der Buddhi, nach welchem 
du mich befragst, das will ich dir, o Freund, erklären, dessen 
Erklärung vernimm wie folgt. 

3. (10487.) Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als 
fünftes, diese sind als die grofsen Elemente der Ursprung 
und das Ende aller Wesen. 

4. (10488.) Diese Aggregation ihrer Eigenschaften hier bildet 
den Leib, o Stier der Bharata's, und diese Eigenschaften 
schwinden fortwährend und entstehen wieder neu. 

5. (io*89.) Die aus ihnen gebildeten Lebenselemente gehen 



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Adhyftya 287 (B. 285). 



535 



immer wieder und wieder aus den Wesen in jene grofsen 
Elemente zurück, wie die Wellen im Ozean. 

6. (10490.) Wie eine Schildkröte ihre Glieder ausstreckt 
und wieder einzieht, so sind die kleineren Wesen [Entfal- 
tungen] der gröberen Wesen [der grofsen Elemente] (vgl. 
Vers 8987, S. 386). 

7. (10491.) Aus dem Äther stammt, was [in den Körpern] 
an Ton vorhanden ist, ihre Kompaktheit ist eine von der 
Erde stammende Eigenschaft, aus dem Winde stammt ihr 
Odem, aus den Wassern ihr Geschmack, aus dem Feuer 
(Licht) ihre Sichtbarkeit. 

8. (10492.) So besteht aus jenem [Material] alles Unbeweg- 
liche und Bewegliche, geht bei der Vernichtung in dasselbe 
zurück und wird aus ihm wiederum herausgesetzt. 

9. (10493.) Die fünf grofsen Elemente bestimmte der Wesens- 
schöpfer in allen Wesen zur Objektivation, je nachdem er für 
das eine dieses, für das andere jenes ersah. 

10. (10494.) Der Ton, das Gehör und die Hohlräume, diese 
drei stammen aus dem Äther; Geschmack, Feuchtigkeit und 
Zunge, diese gelten als die Eigenschaften des Wassers (vgl. 
Vers 8982 fg.); 

11. (10495). Sichtbarkeit, Auge und Verdauung, diese drei 
gehören zum Feuer; Geruch, Geruchssinn und Körperlichkeit 
gelten als Eigenschaften der Erde. 

12. (10496.) Odem, Gefühl und Bewegung sind Eigen- 
schaften, die aus dem Winde stammen; damit ist bewiesen, 
o König, dafs alle Eigenschaften [der Wesen] von den fünf 
Elementen herrühren. 

13. (10497.) Sattvam, Kajas und Tamas, die Zeit, das be- 
wufste Tun, o Bharata, und das Manas als sechstes, diese 
hat der Gott in jene [Wesen] gelegt. 

14. (10498.) Was du oberhalb der Fufssohlen und unter- 
halb des Scheitels siehst, in diesem Zwischenräume waltet 
ungeteilt die Buddhi (vgl. Vers 8988). 

15. (10499.) Fünf Sinne gibt es im Menschen, als sechster 
gilt das Manas, der siebente ist die Buddhi und der Kshe- 
trajna endlich ist der achte (vgl. Vers 899u). 



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536 



III. Mokshadharma. 



16. (10500.) Die Sinnesorgane und der Täter müssen im 
einzelnen betrachtet werden, ferner sind da Taraas, Kajas 
und Sattvam, sie sind Zustände, welche auf jenen, den Sinnen 
und dem Täter, beruhen. 

17. (loöoi.) Das Auge dient zum Sehen, das Manas er- 
hebt den Zweifel, die Buddhi entscheidet ihn und der Kshe- 
trajfia ist dabei Zuschauer fsäkshinj (= Vers 8991). 

18. (10502.) Ferner sind da Tamas, Sattvam und Rajas 
sowie die Zeit und der Täter; die Buddhi führt die Eigen- 
schaften [tfundti mit Vers 8989 zu lesen] an, und sie führt auch 
die Sinnesorgane (10503.) sämtlich mit dem Manas als sechstem 
an; gäbe es keine Buddhi, wie könnten die Eigenschaften 
bestehen ? 

19. Das, womit sie sieht, ist das Auge, hörend wird sie 
Gehör genannt, (n»504.) riechend wird sie zum Gerüche, die 
Geschmäcke schmeckend zum Geschmacksorgan, 

20. die Gefühle fühlend [sparraü, die Parallelstelle Vers 9002 
hat sprirati] wird sie zum Gefühlssinn; so wird die Buddhi 
mannigfach umgewandelt; < 10 505.) wenn sie irgend etwas 
wünscht, dann wird sie zum Manas. 

21. Standorte der Buddhi sind gesondert von fünferlei 
Art, (10506.) Sinnesorgane werden sie genannt, und wenn sie 
leiden, so leidet die Buddhi mit ihnen. 

22. Im Mensehen weilt die Buddhi und bewegt sich in 
drei Zuständen [entsprechend den drei Guna's], (10507.) manch- 
mal empfindet sie Freude, manchmal leidet sie Schmerz, 

23. und manchmal fühlt sie weder Lust noch Schmerz; 
(10508.) ihrem Wesen nach aus den Zuständen bestehend, be- 
wegt sie sich in diesen drei Zuständen. 

24. So wie der wellenreiche Herr der Ströme, der Ozean, 
sein Ufer [hat], (ior>09.) so wird die in die Zustände einge- 
gangene Buddhi in dem betreffenden Zustande, [z. B.] dem 
Manas, befafst, 

25. und wegen dieses Zustandes gibt sie auch dem etwa 
aufkommenden Rajas (der Leidenschaft) nach, (iosio.) Freude, 
Zufriedenheit, Wonne, Behagen und Gemütsruhe 

2»>. treten gelegentlich im Menschen zutage als Eigen- 

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Adhy&ya 287 (B. 285). 



537 



Schäften des Sattvam. (10511.) Qual, Kummer, Schmerz, Un- 
befriedigtheit und Ungeduld 

27. zeigen sich als Symptome des Rajas mit oder ohne 
Veranlassung. (10512.) Nichtwissen, Gleichgültigkeit (aräga), 
Verblendung, Unbesonnenheit, Starrheit, Scheu, 

28. Unbeholfenheit, Verdrossenheit, Verworrenheit, Schläf- 
rigkeit und Trägheit (10513.) treten als mancherlei Eigenschaf- 
ten des Tamas gelegentlich zutage. 

29. Wenn nun im Körper oder Geist etwas auftritt, was 
mit Lust verbunden ist, (ioöu.) so soll man denken, dafs darin 
der sattvahafte Zustand sich regt, und darüber weggehen. 

HO. Ist aber etwas mit Schmerz verbunden und erregt 
das Unbehagen des Atman, uoMft.) so soll man denken, dafs 
das Rajas darin tätig ist, und sich nicht hinreifsen lassen. 

:31. Was aber im Körper oder Geist an Verblendungs- 
artigem sich zeigt, (i»)5i6.) an Besinnungslosem, Erkenntnis- 
losem, davon sei man sicher, dafs es Tamas ist. 

32. In dieser Weise alle Wege der Buddhi, wie sie hier 
ihrem ganzen Umfange nach erklärt worden sind, aoM7> dies 
alles verstanden habend, ist man ein Verständiger; welches 
andere Kennzeichen des Verständigen könnte es geben! 

33. Und dieses sollst du begreifen als den Unterschied 
zwischen Sattvam und Kshetrajna, den schwer unterscheid- 
baren: (10518.) das eine schafft die Eigenschaften, der andere 
schafft sie nicht. 

34. Von Natur sind beide verschieden und doch jeder- 
zeit verbunden, (10 r»i«.».) ähnlich wie der Fisch vom Wasser 
verschieden und doch an dasselbe gebunden ist. 

35. Die Guna's kennen den Atman nicht, er aber kennt 
die Guna's von allen Seiten, (i»:.2o.) er ist aber nur ein Be- 
schauer der Guna's, während man ihn für ihren Schöpfer hält. 

3(J. Das Sattvam [als Bestandteil der Prakriti] hat keinen 
andern tragenden Grund, aber das Bewufstsein (atauä hier 
= buddhi) besteht nur durch eine Schöpfung der Guna's; 
(10521.) andere [die Guna's] sind es, welche ihm [dem Men- 
schen] das Sattvam anerschaffen ; als die Guna's erkennt er 
sie nur zuweilen. 



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1 



538 III. Mokshadharma. 

37. Denn das Sattvam zieht [auch wiederum] die Guna's 
[Rajas und Tamas] herbei, der Kshetrajfia aber ist blofser 
Zuschauer. (10022.) Diese Verbindung beider, des Sattvam und 
des Kshetrajfia, ist eine dauernde. 

38. Die im Innern weilende Buddhi aber wird erst zum 
Leuchten gebracht durch die Sinnesorgane, (10 623.) welche 
selbst ohne Augen, ohne Erkenntnis sind; die Indriya's sind 
wie eine [nicht sehende, aber das Sehen vermittelnde] Lampe. 

39. Dieses so als die Naturbeschaffenheit erkennend, 
möge der Mensch hinleben (viharet mit C), (10524.) ohne zu 
klagen und ohne sich zu freuen, dann wird er frei von Selbst- 
sucht sein. 

40. Durch die Naturnotwendigkeit ist es bedingt, dafs 
er [der Ätman] diese Guna's aus sich entläfst, (10525.) wie die 
Spinne ihren Faden; die Guna's sind als die Fäden zu be- 
trachten. 

41. Sind die Guna's einmal abgeschüttelt, so kommen 
sie nicht wieder zum Vorschein, sei es, dafs ihre Betätigung 
nicht mehr wahrgenommen wird, (10 526.) wie einige annehmen, 
sei es, dafs sie zunichte werden, wie andere glauben. 

42. In dieser Weise von dem allem als dem starken, aus 
den Sorgen der Buddhi geschürzten Herzensknoten (10527.) sich 
freimachend, möge man zufrieden dasitzen ohne Kummer und 
befreit vom Zweifel. 

43. Aber die Menschen ermatten, indem sie zu Boden 
stürzen und in dem von Verblendung erfüllten Strom ver- 
sinken (10 528.) als solche, welche die aus Hingebung an die 
Buddhi bestehende Furt nicht finden können. 

44. Nicht aber ermatten solchermafsen die Wissenden, 
sondern sie fahren zum andern Ufer des Stromes hinüber 
(10529.) als den innern Ätman kennende Weise; Erkenntnis ist 
das beste Schiff. 

45. (10530.) Den Wissenden droht nicht die grofse 
Furcht, die die Nicht -Wissenden befängt, keinen höhern 
Weg gibt es für irgendwen als diesen, welcher ein ftir 
allemal die ewige Gleichheit enthält. 

46. (10531.) Mag er nun viele Sünden begangen haben 
oder mag er aus dem Einen [der Erkenntnis, Nil.] her- 



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Adhyaya 287 (B. 285). 



539 



aus verwerfen, was er vordem getan hat, — beides nimmt 
er sich nicht mehr zu Herzen, was er verwirft und was 
er getan hat (vgl. Brih. Up. 4,4,22). 

So lautet im Mokuhadbarm» der Abschnitt von den fünf Elementen 

(pdXcabhautikam)- 



A (lhy Aya 288 (B. 286). 

Vers 10532-10552 (B. 1-21). 

Yudhishthira sprach: 

1. (10532.) Vor schlimmem Schmerz, vor schlimmem Tode 
zittern die Menschen immerfort. Wie können wir den beiden 
entgehen? Das sage mir, o Grofsvater. 

Bhlshma sprach: 

2. (10583.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Närada mit dem 
Samanga, o Bhärata. 

Narada sprach: 

3. (10534.) Du mufst dich beugen, dafs deine Brust die 
Erde berührt, und doch bist du wie einer, der mit der Kraft 
seiner Arme durch den Strom schwimmt, und allezeit er- 
scheinst du fröhlichen Geistes, als kenntest du gar keinen 
Kummer. 

4. (10585.) Auch nicht die kleinste Aufregung bemerke 
ich an dir; immer zufrieden und dir selbst genug, lebst du 
hin wie ein Kind. 

Samafiga sprach: 

5. (10536.) Vergangen, gegenwärtig und zukünftig ist alles, 
was wir kennen, o Ehrerbietiger; ich aber weü's, was es mit 
dem allem auf sich hat, darum gerate ich nicht aus der Fassung. 

6. (10537.) Ich kenne die Anfänge und auch die daraus 
hervorgehenden Früchte, weifs, dafs es allerlei Früchte in 
dieser Welt gibt, darum gerate ich nicht aus der Fassung. 



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540 



III. Mukshadharma. 



7. (10538.) Manche leben so dahin, ohne festen Boden, 
ohne Fufs zu fassen, sich vom Strome treiben lassend, wie 
Blinde und Stumpfsinnige, und, siehst du, so leben auch wir. 

8. (10639.) Es leben von ihrem beschiedenen Teil, frei 
von Krankheit, die Himmelsbewohner, es leben Starke und 
Schwache, darum lafs auch uns gewähren. 

9. (10540) Es leben solche, die Tausende besitzen, und 
solche, die Hunderte besitzen, und wieder andere leben in 
ihrem Kummer dahin, und, siehst du, so leben auch wir. 

10. fi054i.) Wenn wir nur keinen Kummer haben, was 
brauchen wir uns dann weiter an Pflichten und an Werke 
zu kehren, und da die Freuden der Vergänglichkeit unter- 
worfen sind, und da es ebenso mit den Leiden steht, so 
können sie uns nichts anhaben. 

11. (iou'1.) Diesem stimmen die weisen Menschen zu: 
die Wurzel der Weisheit ist die Beruhigung der Sinne. 
Nur die Sinnesorgane sind betört und bekümmert, und 
wer sich von ihnen betören läfst, kann die Weisheit 
nicht erlangen. 

12. (10543.) Betört ist, wer hochmütig ist, der Hoch- 
mut eben ist die Betörung, der Betörte gewinnt nicht 
diese und nicht jene Welt; die Leiden dauern ja auch 
nicht ewig, und auch die Lust läfst sich nicht für immer 
festhalten. 

13. (10544.) Alles, was werdeartig ist, ist der Ver- 
änderung unterworfen. Wer es macht wie ich, wird sich 
niemals darum härmen, er wird sich nicht erwünschten 
Genüssen oder der Lust hingeben und wird sich auch 
nichts daraus machen, wenn ein Leiden ihn trifft. 

14. (10545.) In sich gesammelt, beneide er keinen andern 
und juble nicht einem zukünftigen Gewinne zu; auch 
wenn ihm ein grofser Gewinn zufällt, freue er sich nicht, 
und wenn sein Besitz zerrinnt, verzage er nicht. 

lö. (10546.) Nicht Verwandte, nicht Reichtum, nicht 
hohe Geburt, nicht Schriftgelehrsamkeit, heilige Sprüche 
und Heldenkraft, alle diese vermögen nicht vor Leid im 
Jenseits zu bewahren, aber durch Charakterfestigkeit 
kommt man zur Ruhe. 



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Adhyäya 288 (B. 286). 



541 



16. (10547.) Wer nicht Hingebung übt, kommt nicht zur 
Erkenntnis, wer nicht Hingebung übt, kommt nicht zum 
Glück: Charakterfestigkeit und Erhabenheit über das Leid, 
diese beiden führen zum Glücke, o Fürst. 

17. (10548.) Denn das Angenehme erzeugt Freude, Freude 
erzeugt Übermut, Übermut aber führt zur Hölle, darum halte 
ich mich von dem allem fern. 

18. (10549.) Diese Kummer, Furcht und Übermut nach 
sich ziehenden Verblendungen der Lust und des Schmerzes 
in der Welt betrachte ich wie ein Zuschauer, da es nur dieser 
Körper ist, der sich in ihnen bewegt. 

19. nor.rw.) Das Nützliche und das Angenehme dahinten- 
lassend, von Kummer und von Aufregung frei, Durst ftrishnaj 
und Verblendung überwindend, wandle ich durch diese Welt hin. 

20. (io;.5i.) Nicht vor dem Tode, nicht vor der Ungerech- 
tigkeit, nicht vor der Habgier, nicht vor sonst irgend etwas 
fürchtet sich jemals hier oder im Jenseits, wer das Amritam 
[dieser Erkenntnis] getrunken hat. 

21. (u»5u2.) Das ist es, was ich, o Brahmane. erkenne, 
nachdem ich grofses, ewiges Tapas geübt habe, und darum, 
o Närada, kann der Schmerz, auch wenn er an mich heran- 
tritt, mich nicht überwältigen. 

So lautet im Mokuhadharma i!io Unterredung /.wieenen Snuiantfii und NArada 

(Samnni/it • Sdrada ■ »ainrdda). 

AdliyAya 289 (B. *iS7). 

Vers 10553-10«! 1 (R 1-59). 

Yudhishthira sprach: 

1. (10553.) Wer die Wahrheit aus den Lehrbüchern nicht 
erkennt, allezeit in Zweifel befangen bleibt und nicht zur 
Entschiedenheit durchdringt, wie ist dem zu helfen? Das sage, 
o Grofsvater. 

Bhlshma sprach : 

2. (10554.) In der unablässigen Achtung vor dem Lehrer, 
in der Verehrung der Alten und in dem Anhören der Lehr- 
bücher liegt das höchste Heil. 



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1 



542 III- Mnkshadharma. 

3. (10655.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Gälava mit dem 
Götterweisen Närada. 

4. (10556.) Zu dem von Betörung und Schlaffheit freien 
Brahmanen, dem erkenntnisgesättigten, sein Selbst bezähmen- 
den Närada, sprach der seine Sinne beherrschende und nach 
dem Heile trachtende Gälava: 

5. (10557.) Die Tugenden, durch welche ein Mensch in 
der Welt geehrt dasteht, o Muni, alle einem solchen wesent- 
lichen Tugenden lafs uns einmal feststellen. 

6. (10558.) Du, der du ein solcher bist, sollst unsere 
Zweifel lösen, du, der Nicht-Betörte, uns, den lange in der 
Betörung Befangenen und das Wesen der Welt nicht Er- 
kennenden. 

7. (10559.) Denn durch die Erkenntnis ist das Gelingen 
aller Aufgaben ohne Unterschied bedingt, und diese Aufgabe, 
die wir nicht zu lösen vermögen, sollst du, o Herr, uns er- 
klären. 

8. (10560.) 0 Heiliger, alle Lebensrichtungen (ägramaj 
haben über den guten Wandel ihre besonderen Ansichten. 
„Das ist das Richtige!" „Das ist das Richtige!" so werden 
alle ihre Anhänger belehrt. 

9. (10561.) Wenn wir nun, o Brahmane, sie sehen, wie sie 
einander gegenüberstehen mit ihren Lehrbüchern, auf ihr© 
Lehrbücher pochend und an ihren Lehrbüchern ihr Genüg© 
findend [paritushtäns mit C], so wissen wir nicht, was das 
Richtige ist. 

10. (10562.) Wenn es nur ein einziges Lehrbuch gäbe, dann 
wäre das Richtige klar, aber durch die vielen Lehrbücher 
wird das Richtige nur noch mehr ins Dunkel gerückt. 

11. (10 563.) Aus diesem Grunde tritt mir eine Verwirrung 
entgegen über das, was das Rechte ist. Das mögest du, 
o Heiliger, mir erklären, als Schüler komme ich, belehre mich. 

Närada sprach: 

12. (10564.) Es gibt, o Freund, vier Lebensrichtungen 
[Materialismus, Buddhismus, brahmanischer Opferkultus und 
Atmanlehre, nach Nil.], die ihre besonderen entsprechenden 



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Adhy&ya 289 (B. 287). 



543 



Satzungen haben; die mufst du alle prüfen, indem du auf 
sie eingehst, o Gälava. 

13. (10565.) Bei allen diesen hier und dort verbreiteten 
Lebensrichtungen mufst du, o Brahmane, ihre vielgestaltige 
Tugendlehre, wie sie in jeder einzelnen aufgestellt wird, in 
Erwägung ziehen. 

14. (10566.) Es ist kein Zweifel, dafs einige die Absicht 
nicht vollkommen erreichen, andere hingegen das höchste 
Ziel der Lebensrichtungen erkannt haben. 

15. (10567.) Freilich dasjenige, was in jedem Falle das 
Beste ist, das ist keinem Zweifel unterworfen, nämlich dafs 
man seinen Freunden hilfreich beisteht und seine Feinde 
niederhält. v 

H). (10568.) Ferner erklären die Weisen die Gewinnung 
der Dreischar [des Angenehmen, Nützlichen und Guten] für 
das Beste, und auch Enthaltung von allem Bösen ist jeder- 
zeit das Zeichen eines lauteren Charakters. 

17. (losey.) Unzweifelhaft recht ist auch Umgang mit 
guten Menschen, Mitleid mit allen Wesen und Rechtschaffen- 
heit in Handel und Wandel. 

18. (10570.) Unzweifelhaft heilbringend ist auch milde Rede 
und gerechte Zuteilung an Götter und Manen, sowie auch 
bei Gästen. 

19. (io57i.) Unzweifelhaft gut ist es auch, seine Leute 
nicht im Stiche zu lassen und die Wahrheit zu reden, schwer 
aber ist es, die Wahrheit zu erkennen. 

20. (1057.».) Für die Wahrheit aber erkläre ich dasjenige, 
was für die Wesen das schlechterdings Beste ist. Aufgebung 
der Selbstsucht, Vermeidung der Unbesonnenheit, 

21. (10573.) Zufriedenheit und Zurückgezogenheit gehen 
für das Allerbeste. Vorsehriftsmäfsiges Studium des Veda 
und der Vedäntatexte 

22. (10574.) und auf die Erkenntnis abzweekende Forschung 
sind unzweifelhaft gut zu nennen. Töne, Gestalten, Ge- 
schmäcke, Gefühle und Gerüche um ihrer selbst willen^ 

23. (10 575.) soll man nicht allzusehr erstreben, wenn man 
irgendwie nach dem Guten Verlangen trägt. 

24. Nachts umherstreichen, bei Tage schlafen, Trägheit, 



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544 



III. Mokshndharma. 



Angeberei, Trunksucht, (ioö76.) Uber treiben und Unterlassen 
des Yoga soll vermeiden, wer nach dem Guten strebt. 

25. Man soll nicht suchen, sich dadurch zu heben, dafs 
man andere herabsetzt, (10577.) sondern soll bestrebt sein, sich 
durch eigene Vorzüge vor dem gemeinen Manne auszuzeichnen. 

26. Aber es kommt oft vor, dafs tugendlose, aber von 
sich selbst eingenommene Menschen (10 678.) andern tugend- 
haften ihre Fehler vorwerfen, weil ihnen selbst diese Tugen- 
den fehlen. 

27. Aber, indem sie Beifall finden, glauben sie sich 
[manyantc mit C] einem grofsen Manne (10579.) überlegen, 
von Selbstüberhebung gebläht. 

28. Wer aber keinen Tadel gegen jemand äufsert und 
sich nicht darin gefallt, seine eigene Ehre ins Licht zu stellen, 
(10580.) ein solcher Weiser, wenn er reich an Tugenden ist, 
gelangt zu grofsem Ruhme. 

29. Ohne von sich zu reden, streicht der reine Duft der 
Blumen dahin, (10081.) und ohne sich zu rühmen, glänzt die 
wolkenlose Sonne am Himmel. 

30. Diese und andere [Naturerscheinungen], welche des 
Bewufstseins ermangeln (10&S2.) und nicht von sich reden 
machen, erglänzen herrlich in der Welt. 

31. Der Tor wird nicht darum schon in der Welt glänzen, 
weil er sich selbst rühmt, (io683.) aber der Weise glänzt her- 
vor, auch wenn er in einer Höhle verborgen ist. 

32. Auch der laut erschallende Ton fällt in das Nichts 
zurück, (10 584.) aber das gute Wort, auch wenn es leise ge- 
sprochen wurde, leuchtet durch die Welt. 

33. Das leere Geschwätz hochmütiger Toren (10585.) offen- 
bart ihr inneres Wesen so deutlich, wie die Sonne ihre feurige 
Gestalt. 

34. Darum trachten die Menschen nach allerlei Wissen, 
(10686.) denn Wissen zu erlangen scheint mir das Höchste zu 
sein, was die W r esen erreichen können. 

35. Ungefragt soll man niemandem antworten und auch 
nicht, wenn man ungehörig gefragt wird; (10587.) der Weise 
bleibt in einem solchen Falle, auch wenn er die Sache kennt, 
ruhig sitzen, wie ein Dummer. 



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Adhy&ya 289 (B. 287). 



545 



36. Darum soll man sich eine Wohnung ersehen unter 
pflichttreuen, edlen, (ioöss.) freigebigen Menschen, die an ihrer 
Pflicht ihr Genüge finden. 

37. Aber wo eine Vermengung der Pflichten der vier 
Kasten besteht, (10589.) da soll einer unter keinen Umständen 
Wohnung nehmen, wenn er nach dem Heile strebt. 

38. Ohne sich in Unternehmungen zu stürzen, möge er 
hienieden leben zufrieden mit dem, was ihm beschieden ist. 
(10590.) Wer mit Reinen umgeht, wird ihrer fleckenlosen Rein- 
heit, wer mit Bösen, ihres Bösen teilhaftig werden. 

39. Wie man die Berührung durch einen Wassertropfen 
oder einen Feuerfunken empßndet, (10591.) so merken wir es, 
wenn wir von beidem, dem Guten oder Bösen, berührt 
werden. 

40. Ohne darauf zu sehen, was sich als Nahrung ihm 
darbietet, geniefst sie [der Wejse] und begnügt sich auch 
mit Überbleibseln, (10592.) wer aber nur geniefst, was ihm 
selbst genehm ist, der bleibt im Genüsse [der Frucht] seiner 
Werke befangen, das sollst du wissen. 

41. Wo nur unter solchen, welche lernen möchten, aber 
unehrerbietig fragen, (10 593.) ein Brahmane das Gesetz lehren 
könnte, da soll der Atmanhafte aus der Gegend entweichen. 

42. Wo aber das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer 
ein wohlgeordnetes ist, (10594.) ein geziemendes, dem Kanon 
gemäfses, wer möchte wohl gern einen solchen Ort ver- 
lassen ? 

43. Wo man mit Zuversicht gegen einen weisen Mann 
aus der Luft gegriffene Beschuldigungen [mit C] erhebt, 
(10595.) welcher Gelehrte, der auf die Ehre seines Selbstes hält, 
möchte da wohnen bleiben! 

44. Wo es Brauch ist, dafs die Dämme der Pflicht von 
Knechten der Lust durchbrochen werden, (1059«.) wer möchte 
einen solchen Ort nicht fliehen, wie ein Kleid, welches Feuer 
gefangen hat! 

45. Wo aber die Menschen, frei von Selbstsucht, ohne 
Zaudern ihrer Pflicht nachleben, (10 597.) da mag man unter 
Pflichteifrigen und Edlen weilen und wohnen. 

Dbumk», Mah&bhArattm 



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546 



III. Mokshadharma. 



46. Wo aber die Menschen die Pflicht nur um ihres Vor- 
teils willen betreiben, (10598.) bei solchen Bösewichtern soll 
man nun und nimmer verweilen. 

47. Wo lebenslustige Leute böse Werke treiben, (10599.) da 
soll man schleunigst" davonlaufen, als wenn man sich vor 
einer Schlange flüchtete. 

48. Ein Werk, infolgedessen man auf dem Sterbelager 
Reue empfindet, (loeoo.) das soll man von vornherein nicht 
unternehmen, wenn man sich selbst Gedeihen wünscht. 

49. Wo auch nur der König und die seinem Throne 
nahestehenden Männer (10601.) eher speisen als ihre Ange- 
hörigen, ein solches Königreich möge der Atmanhafte meiden. 

50. Wo aber zuerst diejenigen gespeist werden, welche 
schriftkundig, pflichttreu, beständig sind (10602.) und sich mit 
Opfern und Lehren befassen, ein solches Reich soll man be- 
wohnen. 

öl. Wo die Opferrufe sväha, svadhä, vashat richtig an- 
gewendet werden (10603.) und unermüdlich im Schwange sind, 
da soll man unbedenklich wohnen. 

52. Wo man unlautere, durch Golderwerb sich erniedri- 
gende Brahmanen sieht, (10604.) ein solches Reich soll man 
meiden, wie einen nahen, vorgehaltenen Köder. 

53. Aber wo liebe Menschen ungebeten das Nötige dar- 
reichen, (10605.) da mag man unentwegten Geistes wohnen, 
wie ein Atmanhafter, der sein Ziel erreicht hat. 

54. Wo es Strafe für die Ungehorsamen und Ehrung für 
die in ihrem Geiste Bereiteten gibt, (10606.) da mag man unter 
Pflichteifrigen und Edlen wandeln und wohnen. 

55. Wo solche, die den Bescheidenen überwältigen und 
den Guten mifshandeln, (10607.) wo solche Zügellose, Begehr- 
liche von schwerer Strafe getroffen werden, 

56. wo ein pflichttreuer König sein Reich durch Ge- 
rechtigkeit beschützt, (106O8.) wo er die Lüste von sich ab- 
weist und Herr seiner Begierden ist, da möge man unbedenk- 
lich wohnen, 

57. da, wo ihrem Charakter Ehre machende Könige alle 
in ihrem Bezirk Wohnende (10609.) schnell zur Wohlfahrt 
führen und wo die Wohlfahrt ringsumher gedeiht 



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Adhyaya 289 (B. 287). 



547 



58. Damit habe ich dir, o, Freund, auf deine Frage das 
was das Richtige ist, dargelegt, (io6io.) denn was zum Heil 
der Seele dient, das läfst sich nicht so in summarischer 
Weise darlegen. 

59. Wer aber mit hingegebenem Geiste diese Lebens- 
führung sich zu eigen macht, (loen.) dem wird durch ein 
solches Tapas hienieden vielfaches Heil erscheinen und zu- 
teil wurden. 

So lautet im Mok«h»db»rm» die Erklärung de« Heil» 

(frtyo - tdcikam). 



Adhyftya 290 (B. 288). 

Vers 10612-10658 (B. 1-47). 

Yudhishthira sprach: 

1. (10612.) Wie mufs, wenn er recht leben will, ein Fürst 
wie ich auf Erden wandeln, und welches sind die Tugenden, 
durch deren Besitz er erlöst wird von den Fesseln der Welt- 
anhänglichkeit? 

Bhtshma sprach: 

2. (10613.) Darüber will ich dir eine alte Erzählung über- 
liefern, nämlich was von Arishtanemi dem ihn befragenden 
Sagara geantwortet wurde. 

Sagara sprach : 

3. (10614.) Welches höchste Gut, o Brahmane, mufs man 
erwirken, um auf Erden das Glück zu erlangen? Wie er- 
reicht man es, dafs man nicht trauert und sich nicht auf- 
regt? Dieses wünsche ich zu wissen. 

Bhlshma sprach: 

4. (10615.) Nachdem Tärkshya (Arishtanemi), der Beste 
aller Kenner der Lehrbücher, so angeredet worden war, da 
sprach er, der das höchste Glück erforscht hatte, dieses heil- 
same Wort: 



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1 



548 m. Mokshadharma. 

5. (10616.) Das Glück in der Welt besteht nur in dem 
Glück der Erlösung, und der Tor kann nicht dazu gelangen, 
solange er sein Herz an Kinder und Herden hängt und mit 
Reichtum und Korn überhäuft ist. 

6. (10617.) Sein Geist hangt an der Welt, seine Seele ist 
nicht beruhigt, und es ist nicht möglich, das zu heilen; ein 
solcher, von den Stricken des Welthanges gebundener Tor 
ist nicht reif für die Erlösung. 

7. (10618.) Ich will dir die aus dem Welthang geflochtenen 
Stricke erklären, vernimm sie von mir; von dem Verständi- 
gen können sie vernommen werden mit lauschendem Geiste. 

8. (10619.) Nachdem du deine Söhne im Laufe der Zeit 
herangebildet, in der Jugendblüte verheiratet hast und ihres 
Fortkommens im Leben sicher bist, löse dich von ihnen und 
gehe, wohin es dir beliebt. 

9. (10620.) Wenn du siehst, dafs die zärtlich geliebte 
Gattin, welche dir Söhne geboren hat und an ihnen hängt, 
in die Jahre kommt, so verlasse sie zur rechten Zeit im Hin- 
blick auf das höhere Ziel. 

10. (io«52i.) Magst du Nachkommen haben oder keine, 
mache dich los und gehe, wohin es dir gefällt, nachdem du 
mit deinen Sinnen die Sinnendinge genossen hast, wie das 
Gesetz es vorschreibt. 

11. (10622.) Nachdem du dein Verlangen nach ihnen be- 
friedigt hast, mache dich los und gehe, wohin es dir gefällt, 
und nimm mit Gleichmut die Gaben (läbheshu mit C.) hin, 
wie sie der Zufall dir darbietet. 

12. (10623.) Damit habe ich dir in summarischer Weise 
das Ziel der Erlösung gezeigt, nunmehr will ich es dir aus- 
führlich auseinandersetzen, höre mich an. 

13. (10624.) Die Menschen, welche sich losgelöst haben, 
wandeln frei von Furcht und glücklich einher; die aber, deren 
Herz an der Welt hängt, gehen zugrunde, daran ist kein 
Zweifel, 

14. (10625.) mögen sie auch noch so viel Nahrung auf- 
häufen, wie es Würmer und Ameisen tun. Nur wer ohne 
Anhänglichkeit an die Welt ist, lebt glücklich, wer an ihr 
hängt, geht ins Verderben. 



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Adhyiya 290 (B. 288). 



549 



15. (106*6.) Wenn du auf die Erlösung deinen Geist richtest, 
mutet du dir (te für tvayäj keine Sorgen um deine Ange- 
hörigen machen, indem du etwa denkst: Wie können sie aber 
ohne mich fertig werden! 

16. (10 627.) Von selbst entsteht der Mensch, von selbst 
wächst er heran, von selbst gelangt er zu Lust und Leid und 
schliefslich auch zum Tode. 

17. (10628.) Nahrung und Kleidung und alles, was Vater 
und Mutter für einen zusammengebracht haben, erlangt man 
durch eigene Werke [in einer frühern Geburt] ; es gibt nichts 
in der Welt, was nicht vordem verdient worden wäre. 

18. (10629.) Von dem Schöpfer ist allen Wesen vorher- 
bestimmt, was sie in der Welt geniefsen sollen, und so durch- 
wandern sie die Erde, geleitet von ihren eigenen [früheren] 
Werken. 

19. (10630.) Wo man doch selbst nur ein Erdklofs und 
jederzeit abhängig ist, was könnte einen dazu bestimmen, die 
Angehörigen zu pflegen oder zu beschützen, wo man an sich 
so ohnmächtig ist! 

20. (10631.) Wenn ja doch der Tod deine Angehörigen 
vor deinen Augen raubt trotz aller Anstrengung von deiner 
Seite, so sollte dir das zur Lehre dienen. 

21. (10 632.) Und dazu kommt überdies, dafs du einen 
solchen [Angehörigen] bei seinen Lebzeiten, und ehe noch 
seine Ernährung und Beschützung sichergestellt ist, verlassen 
und selbst sterben mufst. 

22. (10633.) Und wo du doch niemals wissen kannst, ob 
dein Angehöriger nach seinem Tode einem glücklichen oder 
unglücklichen Schicksal verfällt, sollte dir das nicht zur 
Lehre dienen? 

23. (10634.) Und wo du doch weifst, dafs dein Angehöri- 
ger, magst du nun leben oder tot sein, die Frucht seiner 
Werke [in einer früheren Geburt] auszukosten haben wird, 
wirst du nicht daraus dir eine Lehre ziehen und für dein 
eigenes Heil Sorge tragen? 

24. (10635.) Wenn du dieses weifst und dir darüber klar 
bist, dafs in dieser Welt keiner einem andern angehört, so 



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III. Mokshadhiirma. 



höhte deinen Geist auf die Loslösung! Und auch folgendes 
lafs dir gesagt sein: 

25. (10 636.) Nur der Mensch, welcher die Anwandlungen 
von Hunger, Durst und dergleichen, sowie auch den Zorn, die 
Habgier und die Verblendung überwunden hat, besitzt das 
Sattvam und ist wahrhaft frei. 

26. (10687.) Wer bei Spiel, Trunk, Weib und Jagd nicht 
seine Besonnenheit verliert, der ist für immer wahrhaft frei. 

27. (10638.) Tag für Tag und Nacht ftir Nacht mufs der 
Mensch sich ernähren! Wer bei diesem Gedanken von Über- 
drufs ergriffen wird, der ist ein Kenner der menschlichen 
Schwächen. 

28. (10639.) Wer allezeit mit Fleifs bedenkt, dafs sein 
Wesen immer wieder und wieder einem Weiberschofse ein- 
verleibt wird, der ist wirklich und wahrhaft frei. 

29. (10640.) Wer Entstehung, Vergang und Lebensführung 
der Wesen, wie sie in dieser Welt vor sich gehen, der Wahr- 
heit gemäfs erkennt, der ist wahrhaft frei. 

30. (10641.) Wer unter tausend, unter Millionen Wagen- 
ladungen nur auf den Scheffel sieht, der zu seinem Unterhalte 
ausreicht, wer in einem Palaste nur auf eine Schlafstelle fiir 
sich sieht, der ist ein freier Mann. 

31. (10642.) Wer einsieht, wie diese Welt vom Tode zer- 
stört, von Krankheit bedrängt und von Nahrungssorgen ge- 
quält wird, der ist ein freier Mann. 

32. (10643.) Wer das einsieht, hat Frieden, wer es nicht 
einsieht, mufs darunter leiden. Wer sich mit nur wenigem 
in dieser Welt begnügt, der ist wahrhaft frei. 

33. (10644.) Wer einsieht, dafs diese Welt nur aus Agni 
und Sorna [Verzehrern und 'Verzehrten] besteht und sich 
durch keine wunderbaren Verhältnisse aufregen läfst [wer 
das nü admirari des Horaz besitzt], der ist wahrhaft frei. 

34. (1064Ö.) Wem ein Polster und die harte Erde, wem 
köstlicher Reis und geringe Speise für gleich gelten, der ist 
wahrhaft frei. 

35. (10646.) Wem feines Linnen und Binsengeflecht, wem 
ein Kleid aus Seide oder Baumbast oder Schaffellen für gleich 
gilt, der ist wahrhaft frei. 



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AdhyAya 290 (B. 288). 



551 



36. (10647.) Wer die Welt betrachtet als ein blofses Pro- 
dukt der fünf Elemente und dieser Anschauung entsprechend 
in dieser Welt lebt, der ist wahrhaft frei. 

37. (10648.) Wem Lust und Leid, Gewinn und Verlust, Er- 
folg und Mifserfolg, Liebe und Hafs, Furcht und [freudige] 
Erregung für gleich gelten, der ist in jedem Sinne wahr- 
haft frei. 

38. (10649.) Wer den Körper als mit vielen Mängeln fdoshaj 
behaftet, als eine Ansammlung von solchen Stoffen fdosha) 
wie Blut, Urin und Kot ansieht, der ist ein freier Mann. 

39. (10650.) Wer bedenkt, dafs im Greisenalter Runzeln 
und graue Haare, Eintrocknung, Blässe und gebückter Gang 
sich einstellen werden, der ist ein freier Mann. 

40. (10651.) Wer bedenkt, dafs mit der Zeit Abnahme der 
Zeugungskraft, Schwächung der Sehkraft, Schworhörigkeit 
und keuchender Atem sich einstellen werden, der ist ein 
freier Mann. 

41. (10652.) Wer bedenkt, dafs Rishfs, Götter und Dä- 
monen aus dieser Welt in die andere Welt wandern mufsten, 
der ist ein freier Mann. 

42. (10653.) Dafs auch höchste Fürsten, welche mit 
mancherlei Machtvollkommenheiten ausgestattet waren, zu 
Tausenden die Erde verlassen und hinübergehen mufsten, 
wer das bedenkt, der ist ein freier Mann. 

43. (10654.) Wer bedenkt, wie schwer Schätze zu er- 
werben und wie leicht Leiden zu erlangen sind und was für 
Kummer man mit seiner Familie haben kann, der ist ein 
freier Mann. 

44. (10655.) Wenn man bedenkt, dafs es in der Welt 
meistenteils nur ungeratene Kinder und entartete Untergebene 
gibt, wer möchte da nicht die Befreiung hochschätzen! 

45. (10 656.) Wer, durch Wissenschaft und Erfahrung be- 
lehrt, alles menschliche Wesen als schal und nichtig erkennt, 
der ist in jedem Sinne wahrhaft frei. 

46. (10657.) Nachdem du diese meine Rede angehört hast, 
mögest du als ein Befreiter wandeln, sei es im Hausvater- 
stande, sei es in Freiheit davon; untrügliche Erkenntnis ist 
dir geworden. 



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552 



III. Mukshadharma. 



47. (1065S.) Nachdem der Erdeherr diese Belehrung von 
ihm vollständig empfangen und die aus der Befreiung ent- 
springenden Tugenden erlangt hatte, regierte er dement- 
sprechend seine Untertanen. 

80 lautet im Moksbadharma die Unterredung zwischen Sagara und Ariahtanemi 

(Sagara- Arithtawmi - satntdda) 

Adhyftya 291 (B. 289). 

Vers 10669-10696 (B. 1-38). 

Yudhishtbira sprach: 

1. (10659.) Schon von jeher wohnt in meinem Herzen das 
Verlangen, etwas von dir zu hören, o Grofsvater der Kuru's, 
nämlich: 

2. (10660.) Wie ist es gekommen, dafs der Götterweise 
Ucanas, der hochsinnige Kavisprofs, der Freund der Dämonen 
und Widersacher der Götter, 

3. (1066I.) seine Kraft steigerte, und warum liegen unter 
den unermefslich Kraftvollen die Dämonen immerdar in Fehde 
mit den hohen Göttern, 

4. (10662.) und wie erreichte Ucanas als ein unsterblich 
Glänzender die Qukraschaft [Cukra der Planet Venus und der 
männliche Same], und wie gelangte er zu glücklichem Ge- 
deihen? Das alles mögest du mir erklären. 

5. (iog«3.) Und wie kommt es, dafs dieser Glanzvolle [als 
Planet Venus] nicht durch den mittleren Raum des Himmels 
geht [d. h. nur als Abendstern und Morgenstern sichtbar ist]? 
Dies alles wünsche ich vollständig zu hören, o Grofsvater. 

Bhishma sprach: 

6. (10664.) Vernimm, o König, mit Aufmerksamkeit alles 
dies, wie es sich verhält, soweit ich es verstehe und soweit 
es von mir ehemals vernommen worden ist, o Untadliger. 

7. (10665.) Jener Nachkomme des Bhärgava (Ucanas), ein 
ehrenfester und gelübdetreuer Weiser, verhielt sich feindselig 
gegen die Götter aus einem wohlberechtigten Grunde. 



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Adhy&ya 2»1 (B. 289). 



553 



8. (10666.) Nun war da der Fürst und Schätze spendende 
König [Kubera], der beständige Oberherr der Yaksha's und 
Rakshas, der Gebieter der Schätze und Herr der Welt. 

9. (10667.) In dessen Leib ging der in der Zauberkunst 
des Yoga vollkommen bewanderte, grofse Weise [Ucanas] 
ein, zwang den göttlichen Schätzeherrn [nach seinem Willen] 
und beraubte ihn durch Yogakunst seines Reichtums. 

10. (10668.) Der Schätzeherr war, nachdem ihm seine Güter 
geraubt waren, hilflos; von Zorn erfüllt und entrüstet wandte 
er sich an den Besten der Götter 

11. (ioc6i>.) und machte ihm davon Mitteilung, dem un- 
ermefslich kraftvollen (,'iva, ihm, dem Höchsten unter den 
Himmlischen, dem Rudra, dem gnädigen, vielgestaltigen: 

12. (io6«o.) Von dem yogakundigen Ucanas bin ich über- 
wältigt und meiner Schätze beraubt worden, indem er, der 
Askesereiche, durch Yogakunst in meinen Leib hineinfuhr 
und ihn wieder verliefs. 

13. (io67i.) Als das der grofse Zauberherr Mahecvara ge- 
hört hatte, geriet er in Zorn, griff mit blutunterlaufenen Augen 
nach seinem Wurfspiefs und sprang auf. 

14. (10672.) „Wo ist der Kerl?' 4 rief er, indem er seine 
vorzügliche Waffe fest fafste, Ucanas aber glänzte in der 
Ferne, als er merkte, was jener vorhatte. 

15. (10673.) Als der Mächtige (Ucanas) den Zorn des 
zauberkräftigen Gewaltigen bemerkte, überlegte er, ob er 
fliehen oder gegen ihn angehen oder stehenbleiben sollte. 

1*3. (10 674.) Und nachdem er vermöge seiner gewaltigen 
Askese auf den grofsmächtigen Mahecvara seine Aufmerk- 
samkeit gerichtet hatte, sah man den Ucanas kraft seiner 
Yogazauberkunst plötzlich an der Spitze von Civa's Wurf- 
spiefs hängen. 

17. (10675.) Als der erkenntnisdurchdrungene, in Askese 
vollendete Herr der Götter dieses bemerkte, da bog er mit 
seiner bogenbewehrten Hand seinen Wurfspiefs um fpanitui 
(wämayatj, 

18. (10676.) und weil er' mit kraftvoller Hand seinen Wurf- 
spiefs rund gebogen hatte, gab der furchtbar bewehrte Herr 
seinem Wurfspiefse den Namen: Phtäkam. 



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554 



III. Mokshadharma. 



19. (10677.) Als der Gemahl der Umä den Bhärgava in 
seine Hände gelangt sah, da öffnete er, der Gipfel der Götter, 
seinen Mund und schob ihn gemächlich mit der Hand hinein. 

20. (10678.) Nachdem aber der mächtige Ucanas in die 
Eingeweide des Mahecvara gelangt war, spazierte er, der 
hochsinnige Bhrigusprofs, in ihnen umher. 

Yudhishthira sprach: 

21. (10679.) Warum spazierte denn der Ucanas in dem 
Bauche des weisen Göttergottes umher, o König, und was 
tat der Glanzvolle dann weiter? 

Bhlshma sprach: 

22. (10680.) Es geschah, weil ehedem der Gelübdetreue 
[Civa] Millionen und hundert Millionen von Jahren unbeweg- 
lich wie ein Baumstamm im Wasser gesessen hatte 

23. (10681.) und dann nach Beendigung dieser Askese aus 
dem grofsen Gewässer herausstieg. Da kam der Obergott der 
Götter Brahman heran zu ihm 

24. (10682.) und befragte ihn, der Ewige, nach dem Ge- 
deihen der Askese und nach seinem Wohlbefinden. „Mit der 
Askese geht es ganz gut", erwiderte ihm der mit dem Stier 
in der Fahne [Qiva] 

25. (10683.) und merkte an sich, er, der Cankara [Civa], 
wie er durch das Betreiben der Askese zu üppiger Kraftfülle 
gediehen war, er, der Hochweise, Unausdenkbare, allezeit an 
Wahrheit und Gerechtigkeit seine Freude Habende. 

26. (10 684.) Ja, angeschwollen durch Askese und Reich- 
tum, glänzte er, der heldenmütige, grofse Yogin in allen 
drei Welten, o Grofskönig. 

27. (ioG85.) Nun aber ging der yogabeflissene Pinäka- 
träger dazu über, den Meditationsyoga zu betreiben, und da- 
durch geriet Ucanas in Bestürzung und duckte sich in dem 
Bauche, 

28. (10686.) und in dieser Lage pries, um ihn günstig zu 
stimmen, er, der grofse Zauberer, den Gott [Qiva] und wünschte 
zu entweichen, wurde aber daran von jenem gehindert. 

29. (10687.) Endlich sprach der weise, im Bauche einge- 

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I 



Adhy&ya 291 (B. 289). 



555 



schJossene Ucanas: „Erweise mir doch die Gnade", so sprach 
er ein Mal ums andere Mal, o Feindbezwinger. 

30. (10688.) Da sprach Mahadeva zu ihm: „Fahre durch 
den Penis hinaus", denn alle anderen Ausgänge hatte der 
Götterstier verschlossen. 

31. (10689.) Diese Pforte konnte der von allen Seiten ein- 
geschlossene Muni nicht finden, und, von der Glut der Askese 
gepeinigt, fuhr er hier und dort umher. 

32. (10690.) Endlich schlüpfte er in Gestalt des Sperma 
ftukramj durch den Penis hinaus. Und das ist der Grund, 
warum er [als £ukra Planet Venus] niemals quer durch den 
Himmel geht. 

33. (io69i.) Als Bhava (Ci ya ) mn san > wie er aus ihm 
herausgefahren war und von Glanz strahlte, da geriet er in 
Zorn, sprang auf und griff nach seinem Wurfspiefs. 

34. (10692.) Aber die Göttin (Umä) hielt ihren zornigen 
Gatten Pacupati zurück, und zufolge dieser Besänftigung des 
Cafikara erlangte er bei der Göttin das Sohnesrecht. 

Die Göttin sprach : 

35. (10693.) Du darfst ihm nichts tun, denn er hat bei 
mir Sohnesrecht erlangt, und einer, der aus dem Bauche 
eines Gottes hervorging, darf doch nicht zu Schaden kommen. 

36. (10694.) Da besänftigte sich Bhava und lachend sprach 
er zu der Göttin : ,,Mag er gehen, wohin es ihm beliebt", so, 
o König, sprach er zu wiederholten Malen. 

37. (1069s.) Da verneigte sich der weise Ucanas, der 
grofse Muni, vor dem gabenspendenden Gotte und der Göttin 
Umä und eilte auf erwünschtem Wege von dannen. 

38. (10 696.) Damit, o Freund, habe ich dir die Geschichte 
von dem hochsinnigen Bhrigusprofs erzählt, nach der du 
mich fragtest, o Bester der Bharatas. 

So lautet im Moksbadharma die Be gegnung *w iin-hm Ühava und <i. tu Kbrigur piofs 

(Hhaca- HhAt 'jaeu- \attuiynma) 



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III. Mokshadharma. 



Adhyftya 292 (B. 290). 

Vers 10697-10722 (B. 1-26). 

Yudhishthira sprach: 

1. (10697.) Nun weiter, o Grofsarmiger , sage mir, was 
das Beste ist, nicht satt werde ich, als wäre es Amritam, 
o Grofsvater, deines Wortes. 

2. (10698.) Welches ist das gute Werk, das ein Mensch 
vollbringen mufs, o Bester der Menschen, um das höchste 
Out hienieden und im Jenseits zu erlangen? Das sage mir. 

Bhlshma sprach: 

3. (io699.) Darüber will ich dir berichten, wie einstmals 
der hochberühmte König Janaka den hochsinnigen Paräcara 
befragte: 

4. (io7oo.) Was ist für alle Wesen das Beste in dieser 
und in jener Welt, welches von ihnen ergriffen werden mufs? 
Das mögest du, o Herr, mir sagen. 

5. (10 701.) Da sprach der askesereiche, aller Gesetze und 
Vorschriften kundige, freundlich gesinnte Muni zu dem Könige 
das folgende Wort. 

Para^ara sprach: 

6. (10 70-2.) Die Vollbringung der Pflicht ist das Beste für 
diese Welt und für jene; denn höher als sie gibt es nichts, 
wie die Weisen erklären. 

7. (10703.) Der Mensch, welcher seine Pflicht getan hat, 
wird herrlich geehrt in der Himmels weit, und die Pflicht ist 
beschlossen für die Menschen in der Vorschrift der Werke, 
o Bester der Fürsten. 

8. (10 704.) In ihr beharren die, welche die Lebensstadien 
durchmachen und die ihnen obliegenden Werke vollbringen. 

9. Als vierfach wird in dieser Welt der Lebensunterhalt 
vorgeschrieben, (10705.) um welchen die Menschen bemüht 
sind, und er entspringt aus dem Bedürfnis. 

10. Nachdem sie das gute oder böse Werk auf mancherlei 
Weise betrieben haben (10706.) und in die fünf Elemente zer- 
fallen sind, gehen die Wesen auf verschiedenen Wegen hinüber. 



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Adhykya 292 (B. 290). 



557 



11. Wie man ein Gefäfs mit Gold oder mit Silber über- 
zieht, (10707.) so wird der Mensch überzogen vermöge seiner 
Abhängigkeit von seinen früheren Werken. 

12. Ohne Samen kann nichts wachsen, ohne Wirken er- 
wächst kein Glück, (10708.) nur durch gute Werke erlangt der 
Mensch Glück, nachdem sein Körper zunichte geworden ist. 

13. Von einem Schicksale bemerke ich nichts, es gibt 
kein Eingreifen des Schicksals, (10709.) nur durch ihre eigene 
Natur sind Götter, Gandharven und Dämonen zu dem ge- 
worden, was sie sind. 

14. Nach dem Tode erinnern sich die Menschen zwar 
niemals des in der frühern Geburt begangenen [jätikritam, 
bei Nil.] Werkes, (10710.) und wirklich [erinnern sie sich nicht], 
wenn seine Frucht über sie kommt, des vierfach begangenen 
Werkes [Vers 10711]. 

15. Dafs das Vedawort nur dazu da sei, um dem Ver- 
halten in diesem Leben als Richtschnur zu dienen (10711.) und 
um das Gemüt zu beruhigen, das, o Freund, ist gewifs nicht 
die Meinung der Alten. 

16. Nein, das vierfache Werk, wie es einer durch Augen, 
Gedanken, Rede und Tat (10712.) begeht, wird dementsprechend 
vergolten. 

17. Das unvermittelt [als gut und böse, NU.] einander 
gegenüberstehende und das gemischte Werk wird vergolten, 
o Fürst, rio7is.) mag es gut, mag es böse sein, eine Ver- 
nichtung des Werkes gibt es nicht. 

18. Mitunter überwiegt das gute Werk, o Freund, und 
steht gleichsam obenan, (10714.) auch bei einem solchen, der 
noch, bis zu seiner Erlösung vom Leiden, in dem Sansara 
verstrickt bleibt. 

19. Ist er aber des Leidens ledig geworden, so geniefst 
er [auf dem Pitriyäna zum Monde gelangend] sein gutes 
Werk, (10 715.) und nachdem sein gutes Werk verbraucht ist, 
büfst er das böse Werk [durch Rückkehr zum Erdenleben], 
o Oberherr der Menschen. 

20. Bezähmung, Geduld, Festigkeit, Energie, Genügsam- 
keit, Aufrichtigkeit, (10716.) Schamhaftigkeit, Schonung, Leiden- 
schaftslosigkeit und Tüchtigkeit bringen Glück. 



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558 



III. Mokshadhanna. 



21. Der Mensch ist beim Vollbringen des guten und bösen 
Werkes keinem Zwange unterworfen, (10717.) darum soll der 
Weise immerfort in seinem Geiste wachsam sein und sich 
Mühe geben. 

22. Es ist nicht zu befürchten, dafs einer das gute oder 
böse Werk eines andern zu büfsen hat; (i<m8.) welcher Art 
das Werk ist, das man begeht, dementsprechend ergeht es 
einem. 

23. Der Mensch, welcher auf Lust und Leid [als Folgen 
der Handlungen] merkt, wird den einen Weg [der Erkenntnis, 
Nil.] gehen, (10719.) auf dem andern gehen vermöge der W T elt- 
anhänglichkeit fsangatahj alle [übrigen] Menschen auf Erden. 

24. Was man an anderen tadelt, soll man nicht selbst 
tun, (10720.) denn wer tadelt, womit er selbst behaftet ist, der 
verfällt der Lächerlichkeit. 

25. (10721.) Ein feiger Kshatriya, ein von allem essender 
Brahmane, ein unstrebsamer Vaicya und ein fauler Kasten- 
loser, ein charakterloser Gelehrter, ein Vornehmer ohne 
Lebensart, ein von der Wahrheit abtrünniger Brahmane, 
ein ausgelassenes Weib, 

26. (10722.) ein leidenschaftlicher Yogin, einer, der nur 
fiir sich selbst kocht, ein Dummkopf, der Reden hält, 
und ein Königreich ohne König — diese alle, o König, 
sind zu bedauern, und so auch ein Herrscher ohne Hin- 
gebung und Liebe zu seinen Untertanen. 

So lautet im Mokshadharma der Gesaug &e% ParA^axa 

(I'ard$ara • gltd). 

Adhyftya 293 (B. 291). 

Vers 10723-1074« (B. 1-23). 
Para^ara sprach : 

1. (10723.) Wer als Wagen den Manaswagen, als Rosse 
die Sinne und Sinnendinge erlangt hat und sie mit der Er- 
kenntnis als Zügel zu lenken weifs, der ist ein weiser Mann. 

2. (10 724.) Rühmlich ist die Verehrung mit hingegebenem 
Oeiste eines Unbemittelten, o Zwiegeborener, welche ausgeht 



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Adhy&ya 293 (B. 291). 



559 



von einem über die Spendehand Erhabenen [atihasta mit Nil.] 
und nicht aus einem gegenseitigen Tauschverhältnis. 

3. (10725.) Wenn man ein schwer erlangbares [glückliches] 
Lebenslos erlangt hat, soll man es nicht [durch schlechte 
Taten] entwürdigen, o Völkerherr, sondern danach streben, 
durch gute Werke noch höher zu steigen [in der nächsten 
Geburt]. 

4. (10726.) Denn wer von seiner Kaste abfällt, verdient 
keine Billigung, und sicherlich auch nicht der, welcher, in 
eine glückliche Lage gelangt, rajashaften Taten sich hingibt. 

5. (10727.) Durch gute Werke erlangt der Mensch [nach 
dem Tode] eine höhere Kaste; schwer ist sie zu erlangen, 
und wenn man sie nicht erlangt hat, [so ist der Grund, 
dafs] man durch schlechte Werke sich selbst zu Schaden 
bringt. 

6. (10728.) Begeht man unbewufst etwas Böses, so möge 
man es durch Askese von sich abschütteln, denn das Böse 
bringt [bewufst oder unbewufst verübt] seine Frucht; böse 
ist es an sich [in beiden Fällen], (10729.) darum soll man sich 
nicht mit Bösem befassen, da es [in jedem Falle] Leiden als 
Frucht bringt. 

7. Ein Werk, welches mit Bösem behaftet ist, auch 
wenn es grofsen Erfolg verspricht, ( 10730.) soll der Weise so 
ängstlich meiden wie der Reine einen Kucalin [nach Nil. eine 
Art Candala]. 

8. [Fragt man aber :] Wo sehe ich denn eine üble Folge 
meiner bösen Tat? — (10731.) Zunächst schon darin, dafs der 
Seele, selbst wenn man Reue empfunden hat, nicht wohl da- 
nach wird. 

0. Wer aber ein solcher Tor ist, dafs ihm keine Reue 
über seine Tat kommt, (10732.) den erwartet, wenn er davon 
mufs, grofse Pein. 

10. Ein ungefärbtes Kleid läfst sich von Schmutz reinigen, 
nicht aber ein mit schwarzer Farbe ganz überzogenes, (10733.) so 
steht es mit der Sünde, o Fürst der Menschen, das sollst du 
von mir mit Fleifs lernen. 

11. Wenn einer auch aus freien Stücken, nachdem er 
das Böse getan hat, sich dem Guten zuwendet (10734.) und 



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560 



III. Mokshadharma. 



Bufse tut, so trifft ihn doch [die Vergeltung für] beides ge- 
sondert. 

12. Aber eine unbewufst begangene Schädigung wird 
durch den Grundsatz der Nicht -Schädigung wieder wett- 
gemacht, (10735.) so lehren, vom Gesetze belehrt, die brahman- 
kundigen Brahmanen. 

13. Hingegen eine absichtlich begangene [Schädigung] 
wird nicht durch den Grundsatz der Nicht-Schädigung wieder 
wettgemacht, (10736.) so lehren, vom Gesetze belehrt, die brah- 
mankundigen Brahmanen. 

14. Ich aber sehe die Sache so an, dafs das begangene 
Werk nicht ohne Folgen bleibt, (10737.) mag es tugendhaft 
oder nur scheinbar mit Bösem nicht verknüpft sein. 

15. Und wenn schon verborgene Werke die Frucht ihrer 
Beschaffenheit gemäfs bringen, (10738.) wieviel mehr solche, 
welche aus Vorsatz und mit Bewufstsein begangen sind! 

16. Nur geringe Folgen hat ein schweres, fort und fort 
begangenes Werk, (10739.) ein mit Gewalttat ausgeführtes, 
wenn es ohne Absicht geschah. 

17. An [gewissen] Taten der Götter und Muni's (10740.) soll 
sich der Rechtschaffene, wenn er von ihnen hört, kein Bei- 
spiel nehmen, aber auch keinen Tadel üben. 

18. Wer nach reiflicher Überlegung, o König, und im 
Bewufstsein dessen, was er vermag, (10741.) ein edles Werk 
vollbringt , der wird Herrliches schauen. 

19. Wie Wasser, wenn es in ein noch ungebranntes 
Gefäfs gegossen wird, entweicht, (10742.) so bleibt es in einem 
nicht mehr ungebrannten Gefäfse erhalten und wohlgeborgen. 

20. Nun wird dem das Wasser haltenden Gefäfse anderes 
Wasser zugegossen, (10 743.) und so wie dieses Wasser in dem 
beharrenden selbst sein Beharren findet, 

21. so sind, wenn verständige Werke geübt worden sind, 
o Fürst, (10744.) neu hinzukommende ähnliche in höchstem 
Grade vortrefflich. 

22. (10745.) Dem Könige liegt es ob, Feinde und Em- 
pörer zu besiegen und die Beschützung seiner Unter- 
tanen nach allen Seiten hin auszuüben; um vieler Opfer 
willen soll man [als Grihastha] das Feuer schichten, um 



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Adhyaya 293 (B. 291). 



561 



im letzten oder mittlem Lebensalter [als Vanaprastha] 
in den Wald zu ziehen und dort zu wohnen. 

23. (10746.) Herr seiner selbst, soll der Mensch, in 
seiner Pflicht treu, alle Wesen seinem eigenen Selbste 
gleich achten und seine Freude daran haben, o Männer- 
fiirst, aus allen Kräften und in aufrichtiger Gesinnung 
die Meister zu ehren. 

So lautet im Mokihadharma der Gesang det Para$ara 

(Pard<;ara-gUd). 



Adliyftya 294 (B. 292). 

Vers 10747-10769 (B. 1-23). 
Para^ara sprach: 

1. (10747.) Wer hilft in dieser Welt dem andern? W r er hat 
für den andern etwas übrig? Der Mensch, wie er ist, tut, 
was er tut, durch sich selbst und für sich selbst. 

2. (10 748.) Er ist imstande, einen, der nicht in Ansehen 
• steht, lieblos zu verlassen, selbst wenn es der eigene Bruder, 

wieviel mehr, wenn es ein anderer ist! 

3. (10749.) Zwischen zwei Menschen von Ansehen halten 
sich Geben und Nehmen das Gleichgewicht, verdienstlicher 
als beides ist es, wenn der Z wiegeborene die Gabe blofs 
darreicht. 

4. (10750.) Reichtum, welcher rechtmäfsig erworben und 
rechtmäfsig vermehrt worden ist, darf mit allem Fleifse ge- 
hütet werden, wenn er zur Pflichterfüllung verwendet wird, 
daran ist kein Zweifel. 

o. (10761.) Wer auf Gerechtigkeit hält, der soll nicht durch 
menschenfeindliches Tun sich Reichtum erwerben. Nach 
besten Kräften soll man alle Pflichten erfüllen ohne den Hinter- 
gedanken an gedeihlichen Erfolg. 

6. (10752.) Wenn man mit frommem Sinne auch nur kaltes 
oder warmes Wasser, so gut man es vermag, dem Gaste 
darreicht, so ist das ebenso verdienstlich, als wenn man 
einen Hungrigen speiste. 

Diuiiii, Mahabharatam. l\t\ 



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562 



III. Mokshailliarma. 



7. (10753.) Von dem hochherzigen [reichen und wohl- 
tätigen] Rantideva wurde die von allen begehrte Vollendung 
erreicht, und doch hatte er die MunTs nur mit Früchten, 
Blättern und Wurzeln geehrt. 

8. (10764.) Und obgleich er nur mit solchen Früchten und 
Blättern den von Mäthara begleiteten [Sonnengott] erfreut 
hatte, erlangte auch der Fürst der Qibi's dafür die höchste 
Stätte. 

9. (10 756.) Der Mensch wird geboren, indem auf ihm eine 
Schuld gegen Götter, Gäste, Hörige und Manen lastet, darum 
mufs er diese Schuld abtragen 

10. (10756.) an die grofsen Rishi's durch Vedastudium, an 
die Götter durch Opferwerke, an die Manen, indem er ihnen 
das Manenopfer spendet, an seine Leute, indem er sie in 
Ehren hält 

11. (10767.) Durch [angemessene] Rede, durch Mitgeben 
von seinem Uberflusse und durch Erhaltung seiner eigenen 
Person soll man, wie sichs gehört, von Grund aus das Interesse 
seiner Angehörigen fördern. 

12. (10 758.) An Fleifs das Höchste erreichend, wenn auch 
<les Reichtums ermangelnd, sind die Muni's durch richtige 
Darbringung der Opferspeise zur Vollendung emporgestiegen. 

13. (10 759.) Der Sohn des Ricika [Nil. liest des Ajigarta] 
wurde zu einem Sohne des Vicvämitra, nachdem er, o Grofs- 
armiger, die an seiner Opferung beteiligten Götter mit Rigveda- 
versen gepriesen hatte [vgl. Ait. Br. 7,13 fg., wo der Vater 
Ajigarta und der Sohn Qunahcepa heifst]. 

14. (10760.) Ucanas wurde infolge der Gnädigstimmung 
des Göttergottes f^iva] zum Qukra [dem Planeten Venus] 
und glänzt herrlich am Himmel, weil er die Göttin [Umä] ge- 
priesen hatte [oben, S. 552 fg.]. 

15. (10761.) Asita Devala, Närada und Parvata, Kakshi- 
vant, Rama, der Sohn des Jamadagni, und der ätmanhafte 
Tändya, 

16. (10762.) Vasishtha, Jamadagni, Vicvämitra und Atri, 
Bharadväja, Haricmacru, Kundadhära und (^rutacravas, 

17. (10763.) diese grofsen Rishi's empfingen, weil sie mit 
Hingebung den Vishnu durch Rigvedaverse gepriesen hatten, 



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Adhyaya 294 (B. 292 >. 563 

durch die Gnade dieses weisen Gottes um ihrer Askese willen 
die Vollendung. 

18. (10764.) Und auch Würdelose sind zur Würde gelangt, 
weil sie denselben Gott mit rechtschaffenem Sinne gepriesen 
hatten. Nicht aber soll man in dieser Welt durch etwas 
emporzukommen suchen, dessen man sich zu schämen hat. 

19. (10765.) Zwecke, die mit Rechtschaffenheit verfolgt 
werden, sind gut, die aber mit Ungerechtigkeit verfolgt wer- 
den, pfui über die! Die in der Welt ewig geltende Pflicht 
soll man nicht aus Geldgier aus den Augen lassen. 

20. (io<66.) Wer mit rechtschaffenem Sinne die Opferfeuer 
anzündet, dessen religiöses Verdienst steht am höchsten, denn 
alle Veden, o Fürst der Könige, fufsen auf den drei Opfer- 
feuern, o Herr. 

21. (10 767.) Aber nur ein solcher Brahmane ist ein wahrer 
Opferfeuerzünder, der die zugehörigen Zeremonien nicht ver- 
nachlässigt, und ist es besser, gar keine Opferfeuer anzu- 
zünden, als ein Agnihotram ohne Zeremonien darzubringen. 

22. (10 768.) Das Opferfeuer und der Atman, die Mutter, 
der Vater als Erzeuger und der Lehror, diese müssen ge- 
bührend verehrt werden, o Tiger unter den Männern. 

23. (10 769.) Wer frei von Hochmut die Alten ehrt, 
verständig, keusch und liebevoll dreinschaut, ohne Un- 
ruhe, pflichttreu und nicht un bezähmten Sinnes ist, der 
wird in dieser Welt als echter Arya von den Guten 
geachtet. 

So lautet im Mokabadharma der Geaang des Para<?ara 

( Pard^ara - gltd) . 

AdhyAya *>95 (B. 293). 

Vers 10770-10790 (B. 1—21). 
Paracara sprach : 

1. (10770). Ein wohlanständiges, von Liebe geleitetes Be- 
tragen von Seiten der drei Kasten gegenüber dem Kasten- 
losen [^üdra], wie es Vorschrift ist, zeichnet immerdar die 
Gerechtesten aus. 

36* 



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564 



III. Mokshadharma. 



2. (10771.) Wo aber keine vom Vater und Grofsvater über- 
kommene gute Behandlung dem Qüdra gegenüber üblich ist, 
da soll dieser nicht nach guter Behandlung in Diensten eines 
andern streben, sondern sich im Gehorsam üben. 

3. (10772.) Der Umgang mit Edlen, Pflichtkundigen ist 
jederzeit in allen Lagen schön, nicht aber der mit Unedlen, 
so meine ich. 

4. (10773.) Wie ein Körper auf dem Berge des Sonnen- 
aufgangs durch seine Nähe [von der Sonne] erglänzt, so er- 
glänzt der Kastenlose durch die Nähe der Edlen. 

5. (10774.) Denn wie ein weifses Kleid durch irgendeine 
Farbe gefärbt wird, so nimmt auch er [der Qüdra] die Farbe 
[der Umgebung] an, das kannst du mir glauben. 

6. (10775.) Darum nimm von den Tugenden die Farbe an 
und niemals von den Fehlem, denn das Leben der Sterb- 
lichen ist vergänglich und ungewifs. 

7. (10776.) Der Weise, welcher im Glück und Unglück 
das Gute herauszufinden weifs, der ist ein wahrer Kenner der 
Lehrbücher. 

8. (10777.) Eine Handlung, welche von der Pflicht abweicht, 
auch wenn sie grofsen Nutzen bringt, soll von dem Weisen 
nicht unternommen werden und ist nicht gutzuheifsen. 

9. (10 778.) Ein Fürst, der, die Beschützung seiner Unter- 
tanen versäumend, tausend geraubte Kühe [als Opferlohn] 
spendet, der erwirbt sich nur dem Namen nach ein Verdienst 
und ist in Wahrheit ein blofser Räuber. 

10. (10 779.) Der durch sich selbst Seiende schuf zu An- 
fang den von aller Welt verehrten Schöpfer, der Schöpfer 
schuf den einen Sohn [den Regengott Parjanya, Nil.], der an 
der Erhaltung der Welt seine Freude hat. 

11. (10 780.) Ihn möge der Vaicya ehren und [als Acker- 
bauer und Viehzüchter] Gedeihen im Übermafs haben; die 
Kshatriya's sollen schützen, die Brahmanen sollen [den Göttern 
das Opfer] genehm machen, 

12. (10781.) indem sie es redlich ohne Falsch und ohne 
Zorn den Göttern und Manen darbringen; den Qüdra's end- 
lich Hegt das Geschäft des Kehrens ob, dann bleibt das Gesetz 
wohlgewahrt. 



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Adhyfcya 296 (B. 2S3). 



565 



13. (10782.) Und wenn es wohlgewahrt bleibt, so leben 
die Menschen glücklich, und wenn sie glücklich leben, o Fürst 
der Könige, so freuen sich die Götter im Himmel. 

14. (10788.) Darum wird ein Fürst, welcher Schutz gewährt, 
mit Recht dafür geehrt, und ebenso ein Brahmane, der den 
Veda studiert, und ein Vaicya, der seine Freude am Er- 
werb hat, 

15. (10784.) und auch ein Qüdra, der mit bezähmten Sinnen 
immer gehorsam ist; wer anders handelt, o Fürst der Men- 
schen, der versäumt seine Pflicht. 

16. (10785.) Auch ein Scherflein, welches unter eigenen 
Entbehrungen dargebracht wird, bringt grofsen Lohn, wenn 
es nur ehrlich erworben ist, um wieviel mehr tausendfache 
Gaben! 

17. (10786.) Der Fürst, welcher die Brahmanen bewirtet 
und beschenkt, wird in dem Mafse, wie er es tut, entsprechen- 
den Lohn in reicher Fülle ernten. 

18. (10787.) Eine Gabe, welche man aus freien Stücken 
mit Freudigkeit darreicht, ist wahrhaft lobenswürdig; was 
man aber gibt, nachdem man sich darum hat bitten lassen, 
hat nach Ansicht der Weisen nur mäfsigen Wert. 

19. (10788.) Was aber mit Geringschätzung oder ohne 
Glauben gespendet wird, das erklären die wahrheitsprechenden 
Muni's für eine Gabe untersten Grades. 

20. (10789.) Versunken [in das Meer des Sansära] soll 
der Mensch immer suchen, auf alle Art herauszukommen, 
und so möge er eifrig streben, aus der Verstrickung sich zu 
befreien. 

21. (10790.) Durch Bezähmung zeichnet sich der Brahmane 
aus, durch Sieg der Krieger, durch Reichtum der Vaicya, der 
<^üdra aber durch beständige Rührigkeit. 

So lautet Im Mokahadbanna der Oetang de« I'arA<;*ra 

(J'ard\ara-ffitd). 



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566 



III. Mokshadhanna. 



AdhyAya 296 (B. 294). 

Vers 10791-10821 (B. 1-31). 

Para^ara sprach: 

1. (io79i.) Zum Brahmanen als Gaben gelangend, vom 
Kshatriya im Kampfe erobert, vom Vaicya ehrlich erworben, 
vom (,\idra durch gehorsames Dienen erlangt, 

2. (10792.) wird auch ein geringer Besitz gepriesen als 
grofse Frucht bringend, wenn er im Dienste der Pflicht ver- 
wendet wird. Der (,'üdra gilt allgemein als der, welcher den 
drei oberen Kasten Gehorsam schuldet. 

3. (10 793.) Wenn ein Brahmane aus Nahrungssorgen die 
Beschäftigung eines Kshatriya oder Vaicya betreibt, so fällt 
er dadurch nicht; wenn er aber das Geschäft eines (."üdra 
betreibt, so fällt dadurch der Brahmane. 

4. (10794.) Handel, Viehzucht und Leben vom Handwerk 
werden auch einem (^üdra zugestanden, wenn er nicht anders 
seinen Lebensunterhalt erwerben kann. 

5. (10795.) Das Auftreten auf der Bühne, das Leben von 
Schaustellungen [Marionetten usw.], vom Handel mit be- 
rauschenden Getränken und Fleisch, mit Eisen und Leder 

6. (10796.) soll man, wenn es nicht in der Familie erblich 
war, nicht anfangen, da es in der Welt für ein bescholtenes 
Gewerbe gilt. Wo es aber erblich war und aufgegeben wurde, 
da liegt ein grofses religiöses Verdienst vor, wie die Schrift 
lehrt. 

7. (10797.) Wenn ein Mann, der es in der Welt zu etwas 
gebracht hat, etwas Schlechtes begangen hat, weil sein Geist 
von Trunkenheit umnebelt war, so gilt das nicht für nach- 
ahmenswert. 

8. (10 798.) Denn in alten Geschichten (puränaj wird be- 
richtet, dafs die Menschen damals so bezähmt, pflichteifrig 
und an Sitte und Gesetz gewöhnt waren, dafs die Verachtung 
als Strafe genügte, um sie im Zaume zu halten. 

9. (10799.) Denn von jeher wurde die Pflichterfüllung an 
den Menschen hienieden als des Lobes würdig erachtet, o König, 



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Adhy&ya 296 (B. 294). 567 

und da die Menschen in der Pflichterfüllung grofs geworden 
waren, so übten sie auf Erden tugendhafte Handlungen. 

10. (10800.) Diese Pflichttreue, o Freund, wurde von den 
Dämonen nicht geduldet, o Fürst, und indem sie mehr und 
mehr an Macht und Zahl zunahmen, fuhren sie in die Men- 
schen hinein und machten sie besessen. 

11. (10801.) Da entwickelte sich in den Menschen ein die 
Pflicht vernichtender Hochmut, und als sie erst von Hoch- 
mut erfüllt waren, erwuchs in ihnen der Zorn. 

12. (10802.) Und indem der Zorn sie beherrschte, gingen 
schamhaftes Benehmen und Scheu verloren, und Verblendung 
trat an ihre Stelle. 

13. (10803.) Als sie aber mit Verblendung erfüllt waren, 
sahen sie nicht mehr so klar wie vorher, sondern unter- 
drückten sich gegenseitig und überhoben sich nach Lust. 

14. (10804.) Als sie aber erst soweit gekommen waren, ge- 
nügte die Verachtung als Strafe nicht mehr; sie gingen immer 
weiter, indem sie sogar Götter und ßrahmanen verachteten. 

15. (10805.) Zu dieser Zeit geschah es, dafs die Götter 
den obersten Gott, den weisen, vielgestaltigen, allervortreft- 
lichsten Tiva, um Schutz baten. 

IG. (10806.) Da wurden von ihm jene himmelstürmenden 
[Dämonen] mitsamt ihren Burgen auf die Erde herabgestürzt, 
zu dreien [als Hochmut, Zorn und Verblendung], durch einen 
einzigen von Götterkraft geschwellten Pfeil. 

17. (10807.) Und auch er, der ihr Oberherr war, 'furcht- 
bar, von furchtbarer Tapferkeit, und der die Götter mit Furcht 
erfüllt hatte, wurde von dem Wurfspiefsbe wehrten [Viva] 
n ied erge w orfen . 

18. (10808.) Nach dessen Niederwerfung kehrten die Men- 
schen zu ihrer frühern Natur zurück und wandten sich wieder 
wie ehedem den Veden und den Gesetzbüchern zu. 

11). (1080t).) Da geschah es, dafs die sieben Rishfs den 
Väsava (Indra) zum Könige über die Götter im Himmel salbten 
und ihn mit dem Richteramte über die Menschen betrauten. 

20. (10810.) Auf die sieben Rishi's folgte sodann ein Erde- 
beherrscher mit Namen Viprithu und in den einzelnen Reichen 
Kshatriya's als Könige. 



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I 



568 III. Mokshadharma. 

21. (10811.) Aber da gab es alte und noch ältere, aus 
grofsen Familien geborene Herrscher, aus deren Herzen die 
dämonische Natur nicht gewichen war. 

22. (10812.) Darum haben manche Fürsten vermöge dieser 
Natur und ihrer Folgen mit furchtbarer Tapferkeit dämonische 
Werke begangen. 

23. (io8id.) Auf diese gründeten sie sich und stellten sie 
als Beispiel auf, und auch heute gibt es törichte Menschen, 
welche an derartigen Werken ihre Freude haben. 

24. (10814.) Darum sage ich zu dir, o König: Man soll 
auf Grund der Lehrbücher wohlüberlegend nach dem Voll- 
kommenen trachten und schädliche Werke meiden. 

25. (10816.) Ein weiser Mann soll nicht auf unlauterm 
Wege Reichtum aufhäufen, indem er das auf Pflichterfüllung 
zielende Gesetz aufser Augen läfst, das ist nicht schön. 

26. (10816.) Du aber, der du ein bezähmter und von 
lieben Freunden umgebener Kshatriya bist, mögest Unter- 
tanen, Diener und Kinder vermöge der dir obliegenden Pflicht 
beschützen. 

27. (10817.) In Verknüpfung von Angenehmem und Un- 
angenehmem besteht Feindschaft und Freundschaft durch 
viele tausend Geschlechter hindurch. 

28. (10818.) Darum nimm von den Tugenden die Farbe an 
und niemals von den Fehlern; hat doch schon der tugend- 
lose Tor an sich selbst seine Freude [wieviel mehr der 
Tugendhafte] ! 

29. (10819.) Unter den Menschen, o grofser König, nehmen 
Gutes und Böses ihren Gang, aber so ist es nicht bei anderen 
Geschöpfen, welche gesondert leben. 

30. (10820.) Ein pflichttreuer und weiser Mann, mag er 
irgend etwas erstreben oder nicht, soll allezeit in der Welt 
wandeln ohne Schädigung der Wesen, zu ihrem Selbste ge- 
worden. 

31. (10821.) Wenn eines solchen Mannes Geist frei wird 
von allen Herzensskrupeln und aller Unlauterkeit, dann wird 
ihm ein schönes Los zuteil. 

■ 

So lautet im Moksfaadharma der Geaaug des Parpar» 

(Pardfara • gitd). 



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/ 



AdhyAya 297 (B. 296). 569 

Adhyftya 297 (B. 295). 

Vera 10822-10860 (B. 1-39). 
Pai-a^ara sprach: 

1. (los««) Das wird als das Pflichtgesetz des Hausvaters 
verkündet, nun will ich dir das Gesetz der Askese vortragen ; 
vernimm es, wie ich es dir darlege. 

2. (i08«3.) Meistens entwickelt sich im Hausvater ein Egois- 
mus, welcher auf dem Welthange vermöge der rajas-artigen 
und tamas-artigen Zustände beruht. 

3. (io8«4.) Gründet ein Mensch erst einen Hausstand, dann 
gelangt er zu Herden, Feldern, Reichtümern, Weibern, Kin- 
dern und Dienern. 

4. (io8«5.) Wenn er in diesen Dingen sich bewegt und 
sie allezeit im Auge hat, dann erstarken in ihm, indem er 
deren Vergänglichkeit nicht bemerkt, die Liebe und der Hafs. 

5. (10826.) Wird er aber von Liebe und Hafs geknechtet 
und gerät er unter die Herrschaft des Materiellen, dann be- 
schleicht den Menschen die aus Verblendung entspringende 
Genußsucht, o Männerfürst. 

6. (io8*7.) Sich am Ziel der Wünsche und im Vollbesitze 
des Glückes wähnend, begreift ein jeder, für den der Genufs 
das Höchste ist, nicht, dafs es noch etwas anderes, von der 
Geschlechtsbefriedigung Verschiedenes zu erstreben gilt. 

7. (10818.) Und mit einer von Begierde erfüllten Seele 
fordert er aus Weltliebe auch seine Angehörigen, und um 
ihr Gedeihen zu erhöhen, ist er für seine Angehörigen bemüht. 

(10829.) Dann begeht der Mensch auch mit Bewufstsein 
um des Gewinnes willen, was er nicht tun sollte, und um- 
nebelt im Geiste durch die Liebe zu seinen Kindern, härmt 
er »ich, wenn sie ihm entrissen werden. 

9. (10830.) Und von Hochmut erfüllt und ängstlich bedacht, 
keinen Schaden zu erleiden, tut er alles in dem Gedanken: 
..Glücklich will ich sein!" und daran geht er zugrunde, 

10. (10831.) während das wahre Glück nur den Menschen 
zuteil wird, welche, stets von Weisheit gek'itet, das Rrahman 
verkünden, nach edlen Werken streben und entsagen. 



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570 



III. Mnkshadharma. 



11. (10832.) Geht verloren, worauf sich die Liebe richtete, 
geht der Reichtum verloren, o Fürst, wird man von Kummer 
und Krankheit gequält, dann kommt man zur Weltver- 
drossenheit. 

12. (10833.) Aus Weltverdrossenheit entspringt Selbst- 
erkenntnis, aus ihr Beachtung der Lehrbücher, und durch 
Beachtung des Inhalts der Lehrbücher, o König, wird man 
auf die Askese hingeleitet. 

13. (10834.) Schwer zu finden, o Fürst der Menschen, ist 
der tiefdenkende Mann, der, der Lust am Angenehmen müde, 
sich zur Askese entschliefst. 

■ 

14. (10S35.) Die Askese ist universell und wird auch dem 
Kastenlosen empfohlen; wenn er bezähmt und Herr seiner 
Sinne ist, zeigt sie ihm den Weg zum Himmel. 

15. (n>83«.) Durch die Askese schuf vordem Prajäpati, der 
Herr, die Geschöpfe, indem er, das Brahman als Höchstes 
haltend, bald dieses, bald jenes Gelübde übernahm, o König. 

10. (10837.) Die Adityas, Vasu's, Rudra's, Agni, die Acvin's 
und die Märutas, die Vicve Deväh und die Sädhya's, die 
Manen und die Scharen der Marut's, 

17. (10838.) die Yaksha's, Rakshasa's und Gandharva's, 
die Siddha's und anderen Hiramelsbewohner sind, o Freund, 
durch die Askese zur Vollendung gelangt, und so auch, die 
noch sonst im Himmel weilen. 

18. (io839.) Und auch die Brahmanen, welche am Anfang 
von Gott Brahman geschaffen wurden, haben vordem durch 
Askese die Erde geschmückt und den Himmel bevölkert. 

19. (10840.) Und auch die Könige in der Menschen weit 
und solche Hausherren, die in edlen Familien glänzen — das 
alles ist die Frucht ihrer Askese. 

20. (io84i.) Seidene Gewänder und schöne Geschmeide, 
Wagen, Sessel und Trinkbecher — das alles ist die Frucht 
der Askese. 

21. (1084J.) Herzerfreuende, schöne Weiber zu Tausenden 
und Weilen auf der Zinne des Palastes — das alles ist die 
Frucht der Askese. 

22. (1084:0 Kostbare Betten und allerlei Leckerbissen und 



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Adhy&ya 297 (B. 295). 



alles, was das Herz begehrt, wird den Vollbringern edler 
Werke zuteil. 

23. (10844.) Es gibt nichts in allen drei Welten, o Feind- 
bedränger, was nicht durch Askese erlangt werden könnte; 
aber Verlust aller Freuden ist der Lohn derer, welche keine 
Werke [der Askese] vollbringen. 

24. (10845.) Mag der Mensch in Glück oder in Unglück 
leben, er meide die Habgier, indem er das Gesetz mit Sinn 
und Geist beachtet, o Bester der Fürsten. 

25. (10846.) Unzufriedenheit führt zu Unglück, Begierde 
zu Verwirrung der Sinne, durch sie geht die Erkenntnis zu- 
grunde, wie das Wissen, wenn es nicht geübt wird. 

26. (10847.) Geht aber erst die Erkenntnis verloren, dann 
beachtet man das Gesetz nicht mehr, darum möge der Mensch, 
wenn sein Glück scheitert, sich strenger Askese zuwenden. 

27. (in848.) Lust nennt man, was gewünscht. Unlust, was 
gescheut wird. Welches aber die Folgen sind, wenn man 
Askese betreibt oder nicht betreibt, das sollst du sehen. 

28. (10849.) Beständig sehen Erfreuliches, geniefsen die 
Sinnendinge und gelangen zur Berühmtheit die, welche eine 
lautere Askese betrieben haben. 

29. (10850.) Unangenehmes, Geringschätzung und Leid von 
mancherlei Art zieht sich der zu, welcher, nach Frucht be- 
gehrend, die Frucht der Askese und ihrer Objekte beiseite setzt. 

30. (10851.) Dann bemächtigt sich seiner die Willkür in 
betreff der Pflicht, der Askese, der Freigebigkeit, er läfst sich 
dazu fortreifsen, Böses zu tun, und kommt in die Hölle. 

31. (10852.) Wer aber, mag er in Glück oder Unglück 
leben, o Bester der Männer, nicht vom guten Wandel ab- 
weicht, der Mensch gebraucht das Gesetz als Auge. 

32. (10853.) Nur momentan wie der Schufs eines Pfeiles 
ist die Lust für das Gefühl, und ebenso stehts beim Schmecken, 
Sehen, Riechen und Hören, o Völkerherr, 

33. (108M.) und indem sie schwindet, stellt sich ein scharfer 
Schmerz ein. Nein, es sind nur Toren, welche nicht die Er- 
lösung als das höchste Glück preisen. 

34. (10855.) Darum dienen, auch wenn der Nutzen in Frage 
kommt, die Tugenden einem jeden zu seinem Besten, und 



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572 



III. Mokshadbarnia. * 



dadurch, dafs er allezeit das Gute wählt, geht er des An- 
genehmen und Nützlichen nioht verlustig. 

35. (10356.) Auch ohne dafs er sich darum bemüht, kommen 
die Objekte des Genusses dem Grihastha entgegen, aber nur 
mit Mühe kann er zur Erfüllung der Pflicht gelangen, so ur- 
teile ich. 

36. (10857.) Mag es sich um Hochsinnige und Edelgeborene, 
deren Auge stets der Inhalt des Gesetzes ist, handeln, oder 
um solche, welche aus Unvermögen und Behinderung ihres 
Geistes von der Pflicht der Opferwerke sich lossagen, — 

37. (10858.) wenn ihre menschlichen Angelegenheiten Schiff- 
bruch leiden, so bleibt ihnen kein anderer Ausweg in der 
Welt als die Askese. 

38. (10869.) Immerhin möge der Hausvater mit ganzer Seele 
genaue Erfüllung seiner Werke anstreben, indem er wacker 
in seiner Pflicht, den Göttern und Manen zu opfern, beharrt, 
o Fürst. 

39. (iohoo.) Denn wie alle Flüsse und Ströme im Ozean 
zu ihrer Heimstatt gelangen, so haben alle Lebensstadien im 
Hausvaterstande ihre Heimstätte. 

So lautet im Mokabadharma der Gesang dei Para^ara 

(Pardfara-yUd). 

Adhyftya 298 (B. 290). 

Vers 10861-10899 (B. 1-39). 
Janaka sprach : 

1. (10861.) Woher kommt es, o grofser Rishi, dafs die ver- 
schiedenen Kasten fvarnaj ihre [besondere] Farbe fvarnaj 
haben? Das wünsche ich zu erfahren, das erkläre mir, 
o Bester der Redner. 

2. (10862.) Was einem als Kind geboren wird, das ist 
man selbst, wie die Schrift lehrt (Ait. Up. 2,1 fg., Sechzig 
Upanishad's S. 14 und 19). Wie kommt es nun, dafs der 
Mensch, da er doch vom Brahmanen abstammt, so verschie- 
dene Richtungen eingeschlagen hat? 



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Adhyaya 298 (B. 2%). 

i 



573 



Parac,ara sprach: 

3. (10863.) Allerdings ist es so, o Grofskönig, von wem 
man geboren ist, der ist man; aber durch die Abnahme der 
Askese hat der Mensch so verschiedene Richtungen einge- 
schlagen. 

4. (10864.) Wo das Ackerland und der Same, beide, gut 
sind, mufs eine reine Nachkommenschaft entstehen, und nur 
weil es an dem einen oder andern fehlt, kann eine geringere 
geboren werden. 

5. (10865.) Als Prajäpati die Welten schuf, da sind die 
Menschen aus seinem Munde, seinen Armen, Schenkeln und 
Füfsen entsprungen, so wissen es die Kenner des Gesetzes 
(Rigveda 10,90,12). 

6. (10866.) Aus seinem Munde gingen die Brahmanen her- 
vor, o Freund, aus seinen Armen die Kshatriya's, aus seinen 
Schenkeln die reichen [Vaicya's], o König, aus seinen Füfsen 
die dienenden [Qüdra's]. 

7. (10867.) Das ist die Herkunft der vier Kasten, o Männer- 
stier; die übrigen, die noch aufser ihnen vorhanden sind, sind 
durch Mischung entstanden. 

8. (i08r,8.) Die Kshatriya's [hier Volksname], Atiratha's 
(Wagenkämpfer), Ambashtha's [Sohn eines Brahmanen und 
einer Vaicyä], Ugra's [eines Kriegers und einer <,'üdra|, 
Vaidehaka's [eines (.Yidra's und einer Brahmanin], (,\apäkas 
(Hundekocher), Pulkasa's [Cudravater und Kshatriyamutter], 
Stena's (Diebe), Xishada's [Brähmanavator und Cudramutter], 
Süta's [Stallmeister, Kshatriyavater und Brahmanenmutter], 
Mägadha's [Vaicyavater und Kshatriyamutter], 

9. (10869.) Ayoga's [f'üdravater und Vaicyamutter] , Kara- 
na's [Vaicyavater und Cudramutter], Vrätya's [Cudravater 
und Kshatriyamutter], Candidas [Cudravater und Brähmana- 
mutter], o Männerfürst, diese sind aus den vier Kasten durch 
Kreuzung entsprungen. 

Janaka sprach: 

10. (10870.) Wenn alle aus dem einen Brahmän entsprungen 
sind, wie erklärt sich dann die Mannigfaltigkeit der Familien- 



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574 



III. Mokshiulharuia. 



geschlechter, denn es gibt ja hier in der Welt viel Ge- 
schlechter, o Bester der Muni's? 

11. (10871.) Wie kommt es, dafs Muni's von unbestimmter 
Herkunft zu dem ihnen gemäfsen Ursprung gelangt sind, 
denn neben solchen, welche einem reinen Mutterschofse ent- 
sprungen sind, gibt es ja auch andere, aus einem schlechten 
Schofs hervorgegangene ? 

Parftcara sprach: 

12. (10872.) O König, das ist nicht aus ihrer niedrigen 
Geburt zu begreifen, sondern das Emporkommen solcher Hoch- 
sinnigen erklärt sich daraus, dafs sie ihre Seele durch Askese 
geläutert haben. 

13. (10873.) Wenn die Muni's Söhne hier und da gezeugt 
haben, so haben sie ihnen doch durch ihre Askese den Rang 
der Rishi's wieder erworben. 

14. (io 874.) Auch mein eigener Vorfahre und Rishyacringa, 
der Kacyapasprofs, ferner Veda, Tändya, Kripa, Kakshivant, 
Kamatha und andere, 

15. (10875.) Yavakrlta, o Fürst, und Drona, der Beste der 
Redner, ferner Ayu, Matanga, Datta, Drumada und Mätsya, 

16. (10876.) diese, o Fürst der Videha's, haben ihren Rang 
auf Grund der Askese erlangt und stehen da als Vedakenner 
vermöge ihrer Bezähmung und Askese. 

17. (10877.) Vier Urgeschlechter sind entstanden, o Fürst; 
Angiras, Kacyapa, Vasishtha und Bhrigu [sind ihre Ahnherren]. 

18. (10878.) Andere Geschlechter sind auf Grund ihrer 
Werke zu dem geworden, was sie sind, o Fürst> und haben 
ihren Namen auf Grund der Askese, das ist die Tradition 
unter den Guten. 

Jaoaka sprach: 

19. (10879.) Erkläre mir, o Herr, die besonderen Pflichten 
jeder Kaste und sodann ihre gemeinsamen Pflichten, denn 
du bist in dem allem bewandert. 

Paracara sprach: 

20. (10880.) Annehmen von Gaben, für andere opfern und 
den Veda lehren, o Fürst, das sind die besonderen Pflichten 
der Brahmanen, die Beschützung ziert den Kshatriya. 



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Adhy&ya 298 (B. 296). 



575 



21. (iu88i.) Ackerbau, Viehzucht und Handel liegen dem 
Vaicya ob, die Zwiegeborenen zu bedienen ist die Pflicht des 
Oidra, o Männerfürst. 

22. (10882.) Die besonderen Pflichten der Kasten habe ich 
dir genannt, o Fürst, nun vernimm ihre gemeinsamen Pflichten 
ausführlich von mir, o Freund. 

23. (10883.) Wohlwollen, Nicht-Schädigung, Besonnenheit, 
Gerechtigkeit, Manenopfer, Gastfreundschaft, Wahrhaftigkeit, 
Xicht-Zürnen, 

24. (10884.) sich mit seinen eigenen Frauen begnügen, 
Reinheit, beständige Unverdrossenheit, Selbsterkenntnis und 
Geduld, das sind, o Fürst, die gemeinsamen Pflichten. 

25. (10 885.) Die Brahmanen, Kshatriya's und Vaicya's sind 
die drei zwiegeborenen Kasten, und sie sind die zu den reli- 
giösen Pflichten Berufenen, o Bester der Menschen. 

26. (10886.) Wenn sie sich auf schlechte Werke einlassen, 
sinken die drei Kasten ebenso herab, wie sie emporkommen, 
wenn sie sich in ihren Werken einen Guten zum Vorbild 
nehmen. 

27. (10887.) Ein (,'üdra kann nicht tiefer fallen, das 
steht fest, auch ist er hienieden nicht der Weihen würdig, 
fällt auch nicht unter das vom Veda ausgehende Gesetz, 
während er von dem Gesetz (nach Nil.: dem dreizehn- 
fachen, oben, Vers ioh83 fg.] nicht ausgeschlossen ist. 

28. (10888.) O König der Videha's, für Ka [für eine 
Inkarnation des Brahman] erklären den ('Odra die mit 
der Schrifterklärung sich befassenden Brahmanen; ich 
aber sehe in ihm, o Fürst der Männer, den Gott Vishnu, 
das Oberhaupt der ganzen Welt. 

29. (10889.) Die Kastenlosen, wenn sie in ihrem Streben 
emporzukommen dem Beispiel der Guten nachleben und ge- 
deihliche Werke vollbringen, nehmen keinen Schaden, wenn 
sie sich nur der heiligen Sprüche enthalten. 

30. (10890.) In dem Mafse, wie die andern Menschen sich 
an das Vorbild der Guten halten, in diesem Mafse erlangt 
einer Glück und Freude nach dem Tode und schon hie- 
nieden. 



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576 



III. Mokshadharma. 



Jaoaka sprach: 

31. (10801.) Was erniedrigt einen Menschen, sein Werk 
oder seine Kaste, o grofser Muni? Darüber besteht mir ein 
Zweifel, den mögest du mir aufklären. 

Parärnra sprach: 

32. (10892.) Freilich trägt beides, o Grofskönig, zur Er- 
niedrigung bei, das Werk und die Kaste, den Unterschied 
aber sollst du vernehmen. 

33. (10893.) Der Mensch verdient weder um seiner Geburt 
noch um seiner Werke willen Tadel, welcher, wenn auch 
durch seine Geburt befleckt, kein böses Werk tut. 

34. (10894.) Aber einen durch seine Kaste hervorragenden 
Mann, wenn er ein fluchwürdiges Werk begeht, erniedrigt 
dieses Werk; somit ist das Werk das Verwerfliche [und 
nicht die Kaste]. 

Janaka sprach: 

35. (10895.) Welche vom Gesetze gebotenen Werke, o Bester 
der Zwiegeborenen, sind von der Art, dafs sie, in dieser Welt 
hier allezeit geübt, die Mitgeschöpfe nicht schädigen? 

Paracara sprach: 

36. (10896.) Vernimm darüber, wonach du mich fragst, 
o Grofskönig, welcher Art die Werke sind, die, ohne zu schädi- 
gen, den Menschen allezeit retten. 

37. (10897.) Nachdem sie stufenweise den Weg der Werke 
durchmessen haben [als Hausväter], machen sie sich von den 
Opferfeuern los und schauen, müfsig und frei von Leid, die 
Seligkeit. 

38. (10898.) Bescheiden, züchtig, allezeit bezähmt und wohl- 
gefestigt, gehen sie von allen Werken frei empor zu der alter- 
losen Stätte. 

39. (10899.) Alle Kasten, o König, wofern sie die pflicht- 
mäfsigen Werke geübt, wahrer Reden sich beflissen und 
pflichtwidrige Härte gegen alles Lebende gemieden haben, 
gehen in den Himmel ein, daran darf nicht gezweifelt werden. 

So lautet im Mokihadhanna der Gesang de« Para$axa 

(Pard^ara-ffttdl 



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Adhyäya 299 (B. 297). 



577 



Adhyftya 299 (B. 297). 

Vers 10900-10941 (B. 1-41). 

Para<;ara sprach: 

1. (10900.) Der Vater, die Freunde, die Lehrer und der 
Lehrer Frauen bringen in der Welt den Untugendhaften 
[von denen sie nicht geehrt werden] keinen Vorteil [keine 
Gelegenheit, gute, im Jenseits fruchtbringende Werke zu 
tun], wohl aber [haben diesen Vorteil] solche, welche 
sie unentwegt verehren, freundlich zu ihnen reden und 
ihnen woldwollend und gehorsam sind, o König. 

2. (10901.) Der Vater ist für den Menschen die höchste 
Gottheit, höher noch als die Mutter steht der Vater, wie 
gelehrt wird, für das Höchste aber gilt es, Erkenntnis 
zu gewinnen, und wer seine Sinne bezähmt, erlangt 
dieses Höchste. 

3. (10902.) Wenn auf dem Schlachtfelde, wo die glühen- 
den Pfeile fliegen, der Sohn des Fürsten fällt and ver- 
brannt wird, dann steigt er empor zu Welten, die auch 
für die Unsterblichen schwer zu erlangen sind, und ge- 
niefst nach Lust den himmlischen Lohn. 

4. (10903.) Den Müden, Furchtsamen, Wafl'enberaubten, 
Weinenden, Abgewandten, Hilflosen, Darniederliegenden, 
Kranken und Flehenden soll man nicht töten, o König, 
und ebensowenig Kinder und Greise. 

5. (in 904.) Hingegen den mit Hilfsmitteln wohlausgerüste- 
ten, aufrechtstehenden, ebenbürtigen Gegner aus Kshatriya- 
starnm soll der Fürst in der Schlacht niederkämpfen. 

i\. (10905.) Von der Hand eines Ebenbürtigen oder auch 
Überlegenen zu fallen ist rühmlich, daran ist kein Zweifel, 
aber von einem Geringeren, Feigen, Jämmerlichen gelötet zu 
werden ist schimpflich. 

7. (10900.) Von einem Schlechten, schlecht sich Führen- 
den, Geringeren getötet zu werden wird für schlecht erklärt, 
o König, und führt sicher zur Hölle. 

8. (10907.) Keiner kann einen retten, o König, der seinem 

Drt *he5, Mababharatatn. 37 



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578 



III. Mokshadharma. 



Schicksale verfallen ist, und keiner kann einen wegraffen, 
dem noch länger zu leben bestimmt ist. 

9. (10908.) Wenn die, welche uns teuer sind, irgendein 
schadenbringendes Werk unternehmen, so soll man sie daran 
hindern. Man soll sein Leben nicht auf Kosten eines fremden 
Lebens zu erhalten suchen. 

10. (10909.) Für alle Hausväter, welche ihrem Ende ent- 
gegensehen, ist es rühmlich zu sterben, indem sie ihre Zere- 
monien auf der Sandbank eines [heiligen] Flusses verrichten. 

11. (io9io.) Wenn das Leben zu Ende geht, löst man sich 
in die fünf Elemente auf, mag dies nun ohne besondere Ur- 
sachen eintreten oder durch Ursachen bedingt sein. 

12. (io9ii.) Und je nachdem es durch Ursachen bedingt 
ist, geht man aus einem Leib in den andern über; ein Wan- 
derer ist man auf dem Wege [der Erlösung] und kehrt dabei 
von Haus zu Haus ein. 

13. (10912.) Für diese Wanderung gibt es keine andere, 
keine zweite Ursache [als diese, dafs] dieser mit der Seele 
verbundene Leib für zur Erlösung bestimmte Wesen vor- 
handen ist [den Zwecken der Erlösung dient, anders Nil.]. 

14. (10913.) Aus Adern, Sehnen und Knochen zusammen- 
gestoppelt, mit Ekelhaftem und Unheiligem vollgepfropft, aus 
Elementen, Sinnesorganen und Guna's zusammengeschüttet 

15. (109H.) und mit Haut umsponnen, — so charakteri- 
sieren die dem höchsten Atman nachdenkenden Weisen diesen 
Leib, der überdies noch infolge der [unbeständigen] Gunas 
der Sterblichkeit verfallen ist. 

16. (10915.) Von der Seele verlassen, ohne Bewegung und 
Bewufstsein, versinkt er vermöge der in die Prakriti zurück- 
gehenden Elemente in der Erde. 

17. (10916.) Und gestaltet entsprechend seinen Werken, 
wird er hier und dort wiedergeboren, wo auch immer dieser Leib 
gestorben sein mag, o König der Videhas, (10917.) und diese 
Natur habend, ergibt sich die Betätigung in Werken als eine 
niedrige. 

18. Aber doch wird er, o Fürst, eine gewisse Zeit lang 
noch nicht wiedergeboren, (1091s.) sondern sein Elementar- 



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AdhyJtya 299 (B. 297). 



579 



ätman fbhiitätmanj schweift umher wie eine grofse Wolke 
am Himmel 

19. und wird erst wiedergeboren, nachdem er hienieden 
einen Stützpunkt gefunden hat, o König. — (10919.) Höher 
als das Manas steht der Atman, höher als die Sinnesorgane 
steht das Manas. 

20. Aber unter all den vielen Wesen stehen am höchsten 
die beweglichen, o Fürst, (10920.) unter den beweglichen wieder 
die Zweifüfsler, unter den Zweifüfslern die Zwiegeborenen, 

21. (10921.) unter den Zwiegeborenen wiederum die Er- 
kenntnishabenden, unter den Erkennenden die des Atman 
sich Bewufsten, unter denen seiner sich Bewufsten die von 
Hochmut Freien. 

22. (10922.) Jeden Menschen, der geboren ist, erreicht der 
Tod, das ist gewifs, denn ein Ende habend sind die [das 
Dasein bedingenden] Werke, welche die Menschen auf Grund 
der Gunas vollbringen. 

23. (10923.) Wer nun stirbt, wenn die Sonne sich zum 
Nordgange gewendet hat, unter einem guten Stern und zur 
günstigen Stunde, o König, der war ein Vollbringer guter Werke 
[vgl. das zu Bhagavadgitä, VIII, 26, oben S. 09 Bemerkte], 

24. (10924.) wenn er eines natürlichen \utmakritena = 
kälajena, Nil.] Todes stirbt, nachdem er keinen Menschen ge- 
plagt, sich vom Bösen losgesagt und aus allen Kräften sein 
Werk betrieben hat. 

25. (10925.) Hingegen Vergiftung, Erhängen, Verbrennen, 
Ermordung durch Sklavenhand, durch reifsende Tiere oder 
Vieh, das wird ein schmählicher Tod genannt. 

20. (10926.) Aber die Vollbringer guter Werke haben nichts 
zu schaffen mit diesen selbstverhängten und vielen anderen 
derartigen schmählichen [Todesarten]. 

27. (10927.) Vielmehr verlassen die Lebensgeister der Guten 
den Leib, indem sie nach oben durchbrechen, o König, wäh- 
rend die Mittelmäßigen aus dem mittlem Leibe und die 
Bösen nach unten zu entweichen (vgl. Chänd. Up. 8,0,6 = 
Kath. Up. 0.10). 

28. (10928.) Einen Feind gibt es, o König, keinen 

andern Feind gibt es, der für den Menschen so schlimm 

37* 



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580 



III. Moksliadliaruia. 



wäre wie das Nichtwissen, von welchem umnebelt und 
angestiftet, er entsetzliche, grausame Werke begeht. 

29. (10929.) Bei wem behufs Überwindung dieses Fein- 
des unter Verehrung der Alten die Hingabe an Schrift- 
wort und Gesetz Kraft gewinnt, kann er, so schwer auch ' 
mit ihm fertig zu werden ist, durch den Pfeil der Er- 
kenntnis aus der Fassung gebracht und in die Flucht 
geschlagen werden. ' 

30. (10930.) Nachdem einer als Brahmacärin das Veda- 
studium mit Askese betrieben hat, soll er als pflichttreuer 
Mann hienieden nach Kräften sich mit den fünf [täg- 
lichen] Opfern befassen, sein Geschlecht fortpflanzen 
und sodann, auf sein Seelenheil bedacht, in den Wald 
ziehen. 

31. (loyal.) Nicht soll der Mensch, auch wenn er von 
allen Genüssen entblöfst ist, sich selbst umbringen; Mensch 
zu sein, o Freund, und wäre man ein Candäla, ist immerhin 
eine schöne Sache. 

32. (10932.) Denn dieses [das Menschsein], o Weltbeherr- 
scher, ist die erste Geburt, in welcher der Atman durch edle 
Werke Rettung finden kann. 

33. (10933.) Und fragt man, was zu tun ist, um dieser 
Geburt nicht wieder verlustig zu gehen, o Herr: Ihre Pflicht 
müssen die Menschen tun, indem sie auf die Schrift als 
Richtschnur hinblicken. 

34. (10934.) Wer aber, nachdem er eine [höhere] schwie- 
riger zu erlangende Menschwerdung erreicht hat, gehässig, 
die Pflicht verachtend und der Lust fröhnend ist, dessen 
Stellung freilich wird erschüttert. 

35. in» i»3ö.) Wer aber mit einem an Liebe von früh an 
gewöhnten Auge die Menschen als Lampen [die durch sneha 
Öl, Liebe gedeihen] ansieht und nicht, sofern sie ihm nütz- 
lich sind, 

30. (io93»>.) wer sie mit Güte, Nahrungsspende und freund- 
licher Rede behandelt und in Leid und Lust gleichmütig 
bleibt, der wird im Jenseits erhöht werden. 

37. (10937.) Freigebigkeit, Entsagung, freundliche Er- 
scheinung, o Fürst, ein unter Askese geläuterter Leib, 



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Adhyaya 299 (B. 297). 



581 



in den Wassern der Sarasvati, im Nimishawalde und 
in Pushkara und anderen heiligen Orten der Erde, 

38. (10938.) wer [dies besitzt], wenn auch nur als 
Hausvater sein Leben aushauchend, dem gebührt eine 
rühmliche Bestattung, ein Hinausgeführtwerden auf 
Wagen und Verbrennung auf der Leichenstätte nach 
reiner Sitte. 

39. (10939.) Darbringung, gedeihliche Bräuche, Opfern 
für sich und andere, Freigebigkeit, Vollbringung heiliger 
Werke, nach Möglichkeit Manenverehrung und was sonst 
noch rühmlich ist, das alles vollbringt der Mensch zu 
seinem eigenen Heile. 

40. (10 940.) Die Gesetzbücher, die Veden und die sechs 
Vedänga's werden um seines Heiles willen den Menschen an- 
befohlen, der in seinen Werken rührig ist, o Fürst. 

Bhishraa sprach: 

41. (io94i.) Alles dieses wurde von dem hochsinnigen Muni 
vor Zeiten dem Könige der Videha's um seines Heiles willen 
mitgeteilt, o Fürst der Menschen. 

So lautet im Mokshadbarma der Ge*.iug dos Para^ra 

(Pdidriiia-gitiV,. 



Aclliyftya 300 (B. 21)8). 

Vers 10 9 42-10!»«»! <B. 1—47». 
Bhishma sprach: 

1. (10942.) Und abermals befragte Janaka, der König von 
Mithilä, den hochherzigen Paräeara über die letzte Wahrheit 
in betreff der Pflicht. 

Janaka sprach: 

2. (10943.) Was ist das Heil, welches ist der Weg zu ihm, 
o Brahmane, welches Werk ist nicht vergänglich, und wohin 
führt der Weg, auf dem man nieht zurückkommt V Das er- 
kläre mir, o Hochweiser. 



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582 



III. Mokshadharma. 



Para<;ara sprach: 

3. (10944.) Nicht -Anhänglichkeit ist die Wurzel des Heils, 
die Erkenntnis, der Erkenntnisweg ist der höchste, die Askese, 
die betrieben wurde, ist nicht vergänglich, was auf das Feld 
gesät wurde [eine Wohltat, die einem Würdigen erwiesen 
wurde], geht nicht verloren. 

4. (10945.) Wenn einer die aus Ungerechtigkeit bestehende 
Fessel zerbricht und an der Gerechtigkeit seine höchste Freude 
hat, wenn er die in Furchtlosigkeit bestehende Gabe gibt, 
dann erlangt er die Vollendung. 

5. (1094C.) Wer tausend Kühe und hundert Rosse schenkt 
und allen Wesen Furchtlosigkeit gewährt, dem wird sie alle- 
zeit auch wiederum zuteil. 

6. (10947.) Der Weise, auch wenn er mitten unter den 
Sinnendingen wohnt, wohnt doch nicht unter ihnen, der Un- 
weise aber wohnt unter ihnen, auch wenn sie gar nicht vor- 
handen sind. 

7. (10948.) Ungerechtigkeit klebt nicht an dem Weisen, 
wie das Wasser nicht an dem Blatte der Lotosblüte; am Un- 
weisen aber klebt das Böse im Übermafs, wie Lack am Holze. 

8. (10949.) Das Unrecht, welches aus einer Absicht hervor- 
ging, läfst den Täter nicht los, sondern, wenn die Zeit ge- 
kommen ist, verfällt ihm der Täter. 

9. (10950.) Nicht aber werden zermalmt die, welche ihren 
Atman bereitet haben und auf den Atman ihr Vertrauen 
setzen. Wer jedoch, unachtsam auf seine Erkenntnisorgane 
und Tatorgane, nicht zur Erkenntnis kommt, (10951.) sondern 
sich an Gutes und Böses anklammert, der gerät in grofse 
Gefahr. 

10. Wer allezeit ganz frei von Leidenschaft und Herr 
über seinen Zorn ist, (10952.) der wird, auch wenn er in der 
Sinnenwelt weilt, doch nicht vom Bösen berührt. 

11. An seinem Ufer durch die Dämme der Gerechtig- 
keit aufgestaut, sinkt er nicht, (10953.) sondern einem ge- 
schwollenen Strome vergleichbar, strömt er ohne Aufenthalt 
in Fülle dahin. 

12. Wie ein klarer Kristall vom Sonnenlichte ganz sich 
durchdringen läfst, (10954.) 0 Königstiger, so [mittels Durch- 



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Adhyfcya 300 (B. 298). 



583 



dringung] durch die Meditation geht der Yoga vonstatten 
(vgl. Yogasütra's 1,41). 

13. (10955.) Wie die Güte der Sesamkörner durch Ver- 
mischung mit edlen Stoffen mehr und mehr erfreulich 
wird, so wird in Menschen von bereitetem Geiste, je 
nachdem sie ihren Umgang wählen, der Guna des Satt- 
vam (Güte) sich entwickeln. 

14. (10956.) Wenn der Mensch seinen Sinn auf den 
höchsten Himmel richtet, dann läfst er die Frauen, läfst 
die Glücksgüter, Stellung, Lustfahrten und Gelage da- 
hinten und sein in den Sinnendingen befangenes Be- 
wufstsein scheidet sich von ihnen. 

15. (10957.) Wer aber mit seinem Bewufstsein in den 
Sinnendingen befangen bleibt und nicht erkennt, was zu 
seinem Heile dient, der wird vermöge seines allen Reizen 
folgenden Geistes, o Fürst, wie ein Fisch durch den 
Köder angelockt. 

16. (10958.) Die Welt der Sterblichen, wie ein Aggregat 
sich aneinander klammernd und kraftlos wie das Mark des 
Bananenbaumes, geht unter wie ein Schiff im Wasser. 

17. (10959.) Die Zeit, um Gutes zu tun, ist für den Menschen 
nicht eingeschränkt, der Tod aber wartet nicht, bis der Mensch 
bereit ist; zu jeder Zeit ist es schön, eine gute Tat zu tun, 
und befände sich der Mensch auch schon im Rachen des 
Todes. 

18. (10960.) Wie der an sein Haus gebundene Blinde nur 
mit Vorsicht in ihm umhergehen kann, so geht der Weise 
mit gebundenem Manas [im Yoga] jenen höchsten Erkenntnis- 
weg (Vers 10944). 

19. (10961.) In der Geburt liegt schon der Tod voraus- 
bestimmt, und der Tod wiederum ist die Voraussetzung einer 
neuen Geburt; der die Erlösungslehre nicht Kennende bleibt 
gebunden und rollt um wie ein Rad. 

20. (10962.) Wer auf dem Wege der Erkenntnis wandelt, 
wird glücklich hienieden und im Jenseits. Ausbreitung ist mit 
Plage verbunden, Einschränkung macht glücklich, (iu9G3.> alle 
Ausbreitungen verfolgen [dem Atman] fremde Zwecke, in der 
Entsagung liegt für den Atman das Heil. 



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584 



III. Mokshadharma. 



21. Wie der Schlamm die Lotosknollen, die er umgibt, 
leicht losläfst, (looe*.) so wird der Atman hienieden von dem 
[die Aufsendinge verfolgenden] Manas freigegeben. 

22. Das Manas führt den Atman zum Yoga hin, dadurch 
schirrt der Mensch seinen Atman an, (io965.) und ist er an- 
geschirrt zum Yoga, dann bekommt er jenen höchsten [Atman] 
zu schauen. 

23. Wer aber, [dem Atman] fremde Zwecke verfolgend, 
sie für die eigenen Angelegenheiten hält, (ioögg.) der bleibt 
in die Sinnendinge verstrickt und verfehlt seine wahre Aufgabe. 

24. Nach unten und in Tierleiber fährt — während den 
höchsten Gang zum Himmel (iümt.) der Atman des Weisen 
durch gute Werke geht — der Atman des andern. 

25. W T ie in einem Tongefäfse, welches nicht gebrannt 
ist (apalcve), das Wasser sich verläuft, (10968.) so verliert sich 
der Körper in die Sinnenwelt, wenn er nicht durch Askese 
gebrannt ist. 

26. Wer sich aber in die Sinnenwelt verliert, der wird 
wahrlich nicht zum Genüsse gelangen; (io9t>9.) wer hingegen 
den Genüssen entsagt, der hat die Gewifsheit, zum wahren 
Genüsse zu gelangen. 

27. Jener aber, von Nebel umhüllt und der Geschlechts- 
lust und Efslust fröhnend, (10970.) kann mit seinem umdüster- 
ten Geiste, einem Blindgeborenen gleich, den Weg nicht finden. 

28. W r ie ein Kaufmann aus der Meerfahrt seiner Mühe 
entsprechend Reichtum gewinnt, (umi.) so ist auf dem Ozean 
des Lebens die Tätigkeit des der Erkenntnis hingegebenen 
Menschen für ihn der Weg [zum Heil]. 

29. In der in Tagen und Nächten abrollenden Welt be- 
schleicht im Gewände des Greisenalters (10972.) der Tod die 
Wesen und schluckt sie ein wie Schlangen die Luft. 

30. Die von ihm selbst früher begangenen Werke büfst 
der Mensch, nachdem er geboren ist, (10973.) keiner erlangt 
hier etwas, was er nicht verdient hätte, sei es Freude 
oder Leid. 

31. Mag er liegen, gehen, sitzen oder in Geschäften tätig 
sein, (10974.) seine guten und bösen Werke wissen den Men- 
schen allezeit zu finden. 



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I 



Adhy&ya 300 (B. 298). 585 

32. Wer aber das andere Ufer erreicht hat, den gelüstet 
es nicht noch einmal durchzuschwimmen, (10975.) denn es wird 
ihm als ein schweres Verhängnis erscheinen, in den grofsen 
Ozean zurückzustürzen. 

33. Wie ein im tiefen Wasser durch seinen schlechten 
Zustand gesunkenes Schiff mittels eines Strickes [heraus- 
gezogen wird], (10976.) so zieht man den Leib mittels des 
Manas [beim Yoga, im Sinne von Vers 109C4] aus seiner Ver- 
sunkenheit heraus. 

34. Wie in dem Ozean die anderen umgebenden Gewässer 
ihren Sammelort finden, (10977.) so bildet immer die l'rnatur 
fddyä pralritij auf Grund des Yoga den Zufluchtsort [für die 
Organe]. 

35. Wenn durch vielfache Stricke der Weltliebe das 
Manas gebunden ist, so werden die Menschen, (1097s.) in der 
Prakriti fufsend, in ihr versinken wie ein auf Sand gebautes 
Haus im Wasser. 

36. Der Verkörperte, der den Körper sein Haus nennt 
und Reinheit seine Badestätte, (10979.) wird, wenn er auf dem 
Wege der Erkenntnis wandelt, glücklich hienieden und im 
Jenseits. 

37. Ausbreitung ist mit Plage verbunden, Einschränkung 
macht glücklich; riodso.) alle Ausbreitungen verfolgen [dein 
Ätman] fremde Zwecke, in der Entsagung liegt für den Ätman 
das Heil (= Vers 10 96* fg.). 

38. Der Schwärm der Freunde wird durch seine Wünsche 
an uns gefesselt, und die Verwandten, durch besondere Beweg- 
gründe, (ioy8i.) Gattin, Sohn und Dienerschaft verfolgen ihr 
eigenes Interesse. 

39. Nicht die Mutter, nicht der Vater kann für einen 
irgend etwas [zu seinem Heile] erwirken: moüh*) die Gaben, 
die der Mensch spendet, sind seine Reisekost, und so erlangt 
er die Frucht seiner eigenen Werke. 

40. Mutter, Sohn, Vater, Bruder, Gattin und der Freunde 
Schar, (10983.) das alles ist wie ein blofser Goldabdruck an 
Stelle wirklichen Goldes, 0 Vortrefflicher. 

41. (10984.) Alle früher von der Person eines Menschen 
begangenen Werke bilden sein Geleite; bedenkend die 



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586 



III. Mokshadharma. 



bevorstehende Vergeltung der Werke, treibt das innere 
Selbst die Erkenntnis an. 

42. (10985.) Wer, auf eigener Entschliefsung beharrend, mit 
seinen Freunden umgeht, dem wird kein Unternehmen jemals 
fehlschlagen. 

43. (10986.) Einem in sich nicht zwiespältigen, hinge- 
gebenen, tapfern, charakterfesten Weisen bleibt das Glück 
treu wie der Sonne ihre Strahlen. 

44. (10987.) Wer auf Grund von Gläubigkeit, von Ent- 
schlossenheit, von geeigneten Mitteln und Nicht-Uberhebung 
mit Verstand und tadellosem Charakter sein Werk betreibt, 
dessen Absicht wird nicht fehlschlagen. 

45. * (10988. 10989.) Jeder Mensch büfst an sich selbst 
von Geburt an mit Notwendigkeit seine guten und bösen 
Werke, beides, je nachdem er es vordem begangen hat. 
Und der unvermeidliche Tod bringt ihn mittels der ein- 
schneidenden Zeit an das Ende seiner Tätigkeit, wie der 
Wind das von dem Eisen der Säge erzeugte Holzmehl 
verweht. 

46. (10990.) Seine Naturanlage und den von ihm selbst 
geschaffenen Wirkungskreis, edle Abstammung und Fülle 
von Reichtum und Glück, das alles erlangt ein jeder 
Mensch, je nachdem er es durch eigene gute und böse 
Werke verdient hat. 

Bhlshma sprach: 

47. (10991.) Nachdem Janaka, der Beste der Gesetzkundigen, 
von dem Weisen diese wahrhaften Lehren vernommen hatte, 
o König, fühlte er sich erfüllt von hoher Freudigkeit. 

So lautet im Moksbadhanoa der Schlafe dee Gesengte de« Parac,ara 

( Pard^ara - gitd tamdptd) . 



♦ Metram: <?ardü1avikriditam. 



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Adhyaya 301 (B. 299). 



587 



Adhyftya 301 (B. 299). 

Vers 10992-11036 (B. 1-45). 

Yudhishthira sprach : 

1. (10992.) Weise Männer preisen in dieser Welt die Wahr- 
heit, Bezähmung, Geduld und Erkenntnis; wie denkst du dar- 
über, o Grofsvater? 

Bhlshma sprach: 

2. (10993.) Darüber werde ich dir eine alte Geschichte mit- 
teilen, nämlich die Unterredung, welche die Sädhya's (die 
Anbetungswürdigen) mit dem Schwan hatten, o Yudhishthira. 

3. (10994.) Als ein schön befiederter Schwan durchstreift 
alle drei Welten der unentsprossene, ewige Herr der Geschöpfe, 
und so kam er einst zu den Sädhya's. 

Die Sädhya's sprachen : 

4. (10995.) 0 Vogel, wir, die göttlichen Sädhya's, wollen 
dich befragen und um Belehrung bitten über das Gesetz der 
Erlösung fmohshadharmaj . denn du, o Herr, bist ja der Er- 
lösung kundig. 

5. (10996.) Wir haben vernommen, dafs du gelehrt und 
weisheitredend bist, Beifallsbezeugungen begleiten dich, 
o Vogel; was hältst du fiir das Beste, o Zweimalgeborener 
(Vogel), woran hat dein Herz seine Freude, o Hoch- 
sinniger? 

6. (10997.) 0 Bester der Geflügelten, lehre uns die Auf- 
gabe kennen, welche du für die höchste aller Aufgaben 
erachtest, und welche vollbringend der Mensch von allen 
Fesseln erlöst wird, diese, o Fürst der Luftwandler, lehre 
uns alsbald. 

Der Schwan sprach: 

7. (10998.) Dieses ist die Aufgabe, wie ich vernommen, 
o Geniefser des Amritam: Askese, Bezähmung, Wahr- 
haftigkeit und Hütung des eigenen Selbstes; alle Knoten 
des Herzens lösend (Kath. Up. *?,lf>; Sechzig Upanishad's, 



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588 



III. Moksliadliurma. 



S. 287 A. 1), möge der Mensch Liebes und Unliebes in 
seine Gewalt bringen. 

8. (10999.) Er möge kein Feindzermalmer, kein Men- 
schenverwünscher sein, nicht nehme er das Höchste [da? 
Brahmanwissen] von einem Niedrigen an; eine Rede, die 
einen andern zittern macht, eine brennende, zu bösen Wel- 
ten führende, soll er nicht reden. 

0. (noon.) Die Pfeile der Rede werden aus dem Munde 
geschossen , und wen sie treffen . der jammert Tag und 
Nacht, sie verfehlen nicht die verwundbaren Stellen des 
andern , der Weise soll sie nicht auf andere schleudern. 
(Parallelstellen s. Indische Sprüche 2 , 0018.) 

10. (ii wu.) Wenn ihn ein anderer mit übermütiger Rede 
Pfeilen verletzt, so begegne er ihm mit Ruhe; wer, zum 
Zorne gereizt, Freundliches erwidert, der überträgt auf 
sich des andern gute Werke. 

11. (11002.) Wer den aufbrausenden, durch Leiden- 
schaftlichkeit zum Unrecht verleitenden, lodernden Zorn 
niederhält und, künftiger Vergeltung eingedenk, heiter 
und frei von Unmut bleibt, der überträgt auf sich des 
andern gute Werke. 

12. (H003.) Werde ich angeschrien, so erwidere ich 
nichts, werde ich geschlagen, so bleibe ich stets geduldig, 
denn das ist das Höchste, was die Edlen Geduld, Wahr- 
haftigkeit, Rechtschaffenheit und Wohlwollen nennen. 

13. (iino4.) Des Veda verborgener Sinn (upanishad) ist 
Wahrhaftigkeit, der Wahrhaftigkeit verborgener Sinn ist Be- 
zähmung, der Bezähmung verborgener Sinn Erlösung — da- 
mit ist alles gesagt. 

14. (u Oos.) Den Ansturm der Rede, den Zornesansturm 
des Herzens, den Ansturm der Neuerungssucht, den An- 
sturm von Efslust und Geschlechtslust, wer diesen An- 
stürmen, wenn sie sich erheben, standhält, den halte ich 
für einen Brahmanen, einen Muni. 

15. (liooc.) Wer nicht zürnt, ist den Zornigen über- 
legen, wer ausdauert, den Nicht- Ausdauernden, der Mensch 
ist dem Unmenschen, der Weise dem Toren überlegen. 



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Adhyäya 301 (B. 299). 



589 



16. (H007.) Wird man geschmäht, so schmähe man nicht 
wieder, sein Zorn verbrennt ihn, den Schmähenden, wenn 
man dabei geduldig bleibt, und man gewinnt des andern 
gute Werke. 

17. (H008.) Wer, über Gebühr getadelt oder gelobt, 
nichts Rauhes und nichts Freundliches erwidert, wer, ge- 
schlagen, an sich hält und nicht wiederschlägt und ihm, 
der ihn schlug, nichts Böses wünscht, den beneiden wahr- 
lich auch die Götter. 

18. (11009.) Man ertrage die Schlechteren, man ertrage 
auch die Besseren und die Gleichen; man ertrage es, wenn 
man verachtet, geschlagen oder geschmäht wird. So wird 
man zur Vollendung gelangen. 

19. (noio.) Ich ehre allezeit die Edlen, auch wenn ich 
sie nicht nötig habe, Xeuerungssucht und Zorn haben 
keine Gewalt über mich, auch verlockt weiche ich nicht 
vom Wege, und ich gehe niemand um eine Sache an. 

20. (höh.) Wenn man mir flucht, so fluche ich nie- 
mandem wieder, denn ich weifs, dafs die Bezähmung hie- 
nieden die Pforte der Unsterblichkeit ist; ein geheimnis- 
volles, heiliges Wort (hmhmau) teile ich dir mit: Es 
gibt nichts Höheres als den Menschen. 

21. (lioi-j.) Von allem Übel erlöst, wie der [herbstliche] 
Mond von den Wolken, leidenschat'tlos seine Zeit abwartend, 
gelangt der Weise durch Weisheit zur Vollendung. 

22. (iioi3.) Wer als ein sieh selbst Beherrschender die 
Verehrung von allen verdient, gleichsam geboren zu einer 
stützenden {utsidhnnah — uttambhunttkarnh Nil.) Säule, zu 
dem man nur freundliche Worte redet, der fürwahr geht 
zu den Göttern ein. 

23. fiiou.) Die Mensehen, zum Tadel geneigt, sind weniger 
bereit, schöne Tugenden an jemandem anzuerkennen, als das 
Schlechte an einem hervorzuheben. 

24. (11015.) Wer Worte und Gedanken hütet, allezeit fromm 
ist, wer Veden, Askese und Entsagung besitzt, dem wird das 
Weltall zum Lohne. 

25. (uoio.) Ein weiser Mann soll es vermeiden, die Ln- 
weisen mit rauhen und geringschätzenden Worten zu belehren, 



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590 



III. Mokshadharnia. 



er soll daher nicht andere fordern und seiner eigenen Seele 
schaden. 

26. (11017.) Wie an Amritam soll sich der Weise letzen 
an erlittener Verachtung, denn der Verachtete kann ruhig 
schlafen, der Verächter geht ins Verderben. 

27. (11018.) Wer im Zorne opfert, schenkt, Askese übt 
oder spendet (vgl. Ev. Matth. 5,23), dem rafft der Todes- 
gott all sein Verdienst hinweg, denn alle Bemühung des 
Zürnenden ist eitel. 

28. (11019.) W r er, o ihr Besten der Unsterblichen, alle vier 
Pforten wohl hütet, die Pforten der Geschlechtslust und Efs- 
lust, der Hände und der Rede als vierte, er ist des Gesetzes 
kundig. 

29. (11020.) Wer Wahrhaftigkeit, Bezähmung, Recht- 
schaffenheit, Wohlwollen, Festigkeit und Ausdauer über- 
aus eifrig pflegt, wer beharrlich im Studium, neidlos 
gegen andere und von unwandelbarer Charakterstärke 
ist, der geht den Weg nach oben. 

30. (U021.) Indem ich allen diesen Tugenden anhänge, 
wie ein Kalb den vier Zitzen der Kuh, habe ich doch in allen 
Welten nichts Heiligeres gefunden als die Wahrheit. 

31. (11022.) Unter Menschen und Göttern verkehrend, be- 
haupte ich : die Wahrheit führt als Leiter zum Himmel empor, 
wie ein Schiff von einem Ufer zum andern. 

32. (11023.) Wie die sind, unter denen man wohnt, wie 
die sind, mit denen man umgeht, wie das ist, was man zu 
werden wünscht, so ist der Mensch. 

33. (11024.) Mag man mit einem Guten oder Schlech- 
ten, mit einem Asketen oder einem Diebe umgehen, man 
wird von ihrem Einflüsse gefärbt, wie das Kleid von 
seiner Farbe. 

34. (H025.) Die Götter pflegen allezeit Umgang mit 
den Guten, aber sie verlangen nicht danach, das mensch- 
liche Treiben zu sehen. Wandelbar ist der Mond und 
wandelbar der Wind; wer das wandelbare Treiben in 
allen Höhen und Tiefen erkennt, der ist weise. 

35. (11 026.) An dem im innern Herzen weilenden Purusha, 



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Adhyäya 301 (B. 299). 



591 



wenn er bei guten Menschen unverdorben ist und auf dem 
rechten Wege wandelt, haben die Götter ihre Freude. 

36. (11027.) Wer aber immerfort an Geschlechtslust 
und Efslust seine Freude hat, wer ein Dieb oder ein 
Mensch von harter Rede ist, den halten die Götter von 
sich fern, auch wenn er seine Schuld gesühnt hat. 

37. (iio28.) Über einen Menschen von niedriger Ge- 
sinnung, der ohne Wahl in seiner Nahrung und sünd- 
haft in seinem Handeln ist, freuen sich die Götter nicht; 
wer aber gelübdetreu und dankbar ist und an seiner 
Pflicht Freude hat, dem reichen die Götter ihre Gaben dar. 

38. (H029.) Schweigen ist besser als Reden; die Wahr- 
heit zu reden in dem, was man spricht, ist das zweite, 
Gerechtes zu reden ist das dritte, Liebreiches zu reden 
ist das vierte [GebotJ. 

Die Sädhya's sprächet): 

39. (H030.) Wovon ist diese Welt umhüllt? Warum er- 
glänzt der Mensch nicht? Warum läfst er seine Freunde im 
Stich? Warum kommt er nicht in den Himmel? 

Der Schwan sprach : 

40. (iio3i.) Von Nichtwissen ist diese Welt umhüllt, wegen 
der Selbstsucht erglänzt der Mensch nicht, aus Habgier läfst 
er seine Freunde im Stich, aus Welthang kommt er nicht 
in den Himmel. 

Die Sadhya'9 sprachen : 

41. (H032.) Wer allein freut sich im Kreise der Brah- 
manen? Wer allein kann unter vielen friedlich sitzen? 
Wer allein ist stark, auch wenn er schwach ist? Wer 
allein läfst sich auf keinen Streit mit den Leuten ein? 

Der Schwan sprach : 

42. (11033.) Der Weise allein freut sich im Kreise der 
Brahraanen, der Weise allein kann unter vielen friedlieh 
sitzen, der Weise allein ist stark, auch wenn er seh wach 
ist, der Weise allein läfst sich auf keinen Streit mit 
den Leuten ein. 



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592 



III. Mokshadharma. 



Die Sadhya's sprachen : 

43. (H034.) Worin liegt die Göttlichkeit der Brahmanen? 
Worin liegt ihr Wert? Worin ihr Unwert (asädhutvam mit C.)? 
Worin liegt ihre Menschlichkeit? 

Der Schwan sprach: 

44. (H035.) Im Vedastudium liegt ihre Göttlichkeit, in 
ihrem Gelübde liegt ihr Wert, in der üblen Nachrede liegt 
ihr Unwert, im Sterbenmüssen liegt ihre Menschlichkeit. 

Bbishma sprach: 

45. (11036.) Das ist die berühmte, ausgezeichnete Unter- 
redung mit den Sadhya's; ja gewifs! der Körper ist nur die 
Quelle der Werke, das [ewige] Reale ist die Wahrheit. 

So lautet im Mok»hadbarma dar Qesang dci Schwans 

AdhyAya 302 (B. 300). 

Vers 11037-11098 (B. 1-62). 

Yudhishthira sprach: 

1. (11037.) Jetzt sollst du mir, o Freund, den Unterschied 
zwischen Säülhyam und Yoga erklären, denn dir, o Kenner 
der Satzungen, ist alles bekannt, o Bester der Kuru's. 

Bhishraa sprach: 

2. H1038.J Die Sänkhyas (Anhänger der reflektierenden 
Methode) rühmen ihr Sänkhyam, die Yoga's (Anhänger der 
Methode der Verinnerlichung) ihren Yoga, beide erklären ihr 
Prinzip für das beste, um ihre Partei zur Geltung zu bringen. 

i». (uo3!>.) Wie kann einer ohne Gott firraraj erlöst werden? 
Damit erhärten, o Feindbezwinger, die weisen Yoga s mit Recht 
den Vorzug ihres Prinzips. 

4. (H040.) Aber auch die dem Sänkhyam anhängenden 
Brahmanen erklären mit Recht als Prinzip dieses, dafs der- 
jenige, der alle Wege durchforscht hat und den Sinnendingen 
nicht anhängt, 



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i 



Adhyaya 302 (B. 300». 



593 



5. (ii04i.) nach Hinfall des Leibes offenbar und unfehlbar 
die Erlösung erlangt, und so erklären diese sehr Weisen das 
Sankhyam für die Lehre von der Erlösung. 

6. (ii 045.) Den Standpunkt seiner Partei mufs man wahren, 
aber in der Verständigung [mit der Gegenpartei] liegt das 
wahre Heil, und von unsereinem, der den Kundigen beipflichtet, 
mufs ihre Lehre angenommen werden. 

7. (ii 043.) Die Yoga 1 8 haben unmittelbar einleuchtende 
(»runde und die Sänkhya's stützen sich auf eine sichere Tra- 
dition: beide Lehrmeinungen halte ich für wahr, Freund 
Yudhishthira. 

8. (11044.) Für einen, der diese beiden von Kundigen an- 
genommenen Lehren kennen gelernt hat und ihnen vorschrifts- 
mäßig nachlebt, o Fürst, können sie beide die Führer zum 
höchsten Ziele werden. 

(11045.) Gemeinsam ist beiden Reinheit, verbunden mit 
Askese und Mitleid mit den Wesen, o Untadliger, gemeinsam 
auch das Halten der Gelübde, und nur die Theorie (darganamj 
i?t bei beiden verschieden. 

Yudtmhthira sprach: 

10. (neu«) Wenn Gelübde, Reinheit, Mitleid und auch die 
Frucht beiden gemeinsam sind, wie kommt es dann, dafs 
nicht auch die Theorie die gleiche ist ? Das sage mir, o Grofs- 
vater. 

Bhlshma sprach: 

IL (11047.) Leidenschaft, Verblendung, Weltanhänglich- 
keit, Lust und Zorn, wenn man nur diese fünf Fehler durch 
den Yoga ausrottet, dann erlangt man jene Frucht. 

V2. (1104* ) Wie grofse wachsame [Fische] das Netz zer- 
reifsen und wieder ins Wasser gelangen, so gelangen die 
YopTs, von Sünden geläutert, zu jener Stätte. 

13. ui«hp.) l'nd wie ebenso die starken Tiere des Waldes 
das Fangnetz zerreifsen und, von allen Fesseln gelöst, sich 
freie Bahn schaffen, 

14. (11050.) so zerreifsen, o König, die kraftgerüsteten 
Yoga s die aus Begierde geflochtenen Stricke und gelangen 
•uf die höchste, fleckenlose, selige Bahn. 



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594 III- Mokshadharma. 

15. (lioöi.) Aber wie andere schwache Tiere des Waldes 
in den Fangnetzen zugrunde gehen, so auch, o König, ohne 
Zweifel diejenigen, welche der Yogakraft ermangeln. 

16. (H052.) Und wie, o Kuntisohn, schwächliche Wasser- 
tiere, wenn sie im Netze sich verfangen, ins Verderben ge- 
raten, so, o Fürst der Könige, auch die Yoga's, denen die 
rechte Kraft fehlt. 

17. (11053.) Und wie von den Vögeln, welche sich in ein 
feingesponnenes Netz verstrickt haben, die in ihm hängen- 
bleibenden verloren sind und die kräftigen sich befreien, 

18. (11054.) so werden von den Yoga's, welche in die aus 
Werken gesponnenen Netze verstrickt sind, die schwachen 
zugrunde gehen, o Feindbedränger, und die kraftgerüsteten 
sich freimachen. 

19. (11055.) Und wie ein kleines, schwaches Feuer erstickt, 
o König, wenn es mit schwerem Brennholze belastet wird, 
so ist es auch mit dem Yoga, wenn er schwach ist, o Herr. 

20. (11056.) Wenn aber ebendasselbe Feuer Kraft gewonnen 
hat, o König, und mit hellen Flammen brennt, so könnte es 
in kurzer Zeit sogar die ganze Erde verbrennen. 

21. (H057.) Ebenso dürfte ein Yogin, wenn seine Kraft 
gewachsen und seine Energie entflammt ist, imstande sein, wie 
die Sonne beim Weltuntergang, die ganze Welt auszudörren. 

22. (H068.) Wie, o König, ein schwacher Mann vom Strome 
fortgerissen wird, so wird ein kraftloser Yoga widerstandslos 
von den Sinnendingen fortgerissen. 

23. (H059.) Wie aber ein Elefant sich jenem starken Strome 
entgegenstemmt, so leistet der in der Yogakraft Erstarkte 
dem vielfältigen Andrang der Sinnendinge Widerstand. 

24. (11060.) Und die, o König, welche im Yoga erstarkt 
sind, gehen nach Belieben mittels des Yoga in die Schöpfer- 
herren, Rishi's, Götter und grofsen Elemente ein. 

25. (11061.) Nicht Yama, nicht der grimmige WegrafFer. 
nicht der furchtbar schreitende Tod, sie alle haben keine 
Gewalt, o Fürst, über den unermefslich starken Yoga. 

20. (H062.) Der Yoga, welcher zu Kraft gekommen ist, 
kann sein Selbst tausendfältig vervielfachen, o Bharatastier. 
und in allen diesen Gestalten die Erde durchwandeln. 



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Adhyfcya 302 (B. 300). 



595 



27. (iio63.) Als der eine kann er die Sinnendinge geniefsen 
und zugleich als ein anderer furchtbare Askese üben, und 
wiederum, o Freund, [alle seine Selbste] in eins zusammen- 
fassen, wie die Sonne ihre Lichtfülle. 

28. (11064.) Denn der in Vollkraft stehende Yoga ist Herr 
über die Bindung und besitzt auch die Herrschaft über die 
Erlösung, das ist gewifs, o Fürst. 

29. (11065.) Diese durch den Yoga erlangbaren Kräfte habe 
ich dir dargelegt, o Völkerherr, nun will ich dir die feinen 
Kräfte mitteilen, damit du ihre Merkmale kennst. 

30. (11066.) Was, o Herr, bei der Versenkung des Selbstes 
oder bei der Dhäranä (Fixierung des Manas) für feine Merk- 
male bestehen, die vernimm von mir, o Bharatastier. 

31. (H067.) Wie ein besonnener Bogenschütze mit kon- 
zentrierter Aufmerksamkeit das Ziel trifft, so erlangt der völlig 
sich konzentrierende Yogin die Erlösung, das ist gewifs. 

32. (11068.) Wie ein sorgsamer Mensch, der ein mit Öl 
gefülltes Gefäfs auf dem Kopfe trägt, seine ungeteilte Auf- 
merksamkeit (manas) darauf richtend, behutsamen Geistes eine 
Treppe hinaufsteigt, 

33. (Ii oß») so macht ein sorgsamer Yoga, o Fürst, sein 
Selbst unbeweglich, fleckenlos und von sonnenähnlichem Aus- 
sehen. 

34. (11070.) Wie, o Kuntisohn, ein sorgfältiger Steuermann 
das Schiff über den grofsen Ozean schnell zum Ziele führt, 
o Bester der Fürsten, 

35. (iio7i.) so bringt der Weise im Yoga die Versenkung 
seines Selbstes zuwege und gelangt zu der schwer erreich- 
baren Stätte, indem er seinen Leib dahinten läfst, o Fürst. 

30. (11072.) Und wie ein Wagenlenker, nachdem er tüchtige 
Pferde mit Sorgfalt angeschirrt hat, den Bogenkämpfer alsbald 
nach dem gewünschten Orte bringt, o Stier unter den Männern, 

37. (H073.) so erlangt, o Fürst, der Yogin, wenn er mit 
Sorgfalt auf die Dhäranä's bedacht ist, alsbald die höchste 
Stätte, wie ein abgeschossener Pfeil das Ziel. 

38. (H074.) Der Yogin, welcher, unentwegt verharrend, das 
Selbst in seinem Selbste schaut, der vernichtet die Sünde 
und erlangt den alterlosen Ort der Geläuterten. 

88* 



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596 



III. Mokshadharma. 



39. (H076.) Wer im Nabel, Halse und Kopfe, in Herz, 
Brust und Seiten, im Sehen, Hören und Riechen, o unermefs- 
lich Tapferer, 

40. (H076.) wer an allen diesen Orten als sorgsamer, ge- 
lübdetreuer Yogin sein feines Selbst durch sein Selbst in 
richtiger Weise zum Yoga anschirrt, o Völkerherr, 

41. (H077.) der wird alsbald seine guten und bösen Werke 
verbrennen, den höchsten, als unerschütterlich gerühmten Yoga 
erreichen und, falls er es wünscht, zur Erlösung eingehen. 

Yudhishthira sprach: 

42. (11078.) Welche Nahrung mufs man zu sich nehmen, 
und was mufs man überwinden, o Bhärata, um als Yogin die 
Kraft zu erlangen? Das mögest du, o Herr, mir sagen. 

Bhlshma sprach: 

43. (11079.) Wer sich des Essens von Körnern und Öl- 
kuchen befleifsigt, o Bhärata, und sich des Genusses von 
Fettartigem enthält — ein solcher Yogin erlangt die Kraft. 

44. (11080.) Wer mit reinem Selbste sich lange Zeit hin- 
durch nur von grobgeschrotener Gerste nährt, o Feind- 
bezwinger, — ein solcher Yogin erlangt die Kraft. 

45. (H081.) Wer Halbmonate, Monate, Jahreszeiten, Jahre 
hindurch und nur während des Tages Wasser mit Milch ge- 
mischt trinkt, — ein solcher Yogin erlangt die Kraft. 

46. (11082.) Wer mit reinem Selbste sich unverbrüchlich 
allezeit des Fleisches völlig enthält, o Herr der Menschen, — 
ein solcher Yogin erlangt die Kraft. 

47. (11083.) Wer Lust und Zorn überwindet, Kälte, Hitze 
und Regen nicht achtet, Furcht, Kummer, Seufzen und alle 
menschlichen Angelegenheiten hinter sich läfst, 

48. (H084.) wer, o Fürst, den schwer zu besiegenden Ver- 
drufs und die furchtbare Begierde (trishn&) y Lustgefühle, 
Schlaf und schwer zu bekämpfende Schlaffheit, o Bester der 
Könige, ablegt, 

49. (11085.) ein solcher Hochsinniger erleuchtet sein feines 
Selbst durch sein Selbst, frei von Leidenschaft, sehr weise 
durch Meditation und Studium. 



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Adhyaya 302 (B. 300). 



597 



50. (Hos«.) Freilich ist dieser Weg der weisen Brahmanen 
schwer zu gehen. Einer, der ihn mit ruhigem Gemüte geht, 
o Stier der Bharata's, 

51. (iio87.) der ist wie einer, der einen furchtbaren Wald, 
voll Schlangen und Gewürm, voll Gruben, ohne Wasser, voll 
schwieriger Durchgänge und Dornen, 

52. (11088.) auf einem keine Nahrung bietenden, gestrüpp- 
reichen, zwischen verbrannten Bäumen durchführenden, von 
Räubern umlagerten Wege als ein rüstiger Mann mit ruhigem 
Gemüt durcheilt. 

53. (H089.) Wer aber als Zwiegeborener den Yogaweg 
einschlägt und aus Gemächlichkeit vom Wege absteht, der 
wird als grofser Sünder angesehen. 

54. (H090.) Wohl läfst sich stehen, o Erdeherr, auf eines 
gewetzten Schermessers Schneide (dhärä), nicht aber läfst 
sich stehen in den Dhäranä's des Yoga von solchen, deren 
Geist nicht bereitet ist. 

55. (11091.) Mifsglückte Dhäranä's, o Freund, führen die 
Menschen eine schlimme Strafse, wie Schiffe auf dem Meere, 
die ohne Führer sind, o Fürst. 

56. (11092.) Wer aber, o Kuntisohn, in den Dhäranä's fest- 
steht, wie es die Vorschrift fordert, der läfst Tod und Ge- 
burt, Leid und Lust hinter sich. 

57. (U093.) Damit habe ich dir dargelegt, was in den auf 
mancherlei Lehrbüchern beruhenden Yogalehren entwickelt 
worden ist, und unter den Zwiegeborenen steht fest, worin 
die höchste Aufgabe des Yoga besteht. 

58. (H094.) 0 Hochsinniger! Jenes Höchste, welches 
aus Brahman besteht, sodann den Gott Brahmän, den 
gabenspendenden Vishnu, den Bhava ((,'iva), Dharma, 
den Gott mit den sechs Gesichtern (Skanda) und was 
die hochmächtigen Brahmansöhne sind, 

59. (H095.) ferner das arge Tamas, das gewaltige 
Kajas, das reine Sattvam und die höchste Prakriti, 
Vanina's Gemahlin, die Göttin Siddhi, ferner alle Energie 
und grofse Standhaftigkeit, 

60. (11096.) den fleckenlosen Herrn der Sterne im 
Äther mit seinen Sternen, die Vicve Deväb, Schlangen 



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598 



III. Mokshadhariiia. 



und Manen, alle Felsen, die furchtbaren Ozeane, die Flüsse 
alle und die träufelnden fsavanaj Wolken, 

61. (11097.) Elefanten und Berge, die Yakshascharen, 
die Himmelsgegenden, die Schwärme der Gandharven, 
Männer und Weiber — in diese alle abwechselnd fahrt 
hinein und wieder heraus der hohe, hochsinnige Yogin, 
der Erlösung nahe. 

62. (H098.) Diese schöne Erzählung, o Fürst, ist ver- 
wandt dem mit mächtiger Weisheit ausgerüsteten Gotte, 
der hochsinnige Yogin aber ist über alle Sterblichen er- 
haben und schafft als Seele des Näräyana. 

So lautet im Mokibadharma die Lehre vom Yoga 

(yoga- tidhi). 

Adhyftya 303 (B. 301). 

Vers 11099-11213 (B. 1-116). 

Yudhishthira sprach: 

1. (H099.) Vollständig hast du, o Fürst, nach der Regel 
den von den Kundigen angenommenen Yogaweg dargelegt 
dem hienieden nach seinem Heile trachtenden Schüler. 

2. (11099 bis.) Nunmehr erkläre mir, der ich frage, auch 
die im Sänkhyam gültige Satzung nach ihrem ganzen In- 
begriff, denn alles, was an Wissen in den drei Welten vor- 
handen ist, ist dir ja bekannt. 

Bhisbma sprach: 

3. (liioo.) Vernimm denn von mir jene feine Satzung der 
ätmankundigen Sänkhya's, wie sie von Kapila [Hiranyagarbha, 
d. h. dem persönlichen Brahmän, unten Vers 11006] und den 
anderen heiligen Gottherren offenbart worden ist, 

4. (11 101.) die Satzung, in welcher keinerlei Irrtümer vor- 
kommen, o Männerstier, und in welcher viele Trefflichkeiten 
und eine vollständige Freiheit an Fehlern vorliegt. 

5. (11 10.».) Sie, welche mit Wissenschaft die mangelhaften 
Reiche der Sinnenwelt durchforschen, 0 Fürst, die schwer 



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Adhyftya 303 (B. 301). 



591) 



zu überwindenden menschlichen insgesamt und die Reiche der 
Picaca's, 

6. (1U03.) welche die Reiche des Rajas und die der 
Yakshas, die Reiche der Schlangen und die der Gandharven 
erkennen, 

7. (H104.) die Reiche der Manen und der in Tierleibern 
Verkörperten, die Reiche der Vögel und der Winde, o Fürst, 

8. (mos.) die Reiche der Königsweisen und Brahman- 
weisen, der Dämonen und der Vicve Deväh, 

9. (H106.) der Götterweisen und die Gottherren unter den 
Yoga's, welche die Reiche der Schöpferherren und des 
Brahman, 

10. (uio7.) die volle Länge der Lebenszeit in der Welt 
der Wahrheit gemäfs erkennen und das wahre Wesen des 
Glücks, o Bester der Redner, 

11. (mos.) und den Schmerz, der mit der Zeit stets die 
nach den Reichen der Sinnenwelt Begehrenden trifft, der die 
einem tierischen Dasein oder der Hölle Verfallenen peinigt, 

12. (liioö.) welche alle Vorzüge und Mängel des Himmels, 
o Bhärata, sowie die Mängel und Vorzüge der Vedalehre 

13. (liiio.) und die Mängel und Vorzüge der Yoga- Er- 
kenntnis und die der Sänkhya-Erkenntnis, o Fürst, 

14. (Hin.) welche das Sattvam als zehnfach, das Rajas 
als neunfach, das Tamas als achtfach, die Buddhi als 
siebenfach, 

15. (uns.) das Manas als sechsfach, den Äther als fünf- 
fach und hinwiederum die Buddhi als vierfach, das Tamas 
als dreifach, 

16. (uns.) das Rajas als zweifach und das Sattvam als 
einfach erkennen, welche wahrheitgemäfs den Weg des Ver- 
derbens und den Weg der Erkenntnis erkennen, 

17. (Hin.) diese mit Erkenntnis und Wissenschaft Aus- 
gerüsteten, mit den Prinzipien Vertrauten, Edlen, diese er- 
langen die herrliche Erlösung, wie die zarten [Sonnenstrahlen 
oder Winde, Nil.] den höchsten Äther. 

18. (uns.) Dafs das Sehen mit der Gestalt verwandt ist, 
der Geruchsinn mit dem Geruch, das Ohr mit «lern Tone, die 
Zunge mit dem Geschmack 



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600 



III. Mokshadharma. 



i 



19. (11116.) und der Leib mit dem Tastsinn, dafs der 
Wind auf dem Äther beruht, dafs die Verblendung dem Tamas 
verwandt ist und die Begierde dem Reichtum* 

20. (H117.) dafs Vishnu dem Schreiten, <^akra der Kraft, 
der Feuergott dem Bauche einwohnt, dafs die Göttin [Erde, 
Nil.] den Wassern, das Wasser dem Feuer, 

21. (uns.) das Feuer dem Winde, der Wind dem Äther, 
der Äther dem Mahat, das Mahat der Buddhi, 

22. (U119.) die Buddhi dem Tamas, das Tamas dem Rajas, 
das Rajas dem Sattvam, das Sattvam dem Atman, 

23. (11120.) der Atman dem göttlichen Herrn Närayana 
(Vishnu), der Gott dem Erlöstsein, die Erlösung keinem 
andern mehr verwandt ist, 

24. (11121.) wer das erkennt und wer begreift, dafs der 
Leib die Qualität des Sattvam, umgeben von sechzehn anderen 
Qualitäten [Nil. erinnert an Pracna Up. 6,3, vgl. dazu Sechzig 
Lpanishad's, S. 571], in sich birgt, dafs die eigene Natur 
(svahhävaj und das Bewufstsein fcetana) in den Leib ein- 
gegangen sind, 

25. (11122.) dafs zwischen ihnen unparteiisch der eine 
Atman steht, an dem nichts Böses haftet, und als zweites 
das Werk, o Fürst, für die, welche nach den Sinnendingen 
trachten, 

26. (11123.) dafs die Sinnesorgane und alle Sinnendinge 
den Atman umlagern, wer begreift, dafs die Erlösung schwer 
zu erlangen ist und den Veda zur Voraussetzung hat, 

27. (um.) wer Präna, Apäna, Samäna, Vyäna und Udäna 
ihrem Wesen nach kennt, dazu den nach unten strömenden 
und auch den emporftihrenden Wind, 

28. (1U25.) diese sieben Winde und ihre siebenfache Ver- 
teilung, wer die Schöpferherren und Rishi's und ihre vielen 
herrlichen Wege, 

21). (iii26.) die sieben Rishi's, die vielen Königsweisen, 
o Feindbedränger, die grofsen Götterweisen und die anderen 
wie Sonnen leuchtenden Brahmanweisen, 

30. (iii27.) wer auch die im Laufe der langen Zeit von 
ihrer Gottherrlichkeit Herabgestürzten, o Fürst, und den Unter- 
gang der grofsen Wesensscharen, o Erdeherr, 



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Adhyäya 303 (B. 301). 



31. (iii28.) und auch den schlimmen Weg der Bösewichter, 
o Fürst, und das Leid der in Yamas Reich in den Höllen- 
flufs Gestürzten 

32. (1U29.) und den unerfreulichen Lauf durch mancherlei 
Mutterschöfse, das Wohnen in dem unerfreulichen Mutter- 
schofse, diesem Gefäfse voll Blut und Wasser, 

33. (liiso.) und sodann in der Schleim, Kot und Urin 
enthaltenden, scharfen Geruch ausströmenden, aus Samen 
und Blut zusammengeschweifsten , von Mark und Sehnen 
durchflochtenen, 

34. (H131.) von hundert Adern durchzogenen, unreinen 
Stadt mit den neun Toren, und wer den heilbringenden Atman 
erkennt und die mannigfaltigen Yoga-Übungen 

3f>. (iii32.) und das tadelnswerte Wesen der tamashaften, 
von Genüssen umnebelten Menschen und das der sattvahaften 
Menschen, o Bharatastier, 

36. (1H33.) tadelnswert im Sinne der grofsen, ätman- 
kennenden Säiikhyalehrer, und wer die schrecklichen Unfälle 
des Mondes und der Sonne gesehen hat 

37. (ii 134.) und das Herabfallen der Sterne und den Um- 
lauf der Sternbilder, und wer die jämmerliche Trennung Zu- 
sammengehöriger erkennt, o Fürst, 

38. (1H35.) und das scheufsliche gegenseitige Sichauf- 
fressen der Wesen und die Torheit im Kindesalter und das 
traurige Hinschwinden des Leibes 

39. (1U36.) und den gelegentlichen Einflufs des Sattvam 
auf Leidenschaft und Verblendung, wer das alles als einer 
unter Tausenden erkennt, indem er zum Verständnis der Er- 
lösung gelangt, 

40. (11137.) wer begreift, dafs die Erlösung schwer zu er- 
langen ist und den Veda zur Voraussetzung hat, dafs man 
hochschätzt, was man nicht hat, und gleichgültig wird gegen 
das, was man hat, 

41. (11138.) und die Schlechtigkeit der Sinnendinge, o 
Fürst, und die häfslichen Leiber der Verstorbenen, o Kuntisohn, 

42. (1H39.) das unselige Wohnen in Familien, o Bhärata, 
und die furchtbare Zukunft der Brahmanen töter und der ab- 
gefallenen, 



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III. Mokshadharma. 



43. (iii40.) schlimmen, am Branntweintrinken hängenden 
Brahmanen und den verhängnisvollen Weg der mit der 
Lehrergattin Verkehrenden, 

44. (ii ui.) und derer, die sich den Müttern gegenüber 
nicht gebührend betragen, o Yudhishthira, sowie gegenüber 
den götterbevölkerten Welten, 

45. (n 142.) wer mit solchem Wissen ausgerüstet den Weg 
der Übeltäter erkennt und die verschiedenen Wege (gatayahl) 
der in Tierleiber Gefahrenen 

46. (iii43.) und die mancherlei Aussprüche des Veda und 
die Umläufe der Jahreszeiten und das Schwinden der Jahre, 
Monate, 

47. (iii44.) Halbmonate, Tage, das Abnehmen und Zu- 
nehmen des Mondes vor unseren Augen 

48. (H145.) und das Anschwellen und Zurücktreten der 
Ozeane und das Verlieren und Wiedergewinnen des Reichtums 

49. (n 146.) und die Lösung der Verbindungen, den Ver- 
gang ganzer Weltalter, den Einsturz der Berge, das Versiegen 
der Ströme, 

50. (iii47.) den Verfall der Kasten und die wiederholte 
Beendigung dieses Verfalls, und wer Alter, Tod, Geburt und 
Leiden bedenkt, 

51. (11148.) wer die Mängel des Leibes und das Leid, das 
sie bringen, wie es in Wahrheit ist, den elenden Zustand des 
Leibes richtig begreift, 

52. (1U49.) und alle die Mängel, die der Seele anhaften, 
und die üblen Düfte, die dem Körper entströmen, 

Yudhishthira (ihn unterbrechend) sprach: 

53. (H150.) Was sind das für Mängel, die nach deiner 
Ansicht aus dem eigenen Leibe entspringen, o unermefslich 
Tapferer? Diesen Zweifel mögest du mir vollständig der 
Wahrheit gemäfs lösen. 

Bhlshma sprach: 

54. (iii5i.) Fünf Mängel, o Herr, schreiben dem Leibe zu 
die weisen, wegkundigen, dem Kapila folgenden Sänkhya- 
lehrer. Vernimm sie, o Feindbezwinger. 



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Adhy&ya 303 (B. 301). 



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55. (1H52.) Sie sind Lust und Zorn, Furcht, Schlaf und 
Keuchen als fünftes. 

56. Diese Mängel zeigen sich in den Leibern aller Ver- 
körperten. (H15S.) Man bekämpft den Zorn durch Langmut, 
die Lust durch Fernhaltung der Wünsche, 

57. den SchJaf durch Pflege des Sattvam, die Furcht 
durch Besonnenheit (11154.) und das Keuchen durch Mäfsig- 
keit in der Ernährung, o Fürst. 

58. Sie, welche das Wesen der Tugend aus hundert Tugen- 
den, das Wesen der Fehler aus hundert Fehlern (11 155.) und 
das Wesen der mannigfachen Ursachen aus hundert mannig- 
fachen Ursachen erkennen, 

59. sie, welche die Welt ansehen als dem Wasserschaume 
vergleichbar, von hundert Zauberkünsten fmdt/dj des Vishnu 
umhüllt, (11160.) einer gemalten Tapete ähnlich, als wertlos 
wie das Innere eines Schilfrohrs, 

G0. als einer finstern Grube ähnelnd, den Blasen der 
Regentropfen vergleichbar, (11 157.) der Vergänglichkeit ver- 
fallen, von Glück verlassen, in Vernichtung endigend, ohn- 
mächtig, 

61. in Rajas und Tamas versunken, wie ein Elefant hilf- 
los im Schlamme, (iii58.) und welche, o König, als hochweise 
Sänkhya- Philosophen die Liebe zu ihren Kindern aufgeben 

62. vermöge grofser, alldurchdringender, sänkhyamüfsiger 
Hingebung an die Erkenntnis, o Fürst, (11 ir»;«.) sie, welche die 
unschönen Gerüche des Rajas und ebenso die des Tamas, 

63. aber auch die reinen Gerüche des Sattvam, weil sie 
aus Berührung entspringen und körperlich sind, (uioo.j als- 
bald durch das Schwert der Erkenntnis, durch den Stock 
der Askese zerteilen, o Bharata, 

64. sie werden dadurch instand gesetzt, das furchtbare 
Gewässer der Leiden, den grofsen See von Sorgen und Kummer, 
(1116I.) in welchem Krankheit und Tod als grofse Krokodile, 
die Furcht als grofse Schlange, 

65. das Tamas als Schildkröte, das Kajas als Fische 
wohnen, mittels der Erkenntnis zu durchschwimmen (11 u;j > und 
diesen See, der die Liebe als Schlamm, das Alter als Klippen, 
die Erkenntnis als Leuchtturm hat, o F»*indbezwinger, 



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604 



III. Mokshadharma. 



66. die Werke als Untiefe, Wahrheit und Gelübdetreue 
als Ufer, (u 163.) Grausamkeit als schnelle, mächtige Strömung, 
mancherlei Geschmäcke als Inhalt, 

67. mancherlei Freuden als Kleinodien, Schmerz und 
Herzeleid als Stürme, (ui64.) Kummer und ßegierde als Strudel, 
schwere Krankheit als nachstellende Elefanten, 

68. Knochengerippe als Landungstreppen, schleimige Ab- 
sonderung als Schaum, o Feind bezwinger, (ui65.) Freigebig- 
keit als Perlenlager hat, diesen furchtbaren See, dessen Meer- 
korallen aus Blut bestehen, 

69. der Lachen und Schreien als brausende Brandung 
hat, der durch allerlei Wissenschaften schwer zu überschreiten 
ist, (1H66.) der die Flecken geweinter Tränen als Salzgehalt, 
Verzicht auf die W r eltanhänglichkeit als Endpunkt, 

70. Kinder und Weiber als Blutegelschwarm , Freunde 
und Verwandte als Uferstädte, (ui67.) Schonung und Wahr- 
haftigkeit als Küsten, Aushauchen des Lebens als Sturmwelle, 

71. den Vedänta als Rettungsinsel, Mitleid mit allen 
Wesen als Schwimmblase, (nies.) Erlösung als schwer er- 
reichbares Endziel hat, diesen den Höllenrachen in sich 
bergenden Ozean 

72. überschreiten die vollendeten Asketen auf dem Schiffe 
der Erkenntnis, o Bharata, (ui69.) und nachdem sie das schwer 
überwindbare Geboren werden abgelegt haben, gehen sie in 
den fleckenlosen Äther ein. 

73. Dann führt diese rechtschaffenen Sünkhva's die Sonne 
empor mit ihren Strahlen, (iii7o.) indem sie sie, wie die Lotos- 
blume mit ihren Fasern [das Wasser], aus der Sinnenwelt 
[mit ihren Strahlen] herauszieht, o Fürst. 

74. Daselbst nimmt sie der emporfuhrende Wind in 
Empfang, (um.) sie, die leidenschaftfreien, vollendeten, mann- 
haften, askesereichen Selbstbezwinger. 

75. Er, der sanfte, kühle, wohlriechende, lieblich zu 
fühlende (11172.) beste aller sieben Winde, 0 Bharata, der in 
schöne W r elten hinüberweht, er führt sie, o Kuntisohn, zur 
höchsten Bahn des Äthers, 

76. (uns.) der Äther führt sie, o Herr der Welt, zur 



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Adhyaya 303 (B. 301). 



605 



höohsten Bahn des Rajas, das Rajas führt sie, o Fürst der 
Könige, zur höchsten Bahn des Sattvam, 

77. (H174.) das Sattvam fuhrt sie, o du Reiner, zum 
höchsten Herrn Närayana, und der Herr, reinen Selbstes, 
führt ihn durch sein Selbst zum höchsten Atman. 

78. (Uno.) Den höchsten Atman erreicht habend, zu ihm 
geworden und in ihm sich gründend, fleckenlos werden sie 
der Unsterblichkeit teilhaft und kehren nicht mehr zurück, 
o Herr. 

79. (H176.) Das ist, o Prithäsohn, der höchste Gang der 
von den Gegensätzen Befreiten, Hochsinnigen, an Wahrheit 
und Rechtschaffenheit sich Erfreuenden, mit Mitleid für alle 
Wesen Erfüllten. 

Yudhishthira sprach: 

80. (11177.) Wenn nun die Gelübdetreuen den Heiligen 
als höchste Stätte erreicht haben, haben sie dann Erinnerung 
an das von der Geburt bis zum Tode Durchlebte oder nicht, 
o Untadliger? 

81. (uns.) Was darüber die Wahrheit ist, das mögest 
du mir sagen, wie es ist, denn einen andern aufser dir zu 
fragen, geziemt mir nicht, o Kurusohn. 

82. (1H79.) Bei der Erlösung habe ich dieses grofse Be- 
denken : Wenn nach dem Eingange zu den vollendeten Rishi's 
die Selbstbezwinger droben im Besitze des höchsten Bewufst- 
seins sind, 

83. (1U80.) dann halte ich die daraufhinstrebende Satzung 
für die vorzüglichste, sollte aber einer [in Bewufstlosigkeit] 
versinken, was hilft ihm dann das höchste Wissen? Nichts 
Elenderes könnte es geben! 

Bhishma sprach: 

84. (iii8i.) Mit Recht, o Freund, hast du hier eine Frage 
aufgeworfen, die sehr schwierig ist; auch die Weisen sind 
bei dieser Frage in Verlegenheit, o Bharatastier. 

fco. (U182.) Aber auch hierüber sollst du die volle Wahr- 
heit von mir hören und erfahren, worin für die hochsinnigen 
Rapilajünger das höchste Bewufstsein zu finden ist. 



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60 G 



III. Mokshadharma. 



86. (1U83.) Bei den Verkörperten sind es die Organe in 
ihrem Körper, welche erkennen, o Fürst, sie sind die Organe 
des Atman, und er, der Unerkennbare, erkennt durch sie. 

87. (H184.) Werden sie vom Atman verlassen, so sind sie 
wie ein hölzernes Brett und zergehen ohne Zweifel wie 
Schaum auf dem Meere. 

88. (1U85.) Wenn der Verkörperte mitsamt seinen Sinnen 
in Schlaf versunken ist, o Feindbedränger, dann schweift der 
feine Atman allerwärts wie der Wind im Luftraum. 

89. (1H86.) Dann ist er regelrecht sehend oder fühlend, 
o Herr, und vollkommen erkennend wie vorher hier [im 
Wachen], o Bhärata. 

90. (1U87.) Alle Sinnesorgane, jedes auf seinem Gebiete, 
werden machtlos und verlieren ihre Kraft, wie Schlangen, 
die des Giftzahns beraubt sind. 

91. (1U88.) Dann schweift der Ätman allenthalben auf 
feinen Wegen durch die den einzelnen Sinnesorganen ent- 
sprechenden Gebiete, daran ist kein Zweifel. 

92. (11189.) Und indem er alle Qualitäten des Sattvam, 
Rajas und Tamas, der Buddhi, o Bhärata, 

93. (1H90.) und des Manas, des Äthers, W r indes, o Pflicht- 
treuer, des Sneha [hier angeblich Feuer, wohl tejo zu lesen], 

94. (iii9i.) des Wassers und der Erde, o Prithäsohn, in- 
dem er diese alle mitsamt ihren Qualitäten in den Kshetrajnas 
(hier: individuellen Seelen) durchdringt, o Yudhishthira, 

95. (Ii 192.) durchdringt [vydti = vyapnoti* Nil.] der Atman 
den Kshetrajfia sowie auch die guten und bösen Werke, und 
wie Schüler gegen einen hochsinnigen [Lehrer] sind die 
Sinnesorgane ihm gegenüber. 

96. (iii93.) Aber wenn er die Prakriti überschritten hat, 

fslangt er zu dem unvergänglichen Atman, dem höchsten 
tman des Näräyana, dem gegensatzlosen, über die Prakriti 
erhabenen. 

97. (iii94.) Und, erlöst von Gutem und Bösem, zu üim, 
dem krankheitlosen, qualitätlosen, höchsten Atman einge- 
gangen, kehrt er nicht mehr zurück, o Bhärata. 

98. (Ii 195.) Und während er noch im Leben verharrt. 



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Adhy&ya 303 (B. 301). 



GOT 



nahen ihm für eine Zeitlang noch Manas und Indriya's als 
dem Lehrer gehorsame [Schüler]. 

99. (1U96.) Diese Ruhe kann in kurzer Zeit erlangen, wer 
in der beschriebenen Weise nach Tugend strebt, die Er- 
kenntnis besitzt und der Erlösung sich zuwendet, o Kuntisohn. 

100. (1H97.) Durch diese Erkenntnis, o König, gehen die 
hoch weisen Sänkhya's den höchsten Weg, eine Erkenntnis, 
die dieser gleichkäme, gibt es nicht, o Kuntisohn. 

101. (1H98.) Darüber bleibe bei dir kein Zweifel, die 
Sänkhya-Erkenntnis ist die höchste, sie ist jenes als unver- 
gänglich und unwandelbar bezeichnete, das volle, ewige 
Hrah man, 

102. (11199.) das ohne Anfang, Mitte und Ende seiende, 
gegensatzfreie, schöpferische, beständige, allerhöchste und 
dauernde, von dem die Weisen [in den Upanishad's] reden, 

103. (11200.) aus welchem alle Wandlungen von Schöpfung 
und Vergang hervorgehen, welches die heiligen Bücher preisen, 
die höchsten Weisen künden, 

104. (11201.) samt allen Brahmanen, Göttern und Kennern 
der wahren Beruhigung als den brahmanenfreundlichen höchsten 
Gott den unendlichen, höchsten, unerschütterlichen. 

105. (H202.) Ihn gehen an, ihn rühmen die tugendhaft 
gesinnten Brahmanen und die dem Yoga völlig hingegebenen 
Yoga's und die unermefslich einsichtigen Sänkhya's. 

106. (11203.) Dieses Gestaltlosen Gestaltung ist das Sän- 
khyam, so lehrt die Schrift, o Kuntisohn, und die Sankhya- 
lehre ist der Beweis für ihn, o Bharatastier. 

107. (H204.) Zwei Arten von Wesen gibt es auf der Erde, 
o Erdeherr, sie heifsen Bewegliche und Unbewegliche; das 
Bewegliche aber steht höher. 

108. (ii2or>.) Das grofse Wissen, nämlich alles, was 
in den grofsen Veden, bei den Sänkhya's und im Yoga 
vorhanden ist, o König, das mannigfache Wissen, welches 
in der alten Überlieferung fpurnnamj vorliegt, das alles, 
o Fürst der Männer, ist im Sankhyam vereinigt. 

109. (11206.) Und auch das, was in den grofsen epi- 
schen Erzählungen fitihusa) vorliegt, und was in d»:n 
Büchern über Lebensklugheit furtho^Utvim) die Aner- 



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III. Mokshadharma. 



kennung der Weisen findet, o Fürst, und alle Wissen- 
schaft, die im Yoga vorhanden ist, all dies Grofse, o Grofs- 
gesinnter, ist im Sänkhyam vereinigt. 

110. (11207.) Was an Beruhigung sich zeigt und an 
grofser Kraft, was an subtilem Wissen der Wahrheit 
entsprechend vorhanden ist, und die feinen, beglückenden 
Askesen, das alles ist der Wahrheit gemäfs im Sankhyam 
niedergelegt, o König. 

111. (11208.) Im ungünstigem Falle gehen die Sänkhya's 
zu den Göttern ein, zu ununterbrochenem Glücke, o Pritha- 
sohn, und nachdem sie durch Umgang mit ihnen ihren 
Zweck erreicht haben, kommen sie wiederum als asketische 
Brahmanen zur Verkörperung. 

112. (11209.) Und wenn sie dann ihren Leib verlassen 
haben, gehen die Sänkhya's zu dem Gotte ein, o Prithä- 
sohn, wie die Götter zum Himmel, nachdem sie nur noch 
um soviel mehr als Brahmanen, o Erdeherr, sich erfreut 
haben an der verehrungswürdigen, die Weisen erquicken- 
den Sankhyalehre. 

113. (11210.) Jedenfalls gibt es für sie kein Eingehen 
in die Tierwelt, keinen Niedergang, kein Wohnen in der 
Behausung der Missetat, für diese Brahmanen, welche 
einer solchen Wissenschaft anhängen, auch wenn sie 
nicht gerade die ersten darin sind, o Fürst. 

114. (11211.) Die ungeheure, allerhöchste, alte, von 
Hochstrebenden geliebte Sankhyalehre ist ein grofser Ozean 
der Reinheit, getragen aber wird die ganze unermefsliche 
Sankhyalehre, o Fürst, von dem hochsinnigen Närayana. 

115. (11212.) Dieses verkündige ich dir als die Wahr- 
heit, o Männerherr : dieses ganze von alters her bestehende 
Weltall ist Närayana, er schafft zur Zeit der Schöpfung 
dieses Ganze, und zur Zeit des Weltuntergangs verschlingt 
er es wieder. 

116. (H213). Und wenn er das Ganze in seinen eigenen 
Leib hineingerafft hat, ruht er auf den Wassern, er, die 
innere Seele der Welt. 

So lautet im Mokihadbarma die Darstellung der 8afikhyalehre 

(»dnkhya-kathanam). 



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Adhvaya 301 (B. ÖU2). 



609 



AclhyAya 304 (B. :M>). 

Vers 11214-11262 (B. I— 40). 

Yudhishthira sprach: 

1. (11214.) Was ist das, was das Unvergängliche genannt 
wird, von dem man nicht wieder zurückkehrt? Und was ist 
das, was das Vergängliche genannt wird, von dem man wieder 
zurückkehrt? 

2. (U215.) Die Offenbarung des Unvergänglichen und des 
Vergänglichen bitte ich, o Feindbedränger, vernehmen zu 
dürfen der Wahrheit gemäfs, o grofsarmiger Kurusprofs. 

3. (11216.) Denn du wirst anerkannt als ein Ozean des 
Wissens von den mit dem Veda vollvertrauten Brahmanen, 
von hochbeglückten Rishi's und von hochsinnigen Asketen. 

4. (H217.) Nur wenig Tage bleiben dir noch zu leben übrig, 
solange die Sonne nach Süden geht, und wenn der heilige 
Sonnengott sich nordwärts wendet, wirst du ja den höchsten 
Gang antreten. 

5. (11218.) Wenn du aber zum Heile eingegangen bist, von 
wem können wir uns dann belehren lassen? Du bist die 
Leuchte des Kurustammes, du leuchtest durch die Fackel 
deines Wissens. 

f>. (H219.) Darum wünsche ich dies von dir zu hören, 
o Kurusprofs, ich werde nicht sutt, o Fürst der Könige, solchen 
Unsterblichkeitstrank zu schlürfen. 

Bhisbtna sprach : 

7. (11220.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte be- 
richten, nämlich die Unterredung des Vasishtha mit Karäla- 
janaka. 

8. (H221.) Den hohen Vasishtha, der, unter den Rishi's 
sitzend, wie eine Sonne hervorglänzte, befragte der König 
Janaka nach dem höchsten beseligenden Wissen. 

( X (11222.) Ihn, den höchsten, des innem Selbstes kundigen,, 
das Ziel des innern Selbstes kennenden Sohn des Mitra-Varuna 
(Rigveda 7,33,11), w i e er dasafs, begrüfste mit zusammen- 
gelegten Händen 

Dkcmk*, MahAbbAraUra. 



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610 



III. Mokshadharnia. 



10. (11223.) einstmals der König Karälajanaka und richtete 
an ihn, den Besten der Rishi's, die wohlgesetzte, liebliche, 
mafsvolle Frage: 

11. (H224.) 0 Heiliger, ich wünsche von dem höchsten, 
ewigen Brahman zu hören, zu welchem gelangt die Weisen 
keiner Wiederkehr mehr verfallen, 

12. (11225.) ferner auch, was unter jenem Vergänglichen 
zu verstehen ist, durch welches diese Welt der Lebenden 
vergeht, und was unter dem Unvergänglichen, dem seligen, 
friedvollen, krankheitlosen, zu verstehen ist. 

Vasishtha sprach: 

13. (H226.) Vernimm, o Erdeschützer, wie diese Welt der 
Lebenden vergeht, vernimm auch das, was unvergänglich ist 
von jeher und solange die Zeit dauert. 

14. (11227.) Ein Weltalter (yngam) besteht aus zwölftausend 
[Götter-] Jahren und eine Weltperiode (kalpaj aus vier Welt- 
altern, und der in tausend Weltperioden ablaufende Zeitraum 
wird ein Tag des Brahman genannt. 

15. (H228.) Ebensolang, o König, ist seine Nacht; geht 
sie zu Ende, so erwacht er und schafft als Erstgeborenen 
den J/a/mw, den unendlich wirkenden (vgl. Manu 1,74), 

U). (H229.) den gestalteten, er, der gestaltlose, den all- 
befassenden, er, der durch sich selbst seiende £ambhu (Civa), 
der da ist Atomkleinheit, Leichtigkeit und Allberührung, ihn. 
den Herrn, das ewige Licht. 

17. (11230.) Nach allwärts ist es Hand, Füfse, nach all- 
wärts Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend, 
die Welt umfassend steht es da (= Qvet. Up. 3,16, vgl. oben, 
S. 87). ■ - i - 

18. (U23i.) Dieser, der heilige Hiranyagarbha, wird auch 
als die Buddhi bezeichnet, auch als der Mahän in den Yoga- 
lchren und als der ewige Virinci. 

19. (11232.) Und auch in der Sänkhyalehre wird er, der 
Vielfältige, gepriesen unter der Benennung als der Mannig- 
fachgestaltete, Allbeseelende, in der einen Silbe (om) Be- 
schlossene. 

20. (U233.) Er, von dem das Mannigfaltige umhüllt wird, 



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Adhy&ya 304 (B. 302). 



611 



aus dessen Selbst die Dreiwelt geschaffen ist, er wird auch 
wegen seiner Vielgestaltigkeit als Vicvarüpa (der Allgestal- 
tige) bezeichnet. 

21. (112S4.) In die Umwandlung übergehend, schafft er, 
der Kraftvolle, sich selbst durch sich selbst als den Ahanlära, 
den ichbewufsten Schöpferherrn. 

22. (H235 ) Aus ihm, dem Unentfalteten, ist das Entfaltete 
hervorgegangen; als Quelle des Wissens bezeichnen sie ihn 
und als den Mahan, als Quelle des Nichtwissens heifst er 
Ahankara. 

23. (H236.) Das Ungesetz und das Gesetz sind also aus 
derselben Quelle entsprungen; als Nichtwissen und Wissen 
werden sie bezeichnet von denen, welche dem Inhalt der 
Schriftlehre nachsinnen. 

24. tu:»".) Die Schöpfung der Elemente (blwta) aus dem 
Ahankara wisse als die dritte, o Erdeherr, und als vierte 
wisse das, was, von allen Ahankara [-Produkten] stammend, 
Umwandlung des schon Umgewandelten ist [nämlich die 
Vicesha sj. 

2f>. (11238.) Wind, Feuer, Äther, Wasser und Erde nebst 
Ton, Berührung, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch [sind 
Ahankara- Produkte], 

2»). (ii23«i.) und in derselben Weise gleichzeitig entstanden 
wisse die Schar der zehn [Indriya's], und endlich als fünfte 
Schöpfung, o Fürst der Kimige, wisse die ganze Schöpfung 
der Wesen (bhautilia) je nach ihren Zwecken. 

27. (Hai».) Ohr, Haut, Augen, Zunge und Geruchsorgan 
zufünft, Rede, Hände und Füfse, Entleerung*- und Zeugun^s- 
orjran, 

2*. (ii 2ii.) diese sind als die Erkenntnisorgane und die 
Tatorgane gleichzeitig mit dem Manas entstanden, o Erdehejr. 

21 ». UI212 ) Diese vierundzwanzigfache Natur der Prinzipien 
ist in allen Erscheinungen vorhanden, sie erkannt habend, 
trauern nicht mehr die wahrheitschauenden Hrahmanen. 

V*K (ii24t) Dieses den Namen Leib Führende [lies: diha- 
f.imakht/anaM] kommt allen Verkörperten zu, das soll man 
wissen, o Bester der Männer, in der Dreiwelt, welche befafst 
G-.tter. Menschen und Dämonen, 



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III. Mokshadharma. 



31. (U244.) Yaksha's, Gespenster, Gandharven, Kinnara's, 
die grofsen Schlangen, himmlische Sänger, Picäca's, Götter- 
weise, Nachtunholde, 

32. (11245.) Stechfliegen, Würmer, Mücken, Mistkäfer, 
Mäuse, Hunde, Hundekocher, Antilopen, Cändäla's, Pulkasa's, 

33. (H246.) Elefanten, Rosse, Esel, Tiger, Bäume, Rind- 
vieh, — kurz für alles, was irgendwo Gestalten trägt, ist dieses 
die Erscheinungsform. 

34. (11247.) Im Wasser, auf dem Lande und im Luftraum 
hat es nie einen andern Standort für die Verkörperten ge- 
geben, so haben wir es mit Gewifsheit überkommen. 

35. (H24S.) Wegen dieser seiner Beschaffenheit ist alles, 
was den Namen des Entfalteten trägt, von einem Tage zum 
andern hinfällig, daher wird der Elementätman (bhutätman) 
als der Hinfällige bezeichnet. 

36. (H249.) Darum heifst jenes [andere] das Unvergäng- 
liche, während diese Welt vergänglich ist; die Welt ist das 
in Verblendung Befangene, welches, aus dem Unentfalteten 
entspringend, das Entfaltete heifst. 

37. (ii25o.) Darum ist schon der Mahän als Erstgeborener 
ein beständiges Beispiel der Vergänglichkeit. Damit habe 
ich dir, o Grofskönig, erklärt, wonach du mich fragst. 

38. (ii25i.) Der fünfundzwanzigste ist Vishnu, unwesen- 
haft, aber als Wesen fsaitvamj bezeichnet; weil die Wesen 
auf ihn sich gründen, nennen ihn die Weisen das Wesen. 

30. (H252.) Was er als Sterbliches, Entfaltetes, diese und 
jene Gestalt Annehmendes geschaffen hat, das beherrscht er 
als der unentfaltete Vierundzwanzigste, als Gestaltloser ist er 
der Fünfundzwanzigste. 

40. (U253.) Und ebendieser weilt im Herzen aller Gestalten, 
ihr Selbst seiend, als absolut, geistig, ewig, allgestaltig und 
gestaltlos. 

41. (11254.) Vereinigt mit ihr [der Prakriti], welche Schöp- 
fung und Vergang als Eigenschaft trägt, nimmt auch er die 
Eigenschaft von Schöpfung und Vergang an, und das Guna- 
lose bewegt sich, gunahaft heifsend, immerfort in ihrem Be- 
reiche. 

42. (H J55.) So geschieht es, dafs dieser der Schöpfung 



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Adhyäya 304 (B. 302). 



und des Vorganges kundige Mahan Atma, sich umwandelnd 
und prakritihaft werdend, unbewufst zweckmäfsig wirkt (abhi- 
manyati abuddhimän). 

43. (11256.) Mit Tamas, Sattvam und Rajas behaftet, birgt 
er sich hienieden bald in diesem, bald in jenem Mutterschofse, 
und weil er nicht erweckt, in nichterweckte Geschöpfe ein- 
gegangen 

44. (U257.) und durch das Wohnen in ihnen vergänglich 
ist, wähnt er, von ihnen nicht verschieden zu sein, spricht: 
„ich bin, der ich bin" und gibt sich den Guna's hin. 

45. (H258.) Vermöge des Tamas geht er in mannigfache 
tamashafte Existenzen ein, vermöge des Rajas in rajashafte, 
vermöge des Sattvam in sattvahafte. 

46. (11251« ) Das sind jene drei weifsen, roten und schwarzen 
Gestalten [von denen Chänd. Up. 6,4; (,'vet. Up. 4,5 die Rede 
ist; vgl. dazu Sechzig Upanishad's, S. 301 A. 1], das sind alle 
jene Gestalten, welche hienieden aus der Prakriti entspringen. 

47. (H260.) Die tamashaften [Existenzen] fahren zur Hölle, 
die rajashaften werden zu Menschen, die sattvahaften gehen 
zur Götterwelt und geniefsen Glückseligkeit. 

48. (11261.) Durch ausschliefsliche Schlechtigkeit verfällt 
man einem tierischen Mutterschofse, durch Gutes und Schlech- 
tes der Menschwerdung, durch Gutes allein geht man zu den 
Göttern ein. 

49. (H 262.) Auf diese Art erklären die Weisen das Reich 
des Unentfalteten für das Vergängliche, aber der, welcher 
der Fünfundzwanzigste ist, kommt zur Entwicklung durch 
das Wissen. 

So lautot im MokabadLurma 
die Unterredung zwischen Vaaishtha und KaraUjanaW» 

( \'at,tf,t>, a - Aardltii.inala- tav.rd.la). 



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614 



III. Mokshadharma. 



AdhyAya 305 (B. 303). 

Vers 11263-11316 (B. 1-54). 

Vasishtha sprach: 

1. (H263.) Weil er (der Purusha) in dieser Weise nicht 
erweckt ist, gibt er sich dem Unerweckten hin und wandert 
aus dem einen Leibe in tausend andere. 

2. (11264.) In tausend Tierleiber gelangt er, dann wieder 
zu Göttergeburten, vermöge seiner Verbindung mit den Guna's 
und der Herrschaft der Guna's [über ihn]. 

3. (11265.) Aus dem Menschentum geht er zum Himmel, 
aus dem Himmel zum Menschentum und aus dem Menschen- 
tum zu dem Orte des Verderbens, fort und fort ohne Ende. 

4. (H266.) Wie eine Raupe ihr Gehäuse spinnt und sich 
darin einschliefst, so spinnt er, der ewig Gunalose, sich durch 
das Fadengespinst der Guna's in den Guna's ein. 

5. (H267.) Er, der Gegensatzlose, geht in diesen und jenen 
Mutterschöfsen in die Gegensätze ein. Bei Kopfschmerz, Augen- 
leiden, Zahnweh, Kehlkopf leiden, 

6. (H268.) Wassersucht, Durstkrankheit, Mandelentzün- 
dung, Cholera, Aussatz, Brandwunden, I^pra und Epilepsie 

7. (ii 209.) und was es sonst noch für mannigfache widrige 
Zustände gibt, welche, aus der Prakriti entspringend, die Ver- 
körperten befallen, — mit diesen wähnt auch er sich behaftet. 

8. (11270.) In tausend Tierleiber gelangt er, dann wieder 
zu Göttergeburten, und vermöge des Ichwahns hält er sie für 
sein eigen und ebenso die guten Werke. 

9. (ii27i.) Mag er reine oder schmutzige Kleider tragen, 
mag er immer auf dem Boden sitzen oder wie ein Frosch 
niederhocken oder den Yogasitz, der der heroische heifst, 
einnehmen, 

10. (H272.) er wird das Tragen von Lumpen, das Liegen 
oder Stehen im Freien, auf einem Lager von Backsteinen, 
Dornen 

11. (H273.) oder Asche, auf dem Erdboden oder in einem 
Bette, in der Yogastellung heroischer Art, im Wasser, im 
Schlamme, auf Pritschen 



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Adhy&ya 305 (B. 303). 



615 



12. (11274.) und allerlei Lagerstätten, er wird, von Gier 
nach Lohn befangen, die Umgürtung mit Mufijagras und das 
Nackendgehen, sowie das Tragen von Linnengewändern und 
schwarzen Antilopenfellen, 

13. (11275.) mag er in Hanf oder Schafwolle, in Tigerfelle, 
Löwenfelle, Tuche, 

14. (H276.) Bast, Stachelgeflecht, Seidengespinst, Lumpen 
oder vieles andere sich kleiden, — 

15. (11277.) er wird dies alles in seiner Unerwecktheit auf 
sein Ich beziehen, wie auch die verschiedensten Genüsse und 
allerlei Kostbarkeiten. 

16. (11278.) Er ifst nur einen um den andern Tag, nur 
einmal am Tage, nur zu jeder vierten, achten oder sechsten 
Mahlzeit, 

17. (H279.) er ifst nur einmal alle sechs, acht, sieben, 
zehn oder zwölf Tage, 

18. (U280.) fastet einen ganzen Monat, nährt sich von 
Wurzeln und Früchten, von Wind, Wasser, Ölkuchen, saurer 
Milch, Kuhdünger, 

19. (ii28i.) Kuhurin, Gemüse, Blumen, Moos, Spülicht, 

20. (H282.) welken Blättern oder Fallobst und übt sich 
in allerlei Quälereien aus Streben nach der Vollkommenheit. 

21. (H 283.) Auch nimmt er seine Zuflucht zur Mondlaufs- 
bufse und nach Vorschrift zu manchen Äufserlichkeiten, oder 
betritt den Pfad der vier Lebensstadien oder andere nicht 
zum Ziele führende Wege, 

22. (U284.) oder auch er wird andere Abwege, mancherlei 
Irrlehren, abgelegene Schattenplätze im Gebirge, Waldquellen, 

23. (H285.) einsame Sandbänke, Wälder, heilige Götter- 
tempel, Teiche, 

24.. (H286.) entlegene Berghöhlen, die fan Behaglichkeit] 
einem Hause nahekommen, oder besondere Murmelungen und 
Gelübde, 

25. (H287.) allerlei Observanzen, Askesen, Opfer und Zere- 
monien 

26. (H288.) oder das Leben als Kaufmann, Z wiegeborener, 
Kshatriya, Vaicya, ^üdra und das Almosengeben an Bedrückte, 
Blinde, Elende, — 



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616 



III. Mokshailharma. 



27. (H2$y.) dies alles wird er in seiner Unerwecktheit als 
auf sein Ich bezüglich ansehen, ebenso die drei Guna's Satt- 
vam, Rajas und Tamas, und nicht anders steht es mit dem 
Guten, Nützlichen und Angenehmen. 

28. (H290.) In dieser Weise zerlegt der Atman durch den 
Einflufs der Prakriti sein [einheitliches] Selbst in eine Viel- 
heit [von Betätigungen], und man spricht von Svadhä-Ruf, 
Vashat-Ruf, Svahä-Ruf und Verehrungen, 

29. (ii29i.) von Opfern für andere, Lehrtätigkeit, Geben 
und Nehmen, Opfern, Studieren und wer weifs von was 
sonst noch, 

30. (H292.) und mag es sich um Geburt oder Tod, um 
Disputieren oder Dreinschlagen handeln, kurz alles, was zum 
Guten oder Bösen ausschlägt, nennt man den Weg der [Ver- 
geltung nach sich ziehenden] Werke. 

31. (H293.) Aber nur die Göttin Prakriti ist es, welche 
Entstehen und Vergang bewirkt, und am Ende der Tage zieht 
Er alle ihre Guna's in sich herein [abhyetya = grasitva , Nil.] 
und besteht fort als der Eine. 

32. (H 294.) Wie die Sonne ihre Strahlen von Zeit zu Zeit 
wieder einzieht, so macht auch er immer wieder das Vorher- 
gewesene spieleshalber zunichte (abhimanyate vgl abhimansyc 
Brih. Up. 1,2,5), 

33. (H295.) nämlich die mannigfachen, ihre eigene Natur 
habenden, seinem Herzen lieben Guna's. Und nachdem er 
wiederum sie, welche Schöpfung und Vergang als Wesen 
besitzt, entfaltet hat, 

34. (H296.) und ebenso die Tat, dem Weg der Tat an- 
hängend, und die drei Guna's, er, der Herr der drei Guna's, 
so wähnt er, da er den Pfad der Tat betreten hat, von der 
Tat, sie sei ein Wirkliches. 

35. (H 297.) Durch die Prakriti ist diese ganze Welt blind 
gemacht, o Herr, und alles hienieden ist in mannigfacher 
Weise von Rajas und Tamas durchtränkt. 

30. (U298.) So geschieht es, dafs die Gegensätze des Erden- 
lebens immer wiederkehren. „Als mir gehörig entstehen sie 
und auf mich stürmen sie ein, 

37. (11299.) und ich mufs mich aus ihnen allen heraus- 



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Adhyäya 305 (B. 303). 



617 



arbeiten", so, o Männerherr, denkt der Mensch wegen seiner 
Unerwecktheit, „und ebenso mufs ich für meine guten Werke 
33. (11300.) Vergeltung im Himmel geniefsen, und weiter 
werde ich hienieden nochmals die guten und bösen Früchte 
[meiner Werke] durchzukosten haben. 

39. (ii3oi.) Aber mein Glück mufs ich betreiben, und habe 
ich es einmal begründet, so wird meine Glückseligkeit in 
jeder neuen Geburt bis zu Ende durchhalten. 

40. (11302.) Freilich wird mich für meine hier begangenen 
Werke auch endloses Unglück treffen, denn es ist schon ein 
grofses Unglück, Mensch zu werden, und vollends ein solches 
ist es, in die Hölle zu fahren. 

41. (11303.) Doch werde ich aus der Hölle mit der Zeit 
wieder zur Menschwerdung gelangen, aus dem Menschscin 
zur Gottwerdung, aus dem Gottsein wieder zum menschlichen 
Dasein 

42. (H304.) und aus diesem wieder zur Hölle, so gelangt 
man abwechselnd vom einen zum andern." Wer immerfort 
in diesem Bewufstsein lobt, vom Atman abgewandt, von den 
Guna's des Atman umhüllt, 

43. (U 305.) der geht infolgedessen zum Menschsein, Gott- 
sein und zur Hölle ein, und vom Egoismus umnebelt, wandert 
er fort und fort um 

44. (H300.) in todverfallenen Gestalten tausend und aber- 
tausend Schöpfungsperioden hindurch. Wer in dieser Weise 
das mit guten und bösen Früchten behaftete Werk betreibt, 

45. (1130T.) der erlangt die entsprechende Frucht durch 
Verkörperungen in allen drei Welten. Aber nur die Prakriti 
ist es, welche das gute und böse Früchte tragende Werk voll- 
bringt, (11308.) und so ist es auch die den Lüsten nachgehende 
Prakriti, welche die Frucht in allen drei Welten geniefst. 

40. Mag einer in der Tierwelt, Menschenwelt oder Götter- 
welt weilen, (mos.) alle diese drei Regionen gehören der Pra- 
kriti an, das soll man wissen. 

47. Freilich ist die Prakriti unerkennbar, aber wir er- 
schliefsen sie aus ihren Produkten, (uaio.) und so glaubt man 
in seinem Wahne (lies: abhiinänäd), dafs es auch für den 
Purusha ein Merkmal gebe. 



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618 



III. Mokshadharma. 



48. Dieser aber eignet sich nur ein fremdes Merkmal an, 
ein der Prakriti gehöriges, für sündlos gehaltenes, (liaii.) be- 
tritt die Pforten der Sünde [die Sinnesorgane] und schreibt 
sie infolge des Werkes sich selbst zu. 

49. So geschieht es, dafs alle Erkenntnisorgane, Ohr usw., 
sowie auch die fünf Tatorgane, (11312.) Rede usw., sich mit- 
samt ihren Qualitäten in den Qualitäten [der Objekte] be- 
tätigen. 

50. „Ich bin alles das, in mir sind diese Organe", 
(11313.) so wähnt der Organlose, der Sündlose „ich bin sünd- 
haft". 

51. Merkmallos wähnt er, Merkmale zu haben, zeitlos, 
in der Zeit zu sein, (11 314.) sattvalos, sattvahaft zu sein, wesen- 
los, wesenhaft zu sein, 

52. unsterblich ist er und wähnt sich dem Tode verfallen, 
unwandelbar der Wandelbarkeit, (11 315.) körperlos der Körper- 
lichkeit, unerschaffen der Erschaffenheit, 

53. er, der Askeselose, wähnt sich askesehaft, der Un- 
bewegte der Bewegung teilhaftig, (11316.) der Werdelose werde- 
haft, der Furchtlose der Furcht verfallen, 

54. der Unvergängliche wähnt sich vergänglich, solange 
ihm die Erweckung fehlt. 

So lautet im Mokshadharroa 
die Unterredung zwischen Vasishtha und Karalajanaka 

( Vtuhhfha - Kcu dlajanala - sawrdda). 



Adtayftya 306 (B. 304). 

Vers 11317-11327 (B. 1-11). 

Vasishtha sprach: 

1. (11317.) Weil er somit, nicht erweckt, in nicht erweckte 
Geschöpfe eingegangen ist, mufs er tausend und abertausend 
dem Vergang verfallene Weltschöpfungen durchwandern. 

2. (Hais.) Einmal in die Behausung geraten, geht er in 
tausend hinsterbende Behausungen ein als Tier, als Mensch 
oder als ein Gott im Himmel. 



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Adhyäya 306 (B. 304). 



619 



3. (U319.) Wie der Mond unter den Wesen schwindet er 
tausendmal immer wieder und wieder wegen seiner Unerweckt- 
heit, er, solange er ein Unerweckter ist. 

4. (11320.) Der fünfzehnte Teil ist der Ursprung [des 
Mondes], er als seine Behausung ist erkennbar, aber als un- 
vergänglich mufst du dieses erkennen, den Sorna (Mond, 
Unsterblichkeitstrank), nämlich seinen sechzehnten Teil. 

5. (11321.) Wie er, wird auch der Unerweckte fort und 
fort aus dem [fünfzehnten] Teile neu geboren, ihn erklärt 
man für seine Heimstätte, aus der er immer wieder ge- 
boren wird. 

6. (H322.) Aber der sechzehnte Teil ist unerkennbar, er 
ist als der [wahre] Sorna zu betrachten; dieser wird nicht 
von den Göttern (den Sinnesorganen) dienstbar gemacht, son- 
dern macht sie sich dienstbar. 

7. (11328.) Ohne ihn je zu verlieren, wird der Mensch 
immer wieder neu geboren, o bester Fürst; jener hingegen 
[der fünfzehnte Teil] ist seine Prakriti, was übrig bleibt, 
wenn sie zunichte wird, das heifst Erlösung. 

8. (H324.) Wenn aber der Mensch den ganzen, aus den 
sechzehn Teilen bestehenden Leib, der durch die Prakriti 
sein Gepräge erhält, für sein wahres ich hält, dann bleibt 
er in der Wanderung befangen. 

9. (11325.) Der fünfundzwanzigste ist der Mahän Ahmt; 
weil er nicht erweckt ist, und weil er, der Fleckenlose, Reine, 
sich mit Reinem und Unreinem befafst, 

10. (11326.) wird er, der reine Atman, zu einem solchen, 
zu einem unreinen, o Erdeherr, und weil er mit Uncrweckten 
sich befafst, geht er, der Wache, in die Unerwecktheit ein. 

11. (H327.) In diesem Sinne, o Rester der Fürsten, ist er 
als ein Unerweckter zu betrachten, und weil er mit der drei- 
gunahaften Prakriti Gemeinschaft macht, wird auch er drei- 
gunahaft. 

So lautet im M»k»hadliarma 
die UnterrrduDff iwiHclun Vasinlitlia und Karalujaoaka 

C Yanuhiha - Kurdbtjanakti - *a»».ni./«. 



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620 



III. Mokshadharma. 



Adhyäya 307 (B. 305). 

Vers 11328-11367 (B. 1-39). 
Janaka sprach: 

1. (U828.) Diese Verbindung der beiden, des Unvergäng- 
lichen und des Vergänglichen, ist zu vergleichen, o Heiliger, 
der Verbindung zwischen Mann und Weib. 

2. (11329.) Es kann aber ohne den Mann hienieden das 
Weib keine Leibesfrucht empfangen, und ohne das Weib kann 
der Mann seine Gestalt nicht wieder erneuern. 

3. (ii33o.) Nur durch die Verbindung beider und durch 
die Stützung auf die wechselseitigen Fähigkeiten kann der 
Mann seine Gestalt wieder erneuern, und ebenso bei allen 
folgenden Entstehungen. 

4. (ii33i.) Weil sie um der Geschlechtslust willen sich 
verbinden und sich dabei auf die wechselseitigen Fähigkeilen 
stützen, wird in der Zeit der Empfängnis seine Gestalt neu 
entwickelt; dieses als Beispiel will ich dir näher erklären. 

5. (H332.) Was nun die Eigenschaften des Vaters und die 
der Mutter betrifft, so wissen wir, dafs Knochen, Sehnen und 
Mark vom Vater, 

6. (11333.) hingegen Haut, Fleisch und Blut von der 
Mutter stammen; so wird dies, o Bester der Z wiegeborenen, 
im Veda und im Lehrsystem erklärt. 

7. (H334.) Wenn aber einer einen Beweis in seinem Veda 
findet und die Bestätigung desselben im Lehrsysteme, so ist 
diese Ubereinstimmung von Veda und Lehrsystem ein für alle 
Zeiten vollgültiger Beweis. 

8. (H335.) Sofern auch sie nach ihren Fähigkeiten ent- 
gegengesetzt und einander ergänzend sind, so bleiben in der- 
selben W T eise für alle Zeit miteinander verknüpft die Prakriti 
und der Purusha. 

9. (11336.) Und darum scheint mir, o Heiliger, dafs eine 
Erlösung nicht möglich ist. Oder gibt es wohl noch irgend- 
ein treffenderes Beispiel? (11337.) Dann teile es mir der Wahr- 
heit gemäfs mit, denn du bist dir über alles klar. 



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I 



Adhyaya 307 (B. 3ü5). 



021 



10. Denn auch wir sind erlösungsbedüri'tig und sehnen 
uns nach dem Krankheitlosen, (H338.) Körperlosen, Alterlosen, 
Ewigen, Übersinnlichen, Freien. 

Vasishtha sprach: 

11. (H339.) Was du als Beispiel aus dem Veda und dem 
Lehrsysteme beigebracht hast, dementsprechend verhält es 
sich wirklich, und wie es ist, fassest du es richtig auf. 

12. (11340.) Denn du besitzest die Lehre von beiden, vom 
Veda und vom Lehrsvstem, aber du verstehst nicht den Sinn 
des Lehrbuches der Wahrheit gemäfs, o Herr der Männer. 

13. (11341.) Denn wem es beim Veda und beim Lehr- 
system nur darum geht, den Wortlaut auswendig zu wissen, 
ohne dafs er den Sinn der Worte kennt, für den hat auch 
das Auswendigwissen keinen Wert. 

14. (U342.) Der schleppt sich nur mit einer Last, wer 
den Sinn des Buches nicht kennt. Wer aber den Sinn des 
Lehrbuches kennt, für den ist die Lehre des Buches nicht 
vergebens. 

15. (U343.) Wenn jemand uns nach dem Sinne eines Lehr- 
buches befragt, so müssen wir ihn so darlegen können, dafs 
der andere aus der Vernehmung des Inhaltes den Sinn 
herausfindet. 

16. (H344.) Wer so schwerfälligen Geistes ist, dafs er den 
Sinn einer Lehre nicht in Versammlungen darlegen kann, wie 
kann ein so langsamer Geist überhaupt imstande sein, die 
Lehre mit Klarheit auseinanderzusetzen? 

17. (H345.) Ein so schwacher Geist wird auch zu einer 
klaren Darlegung der Sache nicht imstande sein, weil er sich 
zum Gegenstande des Gelächters macht, selbst wenn er des 
Ätman kundig wäre. 

18. (1134«.) Darum vernimm, o Fürst der Könige, wie 
dieses der Wahrheit gemäfs aufzufassen ist nach der An- 
schauung der Sänkhyas und der hochsinnigen Yoga's. 

19. (11347.) Dasselbe, was die Yogas [intuitiv] schauen, 
wird von den Sänkhyas [durch Reflexion] gewonnen. Das 
Sänkhyam und der Yoga sind eines; weise ist, wer das 
begreift. 



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622 III- Mokshadharma. 

20. (11343.) Haut, Fleisch, Blut, Fett, Galle, Mark und 
Sehnen, sowie das System der Sinnesorgane, das hast du mir 
gegenüber als das Ich bezeichnet. 

21. (H349.) Freilich, aus der Substanz entwickelt sich 
Substanz, aus den Organen das Organ, aus dem Leibe der 
Leib, aus dem Samen der Same; 

22. (H350.) aber dem Organlosen, Samenlosen, Substanz- 
losen und Körperlosen, wie können diesem grofsen Atman 
Eigenschaften zugeschrieben werden, da er doch eigenschafts- 
los ist! 

23. (H351.) Qualitäten entstehen immer nur in Qualitäten 
und gehen wieder in sie zurück ; in dieser Weise gehen alle 
Qualitäten nur aus der Prakriti hervor und wieder in sie zurück. 

24. (H352.) Haut, Fleisch, Fett, Galle, Mark, Knochen und 
Sehnen machen acht mit dem Samen und stammen alle aus 
der Prakriti, das mufst du verstehen. 

25. (H353.) Es gibt nur zweierlei: den Purusha und was 
nicht Purusha ist. Alles, was aus den drei Merkmalen [Satt- 
vam, Kajas, Tamas] besteht, wird als prakriti-artig bezeichnet. 
Aber weder von dem Purusha noch von dem Nicht-Purusha 
[der Prakriti] kann behauptet werden, dafs sie Merkmale 
besäfsen. 

20. (H354.) Was nun die Prakriti betrifft, so wird sie. 
weil selbst merkmallos, erkannt aus den ihren Produkten an- 
haftenden Merkmalen, gerade so wie jederzeit aus den Blumen 
und Früchten die selbst nicht sichtbaren Jahreszeiten. 

27. (H355.) In derselben Weise wird das Merkmallose 
durch Folgerung erkannt. Was hingegen den Fünfundzwan- 
zigsten betrifft, o Freund, der mit seinem Wesen in die Merk- 
male verstrickt ist, 

28. (H356.) so ist er in Wahrheit ohne Entstehung und 
Vergang, unendlich, allschauend, frei von Leiden, und nur 
infolge des Wahnes wird er für eine Qualität wie andere 
Qualitäten gehalten. 

21). (H357.) Qualitäten kommen nur dem Qualitäthafien 
zu, wie sollte der Qualitätlose zu Qualitäten kommen! Darum 
sind davon [von der Qualitätlosigkeit des Purusha] überzeugt 
die, welche das Wesen der Qualitäten verstehen. 



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i 



Adhyöya 307 (B. 305). 



6:>3 



30. (H358.) Wenn er [der Purusha] aber von diesen aus 
der Prakriti stammenden Qualitäten sich loszulösen bemüht, 
dann wird er infolge der Befreiung von den Qualitäten jenen 
Höchsten schauen, 

31. (U359.) welcher das ist, was die Sänkhya's und Yoga's 
allerorten für das über die Ruddhi Erhabene erklären, das 
Hochweise, welches erkannt wird, wenn man das Unbewufste, 
Nichterweckte von sich abtut. 

32. (U360.) Als das Unerweckte erklären sie die Prakriti, 
als das Qualitätlose den Icvara, und diesen qualitätlosen 
lcvara als den Ewigen und Obersten. 

33. (ii36i.) Als den nach der Prakriti und ihren Quali- 
täten Fünfundzwanzigsten erkennen ihn die Weisen, des 
Sänkhyam und Yoga Kundigen, nach dem Höchsten Strebenden. 

34. (H362.) Wenn sie erweckt sind und, Lebenszustände 
und Geburt scheuend, das Inentfaltete (die Prakriti) er- 
kennen und durchschauen, dann weisen sie auf das Sich- 
gleichbleibende [Hrahman] hin. 

35. (U363.) Diese Anschauung ist die richtige, unrichtig 
und ein nicht passendes Gleichnis ist das deine, erstere ge- 
hört den Erweckten, letzteres den Xichterweckten, beiden 
voneinander gesondert, an, o Feindbezwinger. 

30. (H364.) Meine Darlegung bezog sieh auf das gegen- 
seitige Verhältnis zwischen Vergänglichem und Unvergäng- 
lichem, die Einheit ist das Unvergängliche, die Vielheit das 
Vergängliche. 

37. (11365.) Wenn einer über die fünfundzwanzig im Klaren 
richtig denkend verfährt, dann wird ihm die Einheit als rich- 
tige Anschauung, die Vielheit als falsche Anschauung gelten. 

38. (U3f.r,.) Diese Anschauung unterscheidet zwischen dem 
Realität haften und dem Realitätlosen; die ganze Schar der 
Fünfundzwanzig erklären die Weisen für das Realitäthafte; 

iVX (Iis*;;.) Die Anschauung des Realitätlosen erhebt sich 
über alle fünfundzwanzig, über die Schar der Geschöpfe und 
ihr Treiben, über das Realitäthafte vom Realitäthaften empor 
zum Ewigen. 

So lautet Im MokMiHdharm» 
die Unterredung rwiichen Vai»it.)itli:i und Kar.iUj:»n:»k:» 
(Vauihtha - Kn> lU iui'i.ika ■ ».w.ci.ln;. 



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624 



III. Mokshadharma. 



Adhyaya 308 (B. 306). 

Vers 113G8— 11417 (B. 1-50). 
Janaka sprach: 

1. (n 368.) Du hast, o Bester der Weisen, über die Viel- 
heit und die Einheit gesprochen, aber ich sehe in dem Auf- 
schlufs über diese beiden etwas, was mir zweifelhaft bleibt. 

2. (H369.) Ferner auch verstehe ich — gewifs nur wegen 
der Langsamkeit meines Geistes — nicht recht den Wesens- 
unterschied zwischen dem Nichterweckten , dem Erweckten 
und dem Erwachenden. 

3. (U370.) Was du sodann als den Grund für die Unver- 
gänglichkeit und Vergänglichkeit angeführt hast [nämlich die 
Einheit und Vielheit] , auch das ist mir wegen der Schwäche 
meiner Fassungskraft entfallen, o Untadliger. 

4. (H371.) Das also möchte ich hören, die Darlegung der 
Einheit und der Vielheit und den Wesensunterschied zwischen 
dem Nichterweckten, dem Erweckten und dem Erwachenden, 

5. (H372.) ferner den zwischen Wissen und Nichtwissen, 
sowie zwischen dem Unvergänglichen und Vergänglichen, 
o Heiliger, endlich auch möchte ich in Vollständigkeit von 
dem Sänkhyam und dem Yoga erfahren, worin sie sich unter- 
scheiden und worin nicht. 

Vasishtha sprach: 

0. (11373.) Wohlan, ich will dir erklären, wonach du mich 
fragst, aufserdem aber vernimm von mir die Praxis des Yoga, 
o Grofskönig. 

7. (H374.) Die höchste Kraft der Yoga's liegt in der zur 
Yogapraxis gehörigen Meditation; diese Meditation erklären 
die Kenner der Wissenschaft für zweifach; 

8. (H375.) sie besteht in der Konzentration des Manas 
und in der Atemregulierung, letztere ist qualitäthaft, erstere 
qualitätlos [wohl nirguna zu lesen]. 

9. (ii37ü.) Während des Harnens und der Kotentleerung 
und während des Essens, o Männerherr, in diesen drei Zeiten 



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Adhyäya 308 (B. 3U1>). 



Gl>5 



soll man den Yoga unterlassen, in der übrigen Zeit soll ihn 
betreiben, wer ihn hochschätzt. 

10. (11377.) Die Sinnesorgane mitsamt dem Manas von 
den Sinnendingen abkehrend, soll der Reine den über das 
vierundzwanzigste Prinzip [die Prakriti] Erhabenen mit den 
zehn oder zwölf 

11. (11378.) Reizmitteln (sa nie odanä vgl. unten, Vers 11085), 
soll er mit Besonnenheit seinen Atman antreiben, den feststehen- 
den, alterlosen, wie dies von den Weisen vorgeschrieben wird. 

12. (ii37ü.) Denn für sie ist der Atman allezeit erkenn- 
bar, so ist es uns überliefert, denn das Yogagelübde ist nur 
da für einen Menschen von ungeschwächtem Geiste, für keinen 
andern, das steht fest. 

13. (ii38n.) Von aller Weltanhänglichkeit losgelöst, mäfsig 
in der Ernährung und seine Sinne beherrschend, soll ein 
solcher in der Zeit vor und nach Mitternacht sein Manas in 
sich selbst fesseln. 

14. (U38i.) Nachdem er die Schar der Sinnesorgane durch 
das Manas und das Manas durch die Buddhi zum Stillstande 
gebracht hat, o Fürst von Mithilä, soll er unbeweglich wie 
ein Fels, 

lf>. (11382.) unerschütterlich wie ein Baumstamm, regungs- 
los wie ein Berg verharren, dann nennen ihn die in ihrem 
Geiste der Satzungsvorschrift Kundigen einen im Yoga Be- 
griffenen. 

IG. (H383.) Dann hört er nicht, dann riecht er nicht, dann 
schmeckt er nicht und sieht er nicht, dann fühlt er keine 
Berührung mehr und sein Manas stellt nicht mehr vor, 

17. (H384.) dann begehrt er nicht nach irgend etwas und 
denkt so wenig wie ein Stück Holz, dann nennen ihn die 
Weisen einen [mit seiner Körperlichkeit] in die Prakriti 
Zurückgekehrten, einen im Yoga Begriffenen. 

18. (H385.) Wie eine an windstillem Orte brennende Lampe 
leuchtet er dann; frei von seinem Lingam [von Buddhi usw.] 
und unbewegt strebt er nach oben und nicht nach der 
Seite hin. 

10. (11386.) Dann bekommt er den zu schauen, nach dessen 
Anblick er als der im Herzen weilende, innere Atman be- 

D«cesiw, Mababh&ratam 40 



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62G 



III. Mokshadharma. 



zeichnet wird; als Purusha ist er anzuerkennen, o Freund, 
von denen, die wie ich denken. 

20. (U887.) Wie ein rauchloses siebenflammiges Feuer, 
wie die strahlenreiche Sonne, wie das Blitzfeuer im Luft- 
räume, so wird ihm sein Ätman in ihm selbst sichtbar. 

21. (H388.) Hochsinnige, charaktervolle Weisen, im Schofse 
des Brahman ruhende Brahmanen schauen den Ursprung- 
losen, Unsterblichen 

22. (H389.) und bezeichnen ihn als feiner als das Feinste, 
gröfser als das Gröfste; es ist jene unwandelbare, in allen 
Wesen weilende, unsichtbare Wesenheit. 

23. (H390.) Aus der Fülle der Buddhi mit der Fackel des 
Manas wird er geschaut als der Weltschöpfer, wie er dasteht 
jenseits der grofsen Finsternis, von Finsternis nicht um- 
fangen. 

24. (H391.) Er wird als der Finsternisverscheucher be- 
zeichnet von den Allwissenden, die den Veda durchstudiert 
haben, als der Fleckenlose, Finsternislose, Merkmallose, der 
da der Merkmalfreie heifst. 

25. (11392.) Das ist der Yoga der Yogabeflissenen, welch 
anderes Merkzeichen des Yoga liefse sich geben! So ge- 
schieht es, dafs sie den Schauenden schauen, den alterlosen, 
höchsten Atman. 

26. (U393.) Damit habe ich dir das Yogasystem der Wahr- 
heit gemäfs dargelegt, nun will ich dir das Sänkhya wissen 
mitteilen, das System der vollständigen Aufzählungen. 

27. (H394.) Als das Unentfaltete bezeichnen die oberste 
Prakriti die, welche die Prakriti verstehen. Aus diesem ist 
als zweites das grofse Prinzip (Mahat) hervorgegangen, o 
Bester der Könige, 

28. (11395.) aus dem grofsen Prinzip als drittes der Ahan- 
kära, wie wir aus der Schrift wissen, aus dem Ahankära die 
fünf Elemente, wie die des Sänkhyam kundigen Meister lehren. 

29. (ii 3<»6.) Dieses sind die acht schöpferischen Prinzipien 
fprdkritayahj und zu ihnen kommen sechzehn, welche blofs 
Umwandlungen sind, nämlich die fünf [aus den Elementen 
stammenden] Vircshas (spezifische Qualitäten) sowie die fünf 
Sinne [nebst den fünf Tatorganen und Manas]. 



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Adhyäya 308 (B. 306). 



627 



30. (11397.) Soviele Prinzipien umfafst das Sankhyam, wie 
die Weisen sagen, sie, welche der Satzung und Anordnung 
im Sankhyam kundig sind und immerfort an dem Wege der 
Sänkhyalehre sich erfreuen. 

31. (U39S.) Woraus etwas entsteht, darin wird es auch 
wieder zunichte; [die genannten Prinzipien] werden zunichte 
(Ihjante mit C.) in umgekehrter Folge als die, in der sie 
durch den innern Atnian geschaffen werden. 

32. (11399.) Fort und fort entstehen in der natürlichen 
Folge und vergehen in der umgekehrten Folge die Guna's 
[hier: Prinzipien] in den Guna's wie die Wellen des Ozeans. 

33. (ii 400.) So ist es mit der Schöpfung aus der Prakriti 
und dem Vergang in sie bestellt, o Bester der Könige: zur 
Einheit wird diese Welt beim Vergang, zur Vielheit, wenn 
die Prakriti sie aus sich entläfst. 

34. (luoi.) So ist es zu erkennen, o Fürst der Könige, 
von den der Lehre Kundigen : [man mufs unterscheiden] den 
Vorsteher und das Unentfaltete, dafür liegt in dem Gesagten 
der Beweis. 

35. (1U02.) Jener, der aller Zwecke kundig ist, [schafft] 
die Einheit und die Vielheit der Prakriti, die Einheit, wenn 
die Welt vergeht, die Vielheit, wenn er sie aus ihr entwickelt. 

30. (11403.) Viele Male befruchtet der Atman die zum Ge- 
bären bestimmte Prakriti, und ihr als dem Ackerfelde (kshr- 
tramj steht der Mahän Atma als der fünfundzwanzigste vor. 

37. (H404.) Als Vorsteher, o Fürst der Könige, wird er 
bezeichnet von den Besten der Selbstbezwinger; weil er 
den Verkörperungen (kshetrumj vorsteht, heifst er der Vor- 
steher, so lehrt die Schrift. 

38. (11405.) Als Kshetram (Ort) kennt er das Unentfaltete, 
darum heifst er Kshetrajna (der Ortskennerj; in das aus dem 
Unentfalteten Stammende geht er ein und wird dann als 
Purusha bezeichnet. 

3f. (H40G.) Ein anderes ist das Kshetram, ein anderer der 
Kshetrajna; als Kshetram bezeichnen sie das Unentfaltete, 
als den, der es erkennt, den Fünfundzwanzigsten. 

40. (luoi.) Ein anderes ist das Objekt, ein anderes das 
Subjekt der Erkenntnis; Erkenntnisobjekt (jnämim!) ist die 

40* 



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628 



III. Moksliailliarma. 



Prakriti, Erkenntnissubjekt fjhfyaüj ist der Fünfundzwan- 
zigste. 

41. (mos.) Als unentfaltet gilt das Kshetram, ebenso das 
Sattvam, ebenso der lcvara; eine ievaralose und wesenlose 
Wesenheit ist jenes Fünfundzwanzigste. 

42. (luoy.) Soweit erstreckt sich das Sänkhyawissen, das 
System der vollständigen Aufzählungen, wie es die Säiikhya's 
aufstellen und dabei die Prakriti proklamieren. 

43. (ii 4io ) Und nachdem die Säfikhya's die vierundzwanzig 
Wesenheiten nach ihrem Wesen aufgezählt haben, zu welchen 
auch die Prakriti gehört, gilt ihnen als nicht wesenhaft der 
Fünfundzwanzigste. 

44. (ii4ii.) Der Fünfundzwanzigste, prakritifreien Wesens, 
ist derjenige, welcher erweckt wird, und wenn er sich selbst 
erweckt, so wird er absolut und erlöst. 

45. (1U12.) Damit habe ich dir die vollkommene Erkennt- 
nis der Wahrheit gemäfs dargelegt; wer sie in dieser Weise 
erkennt, der geht zur Gleichheit [mit dem Höchsten] ein. 

40. (H413.) Damit liegt die vollkommene Darlegung vor 
Augen in betreff der Prakriti, ihrer Guna's, Prinzipien usw., 
und zwar liegt dies alles so vor Augen für die, die von den 
Guna's frei geworden sind. 

47. (1U14.) Wer ein solcher ist, für den gibt es keine 
Wiederkehr mehr, für ihn, der unvergänglich geworden ist, 
gibt es nur noch das Unüberbietbare, Höchste, Ewige. 

48. (H415.) Die Anderen schauen mit einem auf die Viel- 
heit gerichteten Geiste, bei ihnen ist die vollkommene Er- 
kenntnis nicht zu finden, sie verfallen immer wieder und 
wieder dem Entfaltetwerden,, o Feindbezwinger. 

49. (ii 4 ig.) Weil sie zwar alles dieses hier kennen, aber 
nicht das All kennen, werden sie dem Entfaltetwerden anheim 
fallen und in der Knechtschaft des Entfalteten verharren. 

50. dun.) Alles hier wird von der Prakriti befufst, alles 
das nicht ist der Fünfundzwanzigste; die, welche ihn er- 
kennen, haben keine Furcht mehr. 

So lautet im Mokahadharina 
<Ho Unterredung zwischen Vasishtha und Ka:&lajanaka 
( Vusuh'ha - Kardlajanaka-tamcdda). 



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Adhyaya 309 (B. 307). 



629 



AdliyAya 3O0 (B. 307). 

Vers U4l8-U4tö (B. 1-43). 

Vasishtba sprach: 

1. (juis.) Damit habe ich dir das Sänkhyasystem dar- 
gelegt, o Bester der Fürsten, nun lerne von mir das Wissen 
und das Nichtwissen, eines nach dem andern, kennen. 

2. (11419.) Nichtwissen nennen sie die alles Entstehen und 
Vergehen umfassende Prakriti, das Wissen als von allem Ent- 
lehen und Vergehen frei, — das ist der Fünfundzwanzigste. 

X Mi 420.) Das Wissen in seiner Stufenfolge vernimm in 
richtiger Ordnung, wie es als die Einzeldarlegung der Sänkhya- 
lehre von den Rishi's überkommen ist, o Freund. 

4. Mi 421.) Auf alle Tatorgane sich beziehend ist das 
Wissen von den Erkenntnisorganen, auf die Erkenntnisorgane 
*ich beziehend ist das Wissen von den Vicesha's (spezifischen 
Qualitäten), 

5. Mi 42» ) das auf diese Vicesha's sich beziehende Wissen 
i>t das Manas, wie die Weisen sagen, das Wissensgebiet des 
Manas sind die fünf Elemente. 

fi. mi 423.) Das Wissen von den fünf Elementen ist der 
Ahankara, das steht fest. Das Wissen vom Ahankära ist die 
liuddhi, o Männerherr. 

7. mi 424.) Das Wissen von den Prinzipien ist die Ober- 
herrin Prakriti als das Unentfaltete, das Wissen mufs man 
erkennen, o Bester der Männer, und das ist das höchste Gebot. 

H. Mi42ü) Als das Wissen von der Prakriti verkünden 
Me den Höchsten, den Fünfundzwanzigsten, auf alles Wifs- 
bare bezieht sich das Allwissen, o Fürst. 

!*. M1426.) Erkenntnisobjekt fjitunam.'J ist die Prakriti, 
Erkenntnissubjekt {jnrya.'.'J ist der Fünfundzwanzigste |vgl. 
oben, Vers n 4«nJ, somit ist das Erkenntnisobjekt die Prakriti, 
und der Erkenner (rijnalaj ist der Fünfundzwanzigste. 

10. mi 427.) Damit habe ich dir im einzelnen das Wissen 
nach seinem Sinn und Wesen mitgeteilt; lafs dich nunmehr 
von mir belehren über das Unvergängliche und das Vergäng- 
liche, welche du erwähntest. 



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630 



III. Moktihadhanna. 



11. (11428.) Beide werden als unvergänglich bezeichnet, 
und beide auch wiederum als nicht unvergänglich; die Ur- 
sache davon will ich dir der Wahrheit gemäfs auf Grund der 
Erkenntnis erklären : 

12. (11429.) Beide sind anzusehen als anfanglos und end- 
los, beide als Icvara's (Gottherren); als Prinzipien werden 
beide bezeichnet von denen, welche der Erkenntnis hin- 
gegeben sind. 

13. (H430.) Weil sie alles Entstehen und Vergehen in sich 
befafst, heifst die Prakriti unvergänglich ; um die Evolutionen 
fgunaj hervorzubringen, wandelt sie sich immer wieder 
aufs neue. 

14. (ii43i.) Die Evolutionen, der Mahän und die folgen- 
den, entstehen die eine aus der andern; andererseits be- 
zeichnet man auch jenes Fünfundzwanzigste, sofern es [dem 
Kshetram] vorsteht, gleichfalls als Kshetram [und mithin als 
vergänglich]. 

15. (11432.) Wenn nämlich einer das Netz der Evolutionen 
in dem un entfalteten Selbste (der Prakriti) zusammenfafst, 
dann wird zugleich mit den Evolutionen auch der Fünfund- 
zwanzigste latent (praliyaie). 

16. (1U33.) Die Evolutionen gehen in die Evolutionen 
zurück, und schliefslich bleibt die Prakriti als einziges, und 
wenn dann auch der Kshetrajfia, o Freund, in dem Kshetram 
latent wird, 

17. (H434.) dann gelangt die Prakriti zu ihrer Unver- 
gänglichkeit, indem sie sich nicht mehr mit Evolutionen be- 
fafst; zu ihrer Evolutionslosigkeit gelangt sie, o Fürst der 
Videha's, indem sie sich nicht mehr in Evolutionen ergeht. 

18. (11435.) Ebenso steht es mit dem Kshetrajfia (dem 
Ortskenner), da ihm die Möglichkeit, einen Ort (kshetram) 
zu erkennen, benommen ist. Aber von Natur ist er gunalos, 
so haben wir es aus der Schrift gelernt. 

19. (H436.) Und wenn er vergänglich [d. h. individuell] 
wird, dann vermag er die Prakriti als das allein Gunahafte 
und sich selbst als gunalos zu erkennen. 

20. (H437.) Dann wird er zu einem Reinen, weil er sich 
von der Prakriti lossagt, wenn er als ein Erweckter zu dem 



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Adhy&ya 309 (B. 307). 



631 



Bewufstsein gelangt: „ein anderer bin ich und eine andere 
ist sie." 

21. (1U38.) Dann gelangt er zu seiner wahren Wesenheit 
und geht keine Mischung mehr ein, denn im andern Falle 
zeigt er sich als vermischt mit der Prakriti, o Fürst der Könige. 

22. (H439.) Wenn er aber das ganze aus der Prakriti 
stammende Netz der Guna's verabscheut und den höchsten 
Schauenden [den Atman] schaut, dann wird er nicht satt des 
Schauens. 

23. (1H40.) Was habe ich bisher gemacht, [so denkt er] 
der ich diese Zeit hindurch in einer Persönlichkeit wie ein 
Fisch im Netze aus Unwissenheit hienieden gefangen war. 

24. (1U41.) Aus Betörung nur habe ich mich aus einer 
Persönlichkeit in die andere verstrickt, wie ein Fisch, der 
[das Netz] für freies Wasser hält. 

25. (H442.) Wie ein Fisch aus Unwissenheit die Ver- 
schiedenheit [des Netzes] vom Wasser nicht merkt, so er- 
kannte ich aus Unwissenheit mich selbst nicht als ein Anders- 
sein [als vom Körper verschieden]. 

26. (H443.) Wehe mir Unerwecktem, der ich mich aus 
einer Persönlichkeit in eine andere, wiederum [im Sarisära] 
versunkene Persönlichkeit gestürzt habe. 

27. (1U44.) Dieser [Atman] hier ist mein wahrer Ver- 
wandter, nur mit ihm zu sein ist mir möglich, zur Gleich- 
heit und Einheit mit ihm gelangt, bin ich erst wirklich, der 
ich bin. 

28. (11445.) Ich sehe schon hienieden die Gleichheit, ich 
bin seines Wesens, er ist fleckenlos, und es ist offenbar, 
dafs ich eben ein solcher bin. 

29. (H446.) Nur aus der Verblendung des Nichtwissens 
habe ich mich in die unbewufste, anhangbehaftete [Prakriti] 
verstrickt, aber nunmehr stehe ich da als ein Anhangloser. 

30. (11447.) Durch sie wurde ich Unwissender jene Zeit 
hindurch geknechtet, wie mag ich bei ihr, der Gebieterin 
über Hohes, Mittleres und Niederes, weilen! 

31. (11448.) Wie mag ich aus unerweckter Sinnesart mit 
ihr, der Gemeinen, ein Zusammenleben hier pflegen! Jetzt 
bin ich fest in dem, was ich bin. 



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632 



III. Mokshadhanna. 



32. - (it449.) Ich will nicht mehr mit ihr zusammenwohnen, 
wenn ich auch eine Zeitlang in dieser Weise als Tor mich 
von ihr habe betören lassen, ich, der Unwandelbare, von ihr, 
der Wandelhaften. 

33. (11450.) Und doch war es nicht ihre Schuld, auf meiner 
Seite liegt die Schuld, der ich an ihr hing und unbedachter- 
weise ihr nahte. 

34. (H451.) Infolgedessen weilte ich, der Gestaltlose, in 
vielen Gestalten und gestaltet habe ich, der Gestaltlose, mich 
durch Egoismus blofsgestellt. 

35. (11452.) Durch den aus der Prakriti stammenden Egois- 
mus in diese und jene Mutterschöfse eingehend, was hatte 
ich, der Ichlose, mit der Ichheit in ihnen allen zu schaffen, 

36. (H453.) dafs ich in diesen Mutterschöfsen verlorenen 
Bewufstseins weilte? Ich habe nichts mehr zu schaffen mit 
ihr, die den Ahankara (Egoismus) zu ihrem Wesen hat 

37. (11454.) und die, sich selbst vervielheitlichend, auch 
mich abermals zu unterjochen strebt; nunmehr bin ich er- 
weckt, frei von Selbstsucht, frei von Ichbewufstsein. 

38. (H455.) Das Ichbewufstsein, welches durch sie von 
jeher mit dem Egoismus (ahankara) durchdrungen worden 
ist, habe ich aufgegeben, habe sie hinter mir gelassen und 
nehme meine Zuflucht zu dem Krankheitlosen. 

39. (H456.) Zur Identität mit ihm werde ich gelangen, 
nicht mit ihr, der Geistlosen; friedliches Wohnen bei ihm 
werde mir zuteil, nicht Vereinigung mit ihr. 

40. (11457.) So geschieht es, dafs der Fünfundzwanzigste, 
durch Innewerdung des Höchsten zur Erweckung gelangt, 
das Vergängliche aufgibt und sich des Unvergänglichen, 
Krankheitlosen bemächtigt. 

41. (H45S.) Wer erkennt, wie das Unentfaltete zum Ent- 
falteten und das Gunalose zum Gunahaften wird, und wer 
dabei das Gunalose als das Höhere erkennt, der wird zu ihm, 
o Fürst von Mithila. 

42. (1H59.) Damit habe ich dir die auf Wissen gegründete 
Darlegung des Unvergänglichen und des Vergänglichen ge- 
geben auf Grund der inrVeda überlieferten Darlegung. 

43. (H4G0.) Nunmehr will ich dir darlegen, wie es mit dem 




Adhyäya 309 <B. .307). 



<»33 



Zweifelfreien, schwer Erkennbaren, Erwachten, Fleckenlosen 
bewandt ist, vernimm auch dies dem Vedaworte gemäfs. 

44. (11461.) Ich habe dir vom Sänkhyam und Yoga ge- 
sprochen und sie als zwei verschiedene Lehren hingestellt, 
aber was ich als Sänkhyalehre mitteilte, ebendasselbe ist das 
Yogasystem. 

45. (H462.) Als die Erweckung vollbringend wurde die 
Erkenntnis der Sänkhya's, o Erdeherr, hier deutlich mitgeteilt 
zum Besten der Lernenden. 

40. (1H63.) Und gewaltig ist diese Lehre, wie die Weisen 
anerkennen; aber auch für dieses System der Yoga's sind 
im Veda die Vorgänger [Plural mit C.] zu finden. 

47. (H46i.) Ja, keine höhere Wesenheit gibt es als den 
Fünfundzwanzigsten, o Männerherr, und dieser wird als die 
höchste Wesenheit der Wahrheit gemäfs von den Sänkhya's 
dargestellt, 

4-s. (H465.) als der aus der Nichterwecktheit Erwachende 
und in Wahrheit Erwachte; und ebendiesen Erwachenden 
und Erweckten verkünden sie als den Ivehrinhalt des Yoga. 

So lautet im Mokahadhanna 
die Unterredung zwischen Vaninlithi» und Knnllaj.mnka 
C Vaiish'ha - Kai dhijanalii ■ s<ni<ni<ltt . 

AtlhyAya 310 (B. 3Ü8). 

Vers 114 GG — 11 517 (13. 1-51). 

Yusishtha sprach : 

1. (U46G.) Vernimm nunmehr die Lehre von dem Erweck- 
ten und dem Unerweckten, sowie die Lehre von den Guna's. 
Indem Er sich selbst vielfach macht, bringt er alle diese 
[Gestalten] zur Erscheinung, 

2. (1U67.) und indem er sich in dieser Weise umwandelt, 
ist der des Erwachens Fähige nicht wach; er trägt die Evo- 
lutionen, schafft sie und zieht sie wieder ein. 

3. (H46s.) So wandelt er sich ohne I'nterlafs spielens- 
halber, o Männerherr; sofern er aber das I nentfaltete erkennt, 
nennen sie ihn den Erkennenden (Erwachenden). 



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634 



III. Mokshadharma. 



4. (1U69.) Nicht aber kann das Unentfaltete (die Prakriti) 
das Gunahafte oder das Gunalose erkennen, darum nennt 
man dieses Unentfaltete zuweilen auch mit Recht das Un- 
erweckbare. 

5. (H470.) Obgleich aber jenes fdnfundzwanzigste Prinzip 
das Unentfaltete erkennt, so ist er, obgleich erkennend, 
doch mit Weltanhänglichkeit behaftet, so lehrt die Schrift; 
(U47i.) durch ihn ist sie (die Prakriti, das Unentfaltete) noch 
nicht [vollständig] erkannt worden, so sagen sie im Hinblick 
auf das Unentfaltete, Unerschütterliche. 

6. Weil er das Unentfaltete erkennt, nennt man ihn aller- 
dings den Erkennenden, (11472.) ihn, den Fünfundzwanzigsten, 
den Mahän Ätmä, und doch ist er nicht wahrhaft erkennend 
(erwacht). 

7. Nur das Sechsundzwanzigste (vgl. Mändükya- 
Kärikä 2,26; Sechzig Upanishad's, S. 586), das fleckenlose, 
erweckte, unermefsliche , ewige, (11473.) erkennt für und für 
das fiinfundzwanzigste und das vierundzwanzigste Prinzip. 

8. Dabei geschieht es, o Glanzreicher, dafs er das seiner 
Natur nach im Sichtbaren und Unsichtbaren sich ergehende 
(11474.) Unentfaltete erkennt, er, der das absolute Brahman 
ist, o Freund. 

9. Weder den Absoluten noch den Fünfundzwanzigsten 
schaut das Vierundzwanzigste. (11475.) Aber wenn er [der 
Fünfundzwanzigste], erwachend, von sich selbst weifs: „ich 
bin ein anderer", 

10. dann wird er von der Prakriti frei und durchschaut 
das Unentfaltete. (11 476.) Und wenn er zu dieser höchsten, 
fleckenlosen, reinen Erkenntnis erwacht ist, 

11. dann gelangt er so, 0 Königstiger, als Sechsund- 
zwanzigster zur Erwecktheit. (11 477.) Dann läfst er das Un- 
entfaltete fahren, welches sich in Schöpfung und Vergang 
bewegt. 

12. Als Gunaloser erkennt er die Prakriti als gunahaft 
und ungeistig (11 478.) und wird zum Absoluten, weil er das 
Unentfaltete durchschaut hat. 

13. Mit dem Absoluten eins geworden und erlöst, gelangt 
er zu seinem wahren Selbste. (11479.) Das ist die Wesenheit, 



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AdhyAya 310 (B. 308). 



635 



welche man als das Wesenlose, Alterlose, Unsterbliche be- 
zeichnet. 

14. Weil dieses zu seiner wahren Wesenheit gelangt ist, 
heifst es wesenhaft und auch nicht wesenhaft, o Ehrenspender, 
m**u denn der Wesenheiten zählen die Weisen nur fünf- 
undzwanzig. 

15. Er aber ist in Wahrheit nicht wesenhaft, sondern als 
Erweckter ist er wesenlos; (lusi.) als solcher streift er alsbald 
die Wesenheit ab, das ist das Kennzeichen der Erwecktheit. 

16. „Ich bin der Sechsundzwanzigste", durch diese Er- 
kenntnis wird er, der Weise, Alterlose, Unsterbliche, ergriffen, 
uitsi.) und durch die blofse Kraft [dieser Erkenntnis] gelangt 
er zur Identität mit ihm, das ist gewifs. 

17. Ist er aber durch den wachen Sechsundzwanzigsten 
erweckt worden, so ist er weiter erkenntnislos, (n*83.) denn 
dieses [Gegenüberstehen von Subjekt und Objekt beim Er- 
kennen] wird noch für eine Vielheit erklärt nach Anschauung 
der Sankhya's und der Schrift. 

1H. Denn für den Fünfundzwanzigsten, welcher mit dem 
rein Geistigen zur Einheit zusammenfliefst, (ims4.) besteht 
diese Einheit erst dann, wenn er nicht mehr durch die Buddhi 
erkennt. 

11*. Und ist er erweckt worden (lies: hudhyamanah) , so 
gelangt er zur Identität mit jenem Wachen, o Fürst von 
Mithilä; uuss.) er, der mit Weltanhänglichkeit behaftet war, 
wird zu einem von Weltanhänglichkeit Freien, o Männerherr. 

20. Und nachdem er den von Weltanhänglichkeit Freien 
erlangt hat, den Sechsundzwanzigsten, Ewigen, Allgegen- 
wärtigen, fiii8<5.) läfst er, selbst allgegenwärtig, die I'rakriti 
fahren, indem er erkennt, dafs all dieses 

21. Vierundzwanzigfache wertlos ist, wenn man zum 
^echsundzwanzigsten erwacht ist. di^'.i Damit ist dir, o Un- 
tadliger, von mir der Unerweckte und der Erwachende 

22. sowie auch der Erweckte der Wahrheit gemäfs 
und der Schriftanschauung entsprechend dargelegt worden; 

soviel von der Vielheit und von der Einheit gemäfs 
der Anschauung des Lehrsystems. 

23. Wie die der Fliege und des Feigenblattes, so ist die 



I 



636 HI. Mokshadharma. 

Verschiedenheit jener beiden; (11489.) wie die des Fisches und 
des Wassers, so ist ihre Verschiedenheit anzusehen. 

24. In dieser Weise ist die Verschiedenheit und die Ein- 
heit beider [des Purusha und der Prakriti] zu erkennen, 
(1H90.) und das heifst ihre Erlösung und wird bewirkt durch 
das Erkanntwerden der Prakriti. 

25. Unter dieser Schar der fünfundzwanzig, welche in 
den Körpern weilt, (i 1-491.) ist er loszulösen aus dem Bereiche 
der Prakriti, so wird es gelehrt. 

26. Darin besteht seine Erlösung und in nichts anderm, 
das ist gewifs, (11492.) verschieden ist er und von verschiedener 
Beschaffenheit, obgleich er sich [mit der Prakriti] verbunden hat. 

27. Rein wird er durch das Reine, erweckt durch das 
Erweckte, ( 11 493.) erlöst durch das Erlöste, mit welchem er 
eins wird, o Männerstier. 

28. Dann ist er befreit von dem trennenden Prinzip. 
(H4H4.) und indem er eins wird mit dem erlösenden Prinzip, 
kommt die Erlösung hienieden zustande. 

29. Reines wirkend und rein wird er, unermefsliches 
Licht ausstrahlend, (11495.) fleckenlos wird er, nachdem er 
mit dem ewig Fleckenlosen eins geworden ist. 

30. Mit dem Absoluten vereinigt, wird er selbst absolut: 
(H496.) durch das Freie befreit, erlangt er die Freiheit. 

31. (11497.) Soweit habe ich dir diese Wahrheit ent- 
hüllt, o grofser König, nach Sinn und Wesen; wer die 
Selbstlosigkeit als Ziel sich setzt, der wird zu dem ewigen, 
reinen, uranfänglichen Brahman. 

32. (11498.) 0 König, dieses Höchste darfst du nie- 
mandem mitteilen, der nicht im Veda feststeht (lies: 
nävedatiishthasya); diese erweckungwirkende, für den 
Erkenntnisdurstigen und Geneigten bestimmte Lehre darf 
einem Neuerungssüchtigen 

33. (11499.) nicht mitgeteilt werden und ebensowenig 
einem Unwahren, Falschen, Unmännlichen, Hinterlistigen 
oder einem, der mit seinem gelehrten Wissen andere 
quält. Wem es aber mitzuteilen ist, das vernimm: 

34. (11500.) Wer reich an Glauben, reich an Tugend 
ist, niemals seine Freude daran hat, andere zu tadeln, 



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Adhyäya 310 (B. SOS). 



G37 



wer reine Hingebung übt, stets besonnen, tätig, geduldig 
und wohlwollend ist, 

35. (liuoi.) von edlem Charakter, das Gesetz liebend, 
der Nachrede sieh enthaltend, wohlbewandert in der 
Schrift und der Erkenntnis zugetan, wer nichts Böses 
sehen kann, sondern der Bezähmung und der Ruhe 
mächtig ist, dem darf es mitgeteilt werden. 

.30. (H502.) Wenn aber einer dieser Tugenden ganz 
und gar ermangelt, so darf dieses höchste, reine Brah- 
man ihm nicht mitgeteilt werden; nicht zum Heile wird 
dem Pflichtlehrer gereichen, was er an einem solchen 
tut, weil er es einem Unwürdigen mitgeteilt hat. 

37. (11503.) Einem solchen Gelübdelosen darf es nicht 
mitgeteilt worden, und böte er auch dafür diese Erde 
mit allen ihren Schätzen, aber wenn einer bezähmte Sinne 
hat, so darfst du ihm ohne Bedenken dieses Höchste mit- 
teilen, o Männerfürst. 

38. (11504.) 0 Karäla, keine Furcht möge dich mehr 
anwandeln, nachdem du heute dieses höchste Brahman 
vernommen hast, welches, richtig mitgeteilt, die höchste 
Läuterung bewirkt, als das Kummerlose, ohne Anfang, 
Mitte und Ende Soicnde, 

31). (11505.) das seinem Ursprung nach Unerforschliche, 
Unsterbliche, o König, das Krankheitlose, Furchtlose, 
Selige. Durchschaue die Verblendung und gib nunmehr 
alles (sein- am mit C.) auf, nachdem du dieses als Wesen 
und Inhalt des Wissens erkannt hast. 

40. (H506.) Diese ewige Lehre habe ich erhalten von 
Iliranyagarbha [dem lapila rishi, (,'vet. Up. 5,2; vgl. 
Sechzig Upanishad's, S. 304], der sie mir verkündigte, 
o Fürst, nachdem ich ihn, den gewaltig Geistigen, der 
das ewige Brahman ist, mit Fleifs gnädig gestimmt hatte, 
gerade so wie ich heute von dir [gnädig gestimmt wurde]. 

4L (11507.) Und so wie ich von dir befragt worden 
bin, o Fürst der Männer, und dir dieses heute mitgeteilt 
habe, so habe ich von Gott Brahman [d. i. Iliranyagarbha] 
das grofse Wissen erlangt, o Männerfürst, welches das 
höchste Ziel der Erlösungskundigen bildet. 



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638 



III. Mokshadharma. 



Bblshma sprach: 

42. (H508.) Damit ist dir das höchste Brahman verkündigt 
worden, von welchem es keine "Wiederkehr gibt, der Fünf- 
undzwanzigste, o grofser König, gemäfs der Belehrung durch 
den höchsten Weisen. 

43. (11509.) Jedoch wieder zurückkehren mufs einer auch 
nach Erlangung der höchsten Erkenntnis, wenn er nicht als 
ein Erweckter zum Alterlosen, Unsterblichen erwacht ist. 

44. (ii5io.) Dieses Seligkeit bewirkende, höchste Wissen 
ist dir der Wahrheit gemäfs von mir mitgeteilt worden, 
o Freund, nachdem ich es von dem Götterweisen überkommen 
habe, o Fürst. 

45. (lisii.) Von Hiranyagarbha empfing es der hochsinnige 
Weise Vasishtha, und von Vasishtha, dem Tiger der Weisen, 
hat es Narada erlangt. 

46. (11512.) Von Narada habe ich dieses ewige Brahman 
empfangen ; trauere nicht mehr, o Fürst der Kuru's, nachdem 
du jene höchste Stätte kennen gelernt hast. 

47. (H513.) Wer das Vergängliche und das Unvergäng- 
liche gefunden hat, für den besteht keine Furcht mehr, 
o Erdeherr, wohl aber besteht Furcht für den, der es nicht 
kennt, o Fürst. 

48. (lisii.) Durch Nichtwissen geistig umnachtet, ver- 
strickt er sich immer wieder und wieder und gelangt auch 
nach seinem Tode zu tausend Neugeburten, die einen Tod 
zur Folge haben. 

49. (11515.) Die Götterwelt oder ein tierisches oder ein 
menschliches Dasein erlangt er, bis dafs er im Laufe der 
Zeiten sich von diesem Ozean des Nichtwissens rein macht. 

50. (iisig.) Denn ein furchtbarer, dunkler, unergründlicher 
Ozean des Nichtwissens ist es, in welchem Tag für Tag die 
Wesen versinken, o Bharata. 

51. (U517.) Du aber, weil du aus diesem unergründlichen, 
dunklen, ewigen Ozean herausgestiegen bist, darum bist du 
befreit vom Rajas und auch vom Tamas frei, o Erdeherr. 

So lautet im Mokshadharma 
die Unterredung zwischen Vasishtha und Kar&lajanaka 

f Vasüh'ka - hardl^anaka- tan.rAda). 



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Adhyäya 311 (B. 309). 



639 



AMiyftya 311 (B. 3O0). 

Vers 11518-11542 (B. 1-25). 
Bhishma sprach: 

1. (11518.) Ein Sohn des Janaka ging in menschenleerer 
Gegend auf die Jagd ; da sah er im Walde einen Brahmanen- 
fürsten, einen Weisen aus dem Geschlechte des Bhrigu. 

2. (H519.) Dem dasitzenden Muni nahte er, verehrungs- 
voll sein Haupt neigend, und nachdem er seine Einwilligung 
erlangt hatte, befragte ihn der schätzereiche Fürst folgender- 
mafsen : 

3. (U520.) 0 Heiliger, was ist wohl das Heilsamste nach 
dem Tode oder schon hienieden für den Menschen, der in 
dem unbeständigen Leibe der Herrschaft der Begierde unter- 
worfen ist? 

4. (11521.) Nachdem der Hochsinnige, Askesereiche so 
unter Ehrenerweisungen befragt worden war, sprach er zu 
ihm das folgende heilbringende Wort. 

Der Rishi sprach: 

5. (U522.) Du wünschest zu wissen, was hier und im 
Jenseits dem Geiste erfreulich ist, so lasse doch ab von dem, 
was den Wesen unerfreulich ist, und bezähme deine Sinne. 

G. (U523.) Das Gute ist das Heilsame für edle Menschen, 
das Gute ist der Hort der Edlen, aus dem Guten sind die 
drei Welten mit Beweglichem und Unbeweglichem hervor- 
gegangen. 

7. (H524.) 0 du Genufssüchtiger ! warum strebst du nicht 
danach, zur Begierdelosigkeit zu gelangen V Den Honig am 
Abgrunde siehst du Tor, aber den Abgrund sielist du nicht. 

8. (H525.) Wie das Wissen sammeln mufs, wer seine 
Frucht begehrt, so mufs das Gute sammeln, wer seine Frucht 
begehrt. 

9. (11526.) Für einen Nichtguten ist. auch wenn er nach 
dem Guten verlangt, ein reines Werk schwer zu vollbringen, 
aber für einen Guten, wenn er nach dem Guten verlangt, ist 
auch dieses Schwere leicht zu vollbringen. 



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640 



III. Mokshadharma. 



10. (11527.) Wer am Dorf leben seine Lust hat, der bleibt 
ein Freund des Dorflebens, auch wenn er im Walde wohnt, 
und wer am Waldleben seine Lust hat, der bleibt ein Freund 
des Waldlebens, auch wenn er im Dorfe wohnt. 

11. (H628.) An das Gute in Gedanken, Worten und Werken 
fasse Glauben und gib dich ihm hin, indem du dir bei allem 
Tun und Lassen die Tugend und die Untugend vor Augen 
stellst. 

12. (11529.) Allezeit soll man den Guten reichlich und ohne 
Murren spenden, was sie erbitten, indem man nach Zeit und 
Ort richtig verfährt, treu seinem Gelübde und rein. 

13. (ii53o.) Was man auf gerechte Weise erworben hat, 
soll man dem Würdigen zukommen lassen, man soll es geben 
ohne Zorn, Reue und Rühmen. 

14. (H631.) Wohlwollend, lauter, bezähmt, Wahrheit redend, 
in Rechtschaffenheit beharrend und durch Geburt und Werke 
rein, als solcher ist der vedakundige Zwiegeborene ein 
Würdiger. 

15. (11532.) Eine in ritueller Weise geheiratete alleinige 
Gattin wird für die Geburt als Ursprung hienieden verlangt; 
wer als solcher Rig-, Yajur- und Samaveda studiert hat und 
kundig die sechs Werke [Lernen und Lehren, Opfern für sich 
und andere, Geben und Nehmen] betreibt, der ist ein Würdiger. 

IG. (11533.) Damit ist gesagt, was Pflicht und Nicht-Pflicht 
jedem einzelnen gegenüber ist hinsichtlich der Würdigkeit, 
des Werkes, des Ortes und der Zeit. 

17. (H534.) Wie man leicht wie im Spiel einen kleinen 
Staubflecken von seinem Körper wegwischt, einen grofsen 
aber nur mit Mühe, so ist es auch mit der Reinigung vom 
Bösen. 

18. (H535.) Wie erst nach innerer Reinigung die getrunkene 
Schmelzbutter recht heilbringend ist, so bringt auch nur dem, 
der sich vom Bösen gereinigt hat, die Pflichterfüllung nach 
dem Tode Glückseligkeit. 

Ii). (11536.) Auf Gesinnung beruhend ist bei allen Wesen 
das Gute wie das Böse, dem Bösen allezeit abgewandt, soll 
man sich dem Guten zuwenden. 

20. (11637.) Alles, überall und an jedem soll man ehren, 



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Adhy Aya 311 (B. 300). 



wenn es geschieht in Erfüllung der ihm zukommenden Pflicht, 
und auch wo die Leidenschaft dich fortreifst, möge wider 
Willen fakämam) pflichtmäfsig gehandelt werden. 

21. (H538.) O Unbeständiger, erhebe dich zur Beständig- 
keit; o Tor, lafs ab von deiner Torheit, du, der du friedlos 
bist, gelange zum Frieden, der du un weise bist, handle als 
Weiser! 

22. (H539.) Das Mittel dazu läfst sich durch Energie als 
ßundesgenossin erlangen; das Heil hienieden und im Jenseits 
hat als Wurzel die höchste Beständigkeit. 

23. (H540.) Wegen Unbeständigkeit [d. h. Mangel an Selbst- 
beherrschung, vgl. Mahäbh. I, Adhy. 96] ist der Königsweise 
Mahäbhisha aus dem Himmel gestürzt worden, während Yayati, 
obgleich seine guten Werke verbraucht waren, durch Be- 
ständigkeit den Himmel erlangte [vgl. Mahäbh. V, Adhy. 122 
(B. 123)]. 

24. (H541.) Durch Umgang mit Asketen, Pflichttreuen und 
Weisen wirst du grofse Einsicht erlangen und des Heiles 
teilhaftig werden. 

Bhlshma sprach: 

25. (H542.) Nachdem der von Natur gute Fürst diese Rede 
des Muni vernommen hatte, wandte er seinen Sinn von der 
Begierde ab und richtete seinen Geist auf die Pflicht. 

So lautet ira Moktlia<iliartna die Belehrung de« Januka 

( Januka- an>i<;(i\an<tm). 



Adhyftya »12 (B. 31G). 

Vers HM.'l-ll.WS (B. 1—2(5). 

Yuilhishthira sprach : 

1. (U548.) Was jenseits von Gutem und Bösem, frei von 
allem Zweifel, frei von Geburt und Tod, erhaben über Heiliges 
und Schlechtes, 

2. (11544.) selig, ewig und furchtlos, beständig, unzerstör- 
bar, unvergänglich, rein, beharrlich und unermüdlich ist, das 
mögest du, o Herr, mir sagen. 

Dfci'weEif, MahAbharatam. 41 



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G42 



III. Mokshadharma. 



Bhishma sprach: 

3. (11545.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte mit- 
teilen, o Bhärata, nämlich die Unterredung des Yäjfiavalkya 
mit dem König Janaka. 

4. (11546.) Dem Yäjfiavalkya, dem Besten der Rishi's, dem 
Fragelöser, legte König Janaka, der hochberühmte Nach- 
komme des Devarata, eine Frage vor. 

Janaka sprach : 

5. (11547.) Wieviel Sinnesorgane gibt es, o Brahmanen- 
rishi, und wieviel schaffende Potenzen, was ist das un entfaltete 
höchste Brahman, und was ist das noch darüber Erhabene? 

6. (U548.) Auch den Ursprung und Vergang und die Be- 
rechnung der Zeiten mögest du mir mitteilen, der ich es von 
deiner Gnade erbitte, o Brahmanenfürst. 

7. (11549.) Aus Unwissenheit frage ich, du bist ja ein 
Ozean von Wissen ; über alles dieses wünsche ich eine zweifels- 
freie Belehrung zu empfangen. 

Yajnavalkya sprach: 

8. (11550.) Vernimm, o Erdbeschützer, wonach du mich 
befragst, die höchste Erkenntnis der Yoga's und der Sänkhyas 
in ihrer Besonderheit. 

9. (11551.) Zwar ist dir das alles schon bekannt, aber da 
du mich danach fragst, so mufs ich auf deine Frage antworten, 
das ist ewige Pflicht. 

10. (11562.) Es gibt acht schaffende und sechzehn nur ge- 
schaffene Potenzen; als die acht schöpferischen bezeichnen 
die Kenner des innern Selbstes: 

11. (11553.) das Unentfaltete, den Mahän und den Ahankära, 
dazu kommen Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als 
fünftes. 

12. (H554.) Das also sind die acht schaffenden Potenzen; 
vernimm nun von mir die nur geschaffenen, es sind Ohr, Haut, 
Auge, Zunge und Geruchsorgan als fünftes, 

13. (H555.) ferner Ton, Berührung, Sichtbarkeit, Geschmack 
und Geruch, sowie Rede, Hände, Füfse, Entleerungs- und 
Zeugungsorgan. 



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Adhyäya 312 (B. 310). 



643 



14. (11556.) Jene [Ton usw.] sind die spezifischen Quali- 
täten fvi^eshähj in den fünf grofsen Elementen fmahäbfdäni), 
und dann waren da jene Erkenntnisorgane [Ohr usw.] mit 
ihren spezifischen Qualitäten [Ton usw.], o Fürst von Mithilä. 

15. (M557.) Als sechzehnte [nur erschaffene Potenz] be- 
zeichnen das Manas die, welche die Vorgänge im innern 
Selbste überlegen, du und andere Weise, welche der Er- 
kenntnis der Prinzipien kundig sind. 

16. (U558.) Aus dem Unentfalteten entsteht der Mahän 
Ätmä, o Fürst, ihn bezeichnen die Weisen als die erste aus 
der Prakriti hervorgehende Emanation. 

17. (U559.) Aus dem Mahän entspringt der Ahankära, 
o Männerherr, dieser heifst die zweite Emanation und wird 
buddhi-artig [aus der Buddhi, dem Mahän entspringend] 
genannt. 

18. (mini.) Aus dem Ahankära entspringt das den spezifi- 
schen Qualitäten [gunäfj, hier — vireshäh] der Elemente gegen- 
überstehende Manas, dieses wird als die dritte, die aus dem 
Ahankära stammende Emanation bezeichnet. 

19. (ii56i.) Aus dem Manas entspringen die grofsen Ele- 
mente {mahabhutäh masc.!), o Männerherr, dieses erkläre ich, 
das sollst du wissen, für die vierte, aus dem Manas stammende 
Emanation [im Widerspruch mit Vers 11557, wo Manas unter 
den sechzehn nur erschaffenen Potenzen erscheint]. 

20. (H562.) Ton, Berührung, Sichtbarkeit, Geschmack und 
Geruch, diese [fünf Vicesha's] bezeichnen die Kenner der 
Elemente als die fünfte, aus den [Mahä-] Bhüta's stammende 
Emanation. 

21. (11563.) Ohr, Haut, Auge, Zunge, Geruchsorgan, diese 
fünf [Buddhindriya s] gelten als die sechste, das mannigfache 
Nachdenken [der Buddhi] vermittelnde [somit anscheinend 
aus ihr entspringende] Emanation. 

22. (11564.) Die auf Ohr [usw.] folgende Schar der [Karma-] 
Indriya's entspringt, o Männerherr, als die siebente Emana- 
tion und wird als aindriyaka [den Buddhindriya's sich an- 
schliefsende] bezeichnet. 

23. (H565.) Die Aufwärtsströmung und die in die Quere 

41* 



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i 

644 III. Mokshadharma. 

entwickelt sich sodann, o Männerherr, als eine achte Ema- 
nation; diese hat Beziehung auf den moralischen Wandel. 

24. (U56C.) Die Strömung in die Quere aber entwickelt 
sich fort zu einer Abwärtsströmung, o Männerherr; diese 
gleichfalls auf den moralischen Wandel bezügliche Emanation 
erklären die Weisen für die neunte. [Uber die drei Strö- 
mungen vgl. unten Anugitä, Adhy. 30— 38; Nil. denkt viel- 
mehr an die Präna's.] 

25. (11567.) Das sind die neun Emanationen, o Männerherr, 
und die entsprechenden vierundzwanzig Prinzipien nach den 
Anschauungen der Schrift. 

26. (ii 508.) Weiterhin, o grofser König, vernimm von mir 
die Zeitberechnung für diese Evolutionsreihe fgunaj der Wahr- 
heit gemäfs, wie sie von den hochsinnigen Weisen verkündigt 
worden ist. 

So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Yajuaralkya mit Janaka 

( YSjnatalkya -Janaka - satnedtla ). 



AdliyAya 313 (B. 311). 

Vers 11569-11589 (B. 1-21). 

Yajüavalkya sprach: 

1. (ii569.) Vernimm denn, o Bester der Männer, die Zeit- 
berechnung in betreff des Unentfalteten. Fünftausend Welt- 
perioden fkalpaj zweimal genommen machen seinen Tag aus, 

2. (H570.) ebensolang ist seine Nacht. Ist er erwacht, 
o Männerherr, so schafft er zu Anfang die Pflanzen zum 
Lebensunterhalte aller Verkörperten. 

3. (ii57i.) Darauf schuf er den [personifizierten] Gott Brah- 
män, der [als Hiranyagarbha] aus einem goldenen Ei ent- 
sprang; dieses bildet den Körper für alle Wesen, so ist es 
uns überliefert worden. 

4. (H572.) Nachdem er ein Jahr lang in dem Ei geweilt 
hatte, trat der grofse Weise aus ihm hervor und fugte [die 
Schalen als] die ganze Erde und den Himmel droben zu- 
sammen, er, der Schöpfer [vgl. Chand. Up. 3.19; Manu 1,12.13]. 



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Adhyftya 313 (B. 311). 



645 



5. (11673.) Als in Himmel und Erde [verkörpert] wird er 
in den Wesen verkündigt, und zwischen diesen beiden Schalen 
bildete der Herr den Luftraum. 

6. (11574.) Und was die Zeitrechnung betrifft, so werden 
hierbei von den Kennern der Veden und Vedänga's zehn- 
tausend Weltperioden, vermindert um ein Viertel, als sein 
Tag bezeichnet. 

7. (11575.) Und für ebensolang erklären seine Nacht die 
Kenner des innern Selbstes. Alsdann schafft er, der Weise, 
den Ahankära als ein Geschöpf von göttlicher Wesenheit, 

8. (H576.) sowie vier weitere Söhne [nach Nil. Manas, 
Buddhi, Ahankära, Cittam als vyashti, psychische Prinzipien] ; 
aus seinem Leibe schuf sie vordem der grofse Weise; sie 
werden als die Väter der Väter [der Mahäbhüta's, nach Nil.] 
von der Schrift bezeichnet, o Bester der Könige. 

9. (H577.) Götter aber sind auch die Söhne dieser Väter 
[wohl die Vicesha's, nach Nil. die Indriya's], von Göttern 
sind die Welten erfüllt mitsamt dem Beweglichen und Un- 
beweglichen, o Bester der Männer, so ist es uns überliefert 
worden. 

10. (11578.) An ihrer Spitze aber steht der Ahankära, 
welcher die Elemente als fünf schafft, sie sind Erde, Wind, 
Äther, Wasser und Feuer als fünftes. 

11. (11579.) Auch bei ihm, der die dritte Schöpfung voll- 
bringt, sprechen sie von einer Nacht; sie währt fünftausend 
Weltperioden und ebensolange sein Tag. 

12. (U580.) Ton, Berührung, Gestalt, Geschmack und Ge- 
ruch, diese sind in den fünf grofsen Elementen ihre spezifischen 
Qualitäten fvi^cshaj y 

13. (H581.) mit welchen die Elemente fort und fort erfüllt 
sind, o Erdeherr. Diese wetteifern miteinander, freuen sich 
über das gegenseitige Gedeihen 

14. (1158«.) und überbieten einander, indem sie sich den 
Vorrang streitig machen, oder auch sich unterdrücken ver- 
möge der unvergänglichen, sie fortreifsenden Guna's, 

15. (H583.) und so treiben sie ihr Wesen hienieden, in- 
dem sie in niedrigen Mutterschöfsen weilen. Ihr Tag währt 
dreitausend Weltperioden, 



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III. Mokshadharma. 



16. (11 684.) und ebensolang ist ihre Nacht. Dies gilt auch 
von dem Manas, o Männerherr; das Manas schaltet, o Fürst 
der Könige, indem es ganz und gar hinter den Indriyas 
versteckt bleibt. 

17. (11685.) Und doch sind es nicht die Indriya's, welche 
das Sehen vollbringen, sondern das Manas vollbringt das 
Sehen. Das Auge sieht die Gestalten vermöge des Mauas 
und nicht vermöge des Auges. 

18. (H586.) Wenn das Manas getrübt ist, so sieht das 
Auge und sieht doch nicht, und ebenso steht es mit dem 
Sehen aller Sinnesorgane, so lehren es die Weisen. 

19. (11587.) Denn die Sinnesorgane sehen nicht, sondern das 
Manas ist es, welches sieht* und wenn das Manas untätig ist, 
o König, so tritt auch eine Untätigkeit der Sinnesorgane ein. 

20. (H588.) Somit ist ein Versagen der Sinnesorgane in 
Wahrheit ein Versagen des Manas, daher mufs man begreifen, 
dafs das Wesentliche in den Sinnesorganen das Manas ist. 

21. (11689.) Über allen Sinnesorganen thront als Herr das . 
Manas, und in diesem laufen [mittelbar] auch alle Elemente 
zusammen. 

So lautet im Muksbadbann» die Unterredung zwischen Janaka and Yajnavalkya 

(Janaka- YäjZatalkya- »ameddo). 



Adhyäya 314 (B. 312). 

Vers 11590—11606 (B. 1-17). 

Yajnavalkya sprach: 

1. (H590.) Die ganze Aufzählung der Prinzipien sowie 
die Berechnung der Zeiten ist von mir in richtiger Ordnung 
mitgeteilt worden. Nun höre auch, was ich über die Welt- 
vernichtung sagen werde, 

2. (ii59i.) und wie er die Kreaturen, nachdem er sie ge- 
schaffen hat, immer wieder und wieder schafft, er, der anfang- 
lose und endlose, ewige und unvergängliche Gott Brahman. 

3. (11592.) Wenn dieser merkt, dafs der Tag zu Ende 
geht, wendet er seinen Geist dem nächtlichen Schlafe zu, 



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Adhy&ya 314 (B. 312). 



647 



dann treibt der Heilige, Unentfaltete den sein Ich verkörpern- 
den Helden an, 

4. (U593.) und er, der hunderttausendstrahlige Äditya 
(Sonne), von ihm, dem Unentfalteten , angetrieben, zerteilt 
sein Wesen zwölffach, vergleichbar einem überallhin lodern- 
den Feuer. 

5. (11594.) Dann verbrennt er alsbald, o Erdbeschützer, 
mit seiner Glut alle vier Wesensklassen, Lebend geborene, Ei- 
geborene, Schweifsgeborene und Sprofsgeborene, o Männerherr. 

6. (11595.) Dann wird in einem Augenblicke die Welt der 
Pflanzen und der beweglichen Wesen zunichte, und die Erde 
sieht allenthalben aus wie der Rücken einer Schildkröte. 

7. (U596.) Nachdem der unermefslich Mächtige die Lebe- 
wesen verbrannt hat, erfüllt er sogleich die nackte Erde allent- 
halben mit gewaltigen Wasserfluten. 

8. (11597.) Wenn dann das Wasser auf das Weltunter- 
gangsfeuer trifft, wird es zur Vernichtung gebracht, und nach- 
dem das Wasser vernichtet ist, o Fürst der Könige, lodert 
das grofse Feuer mächtig empor. 

9. (11598.) Dann geschieht es, dafs dieser übermächtige, 
lodernde, glanzvolle Verbrenner aller Wesen mitsamt seinen 
sieben Flammen in einem Nu von dem unermefslichen, 

10. (11599.) heiligen, die acht Weltgegenden erfüllenden, 
gewaltigen W r inde verschlungen wird, der mit mafslosem 
Odem nach oben, unten und allen Seiten dahinbraust. 

11. (licoo.) Diesen Unwiderstehlichen, Furchtbaren schlingt 
der Äther in sich hinein, und den lärmreichen Äther ver- 
schlingt wieder das obenanstehende Manas. 

12. (lieoi.) Das Manas verschlingt er, der als Ahankära 
das Selbst der Wesen und ihr Schöpfer ist, den Ahnnkara 
(ahaiikäram mit C), der das Vergangene, Gegenwärtige und 
Zukünftige kennende Mahan Ätmä. 

13. (11602.) Dann geschieht es, dafs auch diesen unver- 
gleichlichen, allerfüllenden Atman der Schöpferherr (,'ambhu, 
welcher Atomkleinheit, Leichtigkeit, Allberührung, Gottherr, 
Licht und unvergänglich ist — 

14. (U603.) nach allwärts ist er Hand, Füfse, nach all- 



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648 



III. Mokshadharma. 



wärts Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend, 
die Welt umfassend steht er da (= Qvet. Up. 3,16), — 

15. (H604.) welcher als Herz aller Wesen nur so grofs 
wie das Glied eines Daumens ist, dafs dieser der unendliche 
hochsinnige Gottherr den Allerfüllenden verschlingt. 

16. (neos.) Dann ist das Weltall wieder eingegangen in den 
unzerstörbaren, unvergänglichen, unverletzbaren, sündlosen 
Schöpfer des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen. 

17. (11606.) Damit ist dir das Eingehen der Wahrheit ge- 
mäfs dargelegt, o Fürst der Könige; nun vernimm, was [im 
Körper] sich auf das Selbst, auf die Wesen und auf die Gott- 
heiten bezieht. 

So lautet im Mokthadbsmm die Uatomdung swiacben Y4jä»Talky» und Janak» 

( Ydjiatalkya - Janaka - impedda). 



Adhyäya 315 (B. 313). 

Vers 11607-11634 (B. 1-28). 

Yajfiavalkya sprach: 

1. (H607.) Die Füfse sind auf das Selbst bezüglich, das 
Gehen auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Vishnu, wie die 
wahrheitschauenden Brahmanen lehren. 

2. (neos.) Das Entleerungsorgan ist auf das Selbst be- 
züglich, die Entleerung auf die Wesen, die Schutzgottheit 
ist Mitra, wie die Kenner der Wesenheit sagen. 

3. (H609.) Das Zeugungsorgan ist auf das Selbst bezüg- 
lich, das Zeugen auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Praja- 
pati, wie Kenner des Nichtigen sagen. 

4. (ii6io.) Die Hände sind auf das Selbst bezüglich, das 
Handeln auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Indra, wie die 
Reflexionskundigen erklären. 

5. (neu.) Die Rede ist auf das Selbst bezüglich, das 
Reden auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Agni, wie die 
Schriftkenner lehren. 

6. (11612.) Das Auge ist auf das Selbst bezüglich, die 
Sichtbarkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Sürya (die 
Sonne), wie die Schriftkenner lehren. 



uigmzea Dy 



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Adhyäya 315 (B. 313). 



649 



7. (11618.) Das Ohr ist auf das Selbst bezüglich, der Ton 
auf die Wesen, die Schutzgottheiten sind die Himmelsgegen- 
den, wie die Schriftkenner lehren. 

8. (n 6u.) Die Zunge ist auf das Selbst bezüglich, der 
Geschmack auf die Wesen, die Schutzgottheiten sind die 
Wasser, wie die Schriftkenner lehren. 

9. (ii6i5.) Das Geruchsorgan ist auf das Selbst bezüg- 
lich, der Geruch auf die Wesen, die Schutzgottheit ist die 
Erde, wie die Schriftkenner lehren. 

10. (U616.) Die Haut ist auf das Selbst bezüglich, die Be- 
rührung auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Wind, wie 
die Wesenskenner sagen. 

11. (H6i7.) Das Manas ist auf das Selbst bezüglich, seine 
Tätigkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Mond, 
wie die Kenner der Lehrbücher sagen. 

12. (H618.) Der Ahankära ist auf das Selbst bezüglich, 
das Ichbewufstsein auf die Wesen, die Schutzgottheit ist die 
Buddhi, wie die Wesenskenner sagen. 

13. (U6i9.) Die Buddhi ist auf das Selbst bezüglich, ihre 
Tätigkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Kshetrajfia, 
wie die Wahrheitschauenden sagen. 

14. (11620.) Damit ist dir, o König, der Umfang ihrer Ent- 
faltung dargelegt nach Anfang, Mitte und Ende der Wahr- 
heit gemäfs, o Wahrheitskenner. 

15. (11621.) Die Prakriti ist es, welche nach Lust und Be- 
lieben wie zum Spiele ihre Guna's hundertfach und tausend- 
fach entfaltet, o grofser König. 

16. (11622.) Wie die Menschen wenige Lichter zu tausend 
Lichtern vervielfältigen, so vervielfältigt die Prakriti ihre 
Guna's für den Purusha. 

17. (11623.) Güte, Wonne, Cberflufs, Freude, Erhellung, 
Lust, Reinheit, Gesundheit, Befriedigung, Gläubigkeit, 

18. (H624.) Nicht- Jammern, Untätigkeit, Geduld, Festig- 
keit, Nicht- Schädigung, Gleichmütigkeit, Wahrhaftigkeit, 
Schuldlosigkeit, Sanftmut, Schamhaftigkeit, Gesetztheit, 

19. (11625.) Reinlichkeit, Gradheit, guter Wandel, Nicht- 
Lüsternheit, Herzensruhe, Nicht-Prahlen mit der vollbrachten 
Lossagung von Erwünschtem und Unerwünschtem, 



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650 



III. Moksliadharma. 



20. (H626.) Zugreifen, wenn es angeboten wird, Neidlosig- 
keit, Interesse für andere und Mitleid mit allen Wesen, das 
sind die Qualitäten des Sattvam. 

21. (11627.) Dies ist der Inbegriff der Qualitäten des Kajas: 
Schöngestalt, Herrschlust und Kriegslust, Nicht -Entsagung, 
Mitleidlosigkeit, Hingebung an Lust und Schmerz, 

22. (U628.) Freude an übler Nachrede und Zanksucht, 
Selbstsucht, Ungastlichkeit, Sorge, Feindseligkeit, 

23. (H629.) Quälerei, Räuberei, Schamlosigkeit, Mangel 
an Rechtschaffenheit, Zwist, Rauheit, Begierde, Zorn, Un- 
besonnenheit, 

24. (H630.) Stolz, Hafs und Übermut, das sind die Quali- 
täten des Rajas. — Nun werde ich den Inbegriff der Quali- 
täten des Tamas verkündigen, merke auf. 

25. (H631.) Verblendung, geistige Verdunkelung, Finster- 
nis und blinde Finsternis, — blinde Finsternis ist Tod, Finster- 
nis ist Zorn; 

26. (H632.) weitere Merkmale des Tamas sind: "Wohl- 
behagen am Essen und dergleichen, Unersättlichkeit im Essen 
und Trinken, 

27. (Hess.) Lust an Wohlgerüchen, Kleidern und Ver- 
gnügungen, an Liegen und Sitzen, am Schlafen bei Tage, 
an übermütiger Rede und unbesonnenen Streichen, 

28. (U634.) an Tanz, Musik und Gesang, Gläubigkeit aus 
Unwissenheit und Abneigung gegen mancherlei Pflichten, — 
das sind die Qualitäten des Tamas. 

So lautet im Mokshadkarma die Unterrodung zwischen YajnaTalkya und Janaka 

( Ydjnaralkija - Janaka - aamedäa). 

Adhy&va 316 (B. 314). 

Vers 11635-11654 (B. 1—18). 

Yajnavalkya sprach: 

1. (11635.) Das sind die drei Guna's der Prakriti, o Bester 
der Männer, welche der ganzen Welt allezeit und unverlier- 
bar anhaften. 



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Adhyäya 316 (B. 314). 



651 



2. (HC36.) Durch sie geschieht es, dafs der Heilige in der 
Form des Unentfalteten hundertfach, tausendfach, hundert- 
tausendfach, 

3. (U637.) millionenfach sein inneres Selbst durch sich 
selbst gestaltet. Das Sattvahafte nimmt die oberste Stelle 
ein, das Rajas-artige die mittlere, 

4. (11638.) das Tamas-artige die untere, so lehren es die 
Kenner des innern Selbstes. Durch gute Werke allein er- 
langt man den Weg nach oben, 

5. (H639.) durch Gutes und Böses ein menschliches Da- 
sein, durch Ungerechtigkeit den Weg nach unten. Die 
Paarung dieser drei und das Zusammenwirken des Betreffenden, 

6. (ii640.) des Sattvam, Kajas und Tamas, vernimm von 
mir. An dem Sattvam zeigt sich Kajas, am Kajas das Tamas, 

7. (ii64i.) am Tamas das Sattvam und an dem Sattvam 
das Unentfaltete. Der Unentfaltete [der Purusha, hier als 
individueller], nur noch mit dem Sattvam behaftet, erlangt 
die Götterwelt, 

8. (H642.) mit Kajas und Sattvam behaftet, gelangt er 
unter die Menschen, mit Rajas und Tamas behaftet, wird er 
in tierischen MutterschÖfsen geboren, 

9. (U643.) mit Rajas-ar tigern, Tamas-artigem und Sattva- 
haftem verbunden, erlangt er ein menschliches Dasein. Für 
diejenigen aber, welche sich vom Guten und vom Bösen los- 
gemacht haben, ist der Ort der Hochsinnigen bestimmt, 

10. (H644.) jener ewige, unvergängliche, unzerstörbare, 
unsterbliche, welcher der Aufenthalt der Wissenden ist, der 
beste, unverletzliche, unerschütterliche Ort, (iic45.) der über- 
sinnliche, samenlose, von Geburt, Tod und Finsternis freie. 

11. Jenes Höchste, in dem Unentfalteten Weilende, nach 
welchem du mich gefragt hast, o Männerherr, (i 1 646.) das ist 
jener in der Prakriti Weilende, in ihr weilend wird er genannt. 

12. Freilich gilt die Prakriti als ungeistig, o Herr, 
(11647.) aber von Ihm regiert, schafft sie und rafft wieder in 
sich hinein. 

Janaka sprach: 

13. (11618.) Anfanglos und endlos sind doch alle beide, 
o Hochsinniger, ungestaltet und unerschütterlich, [in ihren 



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652 



III. Mokshadhariua. 



Erscheinungen] unwandelbar qualitäthaft und [an sich] quali- 
tätlos. 

14. (U649.) Wie kommt es nun, o Manntiger, da beide 
unerkennbar sind, dafs der eine von ihnen ungeistig und der 
andere geistig ist, derjenige nämlich, der da Kshetrajfia ge- 
nannt wird? 

15. (H650.) Denn du, o Brahmanenfürst, liegst mit ganzem 
Herzen der Lehre von der Erlösung ob, und ich möchte diese 
Lehre von der Erlösung vollständig und der Wahrheit ge- 
rn ufs kennen lernen. 

16. (ii65i.) So mögest du mir denn die Existenz, die Er- 
lösung von ihr und das Verharren ohne sie erklären, sowie 
auch die Gottheiten, welche [als Sinnesorgane] in dem Körper 
Wohnung nehmen. 

17. (11652.) Ferner auch die Stätte des beim Sterben aus- 
ziehenden Verkörperten, und auch die Stätte, zu der er im 
Laufe der Zeit gelangt, mögest du mir erklären. 

18. (H653.) Du mögest mir das Sänkhyawissen, wie es 
in Wahrheit ist, und gesondert davon den Yoga mitteilen, 
und auch über unheilvolle Vorzeichen (arishtäni) mögest du 
mir sprechen, o Bester. (U654.) Denn alles dieses besitzest 
du so fest wie eine Myrobalanenfrucht in der Hand. 

So lautet im Mokabadh&rraa dio Unterredung zwischen Tajnerelky» und Jenakt 

( YdjZatatkya - Janaka - $amvdda). 

Adhy&ya 317 (B. 315). 

Vers 11055-1X674 (B. 1-20). 

Yajnavalkya sprach: 

1. (11655.) 0 Freund, der Qualitätlose kann nicht qualität- 
haft gemacht werden, o Völkerherr, noch auch der Qualität- 
hafte qualitätlos; das lerne von mir der Wahrheit gemäfs. 

2. (H656.) Denn durch Qualitäten wird einer qualitäthaft, 
der Qualitätlose ist ohne Qualitäten, so haben es die hoch- 
herzigen, wahrheitschauenden Muni's ausgesprochen. 

3. (11657.) Der Unentfaltete [die Prakriti] hat die Guna's 
als seine Natur und kann nie von den Guna's loskommen, 



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AdhyAya 317 (B. 315). 653 



sondern bringt sie in Gang, und er ist von Natur nicht er- 
kennend, 

4. (U658.) aber während dieser Unentfaltete nicht erkennt, 
ist der Purusha von Natur erkennend (lies : jnah) , denn er 
ist sich von Ewigkeit her bewufst, dafs es nichts Höheres 
gibt als ihn. 

5. (11659.) Aus diesem Grunde ist das Unentfaltete [die 
Prakriti] ungeistig, und daran wird nichts geändert, mag 
man sie als ewig und unvergänglich oder [mit Rücksicht auf 
ihre Entfaltungen] als vergänglich ansehen. 

6. (116C0.) Solange nun [der Purusha] aus Mangel an 
rechter Erkenntnis immer wieder und wieder die Schöpfung 
der Qualitäten veranlafst, solange er sich selbst nicht [als 
verschieden] erkennt, solange wird er auch selbst nicht erlöst. 

7. (ii66i.) Weil er die Schöpfungen veranlafst, wird auch 
er angesehen als seinem Wesen nach schaffend, und weil er 
auch den Yoga veranlafst, wird er gleichfalls angesehen als 
seinem Wesen nach yogahaft. 

8. (11662.) Weil er die schaffenden Prinzipien zur Tätig- 
keit veranlafst, ist er den schaffenden Prinzipien verwandt. 

9. Und weil er die Keime zur Entwicklung bringt, ist 
er den Keimen verwandt. (U6G3.) Aber während die Quali- 
täten erzeugt werden und wieder vergehen, 

10. wird er, sofern er jene verachtet, mit sich identisch 
ist und sich dessen bewufst wird, für absolut (HG64.) erklärt 
von den Selbstbezwingern, Vollendeten, das innere Selbst 
Kennenden, Leidenschaftfreien. Jenes andere [die Prakriti] 
ist vergänglich und zugleich ewig, sofern es unentfaltet und 
entfaltet ist, so haben wir's gelernt. 

11. (11665.) Die Vielheit [der Entfaltungen] bezeichnen als 
Einheit, sofern sie ein Unentfaltetes ist, diejenigen Menschen, 
welche von Mitleid für alles Lebende erfüllt sind und das 
absolute Wissen erlangt haben. 

12. (H666.) Verschieden [von allem andern] ist der Purusha, 
während der Unentfaltete [die Prakriti] wandelbar ist und 
doch auch unwandelbar heifst. Wie mit dem Schilfgras [als 
Umschliefser] der Halme (vgl. Käth. Up. n,17), so ist es auch 
mit diesem beschaffen. 



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III. Mokshadharuia. 



13. (H667.) Ein anderes ist die Fliege und ein anderes 
das Feigenblatt, auf dem sie sitzt, und die Fliege wird durch 
die Verbindung mit dem Feigenblatte nicht befleckt [ihrem 
Wesen nach nicht verändert]. 

14. (U668.) Ein anderes ist der Fisch und ein anderes ist 
das Wasser, und der Fisch wird durch die Berührung mit 
dem Wasser nicht irgendwie befleckt 

15. (H669.) Ein anderes ist das Feuer und ein anderes 
das Kohlenbecken, das mögest du, bitte, immer bedenken, 
und das Feuer wird nicht durch die Berührung mit dem 
Kohlenbecken befleckt. 

16. (H670.) Ein anderes ist das Lotosblatt und ein anderes 
das Wasser [auf dem es schwimmt], und auch hier wird das 
"Lotosblatt durch die Berührung mit dem Wasser nicht be- 
fleckt [vgl. Chand. Up. 4,14,3; Maitr. Up. 3,2]. 

17. (H671.) Bei allen diesen vermögen die Zusammen- 
wohnung und Einwohnung, wie sie der Wahrheit nach ist, 
gemeine Menschen niemals zu begreifen. 

18. (11672.) Sie, welche dies anders ansehen, als es ist, er- 
mangeln der richtigen Erkenntnis und werden sicherlich 
immer wieder und wieder der furchtbaren Hölle anheim- 
fallen. 

19. (H673.) In dieser Sänkhyalehre liegt das höchste Nach- 
denken beschlossen, und die ihr in dieser Weise nachdenken, 
die Sänkhya's, gehen zur Absolutheit ein. 

20. (11674.) Die anderen aber, welche der Wahrheit kundig 
sind, haben die folgende Anschauung, die ich dir als die An- 
schauung der Yoga's nunmehr mitteilen will. 

So tautet im Mokahadharma die Unterredung «wischen Yajuavalkya und JauaW.. 

(Ydjnaralkifa - JanaKa - »amtäda). 



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Adhy&ya 318 (B. 31 fi). 



655 



AdhyAya 318 (B. 316). 

Vers 11675-11702 (ü. 1-27). 

Y&jnavalkya sprach: 

1. (H675.) Die Sänkhyalehre habe ich dir mitgeteilt, die 
Yogalehre vernimm von mir der Wahrheit gemäfs, wie sie 
auf Schriftüberlieferung und unmittelbarer Anschauung be- 
ruht, o Bester der Fürsten. 

2. (1167g.) Kein Wissen kommt dem Sänkhyam gleich, 
keine Kraft kommt dem Yoga gleich; beide verfolgen das- 
selbe Ziel, beide führen über die Vergänglichkeit hinaus. 

3. (U677.) Für verschieden halten beide nur Menschen, 
die am Unverstand sich freuen, wir aber, o König, erkennen 
sie unzweifelhaft als Einheit. 

4. (U678.) Denn was die Yoga's schauen, das wird auch 
von den Sänkhyas erkannt; wer Sänkhyam und Yoga als 
Einheit erkennt, der weifs die Wahrheit. 

5. (11679.) Wisse, o Feindbezwinger, als Yoga-[ Mittel] die 
den Rudra als Obersten habenden anderen [Lebensorgane, 
pränah, Brih. Up. .*i,9,4] ; dann schweifen sie mit diesem Körper 
nach den zehn Himmelsrichtungen hinaus. 

G. (H680.) Während [der grobe Leib] dahinfällt, o Freund, 
wird unter Abstreifung desselben der Yogin zu einem, der 
vermöge des achtfache Vollkommenheit [Atomkl«'inheit, Leich- 
tigkeit, Gröfse, Allberührung, Wunschverwirklichung, All- 
beherrschung, Schöpferkraft, Alldurchdringung] verleihenden 
Yoga die Welten mit Lust durchschweift, o Untadliger. 

7. (ii68i.) Denn im Veda erklären die Weisen, dafs der 
Yoga die acht Vollkommenheiten gewährt, aber nur dem feinen 
Leibe sprechen sie diese acht Vollkommenheiten zu, nicht 
dem groben, o Bester der Männer. 

8. (11682.) Als zweifach aber bezeichnen sie die höchste 
Yogaleistung der Yoga's, nämlich der Anschauung des Systems 
entsprechend als qualitäthaft (saijuna = sahija — sainprajnätuj 
und qualitätlos fnirguna = nirbija — asamprajüata). 

9. (U683.) Der qualitäthafte Yoga besteht in der Fesselung 



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C56 



III. Moksluulharma. 



des Manas nebst Atemregulierung, o Erdeherr, sodann in der 
Konzentration des Manas gleichfalls mit Atemregulierung. 

10. (11684.) Denn die Atemregulierung ist immerhin quali- 
täthaft. Man mufs aber in qualitätloser Weise das Manas 
fesseln, indem man die ganze sichtbare Welt und auch die 
Lebenshauche hinter sich läfst, o Bester der Mithilaherrscher, 
(H685.) dann entsteht Erhabenheit über den Wind. Darum 
soll man sich mit ihm [und mit der Atemregulierung] nicht 
mehr befassen. 

11. Für den ersten Teil der Nacht sind zwölf Antriebe 
[der Atemregulierung, codanäh] vorgeschrieben; (116S6.) für 
den mittleren schlaflosen Teil der Nacht gibt es zwölf weitere 
Antriebe. 

12. In dieser Weise ist von dem beruhigten, bezähmten, 
nur auf das Eine gerichteten, (H687.) in dem Ätman seine Ruhe 
findenden Wachenden der Atman im Yoga anzuspannen. 

13. Indem er fünffach die Versündigungen der fünf 
Sinnesorgane beseitigt, (11G88.) den Ton, die Gestalt, die Be- 
rührung, den Geschmack und den Geruch, 

14. indem er das Aufleuchten und das Erlöschen gleich- 
mäfsig vermeidet, o Herr von Mithila, (H689.) indem er die 
ganze Schar der Sinnesorgane im Manas einschliefst, 

15. das Manas im Ahankara zum Stillstand bringt, 
o Männerherr, (11690.) den Ahankära in der Buddhi, die Buddhi 
in der Prakriti, — 

16. nachdem er sie in dieser Weise abgefertigt hat, 
meditiert er den absoluten, (ii69i.) staublosen, fleckenlosen 
(lies: amalam), ewigen, unendlichen, reinen, unverwundbaren, 

17. feststehenden flasthusham l) Purusha, den ewig un- 
teilbaren, nicht alternden, unsterblichen, (HG92.) den immer- 
währenden, unzerstörbaren Gott, das unvergängliche Brahman. 

18. Vernimm nun die Merkmale des dem Yoga Hin- 
gegebenen, o grofser König; (ness.) das Merkmal seiner Be- 
ruhigung ist, wie wenn einer friedlich und sanft schlummert, 

19. wie wenn eine mit Öl gefüllte Lampe an windstillem 
Orte brennt (ii694.) mit unentwegt nach oben strebender 
Flamme, — so schildern die Weisen den im Yoga Begriffenen. 

20. Wie ein Stein, wenn er von den aus der W r olke 



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Adhyaya 318 (B. 316). 



657 



sprühenden Tropfen getroffen wird, (H695.) nicht im mindesten 
durch sie zum Wanken gebracht werden kann, so ist das 
Merkmal des im Yoga Begriffenen. 

21. Durch den Schall von Muscheln und Trommeln, 
durch allerlei Gesang und Musik, (iiG96.) wenn sie ertönen, 
bleibt er unerschüttert, das ist der Anblick, den der Erlöste 
gewährt. 

22. Wie ein Mann mit einem ölgefüllten Gefäfse in den 
Händen (11 697.) eine Treppe behutsam hinaufsteigt, während er 
von Schwertbewaffneten bedroht wird, 

23. aber festen Geistes vergiefst er nicht einen Tropfen 
aus dem Gefäfse aus Furcht vor ihnen, (11 698.) und so steigt 
er hinauf, während sein Sinn nur auf das Eine gerichtet ist, 

24. weil seine Sinne fest und unerschütterlich bleiben, — 
(H699.) so hat man die Merkmale eines dem Yoga hingegebenen 
Muni anzusehen. 

25. Wer sich ihm hingibt, schaut das Brahman, jenes 
höchste, unvergängliche, {11 700.) welches dasteht wie ein Licht 
inmitten der grofsen Finsternis. 

26. Dadurch gelangt er zum Absoluten nach Verlassen 
des unbeseelten Körpers (inoi.) und nach langer Zeit, o König, 
so lehrt es die ewige Schrift. 

27. Dieses [wisse als] den Yoga der Yogin's, das ist das 
wahre Merkmal des Yoga (11 702.) als solches wissen es, die es 
erfahren haben, die zum Endziele gelangten Weisen. 

So lautet im Moknuadhartna die Unterredung zwischen Yajiiavalkya und Janitka 

(Ydjnaea Ikua - Janaka - savirdda). 



Adhy&ya 319 (B. :U7). 

Vers 11703-1172:* (B. 1-21). 

Yäjnavalkya sprach : 

1. (1170» ) Vernimm nun auch mit Aufmerksamkeit, o Fürst, 
was über die aus dem Leibe ausziehende Seele zu sagen 
ist: Durch die Füfse ausziehend, gelangt einer zur Stätte des 
Vishnu, 

Deimm, lUbabbaratam. 42 



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G58 



III. Mokshadharma. 



2. (H704.) durch die Untersohenkel zu den göttlichen 
Vasu's, wie die Schrift lehrt, durch die Kniee zu den glück- 
seligen, göttlichen Sädhya's, 

3. (mos.) durch das Entleerungsorgan zur Stätte des 
Mitra, durch den Schofs zur Erde, durch die Schenkel zu 
Prajäpati, 

4. (mos.) durch die Seiten zu den göttlichen Marut's, 
durch den Nahel zur Indraschaft, durch die Arme zu Indra, 
durch die Brust zu Rudra, 

5. (H707.) durch den' Hals zu dem besten Muni, dem 
höchsten Nara (Närayana), durch den Mund zu den Vicve 
Deväl?, durch das Ohr zu den Himmelsgegenden, 

6. (H708.) durch die Nase zu dem Träger der Gerüche 
(dem Winde), durch die Augen zu Agni, durch die Augen- 
brauen zu den göttlichen Acvin's, durch die Stirn zu den 
Manen, 

7. (U709.) durch die Schädeldecke zu dem allgegenwärtigen 
Gotte Brahmän, dem Erstgeborenen der Götter; damit habe 
ich dir, o Herr von Mithilä, die Stätten für das Herausfahren 
mitgeteilt (vgl. oben Vers 10927). 

8. (ii7io.) Nun will ich dir die von den Weisen fest- 
gestellten unheilvollen Vorzeichen farishtänij erklären, wie 
sie für den Verkörperten, der innerhalb eines Jahres hin- 
scheiden wird, in Geltung sind. 

9. (11711.) Wer die Arundhati [den Stern Alkor im grofsen 
Bären] , die er sonst sehen konnte, einmal nicht sehen kann, 
oder ebenso den Polarstern, oder wer den Vollmond nur als 
Flamme 

10. (U712.) und teilweise von rechts her scheinen sieht, 
der hat nur noch ein Jahr zu leben. Wer sich nicht sieht 
im fremden Auge, o Erdeherr, 

11. (H713.) wer in ihm nicht mehr das eine Figur bildende 
Abbild seiner Selbst bemerkt, auch der hat nur noch ein Jahr 
zu leben. Wenn übermäfsiger Glanz und übermäfsiges Wissen 
sich in Unglanz und Unwissen wandelt, 

12. (H714.) wenn eine Umkehr der Naturbeschaffenheit 
eintritt, so ist dies ein Vorzeichen des Todes binnen sechs 

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Adhyäya 319 (B. 317). 



659 



Monaten. Wer die Götter mifsachtet oder sich gegen Brah- 
manen widerspenstig zeigt, 

13. (11715.) bei wem die dunkle Gesichtsfarbe einen fahlen 
Schein annimmt, für den ist dies ein Vorzeichen binnen sechs 
Monaten. Wer den Mond rissig sieht wie ein Spinnennetz 

14. (11716.) oder ebenso die Sonne, der stirbt binnen sieben 
Nächten. Wenn ein Mensch einen Leichengeruch wahrnimmt 
anstatt der Wohlgerüche, 

15. (H717.) während er in einem Göttertempel weilt, so 
stirbt er binnen sieben Nächten. Schlaffes Herabhängen von 
Ohr und Nase, Entfärben von Zahn[fleisch] und Augen, 

16. (H718.) Schwund des Bewufstseins und Verlust der 
Wärme sind Anzeichen des Todes am selben Tage. Wenn 
einem das linke Auge ohne Ursache tränt, o Männerherr, 

17. (11719.) und wenn Dampf von seinem Kopfe aufsteigt, 
so ist das ein Anzeichen des Todes am selben Tage. Diese 
Vorzeichen sich gegenwärtig haltend, möge der atmanhafte 
Mensch 

18. (ii72ü.) Tag und Nacht sich mit dem höchsten Atman 
eins wissen, indem er die Zeit abwartet, zu welcher hinzu- 
scheiden ihm bestimmt ist. 

19. (H721.) Ist ihm aber das Sterben nicht willkommen, 
so mag er wünschen, noch zu leben, möge aber die irdische 
Tätigkeit nebst allen Gerüchen und Geschmäcken nieder- 
halten, o Männerherr. 

20. (H722.) Mit Sänkhyalehre und Yogafosselung sich 
seines Atman bewufst bleibend, o Männerstier, wird er dann 
den Tod überwinden durch den Yoga, ihm ganz hingegeben 
mit innerer Seele. 

21. (H723.) Dann geht er Inn und erlangt die unvergäng- 
liche, vollkommene, geburtlose, selige, unverlierbare, ewige, 
unerschütterliche Stätte, welche unerreichbar ist für solche, 
die unbereiteten Geistes sind. 

So lautet im Mokahadharma die Unterredung xwlftcuon YajiiavaJkya und Janaka 

( YdjnaraUya - Jitnaka ■ $ainrd>fa). 



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III. Mokshadharma. 



Adhy&ya 320 (B. 318). 
Vers U 724-11836 (B. 1-112). 

Y&jfiavalkya sprach: 

1. (H7S4.) Ich bin von dir, o Fürst der Männer, gefragt 
worden nach jenem Höchsten, welches im Verborgenen weilt; 
vernimm, o Fürst, mit Aufmerksamkeit, was über diese höchst 
geheimnisvolle Frage zu sagen ist. 

2. (11725.) Indem ich demutvoll nach vedischem Gesetze 
wandelte, sind mir, o Fürst von Mithilä, von Aditya (dem 
Sonnengott) die Opfersprüche [des weisen Yajurveda, Brih. 
Up. 6,5,3] verliehen worden. 

3. (11726.) Durch die grofse Glut meines Tapas wurde der 
glutfrohe Gott verehrt, und so kam es, dafs der allbeherr- 
schende Sonnengott zu mir, o Untadliger, erfreut dieses 
Wort sprach: 

4. (11727.) Wähle, o Brahmanen weiser, ein Geschenk, wie 
du es wünschest, so schwer erlangbar es auch sein mag, ich 
werde es dir mit freudigem Herzen geben, obgleich meine 
Gnade schwer erlangbar ist. 

5. (117*28.) Da neigte ich mein Haupt und sprach zu dem 
Obersten der Glühenden: Opfersprüche, wie sie noch nicht 
in Gebrauch gewesen sind, wünsche ich augenblicklich zu 
erlernen. 

6. (H729.) Da sprach der Heilige zu mir: Ich werde sie 
dir verleihen, die Sarasvati hier wird als Rede in deinen 
Leib eingehen. 

7. (11730.) Und weiter sprach der Heilige zu mir: Öffne 
deinen Mund, und alsbald öffnete ich meinen Mund und Saras- 
vati ging in ihn ein. 

8. (U731.) Da geriet ich in Gluthitze und sprang ins 
Wasser, o Untadliger, aus Unkenntnis und Unwillen gegen 
den hochherzigen Lichtspender. 

9. (H732.) Da sprach zu mir, der ich in Gluthitze geraten 
war, der heilige Sonnengott: Ertrage den Brand eine Weile, 
dann wird er sich abkühlen. 



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661 



10. (H733.) Als der heilige Lichtspender mich abgekühlt 
sah, sprach er zu mir: Der Veda soll dir zuteil werden mit 
allen Ergänzungen und Anhängen, o Z wiegeborener, 

11. (H731.) und das ganze Catapatham sollst du, o Stier 
der Brahmanen, der Welt kund machen, und ist das ge- 
schehen, so wird dein Geist dazu gelangen, nicht mehr wieder- 
geboren zu werden, 

12. (H73Ö.) und du wirst zu der erwünschten, von Sänkhya 
und Yoga erstrebten Stätte eingehen. So sprach der heilige 
Sonnengott und ging zur Rüste. 

13. (H736.) Nachdem ich das Gesprochene vernommen 
hatte und der glanzreiche Gott entschwunden war, ging ich 
voll Freude nach Hause und gedachte dabei der Sarasvati. 

14. (H737.) Da geschah es, dafs die wunderschöne, mit 
Vokalen und Konsonanten geschmückte und den Omlaut an 
der Stirn tragende Göttin Sarasvati vor mir erschien. 

15. (H738.) Nun rezitierte ich vorschriftsmäfsig vor der 
Sarasvati das Gebührende und ebenso vor dem Besten der 
Glühenden, indem ich voll Andacht dasafs. 

16. (11739.) Und da geschah es, dafs ich das ganze (,'ata- 
patham nebst der Upanishad (rahasyamj , den Auszügen und 
Nachträgen zu meiner höchsten Freude aufsagen konnte. 

17. (H740.) Auch betrieb ich das Studium derselben mit 
hundert vorzüglichen Schülern zum Verdrusse meines hoch- 
sinnigen Oheims [Vaicampäyana] und seiner Schüler. 

18. (U741.) Darauf wurde von mir und meinen Schülern, 
wie von der mit Strahlen umgebenen Sonne, das Opfer deines 
hochsinnigen Vaters, o grofser König, ausgebreitet. 

19. (im*.) Nun beanspruchte ich vor den Augen des 
Devala von dem uns für die Vedarezitation zukommenden 
Opferlohne die Hälfte, worüber mein Oheim mit mir in Streit 
geriet, 

20. (11743.) aber von Sumantu, Paila, Jaimini, deinem 
Vater und den übrigen Weisen wurde mir Recht gegeben. 

21. (H744.) Fünfzehn Opfersprüche waren es [nämlich ge- 
wesen], o Untadliger, welche ich von dem Sonnengotte er- 
halten hatte; dazu wurde mir ferner von Romaharsha das 
Puranam mitgeteilt. 



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G62 



III. Mokshadhurma. 



22. (ii74ö.) Indem ich dieses alles als ersten Keim [meinem 
Werke] zugrunde legte und die Göttin Sarasvati zu Hilfe 
nahm, gelang es mir, durch die Macht des Sonnengottes, 
o Männerfurst, 

23. (H746.) das Qatapatham zu verfassen. So wurde dieses 
nie vorher Dagewesene von mir gemacht und, wie es von 
mir gewünscht worden war, als der rechte Weg fmargam'.) 
dargelegt, 

24. (H747.) und auch meinen Schülern das vollständige 
Ganze mitsamt den Auszügen gewährt. Und alle Schüler 
gingen geläutert und hocherfreut von dannen. 

25. (11748.) Jene fünfzehn Ursprossen aher sind als die 
Wissenschaft vom lichtbringenden Gotte offenhart worden, 
man möge sie zugrunde legen und folgendes nach Lust als 
Gegenstand des Wissens überdenken (anucintayet mit C): 

26. (H749.) Was ist hierin die heilige Wahrheit, was der 
höchste Gegenstand des Wissens? In Gedanken hierüber 
kam einst ein Gandharva zu mir und befragte mich. 

27. (H750.) Es war nämlich Vicvavasu, o König, der des 
Vedantawissens Kundige, welcher mir vierundzwanzig auf den 
Veda bezügliche Fragen vorlegte, o Erdeherr, 

28. (11751.) und eine iunfundzwanzigste Frage nach der 
Änvikshiki (der argumentierenden Wissenschaft). Was ist das 
All? das Nichtall? die Stute? der Hengst? Mitra? Varuna? 

29. (H752.) das Wissen? das Zuwissende? der Nicht- 
erkenner? der Erkenner? der Ka? der Leidende? der Nicht- 
leidende? der Sonnenfresser? die Sonne? die Wissenschaft? 
die NichtWissenschaft? 

30. (H753.) das Wifsbare? das Nichtwifsbare ? das Un- 
bewegliche? das Bewegliche? das Ursprüngliche? das Un- 
vergängliche? das Vergängliche? — das war die letzte Frage. 

31. (H754.) Da sprach ich, o grofser König, zu dem könig- 
lichen, vortrefflichsten, zielbewufsten Gandharven, der diese 
Reihe der höchsten Fragen an mich gerichtet hatte: 

32. (11755.) Warte eine kleine Weile, während ich nur 
die Sache überlege. — So sei es, erwiderte der Gandharva 
und verharrte in Schweigen. 

33. (H756.) Nun gedachte ich nochmals der Göttin Saras- 



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6(53 



vati, da wurde mittels meines Verstandes die Beantwortung 
jener Fragen aus mir herausgequirlt, wie Butter aus der Milch. 

34. (11757.) Und auch die Upanishad und den Nachtrag, 
o Herr, quirlte ich mittels meines Verstandes aus mir heraus, 
indem ich zugleich die Anvikshiki (die argumentierende 
Wissenschaft) im Auge behielt. 

35. (H768.) Was aber jene vierte auf den Zustand nach 
dem Tode bezügliche Wissenschaft betrifft, welche noch über 
die fünfundzwanzig Fragen hinausgeht, so wurde diese, o grofser 
König, dir schon von mir [in Adhyaya 319, oben S. 657 fg.] 
mitgeteilt. 

36. (U759.) Damals also, o grofser König, gab ich dem 
Vicvävasu zur Antwort: Höre die Antwort auf die Fragen, 
welche du, o Herr, an mich gerichtet hast. 

37. (H760.) Wenn du, o Fürst der Gandharven, nach dem 
All und Nichtall fragtest, so soll man wissen, dafs das All 
das höchste Unentfaltete ist, welches [als allverschlingend] 
Vergangenes und Zukünftiges in Furcht hält, 

38. (H761.) und welches dreigunahaft ist, sofern es die 
Guna's aus sich gebiert. Das Gegenstück des All ferner 
ist der Unteilbare. Unter dem Hengst und der Stute ist 
ebendasselbe Paar zu verstehen. 

39. (U762.) Das Unentfaltete wird auch Prakriti genannt, 
und unter dem Gunalosen ist der Purusha zu verstehen. In 
derselben Weise ist unter Mitra der Purusha, unter Varuna 
die Prakriti zu verstehen. 

40. (H763.) Das Wissen [sofern es durch Buddhi, Manas, 
Indriya's bedingt ist] heifst Prakriti, das Zuwis sende ist 
der Unteilbare; Nichterkenner und Erkenner ist der Pu- 
rusha [als gebundener und erlöster], darum wird er [als Sub- 
jekt des Erkennens] der Unteilbare genannt. 

41. (U7C4.) Ferner wurden der Ka, der Leidende und der 
Nichtleidende genannt; der Ka ist wieder jener Purusha, der 
Leidende ist die Prakriti, der Nichtleidende ist der Un- 
teilbare. 

42. (U765.) Das Nichtwifsbare ist die Prakriti, das 
Wifsbare der Purusha. Und wenn du mich weiter nach dem 
Beweglichen und Unbeweglichen fragtest, so vernimm von mir, 



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III. Mokshadharma. 



43. (11766.) dafs unter dem Beweglichen die Prakriti 
zu verstehen ist als die [materielle] Ursache des Vergehens 
und Entstehens; der Unbewegliche ist der Purusha als 
der Veranlasser von Wegraffung und Neuschöpfung. 

44. (11767.) [Andererseits] ist das Wifs bare das Unent- 
faltete und der Nichtwifsbare der Purusha, beide sind un- 
bewufst, beständig und unvergänglich. 

45. (H768.) Beide werden als ungeboren und ewig be- 
zeichnet auf Grund der Gewifsheit der Erkenntnis des inneren 
Selbstes. 

46. Weil sie bei ihrem Erzeugen unvergänglich bleibt, 
bezeichnet man sie [die Prakriti] als das Ungeborene und 
Unerreichbare. (11769.) Unter dem Unvergänglichen ist 
auch der Purusha zu verstehen, denn für ihn gibt es keinen 
Vergang. 

47. Sofern ihre Guna's vergehen, ist die Prakriti [das 
Vergängliche]; sofern es der Veranlasser ist, [bezeichnen] 
die Weisen [den Purusha] als den Unvergänglichen. (11770.) Da- 
mit hast du die argumentierende Wissenschaft, die vierte ist 
die auf den Zustand nach dem Tode bezügliche. 

48. Für einen, dem es nur darauf ankommt, in bestän- 
digem Werkdienste durch sein Werk einen von Wissenschaft 
begleiteten Reichtum zu erlangen, (11771.) für den, o Vicvä- 
vasu, haben sämtliche Veden nur diesen einen Zweck. 

49. Wer aber nicht dasjenige, worin alle Wesen geboren 
werden und sterben, und woraus sie hervorgegangen sind, 
(11772.) als den eigentlichen Zweck des Veda und als das Zu- 
wissende begreift, o Bester der Gandharven, 

50. der, und hätte er auch die Veden mitsamt Vedanga's 
und Upänga's (Gesch. d. Philos. I, 1, S. 45) durchstudiert. 
(11773.) versteht nichts von dem wahren Sinn des Veda und 
ist nur ein Lastträger des Veda. 

51. Wer, um Butter zu gewinnen, Eselsmilch quirlt, 
o Bester der Gandharven, (11774.) der wird statt Rahm und 
Butter nur Mist zu sehen bekommen. 

52. Ebenso wird der, welcher als Vedakenner das Wissens- 
werte [den Purusha] und das Nichtwissenswerte [die Prakriti] 



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66T) 



nicht herauszufinden weifs, (11775.) als ein blofser Tor nur ein 
Lastträger der Wissenschaft sein. 

53. Diese beiden mufs man allezeit im Auge behalten 
mit ungeteilt hingegebenem Geiste, (11 776.) wenn einem Geburt 
und Tod nicht immer wieder und wieder zuteil werden sollen. 

54. Wer das ohne Unterlafs erfolgende Geborenwerden 
und Sterben überdenkt, der wird diese dreifache Wissenschaft 
[den W r erkteil der drei Veden] (11 777.) als das Vergängliche 
dahinten lassen und in der unvergänglichen Satzung Wurzel 
fassen. 

55. Wenn er diese fort und fort Tag für Tag im Auge 
behält, o Käcyapa, (11 778.) dann wird er zur Absolutheit ge- 
langen und den Sechsundzwanzigsten schauen. 

5(5. Ein anderer ist der Ewige, Unentfaltete, und ein 
anderer der Fünfundzwanzigste, (11779.) von jenem lehren die 
Guten, dafs beide [Purusha's] ihn als den einzigen anschauen 
sollen. 

57. Darum geben sie sich nicht zufrieden mit jenem 
Fünfundzwanzigsten, Unerschütterlichen, (ii78o.) weil sie fürch- 
ten, dadurch der Geburt und dem Tode zu verfallen, sie, die 
nach dem Höchsten strebenden Anhänger des Yoga und 
Sänkhvam. 

Vicvfcvasu sprach: 

58. (11781.) Was du, o bester Brahmane, als jenes Fünf- 
undzwanzigste [den Jiva, die individuelle Seele] bezeichnetest, 
existiert das in Wahrheit oder existiert es nicht? Das mögest 
du, o Herr, mir erklären. 

50. (11782.) Wohl habe ich vernommen [von den Unter- 
redungen] des Jaigishavya und Asita Devala (oben, S. 327 fg.), 
des Priester weisen Paracara und des verständigen Varsha- 
ganya, 

60. (11783.) des Bhrigu (S. 144 fg.), Paficacikha (S. 270 fg.), 
Kapila (S. 449 fg.) und (,'uka (S. 333 fg.), des Gautama, 
Arshtishena und des hochsinnigen Garga, 

A 

61. (11784.) des Nurada (S. 405 fg.), Asuri, des verstän- 
digen Pulastya, des Sanatkumära (oben, S. 1 fg.) und des 
hochsinnigen (,'ukra 

62. (11785.) und meines Vaters Kacyapa (vgl. oben, 



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666 



III. Mokshadharma. 



Vers 11777), das alles habe ich vordem vernommen und weiter 
noch [die Reden] des Rudra und des weisen Vicvarupa. 

63. (11786.) Von Göttern, Vätern und Daiteya's hinter- 
einander habe ich alles dieses überkommen, und sie erklärten 
es für den ewigen Gegenstand des Wissens. 

64. (H787.) Darum möchte ich dieses durch deine Weis- 
heit auseinandergesetzt wissen, o Brahmane, denn du bist 
der oberste, bist der selbstvertrauende Kenner der Lehrbücher, 
der sehr Weise. 

65. (H788.) Es gibt nichts, was dir unbekannt wäre, du, 
o Herr, bist ein Ozean des heiligen Wissens, das erzählt 
man sich in der Götterwelt und in der Väterwelt, o Brahmane, 

66. (H789.) und auch die zur Brahmanwelt eingegangenen 
grofsen W r eisen preisen dich, und Äditya, der Herr der 
Glühenden, ist beständig der Verkünder deines Ruhmes. 

67. (l 1790.) Das ganze Sunkhyawissen ist von dir erlangt 
worden, o Brahmane, und namentlich auch, o Yäjftavalkya, 
die Lehre des Yoga. 

68. (H791.) Du bist ohne Zweifel ein Erweckter und kennst 
das Bewegliche und Unbewegliche, ich wünsche das Wissen 
zu vernehmen, welches aus dir quillt wie die Butter aus 
dem Rahm. 

Yajnavalkya sprach: 

69. (11792.) 0 Bester der Gandharven, ich erachte dich 
zwar für einen, der schon das Ganze besitzt, aber da du 
mich befragst, o König, so vernimm es, wie es in der Schrift 
gelehrt wird. 

70. (H 793.) Die nicht erkennende Prakriti erkennt der 
Fünfundzwanzigste, nicht aber erkennt, o Gandharva, die 
Prakriti den Fünfundzwanzigsten. 

71. (H794.) Vermöge dieses ihres Erkanntwerdens wird 
die Prakriti das Pradhanam (die Grundwesenheit) genannt 
von den Sankhya's und Yoga's, welche die in der Schrift 
dargelegte Wahrheit erkennen. 

72. (H796.) Schauend und auch wieder nicht schauend, 
schaut allezeit der andere [der Fünfundzwanzigste], o Un- 
tadliger, er schaut den Sechsundzwanzigsten, den Fünfund- 
zwanzigsten und den Vierundzwanzigsten [die Prakriti]. 



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GOT 



73. (H796.) Aber obgleich er schaut, schaut er doch nicht 
ihn, der auf ihn herabschaut, sondern er, der Fünfund- 
zwanzigste, wähnt, dafs kein anderer über ihm stehe. 

74. (H797.) Nicht aber sollen sich mit dem Vierund- 
zwanzigsten befassen die Menschen, welche die Wahrheit 
schauen. Der Fisch durchstreift das Wasser und bewegt 
sich durch eigene Bewegungskraft. 

75. (H798.) Was von dem Fische gilt, das gilt auch von 
jenem [Fünfundzwanzigsten] : Wegen des Anhaftens und Zu- 
sammenwohnens und wegen des beständigen Wahnes 

7G. (U799.) sinkt er unter während der Zeit, wann er die 
Einheit nicht schaut, und er taucht empor zu der Zeit, wann 
er von der Identität durchdrungen ist. 

77. (lisoo.) Wenn der Zwiegeborene erst zu der Erkennt- 
nis gelangt ist: ein anderer bin ich und ein anderer ist er 
[der Vierundzwanzigste], dann gelangt er zur Absolutheit und 
schaut den Sechsundzwanzigsten. 

78. (11801.) Ein anderer, o Fürst, ist der Höchste und ein 
anderer der Fünfundzwanzigste ; weil letzterer nur der Stand- 
ort von jenem ist, erkennen die Guten beide nur als einen. 

79. (11802.) Darum geben sie sich nicht zufrieden mit 
jenem Fünfundzwanzigsten, Unerschütterlichen, weil sie fürch- 
ten, dadurch der Geburt und dem Tode zu verfallen, sie, die 
Anhänger des Yoga und Sänkhyam, o Käcyapa, (11803.) welche 
auf den Sechsundzwanzigsten hinblicken in Reinheit und 
völliger Hingebung [vgl. Vers 11 779 fg.]. 

80. Wenn er, zur Absolutheit gelangend, den Sechsund- 
zwanzigsten schaut, (H804.) dann wird der Weise allwissend 
und verfällt nicht abermaligem Geborenwerden. 

81. Damit ist dir, o Untadliger, von mir der Nichterweckte, 
der Erwachende (H806.) und der Erweckte der Wahrheit ge- 
mäfs und nach Anschauung der Schrift dargelegt worden, 

82. [der Erweckte], welcher nicht mehr unterscheidet 
zwischen Schauendem und Geschautem, zwischen dem Müfsigen 
und dem Objekte, o Kacyapa, (um.) dem Absoluten und Nicht- 
absoluten, dem Fünfundzwanzigsten als Weltanfang und dem, 
was das Höchste ist. 




668 



III. Mokshndharma. 



Yicvarasu sprach: 

83. (11807.) Da hast du, o Herr, die schöne Wahrheit aus- 
gesprochen, die volle, beseligende, die der Ursprung der Götter 
ist; unvergängliches Heil werde dir allezeit zuteil, möge dein 
Geist für und für durch Einsicht in der Einsicht wurzeln! 

Yajnavalkya sprach: 

84. (H808.) So sprach der Hochsinnige und stieg zum 
Himmel empor, glänzend in Schönheit, nachdem er mit 
gröfster Befriedigung mich gegrüfst und nach rechts hin 
umwandelt hatte. 

85. (H809.) Dort lehrte er die empfangene Einsicht 
den Himmelsbewohnern mit Brahman an der Spitze und 
denen auf der Erde und den in der Tiefe Weilenden, 
o Männerfiirst, welche alle in rechter Weise den Heils- 
weg beschritten. 

86. (ii8io.) Alle Sänkhya's, die sich der Sänkhya- 
satzung erfreuen, und die Yoga's, die sich der Yoga- 
satzung erfreuen, und alle anderen Menschen, die nach 
Erlösung trachten, diesen allen ist diese durch Erkenntnis 
geschaute Wahrheit zuteil geworden. 

87. (usii.) Aus der Erkenntnis entspringt die 
Erlösung, o Königslöwe, nicht aus der Nichterkenntnis, 
so lehren sie, o Fürst der Männer, darum soll man nach 
der wahren Erkenntnis trachten, dann wird man seinen 
Atman von Geburt und Tod befreien. 

88. (11812.) Mag man diese Erkenntnis von einem Brah- 
manen empfangen oder von einem Kshatriya oder Vaicya 
oder selbst von einem gemeinen Qüdra, sofort soll man 
sie jederzeit mit Gläubigkeit annehmen, dem Gläubigen 
können Geburt und Tod nichts mehr anhaben. 

89. (H81S.) Alle Kasten, die Brahmanen und die von 
ihnen Abstammenden, alle bekennen jederzeit das Brah- 
man; als die Wahrheit verkündige ich durch Brahman- 
einsicht die Lehre: dieses ganze Weltall ist insgesamt 
Brahman. 

90. (ii8u.) Aus Brahman' s Mund sind die Brahmanen 
entsprungen, aus seinen Armen die Kshatriya' s, aus seinem 



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Adhyava 320 (B. 318). 



669 



Nabel die Vaicya's, aus seinen Füfsen die (,'iidra's, alle 
Kasten sind so und nicht anders anzusehen. 

91. (11815.) Wegen ihres Nichtwissens wird ihnen bald 
diese, bald jene Geburt für ihre Werke zuteil, o König, 
und wieder gehen alle Kasten ebenso in das Nichtsein 
über, wie sie, der Erkenntnis ermangelnd, in das gemeine 
Netz der Geburt durch ihr furchtbares Nichtwissen ge- 
stürzt worden waren. 

92. (H816.) Darum mufs man das Wissen von überall- 
her erfragen, und dafs es bei allen [Kasten] zu finden 
ist, habe ich dir bereits gesagt. Der Brahmane, welcher 
es besitzt, und jeder andere, der darin gegründet ist, 
dem wird die ewige Erlösung verheifsen, o Fürst der 
Männer. 

93. (U817.) Wonach du mich gefragt hast, das habe 
ich dir der Wahrheit gemäfs erklärt, darum magst du 
frei von Kummer leben; verfolge, o König, diese An- 
gelegenheit bis zu ihrem andern Ufer, damit ist alles 
gesagt; möge dir ewiges Heil zuteil werden! 

Bhlshma sprach: 

94. (11818.) Als der König in dieser Art von dem weisen 
Yäjfiavalkya belehrt worden war, da wurde er, der Herr von 
Mithila, von Freude erfüllt. 

95. (H819.) Nachdem der trefflichste Muni die Umkreisung 
nach rechts hin entgegengenommen hatte und geschieden 
war, blieb der männerbeherrschende Sprofs des Devaräta 
sitzen als ein der Erlösung Kundiger. 

96. (H820.) Zehn Millionen Kühe und Gold verteilte er an 
die Brahmanen und gab ihnen dazu soviel Edelsteine, wie 
beide Hände fassen konnten. 

97. (H821.) Die Herrschaft über die Videha's aber über- 
gab er seinem Sohne, und er, der Fürst von Mithila, betrieb 
fortan die Pflichten eines Asketen. 

98. (H822.) Und indem er das Sänkhyawissen und die 
gesamte Yogadisziplin studierte, verschmähte er die gemeine 
Beschäftigung, über Recht und Unrecht zu richten. 

99. (H823.) Ewig bin ich, so dachte er, und ergab sich 



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III. Mukshadharma. 



für immer dem Absoluten, aber Recht und Unrecht, Gutes 
und Böses, Wahrheit und Unwahrheit, 

100. (11824.) Geburt und Tod, das alles erachtete er für 
gemein, o Fürst der Könige. Denn dafs das alles nur das 
Unentfaltete und seine Evolutionen angehe, o Männerfurst, 

101. (11826.) das sehen die Sänkhya's und die Yoga's ein 
und schöpfen die Beweise dafür aus ihren Lehrbüchern. Denn 
das Brahman, welches höher als das Höchste ist, beharrt in 
Freiheit von Erwünschtem und Unerwünschtem. 

102. (H826.) Es ist das, welches die Weisen das Ewige, 
•das Reine nennen, darum werde auch du rein. Was gegeben 
wird, was man nimmt, was man als Gabe sich gefallen läfst, 

103. (ii827.) was man schenkt, o Fürst, und empfängt, 
•das alles schenkt und empfängt man im Bereiche des Un- 
cntfalteten [der Prakriti]. 

104. (H828.) Aber der Ätman gehört nur dem Atman an, 
welches andere gäbe es, das höher als er wäre! So sollst 
du allezeit denken und dich um nichts anderes kümmern. 

105. (H829.) Nur für denjenigen, welcher das Unentfaltete 
nicht kennt, nicht das Gunahafte, nicht das Gunalose, der 
mag immerhin in seiner Weisheit Badeplätze besuchen und 
Opfer darbringen. 

106. (ii83o.) Aber durch kein Vedastudium, keine Askese 
oder Opfer, o Kurusprofs, kann man die Stätte des Unentfal- 
teten [hier = Purusha] erreichen ; nur wer ihn erkennt, gelangt 
zur Herrlichkeit. 

107. (ii83i.) In derselben Weise wird einer [je nach dem 
Grade seiner Erkenntnis] die Stätte des Mahän oder die des 
Ahankära oder andere Stätten jenseits des Ahankära erlangen. 

108. (11832.) Aber nur die, welche das über das Unentfaltete 
[die Prakriti] erhabene Ewige auf Grund der Lehre erkennen, 
erlangen das von Geburt und Tod Freie, jenes Freie, welches 
weder seiend noch nichtseiend ist. 

109. (U833.) Diese Erkenntnis habe ich vordem von 
Janaka erhalten, dieser aber erhielt sie, o König, von 
Yäjfiavalkya; die Erkenntnis ist erhaben über den Opfer- 
kultus, durch die Erkenntnis und nicht durch Opfer über- 
windet man alle Schwierigkeiten. 



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Adhyaya 320 (B. 318). 



671 



110. (H834.) Die Schwierigkeiten liegen in Geburt und 
Tod, sie sind nicht blofs stofflicher Art, wie die Wissenden 
lehren, darum kann man durch Opfer, Askese, Selbst- 
bezwingung und Gelübde nur einen solchen Himmel er- 
langen, von dem man wieder herabsinkt. 

111. (H835.) Somit mögest du nur das Höchste, Grofse, 
Reine verehren, die selige Befreiung, die fleckenlose Läu- 
terung; diese Stätte erkennend, o Fürst, und das Opfer 
des Wissens als die Wahrheit hochhaltend, wirst du ein 
Rishi werden. 

112. (11836.) Weil jener Yäjnavalkya vordem dem 
Fürsten Janaka die Upanishad übermittelte und das in 
ihr behandelte Ewige, Unvergängliche, darum gelangte er 
zu der herrlichen, leidlösen Unsterblichkeit. 

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwisclieu Yäjnavalkya und Janaka 

C YdjUaraUya -Janaka - »ainrdda). 

Adhyaya 321 (B. 319). 

Vers 11 837-1 (B. 
Yudhishthira sprach: 

1. (U837.) Wie kann einer, der sich im Besitze grofser 
übernatürlicher Kräfte oder reicher Güter oder langer Lebens- 
dauer befindet, dem Tode entgehen, 

2. (U838.) sei es durch grofse Askese oder Werke oder 
Schriftgelehrsamkeit? Oder durch welche Lebenselixiere kann 
man Alter und Tod vermeiden? 

Bhishma sprach: 

3. (11839.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich des bettelnd umherpilgernden Paficacikha 
Unterredung mit dem Könige Janaka. 

4. (H840.) Janaka, der König von Videha, befragte den 
überaus vedakundigen grofsen Weisen Paficacikha, der alle 
Zweifel über den Sinn des Gesetzes gelöst hatte: 

5. (11841.) Durch welches Verhalten, o Heiliger, kann man 



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672 



III. Mokshadharma. 



Alter und Tod vermeiden, sei es durch Askese oder durch 
Einsicht oder durch Werke oder durch Schrift gelehr samkeit ? 

6. (11842.) Auf diese Frage erwiderte dem Videhakönige 
er, dessen Wissen his ins Verborgene drang: Zu vermeiden 
sind die beiden nicht, und doch ist es nicht unmöglich, sie 
zu vermeiden. 

7. (11843.) Nicht kommen die Tage wieder, nicht die Mo- 
nate und nicht die Nächte, und der Mensch, ungewifs wie 
er ist, geht endlich den gewissen Weg. 

8. (U844.) Alle Wesen fallen der Vernichtung anheim; 
wie durch einen Strom wird man immer weiter fortgerissen, 
und dem, der fortgerissen wird und untersinkt auf dem schiff- 
losen Ozean der Zeit, 

9. (11846.) in dem Alter und Tod als grofse Krokodile 
hausen, kommt niemand zu Hilfe, keiner steht ihm zur Seite, 
und er steht keinem zur Seite 

10. (H846.) Nur ein Sichtreffen auf dem Wege ist die 
Verbindung mit Gattinnen und Verwandten, und noch nie ist 
einer gewesen, der mit ihnen ewig zusammengewohnt hätte. 

11. (11847.) Durch den Zeitgott werden sie wieder und 
wieder bald mit diesem, bald mit jenem zusammengeweht 
unter Donnern wie kommende und gehende Wolkenmassen 
durch den Wind. 

12. (H848.) Alter und Tod verschlingen wie Wölfe die Wesen, 
die starken und die schwachen, die kleinen und die grofsen. 

13. (H849.) Aber von ewiger Beschaffenheit ist der in diesen 
vergänglichen Wesen in die Erscheinung tretende (bhutaj 
Atman. Wie sollte der Freude an dem Entstehen oder Kummer 
über das Vergehen empfinden! 

14. (U850.) Woher bin ich gekommen? wer bin ich? wo- 
hin werde ich gehen? wem gehöre ich an? worin bin ich 
gegründet? [Da alle diese Fragen den Atman nicht betreffen,] 
wie solltest du irgend jemandem nachtrauern? 

15. (H85i.) Wer anders als du geht dem Himmel, wer 
anders der Hölle entgegen ! Darum übertrete nicht das heilige 
Gesetz, sondern sei fleifsig im Spenden und Opfern. 

So tautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Pafica^ikha und Janaka 

(Pa*ca$ ikfia -Janaka - smntdda). 



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Adhyäya 322 (B. 320). 



673 



Aclhyftya H22 (B. 320). 

Vers U 8f>2 -12043 (B. 1-190). 

Yudhishthira sprach: 

1. (U852.) Wer vermag, auch ohne den Hausvaterstand 
aufzugeben, die Befreiung von der Buddhi [und den übrigen 
Evolutionen der Prakriti] als das Wesen der Erlösung zu 
erlangen? Das sage mir, o Bester der Königsweisen unter 
den Kuru's. 

2. (H853.) Wie dieser [individuelle] Atman abgeschüttelt 
wird, und wie das, was der Atman des Entfalteten [der Körper] 
heifst, und was das höchste Ziel der Erlösung ist, das sage 
mir, o Grofsvater. 

Bhlshma sprach: 

3. (11854.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, o Bharata, nämlich die Unterredung des Janaka 
mit der Sulabha. 

4. (H855.) Es war einmal ein König, der die Frucht der 
Entsagung genofs, zu Mithilä mit Namen Janaka Dharma- 
dhvaja, so ist es überliefert. 

5. (H856.) Er, der sich mit dem Veda, mit dem Erlösung*- 
gesetz und mit seinem eigenen [Königs-] Gesetz viele Mühe 
gegeben hatte, regierte sein Land, indem er seine Sinne in 
Zucht hielt. 

6. (H857.) Von seinem guten Wandel hörten andere veda- 
kundige, weise Männer in der Welt und eiferten ihm nach, 
o Herr der Männer. 

7. (H858.) Nun geschah es, dafs in diesem gerechten Zeit- 
alter eine der Yogasatzung beflissene Bettelnonne mit Namen 
Sulabha allein die Welt durchpilgerte. 

8. (H859.) Indem sie in dieser Weise die ganze Welt durch- 
streifte, hörte sie hier und da, wie der König von Mithila 
von Dreistabträgern (Asketen) in betreff' der Erlösung ge- 
rühmt wurde. 

0. (11860.) Als sie diese schwer glaubliche Kunde vernahm, 
zweifelte sie an ihrer Wahrheit, und es stieg in ihr der Wunsch 
auf, den Janaka kennen zu lernen. 

D«UMKir, Mab4bhAr*Ura. 43 



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674 



III. Mokshadliunua. 



10. (11861.) Da streifte sie durch Yogazauberkunst ihre 
frühere Gestalt ab und nahm eine andere Gestalt von un- 
vergleichlicher Körperschönheit an. 

11. (H862.) Und in einem Augenblick flog leicht wie ein Pfeil 
die Schönbrauige, Lotosaugige auf die Stadt der Videha's zu. 

12. (H863.) Angelangt in dem lieblichen, von vielen Men- 
schen erfüllten Mithilft, nahte sie sich unter dem Vorwand e 
zu betteln dem Fürsten der Stadt. 

13. (H864.) Als der König ihre überaus jugendliche und 
schöne Gestalt sah, geriet er in Erstaunen und fragte: Wer 
ist diese, zu wem gehört sie und wo kommt sie her? 

14. (11865.) Nachdem er sie willkommen geheifsen hatte, 
bot er ihr einen vorzüglichen Sitz an, ehrte sie durch Fufs- 
waschung und erquickte sie durch vortreffliche Speise. 

15. (H866.) Als die Bettelnonne mit Vergnügen gegessen 
hatte, unternahm sie es, den von seinen Räten umgebenen 
König inmitten der aller Auslegungen kundigen Gelehrten 
anzustacheln, 

16. (H867.) und zweifelnd, ob er in seiner Pflichterfüllung 
der Erlösung teilhaftig geworden war oder nicht, drang die 
Sulabhft vermöge ihrer Yogakunst mit ihrer Wesenheit in 
die Wesenheit des Königs ein. 

17. (11868.) Mit den Strahlen ihrer Augen fesselte sie seine 
Augenstrahlen und, um ihn anzustacheln, band sie ihn durch 
die Bande des Yoga. 

18. (H869.) Aber der König Janaka lächelte, und um ihre 
Macht zu überwinden, suchte er durch seine Macht die ihre 
zu fesseln, o Bester der Könige. 

19. (ii87o.) Vernimm nun, welche Unterredung sie, an 
demselben Orte zusammengekommen, miteinander pflogen, 
während er den Sonnenschirm und die übrigen Zeichen der 
Königswürde und sie den Dreistab abgelegt hatte. 

Janaka sprach: 

20. (ii87i.) Zu welchem Zwecke hast du, o Heilige, diese 
Pilgerschaft unternommen, wohin willst du gehen, zu wem 
gehörst du und woher kommst du? So befragte sie der Herr 
des Landes. 



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Adliyäya 322 (B. 3201. 675 

21. (H872.) Wie es mit deiner Schriftkunde, deinem Lebens- 
alter und deiner Geburtsstellung in Wahrheit steht, ist mir 
nicht bewufst, darum mögest du über diese Dinge bei der 
Zusammenkunft mit mir Aufschlufs geben. 

22. (11873.) Wisse, dafs ich den Sonnenschirm und die 
übrigen Abzeichen nicht blofs zum Scheine abgelegt habe; 
ich wünsche dich dadurch zu ehren, denn du verdienst es 
und wirst von mir geehrt. 

23. (H874.) Vernimm, von wem ich dieses hervorragende 
Wissen als einzigem Lehrer desselben ehemals empfangen 
habe, vernimm von mir auch diese Erlösungslehre. 

24. (ii87r>.) Als hochgeschätzter Schüler des aus der Fa- 
milie des Paräcara stammenden alten hochsinnigen Bettel- 
pilgers Paficacikha 

25. (11876.) habe ich in dem Sänkhyawissen und im Yoga, 
sowie auch in der Lebensregel der Könige, in dieser drei- 
fachen Erlösungslehre meinen Weg gefunden und alle Zweifel 
gelöst. 

20. (ii877.) Während dieser, umherpilgernd nach der Vor- 
schrift seines Gesetzes, die vier Regenmonate hindurch ehe- 
dem bei mir gern verweilte, 

27. (11878.) bin ich von ihm, dem obersten Meister der 
Sänkhvalehre, der ihren Sinn vollkommen und der Wahrheit 
gemäfs erkannt hatte , in jener dreifachen Erlösungslehre 
unterrichtet und doch nicht zum Aufgeben meiner Königs- 
würde veranlafst worden. 

2*. (H879.) Und diesen ganzen dreifachen, zur Erlösung 
fuhrenden Lebenswandel halte ich frei von Leidenschaft ein 
als einziger, der auf einer so hohen Stelle steht. 

2t). (U880.) Aber die höchste Vorschrift dieser Erlösungs- 
lehre liegt in der Entsagung, und die Entsagung, durch die 
man erlöst wird , entspringt aus der Erkenntnis. 

30. (ii88i.) Vermöge der Erkenntnis legt man sich An- 
strengung auf, durch die Anstrengung wird Grofses erreicht, 
und dieses Grofse führt zur Erhabenheit über die Gegensätze 
des Lebens, das ist die Vollendung, die über das Leben 
hinausreicht. 

31. (11882.) Diese höchste Erhabenheit über die Gegen- 

4:j* 



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670 



III. MokBha.lharwa. 



sätze ist mir aus der Erkenntnis zuteil geworden, indem ich 
frei von Verblendung und ohne Weltanhänglichkeit hienieden 
wandle. . 

32. (H883.) Wie ein durchpflügtes und wohlbewässertes 
Feld die Frucht aufspriefsen läfst, so erzeugt das Werk der 
Menschen ihre abermalige Geburt. 

33. (H884.) Und wie der in irgendeiner Schale geröstete 
Same, auch wenn ihm die Gelegenheit zu spriefsen geboten 
wird, nicht mehr keimt, weil ihm die Samenkraft fehlt, 

34. (U885.) so ist von jenem heiligen, nach der Flamme 
fcikhä) sich nennenden Bettelpilger die Erkenntnis mir mit- 
geteilt worden, infolge deren mein der Keimkraft beraubtes 
Wesen nicht mehr in der Sinnenwelt spriefst. 

35. (11886.) Es iiihlt keine Leidenschaft bei irgend etwas, 
nicht bei Feindlichem, nicht bei Angehörigem, es fühlt keine 
Leidenschaft bei all dergleichen wegen der Zwecklosigkeit 
der Liebe wie des Zornes. 

30. (H887.) Mag einer meinen rechten Arm mit Sandel- 
holzsalbe bestreichen oder mag einer meinen linken Arm ab- 
hauen, — mir gelten beide gleich. 

37. (11888.) Ich bin glücklich, denn ich habe das Ziel er- 
reicht ; mit Gleichmut blicke ich auf Erdklumpen, Steine und 
Gold; frei von Weltanhänglichkeit, verharre ich in meiner 
Königsherrschaft, erhaben über die anderen, auch wenn sie 
als Asketen den Dreistab tragen. 

38. (11889.) Der Erlösung gegenüber wird von verschie- 
denen Erlösungskundigsten ein dreifacher Standpunkt ein- 
genommen. Sofern das Wissen über die Welt erhebt und 
auf alle Werke verzichtet, 

39. (11890.) preisen die einen Erlösungskundigen den Stand- 
punkt des Wissens; andere das Geheime schauende W r eise 
rühmen den Standpunkt der Werke; 

40. (ii89i.) aber auf beides völlig zu verzichten, auf die 
Erkenntnis und auf die Werke, dieser dritte Standpunkt wurde 
von jenem Hochsinnigen vertreten. 

41. (U892.) In ihrem Verhalten zu Zucht, Selbstzucht, Liebe, 
Hafs, Umgebung, Hochmut, Trug und Welthang stehen jene 
da [die Asketen] mit den Familienvätern auf einer Linie. 



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Adhy&ya 322 (B. 320). 



(177 



4'2. (H893.) Wenn durch die Erkenntnis irgendeiner der 
dreistabtragenden oder sonstigen Asketen die Erlösung er- 
langt, warum soll sie nicht auch den Inhabern von Sonnen- 
schirmen und anderen königlichen Abzeichen erreichbar sein, 
wofern beide auf dem gleichen Grunde stehen! 

43. (H894.) Aus welchem Grunde auch immer einer bei 
einem Werke hienieden einen Zweck verfolgen mag, immer 
befafst er sich mit diesem Werke so, dafs er in jeder Hin- 
sicht seinen Zweck im Auge hat. 

44. (H895.) Wer aber den Hausvaterstand für sündhaft 
hält und darum zu einem andern Lebensstadium übergeht, 
der beweist durch sein Loslassen des einen und Ergreifen 
des andern, dafs er noch nicht frei von W r elthang ist. 

45. (1189«.) Da ferner der König und der Bettelpilger in 
gleicher Weise Herrschaft im Bestrafen und Belohnen aus- 
üben [der eine bei seinen Untertanen, der andere bei seinen 
Schülern], warum sollen denn die mit den Königen auf einer 
Linie stehenden Bettler den Vorzug der Erlösung haben? 

46. (11897.) Obgleich also bei beiden eine Herrscherstellung 
vorliegt, werden sie durch die Erkenntnis allein von allem 
Übel erlöst, sofern sie in der höchsten Persönlichkeit [des 
Purusha] feststehen. 

47. (11898.) Das braune Bettlergewand, die Kahlköpfigkeit, 
der Dreistab und der Wasserkrug sind nur nebensächliche 
Abzeichen und helfen nichts zur Erlösung, das ist meine 
Meinung. 

48. (ii sm.) Wenn nun auch da, wo diese Abzeichen vor- 
handen sind, nur die Erkenntnis die Erlösung bewirkt, so 
folgt daraus, dafs für die Erlösung vom Leiden diese Ab- 
zeichen allein ohne Bedeutung sind. 

49. (H900.) Wenn man hingegen hinsichtlich der Befreiung 
vom Leiden auf äufsere Abzeichen überhaupt einen Wert legt, 
warum sollen bei der Gleichheit des Zweckes nicht auch die 
Königsabzeichen als Mittel anerkannt werden? 

50. (ii9oi.) In der Besitzlosigkeit liegt noch nicht die Er- 
lösung, in dem Besitze noch nicht die Bindung, beim Besitz 
wie beim Gegenteil wird der Mensch nur durch die Er- 
kenntnis erlöst. 



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678 



III. Moksliadharuia. 



51. (11902.) Darum wisse, dafs trotz des Guten, Angenehmen 
und Nützlichen, trotz des Königtums und allem Zubehör, trotz 
dieser Anlässe zur Bindung einer auf dem von der Bindung 
erlösten Standpunkt stehen kann. 

52. (ii 903.) Die Stricke, welche aus Königtum und Herrscher- 
macht geflochten sind, welche an den Boden des Welthanges 
uns binden, sind von mir durch das am Stein der Erlösung 
gewetzte Messer der Entsagung durchschnitten worden. 

53. (U904.) Auf diesem Wege bin ich zur Erlösung gelangt 
Ich nehme Interesse an dir, o Bettelnonne, und darum möchte 
ich dir sagen, dafs dein Aufseres nicht mit deinem Zwecke 
in Einklang steht; höre, warum. 

54. (U905.) Zartheit, Schönheit, herrliche Gestalt und 
Jugend, das alles ist dir eigen; ob aber auch Selbst- 
bezwingung, das ist die Frage. 

55. (H906.) Dafs jedenfalls dein Betragen nicht zu diesem 
deinem Aufzuge stimmt, [ergibt sich daraus, dafs] du, um 
zu ermitteln, ob ich erlöst sei oder nicht, in meinen Wesens- 
bereich eingedrungen bist. 

56. (U907.) Einem Yogin, der noch mit Begierde behaftet 
ist, ist auch der Dreistab (tridandakam mit C.) nichts nutze. 
Diese Regel wird von dir nicht beobachtet, wer aber wirk- 
lich erlöst ist (vimuktasya mit C), der pflegt auf seiner Hut 
zu sein. 

57. (H908.) Da du dich an mich herangedrängt hast, so 
höre, welcher Übertretung ich dir schuld gebe, die du eigen- 
mächtig in meinen bisherigen Wesensbereich eingedrungen bist. 

58. (ii9oy.) Mit welchem Rechte bist du in mein Reich, in 
meine Stadt gekommen? auf wessen Veranlassung bist du in 
mein Herz eingedrungen? 

59. (ii9io.) Du als Brahmanin bist die trefflichste Ver- 
treterin der obersten Kaste, ich aber bin ein Kshatriya, eine 
Verbindung zwischen uns beiden ist nicht statthaft, strebe 
nicht nach Kastenvermischung. 

60. (119H.) Du befolgst die Satzung der Erlösung und ich 
gehöre dem Lebensstadium des Hausvaters an, und auch zum 
zweiten würde eine Vermischung dieser Lebensstadien für dich 
sehr übel sein. 



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Adhy&ya 322 (B. 320). 



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61. (it9i2.) Ob du zu meinem Familienkreis gehörst oder 
nicht, das weifs ich nicht von dir und du weifst es nicht von 
mir; durch dein Eingehen in einen, der demselben Familien- 
kreise angehört, würde von dir als drittes das Vergehen der 
Vermischung innerhalb des Familienkreises begangen werden. 

62. (H913.) Aber vielleicht lebt dein Gatte und weilt nur 
irgendwo in der Ferne, dann würde nach der Vorschrift, dafs 
man der Gattin eines andern nicht nahen darf, noch als viertes 
Vergehen eine Verwirrung des Gesetzes eintreten. 

63. (119H.) Zu diesen Vergehen hast du dich um eines 
bestimmten Zweckes willen fortreifsen lassen, sei es aus Un- 
kenntnis, sei es aus Irrtum. 

64. (H915.) Oder hast du dich etwa durch eigene Schuld 
[von dem Gesetze, welches fordert, dafs ein Weib stets ab- 
hängig bleibe] emanzipiert, nun, dann ist all dein Vedastudium, 
soviel du davon haben magst, vergebens gewesen. 

65. (H916.) Und dies ist ein neuer, dritter Vorwurf gegen 
dich, dafs du mein Wesen antastest und dadurch störst; und 
das ist das Kennzeichen eines schlechten Weibes, welches 
durch dein unverhülltes Benehmen an den Tag gekommen ist. 

66. (11917.) Und du, indem du zu triumphieren wünschest, 
richtest bei deinem Triumphe deine Absicht nicht auf mich 
allein, sondern du strebst danach, auch über diese meine 
ganze Umgebung zu triumphieren. 

67. (U918.) Und in dieser Weise richtest du weiter dein 
Augenmerk auf diese würdigen Männer, um meine Partei 
niederzuwerfen und deine Partei zu heben. 

68. (H919.) Du aber, verblendet durch die aus Übelwollen 
gegen mich entsprungene Machtverblendung, schüttest noch 
immer weiter deine Yogakünste aus, als Gift und Amritam 
zugleich. 

69. (H920.) Wenn Mann und Weib, die einander begehren, 
das Ziel erreichen, so ist das dem Amritam vergleichbar; wenn 
aber ein Verliebter das Ziel seiner Wünsche nicht erlangen 
kann, so ist das ein Unglück, welches dem Gifte gleichkommt. 

70. (11921.) Weiche nicht ab vom geraden Wege, sei weise 
und befolge deine Lebensregel, denn deine Neugierde darüber, 
ob ich erlöst bin oder nicht, ist ja befriedigt worden. 



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680 



III. Mokshadharnia. 



71. (H922.) Nun darfst du aber auch alle deine Geheim- 
nisse nicht vor mir verbergen (guhitum mit C). Magst du 
auf eigene Veranlassung oder auf die eines andern Fürsten 
hier sein, (11923.) du darfst vor mir nicht die Wahrheit ver- 
bergen, indem du dich mit falschem Schein umhüllst. 

72. Einem Könige darf man nie mit Falschheit begegnen, 
noch auch einem Brahmanen, (11924.) noch einer mit weib- 
lichen Tugenden gezierten Frau, denn wer sich mit einem 
falschen Schein umgibt, der schädigt. 

73. Die Kraft des Königs besteht in der Herrschaft, die 
des Brahmankenners im Brahman, (11 926.) die gröfste Kraft 
der Frauen besteht in ihrem Beglücktsein mit Schönheit und 
Jugend. 

74. Darum mufs, wer seinen Zweck erreichen will, die 
durch solche Kräfte Mächtigen (11026.) mit Geradheit angehen, 
denn der ungerade Weg fuhrt zum Verderben. 

75. Darum mufst du deine Geburt, Schriftgelehrsamkeit, 
Lebensregel, Macht, Natur (11 927.) und den Zweck deines Her- 
kommens der Wahrheit gemäfs mitteilen. 

Bhlshma sprach: 

76. (H928.) Obgleich mit diesen unfreundlichen, unpassen- 
den, unüberlegten Worten vom Könige abgewiesen, liefs sich 
die Sulabhä doch nicht einschüchtern. 

77. (H929.) Nachdem aber der König seine Rede geendet 
hatte, begann die lieblich aussehende Sulabhä eine noch 
lieblichere Rede zu halten. 

Sulabhä sprach: 

78. ni93o.) Eine von den achtzehn, Rede und Gedanken 
verderbenden Fehlern freie, inhaltreiche, mit den achtzehn 
Vorzügen geschmückte 

79. (11931.) Subtilität, ferner Überlegtheit und Ord- 
nung, sowie Klarheit des Resultates und Motiv, diese 
fünf, durch den Zweck bedingten Erfordernisse, o Fürst, 
machen eine Rede aus. 

80. (U932.) Von diesen Erfordernissen, der Subtilität usw., 
welche in Begriff, Wort und Satz zum Ausdruck kommen, 
vernimm im einzelnen die Definition. 



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AdhyAya 322 (B. 320). 



681 



81. (Ho s.) Wenn die Erkenntnis je nach den verschie- 
denen Erkenntnisobjekten sich verschieden gestaltet und der 
Verstand überall dabei tätig ist, so macht das die Sub tili tat 
der Rede aus. 

82. (H934.) Wenn man im Hinblick auf einen bestimmten 
Zweck die Tragweite der Fehler und Vorzüge beim Reden sich im 
einzelnen klar macht, so ist dies als Cberlegtheit anzusehen. 

83. (11935.) Von dem, was man sagen will, mufs dies vor- 
her und jenes nachher gesagt werden ; das nennen die Kenner 
der Beredsamkeit eine in Ordnung verlaufende Rede. 

84. (H936.) Wenn man im einzelnen über Gutes, An- 
genehmes, Nützliches oder über die Erlösung sich verbreitet 
hat und am Schlüsse der Rede sagen kann: „so ist es", so 
wird das die Klarheit des Resultates genannt. 

85. (U937.) Wenn infolge der aus Wunsch und Hafs ent- 
springenden Affekte eine überwiegende Neigung sich einstellt 
und diese sich im Handeln betätigt, o Fürst, so wird dieses 
das Motiv genannt. 

8t). (U938.) Diese genannten fünf Erfordernisse, Subtili- 
tät usw., zu einem Zwecke vereinigt, sollst du als meine 
Rede, o Fürst, vernehmen. 

87. (U939.) Ich will dir eine sinnreiche, unzweideutige, 
regelrechte, nicht weitschweifige, milde, zweifelsfreie, vorzüg- 
liche Rede halten, 

88. (11940.) eine nicht schwerfällige, nicht der Heiterkeit 
abgeneigte, wahre, nicht dem Guten, Angenehmen und Nütz- 
lichen zuwiderlaufende, nicht des Schmuckes entbehrende, 

89. (11941.) eine nicht unvollständige, nicht häfsliche Worte 
enthaltende, nicht hochfahrende, nicht wegen bildlicher Aus- 
drucksweise erklärungsbedürftige, nicht der Begründung ent- 
behrende, nicht unmotivierte. 

90. (H942.) Hingegen werde ich nie in meiner Rede mich 
von Begierde, Zorn, Furcht, Habsucht und unedlem Klein- 
mute, noch auch von Schüchternheit, Mitleid und Hochmut 
beherrschen lassen. 

91. (U943.) Wenn Redner, Hörer und die vollständige Rede 
harmonisch beim Reden zusammenstimmt, o Fürst, dann tritt 
der beabsichtigte Sinn zutage. 



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682 



III. Mokshadh.mnu. 



92. (11944.) Wenn hingegen der Redner in der Rede Ver- 
achtung des Hörenden bekundet, indem er nur sein Interesse 
vertritt und dieses für das Interesse des andern ausgibt, dann 
kann die Rede nicht wirken. 

93. (11945.) Wenn er aber sein eigenes Interesse ganz ver- 
leugnet und nur das Interesse des andern vertritt, dann fafst man 
Mifstrauen gegen ihn, und auch eine solche Rede ist verfehlt. 

94. (H946.) Wenn dagegen der Redner das beiderseitige 
Interesse, das des Hörenden und sein eigenes, als in Ein- 
klang stehend nachweist, ein solcher und kein anderer ist 
der wahre Redner, o König. 

95. (H947.) So höre denn, o König, diese sachgemäfse 
Auseinandersetzung. Wie Leim und Holz, wie Staub und 
Wassertropfen 

96. (H948.) miteinander verbunden sind, so ist es auch, 
o König, mit der Zusammensetzung der lebenden Wesen in 
dieser Welt. Ton, Gefühl, Geschmack, Gesicht und Geruch 
sind die fünf Sinne; 

97. (11949.) ihre besonderen Wesenheiten sind zu einer 
Wesenheit verbunden wie Leim und Holz. Aber sie haben 
durchaus keinen Einflufs aufeinander, das ist klar. 

98. (U950.) Jedes einzelne von ihnen hat kein Bewufstsein, 
weder von sich selbst, noch von dem andern: das Auge weifs 
nicht, dafs es Auge ist, das Ohr hat keine Kunde von sich selbst 

99. (H951.) Dennoch überschreiten sie bei ihrem Wirken 
nicht ihre Grenzen, obgleich sie kein Bewufstsein davon 
haben, miteinander verbunden zu sein wie Wasser und Staub. 

100. (11952.) Hingegen stehen sie in Beziehung zu anderen 
Dingen aufser ihnen, nämlich zu den Qualitäten; vernimm 
auch diese von mir. Die Gestalt, das Auge und das Licht 
wirken als drei Ursachen beim Sehen zusammen. 

101. (119öS.) Wie in diesem Falle, so wirken auch bei 
den anderen Erkenntnisobjekten die entsprechenden Ursachen 
zusammen, und bei diesem Gegensatze zwischen Erkenntnis 
und Erkenntnisobjekt tritt eine höhere Qualität in Krall, 
welche das Manas heifst. 

102. (U954.) Indem sie überlegt bei dem Entscheiden über 
Gutes und Böses, tritt hierbei eine zwölfte Qualität in Kraft, 



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Adhyaya 322 (B. 320). 



G83 



welche Buddhi heifst (11955.) und nach vorhergegangenem 
Zweifel über die Erkenntnisobjekte die Entscheidung trifft. 

103. Über diese zwölfte Qualität erhebt sich eine andere, 
welche Sattvam genannt wird (U95g.) und nach welcher der 
Mensch beurteilt wird als reich an Sattvam oder arm an 
Sattvam. 

104. Ich bin der Täter faham kartäj, so spricht eine 
weitere, vierzehnte Qualität, [sie heifst Ahankära] (ii957.)weil 
sie sagt, dieser Mensch gehört mir und jener gehört mir nicht. 

105. Dann folgt, o König, eine fünfzehnte höhere Quali- 
tät, (11958.) welche bezeichnet wird als der Inbegriff der 
Summe der verschiedenen Teile. 

106. Dann folgt als sechzehnte eine weitere Qualität, 
welche gleichsam ein Aggregat ist [nach Nil. die Avidyä], 
(11959.) aufweiche zwei weitere Qualitäten, nämlich Prakriti 
und Vyakti (Entfaltung) sich stützen. 

107. Lust und Unlust, Alter und Tod, Gewinn und Ver- 
lust, Liebes und Unliebes, (ii9G0.) in diesen besteht die neun- 
zehnte Qualität, welche die Paarung der Gegensätze heifst. 

108. Höher als die neunzehn steht eine weitere Qualität, 
welche Kala (die Zeit) genannt wird, (11 »ei.) durch sie als 
die zwanzigste sind Entstehen und Vergang der Wesen bedingt. 

100. Dieser zwanzigfache Komplex, dazu die fünf grofsen 
Elemente (ii».;2.) und zwei andere zum Vorschein kommende 
Qualitäten, welche mit dem Charakter des Seienden und 
Nichtseienden behaftet sind, 

110. dieser zwanzigfache Komplex und dazu die sieben 
erwähnten Qualitäten, (ii;>«3.) ferner Vidhi (moralischer Exi- 
stenzgrund), (,'ukram (Eintritt ins Dasein durch Zeugung) 
und Balam (Betätigung im Dasein) als drei weitere Guna's, — 

111. das sind alles in allem zusammengezählt dreifsig 
Qualitäten; (H964.) dasjenige, worin diese sämtlich sich zu- 
sammengefunden haben, wird Leib genannt. 

112. Manche nehmen an, dafs der Urgrund (prakriti) 
dieser [dreifsig] Bestandteile ein Unoffenbares [urijaktam meta- 
physisch Reales] ist, (11 965.) andere hingegen von plumperm 
Verstände sehen den Urgrund derselben in einem Offenbaren 
[empirisch Realem]. 



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684 



III. Moksliadharnia. 



113. Mag man nun aber ein Unoffenbares oder Offen- 
bares oder alle beide oder eine Vierheit von Urgründen an- 
setzen, (H966.) unter allen Umstanden nehmen die Renner des 
innern Selbstes einen Urgrund aller Wesen an. 

114. Und dieser unoffenbare Urgrund kommt durch die 
[dreifsig] Bestandteile zur Offenbarung (11967.) als ich und du, 
o Fürst der Könige, und als alle anderen Verkörperten. 

115. Es sind die in der Injektion des Tropfens usw. be- 
stehenden, an das Vorhandensein von Same und Blut ge- 
knüpften Bedingungen, (11968.) durch deren Eintreten das 
entsteht, was man den Reim fkalalam) nennt. 

116. Aus dem Keim entsteht die Keimblase (budbudanij, 
aus dieser der Fötus (peqi), (11969.) aus dem Fötus entwickeln 
sich nach und nach die Glieder, und aus den Gliedern Nägel 
und Haare. 

117. Nach Ablauf des neunten Monats erfolgt für das 
entstandene Wesen, o Fürst von Mithilä, (11970.) die Geburt 
in der Welt der Namen und Gestalten, je nach dem Ge- 
schlechtszeichen als Weib oder Mann. 

118. Während man die eben geborene Gestalt als kupfer- 
farbig an Nägeln und Fingern wahrnimmt, (11971.) so ist dies 
an der aus dieser Gestalt sich fortentwickelten Kindgestalt 
nicht weiter zu bemerken. 

119. Aus der Kindheit geht die Jugend, aus der Jugend 
das Alter hervor, (11972.) und bei dieser stufenweisen Entwick- 
lung wird das jedesmal Frühere nicht mehr wahrgenommen. 

120. An den für ihre besonderen Zwecke bestimmten 
[dreifsig] Bestandteilen finden von Augenblick zu Augenblick 
Veränderungen (11973.) bei allen Wesen statt, welche jedoch 
wegen ihrer Kleinheit nicht wahrgenommen werden. 

121. Weder ihr Vergehen, noch ihre Neubildung ist, 
o König, (11974.) in den verschiedenen Zuständen bemerkbar, 
so wenig wie die Veränderung der Flamme in einer brennenden 
Lampe. 

122. Da nun diese ganze Welt in einem solchen Pro- 
zesse begriffen ist, unaufhörlich wie ein tüchtiges Rofs dahin- 
zustürmen, (11975.) wer sollte da irgendwoher stammen oder 
nicht stammen? 



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685 



123. wem sollte da irgend etwas angehören oder nicht 
angehören? woher sollte irgend etwas kommen oder nicht 
kommen? (in»76.) welcher Zusammenhang sollte da zwischen 
den Wesen, ja auch nur zwischen den Gliedern des eigenen 
Leibes bestehen? 

124. Wie das Feuer aus Sonne, Edelstein oder Holz [die 
von ihm ganz verschieden sind] entspringt, (11977.) so ent- 
springen die Wesen aus dem Zusammentreffen der [von ihnen 
ganz verschiedenen dreifsig] Bestandteile. 

125. So gut wie du in deinem Selbste durch dein Selbst 
dein Selbst siehst, (11978.) und wie du hierbei durch dein 
Selbst das [allgemeine] Selbst siehst, warum solltest du nicht 
ebenso in einem andern durch dein Selbst das [allgemeine] 
Selbst sehen! 

126. (11979.) Und wenn du in einem fremden Selbste die 
Identität [mit dem allgemeinen Selbste] feststellst, warum 
fragst du mich dann, wer ich sei und wem ich angehöre? 

127. (11 »so.) Für einen, der sich von solchen Gegensätzen, 
wie: „dies ist mein", „dies ist nicht mein' 4 , losgelöst hat, 
o Herr von Mithila, welchen Zweck haben für einen solchen die 
Fragen : Wer bist du, wem gehörst du an, woher kommst du ? 

128. (11981.) Wer als König im Sieg, Frieden und Krieg 
mit Feinden, Freunden und Neutralen zu tun hat, welches 
Merkmal des Erlösten wäre wohl bei dem zu finden! 

129. (H982.) Wer nicht imstande ist, in den Werken die 
Dreischar [des Guten, Angenehmen und Nützlichen] in ihrer 
siebenfachen Kombination [einzeln, paarweise und zu dreien] 
zu durchschauen, sondern noch an dieser Dreischar hängt, 
welches Merkmal des Erlösten wäre wohl bei dem zu finden ! 

130. (fehlt in c.) Wer auf Liebes und Unliebes, auf Starkes 
und Schwaches nicht mit gleichem Blicke sieht, welches Merk- 
mal des Erlösten wäre wohl bei dem zu finden! 

131. (H983.) Darum bist du nicht geeignet für die Er- 
lösung, — der Wahn, sie zu besitzen, o Fürst, mufs von 
deinen Freunden unterdrückt werden — nicht geeignet, wie 
einer, der keine Diät hält, für die Arznei. 

132. (11984.) Nur der, o Feindbezwinger, welcher alle mög- 
lichen Anlässe zum Welthange samt und sonders schon in 



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686 



III. Mokshadhanua. 



sich selbst durch sich selbst befriedigt findet [vgl. Chänd. Up. 
8,3,2], nur der besitzt das Merkmal des Erlösten. 

133. (11985.) Diese Anlässe zum Welthange und manche 
andere schwer bemerkbare, die sich in vier Arten sondern 
[Schlaf, Sinnengenufs, Nahrung, Kleidung], will ich dir vom 
Standpunkte der Erlösung aus erklären. 

134. (H986.) Auch wenn einer diese ganze Erde als Allein- 
herrscher regierte, so müfste ein solcher König doch als ein 
einzelner Mensch in einer bestimmten Stadt Wohnung nehmen. 

135. (U987.) Und in dieser Stadt ist es doch nur ein Haus, 
welches er bewohnen kann, und in dem Hause ist es nur ein 
Bett, in dem er nachts ruhen kann. 

136. (11988.) Und die Hälfte dieses Bettes hat schon vor- 
her die Frau in Besitz genommen. Darum wird er nur unter 
diesen Einschränkungen des Genusses seiner Macht teilhaftig. 

137. (H989.) Ebenso steht es für ihn in Sinnengenufs, 
Nahrung und Kleidung und in den beschränkten Machtmitteln, 
zu strafen und zu lohnen. 

138. (H990.) Immer ist der König abhängig, schon in 
kleinen Sachen ist er nicht frei, und wenn es sich erst um 
Krieg und Frieden handelt, wie könnte er da unabhängig sein ? 

139. (H991.) Bei Weibern, Spiel und Erholung zeigt sich 
überall die Abhängigkeit des Königs, und vollends bei der 
Beratung im Ministerrat, wo bleibt da seine Unabhängigkeit ? 

140. (H992.) Man behauptet wohl, der König sei frei, wenn 
er anderen Befehle gibt, aber er wird gezwungen, gegen seinen 
Willen zu handeln, indem er dem jedesmaligen Augenblicke 
gehorcht. 

141. (H993.) Er möchte schlafen und kann keinen Schlaf 
finden wegen der Menschen, die seiner Befehle harren, und hat 
er sich losgemacht und ist auf seinem Lager entschlummert, 
so wird er gegen seinen Willen wieder aufgeweckt. 

142. (H994.) Bade dich, opfere, trinke, ifs, giefse den Opfer- 
trank aus, verehre die heiligen Feuer, rede, höre, durch diese 
Worte wird er wider Willen von anderen zum Handeln ge- 
bracht. 

143. (11995.) In dieser Weise überlaufen ihn immerfort 
die Leute und bedrängen ihn mit Bitten, aber als Hüter des 



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Adhy&ya 322 (B. 320). 



687 



Staatsschatzes kann er nicht einmal hochverdiente Männer 
befriedigen. 

144. (H996.) Wenn er schenkt, leert sich seine Schatz- 
kammer, und sogar Feindschaft zieht er sich durch seine 
Gaben zu, dann überkommen ihn alsbald Verstimmungen, die 
ihn seiner Herrschaft überdrüssig machen. 

145. (11997.) Gegen Weise, Helden und Reiche, auch wenn 
sie allein stehen, hegt er Argwohn; und ist er vor diesen 
sicher, mufs er sich sogar vor denen fürchten, die ihn be- 
ständig verehren. 

14t>. (11998.) So kann es geschehen, o König, dafs die 
Erwähnten ihm abtrünnig werden, und du kannst dir denken, 
wie sehr er dann Grund hat, sich vor ihnen zu fürchten. 

147. (11999.) Jeder ist in seinem Hause König, denn jeder 
Hausvater, wenn er in seinem Hause straft oder lohnt, ist, 
o Janaka, dem Könige vergleichbar. 

148. (12000.) Auch der König hat Söhne, Gattinnen und 
die eigene Person, Schätze, Freunde und Vorräte, das alles 
hat er ebenso wie die anderen, sei es aus diesem oder jenem 
Grunde. 

149. (12001.) Wenn sein Land verwüstet, seine Stadt ab- 
gebrannt, sein bester Elefant gestorben ist, so wird er bei 
diesen allgemein menschlichen Unglücksfällen infolge der irr- 
tümlichen Erkenntnis gequält. 

150. (13002.) Nicht befreit von geistigen Leiden, wie sie 
aus Liebe, Hafs und Furcht entspringen, von Kopfschmerzen 
und anderen Krankheiten, die ihn so gut wie andere befallen, 

151. (12003.) von diesen und jenen Gegensätzen bedrängt 
und immerfort in Furcht, hängt er doch an seiner viel an- 
gefeindeten Herrschaft, die Nächte zählend (durchwachend). 

152. (13004.) Die überaus wenig Freude bietende, viel 
Leiden auferlegende, wertlose, einem Strohfeuer vergleichbare, 
einer Schaumblase ähnliche 

153. (12005.) Königswürde, — wer möchte die annehmen, 
und wer, der sie erlangt hat, könnte Befriedigung empfinden ! 
Und wenn du wähnst, dein seien diese Stadt und dieses Reich, 

154. (12006.) das Heer, der Schatz und die Minister, ge- 
hören sie nicht allen, gehören sie nicht keinem an, o Fürst ? 



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683 



III. Mokslnidbarma. 



Die Bundesgenossen, die Minister, die Stadt, das Reich, das 
Richteramt, die Schatzkammer und der Landesherr, 

155. (12007.) welches dieser Glieder verdiente vor den 
anderen einen Vorzug bei einer Herrschaft, welche wie drei 
sich gegenseitig stützende Stäbe durch alle sieben Glieder 
ihren Bestand hat und auf die Tätigkeit des einen wie des 
andern angewiesen ist! 

156. (12008.) Zu einer Zeit tritt dieses, zur andern jenes 
Glied hervor, und dasjenige, durch welches jedesmal ein be- 
stimmter Zweck erreicht wird, wird zur Hauptsache. 

157. (12009.) Dieses aus sieben Gliedern bestehende Aggre- 
gat und die drei noch hinzukommenden [Zunehmen, Bestehen, 
Abnehmen nach Nil.], o bester Fürst, bilden zusammen eine 
Schar von Zehnen, welche alle ebensogut wie der König die 
Herrschaft geniefsen. (12010.) Und wenn ein König sich sehr 
viel Mühe gibt und Freude an seiner Regierungspflicht hat, 

158. so geniefst er doch nur einen Teil unter den Zehnen, 
im andern Falle noch weniger als ein Zehntel. (12011.) Es 
gibt keinen König, der nicht seinen Besitz mit jenen zehn 
anderen gemeinsam hätte, wie es ja auch kein Reich gibt, 
das nicht einen König hätte. 

159. Ohne das Reich kann die Pflicht nicht bestehen, 
ohne die Pflicht nicht das Streben nach dem Höchsten. 
(12012.) Und was für den König die höchste Pflichtleistung, 
was für König und Reich das Läuterungsmittel ist, 

160. das wird zustande gebracht durch das Rofsopfer 
(oQvamedhena mit C), bei dem die ganze Erde als Opferlohn 
weggegeben wird. (12013.) Wie ich hier bin, könnte ich die 
Geschäfte, unter denen ein König zu leiden hat, o Mithiläfürst, 

161. hundertfältig und tausendfältig auseinandersetzen. 
(12014.) Sogar an meinem eigenen Leibe liegt mir nichts, wie 
käme ich dazu, auch noch in den Wesensbereich eines andern 
eindringen zu wollen! 

162. Mir, die ich in dieser Weise dem Yoga ergeben bin, 
solltest du einen solchen Vorwurf nicht machen. (12 015.) Frei- 
lich hast du von Paficacikha die ganze Erlösungslehre gehört 

163. samt den Mitteln und den Upanishad's, samt den 
Zutaten und der Vergewisserung. (12016.) Wenn du wirklich 



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Adhyäya 322 (B. 320). 



dastehst als einer, der den Welthang abgetan hat und über 
seine Fesseln hinausgelangt ist, 

164. wie kommt es dann, dafs du wieder in den Hang 
zu dem Sonnenschirm und den übrigen Abzeichen der Königs- 
würde verfallen bist? (12017.) Ich glaube, du hast gar nicht 
gehört, was du gehört hast, oder du hast es falsch gehört, 

165. oder du hast nur eine Scheinbelehrung empfangen, 
(12018.) jedenfalls zeigst du dich in diesen weltlichen Vor- 
stellungen befangen 

166. und bist durch Hang und Hemmungen gebunden 
wie ein gewöhnlicher Mensch. (1201a.) Wenn ich mit meiner 
Wesenheit in dich eingedrungen bin, 

167. was kann dir das schaden, wenn du im vollen Sinne 
ein Erlöster bist? (12020.) Unter allen Menschenklassen gilt 
dem Asketen als Regel, in der Abgeschiedenheit zu wohnen; 

168. wenn ich in dein Wesen, von dem du abgeschieden 
bist, eindränge, wem würde ich damit etwas zuleide tun? 
(13021.) Übrigens, 0 Untadliger, habe ich dich weder mit 
Händen noch mit Armen, weder mit Füfsen noch mit 
Beinen 

169. oder mit anderen Gliedern berührt, o Männerherr. 
(12022.) Du, der du aus einer grofsen Familie stammst, scham- 
haft und weitblickend bist, hättest von deinem Throne aus 
nicht von einer Vereinigung [unserer Leiber] reden sollen, 
mochte sie nun stattgefunden haben oder nicht. 

170. (1202s.) Und wo hier diese ehrwürdigen ßrahmanen 
und andere der höchsten Ehre Würdige zugegen sind und, 
da du auch ihnen ehrwürdig bist, eine gegenseitige Hoch- 
achtung sich gebührte, 

171. (12024.) hättest du dies bedenken und erwägen sollen, 
was zu sagen ziemlich oder nicht ziemlich ist, und hättest 
von einer solchen Vereinigung einer Frau mit einem Manne 
nicht öffentlich reden dürfen. 

172. (12025.) Wie der Wassertropfen auf einem Lotosblatte 
weilt, ohne es zu berühren, so werde ich auch in dir wohnen, 
ohne dich zu berühren, o Mithilafürst. 

173. (12026.) Und wenn ich dich wirklich berühre und du 
diese Berührung spürst, wie kann dir dann von jenem Bettel- 

Diciufl, Xab&bbaratara. 44 



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690 



III. Mokshadharma. 



monche ein die Keimkraft deines Wesens vernichtendes Wissen 
zuteil geworden sein? [vgl. Vers iissö.] 

174. (12027.) Den Hausvaterstand hast du verloren und 
die schwer erreichbare Erlösung hast du doch nicht erlangt, 
sondern du stehst in der Mitte zwischen beiden wie einer, 
der aus der Erlösung ein Gewerbe macht. 

1 75. (12028.) Auch kann, da doch nur eine Verbindung 
zwischen Sein [Purusha] und Nichtsein [Prakriti] möglich 
ist, ein Erlöster wegen der Einheit und Isoliertheit des Purusha 
mit einem andern Erlösten nicht in Kastenvermischung ver- 
fallen [ vgl. Vers ii9io]. 

176. (12029.) Kasten und Lebensstadien entbehren der 
Isoliertheit, da nur der Wahrheitschauende die Isoliertheit 
besitzt; das andere ist [in Wahrheit] kein anderes [denn alle 
Purusha's sind identisch] , mithin kann auch das andere nicht 
in dem an dem wohnen. 

177. (12030.) In der Hand ist der Topf, im Topf die Milch, 
in der Milch die Fliege; nur weil sie voneinander verschieden 
sind, können sich diese als Enthaltendes und Enthaltenes mit- 
einander verbinden. 

178. (12031.) Aber die Milch ist nicht der Topf und die 
Fliege ist nicht die Milch, diese Dinge sind immer nur sie 
selbst, nicht das andere, in dem sie enthalten sind, 

179. (12 032.) Da die Lebensstadien und Kasten [vom 
Purusha] verschieden und überdies noch untereinander ver- 
schieden sind, wie kannst du [beim Purusha] von einer Kasten- 
vermischung reden? 

180. (12033.) Übrigens bin ich gar nicht aus der höchsten 
Kaste, bin auch keine Vaicyä oder eine, die noch tiefer stünde, 
sondern ich bin aus derselben Kaste wie du, o König, reinen 
Ursprungs und unbescholtenen Wandels. 

181. (12084.) Es gab einen Königsweisen mit Namen Pra- 
dhäna, von dem du sicher schon gehört hast; wisse, dafs ich 
in dessen Familie geboren bin und Sulabhä heifse. 

182. (12035.) Drona, Catacringa, Cakradvära und Parvata 
liefsen sich mitsamt dem mächtigen Indra bei den grofsen 
Somafeiern meiner Vorfahren sehen. 

183. (12036.) In dieser Familie bin ich geboren, und da 



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Adhy&ya 322 (B. 320). 



(V.H 



sich kein ebenbürtiger Gatte für mich fand, wurde ich in den 
Erlösungslehren ausgebildet und betreibe nun alleinstehend 
<Jas Einsiedlergelübde. 

184. (12037.) Ich habe mich nicht mit falschem Schein 
umgeben [vgl. Vers 119-23], bin keine Räuberin fremden 
Outes und veranlasse keine Verwirrung des Gesetzes [vgl. 
Vers 11913], sondern halte treu an dem Gesetze, welches mein 
Gelübde ist. 

185. (1-2038.) Ich halte fest an meinem Gelöbnisse, rede 
nicht ohne Überlegung und bin auch nicht ohne Absicht 
hierher in deine Nähe gekommen, 0 Männerherr. 

186. (12039.) Da ich vernommen hatte, dafs dein Geist 
der Erlösung hingegeben ist, so bin ich, nach dem Heil ver- 
langend, hierher gekommen, um auch deine Erlösung kennen 
zu lernen. 

187. (12010.) Ich sage dieses nicht als eine, die zu einer 
Partei gehört, sei es der eigenen, sei es der eines andern 
[oder um zu ermitteln], wer erlöst, wer noch im Ringen um 
die Ruhe und wer ohne Ruhe ist. 

188. (12 041.) Wie nach altem Brauche der Bettel pilger nur 
eine Nacht in einem leeren Hause zu weilen pflegt, so werde 
ich in deinem Leibe nur die nächste Nacht zubringen. 

189. (12042.) Nachdem ich durch Ehrenerweisung sowie 
durch Reden und Bewirtung wohlaufgenommen worden bin, 
werde ich in guter Hut schlafen und morgen befriedigt von 
dannen ziehen, o Mithilafürst. 

Bblshma sprach: 

190. (12043.) Nachdem der König diese wohlbegründeten 
und inhaltreichen Worte angehört hatte, fand er nichts weiter 
mehr, was er hätte erwidern können. 

So lautet im Mokshadhnrxna die Unterredung zwischen der Sulabh* und Jutiaka 

'Suhtf'hd - Janaka ■ wuirti-i*). 



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692 



III. Mokshadhaniia. 



Adhyftya 323 (B. 321). 

Vers 12044-12137 (B. 1-04). 

Yudhishthira sprach: 

1. (12044.) Wie geschah es vordem, dafs der (,'uka, der 
Vyasasohn, zur Weltverdrossenheit gelangte? Das wünsche 
ich zu vernehmen, grofse Wifsbegier erfüllt mich. 

2. (120*5.) Du mögest mir Klarheit über das Unentfaltete, 
das Entfaltete und die Wesenheit [das Brahman, Nil.], Klar- 
heit der Erkenntnis verschaffen, o Kurusprofs, sowie über die 
Schöpfertätigkeit des ungeborenen Gottes. 

Bhlsbma sprach: 

3. (12046.) Dem den gewöhnlichen guten Wandel beobach- 
tenden, vor niemand sich fürchtenden Sohne erteilte der 
Vater, nachdem er das ganze Vedastudium mit ihm durch- 
gemacht hatte, folgende Belehrungen. 

Vyasa sprach: 

4. (12047.) Wandle, o Sohn, in der Pflicht und überwinde 
mit bezähmten Sinnen allezeit die strengste Kälte und Hitze, 
Hunger und Durst und Wind. 

5. (12048.) Wahrhaftigkeit, Geradheit, Zornlosigkeit, Un- 
verdrossenheit, Bezähmung, Askese, Schonung und Menschen- 
freundlichkeit beobachte, wie sie das Gesetz vorschreibt. 

6. (12049.) Beharre in der Wahrheit, liebe die Gerechtig- 
keit und enthalte dich aller Unredlichkeit, und friste dein 
Leben nur mit dem, was Götter und Gäste übriggelassen haben. 

7. (12050.) Wo dein Leib [vergänglich] wie eine Schaum- 
blase ist, deine Seele [nur vorübergehend] wie ein Vogel in 
ihm weilt und das Zusammensein mit denen, die man liebt, 
so kurze Zeit währt, wie magst du da der Ruhe pflegen, 
o Sohn? 

8. (12061.) W r o unermüdliche, wachsame Feinde [die Be- 
gierden, Nil.] stets auf der Lauer liegen, um eine Blöfse zu 
erspähen, bist du ein solcher Tor, dafs du nicht W r ache hältst? 



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AdhyÄya 323 (B. 321). (593 

9. (12052.) Wo die Tage sich zählen lassen, die Lebens- 
kraft schwindet und das Leben zernagt wird, wirst du da 
nicht aufspringen und Rettung suchen? 

10. (12033.) Nach dem Diesseitigen streben sie, nach Ge- 
deihen von Fleisch und Blut, und wo es sich um jenseitige 
Interessen handelt, schlafen sie, diese rohen Materialisten 
(nastikuhj! 

11. (12054.) Von geistiger Verblendung umnachtet, murren 
die Menschen über ihre Pflicht; sie gehen auf Abwegen, und 
auch wer ihnen folgt, mufs Pein leiden. ♦ 

12. (12055.) Hingegen die Zufriedenen, an der Schrift sich 
Freuenden, Hochherzigen, Gewaltigen, welche auf dem Wege 
der Pflicht wandeln, die sollen von dir verehrt und befragt 
werden. 

13. (12 056.) Die Meinung dieser Erweckten, Pflichtkundi- 
gen schätze hoch und halte mit höchster Einsicht dein Manas 
(cittam) im Zaume, wenn es krumme Wege gehen will. 

14. (12057.) Mit einem nur auf den heutigen Tag gerichte- 
ten Verstände wähnen die Toren furchtlos, das Morgen sei 
noch fern, geniefsen alles ohne Wahl und stehen nicht, dafs 
es für die Werke dieser Welt eine Vergeltung gibt. 

15. (12058.) Besteige die Leiter der Pflicht und erklimme 
sie Sprosse für Sprosse! Merkst du nicht, dafs du dich hier 
wie eine Seidenraupe eingesponnen hast? 

IG. (12059.) Den Nihilisten, der den Weg verloren hat und 
dem Absturz vom Ufer nahe ist, lasse ohne Bedenken links 
liegep wie ein ausgerissenes Bambusrohr. 

17. (12060.) Begierde, Zorn und Tod, den Strom, dessen 
Wasser die fünf Sinne sind, und die Strudel der Existenz 
überschreite mit dem Schiffe der Beständigkeit. 

18. (12061.) Da die Welt vom Tode heimgesucht und vom 
Alter bedrängt wird, und da die Nicht -Vergeblichen [die 
Nächte, vgl. Vers «528, oben S. 119] dahinfliehen, so fahre hin- 
über auf der Fähre der Pflicht. 

19. (12062.) Da der Tod einen jeden erreicht, mag er 
stehen oder liegen, wo fände einer Veranlassung zur Heiter- 
keit, da der Tod ihn ohne Veranlassung vernichtet! 



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694 



III. Mokshadharma. 



20. (120C3) Während einer noch Schätze häuft, während 
er noch ungesättigt an Lüsten ist, packt ihn der Tod und 
schleppt ihn weg, wie die Wölfin das Lamm. 

21. (12064.) Die grofse, mit Pflicht und Erkenntnis ge- 
nährte Fackel, deren Flamme du nach und nach gesteigert 
hast, diese Fackel — der Weg geht ins Finstere! — sollst 
du mit Fleifs hochhalten. 

22. (12065.) Herabstürzend in die Körpernetze wieder und 
wieder in der Menschenwelt, erringt der Mensch endlich die 
Brahmanenwürde, bewahre sie dir, mein Sohn! 

23. (12o",g.) Dieser Leib gehört einem Brahmanen an und 
ist nicht geboren zur Lust, sondern zu Plage und Kasteiung 
hienieden, aber nach dem Tode erwartet ihn unvergleichliche 
Seligkeit. 

24. (12067.) Die Brahmanenwürde wird erlangt durch 
viele Askesen, hat man sie erlangt, so 6oll man sie auch 
nicht um der höchsten Lüste willen aufs Spiel setzen; 
allezeit dem Vedastudium, der Askese und der Bezähmung 
hingegeben, mögest du, nach Frieden verlangend und das 
Heil vor allem erstrebend, fort und fort an dir arbeiten. 

25. (12068.) Aus Verborgenem entspringend, die Minuten 
als Leib habend, unsichtbaren Wesens, mit den aus 
Sekunden und Terzen bestehenden Augenblicken als 
Haaren, die Dämmerungszeiten als Schultern (sandhyänsah 
nach einer Lesart bei Nil.) , die helle und dunkle Monats- 
hälfte als gleichkräftige Augen und die Monate als Glieder 
habend, stürmt dahin das Lebensrofs der Menschen. 

26. (12069.) Wenn du dieses siehst, wie es unaufhör- 
lich rennt und furchtbar schnell läuft, und wenn dein 
allezeit hienieden um sich schauendes Auge nicht [so 
blind ist, dafs es] eines fremden Führers bedarf, dann 
möge dein Geist sich in die Tugend hüllen und des 
Höchsten inne werden. 

27. (12070.) Diejenigen hingegen, welche hienieden, in 
der Pflichterfüllung wankend, ihren Lüsten leben, die 
werden, unablässig jammernd und an Widerwärtiges ge- 
kettet, zu ihrer Qual [in der Hölle] ihren Leib in Schmerz 



AdhyAya 323 (B. 321). 695 



versenkt fühlen wegen der zahlreichen Fälle, in denen 
sie ihre Pflicht gröblich verletzt haben. 

28. (1-2 071.) Der König, welcher allezeit als Wächter 
über Gutes und Böses wohlüberlegend die Gerechtigkeit 
über alles schätzt, erwirbt die Welten der Frommen, 
durchstreift manche Gefilde und geht endlich zu unfafs- 
barer, unaussprechlicher Seligkeit ein. 

29. (12072.) Hunde mit furchtbaren Leibern, Vögel mit 
eisernen Schnäbeln und Scharen von gewaltig beschwing- 
ten Geiern, welche die Menschen zerfleischen und ihr 
Blut trinken, diese Ungetüme fallen nach dem Tode über 
den her, der das Wort des Lehrers von sich stöfst. 

30. (12073.) Zehnfach sind von dem Schöpfer die 
Schranken gezogen; wer diese durchbricht und seinen 
Lüsten nachhängt, der Bösewicht gerät in schweres Un- 
heil und verliert sich in dem Waldesdickicht des Toten- 
reiches. 

31. (12074.) Ein Mensch, welcher, von heftiger Begierde 
getrieben, unredlich gegen seine Freunde ist, immerfort 
an niederträchtigen Reden sein Gefallen findet und mit 
anvertrautem Gute Unheil stiftet, ein solcher Bösewicht 
fährt in die tiefste Hölle und mufs schweres Leid erdulden. 

32. (12075.) Hineinstürzend in den heifsen, grofsen 
Höllenflufs Vaitarani, den Körper zerfleischt in dem 
Walde, dessen Blätter Schwerter sind, hingestreckt auf 
ein Lager von Beilen, schmachtet er unter schweren Leiden 
in der grofsen Hölle. 

33. (12070.) Du brüstest dich mit grofsen Worten, aber 
das Höchste erkennst du nicht und achtest nicht auf das 
von weither den Tod vorbereitende [Alter], solange es nicht 
da ist. 

34. (12077.) Schreite voran, sitze nicht müfsig, eine grofse 
Gefahr ist im Anzüge, welche dein Glück furchtbar stören 
wird, nimm dich zusammen! 

35. (12078.) Ist einer erst gestorben, so wird er durch den 
königlichen Befehl des Yama fortgeführt, im Hinblick auf den 
Tod gib dir Mühe, die Rechtschaffenheit unter furchtbaren 
Entsagungen zu üben. 



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696 



III. Mokshadliarma. 



36. (12079.) Bald wird der Herrscher Yama, unbekümmert 
um eure Schmerzen, dein Leben nebst Eltern und Verwandten 
fortraffen, und keiner kann es ihm wehren. 

37. (12080.) Bald wird dich der Hauch anwehen, der dem 
Todesgotte vorangeht, bald wirst du allein fortgeführt, be- 
denke, was zu deinem Ende frommt! 

38. (12031.) Wo ist der Todeswind, der dich bald an- 
wehen wird! Bald werden die Weltgegenden sich um dich 
drehen, wenn dich die grofse Furcht überkommt. 

31). (12 082.) Bald, o Sohn, wird deine Vedakenntnis ver- 
sagen, wenn du in Bestürzung dahineilst; darum versenke 
dich in die höchste Meditation. 

40. (12083.) Wenn du dein vordem begangenes Gutes und 
Böses, als unbesonnenem Tun entflossen, beizeiten überdenkst, 
so brauchst du es nicht zu bereuen, hüte den einzigen Schatz! 

41. (12084.) Bald wird das Alter deinen Leib morsch 
machen und Kraft und Schönheit der Glieder dir rauben, hüte 
den einzigen Schatz! 

42. (12085.) Bald fährt mit der Krankheit als Wacenlenker 
der Tod herbei und durchbohrt deinen Leib; mit Ernst, da 
das Leben schwindet, betreibe die grofse Askese! 

43. (12086.) Bald werden furchtbare Wölfe, deinen Menschen- 
leib umheulend, von allen Seiten herbeistürzen, übe dich in 
heiligen Werken! 

44. (12087.) Bald wirst du dich einsam von Finsternis um- 
geben sehen, beeile dich ! Bald wirst du die goldenen Bäume 
auf dem Berggipfel schauen [als Vorzeichen des Todes]. 

45. (1208S.) Bald kann es geschehen, dafs schlechter Um- 
gang, dafs Feinde unter dem Deckmantel der Freundschaft 
dich an der rechten Erkenntnis irre machen; bemühe dich, 
o Sohn, um das, was das Höchste ist. 

46. (12089.) Den Schatz, von dem du nicht zu furchten 
brauchst, dafs dir ein König oder Dieb ihn raubt, und der 
dich nicht beim Tod verläfst, diesen Schatz mögest du dir 
erwerben [vgl. Ev. Matth. 6,20]. 

47. (12090.) Dort wird einer nicht von seinen W r erken ge- 
trennt, nicht werden diese gegenseitig verwechselt; was jedem 
eigen angehört, das wird dort drüben an ihm vergolten. 



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Adfay&ya 323 (B. 321) 



607 



48. (12091.) Wovon man drüben leben will, das mufs, 
o Sohn, hier weggegeben werden. Den Schatz, der unver- 
gänglich, unverlierbar ist, den mufst du selber dir erwerben. 

49. (12092.) Noch ehe du als reicher Mann dein Gersten- 
gericht gekocht hast, noch ehe dein Gerstengericht gar ist, 
wirst du eiligst von dannen müssen. 

50. (12093.) Nicht Mutter, Söhne und Verwandte, nicht 
der vertraute liebe Freund wandeln einem nach, wenn man 
einsam auf dem engen Wege dahinwandelt. 

51. (12094.) Nur das vormals begangene gute und böse 
Werk, nur dieses allein ist von Bedeutung, o Sohn, für den 
ins Jenseits Hinübergehenden. 

52. (12095.) Ganze Haufen von Gold und Edelsteinen, 
mögen sie auf redlichem oder unredlichem Wege erworben 
sein, können beim Dahinfall des Leibes für den Menschen 
nicht irgend etwas ausrichten. 

53. (12096.) Wenn du ins Jenseits hinübergehst, so wisse, 
dafs es für dein begangenes und nicht begangenes Werk in 
der Welt keinen Zeugen [sdkshi = säkshi, Nil. erinnert an 
Panini 0,1,127] gibt, der deinem eigenen Selbste gleichkäme. 

54. (12097.) Wer ins Jenseits hinübergeht, mufs seinen 
Leib wie ein Kleid ablegen und dann ist seine Seele für das 
durchdringende Auge der Erkenntnis von überallher sicht- 
bar [vgl. Piaton, Gorgias p. 523 E.]. 

55. (12093.) Die drei Götter des Feuers, der Sonne und 
des Windes wohnen im irdischen Leibe, und sie sind Zeugen 
in ihm, welche seine Gerechtigkeit prüfen. 

5f>. (12099.) In den Tagen, in den Nächten, den allbe- 
rührenden, allgegenwärtigen, mögen sie enthüllen oder ver- 
hüllen, beobachte unentwegt deine Pflicht. 

57. (12100.) Auf deinem Wege [auf Erden, nicht, wie Nil. 
will, ins Jenseits], der durch manche Wegelagerer gefährdet 
und durch häfsliche, widerwärtige Insekten bedroht wird, be- 
halte dein Werk fest im Auge; dein Werk ist es, welches 
dich ins Jenseits geleitet. 

58. (12101.) Dort werden die Werke nicht miteinander ver- 
tauscht, daher wird das Vollbrachte als die Frucht, welche 
aus dem eigenen Werke entspringt, vergolten. 



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698 



III. Mukshailharma. 



59. (12102.) Ebenso wie die Scharen der Apsaras im Ver- 
ein mit den grofsen Weisen als Frucht die Seligkeit ge- 
niefsen, ebenso erlangen andere das Verdienst ihrer Werke 
und fahren auf Götterwagen nach Belieben einher. 

60. (13103.) Je nachdem hienieden das Gute vollbracht 
wurde von arglosen, edelgeborenen, wohlbereiteten Menschen, 
dementsprechend wird es alsdann an ihnen vergolten. 

61. (12104.) Zur Weltgemeinschaft mit Prajäpati, Brihas- 
pati und Indra geht man über die Brücke des Hausvater- 
gesetzes den höchsten Weg. 

62. (12105.) Ich möchte dir viele tausend Male einschärfen: 
Wer seinen Geist nicht hat verblenden lassen, den leitet dafür 
der Gott des Feuers empor. 

63. (12106.) Vierundzwanzig Jahre sind verstrichen, du 
stehst schon da als Fünfundzwanzigjähriger, sammle dir einen 
Schatz von Gerechtigkeit, denn deine Jugend flieht! 

64. (i2iü7.) Bald taumelt der Tod heran und bereitet eine 
unerwünschte (asukhäm mit C.) Somapressung, als wäre schon 
Hand an dich gelegt, springe auf und beeile dich, deine Pflicht 
zu erfüllen. 

65. (12108.) Als letzter und zugleich als erster [d. h. ganz 
allein] wirst du gehen; da du so deinen Weg gehen mufst, 
so frage dich, was du an dir und was du an einem andern 
haben wirst. 

66. (12109.) Was von jedem der Guten, die hinüber mufsten, 
bei dieser Gefahr als Vorbereitung auf den Hingang galt, — 
hüte den einzigen Schatz! 

67. (12110.) Mit Erdreich, Wurzeln und Nachbarstämmen 
rafTt der Mächtige weg ohne Wahl, und niemand ist, der 
ihm wehren könnte, sammle dir einen Schatz von Pflicht- 
erfüllung ! 

68. (12111.) Diese Belehrung, o Sohn, habe ich dir jetzt 
hier erteilt, aus eigener Anschauung und Folgerung suche 
sie dir zu erläutern. 

69. (12112.) Wer sich durch sein Werk gütlich tut oder 
um irgendeines Zweckes willen freigebig ist, der ver- 
anlafst durch die aus der Verblendung seines Geistes ent- 



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Adhyaya 323 (B. 321). 



springenden Qualitäten seine Bindung, die er ganz allein 
verschuldet.* 

70. (12H3.; Das Schriftstudium erreicht alles, wenn man 
zugleich gute Werke vollbringt; das ist das Schauen des 
wahren Zweckes, eine dankbare Aufgabe, vom Zweck gekrönt. 

71. (121U.) Eine bindende Fessel ist die Liebesfreude des 
Dorfbewohners, Edelgesinnte durchschneiden sie und ziehen 
davon, Übelgesinnte durchschneiden sie nicht [= Vers 12458]. 

72. (12115 ) Wozu hilft dir Reichtum, wozu Verwandte, 
wozu Söhne, o Sohn, da du doch sterben mufst; er- 
forsche den Atman, der in die Höhle des Herzens ein- 
gegangen ist, und bedenke, wohin alle deine Vorfahren 
gegangen sind! 

73. (12H6.) Was du für morgen vor hast, tue lieber heute, 
was für den Nachmittag, lieber am Vormittag, denn der Tod 
wartet nicht darauf, ob du dein Geschäft besorgt hast 
oder nicht. 

74. (12H7.) Das Geleite geben dir nach deiner Auflösung 
deine Angl hörigen und kehren zurück, nachdem sie den Leib 
dem Feuer übergeben haben, die Bekannten und die Freunde. 

75. (12UH.) Die Ungläubigen, Unbarmherzigen, Arglistigen 
lasse getrost links liegen und strebe unermüdlich nach dem 
Höchsten. 

7(5. (12119.) Da die Menschenwelt so sehr heimgesucht 
und überdies von der Zeit bedrängt wird, stütze dich auf 
grofse Charakterstärke und betreibe mit ganzem Herzen 
deine Pflicht. 

77. (12120.) Der Mensch, welcher dieses Mittel der Er- 
kenntnis vollständig begreift und vollständig seine Pflicht er- 
füllt, wird im Jenseits der Seligkeit teilhaftig. 

78. (12121.) Die Trennung vom Leibe gilt den Wissen- 
den nicht als Tod, auf dem wohleingehaltenen Wege 
gibt es kein Verderben; nur wer seiner Pflicht lebt, ist 
ein Weiser, wer von der Pflicht abweicht, ist ein Tor. 



• Oder: Wer durch sein Tun sich einen Schatz sammelt oder irgend 
jemandem sich freigebig erweist, der allein wird durch seine von geistiger 
Verblendung freien Tugenden mit dem Höchsten verbunden. 



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700 



III. Mokshadharnia. 



79. (12122.) Von den beiden auf dem Wege der Werke 
eingeschlagenen Richtungen erlangt der, welcher sie ein- 
schlägt, die Frucht je nach seinem Tun: wer schlechte 
Werke übt, geht ins Verderben, wer die Pflicht be- 
obachtet, steigt zur Himmelswelt empor. 

80. (12123.) Hat man als die zum Himmel führende Leiter 
das schwer zu erlangende Dasein als Mensch erreicht, so soll 
man sich wohl in acht nehmen, dafs man nicht wieder 
herabfalle . 

81. (12124.) Wer mit seinen Gedanken den Himmelsweg 
verfolgt und nicht von ihm abweicht, dem, als Vollbringer 
heiliger Werke, braucht nicht von Söhnen und Verwandten 
nachgetrauert zu werden. 

82. (12125.) Wessen Einsicht nicht verblendet ist, sondern 
sich auf die Gewifsheit stützt, der sichert sich einen Platz 
im Himmel, für den besteht nicht die grofse Furcht. 

83. (12126.) Wer schon geboren wurde in einem Büfser- 
hain und in ihm starb, dessen Pflichterfüllung ist minder wert, 
weil er Lust und Genufs nicht kennen gelernt hat. 

84. (12127.) Wer aber die Genüsse kennt und auf sie ver- 
zichtet, um mit seinem Leibe Askese zu üben, für den ist 
nichts unerreichbar, und einen solchen Erfolg schätze ich hoch. 

85. (12123.) Tausende von Müttern und Vätern, Hunderte 
von Söhnen und Weibern werden uns noch angehören und 
haben uns schon angehört; wem könnten sie, wem könnten 
wir in Wahrheit angehören! 

86. (12129.) Ich bin allein, keiner gehört mir und keinem 
andern gehöre ich an ; ich sehe ihn nicht, dem ich angehören 
könnte, ich sehe ihn nicht, der mir angehören könnte. 

87. (12130.) Du hast nichts mit ihnen, sie haben nichts 
mit dir zu tun; diese Wesen entstehen durch ihre eigenen 
Werke, und auch du wirst den Weg deiner Werke gehen. 

88. (12131.) In dieser Welt gehören nur dorn Reichen seine 
Angehörigen wirklich an, die Angehörigen des Armen sind 
es schon bei seinen Lebzeiten nicht mehr. 

89. (12132.) Der Mensch häuft um des Weibes willen böse 
Werke auf, dafür mufs er Pein erdulden im Jenseits und 
schon hienieden. 



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Atlhyaya 323 (B. 321). 



90. (12133.) Man sieht die Welt der Lebenden dem Ruin 
verfallen durch ihre eigenen Taten, darum, o Sohn, befolge 
alles, was dir anbefohlen wurde. 

91. (12134.) Wer diese Anschauung sich aneignet und auf 
diese Welt der Werke hinblickt (prapacyaiä mit C), der 
wird sich guter Werke befleifsigen, wofern er nach jener Welt 
begehrt. 

92. (12135.) Durch das in Monaten und Jahreszeiten 
umlaufende, Nacht und Tag als Brennholz habende, als 
Zeuge der auf den eigenen Werken beruhenden Frucht 
gegenwärtige Sonnenfeuer macht die Zeit mit Gewalt die 
Wesen mürbe. 

93. (12136.) Wozu nützt ein Reichtum, wenn man ihn 
nicht gibt und nimmt, wozu ein Heer, wenn es den Feind 
nicht besiegt, wozu ein Vedastudium, wenn es nicht zur 
Pflichterfüllung anleitet, wozu der Atman, wenn er nicht 
die Sinne zügelt und beherrscht! 

Bhlshma sprach: 

94. (12137.) Nachdem er dieses heilsame, von Dvaipäyana 
gesprochene Wort gehört hatte, nahm C/uka Abschied von 
seinem Vater, der ihm den Weg zur Erlösung gewiesen hatte. 

So lautet im Mokihadbarma die läuternde Ut-lebruog 

(pdeaka - adhtjwjanan). 

Adhyftya 324 (B. 322). 

Vers 12 13«- 12 157 (B. 1-20). 

Dieser Abschnitt ist, von einigen wenig erheblichen Varianten ab- 
gesehen, identisch mit Adhyay» 1*1, oben S. 142-144. 



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701' 



III. Mitkshadharma. 



Adhyftya 325 (B. 323). 

Vers 12153-12186 (B. 1-20). 

Yudhishthira sprach: 

1. (12158.) Wie wurde dem Vyäsa der pflichttreue, askese- 
mächtige (,'uka gehören und wie erlangte er die höchste 
Vollendung? Das erzähle mir, o Grofsvater. 

2. (12159.) Und wer war jene, in welcher der askesereiche 
Vyäsa den fuka zeugte? Denn wir kennen seine Mutter nicht 
und nicht die ursprüngliche Geburt des Hochsinnigen. 

3. (1216O.) Und wie richtete sich, obgleich er noch ein 
Knabe war, sein Geist auf das verborgene Wissen, wie solches 
keinem andern, keinem zweiten hier in dieser Welt je zuteil 
geworden ist? 

4. (12161.) Dieses wünsche ich ausführlich zu vernehmen, 
o tfoch sinniger, denn wenn ich dir zuhöre, ist das herrlichste 
Amritam kein Genufs mehr für mich. 

5. (1216») Darum mögest du die Hochsinnigkeit, Hin- 
gebung an den Atman und Erkenntnis des Quka der Reihe 
nach darlegen, o Grofsvater, der Wahrheit gemäfs. 

Bhlshma sprach: 

G. (12163.) Nicht durch langes Leben, nicht durch graue 
Haare, durch Reichtum oder Verwandte sind die Rishi's zur 
Pflichterfüllung gelangt, sondern wer des Veda kundig ist, 
der gilt für grofs unter uns. 

7. (12164) Alles, wonach du mich fragst, o Pändusohn, 
wurzelt in der Askese, und diese Askese wird gewirkt durch 
Zügelung der Sinne und nicht anders. 

8. (12165.) Durch Anhänglichkeit an die Sinne verfällt der 
Mensch in Sünde, durch Zügelung der Sinne erlangt er die 
Vollendung. 

9. (12166.) Mit tausend Acvamedha- Opfern und hundert 
Vajapeyafeiern wird nicht soviel erreicht wie durch den 
kleinsten Teil des Yoga. 

10. U2 167.) Nun will ich dir die Geburt des <>ka mit- 
teilen, die Frucht seines Yoga und seinen höchsten Werde- 



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Adhyäya 325 (B. 3*23). 



703 



gang, der schwer zu verstehen ist für die, welche unbereiteten 
Geistes sind. 

11. (i2ir,8.) Es geschah einstmals, dafsaufdem mit einem 
AValde von Karnikärablumen bestandenen Gipfel des Berges 
Meru Mahädeva (Qiva), von seinen furchtbaren Geisterscharen 
umgeben, lustwandelte. 

12. (12169.) Und auch die Tochter des Königs der Berge 
[des Himälaya], die Göttin [Umä] war dort zugegen. Dort 
aber übte damals Krishna Dvaipäyana seine göttliche Askese. 

13. (12170.) Durch den Yoga in sich selbst versunken und 
der Yogapflicht einzig hingegeben, fesselte er [sein Manas] 
und übte Askese, um einen Sohn zu erlangen, o Bester 
der Kuru's. 

14. (12171.) Und er sprach: Möge mir ein Sohn zuteil 
werden, o Herr, welcher mit der Stärke von Feuer, Erde, 
\V asser, Wind und Äther begabt ist. 

15. (12172.) Und der höchsten Askese ergeben, umwarb 
er den für Unbereitete unnahbaren Gott durch den Yoga 
mit seiner Bitte. 

16. (12173.) Vom Winde lebend, stand der Gewaltige hundert 
Jahre lang da, um Mahadeva, den vielgestaltigen Gatten dor 
Umä, gnädig zu stimmen. 

17. (12174.) Auch nahten dem Herrn der Welt mit ihm 
Brahmanweise und allerlei Königsweise, die Welthüter und 
Sadhya's nebst den Vasu's, 

18. (12175.) die Aditya's und Rudra's, Sonne und Mond, 
die Vasus und Marut's, die Meere und die Flüsse, 

VX (12176.) die Acvin's, die göttlichen Gandharven, sowie 
Narada und Parvata, der Gandharva Vicvavasu, die Siddha s 
und die Apsaras. 

20. (12177.) Unter ihnen erglänzte der grofse Gott Rudra 
(riva), indem er einen schönen, aus Karnikärablumen ge- 
flochtenen Kranz trug wie der Mond seinen Lichtglanz. 

21. (12178.) In diesem himmlischen, lieblichen, von Göttern 
und Götterweisen wimmelnden Walde gab sich der Rishi 
unentwegt dem höchsten Y'oga hin, um einen Sohn zu er- 
langen. 



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704 



III. Moksliadharma. 



22. (12179.) Aber seine Lebenskraft nahm nicht ab und 
Mattigkeit überkam ihn nicht; es war wie ein Wunder für 
alle drei Welten. 

23. (12180.) Die Haarflechten erschienen an ihm, dem mit 
unermefslicher Kraft dem Yoga Hingegebenen, leuchtend an 
Glanz gleich Feuerflammen. 

24. (1218I.) Das hat mir der heilige Markandeya bezeugt, 
als er mir hier immerfort Göttergeschichten erzählte. 

25. (12182.) Damals also erglänzten die durch jene Askese 
entflammten Haarflechten des hochsinnigen Krishna (Dvai- 
päyana) in der Farbe des Feuers, o Freund. 

26. (12183.) Infolge dieser grofsen Askese und Frömmig- 
keit, o Bhärata, wurde Mahecvara gnädig gestimmt und fafste 
in seinem Geiste einen Entschlufs, 

27. (12184.) und lächelnd sprach der heilige, dreimutter- 
hafte Gott zu ihm: 0 Dvaipäyana, ein Sohn, wie du ihn dir 
wünschest, soll dir geschenkt werden. 

28. (12185.) So rein wie Feuer, Wind, Erde, Wasser und 
Äther soll dein grofser Sohn sein. 

29. (12186.) Und mit solchem Charakter, Verstände, Selbste 
und innerem Halte ausgestattet, wird dein Sohn mit seiner 
Kraft die drei Welten erfüllen und Ruhm in ihnen erlangen. 

So UaUt im Mokshmdhann» die KnttUhang dei £uk» 

ftuka-utpatti). 

Adhy&ya 326 (B. 324). 

Vera 12187-12214 (B. 1-27). 
Bhisbma sprach: 

1. (12187.) Nachdem der Sohn der Satyavati (Vyasa) von 
dem Gotte diese herrliche Gewährung seines Wunsches er- 
halten hatte, ergriff er, um Feuer zu machen, die beiden Reib- 
hölzer faranij und rieb sie aneinander. 

2. (12 188.) Hierbei erblickte der heilige Rishi eine Apsaras 
mit Namen Ghritäci, welche vermöge des ihr eigenen Glanzes 
eine herrliche Gestalt zur Schau trug, o König. 

i 



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Adhyiya 326 (B. 324). 



705 



3. (12189.) Als der heilige Vyasa in jenem Haine diese 
Apsaras sah, o Yudhishthira, da wurde der Weise plötzlich 
von Begierde verwirrt. 

4. (12190.) Als die Ghritaci sah, wie Vyüsa in seinem 
Geiste von Begierde erschüttert war, verwandelte sie sich in 
ein Papageienweibchen ftttlij und näherte sich ihm. 

o. (12191.) Als er nun sah, dafs die Apsaras sich in eine 
fremde Gestalt gehüllt hatte, wurde er übermannt von Liebes- 
brunst, die seinen ganzen Leib durchzog. 

C>. (12192.) Mit grofser Festigkeit suchte Vyasa den Liebes- 
drang zu bekämpfen, aber der Muni war nicht imstande, sein 
stürmisches Verlangen zu bemeistern. 

7. (12193.) Indem das Unvermeidliche geschah, wurde er 
von der Schönheit der Ghritaci fortgerissen. Während nun 
der Muni sich mit aller Macht durch Feuerreiben im Zaume 
zu halten suchte, 

H. (12194.) geschah es, dafs sein Sperma plötzlich auf das 
Reibholz fiel. Aber mit unentwegtem Geiste fuhr trotzdem 
der Beste der Zwiegeborenen, 

9. (12195.) der Brahmanenweise fort, das Holz zu reiben, — 
da wurde ihm daraus der Cuka (der Papagei) geboren, o König, 
aus dem zerriebenen Sperma frukramj wurde ihm (,'uka ge- 
boren, der askesereiche, 

10. (12196.) der grofse Rishi, der mächtige Yogin, ent- 
sprungen aus dem Reibholze als Mutterschofs. Wie das bei 
der Opferhandlung entflammte Feuer erglänzt und den Opfer- 
trank emporträgt, 

11. (12 197.) so wurde, ihm an Gestalt gleich, von Glanz 
flammend, £uka geboren, indem er, o Kurusprofs, die un- 
vergleichliche Gestalt und Farbe (Kaste) seines Vaters an 
sich trug. 

12. (12198.) Und bereiteten Selbstes erglänzte er wie eine 
rauchlose Flamme. Aber die Gaiigä, die Beste der Ströme, 
auf den Gipfel des Meru, o Männerherr, 

13. (12199.) in leibhaftiger Gestalt sich begebend, labte 
ihn durch ihr Wasser. Und vom Himmel herunter, o Kuru- 
sprofs, kam der Stab und das schwarze Antilopenfell [wie 
sie der Brahmanenschüler trägt] 

Dittmi«, M&bAbh&raUm. 4"> 



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706 



III. Mokshadliannn. 



14. (12200.) auf die Erde geflogen, o Fürst der Könige, 
zum Besten des hochsinnigen <?uk&. Gandharven stimmten 
ihren Gesang an, Apsarasen tanzten 

15. (12201.) und weitschallende göttliche Trommeln wurden 
gerührt, und der Gandharve Vicvävasu nebst Tumburu und 
Närada 

16. (12202.) sowie die Gandharven Haha und Hühü jubelten 
über die Geburt des (^uka. Dorthin kamen auch die Welt- 
hüter mit Qakra (Indra) an der Spitze, 

17. (12203.) die Götter und Götterweisen und ebenso die 
Brahmanenweisen. Der Wind liefs himmlische Blumen von 
mancherlei Art herabregnen 

18. (12204.) und die ganze Welt des Beweglichen und Un- 
beweglichen war voll Freude. Sodann geschah es, dafs der 
hochsinnige Glanzreiche (Qiva) selbst, von seiner göttlichen 
Gattin begleitet, voll Freude ihn, 

19. (i22or>.) den kaum geborenen Sohn des Muni, nach 
der Vorschrift bei einem Lehrer einführte, und dafs (,'akra, der 
Herr der Götter, ihm einen himmlischen, wunderbar gestalteten 

20. (12206.) Wasserkrug [wie ihn die Asketen tragen] und 
himmlische Kleider aus Liebe spendete, o Herr. Aber Schwäne 
und Pfauen und Wasservögel zu Tausenden 

21. (12 207.) nebst Papageien und Hähern umkreisten ihn 
von rechts her, o Bhärata. Nachdem der Glanzvolle, Reib- 
holzentsprossene färaneyaj diese göttliche Geburt erlangt hatte, 

22. (12208.) blieb er dort wohnen, weise, seinem Gelübde 
treu und gesammelten Geistes. Kaum dafs er geboren war, 
nahmen auch schon die Veden nebst den Upanishad's fraha- 
syamj und den Auszügen 

23. (12 201» ) ebenso wie in seinem Vater auch in ihm 
Wohnung. Den Brihaspati aber wählte er, der der Veden, 
Vedanga's und Kommentare Kundige, 

24. (12210.) zu seinem Lehrer, o grofser König, indem er 
seiner Pflicht eingedenk war. Nachdem er mit ihm die 
sämtlichen Veden nebst Upanishad's und Auszügen durch- 
gegangen hatte, 

25. (12211.) sowie vollständig die Itihasa's (epischen Ge- 
dichte) und die Lehrbücher für Könige, o Herr, und nachdem 



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j 



Adhyaya 32« (B. :524). 



707 



er ihm, als seinem Lehrer, die Dakshinä (das Honorar) ent- 
richtet hatte, kehrte der grofse Muni zurück 

2fi. (12212.) und unternahm als Brahmacarin mit Hin- 
gebung gewaltige Askese. Obgleich noch ein Knabe, wurde 
der Askesereiche doch von Göttern und Rishi's 

27. (12 213.) um seines Wissens und seiner Askese willen 
aufgesucht und geehrt. Aber sein Geist, o Männerherr, be- 
gnügte sich nicht mit den drei Lebensstadion, (12214.) wie sie 
im Haus vaterstande wurzeln, sondern strebte auf die Erlösungs- 
lehre hin. 

So lautet Im Moktbadhanna die Entstehung de« «,,'uka 

(<;i,ktt-utj>att,). 



Adhyftya :**7 (B. 325). 

Vers 12215-1225<) (B. 1—41). 
Bhtshma sprach: 

1. (12215.) Nachdem er die Erlösung überdacht hatte, be- 
gab sich (,'uka zu seinem Vater, und nachdem er ihn als 
seinen Meister begrüfst hatte, sprach er, nach Heil verlangend, 
mit Bescheidenheit: 

2. (12210.) Du, o Heiliger, bist der Erlösungslehro kundig, 
so sage mir, wie meinem Geiste die höchste Beruhigung zu- 
teil werden kann, o Herr. 

3. 02217.) Als der höchste Weise das Wort des Sohnes 
vernommen hatte, sprach er zu ihm: Studiere die Erlösung 
und ihre mannigfachen Satzungen. 

4. (12218.) Auf die Empfehlung des Vaters hin bemächtigte 
sich (,'uka, der Beste der Gesetzesträger, des ganzen Yoga- 
kanons und der Kapilalehre, o Bharata. 

5. (12 2iy.) Als nun Vyäsa sah, dafs sein Sohn mit brah- 
mischer Herrlichkeit geschmückt, dem Brahman an Kraft 
gleich und der Erlösungslehre kundig war, 

(5. (12220.) da sprach er zu ihm: Gehe hin zu Janaka, 
dem Könige von Mithilä; er, der Herr von Mithila, wird dir 
den ganzen Sinn der Erlösung eröffnen. 

45* 



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708 



III. MokshaJhurma. 



7. (12221.) Auf die Empfehlung des Vaters hin entschlofser 
sich, nach Mithilä zu gehen, o Fürst, um nach der Grundlage 
des Gesetzes und dem höchsten Wege der Erlösung zu fragen. 

8. (12222.) Und weiter sprach zu ihm der menschenfreund- 
liche [Vater]: Gehe deinen Weg in Demut, wende nicht deine 
Yogamacht an, um durch die Luft zu fliegen. 

9. (12223.) Gehe in Schlichtheit und trachte nicht nach 
Genüssen, gehe nicht den vielerlei Dingen nach, denn sie 
fesseln dich an das Leben. 

10. (12 224.) Eigenmächtig mufst du nicht handeln, wenn 
du bei jenem Opferherrn und Könige bist, sondern im Ge- 
horsam gegen ihn verharren, dann wird er deine Zweifel lösen. 

11. (12225.) Dieser in der Pflicht bewanderte und der 
Erlösungslehre kundige König ist mein Opferherr, und was 
er dir sagt, das kannst du ohne Bedenken tun. 

12. (12226.) Nach diesen Worten wanderte der pflichttreue 
Muni nach Mithilä. Er ging zu Fufs, obgleich er durch die 
Luft über Land und Meer hätte fliegen können. 

13. (12227.) Er mufste über Berge steigen, Flufsfurten und 
Teiche durchwaten und durch Wälder und Dickichte dringen, 
wo es von wilden Tieren wimmelte. 

14. (12228.) Die Gebiete der beiden Berge Meru und Hari 
sowie ferner das Gebiet des Himälaya durchmafs er nach- 
einander und gelangte so in das Gebiet der Bharata's (bhära- 
tam varsham, d. i. Indien). 

15. (12229.) Nachdem er viele von Chinesen fCina) und 
Hunnen (Huna) bewohnte Länder gesehen hatte, kam der 
grofse Muni in unser Land Aryävarta (Hindostan). 

16. (12 230.) Die Worte seines Vaters befolgend und ihren 
Sinn überdenkend, nahm er seinen Weg [in gerader Linie], 
wie der Vogel in der Luft fliegt. 

17. (12231.) Liebliche Ortschaften und üppige Städte mit 
mancherlei Kostbarkeiten sah er und sah sie doch nicht. 

18. (12232.) Auch reizende Gärten und Göttertempel mit 
geweihten Schätzen liefs er auf seinem Wege hinter sich. 

19. (12233.) So gelangte er in kurzer Zeit ins Land der 
Videha's, welche von einem gerechten Könige, dem hoch- 
sinnigen Janaka, beherrscht wurden. 



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Adhyäya 327 (B. 325). 



709 



20. (12-234.) Da sah er viele in Essen und Trinken schwel- 
gende Dörfer, blühende Ortschaften und Weideplätze, die von 
vielen Rinderherden belebt waren. 

21. (i223.i.) Da war an Reis und Gerste Überflufs, da 
tummelten sich Gänse und Wasservögel, da prangten hundert- 
fach Lotosteiche in ihrer Schönheit. 

22. (12236.) Er durchschritt das Land der Videha's mit 
seinen reichen Bewohnern und kam zu dem lieblichen, blühen- 
den Parke von Mithilä. 

23. (i2>37.) Da wimmelte es von Elefanten, Rossen und 
Wagen, von Männern und Frauen; er sah sie und sah sie 
doch nicht, sondern ging unentwegt fürbafs. 

24. (12238.) Seine Last im Geiste tragend und an seine 
Aufgabe denkend, betrat er, in sich selbst ruhend und heitern 
Geistes, die Stadt Mithilä. 

25. (12239.) Am Burgtor angekommen, wollte er ohne Be- 
denken eintreten, aber die Torhüter wiesen ihn mit rauhen 
Worten zurück. 

20. (i22io.) £uka jedoch blieb, ohne in Zorn zu geraten, 
stehen, und obgleich er durch die Hitze und die Wanderung 
ermüdet und von Hunger und Durst gequält war, 

27. (12 241.) so zeigte er doch keine Mattigkeit oder Schlaff- 
heit und ging auch nicht aus der glühenden Sonne. Aber 
einer der Torhüter empfand Reue, 

28. (12242.) und indem er den Cuka dastehen sah, herrlich 
wie die Sonne im Zenith, ehrte er ihn, wie es sich gebührt, 
begrüfste ihn mit zusammengelegten Händen 

29. (12243.) und liefs ihn in die zweite Umzäunung des 
Königspalastes ein. Dort setzte sich Uuka nieder, o Freund, 
und meditierte über die Erlösung, 

30. (12 244.) gleichgültig gegen Schatten und Sonnenglut 
und immer gleich an Glanz. Da trat nach einer Weile ein 
Minister des Königs mit zusammengelegten Händen ihm ent- 
gegen 

31. (12245.) und geleitete ihn in die dritte Umzäunung des 
Königspalastes. Darauf lud der Minister den (>ka ein, in 
den an das Frauengemach anstofsenden, dem Lustwalde des 
Kubera vergleichbaren, 



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710 



III. Mokshariliarrua. 



32. (12246.) Spielplätze mit schön verteilten Wasserläufen 
enthaltenden, lieblichen, mit blühenden Bäumen geschmück- 
ten, unvergleichlichen Frauenlusthain einzutreten. 

33. (12 247.) Dort bot er ihm einen Sitz an und entfernte 
sich. Da geschah es, dafs schönbekleidete, schönhüftige, 
zarte, freundlichblickende, 

34. (12 248.) durchsichtige rote Gewänder tragende, von 
Goldschmuck funkelnde, des Plauderns und Kosens kundige, 
in Tanz und Gesang geübte, 

35. (12249.) unter Lächeln schmeichelnde, an Schönheit 
den Apsaras vergleichbare, in Liebeskünsten erfahrene, in 
allen Herzensangelegenheiten bewanderte, 

36. (12250.) herrliche Haremsmädchen, fünfzig an der Zahl, 
auf ihn zueilten. Sie brachten Fufswasser und alles weitere 
herbei, überhäuften ihn mit den höchsten Ehrenbezeigungen 

37. (12251.) und labten ihn mit köstlichen, der Jahreszeit 
entsprechenden Speisen. Nachdem er gespeist hatte, o Freund, 
führten sie ihn in dem zum Frauengemach gehörigen Hain 
herum 

38. (12252.) und zeigten ihm alle seine lieblichen Einzel- 
heiten, o Bhärata, indem sie dabei reizend spielten, lachten 
und sangen. 

39. (12253.) So umschwärmten sein hohes Wesen die wesens- 
kundigen Mädchen, aber der Reingesinnte, Reibholzen tsprossene 
hielt unbeirrt an seiner Aufgabe fest, 

40. (12254.) und als Herr seiner Sinne und Meister über 
den Zorn regte er sich nicht auf und zürnte auch nicht. 
Nun wurde ihm ein himmlisches, götterwürdiges, mit Juwelen 
geschmücktes Ruhebett, 

41. (12255.) das mit kostbaren Teppichen belegt war, von 
jenen herrlichen Mädchen dargeboten. Aber £uka, nachdem 
er sich nur die Füfse gewaschen und das Däramerungsgebet 
verrichtet hatte, 

42. (12 25G.) liefs sich auf einem reinen Sitze nieder und 
überdachte seine Aufgabe. Den ersten Teil der Nacht ver- 
brachte er in hingegebener Meditation, 

43. (12257.) und um Mitternacht gab der Herrliche sich 
dem Schlafe hin, wie es Vorschrift ist. Nach einiger Zeit 



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Adhyäya 327 (B. 325). 



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stand er dann auf, vollzog sofort seine Waschungen (i22:»8.j und 
gab sich dann, von den Mädchen umringt, mit Bedacht der 
Meditation hin. 

44. Auf diese Weise wurde von dem Krishnasohne un- 

■ • 

entwegt der ganze Tag (12259.) und die folgende Nacht am 
Hofe des Königs zugebracht, o Bhärata. 

So lautet im MoksWharm» die Entstehung de« £uka> 

(Vuka-utpatti). 

Adliyftya 328 (B. 320). 

Vers 12260-12311 (B. 1-51). 
Bhishma sprach: 

1. (12 200.) Da geschah es, dafs der König Janaka, von 
seinen Ministern umgeben, o Bhärata, unter Vortritt des Haus- 
priesters und des ganzen Harems, 

2. (12261.) einen Sessel und mancherlei Kostbarkeiten vor- 
ausschickend und auf seinem Haupte die Gastspende tragend, 
dem Sohne seines Lehrers sich nahte. 

3. (122G2.) Darauf wurde der mit vielen Juwelen ge- 
schmückte, mit kostbaren Teppichen überdeckte, höchst er- 
freuliche und prächtige Sitz 

4. (12263.) aus den Händen des Hauspriesters von dem 
Fürsten entgegengenommen und dem (,'uka, dem Sohne seines 
Lehrers, als höchste Ehrenbezeigung dargeboten. 

f>. (12 264.) Nachdem der Krishnasohn sich auf demselben 
niedergelassen hatte, ehrte der König ihn nach dei Gesetzes- 
vorschrift, bot ihm zunächst das Fufswasser dar und übergab 
ihm die Gastspende und eine Kuh. 

(>. (12 265.) Er aber nahm diese von Sprüchen begleitete 
Ehrenbezeigung in vorschriftsmäfsiger Weise entgegen, und 
nachdem der Beste der Brahmanen diese Ehrenbezeigung von 
Janaka entgegengenommen 

7. (12266.) und die Schenkung der Kuh genehmigt hatte, 
fragte der gewaltige f,'uka, um den König zu ehren, ihn nach 
seinem beständigen Wohlergehen 



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712 



III. Mokshndhanna. 



8. (12267.) und nach dem Befinden seines Gefolges, o Fürst 
der Könige. Auf seine Aufforderung nahm der König mit 
seiner Begleitung Platz. 

9. (12268.) Aber der König, edel an Gesinnung wie an 
Abstammung, legte, auf der Erde sitzend, die Hände zu- 
sammen, erkundigte sich bei dem Vyäsasohn nach seinem 
beständigen Wohlergehen, (12269.) und sodann befragte ihn 
der Erdeherr nach dem Zwecke seines Kommens. 

£uka sprach: 

10. (12270.) Mein Vater sprach zu mir: Heil sei dir! Als 
der Erlösung, des Guten und des Nützlichen kundig, ist der 
König der Videha's, Janaka, berühmt, und er ist mein Opferherr. 

11. (12 271.) Zu ihm begib dich eiligst, wenn du in deinem 
Herzen einen Zweifel darüber hegst, was zu tun und zu lassen 
ist, er wird dir den Zweifel lösen. 

12. (12272.) So bin ich denn auf den Befehl meines Vaters 
hierhergekommen, um dich zu befragen; darum mögest du, 
o Bester der Gesetzesträger, mir dementsprechend folgendes 
beantworten : 

13. (12 273.) Was hat ein Brahmane hienieden zu tun, von 
welcher Art ist das Wesen der Erlösung und wie kann die 
Erlösung erlangt werden, durch Wissen oder durch Askese? 

Janaka sprach: 

14. (12274.) Was ein Brahmane hienieden von der Geburt 
an zu tun hat, das vernimm. Nachdem er bei einem Lehrer 
eingeführt worden ist, soll er vor allem den Veda studieren. 

15. (12275.) In Askese, gutem Betragen gegen den Lehrer 
und Keuschheit beharrend, o Herr, soll er ohne Murren seine 
Schuld an die Götter und Väter abtragen. 

16. (12276.) Hat er aber den Veda mit Fleifs studiert, das 
Honorar entrichtet und die Entlassung vom Lehrer erhalten, 
dann soll der Z wiegeborene heimkehren. 

17. (12277.) Nachdem er heimgekehrt ist, soll er im Haus- 
vaterstande, sich mit der eigenen Gattin begnügend, leben 
und der Vorschrift gemäfs die Opferfeuer ohne Murren 
pflegen. 



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Adhyaya 328 (B. 326). 



713 



18. (12 278.) Nachdem er sodann Söhne und Enkel erlangt 
hat, soll er in das Lebensstadium des Waldeinsiedlers über- 
gehen, ebenjene Feuer nach der Vorschrift ehren und Gast- 
freundschaft üben. 

19. (12279.) Nachdem er pflichtgetreu im Walde der Vor- 
schrift gemäfs die Feuer in seinen Leib aufgenommen hat, 
soll er, erhaben über die Gegensätze und frei von Leiden- 
schaft, im Brahmanlebensstadium verweilen. 

(,'uka sprach: 

20. (12 2W.) Wenn nun Erkenntnis und Wissenschaft er- 
worben und im Herzen für immer die Freiheit von den Gegen- 
sätzen des Lebens erreicht worden ist, ist es dann noch 
notwendig, in den drei Lebensstadien zu verharren? 

21. (122S1.) Danach frage ich dich, das mögest du, o Herr, 
mir sagen, dem wahren Sinne des Veda gemäfs erkläre es 
mir, o Männerherr. 

Janaka sprach: 

22. (12282.) Die Erlösung kann nicht ohne Erkenntnis und 
Wissenschaft erlangt werden, die Wissenschaft aber ist, wie 
die Schrift lehrt, nur zu erlangen durch Verbindung mit 
einem Lehrer. 

2'X (12 283.) Der Lehrer ist der Fährmann, und das Wissen 
ist das Schiff, beides kann nur der, welcher die Erkenntnis 
erlangt, seinen Zweck erreicht hat und hinübergefahren ist, 
hinter sich lassen. 

24. (12234.) Damit die Welten nicht verfallen, damit die 
Werke nicht verfallen, ist die in den vier Lebensstadien ein- 
geschnürte Pflicht von den Alten geübt worden. 

25. (12 235.) Durch diese Hingabe an die Stufenreihe der 
Werke durch viele Geburten hindurch gelangt man dazu, 
das gute und das böse Werk von sich zu tun und das hie- 
nieden zu ergreifen, was die Erlösung heifst. 

2(5. (12 286.) Wenn aber durch viele Geburten im Sansara 
die Organe zubereitet worden sind, kann einer, der reinen 
Geistes ist, die Erlösung schon im ersten Lebensstadium er- 
langen. 



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III. MokshatUianna. 



27. (12287.) Hat aber einer diese erreicht, so fragt sich, 
welchen Zweck die drei übrigen Lebensstadien noch haben 
können für einen, der erlöst, wahrheitschauend, weise und 
nach dem Höchsten strebend ist. 

28. (12288.) Man mufs allezeit die aus Kajas und Taraas 
entspringenden Fehler vermeiden und auf dem Wege des Satt- 
vam durch seinen Atman zum Schauen des Atman gelangen. 

29. (12289.) Wenn einer sich selbst in allen Wesen und 
alle Wesen in sich selbst sieht, so wird er so wenig in der 
Welt befleckt wie ein Wasservogel im Wasser. 

30. (12290.) Wie ein Vogel aus der Niederung emporfliegt 
und die Unendlichkeit droben erreicht, so gelangt, verzichtend 
und vom Körper befreit, der über die Gegensätze Erhabene 
zum Frieden. 

31. (12291.) Darüber vernimm die Gesänge, welche ehe- 
mals vom Könige Yayäti gesungen wurden und welche von 
Zwiegeborenen , die der Erlösungslehre kundig sind, im Ge- 
dächtnisse aufbewahrt werden. 

32. (12292.) „In dem Atman und sonst nirgendwo wohnt 
das Licht; als gemeinsam allen Geschöpfen kann es unmittelbar 
geschaut werden von einem, dessen Geist sich darein vertieft. 

33. (12 293.) Vor wem sich kein anderer fürchtet und wer 
sich vor keinem andern furchtet, wer nicht liebt und nicht 
hafst, der geht in das Brahman ein. 

34. (12294.) Wenn einer kein böses Wesen gegen irgend 
jemand zeigt in Werken, Gedanken oder Worten, der geht 
in das Brahman ein. 

35. (12295.) Wer seinen Atman im Geiste wohlrüstet und 
den blindmachenden Neid fahren lafst, wer Begierde und Ver- 
blendung fahren läfst, der erlangt die Brahmanschaft. 

30. (12 296.) Wer beim Hören und Sehen allen Wesen 
gegenüber seinen Gleichmut bewahrt und über die Gegen- 
sätze erhaben ist, der geht in das Brahman ein. 

37. (12297.) Wer auf Lob und Tadel mit Gleichmut blickt, 
auf Gold und Eisen, Lust und Leid, 

38. (12 298.) Kälte und Wärme, Nutzen und Schaden, Liebes 
und Unliebes, Leben und Sterben, — der geht in das Brah- 
man ein. 



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Adhyäya 328 (B. 326). 



715 



39. (12299.) Wie die Schildkröte die Glieder, welche sie 
ausgestreckt hatte, wieder in sich hereinzieht, so soll der 
Bhikshu die Sinnesorgane durch sein Manas in sich herein- 
ziehen. 

40. (i230<>.) Wie ein von Dunkel umhülltes Kleid mit Hilfe 
einer Lampe gesehen wird, so kann man mit der Lampe der 
Buddhi den Atman schauen." — 

41. (12301.) Alles dieses sehe ich in dir verwirklicht, 
o Bester der Verständigen, und was sonst noch zu wissen 
übrig ist, das weifst du, o Herr, der Wahrheit gemäfs. 

42. (12 302.) Ich weifs von dir, o ßrahmanweiser, dafs du 
über die Sinnendinge hinausgelangt bist dank der Gnade 
deines Lehrers und deiner eigenen Lernbegierde. 

43. (12303.) Und durch desselben Lehrers Gnade ist auch 
mir ein göttliches Wissen mitgeteilt worden, darum weifs ich 
das über dich, o grofser Muni. 

44. (12304.) Unübertrefflich ist dein Wissen und unüber- 
trefflich dein Wandel; unübertrefflich ist auch deine Gott- 
herrlichkeit, du aber bist dir dessen nicht bewufst. 

45. (12 305.) Wegen deiner Jugend oder deines Zweifels 
oder deiner Furcht, die Erlösung nicht zu erlangen, bist du, 
obgleich dir die Wissenschaft zuteil geworden ist, dir nicht 
bewufst, das Ziel erreicht zu haben. 

4(5. (i2 3uc.) Wem von einem wie mir mit reiner Entschlossen- 
heit seine Zweifel gehoben worden sind, der spaltet die Knoten 
seines Herzens und erreicht das Ziel. 

47. (12307.) Du bist des Wissens teilhaftig, festen Geistes 
und frei von Begierde: ohne eine solche Bemühung, o Brah- 
mane, kann keiner jenes Höchste erreichen. 

48. (12308.) Du machst keinen Unterschied zwischen Lust 
und Schmerz, bist ohne Begehrlichkeit, trägst kein Verlangen 
nach Tanz und Gesang, und keine Leidensehaft steigt in 
dir auf. 

49. (12309). Du hängst nicht mehr an Verwandten, du 
fürchtest dich nicht mehr vor Gefahren, und ich sehe, o du 
Glücklicher, dafs dir Erdklumpen, Steine und Gold gleich- 
viel gelten. 

50. (12 310.) Ich sehe es und alle anderen Einsichtigen 



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III. Mokshadharma. 



sehen es, dafs du den höchsten, unvergänglichen, leidlosen 
Weg betreten hast. 

51. (i23ii.) Die Frucht, welche einem Brahmanen hienieden 
zuteil wird, und von welcher Art die Erlösung ist, darüber 
bist du unterrichtet, o Brahmane. Was hast du weiter noch 
zu fragen? 

So lautet im Mokabadbarma dia BnUtahung dea £uka 

ftuka - utpatti). 

AdhyAya 329 (B. 327). 

Vers 12312-12364 (B. 1-53). 
Bhishma sprach: 

1. (12312.) Nachdem fuka diese Rede vernommen hatte, 
ging er bereiteten Geistes, voll Zuversicht, sein Selbst durch 
sein Selbst befestigend und sein Selbst durch sein Selbst 
schauend, 

2. (12313.) nach Erfüllung seiner Aufgabe, heiter, beruhigt, 
schweigend und mit gehobenem Haupte hinauf zu dem Schnee- 
gebirge, dem Sturmwind vergleichbar. 

3. (12314.) Zur selben Zeit begab es sich, dafs auch der 
Götterweise Närada hinaufsteigen wollte, um den von seligen 
Scharen und himmlischen Sängern bewohnten Himälaya zu 
besuchen, 

4. (12316.) den Himälaya, welcher belebt ist von lieblich 
singenden Apsarasscharen, von Kinnara's zu Tausenden und 
Bhrifigaräja's, 

5. (12316.) von Tauchervögeln, Bachstelzen und bunt- 
farbigen Hühnerarten, 

6. von buntschillernden, durch hundertfache Kekärufe auf- 
fallenden Pfauen, (12317.) von Flamingoscharen und schwarzen 
Kuckucken ; 

7. dort thront allezeit der König der Vögel, Garutmant 
(Garuda), (12318.) dorthin kommen die vier weltbehütenden 
Götter und die Scharen der Rishi's 

8. immerfort zusammen, um das Beste der W r elt zu be- 
raten, (12319.) wo auch von dem hochsinnigen Vishnu zur 
Erlangung eines Sohnes Askese geübt wurde. 



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Adhyäya 329 (B. 327 ). 



717 



9. Dort war es auch, wo von Kumara (Skanda) einst in 
seiner Kindheit die Himmelsbewohner verhöhnt worden waren. 
(12320.) Skanda hatte nämlich seinen Speer in die Erde ge- 
stofsen und mit Verachtung aller drei Welten 

10. daselbst höhnend dieses Wort den Wesen zugerufen : 
(12 321.) Wenn irgendeiner lebt, der mir überlegen ist oder die 
Brahmanen mehr liebt als ich, 

11. wenn in den drei Welten ein zweiter sich findet, 
der an Heiligkeit und Tapferkeit mir gleichkommt, (12322.) so 
möge er versuchen, diesen Speer herauszuziehen oder auch 
nur zu erschüttern. 

12. Als sie dies hörten, gerieten die Welten in Aufregung 
und fragten sich: Wer wird den Speer herausziehen? (12323.) Als 
aber der heilige Vishnu die ganze Schar der Götter mitsamt 
den Dämonen und Kobolden 

13. bestürzt an Sinnen und Geist infolge der Verhöhnung 
erblickte, (12324.) da fragte er sich, was wohl hier Gutes ge- 
wirkt werden könne. 

14. Und indem er die Verhöhnung nicht ertrug, blickte 
er auf den Feuersohn (Skanda) hin, (12325.) packte mit reiner 
Seele den flammenden Speer, 

15. und es gelang ihm, dem höchsten Purusha, mit der 
linken Hand den Speer ins Wanken zu bringen. (12 320.) Als 
aber der Speer von dem gewaltigen Vishnu erschüttert wor- 
den war, 

16. da bebte die ganze Erde mit ihren Gebirgen und 
Waldungen. (12327.) Wohl hätte er den Speer herausrcifsen 
können, aber er bewegte ihn nur, 

17. denn der Übermächtige achtete die Verwegenheit des 
Königs Skanda. (12328.) Nachdem der Heilige den Speer be- 
wegt hatte, sprach er zu Prahruda dieses Wort: 

18. Sieh da die Heldenkraft des Kumara, kein anderer 
wird so etwas fertig bringen. (13 329.) Der aber ertrug dies»; 
Rede nicht, und überzeugt, den Speer herausziehen zu können, 

19. packte er ihn, vermochte aber nicht, ihn zu bewegen. 
(12330 ) Einen mächtigen Schrei ausstofsend, brach er ohn- 
mächtig auf dem Gipfel des Berges zusammen 



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718 



III. Mokshadharma. 



20. und zitternd stürzte er, der Sohn des Hiranyakacipu, 
zu Boden. — ( 12331.) Ebendort war es auch gewesen, wo, nach 
der nördlichen Himmelsgegend gelangend, an einem Abhänge 
des Königs der Berge 

21. der den Stier im Banner Führende (Qiva) beständig 
eine schwer zu überwältigende Askese übte, o Freund, 
(12332.) er, in dessen von flammendem Feuer umgebene Ein- 
siedelei 

22. mit Namen Sonnenberg schwer einzudringen ist von 
solchen, welche unbereiteten Geistes sind. (12 333.) Dorthin 
zu gehen ist nicht möglich für Halbgötter, Kobolde und 
Dämonen, 

23. zu der zehn Meilen weit sich erstreckenden, von 
Feuerlohe umgebenen Einsiedelei. (12334.) Der heilige Feuer- 
gott selbst flammte dort in seiner Stärke, 

24. um alle Hindernisse fernzuhalten von dem weisen 
Mahädeva, (12 335.) welcher tausend Götterjahre hindurch auf 
einem Fufse stand, 

25. von dem gelübdemächtigen Mahadeva, welcher die 
Götter in seiner Askese beunruhigte. — (12336.) Anderseits 
pflegte in der östlichen Gegend des weisen Königs der Berge 

2(5. an einem abgesonderten Abhänge der askesereiche 
Paräcarasohn (12 337.) Vyäsa seinen Schülern den Veda zu 
lehren, 

27. dem hochbeglückten Sumantu, dem Vaicampayana, 
(12 338.) dem hochweisen Jaimini und dem askesereichen Paila. 

28. Dort also, wo, von diesen Schülern umgeben, der 
askesereiche Vyäsa safs, (12339.) erblickte den lieblichen, vor- 
züglichen Ort der Einsiedelei seines Vaters 

21). der reingesinnte Rcibholzentsprossene, wie die Sonne 
am Himmel erglänzend. (12340.) Aber auch Vyäsa erblickte 
den wie lohendes Feuer umstrahlten, 

,'JO. der Sonne an Glanz gleichen Sohn, wie er heran- 
kam, (12341.) ohne sich um die Bäume, Felsen und Sinnen- 
dinge zu kümmern, in den Yoga vertieft, hochsinnig, einem 
von der Sehne abgeschossenen Pfeile vergleichbar. 

31. (12342.) Der Sohn näherte sich und erfafste die Füfse 



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Adhyaya 329 (B. 327). 



719 



des Vaters, er, der grofse Muni, während er die anderen 
nach Belieben begrüfste. 

32. (12343.) Darauf erzählte Cuka mit freudigem Herzen 
seinem Vater alles bis ins kleinste, wie er sich mit dem 
Könige Janaka unterredet hatte. 

33. (i*„»:u!.) Wie er zu tun pflegte, unterwies der gewaltige 
Vyasa seine Schüler und seinen Sohn und lebte auf dem 
Rücken des Himälaya, der hochweise Sohn des Paräeara. 

34. (12 345.) Nun begab es sich einstmals, dafs ihn seine 
Schüler umstanden, mit dem Vedastudium ausgerüstet, be- 
ruhigten Geistes, mit bezähmten Sinnen, 

35. (1234«;.) fest in den Veden und Vedänga's gewurzelt 
und askesereich. Da sprachen die Schüler mit zusammen- 
gelegten Händen zu Vyasa, ihrem Lehrer. 

Die Schüler sprachen: 

3»). (12347.) Mit grofser Kraft ausgestattet und herrlich 
emporgediehen, bitten wir nunmehr dich, unsern Lehrer, uns 
eine Gnade zu erweisen. 

37. (12318.) Diese ihre Rede vernommen habend, sprach 
zu ihnen der Rrahmanweise : Sprecht es aus, ihr Kälblein, 
welche Liebe ich euch erweisen soll. 

38. (12 311».) Dieses Wort des Lehrers hörten die Schüler 
mit frohem Herzen, und abermals, die Hände zusammen- 
legend und mit dem Haupte vor dem Lehrer sich ver- 
neigend, 

39. (12350.) sprachen sie, o König, alle im Verein dieses 
gewaltige Wort: Wenn der Lehrer mit uns zufrieden ist, so 
sind wir beglückt, o bester Muni. 

40. (12351 ) Aber wir alle bitten, dafs uns von dem grofsen 
Rishi eine Gunst gewährt werde: Möchte durch dich aufser 
uns kein sechster Schüler zum Ruhm gelangen, dies erweise 
uns als Gnade. 

4L (12352.) Wir Schüler sind unserer schon vier und der 
Sohn des Lehrers ist der fünfte. Möchten die Veden in unserm 
Kreise verbleiben, das ist der Wunsch, um dessen Erfüllung 
wir bitten. 



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720 



III. MokskaiUiarnm. 



42. (12333.) Als Vyäsa, der des Veda nach Inhalt und Be- 
deutung kundige und über das Wesen des Jenseits medi- 
tierende, weise Sohn des Paräcara, die Rede seiner Schüler 
vernommen hatte, 

43. (12354.) sprach der Pflichtkundige zu seinen Schülern 
das pflichtgetreue, beseligende Wort : Das heilige Wort mufs 
allezeit einem Brahmanen, wenn er es zu hören begehrt, mit- 
geteilt werden, 

44. (12335.) sofern er nach der beständigen Wohnung in 
der Brahmanwelt Verlangen trägt ; ihr sollt zu vielen werden, 
dieser Veda soll sich verbreiten. 

45. (12356.) Aber keinem dürft ihr ihn mitteilen, der nicht 
ein Schüler, der nicht gelübdetreu, der nicht bereiteten Geistes 
ist; dieses alles müfst ihr als die Bedingungen der Schüler- 
schaft der Wahrheit gemäfs erkennen; 

46. (12357.) nun und nimmer darf die Wissenschaft einem 
solchen mitgeteilt werden, der unbedachten Wandels ist. Denn 
wie man das Gold auf seine Reinheit hin durch Erhitzung, 
Schneiden und Reiben am Probierstein 

47. (12358.) prüft, so mufs man die Schüler auf ihre Ab- 
kunft, Fähigkeit und was sonst dazu gehört prüfen. Nie 
dürft ihr die Schüler zu einer unwürdigen oder gefährlichen 
Arbeit verwenden. 

48. (12359.) Je nach dem Verständnisse, je nach dem 
Studium wird die Wissenschaft fruchtbar sein; jeder mufs 
die Schwierigkeiten überwinden, und jeder soll auch seine 
Freude daran haben. 

41*. (12 360.) Allen vier Kasten soll man den Veda mitteilen, 
in erster Linie aber den Brahmanen. So steht es mit dem 
Studium des Veda, als grofse Aufgabe haben wir es überkommen. 

50. (12361.) Die Veden sind von dem durch sich selbst 
Seienden geschaffen worden, damit man die Götter mit ihnen 
preise. Wer aber in seiner Verblendung einen Brahmanen 
schmäht, der den Veda durchstudiert hat, 

51. (12362) der geht unzweifelhaft ins Verderben, weil er 
es auf einen Brahmanen abgesehen hat. Wer unbefugter- 
weise den Veda erklärt und wer unbefugterweise über ihn 
Fragen stellt, 

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Adhy&ya 329 (B. ;-l27). 



721 



52. (12363.) von denen geht erstcrer ins Verderben und 
letzterer macht sich verhafst. Alles dies sei euch anbefohlen 
als Vorschrift, wie der Veda zu lehren ist; 

f>3. (12 364.) seid hilfreich euren Schülern, das haltet fest 
in eurem Herzen. 

So lautet im Mokshadharroa das Treiben de« Quka 

(Cuka-krityam). 



Adhyfiya 330 (B. 328). 

Vers 12365-12421 (B. 1-57). 

Bhlshma sprach: 

1. (12365.) Nachdem die herrlichen Schüler des Vyäsa 
dieses Wort des Lehrers gehört hatten, umarmten sie ein- 
ander freudi Herzens : 

2. (12366.) „Was der Heilige zu uns gesprochen hat, das 
ist als verbindlich für Gegenwart und Zukunft in unserm 
Geiste festgewurzelt, und danach werden wir handeln.'* 

3. (12367.) Nachdem sie sich wiederholt freudigen Geistos 
in dieser Weise miteinander besprochen hatten, redeten die 
Redekundigen abermals ihren Lehrer an: 

4. (12368.) Es ist uns erwünscht, o grofser Muni, aus 
diesem Gebirge in die Welt herabzusteigen und für die Ver- 
breitung der Veden zu wirken, wenn es dir, o Herr, gefällt. 

5. (12369.) Nachdem der Paräearasohn die Rede seiner 
Schüler angehört hatte, sprach er darauf das heilsame, zum 
Guten und Nützlichen mahnende Wort: 

6. (12370.) Ihr mögt euch zur Erde oder zur Götterwelt hin- 
wenden, wenn es euch gefällt, jedenfalls müfst ihr behutsam 
wandeln, denn das heilige Vedawort ist leicht zu entstellen. 

7. (12371.) Von dem wahrheitliebenden Lehrer verabschiedet, 
umkreisten sie den Vyäsa nach rechts, grüfsten ihn durch 
Neigung des Hauptes und machten sich auf den Weg. 

8. (12372.) In die Ebene hinabgestiegen, richteten sie so- 
dann das Vierpriesteropfer ein und waren für Brahmanen, 
Räjanya's und Vaicya s als Opferpriester tätig. 

Dki-»«em, Mababbaratam 40 



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722 



III. Mokshadharma. 



9. (12373.) Allezeit von den Z wiegeborenen geehrt, lebten 
sie fröhlich als Hausväter und hatten ihre Freude am Opfern 
für andere und am Lehren des Veda, glücklich und in der 
Welt berühmt. 

10. (12374.) Nachdem die Schüler hinabgestiegen waren, 
blieb Vyäsa mit seinem Sohne schweigend, meditierend und 
gedankenreich an einsamer Stätte sitzen. 

11. (12375.) Da besuchte ihn in seiner Einsiedelei der 
askesereiche Närada und sprach zu passender Zeit mit lieb- 
lich tönender Stimme: 

12. (12376.) Ei, ei, du Brahmanenweiser aus Vasishtha's 
Stamm ! man hört hier gar nicht mehr das heilige Wort er- 
tönen; warum sitzest du allein meditierend und schweigsam 
da wie einer, der in Gedanken versunken ist? 

13. (12377.) Dieser Berg hat jetzt, wo er nicht mehr von 
heiliger Rede widerhallt, seine Schönheit eingebüfst wie der 
Mond, wenn er durch Staub und Finsternis verdunkelt wird. 

14. (12378.) Nicht glänzt er mehr wie vordem, und er, der 
doch von Göttern und Rishi's besucht wird, gleicht einer Be- 
hausung wilder Barbaren, seitdem das Vedawort nicht mehr 
auf ihm erschallt. 

15. (12379.) Rishi's, Götter und mächtige Gandharven, des 
Vedaklanges entbehrend, glänzen nicht mehr wie vordem. 

16. (12380.) Das Wort des Närada vernommen habend, 
erwiderte Krishna Dvaipäyana: 0 grofser Rishi, was du mir 
gesagt hast, du, der Vedareden Kundiger, 

17. (i2 38i.) das entspricht meinem Wunsche, und du hast 
ganz recht, es mir zu sagen. iVllweise, allschauend und 
überall umherspürend, 

18. (12J82.) hast du in deinem Geiste alles gegenwärtig, 
was in den drei Welten vor sich geht. Darum sprich dich 
aus, o Brahmanenweiser, und sage, was ich dir zuliebe 
tun soll. 

19. (12383.) Lafs hören, o Brahmanenweiser, was ich unter- 
nehmen soll ; seitdem ich meiner Schüler beraubt bin, werde 
ich meiner nicht mehr recht froh. 



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Adhy&ya 330 (B. 328). 



723 



Narada sprach: 

20. (12384.) Das Nichtstudiertwerden ist eine Schmach für 
den Veda, keine Gelübde zu haben eine Schmach für den 
Brahmanen; Ausländer sind die Schmach des Landes, Neu- 
gierde ist die Schmach der Weiber. 

21. (12386.) 0 Herr, studiere zusammen mit deinem ver- 
ständigen Sohne die Veden, dann wirst du durch den Schall 
der heiligen Rede den Trübsinn abschütteln, der dich aus 
Furcht vor den Kobolden befängt. 

Bhlshma sprach: 

22. (123S6.) Nachdem der überaus pflichtkundige Vyäsa 
das Wort des Närada gehört hatte, sprach er freudig : So sei 
es! und gelobte sich fest, die Veden eifrig zu treiben. 

23. (12 387.) Darauf gab er sich mit seinem Sohne C,"uka 
dem Studium des Veda hin und erfüllte mit seinem lauten, 
kunstgerechten Vortrage gleichsam die Welt. 

24. (12 38s.) Einstmals, als die beiden gerade studierten 
und mancherlei Satzungen vortrugen, wehte ein sehr starker 
Wind, der von einem Seesturme herrührte. 

2f>. (12389.) Dabei kann nicht studiert werden, sprach 
Vyasa und hemmte den Eifer seines Sohnes ; </uka hörte auf, 
und von Wifsbegierde erfüllt, 

26. (12390.) fragte er seinen Vater: 0 Brahmane, woher 
ist dieser Wind entstanden? Du mögest mir, o Herr, das 
ganze Wesen des Windes erklären. 

27. (12391.) Nachdem er dieses Wort des Tuka vernommen 
hatte, sprach der gleichfalls über diese Veranlassung der 
Studienunterbrechung höchst erstaunte Vyasa folgendermafsen : 

28. (12392.) Ein himmlisches Auge ist dir geworden, und 
dein Geist ist aus sich selbst fleckenlos, von Tamas und 
Rajas bist du frei und stehst fest im Sattvam. 

29. (12393.) Wie einer sein Bild im Spiegel, so siehst du 
dein Selbst durch dein Selbst; erwäge in deinem Selbste die 
Veden und überdenke sie mit deinem Geiste. 

v30! U2394.) Wer auf dem Götterwege gellt, gelangt zu 
Vishnu, der Väterweg aber ist tamas-artig: diese beiden Wege 

IG* 



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724 



III. Mokslwulharma. 



bestehen nach dem Tode für den, der zum Himmel, und für 
den, der niederwärts geht. 

31. (12395.) Auf der Erde und im Lufträume, wo immer 
die Winde umherstreichen mögen, da gibt es folgende sieben 
Windpfade, diese vernimm der Reihe nach.* — 

32. (12396.) Da oben wohnen die mächtigen, gewaltigen, 
göttlichen Scharen der Sädhya's, diese hatten einen schwer 
überwindlichen Sohn, der hiefs Samäna (der Allhauch). 

33. (12397.) Sein Sohn ist der Uddna (Auf hauch), dessen 
Sohn der Vyäna (Zwischenhauch); von ihm stammt der Apana 
(Einhauch), und von diesem weiter der Präna (Aushauch). 

34. (12398.) Der schwer zu bewältigende, feindbedrängende 
Präna aber hatte keine Nachkommen. Nun will ich dir die 
besonderen Verrichtungen dieser Winde der Wahrheit gemäfs 
erklären. 

35. (12399.) Der Wind ist es, welcher die Tätigkeit der 
lebenden Wesen allüberall und bei jedem in Gang bringt, und 
weil alle W T esen aushauchen, darum wird er Präna (der Aus- 
hauch) genannt 

3G. (i24oo.) Die aus Dunst und Hitze geborenen Wolken- 
massen treibt derjenige Wind an, welcher der erste auf dem 
ersten Pfade ist und welcher den Namen Pravaha (der An- 
treiber) führt. 

37. (12401.) Im Lufträume Feuchtigkeit aufnehmend und 
durch die Blitze sehr glänzend geworden, weht sausend und 
brausend der zweite Wind, welcher Avaha (der Hertreiber) 
heifst. 

38. (12402.) Derjenige Wind, welcher fort und fort den 
Aufgang des Mondes und der Sterne bewirkt, und den, sofern 
er innerhalb des Körpers auftritt, die Weisen den Udäna (Auf- 
hauch) nennen [mit C], 

39. (12403.) der Wind, welcher aus den vier Ozeanen das 
Wasser entnimmt, es emporführt und es für die Wolken im 
Lufträume mit sich fortträgt, dieser Wind, 



* Vers 3ti schliefst sich unmittelbar an Vers 31. Vers 32-35 unter- 
brechen den Zusammenhang und scheinen ein eingeschobenes Fragment 
einer von den fünf Präna's handelnden Stelle zu sein. 

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Adhy&ya 303 (B. 328). 



725 



40. (12404.) welcher die Wolken mit Wasser versorgt und 
sie dem Regengotte überliefert, dieser überaus starke ist der 
dritte Wind und heifst Udvaha (Emportreiber). 

41. (12403.) Derjenige Wind, durch welchen die einzelnen 
Wolken vielfach zusammengetrieben, fortgeführt und, wenn 
sie anfangen den Regen zu entlassen, zu dichten Regen- 
wolken werden, 

42. (12406.) durch den sie aneinander geschlagen und zer- 
brochen werden, so dafs die Töne der donnernden entstehen, 
durch den die zum Heil entstandenen Wolken zu Regen- 
wolken werden, 

43. (12407.) der auch die Götterwagen höherer Wesen im 
Lufträume fortführt, dieser Berge zerreifsende Wind ist der 
vierte und heifst Samvaha (Zusammen treiber). 

44. (12 403.) Der stürmische, rauhe, durch die Berge brüllende 
Wind, durch welchen die zerrissenen und wieder vereinigten 
Wolken zu Gewitterwolken werden, 

45. (12409.) der vom Himmel her donnernd furchtbar sich 
erhebt und dahinfährt, dieser sehr stürmische Wind ist der 
fünfte und wird Vivaita (Zer treiber) genannt. 

4(>. (12410.) Der Wind, in welchem die freischwebenden 
himmlischen Gewässer im Lufträume dahinziehen, auf welchen 
sich stützend, das reine Wasser der Himmelsgaiigä sich hält, 

47. (124U.) und in welchem, von fernher gehemmt, als ein- 
strahlig die Sonne erscheint, sie, welche doch der Mutter- 
schafs von tausend Strahlen ist und die Erde mit Licht erfüllt, 

4S. (12412.) der Wind, durch den der Mond wächst und 
nach seinem Schwinden die Scheibe wieder füllt, dieser sieg- 
reichste ist der sechste und heifst Parivaha (Umtreiber). 

49. (12413.) Der Wind, welcher die Lebensgeister aller 
Lebenden zu ihrer Zeit austreibt, auf dessen Pfade beide sich 
bewegen, der Todesgott und des Vivasvant Sohn (Yama), 

50. (12 4U.) der den mit ruhigem Geiste richtig Forschen- 
den, — o ihr Kenner der innern Seele! — den an Meditation 
und Studium sich Erfreuenden zur Unsterblichkeit verhilft, 

51. (12415.) von welchem getragen die zehntausend Söhne 
des Schöpferherrn Daksha im Sturme an das Ende der Welt 
gelangt sind, 



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726 III. Moksbadharma. 

52. (12416.) von welchem der Erschaffene weggerafft dahin- 
geht und nicht wiederkommt, dieser höchste, schwer zu über- 
windende Wind heifst Parävaha (Wegtreiber). 

53. (12417.) So steht es mit diesen höchst wunderbaren 
Winden, den Söhnen der Aditi; unermüdlich wehen sie, alles 
durchziehend, alles tragend. 

54. (12418.) Aber das ist ein grofses Wunder, dafs dieser 
trefflichste der Berge durch jenen über die Mafsen wehenden 
Wind mit Gewalt erschüttert wurde. 

55. (12419.) Dieser Wind ist der Odem des Vishnu; wenn 
dieser, stürmisch erregt, sich gewaltsam erhebt, o Freund, 
dann erzittert die ganze Welt. 

56. (12420 ) Darum studieren die Brahman wisser den Veda 
nicht bei starkem Winde, denn in Windfurcht vor dem W inde 
rezitiert, fühlt sich das heilige Wort gequält. 

57. (12421.) Nachdem der mächtige Sohn des Paracara 
dies Wort gesprochen hatte, rief er seinem Sohne zu: „Stu- 
diere!" und stieg zur Himmelsgangä hinauf. 

So lautet im Mokihadharma die Entstehung dei £uka 

(riika-utpatti). 

Adhyftya 331 (B. 329). 

Vers 12422-12481 (B. 1-59). 
BhiBhma sprach: 

1. (124^2.) In dieser Zeit des Alleinseins kam Narada herbei, 
um dem mit dem Studium des Veda beschäftigten £uka über 
den Inhalt des Veda Fragen vorzulegen. 

2. (12423.) Als aber (,'uka den Götterweisen Narada heran- 
kommen sah, verehrte er ihn zunächst durch die Gastspende 
auf die im Veda vorgeschriebene Weise. 

3. (12424.) Da sprach Narada freudig und liebevoll: Sage 
mir, o Bester der Gesetzesträger, mit welcher Heilsgabe ich 
dich beglücken kann, mein Lieber. 

4. (12425.) Als Cuka das Wort des Narada vernommen, 
o Bharata, sprach er zu ihm : Was in dieser Welt zum Heile 
dient, damit mögest du mich beschenken. 



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Adbyaya 331 (B. 329). 



727 



Närada sprach: 

5. (12426.) Zu den nach der Wahrheit forschenden und 
in ihrem Geiste bereiteten alten Weisen hat der heilige Sanat- 
kumära das folgende Wort gesprochen: 

6. (12427.) Kein Auge kommt der Wissenschaft gleich, 
keine Askese der Wahrheit, kein Unglück kommt der Leiden- 
schaft, kein Glück der Entsagung gleich f = Vers 6557). 

7. (12428.) Abwendung von bösem Tun, beständige Rein- 
heit des Charakters, edles Betragen und geziemendes Be- 
tragen, darin liegt das höchste Heil. 

8. (12429.) Wer das Unglück hat, Mensch geworden zu 
sein und daran hängt, der ist ein Tor; nicht vermag er sich 
vom Leid zu befreien, Kleben an der Welt heifst Leiden. 

9. (12430.) Die Erkenntnis des Weltanhänglichen geht irre 
und befestigt ihn in dem Netze der Verblendung; wer aber 
vom Netze der Verblendung umstrickt ist, der gerät in Leiden 
hienieden und im Jenseits. 

10. (12431.) Mit allen Mitteln soll man die Niederhaltung 
der Begierde und des Zornes erstreben, wenn man nach dem 
Heil trachtet, denn diese beiden stehen auf der Lauer, um 
das Heil zu morden. 

11. (12432.) Allezeit soll man seine Askese vor Zorn be- 
hüten und sein Glück vor Ubermut, seine Wissenschaft soll 
man vor Hochmut und Geringschätzung bewahren und sich 
selbst vor Unbesonnenheit. 

12. (12*33.) Wohlwollen ist die höchste Pflicht, Geduld 
ist die höchste Stärke, das Atmanwissen ist das höchste 
Wissen, aber nichts Höheres gibt es als die Wahrheit. 

13. (12434.) Das Beste ist, immer die Wahrheit zu sagen, 
wer die Wahrheit sagt, der redet zum Guten; das absolut 
Gute für die Wesen ist nach meiner Meinung die Wahrheit. 

14. (12435.) Wer auf alle Unternehmungen verzichtet, ohne 
Wünsche und ohne Anhang lebt, wer verzichtet auf dies 
alles, der ist weise, der ist gelehrt. 

15. (12436.) Wer durch die Sinnendinge wandelt mit 
Sinnen, die dem Atman gehorsam sind, ohne Anhänglichkeit, 
beruhigten Geistes, unentwegt und gesammelt, 



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728 



III. Moksha<lharma. 



16. (12437.) wer bei allem, was sein Selbst umgibt, mag 
es ihm angehören oder nicht, sich bewufst bleibt, dafs er 
das nicht ist, der ist erlöst und erlangt in kurzer Zeit das 
höchste Heil. 

17. (i2i»8.) Wer im Verkehr mit den Wesen nicht sieht, 
nicht fühlt, nicht redet, der, o Muni, erlangt das höchste Heil. 

18. (12439.) Man schädige kein Wesen und beharre auf 
dem Wege der Freundlichkeit; nachdem man einmal in dieses 
Dasein geraten ist, lebe man in Feindschaft mit niemandem. 

19. (i24io.) Besitzlosigkeit, Zufriedenheit, Wunschlosig- 
keit, Unwankelmütigkeit, das erklärt man für das höchste 
Glück dessen, der sein Selbst erkennt, sein Selbst beherrscht 

20. (12441.) Gib auf, was dir angehört, und beharre, 
o Freund, in Bezähmung der Sinne, gewinne den Standpunkt 
der Freiheit von Kummer und Furcht hier und im Jenseits. 

21. (12442.) Wer frei von Lockungen ist, hat keinen 
Kummer, man meide, was die Seele verlockt; wenn du den 
Lockungen widerstehst, o Teurer, wirst du von Leid und 
Qual erlöst werden. 

22. (12443.) Von dem askesetreuen, bezähmten, sich selbst 
im Zaume haltenden Muni, der das noch Unüberwundene zu 
überwinden strebt, mufs in der Sinnenwelt ohne Sinnenlust 
beharrt werden. 

23. (12444.) Der Brahmane, welcher nicht mehr in die 
Fesseln der Guna's verstrickt ist, sondern an dem einsamen 
Wandel allezeit sein Genüge hat, der wird in kurzer Zeit zu 
unüberbietbarer Seligkeit gelangen. 

24. (12445.) Wer unter den an den Gegensätzen sich freuen- 
den Wesen als Muni seine Freude an der Einsamkeit hat, 
den wisse als einen Erkenntnisgesättigten, und wer an Er- 
kenntnis gesättigt ist, der leidet nicht mehr. 

25. (12446.) Durch gute Werke erlangt man das Gott- 
sein, durch gemischte eine Geburt als Mensch, durch böse 
Werke verfällt man einer Geburt als Tier, man mag wollen 
oder nicht. 

20. (12 447.) Dabei wird das Geschöpf fort und fort von 
Tod, Alter und Schmerz bestürmt und im Sansära mürbe ge- 
macht; siehst du das nicht ein? 



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Adtayfcya 331 (B. 329). 



729 



27. (i»44s.) Du, der du das Nichtgute für gut hältst, das 
Vergängliche für beständig, das Wertlose für wertvoll, warum 
siehst du das nicht ein? 

28. (12449.) Dafs du von vielen von dir selbst gesponnenen 
Stricken der Verblendung umgarnt bist, wie eine Seiden- 
raupe, die sich selbst einspinnt, siehst du das nicht ein? 

20. (12450.) Lafs das Angehörige fahren; in Schuld ver- 
wickelt, was angehört; wird ja doch auch die Seidenraupe 
gebunden durch das, was ihr angehört. 

30. (12 451.) An Kindern, Weibern und Familie hängend, 
ermatten die Menschen, wie alte Waldelefanten, wenn sie in 
ein Meer von Schlamm geraten sind. 

31. (12452.) Wie Fische in einem grofsen Netze gefangen 
und aufs Trockene gezogen werden, so lassen sich die Men- 
schen in dem Netze der Weltliebe fangen und geraten da- 
durch in grofses Leid. 

32. (12453.) Familie, Kinder, Weiber, Leib und Vermögen 
wisse alles als dir fremd und unbeständig. Was ist dein? 
Das gute und böse Werk! 

33. (12454.) Da du alles dahinten lassen und fortziehen 
mufst, du magst wollen oder nicht, warum klammerst du dich 
an Wertloses an und suchst nicht das, was wertvoll ist? 

34. (12455.) Den W r eg ohne Ende, ohne Ruheplätze und 
ohne Wegekost, den richtungslosen, durch Dunkel und Dickicht 
führenden, wirst du den allein gehen? 

35. (1245C.) Kein Mensch wird dir folgen, wenn du ihn 
angetreten hast, nur das gute und böse Werk wird dich auf 
deinem Wege geleiten. 

3(>. (12457.) Wissenschaft, Werke, Reinheit und viel- 
umfassende Erkenntnis, dem mufst du um des Zweckes willen 
nachtrachten; wer den Zweck erreicht hat, wird erlöst. 

37. (12458.) Eine bindende Fessel ist die Liebesfreude des 
Dorfbewohners, Edelgesinnte durchsehneiden sie und ziehen 
davon, Übelgesinnte durchschneiden sie nicht [= Vers 12114]. 

38. (12459.) [Es gibt einen Flufs:] Gestalt ist sein Ufer, 
Manas seine Strömung, der Tastsinn seine Insel, der Ge- 
schmack sein Gefälle, der Geruch sein Schlamm, das Gehör sein 
Wasser, der Weg zum Himmel ist schwer auf ihm zu finden, 



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730 



III. Mokshadhurma. 



39. (12460.) aber mit der Geduld als Ruder, der Wahrheit 
als Ballast, Festigkeit in der Pflicht als Zugseil, mit der Frei- 
gebigkeit als schnellem Segelwinde mufs man zu Schiffe 
diesen Flufs überschreiten. 

40. (12461.) Wirf ab Gutes und Böses, Wahrheit und Un- 
wahrheit, und wenn du beides, Wahrheit und Unwahrheit, 
abgeworfen hast, wirf auch den ab, durch den du sie ab- 
geworfen hast. 

41. (12462.) Wirf ab das Gute, weil du wunschlos, das 
Böse, weil du begierdelos geworden bist, die Wahrheit und 
Unwahrheit, weil dir die Erkenntnis zuteil wurde, die Er- 
kenntnis, weil du des Höchsten gewifs bist. 

42. (12463.) Das Haus, dessen Säulen die Knochen, dessen 
Bänder die Sehnen, dessen Mörtel Fleisch und Blut sind, das 
hautüberzogene, übelriechende, von Kot und Urin erfüllte, 

43. (12 4ß4.) in welchem Alter und Kummer hausen und 
qualvolle Krankheiten sich tummeln, das unreine, vergäng- 
liche, das dir zur Wohnung geworden ist, verlasse. 

44. (12465.) Dieses Weltall, alles Lebende und was an 
Nichtlebendem vorhanden ist, auch alles, was aus den grofsen 
Elementen besteht, ferner das Grofse [der Mahän], welches 
sich auf das Höchste stützt, 

45. (12466.) dazu die fünf Elemente nebst Tamas, Sattvam 
und Kajas, das ist der siebzehnfache Haufen, welcher Avyaktam 
(Prakriti) heifst. 

46. (12 467.) Fügt man hierzu noch alle [fünf] Sinnes- 
objekte nebst den entfalteten und unentfaltefcen Wesenheiten, 
so kommt [noch willkürlicher ist die Verteilung bei Nil.] die 
aus allem Entfalteten und Unentfalteten sich zusammensetzende 
vierundzwanzigfache Schar heraus. 

47. (12468.) Mit allem diesem ist er verbunden, der da der 
Purusha genannt wird, auch ist da noch die Dreischar [des 
Guten, Nützlichen, Angenehmen] nebst Lust und Leid, Leben 
und Tod, — 

48. (12469.) wer das alles der Wahrheit nach kennt, der 
kennt das Entstehen und Vergehen, man mufs es in seiner 
Abfolge begreifen, und was sonst noch an Wifsbarem vor- 
handen ist. 



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Adbyäya 331 (B. 329). 



731 



49. (12470.) Alles, was durch die Sinnesorgane aufgefafst 
wird, heifst das Entfaltete, soviel ist klar; unter dem Un- 
entfalteten ist das über die Sinne Hinausliegende, nur aus 
Merkmalen (lifiga) Erschliefsbare zu verstehen. 

50. (12471.) An der Bezähmung der Sinne erquickt sich 
der Mensch wie an Wasserquellen, indem er den Atman in 
der Welt und die Welt in dem Atman* schaut. 

51. (12472.) Die Kraft dessen, welcher auf Grund der Er- 
kenntnis das Höchste und Tiefste durchdringt, ist unver- 
gänglich, indem er allezeit alle Wesen in allen ihren Zu- 
ständen durchschaut. 

52. (12473.) Die Verbindung mit allem Seienden ist nicht 
auf unlauterem Wege zu erlangen, sondern nur von dem, 
welcher durch die Erkenntnis sich über die mannigfachen, 
aus Verblendung entspringenden Anfechtungen erhebt. 

53. (12474.) Wenn das Licht der Erkenntnis in der Welt 
leuchtet, so wird dadurch der Gang der Welt nicht gestört. 
Von dem anfang- und endlosen, im Atman weilenden, unver- 
gänglichen Wesen 

54. (12475.) lehrt der erhabene Pfadlinder, dafs es taten- 
los und gestaltlos ist. Aber ein Mensch, welcher bald durch 
diese, bald durch jene selbstbegangenen Werke in beständi- 
ges Leid verstrickt wird, 

55. (12 476.) der wird, um dem Leid zu wehren, vielfach 
seine Mitmenschen schädigen. Dann greift er immerfort nach 
vielen neuen Tätigkeiten 

56. (12477.) und wird von ihnen wieder aufs neue gequält, 
dem Kranken gleich, der eine unwirksame Arznei einnimmt. 
Von Betörung verblendet und unaufhörlich in Schmerzen, 
wird er durch nur vermeintliche Lüste [lies: samjhitai/t] 

57. (12478.) geschlagen und von seinen eigenen Werken 
wie von einem Quirlstabe gequirlt. Dann bleibt er hienieden 
gebunden [und erlangt] vermöge des Aufspriefsens seiner 
Werke den ihm zukommenden Mutterschofs ; 

58. (12479.) so durchläuft er wie ein Rad den Sarisära 
unter vielen Schmerzen. Du aber, befreit von den Fesseln 
und abgewendet vom Werke, 



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732 



III. Mokshadharma. 



59. (12480.) werde ein Allwisser, Allsieger in der Voll- 
endung, vom Dasein gelöst. Indem sie eine neue Bindung 
fernhielten durch Yogazucht und durch die Kraft der Askese, 
(12 4SI.) haben viele die Vollendung erlangt, die unstörbare, 
welche der Aufgang des Glückes ist. 

So lautet im Moksbadbarma die Unterredung zwischen £uka und Xirada 

(Y«*a. Sdrada- aawtddo). 



AdhyAya 332 (B. 330). 

Vers 12482-12511 (B. 1-30). 
Närada sprach: 

1. (12 482.) Wer zur Abwehr des Leidens die leidfreie, be- 
ruhigende, beseligende Lehre anhört, der erlangt die Erkennt- 
nis, und hat er diese erlangt, so gedeiht sein Glück. 

2. (12483.) Tausend Anlässe zum Leid und hundert An- 
lässe zur Furcht überfallen Tag für Tag den Toren, aber 
nicht den Weisen. 

3. (12484.) Darum sollst du, um die Vernichtung des 
Leidens zu fördern, auf meine Erzählung achten. Wenn die 
Buddhi im Gehorsam verharrt, dann erlangt man die Ver- 
nichtung des Leides. 

4. (12 485.) Durch Verbindung mit Unliebem und Getrennt- 
sein von Liebem [vgl. die erste der vier heiligen Wahrheiten 
des Buddhismus] verbinden sich die kurzsichtigen Menschen 
mit geistigen Leiden. 

5. (12486.) Ist man über die Substanzen hinausgelangt, so 
soll man sich auch um ihre Qualitäten nicht mehr kümmern, 
denn solange man diesen noch Beachtung schenkt, wird das 
Band des Welthanges nicht gelöst. 

6. (12 487.) Man erkenne die Mängel des Gegenstandes, 
auf den sich die Begierde richtet, man überzeuge sich, dafs 
er voll von Unerwünschtem ist, und die Leidenschaft wird 
sich schnell abkühlen. 

7. (12 488.) Kein Nutzen, kein Gutes und kein Ruhm [kommt 
dabei heraus], wenn man Vergangenem nachtrauert; ebenso- 



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Adhy&ya 332 (B. 330). 



73:) 



gut mag man an Nichtvorhandenes sich hängen, denn auch 
das kommt einem nicht wieder. 

8. (r>489.) Mit den Eigenschaften der Dinge treten die 
Wesen in Verbindung und trennen sich wieder von ihnen, 
alle wie sie da sind; nicht für einen allein besteht dieser 
Anlafs zum Kummer. 

9. (12490.) Wer einem Vergangenen, mag es gestorben 
oder verloren sein, nachtrauert, der häuft Schmerz auf Schmerz 
und verdoppelt nur sein Ungemach. 

10. (12491.) Keine Träne wird vergiefsen, wer mit Erkennt- 
nis [begabt ist], wenn er den Lauf der Welt betrachtet. Wer 
alles richtig ansieht, für den ist kein Anlafs, Tränen zu ver- 
giefsen. 

11. (12 492.) Wenn ein Schmerz, ein körperlicher oder 
geistiger, auf einen Menschen eindringt, so soll er das, was 
er durch Bemühungen nicht ändern kann, auch nicht weiter 
bedenken. 

12. (12493.) Das rechte Heilmittel des Schmerzes besteht 
darin, nicht an ihn zu denken; denn grübelt man ihm nach, 
so schwindet er nicht, sondern wächst nur noch mehr an. 

13. (12494.) Geistigen Schmerz heilt man durch die Er- 
kenntnis, wie körperlichen durch Arznei, soviel vermag die 
Erkenntnis; man sei nicht den Toren gleich. 

14. (12496.) Vergänglich ist Jugend, Schönheit, Leben, 
Vermögen, Gesundheit und Freundesumgang ; der Weise möge 
nicht danach gierig sein. 

15. (12496.) Nicht das ganze Land, sondern nur der ein- 
zelne vermag Schmerz zu empfinden; sieht man daher einen 
Ausweg, so soll man nicht klagen, sondern handeln. 

1(5. (12497.) Der Schmerz überwiegt im Leben die Lust, 
daran ist kein Zweifel, denn das Hängen an den Sinnen- 
dingen beruht auf Täuschung, und das Sterben ist un- 
erwünscht. 

17. (12 498.) Der Mensch, welcher beides, Leid und Lust, 
hinter sich läfst, der geht zu dem unendlichen Brahman ein, 
den betrauern weise Menschen nicht. 

18. (12499.) Reichtum geht verloren unter Schmerzen, 
und ihn zu behüten ist auch keine Lust, erworben aber 



734 



III. Mokshailharma. 



wird er mit Mühe, darum trauere man nicht um seinen 
Verlust. 

19. (12500.) Die Menschen kommen abwechselnd bald in 
diese, bald in jene Vermögenslage, und ungesättigt gehen sie 
zugrunde, nur der Weise gelangt zur Befriedigung. 

20. (12501.) Auf Reichtum folgt allezeit Verlust, auf Er- 
höhungen Erniedrigung, auf Verbindungen Trennung, auf das 
Leben der Tod. 

21. (12502.) Der Durst nach Besitz hat kein Ende, Zu- 
friedenheit ist das gröfste Glück, darum sehen die Weisen 
die Zufriedenheit als ihren Reichtum an. 

22. (12503.) In einem Augenblicke schwindet die Lebens- 
kraft hin und hat keinen Bestand; unsere Leiber sind ver- 
gänglich, was ist da Unvergängliches zu finden! 

23. (12504.) Wer in den Wesen die Realität überdenkt 
und das über den Verstand Erhabene in ihnen erkennt, der 
trauert nicht, wenn er dahingehen mufs, weil er das höchste 
Ziel im Auge hat. 

24. (12505.) Noch ist er dabei, zu sammeln, noch sind seine 
Begierden nicht gesättigt, da, wie der Tiger ein Stück Vieh 
raubt, holt ihn der Tod (= Vers 6641, vgl. Vers 9345b). 

25. (12 506.) Darum sehe man sich um nach einem Mittel, 
welches vom Leiden Erlösung bringt, ergreife es, ohne zu 
klagen, und erlöst, verharre man frei von I^eidenschaft. 

26. (12507.) Bei Tönen, Gefühlen, Gestalten, Gerüchen und 
Geschmäcken gibt es für Reich und Arm nichts über den 
augenblicklichen Genufs hinaus. 

27. (12 508.) Ehe die Wesen zusammengebracht werden, 
stehen sie nicht unter der Herrschaft des Schmerzes; müssen 
sie sich wieder trennen, so soll man nicht trauern, der Natur- 
ordnung sich fügend. 

28. (12 509.) Durch Festigkeit soll man Geschlechtslust 
und Efslust zügeln, Hände und Füfse durch das Auge, Auge 
und Ohr durch das Manas, Manas und Rede durch die 
Wissenschaft. 

29. (12510.) Seine Teilnahme beim Lobe wie beim Gegen- 
teil soll man zurückhalten und ohne Hoffart dahinwandeln, 
dann ist man glücklich, ist man ein Weiser. 



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Adhyäya 332 (B. 330). 



735 



30. (12611.) Am innern Atman sich freuend, ruhig da- 
sitzend, ohne Anteilnahme, ohne Versuchung, wer so dahin- 
lebt mit seinem Ätman als einzigem Gefährten, der ist wahr- 
haft glücklich. 

So lautet im Mok»hadharma der Flug des (>ka 
((,'uta - ahhipatanam). 



Adhyaya 333 (B. 331). 

Vers 12512-1257G (B. 1-65). 
Narada sprach : 

1. (12512.) Wenn ein Umschwung vom Glück zum Un- 
glück eintritt, so hilft dagegen keine Kenntnis, kein richtiges 
Verhalten und keine Tapferkeit. 

2. (1^513.) Aus sich selbst heraus soll man sich an- 
strengen, wer sich anstrengt, verzagt nicht; aus Alter, Tod 
und Krankheit rette man seinen Ätman als seinen Freund. 

3. (125H.) Krankheiten, geistige und körperliche, brechen 
den Leib, wie scharfgespitzte Pfeile, abgeschossen von sicher 
zielenden Bogenschützen. 

4. (12516.) Wer von Leidenschaften geschüttelt und er- 
mattet nicht aufhört, das Leben zu begehren, dessen Leib 
wird auch gegen seinen Willen zur Vernichtung hinweg- 
gerafft. 

5. (12516.) Es fliefsen dahin und kommen nimmer wieder, 
den Strömen der Flüsse vergleichbar, das Leben der Men- 
schen fortreifsend, die Tage und Nächte. 

6. (12 517.) Dieser Wechsel der hellen und der dunklen 
Monatshälften macht unaufhörlich die Menschen, nachdem 
sie geboren sind, altern und hält keinen Augenblick inne. 

7. (12518.) Lust und Leid der Menschen macht altern 
jener nicht alternde Sonnengott, welcher untergeht und immer 
wieder aufgeht. 

8. (I25i<».) Wegraffend die immer neuen, unvorhergesehenen, 
freudvollen und leidvollen Zustände der Menschen, rollen die 
Nächte dahin. 



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736 



III. Mokshudhanmi. 



9. (12520.) Was einer immer an Wünschen begehren mag, 
das würde er erlangen, stände es nicht in einer höhern Hand, 
die Frucht seiner Werke über den Menschen zu verhängen. 

10. (12521.) Aber selbstbezähmte, wackere, verständige 
Menschen bleiben frei von dieser Frucht, weil sie auf alle 
Werke verzichtet haben. 

11. (12 522.) Andere törichte, kraftlose, gemeine Menschen 
sind, auch wenn sie keine Wünsche äufsern, doch von allen 
Begierden erfüllt. 

12. (12523.) Mancher auch, der immer bereit war, die Wesen 
zu schädigen und alle Welt zu betrügen, wird alt in seinen 
Lüsten. 

13. (12524.) Manchem, der träge dasitzt, naht das Glück; 
ein anderer befleifsigt sich der Werke und erlangt doch 
nicht, was ihm nicht beschieden war. 

14. (12 525.) Du mufst begreifen, dafs die Sünde dem 
Menschen von seiner Entstehung an einwohnt; es kann ge- 
schehen, dafs der von der einen aufgeregte Same in eine 
andere gelangt. 

15. (12526.) Ist er in den Mutterschofs gelangt, so kann 
ein Embryo entstehen oder auch nicht, indem seine Entwick- 
lung der einer Mangoblüte gleicht [welche bald fruchtbringend 
ist, bald nicht]. 

IG. (12527.) Einige verlangen nach einem Sohne, indem 
sie ihr Geschlecht fortzupflanzen wünschen, aber obgleich sie 
sich zum Gelingen alle Mühe geben, entsteht doch kein 
Embryo. 

17. (12 528.) Solchen hingegen, welche vor einem Embryo 
zurückschrecken wie vor einer erzürnten Giftschlange, wird 
ein langlebender Sohn geboren. Wie war es möglich, dafs 
er entstand, [unerwartet] als wäre ein Toter wiedergekommen? 

18. (12529.) Und wieder anderen Bemitleidenswerten, welche, 
nach einem Sohne verlangend, den Göttern opfern und Askese 
üben, werden nach zehnmonatlichem Weilen im Mutterleibe 
Söhne geboren, welche ein Schandfleck ihrer Familie sind. 

19. (12530.) Andere werden in Reichtum an Geld und 
Korn, in grofse, von den Vätern aufgespeicherte Fülle hinein- 

I 



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AdhyAya 333 (B. 331). 



737 



geboren, nachdem sie schon unter diesen günstigen Vor- 
bedingungen empfangen worden waren. 

20. (12531.) Wenn sie in geschlechtlicher Verbindung sich 
vereinigt haben, so entsteht ein Embryo im Mutterleibe, un- 
erwartet wie ein Unfall. 

21. (12 532.) Siehst du, wie bei Hemmung des Lebens als- 
bald in andere Leiber [hineinfahrt] , der von seinem bisherigen 
Sitze (bijam) losgerissene, verkörperte, lebende, Fleisch und 
Schleim Durchwaltende, 

22. (12533.) wie dieser, wenn er in dem einen Leibe ver- 
brannt wird, wieder in einen andern Leib hineinfährt, wie 
er, wenn der Leib zugrunde geht, mit zugrunde geht, einem 
Schiffe gleich, das an ein anderes gebunden ist, 

23. (12534.) und begreifst du, durch welche Bemühungen 
er endlich, durch die Begattung als ungeistiger Samentropfen 
in den Mutterleib hineingelegt, als Embryo wieder zu neuem 
Leben erwacht? 

24. (12535.) Wo doch Speise und Trank, wo doch die ge- 
nossene Nahrung verdaut wird, wie kommt es, dafs in eben- 
demselben Leibe der Embryo nicht ebensogut wie die Nahrung 
verdaut wird? 

25. (12536.) Für Kot und Harn wird der Weg im Leibe 
durch die eigene Natur geregelt; ob man sie behält oder 
entleert, dazu wird keiner gezwungen. 

20. (12537.) Hingegen von den Embryos entgleiten die 
einen dem Mutterleibe und werden geboren, während bei an- 
deren, wenn die Zeit der Geburt herannaht, Vernichtung eintritt. 

27. (12538.) Vermöge dieser Verbindung mit einem Mutter- 
schofse wird derjenige, welcher den Samen in ihn einläfst 
(parimucyaUJ und irgendeine Nachkommenschaft erzielt, aufs 
neue an die Gegensätze des Lebens gekettet. 

28. (12639.) Nur die fünf Elemente sind es, welche in dem 
erzeugten (lies: sutasya) und angeborenen [Körper] bis zum 
siebenten oder gar neunten Lebensstadium durchhalten, dann 
aber beim Ende des Lebens nicht mehr verharren. 

29. (12540.) Es gibt keine Mittel, die Menschen aufrecht 
zu erhalten, daran ist kein Zweifel; von Krankheiten werden 
sie getroffen, wie das Kleinwild vom Jäger. 

DKü-exir, Mah4bh4r*t*m. 47 



738 



III. Mokshadhurma. 



30. (12541.) Und werden sie von Krankheiten getroffen, so 
mögen sie noch soviel Geld ausgeben, die Arzte, so sehr sie 
sich anstrengen, sind nicht imstande, ihr Leiden zu beseitigen. 

31. (12 542.) Und auch sie selbst, die überklugen, geschick- 
ten Ärzte mit den Arzneien, die sie zusammenbringen, werden 
von Krankheiten heimgesucht, wie das Wild vom Jäger. 

32. (12543.) Und obgleich sie Elixiere und allerlei Butter- 
tränke schlürfen, werden sie doch vom Greisenalter gebrochen, 
wie Bäume von gewaltigen Elefanten. 

33. (12544.) Wer behandelt ärztlich auf dieser Welt das 
Wild und die Vögel, die Raubtiere und die armen Land- 
streicher? Da heifst es gewöhnlich, sie sind nicht krank. 

34. (12545.) Werden doch sogar furchtbare, unüberwind- 
liche, gewaltige Könige von Krankheiten beschlichen und 
fortgerafft, wie ein Stück Vieh von einer Raubtierherde. 

35. (12546.) So geschieht es, dafs die Menschen, ohne 
Bundesgenossen und von Torheit und Leiden überflutet, fort- 
gerissen werden wie von einem übermächtigen Strome, in 
den sie jählings gestürzt wurden. 

36. (12547.) Nicht durch Reichtum, nicht durch Herrschaft, 
nicht durch furchtbare Askese können die Menschen ihrer 
Natur entfliehen, an die sie gebunden sind. 

37. (12548.) Sie würden nicht sterben noch altern, sie 
würden alle nach allem begehren, würden nichts Unerwünsch- 
tes erleben, wenn ihre Anstrengungen erfolgreich wären. 

38. (12 54y.) Ein jeder ist bestrebt, höher und höher über 
seine Mitmenschen zu steigen, und gibt sich dazu alle Mühe, 
aber es gelingt ihm nicht. 

39. (12 550.) Menschen, welche von Herrschaftsdünkel be- 
rauscht, ja welche von Rauschtränken trunken sind, werden 
von besonnenen, treuherzigen (agathält mit C), tapferen und 
wackeren Leuten verehrt. 

40. (12 551.) Bei einigen wendet sich ihre Notlage, ehe sie 
von ihnen recht erkannt wurde, bei anderen hingegen ist 
nichts zu finden, was ihnen eigen wäre. 

41. (12552.) Eine grofse Verschiedenheit der Frucht zeigt 
sich infolge ihrer Abhängigkeit von früheren Werken: die 
einen tragen die Sänfte und die anderen sitzen darin. 



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Adhvuya 333 (B. 331). 



739 



42. (12 553 ) Alle streben nach Wohlstand, aber nur wenige 
bringen es zu Wagen und Dienerschaft; manche Menschen 
entbehren des Weibes, wo doch alle möglichen Weiber hundert- 
fach vorhanden sind. 

43. (12554.) Unter den Wesen, die sich in den Gegen- 
sätzen des Lebens ergehen, müssen die Menschen dahin- 
scheiden, jeder einzelne für sich; siehe diese Welt als die 
Fremde an, dann wirst du nicht der Verblendung hienieden 
verfallen. 

44. (12555.) Wirf ab Gutes und Böses, beides, Wahrheit 
und Unwahrheit, und wenn du beides, Wahrheit und Un- 
wahrheit, abgeworfen hast, wirf auch den ab, durch den du 
sie abgeworfen hast (= Vers i»4fii). 

4"). (12 55G.) Damit habe ich dir, o Bester der Rishi's, das 
höchste Geheimnis mitgeteilt, durch welches die Götter sich 
über die Menschenwelt erhoben haben und zum Himmel ein- 
gegangen sind. 

4*>. (ur.5?) Nachdom der höchst verständige Cuka diese 
Rede des Narada vernommen hatte, überdachte sie der Weise 
in seinem Geiste und gelangte doch noch nicht zur Gewifsheit. 

47. (isr>.-.8.i Mit Kindern und Weibern hat man grofse 
Plage und beim Studium der Wissenschaft groi'se Mühe; 
welches ist die ewige Stätte, wo wenig Plage und grofses 
Glück zu linden ist? 

48. (12 559.) Nachdem er sodann eine Weile über das ge- 
wisse Ziel des Ätman nachgedacht und als Kenner des Höchsten 
und Tiefsten den höchsten Heils weg der Pflicht erwogen hatte, 

40. (i25r»>) [fragte er sieh:] Wie kann ich ohne Zusammen- 
hang mit dem Irdischen den höchsten Weg wandeln, von 
welchem ich nicht wieder zurückzukehren brauche in den 
Ozean der mannigfachen Geburten? 

f>0. ( i2 5*;i.) Ich sehne mich nach der höchsten Realität, 
nach dem Ziele, von welchem man nicht wieder zurückkehrt, 
nachdem ich allen Welthang aufgegeben und im Geiste Ge- 
wifsheit erlangt habe. 

51. (12562.) Ich will dorthin gehen, wo meine Seele die 
Ruhe findet, dorthin, wo ich unzerstörbar, unvergänglich, 
ewig sein werde. 

47* 



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740 



III. Mokshadharma. 



52. (12 563.) Aber nicht ohne völlige Hingebung ist es mög- 
lich, jenes höchste Ziel zu erreichen, denn es geht nicht an, 
dafs der Erweckte noch an Werke gebunden bleibe. 

53. (12564.) Darum will ich, der Hingebung mich zu- 
wendend, diesen mir als Haus dienenden Körper verlassen 
und, zum Winde geworden, eingehen in die Glanzfülle der 
Sonne. 

54. (12 566.) Denn sie kommt nicht zum Vergehen, wie es 
dem Sorna [Trank, auch Mond; vgl. System des Vedänta, 
S. 393 A.] durch die Götterscharen geschieht; erschüttert stürzt 
er [der Mond, ähnlich den auf ihm weilenden Seelen] zur 
Erde herab und steigt wiederum empor. 

55. (12566.) Denn immerfort schwindet der Sorna (Mond) 
und wird wiederum gefüllt; da ich dieses weifs, so verlange 
ich nicht nach diesem immer wiederholten Schwinden und 
Schwellen. 

56. (12567.) Aber die Sonne erwärmt mit ihren gewaltigen 
Strahlen die Welten, dabei zieht sie von allen Seiten Kraft 
in sich hinein und beharrt immerwährend in voller Scheibe. 

57. (12568.) Darum ziehe ich es vor, zu der glutentflammten 
Sonne zu gehen, in ihr werde ich als ein schwer Bezwing- 
barer mit zweifelsfreier innerer Seele wohnen. 

58. (12569.) Und in der Sonnenstätte werde ich nach Ab- 
werfung dieses Leibes mit Rishi's im Verein die schwer zu 
ertragende Sonnenglut durchwandeln. 

59. (12570.) Ich nehme jetzt Abschied von Bäumen und 
Elefanten, von dem weiten Gebirge, den Weltgegenden und 
dem Himmelszelt, von Göttern, Dämonen und Gandharven, 
von Picaca's, Schlangen und Kobolden. 

60. (12571.) Denn jetzt werde ich sicherlich eingehen in 
alle Wesen der Welt, und alle Götter mitsamt den grofsen 
Rishi's sollen die Kraft meines Yoga schauen. 

61. (12572.) Darauf verabschiedete er sich von dem welt- 
berühmten Weisen Närada, und von ihm entlassen, ging er 
zu seinem Vater. 

62. (12573.) Da begrüfste £uka den hochsinnigen Muni 
Krishna Dvaipäyana, umwandelte ihn nach rechts hin und 
nahm von dem weisen Krishna Abschied. 



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Adhyäya 333 (B. 331). 



741 



<33. (12574.) Nachdem der Rishi das Wort des £uka 
vernommen hatte, erwiderte ihm voll Freude der hoch- 
sinnige Vater: Ach, du mein Sohn, bleibe noch eine 
Weile, dafs ich raein Auge an dir weiden kann. 
64. (12575.) Quka aber, frei von Rücksichtnahme, Anhäng- 
lichkeit und Zweifel, dachte nur an die Erlösung und richtete 
seine Absicht darauf, zu gehen. 

fi5. (12576.) Und so verliefs der Beste der Muni's seinen 
Vater und begab sich auf den mächtigen, von seligen Scharen 
bewohnten Bergrücken des Kailäsa. 

8o lautet im Mokihadharma dar Aufstieg des £uka 

(Cuka - abhigamatant ). 

Adhy&ya 334 (B. 332). 

Vers 12577-12G07 (B. 1-31). 
Bbishma sprach : 

1. (12577.) Nachdem der Sohn des Vyasa den Berggipfel 
erstiegen hatte, o Bhärata, setzte er sich an einem ebenen, 
abgesonderten, von Graswuchs freien Orte nieder. 

2. (12578.) Darauf brachte er sich in die richtige Stellung, 
wie Lehrbuch und Gesetz sie vorschreibt, alle Glieder von 
den Füfsen an der Reihe nach, er, der der rechten Reihen- 
folge Kundige. 

3. (12579.) Darauf setzte sich der Weise, nachdem die 
Sonne schon vor einiger Zeit aufgegangen war, mit dem Ge- 
sichte nach Osten nieder, indem er Füfse und Hände an sich 
zog, wie einer, der sich in der Zucht hält. 

4. (12580.) Da gab es keine Vogelschwärme, kein Geräusch 
und keine Fernsicht, wo der weise Sohn des Vyäsa sich zum 
Yoga anschickte. 

5. (12581.) Nun sah er sich selbst von allen Verbindungen 
gelöst, und es lachte ein Lachen darauf (,'uka, indem er sich 
jenem Höchsten zuwendete. 

6. (12582.) Und indem er wiederum dem Yoga sich hin- 
gab, um den Weg der Erlösung zu finden, erhob er sich als 
grofser Yogameister über den Luftraum hinaus. 



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742 



III. Mokshadharma. 



7. (12583.) Darauf umkreiste er nach rechts hin den Götter- 
weisen Närada und machte dem höchsten Rishi seine Yoga- 
kraft kund. 

(,'uka sprach : 

8. (12 584.) Ich habe den Weg gefunden, ich habe ihn be- 
treten! Heil sei dir, o Askesereicher! Durch deine Gnade, 
o Glanzvoller, werde ich den ersehnten Gang gehen. 

9. (12585.) Nachdem £uka, der Sohn des Dvaipäyana, so- 
dann von Närada entlassen worden war, grüfste er ihn, 
wandte sich wieder dem Yoga zu und erhob sich in den Äther, 

10. (12586.) und emporgeflogen vom Gipfel des Kailäsa, 
strebte er weiter zum Himmel hinauf, die Luft durchwandelnd, 
herrlich, als Wind, mit grofser Sicherheit. 

11. (12587.) Als der Beste der Zwiegeborenen emporstieg, 
dem Vogel Garuda an Glanz vergleichbar, da sahen ihn alle 
Wesen dahinfahren, geschwind wie der Gedanke oder der Wind. 

12. (12 588.) Mit Klarheit alle drei Welten durchdenkend, 
trat er die weite Reise an, dem Feuer und der Sonne an 
Glanz vergleichbar. 

13. (12 58'.».) Wie er dahinzog, einheitlichen Sinnes, ge- 
sammelt und ohne Furcht, schauten ihn alle W T esen, die be- 
weglichen und die unbeweglichen. 

14. (12 590.) Nach Vermögen und Brauch verehrten sie ihn, 
während die Himmelsbewohner ilin mit himmlischem Blumen- 
regen überschütteten. 

15. (12 591.) Ihn sehend waren in Verwunderung alle Scharen 
der Gandharven und Apsaras, und die zur Vollendung ein- 
gegangenen Rishi's gerieten in höchstes Erstaunen: 

IG. (12592.) Wer ist der durch die Luft Fliegende, so hiefs 
es, der durch Askese die Vollendung erreicht hat? Sein 
Körper ist nach unten, sein Angesicht nach oben gerichtet, 
und seine Augen funkeln. 

17. (12593.) Da blickte der höchst Pflichttreue, in den drei 
Welten Berühmte zur Sonne empor und zog dahin, nach 
Osten gewandt und schweigend. 

18. (12594.) Den ganzen Himmelsraum aber erfüllten überall 
mit Jubelgeschrei die Scharen der Apsaras, als sie ihn plötz- 
lich heranfliegen sahen. 



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Adhy&ya 334 (B. 332). 



743 



19. (12595.) Erschütterten Geistes und auf das höchste er- 
staunt, o König, waren sie alle von Paficacüda (der Fünf- 
zöpfigen) an, die Augen weit aufreifsend. 

20. (12596.) Was ist das für ein göttliches Wesen, das 
den höchsten Weg eingeschlagen hat, riefen sie, es wan- 
delt hin mit grofser Sicherheit und ohne Begierde, als wäre 
es erlöst. 

21. (12597.) Darauf gelangte er zu dem Berge, der da 
heifst Malaya, der von Urvaci und Pürvacitti immer be- 
sucht wird. 

22. (12598.) Die gerieten über diesen Sohn des Brahmanen- 
weisen in gröfstes Erstaunen und sprachen : Welch eine Kon- 
zentration des Geistes bei diesem am Vedastudium sich er- 
freuenden Zwiegeborenen ! 

23. (12599.) Wie der Mond steigt er in kurzer Zeit am 
Himmel empor, und diese unvergleichliche Weisheit hat er 
durch Gehorsam gegen seinen Vater erlangt. 

24. (12600.) Wie ist es möglich, dafs dieser dem Vater 
ergebene, askesefeste, vom Vater innig geliebte Sohn von 
seinem Vater, der nichts anderes kannte als ihn, entlassen 
wurde ! 

25. (12601.) Als der höchst pflichtkundige (,'uka dieses 
Wort der Urvaci vernommen hatte, blickte er nach allen 
Seiten hin, aufser sich geraten über dieses Wort. 

20. (12 602.) Er liefs seinen Blick durch den Luftraum und 
über die Erde mit ihren Gebirgen, Wäldern und Dickichten 
schweifen, über Seen und Flüsse. 

27. (12603.) Da blickten alle Gottheiten zu dem Sohne des 
Dvaipäyana empor, indem sie von überallher aus höchster 
Verehrung die hohlen Hände zusammenlegten. 

28. (12604.) Und der höchst pflichtkundige (,'uka sprach zu 
ihnen das Wort: „Sollte mein Vater mir nachkommen und 
rufen: (,'uka, wo bist du! 

29. (12605.) dann sollt ihr alle miteinander ihm Ant- 
wort geben, diese Bitte sollt ihr mir alle aus Liebe zu mir 
erfüllen." 

30. (12606.) Als sie das Wort des Cuka vernommen hatten. 



744 



Iii. Mokshadharma. 



da geschah es, dafs alle Himmelsgegenden nebst 'Wäl- 
dern, Ozeanen, Flüssen und Bergen von allen Seiten ihm er- 
widerten : 

31. (12607.) Wie du befiehlst, o Brahmane, wohlan, so soll 
es sein; wenn der Rishi ruft, werden wir ihm antworten. 

So lautet im Mokahadbarma der Flog dei Cuka 

Wuka-abMpvtanaih). 

Adhyfiya 335 (B. 333). 

Vers 12608-12649 (B. 1-42). 
Bhlshma sprach: 

1. (12608.) Nachdem £uka, der askesereiche, grofse W eise, 
dieses Wort gesprochen hatte, ging er in die Vollendung ein, 
indem er die vierfachen Fehler hinter sich liefs [nach Nil. die 
Sänkhyakärikä 23. 44 45 erwähnten: Nicht -Pflichterfüllung, 
Nichtwissen, Nichtentsagung und Nicht -Gottherrlichkeit]. 

2. (12G09.) Und nachdem er auch das achtfache Tamas 
[Sänkhyakärikä 48] und das [entsprechend den fünf Elementen, 
Nil.] fünffache Rajas aufgegeben hatte, gab der Weise auch 
das Sattvam auf; es war wie ein Wunder. 

3. (i26io.) Darauf fafste er an jener ewigen, gunalosen, 
merkmalfreien Stätte in dem Brahman festen Fufs, lodernd 
wie eine rauchlose Flamme. 

4. (126H.) Feuerregen, Brennen der Himmelsgegenden und 
Erdbeben zeigten sich in diesem Augenblick ; es war wie ein 
Wunder. 

5. (12612.) Die Bäume liefsen ihre Zweige, die Berge ihre 
Gipfel fallen, und durch das Rasen der Windsbraut wurde 
das Himälayagebirge gleichsam zerrissen. 

6. (12G1S.) Nicht leuchtete die Sonne, nicht flammte das 
Feuer, es wogten Teiche, Flüsse und Meere. 

7. (12 614.) Indra liefs wohlschmeckendes, wohlriechendes 
Wasser herabregnen, und es wehte ein himmlische Düfte 
führender, reiner Wind. 

8. (12615.) Die beiden mit Hörnern geschmückten, höch- 
sten, himmlischen Bildungen des Himälaya und des Meru, 



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Adhy&ya 335 (B. 333). 



745 



die ineinander übergehenden, weifsen und gelben, von Silber 
und Gold glänzenden, schönen, 

9. (12616.) welche sich hundert Meilen in der Breite und 
Höhe ausdehnen, o Bhärata, wurden in ihrem Glänze von ihm 
geschaut, als er der nördlichen Gegend zueilte. 

10. (12 617.) Ohne Bedenken flog (,'uka gegen sie an, worauf 
die beiden Berggipfel plötzlich als gespalten 

11. (12618.) sich zeigten, o grofser König ; es war wie ein 
Wunder. Alsbald flog er zwischen den beiden Berggipfeln 
hindurch, 

12. (12619.) und der höchste Berg hemmte ihn nicht in 
seinem Fluge. Da erhob sich im Himmel ein grofser Lärm 
unter allen Himmelsbewohnern 

13. (12620.) und unter Gandharven und Rishi's und allen, 
die auf dem Berge wohnen, als sie sahen, wie der Berg sich 
spaltete und £uka hindurchflog. 

14. (12621.) Bravo, bravo! erscholl es da von allen Seiten, 
o Bhärata, und er wurde verehrt von den Göttern, Gandharven 
und Rishi's, 

15. (12622.) von den Scharen der Yaksha's, Rakshasa's 
und Vidyädhara's und von überallher wurde der Luftraum 
mit himmlischen Blumen erfüllt, 

16. (12623.) o grofser König, während (,'uka ihn durchflog. 
Dann zog er hoch dahin über der Mandäkini, dem lieblichen 
Himmelsstrorae, 

17. (12624.) und der Pflichttreue blickte auf sie herab mit 
ihren blühenden Bäumen und Wäldern. In ihr plätscherten 
lustige Scharen von Apsaras, 

18. (12625.) welche nackend und unkörperlich auf den 
körperlosen (^uka hinblickten. Aber auch der Vater, den 
Sohn fortziehen sehend, hatte, von Sehnsucht erfüllt, 

19. (12626.) den nördlichen Weg eingeschlagen und war 
dem Sohne von hinten gefolgt. Aber Tuka hatte den ober- 
halb des Windes durch den Äther führenden Weg einge- 
schlagen, 

20. (12627.) und seine Hoheit zeigend, war er zu Brahman 
geworden. Aber der askesemächtige Yyasa hatte sich er- 
hoben und einen andern grofsen Yogaweg eingeschlagen, 



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746 



III. Moksliadliiinna. 



21. (1262s.) war in einem Augenblicke zu der Abfliege- 
stelle des (,'uka gelangt und hatte gesehen, wie (,'uka den 
Berggipfel spaltete und hindurchflog. 

22. (12 629.) Und noch priesen die Rishi's jene Grofstat 
des Sohnes, da wurde ihm mit langgezogenem Tone: (>ka, 
wo bist du! nachgerufen 

23. (12 630.) vom Vater selbst, der mit dem lauten Rufe 
die drei Welten widerhallen machte. Aber £uka, allgegen- 
wärtig geworden, allbeseelend, allblickend, 

24. (12631.) antwortete, indem er, der Pflichttreue, weithin 
den Ruf bhoh [hier, o Herr] erschallen liefs. Als er nun so 
den einsilbigen Laut bhoh ausstiefs, 

25. (12 632.) liefs die ganze Welt des Unbeweglichen und 
Beweglichen ihn laut widerhallen. Von da an bis auf den 
heutigen Tag pflegt es zu geschehen, dafs auf Worte, wenn 
sie einzeln ausgerufen werden 

2t>. (12633.) vor Berghöhlen oder Bergflächen, diese ant- 
worten wie damals £uka. Nachdem in dieser Weise (^ub& 
damals, [in allen W'esen] verborgen, seine Macht gezeigt hatte, 

27. (12634.) liefs er die Töne und die übrigen Qualitäten 
fahren und ging ein zu der höchsten Stätte. Als Vyasa 
die Herrlichkeit seines unermefslich kräftigen Sohnes ge- 
sehen hatte, 

28. (12635.) setzte er sich auf einem Bergvorsprung nieder 
und gedachte seines Sohnes. Als aber die am Gestade der 
Mandäkini spielenden Scharen der Apsaras 

29. (12G36.) dieses Weisen ansichtig wurden, gerieten sie 
alle in sinnlose Bestürzung. Einige duckten sich im Wasser, 
andere flüchteten hinter die Büsche, 

30. (12687.) noch andere griffen zu ihren Kleidern beim 
Anblicke jenes trefflichsten Muni's. Als der Muni hieran 
erkannte, dafs sein Sohn erlöst sei, 

31. (12 638.) er selbst aber noch gebunden, da war er er- 
freut und zugleich beschämt. 

32. Da trat zu ihm der von Göttern und Gandharven 
umgebene, von Scharen grofser Rishi's verehrte, (12639.) den 
Pinäka in der Hand tragende heilige (,:ankara (Qiva), 



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Adhy&ya 335 (B. 333). 



747 



33. und Mahädeva sprach in besänftigendem Tone dieses 
Wort zu dem (12 640.) durch Kummer über den Sohn gequälten 
Krishna Dvaipäyana: 

34. Ein dem Feuer, der Erde, dem Wasser, Wind und 
Äther (12 641.) an Kraft ähnlicher Sohn ist durch dich einst- 
mals [oben, Vers 12171] von mir erbeten worden. 

35. Ein Sohn von dieser Beschaffenheit ist dir geboren 
worden; er ist durch deine Askese (12642.) und durch meine 
Gnade gemacht worden zu einem Reinen, aus Brahmankraft 
Bestehenden. 

30. Dieser ist den höchsten Weg gegangen, der für Un- 
bezähmte schwer zu betreten ist (12 643.) und sogar für Götter; 
o Brahmanenweiser, wie kommst du dazu, den zu beklagen? 

37. Solange die Berge stehen, solange die Meere brausen, 
(12 644.) solange wird dein Ruhm und der deines Sohnes un- 
vergänglich sein. 

3h. Auch sollst du ein deinem Sohne ähnliches, nie von 
dir weichendes Abbild (12 645.) in dieser Welt durch meine 
Gnade immerfort schauen, o grofser Muni. 

39. Da kehrte, von dem heiligen Rudra (Ci va ) selbst 
beschwichtigt, o Bharata, (12 646.) der Muni nach Hause zu- 
rück, indem er mit gröfster Freude das Abbild schaute. 

40. Damit habe ich dir, o Bharatastier, die Geburt und 
den Lebensgang des (>ka, (i2«;47.) nach welchem du mich 
gefragt hattest, ausführlich berichtet. 

41. Das alles hat mir, o König, vordem der Götterweise 
Närada (1264S.) und der grofse Yogin Vyusa in Gesprächen 
nach und nach mitgeteilt. 

42. Wer diese heilige, mit den Erlösungslehren zusammen- 
hängende Erzählung (i2 64y.) behält und dabei immer nach Be- 
ruhigung strebt, der wird den höchsten Gang gehen. 

So lautet im Mokibudliann» der S< hi u f§ des CukatUiKo* 

(\'uk<i ■ u!j tttana ■ »aintij'tij. 



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748 



III. Mokshadharnin. 



Adhyftya 336 (B. 334). 

Vers 12660-12695 (B. 1-45). 

Yudhisbthira sprach: 

1. (186&0.) Wer als Hausvater oder Brahmanschüler, als 
Waldeinsiedler oder Bettelpilger die Vollendung zu erreichen 
wünscht, welche Gottheit mufs der verehren? 

2. (12651.) Wodurch sichert er sich den Himmel? Wo- 
durch die höchste Seligkeit? Nach welcher Vorschrift soll 
er das den Göttern und Vätern gebührende Opfer darbringen? 

3. (12652.) Welchen Weg geht der Erlöste und worin be- 
steht die Erlösung? Und was kann einer, der zum Himmel 
gelangt ist, dazu tun, dafs er nicht wieder herabfällt? 

4. (12653.) Wer ist der Gott der Götter und wer der Vater 
der Väter? Und was noch höher als dieser ist, das sage mir, 
o Grofsvater. 

Bhishma sprach: 

5. (12 054.) Nach einer verborgenen Sache fragst du, o du 
Fragekundiger, Untadliger, und durch blofses Nachdenken, und 
währete es hundert Jahre, kann man diese Frage nicht lösen, 

6. (12655.) wenn nicht der Gott Gnade verleiht, o König; 
oder auch durch die heilige Überlieferung der Wissenschaft 
kann diese geheimnisvolle Lehre dir dargelegt werden, o 
Feindetöter. 

7. (12656.) Nun erzählt man sich auch hierüber folgende 
alte Geschichte, nämlich die Unterredung des Weisen Xärada 
mit dem Gotte Näräyana. 

8. (12657.) Denn der allbeseelende, ewige Näräyana wurde 
geboren als Sohn des Dharma viergestaltig — so hat es mir 
mein Vater berichtet — 

9. (12658.) ehedem im Weltalter Kritam während einer 
Weltperiode des [Manu] Sväyambhuva als Nara, Näräyana, 
Hart und Krishna Sväyambhuva. 

10. (12659.) Von diesen übten die beiden unsterblichen 
Näräyana und Nara Askese, nachdem sie auf einem goldenen 
Wagen sich zu der Einsiedelei Badari begeben hatten, 



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Adliyiya 336 (B. 334). 



749 



11. (12660.) einem achträdrigen, mit Geistern bespannten, 
herzerfreuenden. Dort weilten die beiden uranfänglichen 
Herren der Welt, abgemagert und zu einem Adernetze zu- 
sammengeschrumpft, 

12. (12661.) vermöge ihrer glühenden Askese selbst von 
den Göttern schwer anzuschauen, und nur der durfte die 
beiden Götter anblicken, dem sie diese Gnade erwiesen. 

13. (12662.) Nun geschah es, dafs mit ihrer Erlaubnis, im 
Herzen von Liebe getrieben, von dem Gipfel des grofsen 
Merugebirges herabsteigend in die Gegend Gandharaädana 
(die Duftberauschende), 

14. (12663.) die sehr weit ausgedehnte, Närada alle Welten 
durchstreifte und in schnellem Gange in diese Gegend zur 
Einsiedelei ßadari gelangte, o König, 

15. (12664.) während jene beiden ihre täglichen Übungen 
abhielten. Da regte sich in ihm die Neugierde: „Das ist 
also die ganze Stätte, auf der die Welten gegründet sind, 

IG. (12665.) mit allen Göttern, Dämonen und Gandharven, 
mit Kinnara's und den grofsen Schlangen. Was ursprüng- 
lich eine Gestalt war, die ist zu vieren geworden, 

17. (12666.) indem sich die Familie des Dharma ausbreitete. 
Wegen seiner Gerechtigkeit fdharmdtj durch diese beglückt, 
o wie ist er doch gesegnet, dieser Dharma durch diese 
Götter hier, 

18. (12667.) durch Nara und Närayana nebst Krishna und 
Hari! Was nun Krishna und Hari betrifft, so sind sie wohl 
gerade mit einer andern Sache beschäftigt. 

19. (12668.) Aber die beiden anderen Dharmaspröfslinge 
(oder: Pflichtstarken) sind hier in der Askese begriffen; sind 
sie doch beide die höchste Stätte, wie können sie da mit 
täglichen Übungen sich befassen? 

20. (12669.) Sie, die herrlichen Väter aller Wesen und die 
Gottheit selbst, welche Gottheit mögen sie verehren oder 
welche Väter, die Hochsinnigen V" 

21. (12 670.) So überlegte er in seinem Geiste, und von 
Liebe zu Narayana getrieben, liefs er sich plötzlich vor den 
beiden Göttern sehen. 



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750 



III. Mokshndharma. 



22. (12671.) Nachdem die beiden der Pflicht gegen Götter 
und Manen genügt hatten, blickten sie zu ihm auf und zollten 
ihm die Verehrung, wie sie der Kanon als Sitte vorschreibt. 

23. (12672.) Als er diesen der Vorschrift gemäfs sich ent- 
faltenden, noch nicht dagewesenen, höchst wunderbaren Vor- 
gang sah, nahm der heilige Weise Närada hocherfreut neben 
ihnen Platz. 

24. (12 678.) Und zu Närayana mit beruhigtem Gemüte auf- 
blickend, bezeigte er dem grofsen Gott seine Verehrung und 
sprach zu ihm das folgende Wort. 

Närada sprach: 

25. (12 674.) In den Veden und Purana's mit ihren An- 
hängen und Nebenanhängen wirst du besungen als der un- 
geborene, ewige Schöpfer, als Weltmutter, als das höchste 
Unsterbliche. 

26. (i2 67r>) In dir ist die ganze Welt der Lebenden mit 
Vergangenem und Zukünftigem gegründet, und alle vier 
Lebensstadien, o Gott, wie sie im Hausvaterstande wurzeln, 

27. (12676.) verehren dich Tag für Tag in deinen mannig- 
fachen Gestalten. Du bist Vater und Mutter des Alls, bist 
der ewige Lehrer der Welt; (12677.) wer kann denn der Gott 
oder Ahne sein, den du hier verehrst? Das verstehe ich nicht. 

Der Heilige spracb: 

28. (12 678.) Das, was ich dir sagen soll, ist nicht erlaubt 
zu sagen, ist das ewige Geheimnis des Ätman, aber dir, 
o IJrahmane, um der Liebe willen, die du für mich hegst, 
will ich es der Wahrheit gemäfs verkündigen, 

29. (12 679.) jenes Verborgene, Unerkennbare, Unoffenbare, 
Unwandelbare, Ewige, welches über Sinne und Sinnendinge 
und alle Wesen erhaben ist. 

30. (12680.) Denn dieses ist es, welches die innere Seele 
(antaratmanj der Wesen und der Kshctrajna genannt wird; 
als erhaben über die drei Guna's und als Purusha wird es 
bezeichnet. 

31. (126*1.) Aus diesem, o Bester der Zwiegeborenen, ist 
das Unentfaltete, Dreigunahafte entsprungen, welches als jene 



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Adhyäya 336 (B. 334). 



751 



unvergängliche, unentfaltete Vrakriti in die Zustände des 
Entfalteten eingegangen ist. 

32. (12682.) Sie wisse als unsern Mutterschofs. Aber jener, 
welcher als seinem Wesen nach seiend und nicht seiend von 
uns verehrt wird, der ist es, welchem unser Götter- und 
Manendienst gilt. 

33. (12683.) Es gibt ja keinen andern Gott oder Ahnen, 
der gröfser wäre als er, denn er ist unser Atman, das soll 
man wissen, darum verehren wir ihn. 

34. (12 684.) Von ihm, o Brahmane, ist jene Ordnung zum 
Heile der Welt verkündigt worden, und sein Befehl fordert, 
dafs den Göttern und Manen gedient werde. 

35. (12685.) Brahmän, Sthänu, Manu, Daksha, Bhrigu, 
Dharma und Yama, Marici, Angiras und Atri, Pulastya, Pu- 
laha, Kratu, 

30. (12686.) Vasishtha und Parameshthin , Vivasvant und 
Sorna, der Kardama Genannte, sowie Krodha, Arväk und Krita*, 

37. (12687.) diese einundzwanzig sind zu Schöpferherren 
geworden, indem sie die ewige Weltordnung dieses Gottes 
ehrten. 

3*. (12 688.) Und weil sie beständig die von ihm verordnete 
Pflicht gegen Götter und Manen der Wahrheit gemäfs er- 
kannten, erlangten die Besten der Z wiegeborenen alles, was 
durch den Atman erlangt werden kann. 

30. (12689.) Auch alle im Himmel wohnenden Seelen ver- 
ehren ebendiese [Götter und Manen] und gehen durch seine 
Gnade den Weg, der zu der von ihm verheilsenen Frucht führt. 

40. (12690.) Diejenigen, welche von den siebzehn Quali- 
täten [der elf Indriyas und fünf Pränas nebst Manas und 
Buddhi, Nil.] und ihren Werken befreit sind [und von denen] 
die fünfzehn Teile [Brih. l'p. 1,5,14-15) verlassen wurden, die 
sind erlöst, das ist gewifs. 

41. (12691.) Aber als das Ziel der Erlösten wird der Kshe- 
trajna bezeichnet, denn er ist allgunahaft und zugleich guna- 
los, so wird's gelehrt. 



* Die beulen letzten Xaineu nach der Lesart im Vacaspatyjiii und 
(^abdakalpadruma s. v. prajapati. 



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752 



III. Mokshailharma. 



42. (12 «92.) Geschaut wird er durch Hingebung an die 
Erkenntnis, und auch wir beide sind aus ihm hervorgegangen; 
jenen Ätman haben wir als solchen erkannt und verehren 
ihn, den Ewigen. 

43. (12693.) Er wird von den Veden und von den ver- 
schiedene Satzungen befolgenden Lebensstadien geliebt und 
verehrt, und alsbald verleiht er ihnen dafür die Erreichung 
des Zieles. 

44. (12694.) Die aber, welche von ihm in der Welt be- 
gnadet wurden und zur völligen Hingebung an ihn gelangt 
sind, erlangen als übermäfsigen Lohn dieses, dafs sie in 
ihn eingehen. 

45. (12695.) Damit ist die geheimnisvolle Unterweisung 
dir, o Närada, aus Liebe und Verehrung für dich, o Brah- 
manenweiser, mitgeteilt und von dir mit Liebe entgegen- 
genommen worden. 

So lautet im Mokahadharma die Geschichte vom Xarayana 

(Xdrdyantyam). 

a 

AdhyAya 337 (B. 335). 

Vers 12696-12751 (B. 1-55). 

Bhishma sprach: 

1. (12 096.) Nachdem der Beste der Zweifüfsler diese 
Rede Näräyana's, des höchsten Purusha, vernommen hatte, 
sprach er zu dem Besten der Zweifüfsler, Närayana, 
dem Horte des Heiles der Welt. 

Närada sprach: 

2. (12 697.) Der Zweck, um dessentwillen du, der du 
aus dem Atman hervorgegangen bist, deine Geburt im 
Hause des Dharma als eine vierfache gewirkt hast, dieser 
Zweck möge zum Besten der Welt verwirklicht werden. 
Noch heute gehe ich hin, um deinen ersten Ursprung 
zu schauen. 

3. (12 698.) Ich beweise allezeit den Lehrern meine Ehr- 
furcht, ich habe noch nie das Geheimnis eines andern 



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Adhyiya 337 (B. 335). 



753 



verraten, ich habe die Veden studiert, o unbefleckter 
Weltenherr, Askese geübt und niemals die Unwahrheit 
gesprochen. 

4. (12699.) Ich habe, wie es die heilige Überlieferung 
vorschreibt, die vier [Tore des Leibes, oben, S. 455 fg.] 
bewacht, ich bin allezeit gleichmäfsig in meinem Ver- 
halten gegen Feind und Freund und ich war allezeit 
jenem Urgotte ergeben und habe mit ausschliefslicher 
Liebt* das Unversiegbare erwählt. 

5. (12700.) Und da durch diese Vorzüge mein Charakter 
geläutert ist, warum sollte es mir nicht beschieden sein, 
den unendlichen Gottherrn zu schauen! Nachdem Nä- 
räyana, der ewige Hüter der Gerechtigkeit, dieses Wort 
des von Parameshthin (Brahmän) Entsprossenen ver- 
nommen hatte, 

6. (i27oi.) sprach er zu Närada, nachdem er ihn mit 
den von ihm selbst vorgeschriebenen Bräuchen geehrt 
hatte: „So gehe!" Und der Sohn des Parameshthin, von 
ihm entlassen, zollte dem uranfänglichen Weisen seine 
Verehrung, 

7. (12 702.) erhob sich vermöge seiner höchsten Yoga- 
kraft in die Lüfte und liefs sich nieder in einem Nu auf 
dem Gipfel des Meru. Dort verweilte der Muni eine 
Weile, auf einem Vorsprung des Berggipfels Platz nehmend. 

8. (12 703.) Indem er nun seine Blicke nach Nordwesten 
richtete, genofs er eine wunderbare Aussicht von be- 
rühmter Schönheit; nämlich im Norden des Milchmeeres 
liegt eine grofse Insel, welche unter dem Namen (,'veta- 
dvipa (die weifse Insel) berühmt ist. 

9. (12704.) Diese Insel liegt nach Beschreibung der 
Weisen zweiunddreifsigtausend Meilen jenseits des Meru. 
Da leben, frei von Sinnesorganen, ohne Nahrung, ohne 
Augenblinzeln, lieblichen Wohlgeruch ausströmend, 

10. (12 705.) weifse Männer, von allen Sünden fern, 
bösen Menschen [durch ihren Anblick] das Augenlicht 
raubend, diamanthart an Knochen und Körper, gleich- 
gültig gegen Ehrung und Verachtung, von himmlischer 
Gestaltung und glänzend in kerniger Kraft. 

Dum«», MabAbbaraU«. 48 



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754 III. Mokshadbarroa. 

11. (12 706.) Ihre Häupter sind wie Sonnenschirme ge- 
bildet, ihre Rede gleicht dem rauschenden Regenstrome, 
alle sind sie mit vier Hoden ausgestattet und mit Füfsen 
wie Lotosblätter, mit sechzig weifsen Zähnen und acht 
Eckzähnen, mit ihren Zungen den Sonnenstrahlen gleich 
nach allen Seiten züngelnd, 

12. (1J707.) mit Liebe den Gott verehrend, dessen 
Schöpfung das All ist, aus welchem alle Welten ent- 
sprungen sind, dessen Ausbreitungen die Veden und ihre 
Gesetze, alle beruhigten Weisen und Götter sind. 

Yudhishthira sprach: 

13. (12708.) Wie sind diese Männer, frei von Sinnesorganen, 
ohne Nahrung, ohne Augenblinzeln und von lieblichem Wohl- 
geruch, entstanden, und welches ist ihr letztes Ziel? 

14. (i2 7oo.) Und ist es so, dafs diejenigen Menschen, 
o Bester der Bharata's, welche hienieden erlöst werden, wohl 
ebenjene Merkmale an sich tragen werden wie die Bewohner 
von (,'vetadvipa? 

15. (i2 7io.) Um dieser Ungewifsheit willen löse mir den 
Zweifel, denn ich verlange sehr danach; du bist ja eine 
Schatzkammer aller Erzählungen, und zu dir nehmen wir 
unsere Zuflucht. 

Bhlsbma sprach: 

16. (12 711.) Sehr lang, o König, ist diese Geschichte, wie 
ich sie von meinem Vater vernommen habe und dir jetzt 
wiedererzählen soll; wahrlich, es ist die wertvollste aller Er- 
zählungen ! 

17. (12712.) Es war einmal ein König mit Namen Upari- 
cara, ein Beherrscher der Erde, der berühmt war als Freund 
des Akhandala (Indra) und Verehrer des Hari Näräyana, 

18. (12 713.) pflichtkundig stets seinem Vater ergeben und 
stets unveränderlich. Dieser hatte vordem als eine Gnaden- 
gabe des Näräyana die Weltherrschaft erlangt. 

19. (12 7U.) Als Anhänger der vor Zeiten aus dem Munde 
des Sonnengottes ausgegangenen Sätvatalehre verehrte er den 
Herrn der Götter (Näräyana), mit dem Reste seines Opfers 
die Manen, 



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Adhyfcya 337 (B. 335). 



755 



20. (12 715) mit dem Reste des Manenopfers die Brah- 
manen, indem er auch seinen Leuten davon mitteilte. Rest- 
speise essend, die Wahrheit hochhaltend und alle Wesen 
schonend, 

21. rr.'7i6.) verehrte er mit ganzem Herzen den Göttergott 
Janardana (Vishnu), den ewigen Weltschöpfer, der ohne An- 
fang, Mitte und Ende ist. 

22. (12 717.) Ihn, der Verehrung gegen Xäräyana übte, den 
Bezwinger der Feinde, hatte der Götterkönig (Indra) selbst 
zum Genossen seines Sitzes und Lagers erwählt. 

23. (12 718.) Mein Reich und mein Vermögen, mein Weib 
und mein Elefant, alles das, so sprach er, ist dem Bhagavan 
(dem heiligen Naräyana) geweiht. 

24. (12 719 ) Mochte es sich um Wunschopfer oder Gelegen- 
heitsopfer handeln, o König, alle die hohen Opferwerke voll- 
brachte er mit Hingebung, indem er die Sätvatalehre befolgte. 

25. (12 720.) In dem Hause dieses hochsinnigen Königs ge- 
nossen die vornehmsten Kenner der Pafiearatralehre die Ehre, 
von dem, was dem Bhagavan dargebracht wurde, als erste 
zu kosten. 

26. (12 721.) Bei diesem feindbezwingenden und das Reich 
mit Gerechtigkeit regierenden König gab es keine unwahre 
Rede und keinen bösen Gedanken, 

27. (12 722.) und auch in Werken vollbrachte er nicht das 
mindeste Böse (paramann mit C). Vordem nämlich hatten 
die sieben Weisen gelebt, welche Citracikhandin's (Bunt- 
schöpfe) heifsen. 

28. (12723.) Von diesen wurde mit einmütigem Sinne ein 
vorzügliches Gesetzbuch verkündigt, welches, auf dem grofsen 
Berge Meru entstanden und an die vier Veden sich an- 
sehliefsend, 

29. (12 724.) als unübertrefflich und für die Welt das Ge- 
setz gebend, aus ihren sieben Mündern ausgeströmt war. 
Marici, Atri und Angiras, Pulastya, Pulaha, Kratu (1272.V) und 
der kraftvolle Vasishtha, das sind die Citracikhandin's. 

30. Dieses sind die sieben weltschaflenden Wesen und 
[Manu] Svayambhuva ist der achte; (i2 7-<; ) von ihnen wird die 
Welt getragen, aus ihnen ist der Gesetzeskanon ausgeströmt. 



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756 



III. Mokshadharma. 



31. Diese Weisen, konzentrierten Geistes, bezähmt, der 
Selbstbeherrschung sich erfreuend, (12 727.) des Vergangenen, 
Gegenwärtigen und Zukünftigen kundig und die wahrhafte 
Satzung als das Höchste schätzend, 

32. haben, im Geiste erwägend : dies ist das Beste, dies 
ist das Brahman, dies ist das höchste Heil, (12 728.) die Welten 
und sodann das Gesetz geschaffen. 

33. In diesem wurde das Gute, Nützliche und Angenehme 
und sodann die Erlösung besprochen, (12729.) sowie auch die 
mannigfachen Bestimmungen, die im Himmel und auf Erden 
gelten. 

34. Damit waren sie alle in Gemeinschaft mit den Rishi's 
tausend göttliche Jahre durch beschäftigt, (12730.) während sie 
durch Askese den Gott Hari, den mächtigen Närayana, ver- 
ehrten. 

35. Da geschah es, dafs auf Befehl des Närayana die 
Göttin [der Rede] Sarasvati (msi.) in alle diese Rishi's der 
Welt zum Heile hineinfuhr. 

36. Darauf wurde sie, die in der ersten Schöpfung ge- 
borene, von den askesekundigen Rishi's (12732.) in Wort, In- 
halt und Begründung richtig zur Anwendung gebracht. 

37. Zuerst wurde sodann das mit demOmlaut geschmückte 
fertige Werk (12733.) von den Rishi's dort vorgetragen, wo 
jener mitleidreiche Gott ihnen zuhörte. 

38. Da wurde der heilige, nicht in einem bestimmten 
Körper erscheinende (12 784.) höchste Purusha gnädig gestimmt 
und sprach unsichtbar zu allen diesen Rishi's: 

39. Vollendet ist dieses höchste, aus hunderttausend 
Qloka's bestehende Werk, (12 735.) welches für das Gesetz des 
ganzen Weltlaufs die Quelle ist, 

40. und aus welchem für Tun und Lassen nur solches 
sich ergeben wird, was vom (12736.) Yajur-, Rig- und Säma- 
veda sowie von den Liedern des Atharvan und Angiras gut- 
geheifsen wird. 

41. Nach der Richtschnur des Veda ist ja von mir durch 
meine Gnade Gott Brahman, (12737.) aus meinem Zorne Rudra 
geschaffen worden, ferner ihr Brahmanen als weltschaffende 
Wesen, 



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Adhyäya 337 (B. 335). 



757 



42. sowie auch Sonne und Mond, Wind, Erde, Wasser 
und Feuer, (12 733.) dazu alle Scharen der Gestirne und was 
sonst noch Wesen heifst. 

43. So wie alle Brahmanlehrer je nach ihrer Eigentüm- 
lichkeit ihres Amtes walten (12 789.) und alle ein Vorbild sind, 
soll auch dieses höchste Lehrbuch 

44. eine Richtschnur sein, das ist mein Wille. (12740.) Aus 
ihm wird seine Gesetze Manu Sväyambhuva selbst verkündigen, 

45. und auch Ucanas und Brihaspati, wenn sie erst ge- 
boren sein werden, (12741.) sollen das aus eurem Geiste ent- 
sprungene Gesetzbuch verkündigen. 

40. Nachdem die Gesetzvorschriften des Sväyambhuva 
(Manu) und das Lehrbuch des Ucanas verfafst sein werden 
(12 742.) und auch die Lehre des Brihaspati in Umlauf gesetzt 
sein wird, 

47. soll dieses von euch verfafste Lehrbuch ein König 
namens Vasu [d. i. Uparicara, oben, Vers 12712] (12 743.) von 
Brihaspati erhalten, o ihr besten Zwiegeborenen. 

48. Denn dieser König wird von den Guten geehrt und 
mir treu ergeben sein, (12744.) und er wird nach diesem Lehr- 
buche alle Opferwerke in der Welt vollziehen. 

49. Denn dieses euer Gesetzbuch wird unter allen Ge- 
setzbüchern das höchste heifsen, (12 745.) es wird dem Nütz- 
lichen und dem Guten dienen und wird auch die höchste 
Geheimlehre enthalten. 

50. Durch seine Verbreitung werdet ihr zu Wissenden 
werden, (12746.) und jener grofse König Vasu wird mit Glück 
begnadet sein. 

51. Wird aber die Zeit dieses Königs um sein, dann 
wird dieses ewige Gesetzbuch (12747.) verschwinden. Das alles 
habe ich euch voraus gesagt. 

52. Nachdem der unsichtbare, höchste Purusha diese 
Rede gehalten hatte, (12 748.) nahm er Abschied von allen 
diesen Rishi's und ging in eine andere Gegend. 

53. Darauf wurde von diesen Weltvätern, indem sie den 
Nutzen der ganzen Welt bedachten, (12 749.) dieses Gesetzbuch 
als eine ewige Quelle der Pflicht verbreitet. 

54. Als nun im ersten W'eltalter (Kritam) aus dem Stamme 



758 



III. Mokshadhai ma. 



des Angiras Brihaspati geboren war, (12750.) da verpflanzten 
sie das Lehrbuch nebst Anhang und Upanishad in ihn 

55. und gingen, um Askese zu üben, in eine ihnen er- 
wünschte Gegend voll Zuversicht, (12751.) die Träger aller 
Welten, die Verkündiger aller Gesetze. 

So lautet im Mokshadharma die Geschichte rom Xarajana 

(Xdräyantjfaih). 

Adhyaya 338 (B. 336). 

Vers 12752-12817 (B. 1-65). 

Bhtshma sprach: 

1. (12 75-2.) Als nun nach Ablauf einer grofsen Zeitperiode 
der Sohn des Angiras (Brihaspati) geboren wurde, da waren 
die Götter voll Freude darüber, dafs ihnen ein göttlicher 
Purohita (Hauspriester) geboren war. 

2. (12753.) Bfihat, Brahma, Mahat (das Starke, das Brah- 
man, das Grofse), diese Worte bedeuten das nämliche, und 
mit den durch sie bezeichneten Eigenschaften, o König, war 
Brihaspati ausgerüstet. 

3. (12754.) Sein erster Schüler wurde der König Vasu 
Uparicara, und nachdem dieser das von den Citracikhandin's 
[oben, Vers 12725] stammende Gesetzbuch gehörig studiert hatte, 

4. (12755.) wurde dieser König Vasu damals wie ein Gott 
geehrt und beherrschte die Erde, wie Akhandala (Indra) den 
Himmel. 

5. (12 756.) Dieser hochherzige König veranstaltete ein 
grofses Rofsopfer, bei welchem sein Lehrer Brihaspati als 
Hotarpriester waltete. 

ö. (12 767.) Drei Söhne des Prajäpati, die grofsen Rishi' s 
Ekata, Dvita und Trita, waren Beisitzer des Opfers, 

7. (12 768.) dazu Dhanusha, Raibhya, Arvävasu, Paravasu, 
der Rishi Medhätithi und der grofse Rishi Tändya, 

8. (12769.) der hochbeglückte Rishi Qänti und jener, der 
Vedaciras heifst, und der beste der Rishi's, Kapila, der als 
Vater des Qalihotra gilt, 



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Adhyaya 338 (B. 33<i). 



759 



9. (12 7GO.) der erste Katha und Taittiri, der ältere Bruder 
des Vaicampäyana, Kanva und Devahotra, das waren die 
sechzehn Opferpriester. 

10. (12 761.) Alles Zubehör zu diesem grofsen Opfer war 
zusammengebracht worden, o König, aber kein Tier wurde 
geschlachtet, darauf hatte der König bestanden, 

11. (12762.) er, welcher dem Schädigen abgeneigt, rein, 
von Gemeinheit fern, wunschlos und um seiner Werke willen 
preiswürdig war. Nur an waldigen Orten gewachsen war, 
was dabei als Opferanteil verwendet wurde. 

12. (12 763.) Darum hatte an ihm seine Freude der heilige, 
uranfängliche Göttergott und liefs sich leibhaftig vor ihm 
sehen, er, der von keinem andern gesehen werden konnte. 

13. (12 704.) Er roch den Duft seines Anteils und ergriff 
selbst den Opferkuchen; so wurde von dem Gotte Hari- 
medhas (Naräyana) sein Opferanteil unsichtbar entgegen- 
genommen. 

14. (12 765.) Darüber geriet Brihaspati in Zorn, erhob in 
seiner Erregung den Opferlöffel, und indem er ihn in der 
Luft hin und her schwang, brach er vor Wut in Tränen aus. 

15. (12766.) Und er sprach zu Uparicara: Von mir ist 
dieser Opferanteil dargeboten worden, und er war von dem 
Gotte selbst vor meinen Augen entgegenzunehmen, daran 
ist doch kein Zweifel. 

Yudhishthira Spruch : 

10. (12 767.) Die dargebotenen Opferanteile pflegen doch 
von den Göttern sichtbar entgegengenommen zu werden, 
warum nahm denn nicht auch der mächtige llari sichtbare 
Gestalt an? 

Bhisbma sprach : 

17. (12 768.) Da suchte der grofse König Vasu den aufser 
sich geratenen Muni zu besänftigen, und alle Beisitzer be- 
mühten sich mit ihm. 

18. (12769.) Und sie sprachen ruhig zu ihm: Du solltest 
nicht in Zorn geraten, es ist im Kritazeitalter nicht Sitte, 
dafs [man sich wie] du vom Zorne hinreifsen läfst (aci- 
hrithas !). 



760 



III. Mokshadharma. 



19. (13 770.) Nicht angebracht ist der Zorn bei jenem 
Gotte, dem du seinen Opferanteil dargeboten hast, es ist 
nicht möglich, dafs er von dir oder von uns gesehen werde, 
o Brihaspati. 

20. (1^771.) Nur der kann ihn sehen, dem er es als Gnade 
verleiht. — Und weiter sprachen Ekata, Dvita und Trita [die 
Anhänger der] Citracikhandin's : 

21. (12 772.) Wir hier, die wir uns rühmen, geistige Söhne 
des Gottes Brahman zu sein, sind einstmals um unseres 
Seelenheiles willen nach der nördlichen Gegend gewandert. 

22. (12778.) Nachdem wir tausend Jahre uns kasteit hatten 
und zur höchsten Askese fortgeschritten waren, beharrlich auf 
einem Fufse stehend, Holzstämmen gleich, in Meditation 
versunken 

23. (12 774.) auf der nördlichen Seite des Meru am Gestade 
des Milchmeeres, — das war nämlich die Gegend, wo wir 
unsere furchtbare Askese übten, — 

24. (12 775.) da fragten wir uns, wie wir wohl den Gott 
(Vishnu) in seiner Wesensform als Näräyana zu sehen be- 
kommen könnten, den liebenswerten, gabenspendenden, diesen 
ewigen Gott der Götter, 

25. (12776.) mit einem Worte, wie wir den Näräyana sehen 
könnten. Da, als wir das Schlufsbad unseres Gelübdes 
nahmen, sprach zu uns eine körperlose Stimme 

26. (12 777.) in lieblichem, tiefem Tone zu unserm Ent- 
zücken, o Herr: 0 Brahmanen, ihr habt eure Askese mit be- 
ruhigter Seele gut geübt, 

27. (12778.) und jetzt forscht ihr mit frommem Sinne da- 
nach, wie ihr den Herrn zu sehen bekommen könnt. In der 
nördlichen Gegend des Milchmeeres liegt die herrliche Insel 
(^vetadvipa, 

28. (12779.) dort leben Männer, glanzvoll wie der Mond, 
welche nichts Höheres kennen als Näräyana; ihm, dem 
höchsten Purusha, sind diese frommen Männer mit alleiniger 
Liebe ergeben. 

29. (12 780.) Ihm, dem tausendstrahligen, ewigen Gotte, 
nahen sie frei von Sinnesorganen, ohne Nahrung, ohne Augen- 
blinzeln und von lieblichem Wohlgeruch; 



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Adhy&ya 33* (B. 33«). 



7(31 



30. (12 781.) ihm allein ergeben sind diese Bewohner von 
(^vetadvipa. Dorthin wendet euch, ihr MunTs, dort wird meine 
Wesenheit offenbart. 

31. (12782.) Nachdem wir alle diese körperlose Stimme 
vernommen hatten, sind sie (wir) auf dem beschriebenen 
Wege in jene Gegend gegangen. 

32. (12 783.) Als wir aber nach der grofsen weifsen Insel 
gelangt waren, ihn in Gedanken tragend, ihn zu sehen ver- 
langend, da war der Ausblick uns verschlossen, 

33. (12784.) und wir konnten den Purusha nicht schauen, 
denn unsere Augen waren durch seinen Glanz geblendet. Da 
wurde es uns durch die Hingebung an den Gott klar, 

34. (12786.) dafs man nicht so ohne weiteres und ohne 
vorher hinreichend Askese geübt zu haben, den Gott schauen 
kann. Nachdem wir darauf nochmals ungesäumt hundert 
Jahre lang grofse Askese unternommen hatten, 

35. (12 786.) sahen wir am Schlüsse unseres Gelübdes 
schöne weifse Männer, wie der Mond glänzend, mit allen Vor- 
zügen ausgestattet, 

36. (12 787.) welche, o Brahmane, immerfort mit zusammen- 
gelegten Händen, nach Norden und Osten schauend, mur- 
melten. Diese Murmelung aber wurde nur als eine geistige 
von diesen Hochsinnigen vollzogen, 

37. (12788.) denn an einer solchen geistigen Konzentration 
hat Hari seine Freude. Der Glanz, wie er der Sonne eigen 
ist, o Tiger unter den Muni's, wenn ein Weltalter zu Ende geht, 

38. (12789.) ein solcher Glanz umstrahlte jeden einzelnen 
von diesen Männern. Da erkannten wir, dafs diese Insel eine 
Wohnstätte des Glanzes ist; 

39. (12790.) keiner überbot dort den andern, alle waren 
von gleichem Glänze. Da wurde der gleichzeitig von tausend 
Sonnen ausstrahlende Glanz 

40. (12791.) wiederum plötzlich von uns gesehen, o Brihas- 
pati, und jene Männer liefen allesamt eilends auf ihn zu 

41. (12792.) und riefen mit zusammengelegten Händen 
freudig aus: „Dir sei Verehrung!" Sodann hörten wir ein 
grofses Getöne ihres Redens. 

42. (12 793.) Denn das ist die Spende, welche von diesen 



III. Mokshadbarina. 



Mannern dem Gotte dargebracht wird. Wir aber, durch seinen 
Glanz plötzlich der Sinne beraubt, 

43. (12 794.) sahen gar nichts, geschlagen an Augen, Kraft 
und Sinn. Da verbreitete sich ein Ton und wurde deutlich 
von uns vernommen: 

44. (12 795.) „Du bist Sieger, o Lotosaugiger, Verehrung 
sei dir, o Allbildner, Verehrung sei dir, o Struppiger, o erst- 
geborener, grofser Purusha!" 

45. (12796.) Dieser Ton wurde, richtig nach Aussprache 
und Betonung, von uns vernommen, während in dieser Zeit 
ein reiner, mit Wohlgerüchen erfüllter Wind 

46. (12797.) himmlische Blumen und opferwürdige Kräuter 
herbeiführte. Von diesen, die Zeiten der fünf [täglichen Opfer, 
pahcahäla; nach einer Fufsnote in B. : das Paficarätram] kennen- 
den, ihm einzig ergebenen Männern wurde Hari verehrt 

47. (12 798.) in Gedanken, Worten und Werken, die in 
höchster Liebe gegen ihn wurzelten. Ohne Zweifel war der 
Gott dorthin gekommen, als von ihnen diese Gebete er- 
schollen, 

48. (12799.) wir aber, durch seine Zauberkunst (mäya) ver- 
blendet, waren nicht imstande, ihn zu sehen. Als endlich 
der Wind sich legte und die Darbringung vollendet war, 

49. (12800.) wurde unser Geist, o Bester der Angiras, von 
Sorge erfüllt. Denn unter diesen tausend edelgeborenen 
Männern 

50. (12801.) würdigte uns keiner eines Gedankens oder 
auch nur eines Blickes, sondern jene Munischaren hielten 
sich für sich, nur einer Liebe sich hingebend, 

51. (12802.) und bewiesen uns keine Liebe, nur von der 
Liebe zu Brahman beseelt. Da geschah es, dafs uns, die wir 
sehr ermüdet und durch die Askese abgemagert waren, 

52. (12 803.) ein in sich ruhendes körperloses Wesen an- 
redete. 

Der Gott sprach: 

(12804.) „Die von allen Sinnesorganen freien weifsen Männer 
sind von euch gesehen worden, 

53. und von diesen besten Zwiegeborenen , die ihr ge- 
schaut habt, ist der Gott geschaut worden. (12805) Nun ent- 



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Adhy&ya 338 (B. 336). 



703 



fernt euch von hier alle, ihr Muni's, wie ihr gekommen seid, 
ungesäumt, 

54. der Gott kann unter keinen Umständen von einem ge- 
schaut werden, der ihm nicht in Liebe ergeben ist, (12 sog.) und 
nur solche, welche nach langer Zeit zu seiner Alleinverehrung 
gelangt sind, 

55. können den Heiligen, in seinem Strahlenkranze schwer 
zu Erkennenden schauen. (12807.) Aber doch wartet euer eine 
grofse Aufgabe, ihr Besten der Brahmanen: 

56. Wenn künftighin das Kritaweltalter vorbei und in 
ein anderes übergegangen sein wird, (12808.) wenn in der 
gegenwärtigen Manuperiode das Tretäzeitalter eingetreten sein 
wird, o Brahmanen, 

57. dann sollt ihr zur Vollbringung der Aufgabe der 
Götter Mithelfer sein. 44 (i28oy.) Nachdem wir diese wunder- 
bare, amritagleiche Rede gehört hatten, 

58. gelangten wir alsbald durch seine Gnade in das ge- 
wünschte Land. (12810.) So konnte denn trotz grofser Askese, 
trotz Götter- und Manenopfer 

59. der Gott von uns nicht geschaut werden, — wie 
kannst du ihn da sehen wollen [o Brihaspati] ? (12R11.) Er ist 
Näräyana, das grofse Wesen, der Allschöpfer, der Geniefser 
des Götter- und Manenopfers, 

00. ohne Anfang und Ende, unoffenbar, verehrt von 
Göttern und Dämonen. — (12812.) So wurde durch die Er- 
zählung des Ekata und die Beistimmung des Dvita und Trita 

01. sowie durch die übrigen Opfergenossen der hoch- 
sinnige Brihaspati begütigt, (12 »inj vollendete das Opfer und 
verehrte die Gottheit. 

02. Aber der König Vasu, obgleich er dieses Opfer dar- 
gebracht hatte und seinen Untertanen Schutz verliehen hatte, 
(128H.) wurde später aus dem Himmel [in den er gelangt 
war] durch einen Fluch der Brahmanen herabgestürzt und 
fuhr in die Erde hinein. 

03. Aber dieser König, o Königstiger, hielt nichtsdesto- 
weniger fest an Wahrheit und Gerechtigkeit, (12815.) und ob- 
gleich er im Innern der Erde hauste, war und blieb er ein 
treuer Anhänger des Gesetzes. 



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764 



III. Mokshadharnia. 



64. Und weil er den Näräyana aufs höchste ehrte und die 
Näräyanamurmelung murmelte, (128I6.) wurde er durch dessen 
Gnade wieder emporgehoben 

65. und stieg vom Erdboden flugs hinauf zu der Stätte 
des Brahman, (12817.) indem er alsbald das höchste, ewige 
Ziel erreichte. 

So lautet im Mokth»dharm» di« Geschichte vom NArftran» 

(XdrdyanlpatH). 

AdhyAya 339 (B. 337). 
Vera 12818-12860 (B. 1-41). 

Yudhishthira sprach: 

1. (12818.) Da doch der grofse König Vasu dem Heiligen 
[Näräyana] so überaus ergeben war, wie kam es da, dafs er 
herabstürzte und in eine unterirdische Höhle geriet? 

Bliiähma sprach: 

2. (12819.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich den Wortwechsel zwischen den Rishfs 
und den dreifsig Göttern. 

3. (12820.) Die Götter sprachen zu den Besten der Zwie- 
geborenen: Geopfert werden mufs ein Bock, und unter dem 
Bock ist ein Ziegenbock und kein anderes Tier zu verstehen, 
das steht fest. Die Rishi's sprachen: 

4. (12821.) Körner müssen beim Opfer dargebracht werden, 
das ist die vedische Vorschrift. Körner sind zu verstehen, 
wenn von einem Bock [aja, könnte auch „unaufgekeimt" 
heifsen] dort die Rede ist. Einen Bock darf man unter keinen 
Umständen töten. 1 

5. (12822.) Das ist kein Brauch guter Menschen, 0 Götter, 
dafs ein Tier geschlachtet wird; wir leben in dem besten, 
im Kritazeitalter, wie dürfte da ein Tier geschlachtet werden! 

Bhishma sprach: 

6. (12 823.) Während sich in dieser Weise die Rishi's mit 
den weisen Göttern stritten, kam des Weges daher Vasu, 
der Beste der Könige, der in diese Gegend gelangt war. 



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1 



Adhyaya 339 (B. 337). 



765 



7. (12824.) der glückliche, indem er durch die Luft flog 
mit seinem ganzen Heere und seinen Wagen. Als die Rishi's 
den Vasu sahen, wie er plötzlich durch die Luft daher- 
gefahren kam, 

8. (12825.) da sprachen die Zwiegeborenen zu den Göttern : 
Dieser soll den Streit entscheiden. Er ist opfereifrig und ein frei- 
gebiger Herr, edel und am Wohle aller Wesen sich freuend. 

9. (12826.) W r ie könnte er, der grofse Vasu, etwas Falsches 
sagen? Nachdem die Rishi'6 und Götter darin überein- 
gekommen waren, 

10. (12827.) traten sie alle an den Vasu heran und frag- 
ten ihn: 0 König, was soll man opfern, einen Bock oder 
Pflanzenstoffe? 

11. (12828.) Diese Streitfrage löse uns, du, o Herr, sollst 
unser Schiedsrichter sein. Da legte Vasu seine hohlen Hände 
zusammen und fragte: 

12. (12829.) Wer von euch hegt welchen Wunsch? Sagt 
mir die Wahrheit, ihr Besten der Zwiegeborenen! 

Die Rishi's sprachen: 
(12830.) Unsere Partei behauptet, dafs man nur Körner 
opfern darf, o König, 

13. die Götter aber nehmen Partei für das Tieropfer; 
du, o König, sollst zwischen uns entscheiden. 

Bhlshma sprach: 

(12831.) Als aber Vasu die Meinung der Götter vernahm, 
schlug er sich auf ihre Seite 

14. und sein Schiedsspruch lautete: „Ein Ziegenbock 
mufs geopfert werden." (12832.) Da gerieten alle die sonne- 
glänzenden Rishi's in Zorn 

15. und sprachen zu dem auf seinem Wagen stehenden 
Vasu, der den Schiedsspruch parteiisch für die Götter gefällt 
hatte: (125*33.) Weil du die Partei der Götter ergriffen hast, 
darum sollst du vom Himmel herunterstürzen. 

16. Von jetzt an, o König, wird dir der Weg durch die 
Lüfte benommen sein; (12831.) von unserm Fluche getroffen, 
wirst du die Erde spalten und in sie hineinfahren. 



i 



7G6 HI. Mokshadharma. 

17. Da geschah es in demselben Augenblicke, dafs der 
König Uparicara (12835.) alsbald herabstürzte und in eine Höhle 
unter der Erde geriet, o König. 

18. Aber auf Befehl des Narayana blieb die Erinnerung 
an ihn soweit lebendig, (12836.) dafs alle Götter insgesamt auf 
die Befreiung des Vasu von seinem Fluche 

19. mit Sorgfalt bedacht waren, um dem Könige eine 
Wohltat zu erweisen; (12837.) denn dieser hochsinnige König, 
sprachen sie, hat um unsertwillen den Fluch auf sich geladen : 

20. darum, ihr Himmelsbewohner, müssen wir alle ihm 
einen Gegendienst erweisen. (12838.) So im Geiste sich ent- 
scheidend, waren die Götter schnell entschlossen 

21. und sprachen freudigen Geistes zu dem Könige Upari- 
cara: (12839.) Dem brahmanhaften Gotte bist du ergeben, und 
er, Hari, der Meister der Götter und Dämonen, 

22. wird gewifs, weil er an dir seine Freude hat, die Lösung 
des Fluches bewirken; (12840.) anderseits mufs freilich auch 
die Achtung vor den hochsinnigen Rishi's gewahrt werden, 

23. und es ist nicht möglich, dafs ihre Askese unfrucht- 
bar bleibe, (12841.) kraft deren du so plötzlich aus dem Luft- 
raum in die Erde hinabgestürzt bist. 

24. Immerhin können wir dir folgende Milderung ge- 
währen, o Bester der Könige: (12842.) Während du vermöge 
des Fluches deine Zeit absitzen wirst, o Untadliger, 

25. in deiner Höhle unter der Erde, diese ganze Zeit sollst 
du (12843.) die von achtsamen Brahmanen beim Opfer richtig 
dargebrachte Spende, welche vasor tihärä (Gabenstrom, Vasu- 
spendo) heifst, erhalten. 

2t>. Das sollst du durch unsere Fürsorge erlangen, damit 
dich kein Hinwelken überkomme. (12844.) Denn du wirst in 
deinem Erdloche weder Hunger noch Durst leiden, 

27. wenn du die vasor dhura trinkst und dich durch 
ihre Kraft stärkst. (12845.) Dann wird jener Gott [Narayana], 
durch unsere Gabe an dich erfreut, dich in die Brahman- 
welt ernporgeleiten. 

28. Nachdem alle die Himmelsbewohner dem Könige 
dieses Geschenk verliehen hatten, (12846.) gingen die Götter 
nach Hause und ebenso die askesereichen Rishi's. 



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Adhy&ya 339 (B. 337). 



767 



29. Darauf zollte Vasu dem Vishvaksena (dem allumschütz- 
ten Narayana) seine Verehrung, o Bhärata, (128.17.) indem er 
unaufhörlich die aus dem Munde des Narayana hervor- 
gegangene Murmelung betete. 

30. Auch wurden, o Feindbezwinger, die fünf taglichen 
Opfer zu ihren fünf Zeiten 112*4*.) dem Götterherrn Hari von 
Vasu, während er in der Erdhöhle weilte, dargebracht. 

31. Da freute sich Hari Narayana darüber, dafs er so 
fromm war (12849.) und dafs er keinen andern Gott verehrte, 
sondern mit bezähmtem Selbste ihm allein ergeben war. 

32. Und er, der gabenspendende, heilige Vishnu, sprach 
zu dem ihn begleitenden trefflichsten Vogel, (12*50.) dem 
überaus schnellen Garuda, was er vollbracht zu sehen 
wünschte: 

33. 0 du mächtiger Bester der Vögel, achte auf mein 
Wort. (12 851.) Ein allbeherrschender König mit Namen Vasu, 
pflichttreu und von scharfem Gelübde. 

34. ist durch den Zorn der Brahmanen in die Erde ge- 
bannt worden. (12852.) Den Brahmancnfürsten ist jetzt die 
genügende Achtung erwiesen worden. Nunmehr gehe du, 
o Bester der Vögel, 

3f). auf meinen Befehl, o Garuda, zu dem in der Erd- 
höhle Verborgenen (12*5.1.) und mache sofort den unter der Erde 
wandelnden besten Fürsten wieder zu einem Luftwanderer! 

3»>. Da entfaltete der windschnelle Garuda seine Flügel 
(12*54.) und gelangte in die Höhle unter der Erde, wo der 
König safs. 

37. Den rifs der Vinatasohn jählings in die Höhe, <. 12*5:1 .) 
flog mit ihm im Nu zum Äther empor und liefs ihn da los. 

35. In diesem Augenblicke wurde der König wieder zu 
einem Uparicara (in der Höhe Wandelnden), n 2 *:.•;.) und mit 
seinem Leibe ging er, der Beste der Fürsten, in die Brahman- 
welt ein. 

IVX So mufste, o Kuntisohn, von diesem Könige, weil 
er sich auf Geheifs der Götter im Reden versündigt hatte, 
(12*57.) trotz seines hohen Sinnes vermöge des Fluches der 
Brahmanen der Weg unter die Erde gegangen werden. 



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1 

I 



7f)8 III. Moksl.adharnia. 

40. Weil er aber allein den Gottherrn Hari, den Purusha, 
verehrte, (12 868.) ist er alsbald von seinem Fluche befreit 
worden und hat die Brahmanwelt erlangt. 

Bhishma sprach [weiter]: 

41. (12869.) Damit habe ich dir alles erzählt, wie jene 
Menschen beschaffen waren und wie der Weise Närada [zu 
ihnen] nach Qvetadvipa gelangt war. (12860.) Das will ich 
dir alles [noch genauer] mitteilen; vernimm es mit ungeteil- 
ter Aufmerksamkeit, o König. 

80 lautet im Mokahadhanna die Geschieht« tob Narayana 

(Sdritjani'jam). 

Adhy&ya 340 (B. 338). 

Vera 12861-12864 (B. 1-3). 

Bhishma sprach: 

1. (12861.) Als der heilige Weise Närada die grofse weifse 
Insel (Qvetadvipa) erreicht hatte, sah er jene weifsen, wie 
der Mond glänzenden Männer. 

2. (12862.) Er verehrte sie durch Verneigung und wurde 
von ihnen geistig verehrt; nach dem Schauen begehrend, 
der Murmelung ergeben, durch alle harten Übungen hin- 
durchgegangen und beharrlich, 

3. (12863.) unternahm es der Brahmane konzentrierten 
Geistes, mit emporgestreckten Armen und voll Sammlung, 
dem Allumfassenden, Gunalosen und zugleich Gunahaften ein 
Loblied zu singen. 

Närada sprach: 

(12864. Prosa.) Verehrung sei dir, 0 Gottherr der Götter, 
Werkloser, Gunaloser, Weltauge, Kshetrajßa, höchster Pu- 
rusha, Unendlicher, Purusha, grofser Purusha, höchster 
Purusha, Dreigunahafter, Urstoff, Unsterblicher, Unsterblieh- 
heifsender, Unendlichheifsender, Himmelsraum, Ewiger, der 
du Seiendes und Nichtseiendes, Entfaltetes und Unentfaltetes 
bist, Wahrheitsstätte, Urgott, Gabenspender, Schöpfer, guter 



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Adhy&ya 340 (B. 338). 



7<;o 



Schöpfer, Waldesherr, grofser Schöpfer, Xahrungsherr, Rode- 
herr, Weltherr, Geistesherr, Himmelsherr, Windesherr, Wasser- 
herr, Erdeherr, Weltgegenden herr, Urwohnstatt, Verborgener, 
Brahmanpriester, Brahmanverkörperter, Großfürstlicher, Yier- 
grof »fürst. Glänzender, Hellglänzender, Siebenopferteilegeniefser, 
Yamaliebender, Yamasehrliebender , Yamamutt ergenannter, 
Tushitagottheit, Grofstushitagottheit, Yernichter, Erschaffener, 
Unerschaflener, Willkürlicher, Untadliger, Unermefslicher, 
Willkürlicher, Unwillkürlicher, Opfer, Grofsopfer, Opfer- 
ursprung, Opferwiege, Opfersprofs, Opferherz, Opfergeprie- 
sener, Opferteilgeniefser, Fünfopferhafter, Fünfzeiteinteilungs- 
schaffer, Paficaratraliafter, Vaikuntha, Unbesiegbarer, (leistiger, 
Namengenannter, Höchstherr, Wohlgebadeter, Schwan, höch- 
ster Schwan, grofser Schwan, Hochheiliger, Sänkhya-Yoga, 
Sänkhyagestaltiger, im Amritam Weilender, Goldweilender, 
Gottweilender, Kucagrasweilender, Brahmanweilender, Lotos- 
weilender, Allherr, Allumschützter, du bist Weltzusammen- 
hang, Weltnatur, dein Mund ist Feuer, du bist das Yadava- 
rachenfeuer, bist Opfergufs, Wagenlenker, bist der Vashatruf, 
der Umlaut, die Askese, das Manas, der Mond, das durch 
Anblick geweihto Opferschmalz, die Sonne, der Weltelefant, 
o Glanz der Pole, Glanz der Zwischenpole, Kofshaupt (vgl. 
unten, Vers ii»2;t), du bist Erslgeniefser des Trisuparnagebets, 
Kastenerhalter, o Fünffeuerhafter, Drcinäciketahafter, Behälter 
der sechs Yedanga's, Morgenlicht lied-, Bestliedsänger, Sang- 
g.diibdehalter, du bist die Atharvacirasupanishad, o du der 
fünf grofsen Lehrbücher Inbegriff, Lehrer der Wasserschaum- 
trinker, Yalakhilya, Vaikhänasa. Yogabeständiger, Retlexions- 
U»stündiger, der Weltalter Anfang, Mitte und Ende, Akhandala, 
Praeinagarbha, Kaucika, Vielgepriesener, Vielangerufener, 
Allschöpfer, Allgestaltiger, Unendlichstrebender, Unendlich- 
geniefsender , Unendlicher, ohne Anfang, ohne Mitte, ver- 
borgener Mitte, verborgenen Endes, Gelübdestätto, Ozean- 
bewohnender, Glanzstätte, Askesestätte, Bezähmungsstätte, 
Schönheitsstätle, Ruhmstätte, ( ilücksstätte. Allstätte, o Väsu- 
deva, Allgewinner, Falbrossiger, Falbrofsopferer, Grofsopfer- 
anteilrauber, Gabenspender, Lust Spender, Reichtumspender, 
Falbrofsopferer, Zwang, Selbstzwang, Grofszwang, Geplagter, 



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770 



III. Mokshadkarma. 



Zerplagter, Sehrgeplagter, Allgeplagter, Selbstzwangträger, 
Fehltrittfreier, Lernfleifsiger, Pricnileibentsprungener, Veda- 
werkeifriger, Ungeborener, Allziel, Allschauer, Unfafsbarer, 
Unerschütterlicher, Grofsentfal teter, Grofsheitverkörperter, Läu- 
terung, Grofsläuterung, Goldener, Grofser, Vermutbarer, Un- 
erkennbarer, Brahmanenerster, Wesensschöpfer, Wesenver- 
nichter, Grofsblendwerkträger, Citracikhandin, Gabenspender, 
Opferkuchenanteilnehmer, Festlichgefeierter, Durstfreier, Zwei- 
felfreier, Allwärtsgewandter, Ungestalteter, Brahmanengestal- 
teter, Brahmanenfreund, Allgestal tiger, Grofsgestaltiger, Ver- 
wandter, Verehrerfreund, o heiliger Gott, dich verehre ich, 
dich begehre ich zu schauen, dem einzigen Anblick Ver- 
ehrung, Verehrung! 

80 Uutet im Molubadharma der PraU de« groben Punuha 
(Makdpurmha^tata). 



Adhyftya 341 (B. 339). 
Vers 128Ö5-13006 (B. 1-141). 

Bhlsbma sprach: 

1. (12865.) Als der heilige Gott auf diese Weise mit seinen 
geheimnisvollen und wahrhaften Namen gepriesen worden war, 
liefs der Allgestaltige sich vor dem weisen Närada sehen. 

2. (12866.) Einerseits war der Herr reiner als der Mond 
an Glanz, anderseits war er mit dem Monde gar nicht zu 
vergleichen, teils glich er dem Feuer an Aussehen, teils dem 
Feueraltar an Gestalt, 

3. (12867.) teils dem Gefieder des Papageien, teils einem 
Bergkristall, hier wie schwarze Augensalbe, dort wie Gold 
glänzend, 

4. (12868.) stellenweise glich er einem Korallenzweige, und 
wiederum erschien er weifsfarbig, hier glänzte er wie Gold- 
farbe, dort ähnelte er dem Beryllstein, 

5. (12869.) dann wieder schillerte er wie schwarzer Beryll 
und stellenweise wie ein Smaragd, teils war sein Aussehen 
dem Hals des Pfauen, teils einer Perlenschnur gleich. 



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Adhyaya 341 <B. 339,. 



771 



6. (12 870.) Diese mannigfachen Farben trug an seinem 
Äufsern der Ewige ; tausendaugig war der Selige, mit hundert 
Häuptern, tausend Füfsen, 

7. (12 871.) tausend Bäuchen und Armen und stellenweise 
wieder unsichtbar. Aus seinem Munde strömte der Omlaut, 
und ihm folgte die Sävitri; 

8. (12872.) aus seinen übrigen Mündern liefs er die vier 
Veden in ihrer Fülle ausgehen und sang, der Gott, das 
Aranyakam, er, der gewaltige Hari Xärayana. 

0. (12 873.) Ein Opferbett, ein Wasserkrug und weifse Edel- 
steine, ein Schuhepaar und Kucagras, Antilopenfell und höl- 
zerner Stab und dazu loderndes Feuer, 

10. (i>874.) das alles wurde von dem Gottherrn als Herrn 
des Opfers in seinen Händen getragen. Da begann Xärada, 
der Beste der Zwiegcborenen, mit ruhigem Geiste den Heitern 

11. (i287. r i.) zu verehren, den höchsten Gott, schweigend 
und vor ihm geneigt. Zu ihm, der sein Haupt neigte, sprach 
der ewige Urvater der Götter. 

Der Heilige sprach: 

12. (12876.) Ekata, Dvita und Trita, die drei grofsen 
Wesen, kamen einst in dieses Land mit dem Verlangen, mich 
zu schauen. 

13. (12877.) Aber sie bekamen mich nicht zu sehen, und 
keiner wird mich zu sehen bekommen aufser dem, welcher 
mir vor allen anderen Verehrern ergeben ist, du aber bist 
mir mehr zugetan (uttamah mit C.) als alle anderen. 

14. (12878.) Jene meine höchsten [vier] Erscheinungs- 
formen wurden in dem Hause des Dharma geboren [oben, 
Vers 12657 fg.], die mögest du immerfort verehren; ziehe hin, 
wie du gekommen bist. 

15. (12879.) Aber, o Brahmane, wähle noch eine Gabe, die 
du von mir zu erlangen wünschest, ich, der Allgestaltige, 
Ewige, wie ich heute hier vor dir stehe, bin dir gnädig gesinnt. 

Xärada sprach : 

IG. (12880.) Heute habe ich die Frucht meiner Askese, 
meiner Bezwingung und Selbstbezwingung erlangt, da du, 
o Heiliger, dich von mir hast sehen lassen. 

41»* 



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772 



III. Mokshadhanua. 



17. (12881.) All mein Leben ist es nur mein Wunsch ge- 
wesen, dich, den Ewigen, zu schauen, o Heiliger, den All- 
schauenden, den Löwen, den allgestaltigen grofsen Gebieter. 

Bhlshma sprach: 

18. (12882.) Nachdem er sich in dieser Weise vor dem 
Närada Parameshthin gezeigt hatte, sprach er weiter das Wort : 
Mache dich auf, Nurada, und zögere nicht. 

10. (12883.) Denn diese meine wie der Mond glänzenden 
Verehrer hier, welche ohne Sinnesorgane und ohne Nahrung 
leben, könnten voll einziger Hingebung ihre Gedanken auf 
mich richten, und ich möchte nicht, dafs sie dabei auf ein 
Hindernis stiefsen. 

20. (12 884.) Von jeher waren sie vollendet, glückselig und 
mir einzig ergeben, und frei von Tamas und Rajas, werden 
sie gewifslich zu mir eingehen. 

21. (12*85.) Er, der nicht zu sehen ist mit dem Auge, 
nicht zu betasten durch Berührung, nicht zu riechen durch 
den Geruch und auch dem Geschmack unerreichbar, 

22. (12886.) dem die Guna's, Sattvam, Rajas und Tamas 
nicht anhaften, der da als allgegenwärtiger Zuschauer und 
Weltatman gepriesen wird, 

23. (12887.) der nicht vergeht, wenn die Körper der Wesens- 
scharen vergehen, der Ungeborene, Ewige, Unvergängliche, 
Gunalose , Unteilbare, 

24. (12888.) welcher über die zweimal zwölf Prinzipien 
hinaus als der Fünfundzwanzigste gerühmt wird als taten- 
loser, nur durch die Erkenntnis zu schauender Purusha, 

25. (12889.) in welchen eingehend die Besten der Zwie- 
geborenen hienieden zur Erlösung gelangen, — der bin ich, 
als Väsudeva zu erkennen, als der ewige, höchste Atman. 

20. (12 890.) Schaue, o Närada, die Gröfse und Majestät 
dieses Gottes, der niemals durch gute oder böse W r erke be- 
fleckt wird. 

27. (12891.) Sattvam, Rajas und Tamas nennt man Guna's 
(Faktoren, Konstituenten), weil sie in allen Körpern vorhanden 

sind und sich betätigen. 



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Adhy&ya 341 (B. 



773 



28. (12892.) Diese Gunas geniefst der Kshetrajfia, wird 
aber nicht von ihnen genossen, der Gunalose, Gunageniefsende, 
Gunaschöpfer, Gunabeherrscher. 

29. (12893.) Die Erde, dieser Standort der Lebewelt, o 
Götter-Rishi, zergeht im Wasser, das Wasser im Feuer, das 
Feuer im Winde, 

30. (12894.) der Wind zergeht im Äther, der Äther im 
Manas, das Manas als höchstes Element zergeht im Un- 
entfalteten, 

31. (12895.) das Unentfaltete, o ßrahmane, zergeht im tat- 
losen Purusha, über ihm gibt es keinen Höhern, über dem 
ewigen Purusha. 

32. (12S96.) Denn kein Wesen in der Welt, sei es beweg- 
lich oder unbeweglich, gibt es, welches ewig wäre, aufser 
jenem einen Purusha, dem ewigen Väsudeva. 

33. (12897.) Denn der hochgewaltige Vasudeva ist die Seele 
aller W r esen. Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als 
fünftes, 

34. (12898.) diese hohen Wesenheiten bilden in ihrer Ver- 
einigung das, was man den Leib nennt. Sodann geht in 
diesen ein, o Brahmane, leichten Schrittes der Unsichtbare, 

3f). (12899.) und nachdem er geboren, ist er es, der den 
Leib bewegt. Freilich kann es keinen Leib geben ohne das 
Aggregat der Elemente, 

3(>. (i29oo.) aber ohne den Jiva (die individuelle Seele), 
o Brahmane, könnten die Winde [die fünf Pranas] den Leib 
nicht bewegen. Dieser Jiva wird [nach Krishna's älterm 
Bruder Balarama] (Jtsha oder Saftkarshann genannt. 

37. (12901.) Von ihm stammt er, welcher durch seine Werke 
es erlangte, eine Inkarnation von Sanatkumära zu sein (vgl. 
Mhbh. I, 07,52 = I, 2780), und dieser, in welchem alle Ele- 
mente zergehen und zunichte werden (oben, Vers 12894), 

38. (12902.) der wird als das Manas in allen Wesen [nach 
Krishna's Sohn] Pradyumtta genannt. Aus ihm ist der ent- 
sprungen, welcher Täter, Ursache und Wirkung ist; 

39. (12 903.) dieser, aus welchem die ganze Welt des Be- 
weglichen und Unbeweglichen hervorgeht, wird [nach Krishna's 
Enkel] Aniruddha, der in allen Werken entfaltete Gott, genannt. 



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774 III. Mokshadharma. 

40. (12 904.) Also der heilige Väsudeva, der seinem Wesen 
nach gunalose Kshetrajfia, der, o Fürst der Könige, ist zu 
wissen als der Jiva, als der mächtige Sankarshana. 

41. (12906.) Von Sankarshana stammt der Pradyumna Ge- 
nannte, welcher das Manas ist, und von Pradyumna stammt 
Aniruddha, und dieser Gott ist der Ahankära. 

42. (12906.) Aus mir, o Narada, entspringt die ganze Welt, 
das Unbewegliche und Bewegliche, das Unvergängliche und 
Vergängliche, das Seiende und Nichtseiende. 

43. (12907.) Zu mir eingehend, werden hienieden erlöst die, 
welche mir ergeben sind, denn ich bin zu wissen als der 
Purusha, der Tatenlose, der Fünfundzwanzigste, 

44. (12908.) der von Guna's und Teilen Freie, über Gegen- 
sätze und Anhängendes Erhabene. Aber das bleibt für dich 
unerkennbar und wird nur als Erscheinung gesehen. 

45. (12909.) Wenn ich wollte, so könnte ich augenblick- 
lich verschwinden, denn ich bin Herr und Meister der Welt ; 
nur als ein Scheinbild fmdyäj habe ich geschaffen, was du 
von mir siehst, o Narada. 

46. (i2 9io.) Sofern ich die Eigenschaften aller Wesen an 
mir trage, kannst du mich nicht erkennen, aber die Vierheit 
meiner Erscheinungen habe ich deutlich erklärt. 

47. (129U.) Ich bin es, der der Jiva heifst, in mir ist der 
Jiva beschlossen, aber dein Verständnis reichte nicht aus, 
um sagen zu können: Ich habe den Jiva gesehen. 

48. (12912.) Ich bin allgegenwärtig, o Brahmane, bin in 
der Schar der Wesen die innere Seele, ich vergehe nicht, 
wenn die Körper der Wesensscharen vergehen. 

49. (12913.) Jene glückseligen, vollendeten Männer freilich 
waren mir einzig ergeben, und sie, o Muni, werden, frei von 
Tamas und Rajas, zu mir eingehen. 

50. (12 914.) Iliranyagarbha, der Weltanfang, der mit seinen 
vier Angesichtern in dem Unaussprechlichen [anirukta y vgl. 
Taitt. Up. 2,4 Anfang] weilende Gott Brahmän, dieser ewige Gott 
überdenkt [als mein Intellekt] meine mannigfachen Zwecke; 

51. (12915.) aus meiner Stirn, aus meinem Zorne ist Gott 
Rudra hervorgegangen; siehe, wie die elf Rudra's in meiner 
rechten Seite 



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Adhy&ya 341 (B. 339). 775 

52. (12916.) und die zwölf Aditya's in meiner linken Seite 
wohnen, siehe, wie ich vorn an mir trage die acht Vasu's, 
die Höchsten der Götter, 

53. (12*17.) wie Xäsatya und Dasra, die Götterärzte, meinen 
Rücken bilden, siehe in mir alle Schöpferherren und alle 
Rishi's, 

54. (12918.) die Veden und die Opfer hundertfach nebst dem 
Amritatranke und den Kräutern, siehe in mir die Askesen, 
Selbstbezähmungen und die einzelnen Zuchtübungen, 

55. (12919.) die achtfache Gottherrlichkeit [der acht Siddhi's] 
gestalthaft in mir, dem Einen, weilen, ferner Glück, Schön- 
heit und Ruhm und die Erde mit ihren Berggipfeln, 

50. (12920.) siehe in mir wohnen Sarasvati, die Mutter der 
Veden, und den im Äther weilenden Polarstern, den Besten 
der Sterne, 

57. (12 921.) die wasserreichen Ozeane, Seen und Flüsse 
und die vier Klassen von Manen (vgl. oben, Vers 96&o) ver- 
körpert (mürtimantah als Acc. !) in mir 

58. (12922.) und jene drei gestaltlosen Guna's, wie sie in 
mir wohnen. Wenn auch von dem Opfer an die Götter das 
Opfer an die Manen verschieden ist, o Muni, 

59. (12923.) so bin ich doch von Uranfang her der einzige 
Vater der Götter wie der Manen. Ich, zu dem Rofshaupte 
geworden in dem nordwestlichen Ozean, 

00. (12924.) trinke das wohldargebrachte Götteropfer und 
das mit Glauben gespendete Manenopfer. Von mir ist vor- 
dem Gott Brahmän geschaffen worden, und mir zu Ehren hat 
er selbst ein Opfer geopfert. 

61. (12925.) Und über dasselbe erfreut, verlieh ich ihm 
herrliche Gaben, nämlich dafs er am Anfang der Weltperiode 
mein Sohn und der Aufseher der Welt, 

02. (12926.) sowie auch zum Ahankära [dem Prinzip der 
Individuation] wurde, so dafs dieses Wort synonym mit 
Brahmän ist, und ich sprach zu ihm : „Die von dir gesetzten 
[individuellen] Schranken soll niemand je überschreiten, 

03. (12927.) und du, o Brahmän, sollst der Gabenspender 
aller um Gaben Flehenden sein. Von Göttern, Dämonen und 
Rishi's, o Askesereicher, 



776 



III. Mokshadharma. 



64. (12928.) sowie von den Vätern, o Mächtiger, allezeit 
Gelübdefester, und von den mannigfaltigen Wesen sollst du 
Verehrung geniefsen." 

65. (12 929.) „Und ich [so erwiderte er mir] will allezeit 
beim Opfer an die Götter ein offener Bekenner des Bhagavän 
sein; dir, o Heiliger, will ich gehorsam sein und von dir 
mich lenken lassen wie ein Sohn." 

66. (12930.) Diese und andere glänzende Gaben verlieh ich 
dem unermefslich kraftvollen Gott Brahmän und zog mich 
freudig in die Passivität (nivritti) zurück. 

67. (12 931.) Denn als Auslöschung (nirvänamj aller Pflich- 
ten ist die Passivität das Höchste, daher, wer sich der Pas- 
sivität ergibt, als ein durch und durch Beseligter (nirvrita) 
dahinwandelt. 

68. (12932.) Als den mit dem Wissen erfüllten, in der 
Sonne weilenden, gesammelten Kapila bezeichnen ihn die in 
der Sänkhyalehre festen Meister, 

60. (12933.) als der heilige Hiranyagarbha wird er im Veda 
gepriesen (vgl. (,'vet. Up. 5,2). Ich bin es, der am Yoga sich 
freut, o Brahmane, und der in den Yogalehrbüchern [als 
fcvara] gefeiert wird. 

70. (12934.) Ich bin es, der zur Entfaltung gelangt und 
doch ewig im Himmel beharrt, der am Ende von tausend 
Weltaltern die Welt wiederum in sich hereinrafTen wird. 

71. (12935.) Und nachdem ich alle Wesen, die beweglichen 
und unbeweglichen, in mein Selbst zurückgenommen habe, 
werde ich als der aHein mit meinem Wissen Fortbestehende 
die Welt wiederum ausbreiten. 

72. (12936.) Alsdann werde ich die ganze Welt wiederum 
durch mein Wissen erschaffen. Was aber in mir die vierte 
Gestalt [Vasudeva] ist, die schuf den unvergänglichen Qesha, 

73. (12937.) denn er ist es, welcher Sankarshana genannt 
wird, und dieser erzeugte den Pradyumna, und aus Pradyumna 
ging ich hervor als Aniruddha, immer wieder und wieder als 
meine Schöpfung. 

74. (12938.) Aus Aniruddha entspringt weiter Gott Brahmän, 
indem er aus dem in dessen Nabel wurzelnden Lotos hervor- 



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Adhyfcya 341 (B. 339). 



777 



tritt, aus Gott Brahmän endlich entstehen alle Wesen, die 
beweglichen und die unbeweglichen. 

75. (12939.) Das, wisse, ist die Schöpfung, welche immer 
wieder und wieder zu Anfang eines Kalpa erfolgt, wie Auf- 
gang und Untergang der Sonne im Himmelsraume. 

70. (12940.) Denn wenn die Zeit um ist, dann wird er, 
der unermefslich Glänzende, durch seine Kraft, — dann werde 
ich durch meine Kraft zum Heile aller Wesen die Erde, 

77. (12 941.) die in allen ihren Teilen von Wesen erfüllte, die 
ozeanumgürtete, nachdem sie versunken war, wieder zu ihrer 
Stelle emporwühlen, indem ich die Gestalt des Ebers annehme. 

78. (12942.) Weiter werde ich den auf seine Kraft stolzen 
Daityafursten Hiranyäksha töten, und wiederum werde ich, 
die Gestalt eines Mannlöwen annehmend, den Hiranyakacipu, 

79. (12943.) den opferstörenden Ditisprofs, den Göttern 
zuliebe zerreifsen. Ferner wird als Sohn des Virocana ein 
grofser Dämon, der gewaltige Bali, 

80. (12944.) unüberwindlich für alle Welten, Götter, Dä- 
monen und Kobolde, geboren werden, und dieser wird den 
(^akra (Indra) vom Throne stürzen. 

81. (12945.) Dann wird der Gatte der Caci darüber nieder- 
geschlagen sein, dafs ihm die Dreiwelt von jenem geraubt 
wurde; ich aber werde von Kacyapa in der Göttin Aditi als 
zwölfter Aditya (Aditisohn) erzeugt werden. 

82. (12946.) Dann werde ich dem unermefslichen Takra 
sein Reich wiedergeben und auch die Götter in ihre Stellungen 
wieder einsetzen, o Närada; 

83. (12947.) den Bali aber werde ich zu einem Bewohner 
der Unterwelt machen, ihn, den vorzüglichen Bali, den von 
allen Göttern unbesiegbaren Dänava. 

84. (12948.1 Weiter werde ich im Tretazeitalter als ein 
Sprofs der Familie des Bhrigu geboren werden als Räma 
[Paracuräma, Sohn des JamadagniJ und die Kshatriyas mit 
ihren mächtigen Heeren und Wagen ausrotten. 

8f). (12949.) Sodann aber werde ich. wenn die Dammerungs- 
zeit zwischen den Zeitaltern Treta und Dväpara eingetreten 
sein wird, als der Weltherr Rama, der Sohn der Dacaratha, 
geboren werden. 




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778 



III. Moksluidhanua. 



86. (12950.) Dann werden Ekata und Dvita wegen der Mifs- 
handlung des Trita in einer Mifsgestalt als Affen wiedergeboren 
worden sein, sie, die beiden Rishfs und Söhne des Prajäpati, 

87. (12951.) und die von ihnen geborenen Nachkommen 
werden als mächtige, mannhafte, dem Qakra an Tapferkeit 
gleiche Affen leben. 

88. (12952.) Diese werden in meinem Kampfe für die Götter 
meine Gehilfen sein, o Z wiegeborener ; dann werde ich den 
furchtbaren Oberherrn der Kobolde, den Schandfleck der Fa- 
milie des Pulastya, 

89. (12953.) den scheufslichen Ravana, diesen Dorn der 
Welt, mit seiner ganzen Bande ausreifsen. Wenn dann weiter 
die Dämmerung zwischen dem Zeitalter Dväpara und Kali 
zu Ende geht, 

90. (12954.) wird zur Vernichtung des Kansa meine Ge- 
burt in Mathurä stattfinden. Dort werde ich viele Dänava's, 
die ein Dorn für die Götter waren, töten. 

91. (12955.) Dann werde ich Kucasthali als die Stadt 
Dvärakä zu meinem Wohnsitze machen, und in dieser Stadt 
wohnend, werde ich den Beleidiger der Aditi, 

92. (12956.) den erdgeborenen Naraka sowie auch Muru 
und den Dämonen Pitha töten, und ihre mit vielen Kostbar- 
keiten angefüllte herrliche Stadt Prägjyotisham 

93. (12 957.) nach Kucasthali verpflanzen, nachdem ich den 
obersten Dämon niedergeschlagen habe. Weiter werde ich 
Mahecvara (Qiva) und Mahäsena (Skanda), welche aus Wohl- 
wollen für den Bäna 

94. (12958.) sich gegen mich erhoben hatten, diese beiden 
von aller Welt verehrten Gottheiten besiegen und dann den 
tausend armigen Bäna, den Sohn des Bali, überwinden. 

95. (12 959.) Darauf werde ich alle Bewohner von Saubha 
[der Luftstadt] vernichten. Was ferner den berühmten, mit 
der Kraft des Garga [seines Vaters] ausgerüsteten Kälaya- 
vana betrifft, 

96. (12 960.) so wird auch dessen Vernichtung auf meine 
Veranlassung erfolgen, o Bester der Zwiegeborenen. Ferner 
wird da der mächtige, viele Könige in Gefangenschaft haltende 
Jaräsandha, 



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Adhyäya 341 <B. 331*). 



779 



97. (12961.) der Dämon, als übermütiger Erdbeherrscher 
in Girivraja wohnen, und durch den Anschlag meines Geistes 
wird seine Tötung [durch Bhima] erfolgen. 

98. (12 962.) Auch werde ich den (,'icupäla töten beim 
Opfer des Dharmasohnes (Yudhishthira), bei dem alle mäch- 
tigen Könige der Erde versammelt sein werden. 

99. (12963.) Nur [Arjuna], der Sohn des Väsava (Indra), 
allein wird mein trefflicher Helfer dabei sein, den Yudhishthira 
aber mitsamt seinen Brüdern werde ich in seiner Herrschaft 
befestigen. 

100. (12964.) Dann werden die Leute sagen: die Helden 
Nara und Näräyana, die Gottherren, haben sich erhoben und 
verderben die Kshatriya's zum Besten der Welt! 

101. (12 965.) Nachdem ich die Erde in erwünschter Weise 
von dieser Last befreit haben werde, werde ich über alle Vor- 
nehmsten der Sätvatas [der Leute des Krishna] und auch 
über die Stadt Dvärakä, o Bester, 

102. (1296C.) ein« furchtbare Vernichtung hereinbrechen 
lassen, indem ich mich in die Erkenntnis des Atman ver- 
senke. So werde ich, nachdem ich als Träger der vier Ge- 
stalten unermefsliche Taten 

103. (12967.) vollbracht haben werde, in meine eigenen, 
von Brahman bereiteten Welten eingehen, — Hansa [Schwan, 
hier wohl Brahman als Erstgeborener der Schöpfung, vgl. 
oben, Adhy. 301, S. 587 fg.], o Bester der Zwiegeborenen, 
Schildkröte, Fisch, 

104. (12 968.) Eber, Mannlöwe, Zwerg und [Paracu-] Rama, 
Rama, Sohn des Dacaratha, Sätvatafürst (Krishna) und Kalki 
[sind meine Verkörperungen] — 

105. (12969.) eingehen, wenn die Yedaüberlieferung ver- 
loren und von mir wieder in mich zurückgenommen sein 
wird, wenn meine mitsamt den Veden und allen heiligen 
Schriften vormals im Kritazeitalter erfolgten Verkörperungen 

106. (12970.) verschwunden sein und nur noch hier und 
da in alten Erzählungen erwähnt werden mögen, wenn jene 
meine zahlreichen höchsten Verkörperungen verschwunden 

107. (12971.) und, nachdem sie ihre Aufgabe in der Welt 
erfüllt haben, wieder zu ihrem Ursprung zurückgekehrt sein 



780 



III. Mokshadininiia. 



werden. — Wahrlich, ein solches Schauen meiner Wesenheit 
ist nie einem Brahmanen zuteil geworden, 

108. (12 972.) wie es dir heute gewährt wurde, weil dein 
Geist nur auf mich allein gerichtet war. Dies ist dir alles 
von mir erzählt worden, o Brahmane, um deiner Liebe willen 
zu mir, 

109. (12973.) das Vergangene und Zukünftige mit seinen 
Geheimnissen, o Bester. 

Bhlshma sprach: 

■ 

(12974.) Nachdem der heilige, allgestaltige, ewige Gott in 
dieser Weise 

110. diese ganze Rede gesprochen hatte, verschwand er 
ebendaselbst. (12975.) Der glanzvolle Närada aber, nach Er- 
langung der ersehnten Gnade 

111. eilte zur Einsiedelei Badari (oben, Vers 12659), um 
den Nara und Närayana zu besuchen. (12976.) Und diese 
höchst geheimnisvolle, mit den vierVeden in Einklang stehende, 

112. mittels Sänkhya-Yoga gemachte, von ihm Pafi- 
carätram benannte (12977.) und aus dem Munde des Närayana 
ausgeströmte Lehre verkündigte Närada weiter 

113. in der W r ohnung des Gottes Brahmän, o Freund, 
entsprechend dem, was er geschaut und vernommen hatte. 

Yudhishthira sprach: 
(12978.) Diese wunderbare Herrlichkeit jenes Weisen [des 
Gottes Närayana], 

114. war diese dem Gotte Brahmän unbekannt, so dafs 
er sie erst von Närada hören mufste? (12979.) Der heilige Ur- 
vater ist doch von jenem Gotte gar nicht verschieden, 

115. wie sollte er da die Herrlichkeit des unermefslich 
Kräftigen nicht kennen? 

Bhishma sprach: 
(12980.) Hunderte und Tausende von Weltperioden 
11*5. sind schon verstrichen, o Fürst der Könige, mit 
ihren Schöpfungen und Vernichtungen. (12981.) Gott Brahmän 
ist es, welcher am Anfang der Schöpfung die Erschaffung der 
Geschöpfe bewirkt. 



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Adhy&ya 341 (B. 339). 



781 



117. Gewifs kennt er den Vorzüglichsten der Götter, 
o König, der, noch weit über ihn selbst erhaben, (12 982.) der 
höchste Atraan, Gottherr und sein eigener Urheber ist. 

118. Aber den anderen in der Brahmanwohnung ver- 
sammelten Scharen der Vollendeten, (12983.) denen verkündigte 
Nurada dieses mit dem Veda übereinstimmende Puränam. 

119. Von diesen im Geiste Bereiteten hat es Sürya (der 
Sonnengott) vernommen, (12984.) und dieser, o König, hat es 
sodann seinen Anhängern mitgeteilt. 

120. Denn den Sechsundsechzigtausend im Geiste be- 
reiteten Rishi's, (12 985.) welche als Begleiter des welterleuch- 
tenden Sürya erschaffen worden waren, 

121. allen diesen Bereiteten hat es der Sonnengott mit- 
geteilt. (12986.) Und von diesen hochsinnigen, das Gefolge des 
Sürya bildenden Rishi's, o Freund, 

122. wurde dieses Allerhöchste den auf dem Meru ver- 
sammelten Göttern vorgetragen. (12987.) Von den Göttern hat 
es der Brahmane Asita vernommen, 

123. und dieser beste Muni hat es unseren Vorfahren mit- 
geteilt, (1298s.) mir hat es mein Vater C anlanu mitgeteilt, 

124. und ich, der ich es von ihm vernommen, habe es 
dir erzählt, o Bhärata. (12939.) Alle Götter aber oder Muni's, 
welche dieses Puranam gehört haben, 

12f>. alle diese verehren den höchsten Ätman allerwärts. 
(12990.) Diese dem Veda gleichkommende Erzählung, wie wir 
sie, o Fürst, durch Uberlieferung überkommen haben, 

12b". darfst du unter keinen Umständen einem mitteilen, 
der nicht dem Väsudeva ergeben ist. (12991.) Aus allen den 
Hunderten von anderen Geschichten, 

127. welche du von mir gehört hast, ist diese Geschichte 
als Quintessenz herausgezogen worden. ( 12992.) Und wie von 
Göttern und Dämonen einstens das Amritam durch Quirlung 
herausgeholt wurde, 

128. so wurde das Amritam dieser Erzählung einstmals 
von Brahmanen herausgeholt. (i2:»93.) Wer aber immerfort 
diese Geschichte rezitiert oder anhört, 

129. mit einziger Liebe [dem Närayana] ergeben, ge- 
sammelt und in Gemeinschaft mit solchen, die ihm ergeben 



782 



III. Mokshndharma. 



sind, (12m.) der wird zu der grofsen weifsen Insel gelangen, 
zu einem jener mondglänzenden Männer werden 

130. und zu dem tausendstrahligen Gott eingehen, daran 
ist kein Zweifel. (12995.) Der Leidende wird von seiner Krank- 
heit befreit, wenn er diese Geschichte von Anfang an gehört hat, 

131. der Wifsbegierige erlangt, was er wünscht, und der 
Fromme geht den Weg der Frommen. (12996.) Und auch du, 
o König, mögest immer fort und fort den höchsten Purusha 
preisen, 

132. denn er ist Vater, Mutter und Lehrer der ganzen 
Welt, (12997.) ihm hänge in Liebe an, dem brahmanhaften, 
heiligen, ewigen Gotte, 

133. dem hochweisen Heimsucher der Menschen, o 
Yudhishthira, du mit den grofsen Armen! 

Vai$arapayana sprach: 

(12998.) Nachdem der gerechte Fürst (yudhishthira), o Ja- 
namejaya, diese vorzügliche Erzählung gehört hatte, 

134. da wurden er und seine Brüder alle treue Anhänger 
des Närayana (12999.) und sprachen, o Bhärata: „Dieser heilige 
Purusha hat den Sieg davongetragen!" 

135. Er aber, welcher, allezeit dem Murmeln ergeben 
und die heilige Rede übend, (13000.) unser bester Lehrer ist, 
der Weise Krishna Dvaipäyana, 

13G. liefs die höchste Murmelung ertönen zum Lobe des 
Närayana, (13001.) stieg ungesäumt aus dem Äther zu dem 
Milchmeere, dem Behälter des Amritam, herab,. 

137. zollte dem Gottherrn seine Verehrung und begab 
sich wieder zu seiner Einsiedelei. 

Bhlshma sprach: 

(13002.) Alles dieses ist dir mitgeteilt worden, das von 
Närada Ausgesprochene und von mir Wiedererzählte, 

138. wie es von Geschlecht zu Geschlecht überliefert und 
von meinem Vater erzählt worden ist. 

Sauti sprach: 

(13003.) Das alles habe ich euch erzählt, wie es von Vai- 
campayana vorgetragen wurde. 



1 



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Adhyaya 341 fB. 339). 



783 



139. Janamejaya aber, als er es von ihm gehört hatte, 
verfuhr ganz dieser Vorschrift gemäfs. ü3004.) Ihr aber alle, 
ihr Askesereichen, Gelübdetreuen, 

140. die ihr alle als vorzügliche Vedakenner den Xai- 
mishawald bewohnt (13005.) und als vorzügliche Brahmanen zu 
dem grofsen Opferfeste des (/aunaka euch versammelt habt, 

141. ihr sollt mit euren wohlausgeführten Opfern den 
ewigen, höchsten Herrn verehren. (13006.) Dies von Geschlecht 
zu Geschlecht Überlieferte ist mir von dem Vater [Vaicam- 
payana] vordem erzählt worden. 

So lautet im Mokobadharma die Geschichte vom Narftjana 

(Säniyanlyau,). 

Adliyaya 342 (B. :*4Ö). 

Vers 13007-13128 (B. 1-111»). 
£aunaka sprach: 

1. (13007.) Wie kommt es, dafs jener heilige Gott [Nä- 
räyana], der doch bei den Opfern als Herr den ersten Anteil 
nimmt, der beständig das Opfer aufrecht hält und Veda's 
nebst Vedänga's kennt, 

2. (13008.) dafs dieser Herr der fthagavatas zugleich voll 
Geduld der Satzung der Passivität (nivrittij huldigte und 
selbst die Satzungen der Passivität vorgeschrieben hat, er, 
der heilige Herr? 

3. (13009.) Und wie konnte er die Götter darin bestärken, 
als des Opferanteils würdige bei den Satzungen der Aktivität 
fpravrittij zu verharren, während er andere veranlafst, mit 
weltabgekehrtem Sinne der Passivität zu huldigen? 

4. (i30io.) Diesen tiefgreifenden beständigen Zweifel mögest 
du uns, o Sauti, lösen, denn von dir sind ja die auf die 
Satzungen bezüglichen Näräyana- Geschichten vernommen 
worden. 

Sauti sprach: 

5. (13011.) Ich will dir, o Bester der (,'aunaka's, erzählen, 
worüber ehedem [ Vaicampäyana ] der Schüler des weisen 
Vyasa vom Könige Janamejaya befragt wurde. 



784 



III. Mokslindhurma. 



6. (13012.) Nachdem er von der Herrlichkeit des in den 
Verkörperten weilenden höchsten Atman vernommen hatte, 
sprach der sehr verständige Janamejaya zu Vaicampäyana. 

Janamejaya sprach: 

7. (13013.) Alle Welten mit Gott Brahman, Göttern, Dä- 
monen und Menschen hängen offenbar allenthalben an den 
Opferwerken, weil sie Glück versprechen. 

8. (13014.) 0 Brahmane, du hast erklärt, dafs die Erlösung 
als ein Erlöschen (nirvänam) die höchste Seligkeit sei, und 
wir haben gehört, dafs diejenigen, welche hienieden erlöst 
und von Gutem und Bösem frei geworden sind, 

9. (13015.) zu dem tausendstrahligen Gotte schon hienieden 
eingehen werden. Das ist die ewige, schwer zu befolgende 
Erlösungssatzung, 

10. (13016.) und diese ist von den Göttern verlassen worden, 
um Götter- und Manenopfer zu geniefsen. Wie ist es aber 
möglich, dafs Brahman, Rudra und der balatötende, mäch- 
tige (>kra, 

11. (i3on.) dafs der Sonnengott, der Sternenherr, Yäyu, 
Agni und Varuna, der Äther und die beiden Welten und alle 
übrigen Himmelsbewohner 

12. (i:ioi8.) nicht die ihnen bevorstehende Vernichtung 
voraussehen und daher nicht den festen, unvergänglichen, 
ewigen Weg [der Erlösung] betreten, 

13. (13019.) sondern innerhalb der durch das Gesetz eng 
gezogenen Zeitschranken der Aktivität fröhnen? Grofs ist in 
der Tat bei der Beschränktheit der Zeit der Irrtum derer, 
welche den Werken huldigen. 

14. (13020.) Diesen Zweifel, o Brahmane, der mir wie 
ein Stachel im Herzen sitzt, löse mir durch Mitteilung der 
Erzählungen darüber, denn ich trage danach grofses Ver- 
langen. 

15. (13021.) Wie können, o Zwiegeborener, die Götter bei 
den Opfern als Nehmer eines Anteils gelten, und welchen 
Zweck hat es, dafs die Bewohner der drei Himmel, o Brah- 
mane, bei der heiligen Feier verehrt werden? 



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Adhyaya 342 (B. 340). 



7*5 



16. (13022.) Und sie [die Götter], die bei den Opfern ihren 
Anteil dahinnehmen, o Bester der Zwiegeborenen, wenn diese 
grofse Opfer darbringen, wem geben denn sie einen Anteil 
daran? 

Vai^amp&yana sprach : 

17. (13023.) Ei! das ist eine geheimnisvolle Sache, nach 
der du mich fragst, o Männerfürst, und keinem, der nicht 
Askese geübt, den Veda studiert hat 

18. (13024.) und mit den Purana's bekannt ist, kann sie 
ohne weiteres mitgeteilt werden. Wohlan denn, ich will dir 
erzählen, welche Frage ich einst meinem Lehrer vorlegte, 

19. (13025.) dem grofsen Weisen Krishna Dvaipäyana, dem 
Vyäsa, der auch Vedavyäsa (Vedaordner) genannt wird. Da 
waren nämlich Sumantu, Jaimini, der gelübdefeste Paila, 

20. (13020.) dazu ich als vierter Schüler und zu fünft 
(,'uka (oben, Vers 12337 fg.). Allen diesen um ihn gescharten 
fünf Schülern, die bezähmt, 

21. (13027.) von reinem Wandel, des Zornes und der Sinne 
Meister waren, lehrte er die [vier] Veden und das Mahäbhä- 
ratam als fünften [vgl. Chand. Up. 7,1,4]. 

22. (13028.) Als diese auf dem lieblichen, von Vollendeten 
und himmlischen Sängern bewohnten vortrefflichen Berg Meru 
den Veda trieben, entstand bei ihnen einstmals ein Zweifel. 

23. (1302».) Es war derselbe, wegen dessen du fragst, der 
von Vyäsa mit seinen Schülern besprochen wurde; auch ich 
hörte ihn das darüber sagen, was ich dir heute mitteilen 
werde, o Bhärata. 

24. (13U3U.) Damals antwortete auf dio Kode seiner Schüler 
der alle Verdunkelung des Wissens verscheuchende Sohn des 
Paräcara, der glückselige Vyäsa, folgendermafsen : 

25. (13031.) Grofse, furchtbare Askese ist von mir geübt 
worden, um das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige 
zu erkennen, o ihr Besten. 

26. (13032.) Als ich diese Askese geübt und meine Sinne 
überwunden hatte, wurde mir durch die Gnade des Näräyana 
am Gestade des Milchmeeres 

27. (13033.) dieses die drei Zeiten umfassende Wissen 
offenbart, nach dem ich Verlangen getragen hatte. Das hört 

Der»«», Mfth4bhtr*tam 50 



7*6 



III. Mokshadharma. 



von mir, ich will euren grofsen Zweifel aufklären, wie es 
sich geziemt. 

28. (13034.) Denn mit dem Auge der Erkenntnis habe ich 
es geschaut, wie es sich am Anfange der gegenwärtigen 
Weltperiode begeben hat. Er, den die Kenner des Sänkhyam 
und Yoga als den höchsten Atman bezeichnen, 

29. (13035.) der legt sich auf Grund seiner Taten den 
Namen des höchsten Purusha bei. Von ihm wurde das Un- 
entfaltete erzeugt, welches die Weisen als das Pradhänam 
(die Prakriti) kennen. 

30. (13036.) Aus dem Unentfalteten ist auf Veranlassung 
des tcvara zum Zwecke der Weltschöpfung das Entfaltete 
hervorgegangen, nämlich Aniruddha, welcher in der Welt be- 
kannt ist als der Mahän Atmä (das grofse Selbst). 

31. (18037.) Dieser, indem er, in eine [weitere] Entfaltung 
eingehend, den Urvater schuf, wird [als solcher] der Ahan- 
kära genannt, denn dieser ist mit allen Kräften ausgestattet 

32. (13038.) Aus dem Ahankära sind fünffach die grofeen 
Elemente, Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als fünftes 
hervorgegangen. 

33. (13039.) Und nachdem er die grofsen Elemente hervor- 
gebracht hatte, schuf er weiter die entsprechenden Guna's 
[die Vicesha's, ihre spezifischen Qualitäten]; zugleich aber 
gingen aus den Elementen hervor gestalthafte Wesenheiten, 
höre, welche es sind: 

34. (13040.) Marici, Angiras, Atri, Pulastya, Pulaha, Kratu, 
der hochsinnige Vasishtha und Manu Sväyambhuva. 

35. (13041.) Diese sind zu wissen als acht schöpferische 
Wesenheiten, in welchen die Welten begründet sind. Als 
mit Veda und Vedänga ausgerüstet, als mit Opfer und Opfer- 
zubehör versehen, 

36. (13042.) hat sie zum Heile der Welt der Urvater der 
Welt, Brahmän, erschaffen. Aus diesen acht schöpferischen 
Wesenheiten ist die ganze Welt des Lebenden hier ent- 
standen. 

37. (13043.) Der aus Zorn geborene Rudra schuf zehn 
weitere aus sich selbst; diese elf Rudra 1 s gelten als erschaffene 
Geister (purush&hj. 



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Adhyäya 342 (B. 340). 



787 



38. (13044.) Diese Rudra's sowie die Prakriti [die acht 
schöpferischen Wesenheiten] und alle Götterweisen, nachdem 
sie entstanden waren, wandten sich um des Heiles der Welt 
willen an Gott Brahman [mit den Worten] : 

39. (13046.) 0 Heiliger, erschaffen sind wir, und zwar von 
dir, dem Übermächtigen, aber mit welchem Amte hat sich 
jeder von uns zu befassen, o Urvater? 

40. (13046.) Wie ist das Amt, welches von dir als be- 
stimmten Zwecken dienendes anvertraut worden ist, von dem 
Betreffenden als einem mit Persönlichkeit (ahaükära) ausge- 
statteten Täter zu verwalten? 

41. (13 047.) Bezeichne die Funktionen desjenigen, der den 
Zweck des Amtes zu versorgen hat. — Auf diese Worte der 
Götter erwiderte ihnen folgendes der grofse Gott. 

Gott Brahman sprach: 

42. (13018.) Mit Recht, ihr Götter, bin ich von euch er- 
innert worden, Heil sei euch! Auch mich hat schon die Sorge 
beschäftigt, welche euch bewegt. 

43. (13019.) Wie läfst sich die Versorgung der ganzen Drei- 
welt bewerkstelligen? Wie machon wirs, dafs keine Er- 
schöpfung der Kraft auf eurer oder meiner Seite eintritt? 

44. (13050.) Darum wollen wir alle unsere Zuflucht nehmen 
zu dem grofsen Purusha, dem Unentfalteten, dem Weltauge; 
der wird uns sagen, was das Rechte ist. 

45. (13031.) Darauf gingen die weisen Rishi's zusammen 
mit dem Gotte Brahman zu dem nördlichen Ufer des Milch- 
meeres in Sorge um das Heil der Welt. 

46. (13052.) Dort betrieben sie die von Gott Brahman 
empfohlene und im Veda angeordnete Askese, es war jene 
furchtbarste der Selbstpeinigungen, welche Mahaniyama (die 
grofse Selbstzucht) heifst. 

47. (13053.) Emporgerichtet waren Blick und Arme, auf 
einen Punkt des Manas konzentriert, auf einem Fufse standen 
alle, unbeweglich wie Holzstücke, in Meditation versunken. 

48. (13054.) Nachdem sie so ein Tausend göttlicher Jahre 
furchtbare Askese geübt hatten, da vernahmen sie eine lieb- 
liche, mit Worten des Veda und Vedanga gezierte Stimme. 

50* 



788 



III. Mokshadharraa. 



Der Heilige sprach: 

49. (13055.) Wohlan denn, Brahmän und ihr anderen Götter 
und ihr askesereichen Rishi's, euch allen entbiete ich meinen 
Willkommensgrufs und künde euch das höchste Wort. 

50. (18056.) Bekannt ist euch mein Zweck, er ist das 
grofse Heil der Welt, durch die Aktivität [des Opferns] mufs 
die Stärkung eurer Lebenskräfte gewirkt werden. 

51. (13057.) Ihr habt, o Götter, um mich günstig zu stimmen, 
grofse Askese geübt, und ihr sollt die höchste Frucht dieser 
Askese geniefsen, o ihr Hochwürdigen. 

52. (13058.) Hier der Gott Brahmän, der Lehrer der Welt, 
der grofse Urvater der Welten, und ihr, o ihr höchsten Weisen, 
sollt mich mit Opfern in Hingebung verehren. 

53. (13059.) Und bei diesen Opfern sollt ihr allezeit An- 
teile für mich bereitstellen, dann werde ich euch Gelingen 
verleihen in euren Ämtern, o ihr Gottherren. 

Vaicampäyana sprach: 

54. (13060.) Als sie dieses Wort des Gottes der Götter ver- 
nommen hatten, da sträubten sich ihre Haare vor Freude, 
und alle die weisen Götter nebst Gott Brahmän und den 
grofsen Rishi's 

55. (18061.) veranstalteten auf die im Veda gebotene Weise 
dem Vishnu ein Opfer. Bei diesem Opferfeste war Gott Brah- 
män selbst beständig damit beschäftigt, ihm einen Opferanteil 
darzubieten, 

56. (130G2.) und alle Götter und Götter -Rishi's boten ein 
jeder seinen Anteil dar, und entsprechend den Gesetzen des 
Kritazeitalters waren diese Anteile von höchster Vortreff- 
lichkeit. 

57. (130C8.) Und sie verehrten den sonnenfarbigen, finsternis- 
jenseitigen Purusha als den grofsen, allgegenwärtigen Gott, 
den mächtigen, gabenspendenden Herrn. 

58. (130G4.) Da sprach der gabenspendende Gott, der in 
sich selbst ruhende Mahecvara, zu allen diesen vor ihm stehen- 
den Unsterblichen mit körperloser Stimme folgendes Wort: 

59. (13065.) Der Anteil, wie ihn jeder von euch darbrachte, 



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Adhyfcya 342 (B. 340). 



789 



ist zu mir gelangt, ich bin zufrieden und verleihe euch hier- 
mit als Frucht, dafs es an euch vergolten werde. 

60. (13066.) Und dieses ist die Vergeltung, die euch durch 
meine Gnade zuteil werden soll: nicht nur ihr selbst sollt 
durch Opfer, die von vollkommenen, vortrefflichen Dakshinä's 
begleitet sind, als Veranstalter von Opfern 

61. (13067.) von Weltalter zu Weltalter die Frucht eurer 
Aktivität geniefsen, sondern die, welche in allen Welten Opfer 
darbringen werden, ihr Götter, 

62. (13068.) alle diese Menschen werden euch die im Veda 
angeordneten Opferanteile darbringen. Jeder, der mir bei die- 
sem grofsen Opferfeste einen Anteil irgendwie dargebracht hat, 

63. (13069.) der soll dementsprechend in dem Opferleitfaden 
des Veda (vcdasutre) als eines Opferanteils würdig von mir 
erklärt werden. Ihr sollt die Welten gedeihen machen, indem 
ihr euren Opferanteil als Frucht wohlgefällig entgegennehmt 

64. (13070.) und dafür alle diejenigen Zwecke in der Welt 
besorgt, zu denen ihr geschaffen und berufen seid. Alle unter- 
nommenen Werke aber, welche eine Frucht der Aktivität im 
Gefolge haben, 

65. (13071.) die sollen eure Kraft stärken, damit ihr im- 
stande seid, die Welten zu erhalten. Denn ihr sollt durch die 
Opfer der Menschen bei allen Darbringungen geehrt werden 

66. (13072.) und dafür wiederum mich ehren, das ist die 
Ehrung, die mir von euch gebührt. Zu diesem Zwecke sind 
die Veden geschaffen worden und die Opfer mitsamt den 
Opferkräutern ; 

67. (13073.) durch diese, wenn sie richtig angewendet 
werden, werden die Götter auf Erden erfreut. Diese eure 
Erschaffung ist als eine mit der Eigenschaft der Aktivität 
ausgestattete 

68. (13074.) von mir bewerkstelligt worden, o beste Götter, 
und soll bis zum Ende der Weltperiode Bestand haben. Darum, 
ihr Gottherren, besorgt euren Aufgaben entsprechend das Heil 
der Welt. 

69. (13075.) Marici, Angiras, Atri, Pulastya, Pulaha, Kratu 
und Vasishtha, diese sieben sind als geistige [Söhne von <iott 
Brahmän, oben Vers 13042] erschaffen worden. 



790 



III. Mokshadharma. 



70. (iso76.) Diese als beste Vedakenner und Vedalehrer 
Geschaffenen sind zu Schöpferherren eingesetzt worden um 
der Satzung der Aktivität willen; 

71. (13077.) sie ist als der ewige Weg für die Werkfrommen 
offenbart worden. Der Herr, welcher die Welt geschaffen 
hat, heifst Aniruddha. 

72. (13078.) Hingegen Sana, Sanatsujäta, Sanaka, Sanan- 
dana, Sanatkumära, Kapila und Sanätana als siebenter, 

73. (13079.) welche geistige Söhne des Gottes Brahmän 
heifsen, haben kraft des von ihnen selbst errungenen Wissens 
die Satzung der Passivität sich zu eigen gemacht. 

74. (13080.) Diese vorzüglichen Yogakenner und der Sänkhya- 
wissenschaft Kundige haben als Lehrer in den Gesetzbüchern 
die Satzung der Erlösung verbreitet. 

75. (13081.) Derjenige, aus welchem, als dem Unentfalteten, 
ich als der dreigunahafte Mahän vormals hervorgegangen bin, 
der hat noch einen Höhern über sich, der mit dem Namen 
Kshetrajfia bezeichnet wird (vgl. oben, Vers 13035 fg.). 

76. (13082.) Ich aber bin der Weg der Werkfrommen, 
welcher die Wiederkehr [zum Erdendasein] als schlimme Folge 
nach sich zieht (pmarävritti-durlabhahj , denn jeder Mensch, 
welcher sich je nach seiner Naturbeschaffenheit diesem oder 
jenem hingibt, 

77. (13083.) sei es der Aktivität oder der Passivität, er- 
langt die entsprechende grofse Frucht. Der Gott Brahmän 
hier, der Lehrer der Welt und mächtige Urheber alles 
Lebenden, 

78. (13084.) er, der euch Vater, Mutter und Grofsvater ist, 
wird von mir belehrt werden, er, der Gabenspender aller 

Wesen. 

79. (13085.) Und sein leiblicher Sohn Rudra, der aus seiner 
Stirn entsprungen ist, wird wieder von Gott Brahmän belehrt 
werden, er, der mächtige Träger aller Wesen. 

80. (13086.) Und nun geht an eure Geschäfte und besorgt 
sie, wie es sich gehört; mögen alsbald die Werke in aUen 
Welten gedeihen. 

81. (13087.) Mögen von euch die Werke und die Wege 



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Adhyaya M2 (B. 340). 



791 



der Lebenden vorgezeichnet werden, sowie ihre der Zeit nach 
bestimmten Lebenslängen hienieden, o ihr besten Götter! 

82. (13088.) Das gegenwärtige, Kritam genannte Zeitalter 
ist als die beste Zeit angebrochen ; in diesem Zeitalter dürfen 
beim Opfer keine Tiere getötet werden, nicht ist es anders. 

83. (13089.) In ihm wird die Gerechtigkeit vierfiifsig sein, 
o ihr Götter [vgl. oben, S. 334 fg.]. Dann folgt das Zeit- 
alter Tretä, in welchem die dreifache Wissenschaft (der drei 
Veden) gelten wird. 

84. (13090.) In diesem Zeitalter werden die Tiere beim 
Opfer geweiht und getötet werden, und der vierte Fufs der 
Gerechtigkeit wird nicht mehr vorhanden sein. 

85. (13091.) Dann wird ein gemischtes Zeitalter mit Namen 
Dväpara folgen, in welchem der Gerechtigkeit zwei Füfse 
entzogen sein werden. 

86. (13092.) Wenn dann weiter das Zeitalter Tishya unter 
dem Vortritte des Kali gekommen sein wird, dann wird die 
Gerechtigkeit, auf einem Fufse stehend, nur hier und dort 
noch zu finden sein. — 

87. (13093.) Da sprachen zu dem so redenden Meister die 
Götter und Götterweisen : Wenn die Gerechtigkeit, auf einem 
Fufse stehend, nur hier und dort noch zu finden sein wird, 

88. (13094.) wie sollen wir uns dann verhalten? O Heiliger, 
das sage uns. 

Der Heilige sprach: 
(13095.) Wo die Veden, Opfer, Askese, Wahrheit, Be- 
zähmung 

89. und Nicht-Tötung mitsamt der Gerechtigkeit in Ehren 
stehen werden, o ihr besten Götter, (i3096.) das ist das Land, 
in dem ihr weilen sollt, dann wird euch die Ungerechtigkeit 
auch nicht im geringsten berühren. 

Vyäsa sprach: 

90. (13097.) Als die Götter und die Scharen der Weisen 
in dieser Art von dem Heiligen belehrt worden waren, zollten 
sie dem Heiligen ihre Verehrung und gingen, wohin es 
ihnen gefiel. 

91. (13098.) Nachdem die Bewohner der drei Himmel ge- 



792 



III. Mokshadharma. 



gangen waren, verweilte Gott lirahmän allein noch, um den 
Heiligen zu schauen, welcher in der Erscheinungsform des 
Aniruddha dastand. 

92. (13099.) Da liefs sich der Gott vor ihm sehen, indem 
er als das grofse Rofshaupt erschien, Veda und Vedänga's 
rezitierend, den Wasserkrug und Dreistab [des Asketen] 
tragend. 

93. (lsioo.) Nachdem dem Gotte Brahmän, dem mächtigen 
Schöpfer der Welt, der unermefsliche, gewaltige Gott in Ge- 
stalt des Kofshauptes zum Heile der Welt erschienen war, 

94. (lsioi.) verneigte sich Brahmän vor dem Gabenspender 
mit dem Haupte und blieb vor ihm mit zusammengelegten 
Händen stehen, und nachdem er den Heiligen umarmt hatte, 
vernahm er von ihm das folgende Wort. 

Der Heilige sprach: 

95. (13102.) Überdenke nach der Vorschrift den ganzen 
Gang der Weltaufgaben, du bist ja der Schöpfer aller Wesen, 
der Herr und Lehrer der Welt. 

96. (.13103.) Nachdem ich die Last der Welt auf dich ge- 
legt habe, werde ich ihres Bestehens ohne Schwierigkeit sicher 
sein. Und sollte, o Gott, die Aufgabe dir einmal zu schwer 
werden, 

97. (13104.) dann werde ich erscheinen und die Erkenntnis 
des Atman lehren. — So sprach der Rofshaupttragende und 
verschwand. 

98. (13105.) Und auch Gott Brahmän, von ihm belehrt, 
kehrte alsbald in seine Welt zurück. Daher kommt es, o Hoch- 
beglückter, dafs der Ewige, Lotosnablige (Vishnu) 

99. (13106.) als Erstgeniefser bei den Opfern und als Träger 
der Opfer für alle Zukunft gilt. Obgleich er der Satzung 
der Passivität als dem Wege der das unvergängliche Gesetz 
Befolgenden zugetan ist, (13107.) hat er doch die Satzungen der 
Aktivität verordnet, als er die Mannigfaltigkeit der Dinge schuf. 

100 * (13108.) Er ist Anfang, Mitte und Ende der Wesen, 
er ist Schöpfer und Schöpfung, ist Wirker und Wirkung; 



* Metrum: Bhujafigaprayalam. 



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Adhyaya 342 (B. 340). 



793 



am Ende der Weltalter schläft er ein und vernichtet die 
Welten, am Anfang der Weltalter erwacht er und schafft 
die Welten wieder. 

101. (13109.) Ihm zollt Verehrung, dem Gotte, dem guna- 
losen, hochsinnigen, ungeborenen, allgestaltigen, der aller 
Himmlischen Wohnstatt ist, 

102. (i3iio.) dem Oberherrn der grofsen Elemente, dem 
Herrn der Rudra's, Aditya's, Vasu's, 

103. (131H.) Acvins, Marut's, dem Oberherrn der Veden 
und Opfer und Herrn der Vedänga's, 

104. (13H2.) dem allezeit Ozeanbewohnenden, dem Hari, 
dem Mufijagrashaarigen, dem Beruhigten, dem die Erlösungs- 
satzungen für alle Wesen Verkündenden, 

105. (13113.) dem Herrn der Askesen, Kräfte und Herr- 
lichkeiten, dem ewigen Herrn der Reden und der Flüsse, 

100. (131U.) dem Muschelhaarigen, dem Eber, dem Ein- 
horn, dem Einsichtsvollen, dem Leuchtenden, dem Rofshaupte, 
dem Viergestal tigen immerdar, 

107. (13 Iis.) dem Verborgenen, durch Erkenntnis zu Schauen- 
den, dem Unvergänglichen und Vergänglichen. Er, der Gott, 
waltet allgegenwärtig, ewig, 

108. (i3ii6.) er ist jenes höchste Brahman, durch der Er- 
kenntnis Auge anzuschauen, und so habe ich es einstens mit 
dem Auge der Erkenntnis geschaut 

109. (13H7.) und euch auf eure Frage der Wahrheit ge- 
mäfs alles berichtet. O ihr Schüler, handelt nach meinen 
Worten, verehrt Hari, den Herrn, (nii8 .) besingt ihn in Veda- 
tönen und huldigt ihm, wie sich's gebührt. 

Vaicampayaua sprach : 

110. (13119.) So sprach der weise Vedavyasa zu uns, 
seinen Schülern allen, und zu seinem der höchsten Pflichten 
kundigen Sohne £uka. 

111. (13120.) Und er, unser Lehrer, im Vereine mit uns, 
o Völkerherr, pries Ihn mit Versen, die aus allen vier Veden 
geschöpft waren. 

112. (13121.) Damit habe ich dir alles erklärt, worüber 
du mich befragt hast und wie es mir, o König [Janame- 



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7<J4 



III. Mokshadharma. 



jaya], vordem mein Lehrer Dvaipäyana (Vyäsa) mitge- 
teilt bat. 

113. (13122.) Wer nun diese Rede immerfort anhört und 
wer sie weiterverkündigt, dem Heiligen Verehrung zollt und 
gesammelten Geistes ist, 

114. (13123.) der wird gesund, verständig, stark und schön; 
ist er leidend, so wird er von seiner Krankheit befreit, ist 
er gebunden, von seinen Banden. 

115. (13124.) Wer Wünsche hegt, wird sie erlangen und 
ein hohes Alter erreichen; als Brahmane wird er ein Kenner 
aller Veden, als Kshatriya siegreich sein, 

116. (13125.) als Vaicya zu grofsem Reichtum gelangen, 
als Qüdra wird er glücklich leben; der Sohnlose wird einen 
Sohn, die Jungfrau den gewünschten Gatten erhalten. 

117. (13126.) Die Kreifsende wird befreit werden, die 
Schwangere einen Sohn gebären, die Unfruchtbare wird Nach- 
kommenschaft haben, gedeihlich in Kindern und Enkeln. 

118. (13127.) In Frieden wird seine Strafse ziehen, wer 
dieses hier unterwegs hersagt, und jeder Wunsch, den er 
hegen mag, der wird sich sicherlich erfüllen. 

119. (13128.) Wer diese klare, dem grofsen Rishi von 
dem hochsinnigen, höchsten Purusha offenbarte Rede und 
jene Zusammenkunft der Rishi' s und Himmelsbewohner 
mit frommem Sinne vernimmt, der wird zu grofsem 
Glücke gelangen. 

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Narayana 

(Xdrdyanlyam). 

Adhyäya 343 (B. 341). 

Vers 13129-13187 (B. 1-59). 

Janamejaya sprach: 

1. (13129.) Die Bedeutung der verschiedenen Namen, mit 
welchen Vyäsa und seine Schüler jenen Madhutöter gepriesen 
haben, die mögest du mir, o Heiliger, 

2. (13130.) dem Hörbegierigen erklären, die Namen des 



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Adhyaya 343 (B. 341). 



795 



Schöpferherrn Hari, welche gehört habend ich rein von 
Flecken sein werde wie der Mond im Herbste. 

Vai^ampayana sprach : 

3. (13131.) Vernimm, o König, wie Hari, der Herr, mit 
gnädigem Geiste dem Phalguna (Arjuna) die auf seinen Eigen- 
schaften und Taten beruhende Bedeutung seiner Namen 
erklärte. 

4. (13132.) Uber die berühmten Namen des hochsinnigen 
Kecava (Krishna) befragte, o König, den Kecava "der feind- 
liche Helden tötende Phalguna. 

Arjuna sprach : 

5. (13133.) 0 Heiliger, Herr des Vergangenen und Künf- 
tigen, ewiger Schöpfer aller Wesen, Heimstatt der Welt und 
Herr der Lebenden, der du allen Wesen Frieden schenkst, 

6. (13134.) jene deine Namen, welche erwähnt werden 
von grofsen Weisen in den Veden und Puränas, und die 
wegen deiner Werke dir beigelegten Geheimnamen, 

7. (13135.) deren Bedeutung möchte ich von dir, o Kecava, 
vernehmen, denn kein anderer als du, o Herr, dürfte imstande 
sein, die Bedeutung dieser Namen darzulegen. 

Der Heilige sprach: 

8. (13136.) Im Rigveda und Yajurveda, in den Atharva- 
hymnen und Sämanliedern, in dem Puranam [= Brähmanam] 
nebst angehängter Upanishad und im J yotisham (Vedakalender), 
o Arjuna, 

9. (13137.) im Sankhyam und im Yogakanon, sowie im 
Ayurveda (der vedischen Heilkunde) werden von den grofsen 
Rishi's viele meiner Namen erwähnt. 

10. (13138.) Einige dieser Namen beziehen sich auf meine 
Eigenschaften, andere auf meine Taten; die Erklärung der 
auf meine Taten bezüglichen vernimm mit Aufmerksamkeit, 
o Untadliger, 

11. (13139.) wie ich sie dir mitteilen werde, o Freund, denn 
von jeher giltst du als mein zweites Ich. Verehrung sei jenem 
Uberherrlichen, dem höchsten Selbste aller Verkörperten, 



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796 



III. Moksliadharraa. 



12. (isuo.) dem Närayana, dem Allseienden, dem Guna- 
losen und Gunahaften, aus dessen Gnade Gott Brahmän, aus 
dessen Zorn Rudra entsprossen ist. 

13. (i3Ui.) Er, der der Mutterschofs alles Seienden, des 
Unbeweglichen und Beweglichen ist, jenes mit achtzehn Vor- 
zügen Ausgestattete, — das ist das Sattvam [die wahre 
Realität], o Bester der Sattvahaften. 

14. (13U2.) Er ist meine höchste Urnatur, welche durch 
den Yoga beide Welten trägt, die gerechte, wahre, unsterb- 
liche, unüberwindliche, welche der Atman der Welten heifst, 

15. (13143.) Aus ihm gehen alle Umwandlungen der 
Schöpfung und des Verganges hervor, aus ihm Askese, Opfer, 
Opferer, der alte Purusha und die Viräj, 

16. (13144.) er heifst Aniruddha, ist Ursprung und Ver- 
gang der Welt. Als die Nacht des Brahman zu Ende ging, 
da ist durch dieses unermefslich Kraftvollen 

17. (13U5.) Gnade hervorgegangen, o Lotosaugiger, eine 
Lotosblume, und aus dieser, durch seine Gnade geboren, ent- 
stand jener Gott Brahmän. 

18. (13146.) Und ebenso ist, als der Tag [des Brahman] 
sich zum Ende neigte, aus der Stirn jenes in Zorn geratenen 
Gottes ein Sohn hervorgegangen, Rudra, der Zerstörer 
der Welt. 

19. (13147.) Diese beiden besten Götter, wie sie aus der 
Gnade und dem Zorn entstanden sind, bewirken auf dem von 
ihm [Aniruddha] gewiesenen Wege die Schöpfung und Ver- 
nichtung der Welt, 

20. (1314«.) aber dabei sind sie, welche allen Lebenden 
ihre Gaben verleihen, ein blofses Werkzeug [des Aniruddha]. 
Muschelhaarig, flechten tragend, kahlköpfig, auf Leichenstätten 
hausend 

21. (isuo.) und scharfe Gelübde befolgend, ist Rudra, ein 
Yogin von furchtbarer Strenge, der Zerstörer von Daksha's 
Opfer, der Blender von Bhaga's Augen, 

22. (13150.) als identisch mit dem Närayana zu wissen, 
von Weltalter zu Weltalter, o Pändusprofs, und wenn er, der 
Göttergott Mahecvara, verehrt wird, 

23. (13151.) so wird damit, o Prithasohn, zugleich der 



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Adby&ya 343 (B. 341). 



797 



mächtige Gott Näräyana verehrt. Denn ich bin das Selbst 
aller Welten, o Pändusprofs, 

24. (13152.) darum verehre ich als erster den Rudra als 
mein eigenes Selbst. Denn würde ich nicht den Herrn, den 
gabenspendenden (,'iva ehren, 

25. (13153.) so würde keiner mein Selbst ehren, das ist 
meine Meinung, der ich geehrten Selbstes bin. Nach dem 
von mir aufgestellten Vorbilde richtet sich die Welt; 

26. (13154.) die Vorbilder sind ja in Ehren zu halten. 
Darum verehre ich ihn; wer ihn erkennt, der erkennt mich, 
wer ihm nachfolgt, folgt mir nach. 

27. (13155.) Rudra und Näräyana als ein Wesen in zwei 
Formen wandeln, o Kuntisohn, in der Welt, indem sie in 
allen Werken zur Offenbarung kommen. 

28. (13156.) Keiner kann mir etwas schenken, o Liebling 
der Pändava's; obgleich ich so in meinem Geiste denke, habe 
ich doch den Rudra, den Herrn, den alten, 

29. (13157.) als Sohn mir gefallen lassen, weil ich damit 
nur mein Selbst durch mein Selbst entgegennahm. Vishnu 
beugt sich vor keinem Wesen, auch vor keinem Gotte, 

30. (13158.) aufser vor sich selbst, darum kann ich vor 
dem Rudra mich beugen. Alle Götter, auch Brahmän, Rudra 
und Indra, alle Rishi's 

31. (13159.) verehren den Besten der Götter, den Gott Hari 
Näräyana. Als alles Zukünftigen, Gegenwärtigen und Ver- 
gangenen 

32. (13160.) höchster Lenker, o Bhärata, ist Vishnu immer- 
dar zu preisen und zu verehren. Verehre den Vishnu, der 
die Opfergabe verleiht, der Schutz verleiht; Verehrung ihm! 

33. (13161.) Verehre, o Kuntisohn, den Gabenspender, den 
Geniefser des Götter- und Manenopfers, Verehrung ihm ! Vier 
Arten meiner Verehrer gibt es, das ist mir bekannt. 

34. (13162.) Die Besten unter ihnen sind die, welche mir 
allein und keinem andern Gotte dienen ; für diese, welche die 
Opferwerke ohne Wünsche vollbringen, bin ich die Zuflucht. 

35. (13163.) Aber die übrigen drei Arten meiner Ver- 
ehrer sind nach Lohn begehrend; diese alle verfehlen das 
Rechte, und nur der Erweckte hat das beste Teil erwählt 



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798 



III. Mokshadharma. 



36. (13 16*.) Aber auch diejenigen, welche dem Gott Brah- 
män, dem f itikantha (Blauhals, Qiva) und den übrigen Göttern 
in einem solchen erweckten Wandel anhängen, werden zu 
mir eingehen, der ich das Höchste bin. 

37. (13165.) Damit, o Prithäsohn, habe ich dir den Unter- 
schied in der Art meiner Verehrung dargelegt — Du und 
ich, o Runtisohn, wir sind als Nara und Närayana bekannt, 

38. (18166.) und wir haben nur menschliche Gestalt an- 
genommen, um die Welt zu entlasten. Ich kenne die Ver- 
tiefung in das eigene Selbst, ich weifs, wer ich bin und 
warum ich so heifse, o Bhärata. 

39. (13167.) Als die Satzung der Passivität und als die 
[entgegengesetzte] zum Glück ruhrende heifse ich [Närayana] 
der Menschen Weg fttaranam ayanamj. 

40. (13168.) Die Wasser werden genannt näräh y denn die 
Wasser sind Kinder des Nara; weil sie einst mein Aufenthalt 
waren, darum heifse ich Närayana (vgl. Manu I, 10). 

41. (13169.) Nachdem ich entstanden bin, überdecke ich 
die ganze Welt wie die Sonne mit ihren Strahlen und werde 
darum als die Wohnstätte (adhiväsaj aller Wesen Väsudera 
genannt. 

42. (13170.) Als das Endziel aller Wesen und ihr Ursprung, 
o Bhärata, und weil mein überragender Glanz sich ausbreitet 
über Himmel und Erde, o Prithäsohn, 

43. (13171.) und über die Wesen auch zu ihrer Endzeit, 
heifse ich, dies wünschend (ish-J, o Bhärata, sowie auch 
wegen des Ausschreitens, o Prithäsohn, Vishnu. 

44. (13172.) Weil die Menschen, nach Vollendung durch 
Bezähmung fdamaj trachtend, nach mir Verlangen tragen, 
der ich Himmel, Erde und Luftraum bin, darum heifse ich 
Dämodara.* 

45. (13173.) Pripii (buntscheckig) heifst die Nahrung, der 
Veda, das Wasser und das Amritam; alle diese sind mein 
Erzeugnis fgarbhaj, darum heifse ich Prignigarbha [eigent- 
lich: der von Pricni (hier = Devaki) Erzeugte]. 



* Eigentlich „der Leibumstrickte", Beiname Krishna's, ron einem 
Erlebnis in seiner Kindheit herrührend. 



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Adhy&ya 343 (B. 341). 



799 



46. (13174.) Einst riefen die Weisen mich an und sprachen: 
Den Trita, der in den Brunnen gestürzt worden ist, o Pricni- 
garbha, den Trita, der von Ekata und Dvita hinabgestürzt 
wurde, errette du. 

47. (13175.) So gelang es dem Trita, dem uralten Sohne 
des Brahman und besten Weisen, aus dem Brunnen zu ent- 
kommen, weil Pricnigarbha herbeigerufen worden war. 

48. (13176.) Die Strahlen, welche an der die Welt er- 
leuchtenden Sonne, am Feuer oder auch am Monde er- 
glänzen, die werden meine Haare (ke$a) genannt; 

49. (13177.) darum haben allweise, beste Brahmanen mich 
Kc?ava (den Vollhaarigen) genannt. — Einstmals war von 
dem hochsinnigen Utathya in seiner Gattin ein Embryo er- 
zeugt worden. 

50. (13178.) Während nun Utathya vermöge eines gött- 
lichen Zaubers verschwunden war, besuchte Brihaspati [sein 
jüngerer Bruder, Mahäbh. I, 4iso] die Gattin dieses Hoch- 
sinnigen. 

51. (13179.) Da geschah es, o Kuntisohn, dafs zu diesem 
besten Rishi, welcher zur Begattung geschritten war, der 
schon aus den fünf Elementen gebildete Embryo sprach : 

52. (13180.) „Ich bin zuerst gekommen, o Gabenspender, 
und du darfst der Mutter nicht zusetzen." Als dies Brihaspati 
hörte, wurde er zornig und sprach einen Fluch aus: 

53. (13181.) „Weil ich, zur Begattung hergekommen, von 
dir gehindert wurde, darum wirst du kraft meines Fluches 
blind geboren werden, das ist gewifs." 

54. (13182.) Und weil er durch den Fluch des höchsten 
Rishi lange Finsternis ßiryham tamasj zu leiden hatte, darum 
wurde dieser Rishi vordem Drrghatamas benannt. 

55. (13183.) Aber da er die ewigen Veden mit Vedänga's 
und Upänga's innehatte, wendete er jenen meinen geheimnis- 
vollen Namen an 

56. (13184.) und rief nach der Vorschrift hintereinander 
wieder und wieder: „Kcfava!" Da wurde er sehend und 
hiefs fortan Gotama. 

57. (13185.) So heilbringend ist mein Name Kecava für 
alle Götter und für die hochsinnigen RishTs. — 



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«oo 



III. Mokeliiiilharma. 



58. (is 186.) Indem das Feuer sich mit dem Sorna verbindet, 
gelangt es mit ihm zur Wesenseinheit, darum heifst es von 
der ganzen Welt des Beweglichen und Unbeweglichen, dafs 
sie aus Feuer und Sorna [Verzehrer und Verzehrtem] bestehe 
(vgl. Brih. Up. 1,4,0). 

59. (13187. Pro«.) Auch im Puränam steht ja schon, Agni 
und Sorna seien eines Wesens, und die Götter hätten Agni 
als Mund; auch heifst es, dafs sie wegen ihrer Wesensein- 
heit, einander ergänzend, die Welten tragen. 

So lautet Im Mokihadherma die Geschichte vom X&Tayari» 

(SArdyan(yam). 

Adhyaya 344 (B. 342). 

Vers 13188-13303 (B. 1-141).* 
Arjuna sprach: 

1. (13188.) Wie ist es möglich, dafs Agni und Sorna sich 
vordem zur Wesen seinheit entwickelt haben? Darüber habe 
ich Zweifel, den löse, o Madhutöter. 

Der Heilige sprach: 

2. (13189.) Wohlan, o Pändusohn, ich will dir darüber 
eine alte Begebenheit erzählen, welche durch meine eigene 
Energie veranlafst wurde; vernimm sie, o Prithasohn, mit 
ungeteiltem Geiste. 

3. (13190.) Zur Zeit der grofsen Weltflut, als eintausend 
Perioden von vier Weltaltern verstrichen waren, alles Seiende 
latent geworden war und die Vernichtung alles Bewegliche 
und Unbewegliche ergriffen hatte, (ism.) als blinde Finsternis 
ohne Licht, Boden und Wind, als die Welt in Gestalt eines 
einzigen Wassermeeres, 

4. als das zweitlose Brahmanwesen nur unter dem Namen 
der [Ur-] Wasser bestand, 

5. (13192.) als es nicht Tag noch Nacht, nicht Seiendes 
noch Nichtseiendes, nicht Entfaltetes noch Unentfaltetes gab, 



* Vers 3-15 und 20-65 Prosa. 



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Adhyäya 344 (B. 342). 



801 



G. als die Welt in diesem Zustande war, da ist aus der 
auf Xarayana's Qualitäten sich stützenden, nicht alternden, 
unsterblichen, nicht wahrnehmenden und nicht wahrgenom- 
menen, unentstandenen, nicht schädigenden, der Zierde der 
mannigfachen Entwicklungen entbehrenden, nicht feindlichen, 
unvergänglichen, unsterblichen, alterlosen, gestaltlosen, all- 
gegenwärtigen, anschaffenden Finsternis der ewige, unver- 
gängliche Purusha als Hari in die Erscheinung getreten. 

7. (13193.) Darüber ist auch folgendes Zeugnis: 

8. „Nicht Tag war, nicht Nacht war, nicht Seiendes noch 
Nichtseiendes war, nur Finsternis war einstmals die allgestal- 
tige Welt. 44 — Nämlich es war die Nacht der allgestaltigen 
Welt, so ist der Sinn des Wortes [Finsternis] zu fassen. 

9. (13194.) Als nun der aus dieser Finsternis stammende 
Purusha, der aus Brahman geborene, aus dem Brahman in 
die Erscheinung trat, da schuf dieser Purusha, um die Ge- 
schöpfe zu schaffen, aus seinen beiden Augen Agni und Sorna. 
Als darauf die Wesensscharen geschaffen wurden, erschien 
der Rangordnung der Geschöpfe gemäfs das Brahman und 
das Kshatram. Der Sorna ist das Brahman und das Brah- 
man sind die Brahmanen, der Agni ist das Kshatram (die 
Kshatriyakaste), das Brahman aber ist stärker als das Ksha- 
tram. Fragt ihr, warum? Diese Überlegenheit ist ein Vorzug, 
der aller Welt klar vor Augen liegt. Nämlich so: (i3ii»5.) Es 
ist vordem kein höheres Wesen entstanden als die Brahmanen. 
In einem flammenden Feuer opfert, wer in dem Munde eines 
Brahmanen opfert; da dem so ist, sage ich: die Wesen- 
schöpfung ist durch das Brahman (die Brahmanen) gemacht 
worden, und indem dieses die Wesen stützt, wird die Drei- 
welt in ihrem Bestände erhalten. Und darüber gibt es auch 
den Ausspruch eines Hymnus: 

10. „Bei allen Opferungen bist als Priester Agni du be- 
stimmt für Götter, Menschen und die Welt k4 [frei nach Kig- 
veda G,1P>,1]. 

11. Und dieses Zeugnis besagt: Du Agni bist bei allen 
Opferungen der Priester und als solcher bist du von Göttern 
und Menschen für die Welt bestimmt worden. 

12. (13196.) Denn Agni ist bei den Opferungen der Priester, 

Per«»*, MahAbhAratam. M 



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802 



III. Mokshadharma. 



der Vollbringer, und dieser Agni ist das Brahman [die Brah- 
manen, oben freilich hiefs es, sie seien der Sorna]. 

13. Denn ohne Mantra's ist keine Darbringung möglich, 
so wie ohne einen Menschen kein Tapas möglich ist. Die 
Opfergabe ist bei Göttern, Menschen und RishTs nur eine 
den Mantra (Hymnus) begleitende Verehrung; darum wird 
der Hymnus: „[Bei allen Opferungen] bist als Priester [Agni] 
du [bestimmt]" verwendet. (13197.) Und was alle mensch- 
lichen Opferämter betrifft, so bleibt das Opfern dem Brah- 
manen vorbehalten und geziemt nicht den Kshatriya's und 
Vaicya's, obgleich auch sie Zwiegeborene sind. Darum fuhren 
die Brahmanen als Agni die Opfer zu den Göttern empor. 
(13 198.) Diese Opfer sättigen die Götter, und die Götter bringen 
dafür die Erde zum Gedeihen, denn so steht es auch in dem 
Catapatham, dem vorzüglichsten Brahmanam; 

14. (13199.) wenn das Feuer entflammt ist, dann opfert 
nur der, welcher als ein Wissender durch Vermittlung eines 
Brahmanen die Opfergabe darbringt. 

15. So steht es denn fest, dafs die wissenden Brahmanen, 
zu Agni geworden, den Agni gedeihen machen, (13200.) und 
indem sie als Agni, als Vishnu alle Wesen durchdringen, 
halten sie alles Leben aufrecht 

16. Hierüber gibt es auch die von Sanatkumara ge- 
sungenen Verse : (13201.) Gott Brahman, der Anfanglose, schuf 
vordem das All, ohne es von sich zu sondern (niravaskritamjy 
aus Brahman entsprungen, eilen die Unsterblichen mit Brah- 
manjubel zum Himmel empor. 

17. (13202.) Der Brahmanen Gedanken, Worte, Werke, 
Glaube und Askese tragen die Erde und den Himmel, und 
das Amritam ihrer Rede ist das Tragband fcaikya). 

18. (13203.) Keine Gerechtigkeit geht über die Wahrheit, 
kein Lehrer über die Mutter, nichts geht über die Brahmanen, 
wo es sich um unser zeitliches oder ewiges Wohl handelt. 

19. (13204.) Bei denen ziehen nicht Ochsen und nicht 
Pferde, quirlt nicht das Butterfafs, wenn man es füllte, 
die müssen stürzen und zu Räubern werden, in deren 
Reich Brahmanen Hunger leiden, 



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803 



20. (13 203.) und die Brahmanen sind nach dem Zeugnisse 
der Veden, Puräna's und Itihäsa's aus dem Munde des Nä- 
räyana geschaffen, sind allbeseelend, allwirkend und allseiend. 

21. Denn die Brahmanen sind zur Zeit, als jener gaben- 
spendende Göttergott [als Schöpfer das asketische] Schweigen 
übte, zuerst entstanden, und aus den Brahmanen erst die 
übrigen Kasten. 

22. Und so sind die Brahmanen ausgezeichnet vor 
allen Göttern und Dämonen, welche von mir als Brah- 
man vordem aus mir selbst als Götter, Dämonen und grofse 
Rishfs geschaffen, als besondere Wesenklassen eingesetzt und 
in Zucht gehalten wurden. 

23. So wurde Indra aus Anlafs der Vergewaltigung der 
Ahalyä von [ihrem Gatten] Gautama blondbärtig gemacht, 
und auf Veranlassung des Kaucika wurde Indra seiner Hoden 
beraubt und mit Widderhoden versehen. — 

24. (13206.) Und als der Städtezerstörer Indra seinen 
Donnerkeil gezückt hatte, um die Acvin's vom Somatranke 
abzuhallen, wurden seine Arme von Cyavana gelähmt (vgl. 
Mahäbh. III, Adhy. 124). — 

25. Von Daksha, welcher über die Störung seines Opfers 
in Zorn geraten war, wurde, nachdem er sich noch weiter 
durch Askese gekräftigt hatte, die Stirn Rudra' s durch ein 
drittes Auge verunstaltet. [Anders verläuft die Geschichte 
oben, S. 521 fg.] — 

26. Als Rudra eine Weihe angetreten hatte, raufte sich 
Ucanas, um damit den Dreiburgzerstörer (Rudra) zu ver- 
letzen, seine Haarflechten aus dem Kopfe aus und schleuderte 
sie gegen ihn; aus ihnen kamen Schlangen hervor, und von 
diesen Schlangen gepeinigt, erlangte er seine Blauhalsigkeit, 
und auch schon in einem frühern Weltalter des Manu Svayam- 
bhuva hatte er auch die Blauhalsigkeit erlangt, weil Närayana 
ihn mit den Händen gewürgt hatte (vgl. unten, Vers 13273 fg.). — 

27. Als einst Brihaspati, der Angirassprofs, dazu schritt, 
das Amritam zu bereiten, und Wasser schöpfen wollte, da 
geschah es, dafs die Wasser sich ihm ungnädig erwiesen. 
Da zürnte Brihaspati den Wassern: „Weil ihr, da ich euch 
schöpfen wollte, euch unrein zeigtet und euch mir ungnädig 



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804 



III. Mokshadharma. 



erwieset, darum soll er [der Ozean] von heute an durch 
grofse Fische, Delphine, Schildkröten und [allerlei] Tiere 
unrein sein." (1S207.) Und von Stund an wimmelten die Wasser 
des Meeres von Seeungeheuern. — 

28. Vicvarüpa, der Sohn des Tvashtar, war der Ilaus- 
priester der Götter. (13 208.) Als Schwestersohn der Asuras 
aber gab er den Göttern vor allen Augen einen Opferanteil 
und den Asura's nur heimlich. 

29. Da baten die Asura's mit Hiranyakacipu an der Spitze 
ihre Schwester, die Mutter des Vicvarüpa, um eine Gunst: 
(15209.) „Du, Schwester! dein Sohn da vom Tvashtar, der 
dreiköpfige Vicvarüpa, hat als Hauspriester der Götter den 
Göttern ihren Opferanteil vor aller Augen gegeben, uns aber 
nur heimlich, und nun gedeihen die Götter, und wir nehmen 
ab; darum sollst du ihn dazu anhalten, dafs er auch uns 
zufriedenstellt." 

30. Da sprach zu Vicvarüpa, der sich in den Nandana- 
wald begeben hatte, seine Mutter: „Mein Sohn, warum förderst 
du die Partei der Gegner und schädigst die Partei deiner 
Oheime ? Das mufst du nicht tun ! " Da überlegte Vicvarüpa, 
dafs er dem Befehl seiner Mutter nicht ungehorsam sein dürfe, 
verneigte sich vor dem [anwesenden] Hiranyakacipu und ging 
von dannen. 

31. Darum wurde Hiranyakacipu von Vasishtha, dem 
Sohne des Hirany agarbha , verflucht: (13210.) Weil du [an 
meiner Statt] einen andern Priester [den Vicvarüpa] erwählt 
hast, darum soll dein Opfer nicht gelingen, und du sollst 
von einer noch nicht dagewesenen Art von Wesen [dem 
Mannlöwen] getötet werden." Und infolge dieses Fluches ist 
Hiranyakacipu getötet worden. 

32. (i32ii.) Nun ergab sich Vicvarüpa, um die Partei seiner 
Mutter zu stärken, übermäfsiger Askese. Da beauftragte Indra 
viele schöne Apsarasen, ihn in seinem Gelübde zu stören. Als 
Vicvarüpa diese sah, wurde sein Geist verwirrt, und es dauerte 
nicht lange, da hing er sein Herz an jene Apsarasen. Als 
die Apsarasen sahen, dafs er sein Herz an sie gehängt hatte, 
sprachen sie: „Jetzt können wir hingehen, woher wir ge- 
kommen sind." 



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805 



33. Zu ihnen sprach der Sohn des Tvashtar : „Wohin 
wollt ihr gehen? Bleibt doch! bei mir sollt ihr's gut haben." 
Sie aber entgegneten ihm: „Wir Apsarasen sind Götterweiber 
und ziehen es von jeher vor, bei dem mächtigen Indra, dem 
gabenspendenden Gotte, zu weilen." 

34. Da sprach Vicvarupa zu ihnen : „Von heute ab sollen 
Indra und alle Götter nicht mehr sein!" Da murmelte er 
Mantra's, durch diese Mantra's erstarkte der Dreiköpfige, 
und mit dem einen Munde trank er den in allen W r elten von 
den werkfrommen Zwiegeborenen bei den Opfern gebührend 
dargebrachten Sorna aus, mit dem andern afs er alle Opfer- 
speise, und mit dem dritten wollte er die Götter nebst Indra 
verschlingen. Als aber Indra sah, wie Vicvarupa an allen 
Gliedern durch das Somatrinken erstarkt war, da geriet er 
mit allen Göttern in Sorge, 

35. und die Götter mit Indra an der Spitze gingen zu 
Gott Brahmän (13212.) und sprachen: „Von Vicvarupa wird 
der bei allen Opfern wohldargebrachte Sorna getrunken, und 
wir gehen leer aus, die Partei der Asura's gedeiht, und wir 
nehmen ab, darum mögest du ungesäumt anordnen, was zu 
unserm Heile dient." 

36. Zu ihnen sprach Gott Brahmän : „Ein Rishi aus dem 
Stamme des Bhrigu mit Namen Dadhica übt Askese, den 
bittet um eine Gunst und richtet es so ein, dafs er euch als 
Gunst gewährt, euch seinen Leib zu überlassen; aus seinen 
Knochen verfertigt den Donnerkeil." 

37. Da gingen die Götter dorthin, wo der heilige Rishi 
Dadhica seine Askese übte. Dort angekommen, sprachen die 
Götter mit Indra an der Spitze zu ihm: „O Heiliger, möge 
deine Askese glücklich und ungestört sein!" 

38. (13213.) Ihnen erwiderte Dadhica: „Seid willkommen! 
sagt, was ihr begehrt! was ihr auch sagen mögt, ich werde 
es tun." 

39. Sie sprachen zu ihm: „Du mögest, 0 Heiliger, zum 
Heile der Welt deinen Leib aufgeben." 

40. Da geschah es, dafs Dadhica ihrem Wunsche gemäfs, 
ohne aus der Fassung zu geraten und als grofser Yogin Lust 



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V 



806 III. Moksbadharnia. 

und Schmerz für gleich achtend, sich konzentrierte und seinen 
Leib aufgab. 

41. Nach dessen Eingang zum höchsten Ätman sammelte 
der Schöpfer seine Gebeine und machte daraus den Donner- 
keil. Mit diesem unzerbrechlichen, unwiderstehlichen, von 
Brahman aus Gebeinen gebildeten, von Vishnu beseelten 
Donnerkeil tötete Indra den Vicvarupa, schlug ihm seine 
Köpfe ab, und gleich darauf wurde auch der bei der Zer- 
malmung der Knochen des Vicvarupa aus diesem Tvashtar- 
sohn entstandene feindliche Vritra von Indra erschlagen. 

42. Angesichts dieses zweifachen Brahmanenmordes liefe 
Indra aus Furcht seine Götterherrschaft im Stiche und flüch- 
tete zu einer wassergeborenen, kühlenden, im See Mänasa 
wachsenden Lotosblume, machte sich kraft seines gottherr- 
lichen Yoga atomklein und verkroch sich in das Knollen- 
gewebe der Lotosblume. 

43. (132U.) Als nun der Herr der Dreiwelt und Gatte der 
Caci aus Furcht vor den Folgen des Brahmanenmordes ver- 
schwunden war, war die Welt ohne Herrscher; Kajas und 
Tamas überfielen die Götter, die Hymnen der grofsen Rishi's 
waren nicht mehr in Übung, die Kobolde zeigten sich öffent- 
lich, der Veda geriet in Verfall und die ohne Indra kraft- 
losen Welten waren leicht zu überwinden. 

44. Da salbten die Götter und Rishi's einen Sohn des 
Ayus mit Namen Nahusha zum Götterkönig, und Nahusha, 
geschmückt mit fünfhundert seine Stirn umfunkelnden Lich- 
tern, welche jeden andern Glanz verdunkelten, übernahm die 
Regierung des Dreihimmels. 

45. Da kamen die Welten wieder in ihre natürliche Ver- 
fassung, waren wohlgefestigt und gediehen. 

46. Da sprach Nahusha: „Alles, was ehedem <^akra ge- 
nofs, ist mir zugefallen, nur nicht die Qaci." So sagte er, 
begab sich zur Qaci und sprach zu ihr: „O Holde! Ich bin 
jetzt Indra, der Fürst der Götter, liebe mich !" Ihm erwiderte 
die £aci: „Du, von Natur ein Freund der Gesetzlichkeit und 
aus dem Mondgeschlechte entsprungen, solltest nicht nach 
der Gattin eines andern trachten." 



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807 



47. Nahusha versetzte: „Ich habe die Stellung des Indra 
in Besitz genommen, und ich habe Anspruch auf alle Kleinodien 
im Reiche des Indra, dabei ist kein Unrecht, und auch du 
hast dem Indra angehört." Sie erwiderte: „Ich habe ein Ge- 
lübde auf mich genommen, welches noch nicht vollendet ist; 
nach dessen Schlufsbad werde ich zu dir kommen, also in 
einigen Tagen." So von der Qaci beschieden, ging er von 
dannen. 

48. Da wandte sich £aci, von Schmerz und Kummer 
gequält, nach dem Gatten sich sehnend und von Furcht vor 
dem Nahusha ergriffen, an den Brihaspati, und dieser, als er 
sie so aufgeregt sah, verfiel in Nachdenken, und erkennend, 
dafs sie die Sache ihres Gatten über alles hochhielt, sprach 
er zu ihr: (13215.) „Da du deinem Gelübde und deiner Askese 
so treu bist, so magst du die gabenspendende Göttin Upa- 
cruti [Erhörung, vgl. die Parallele Mahabh. V, Vers 42c] an- 
rufen, die wird dir den Indra zeigen." Da rief sie, in grofser 
Selbstbezähmung beharrend, mit Mantra's die gabenspendende 
Göttin Upacruti an. Da erschien der Qaci die Upacruti und 
sprach zu ihr: „Hier bin ich, auf deinen Ruf herbeigekommen, 
welchen Wunsch soll ich dir erfüllen?" (,aci neigte ihr 
Haupt und sprach: „0 Heilige, du bist wahr und gerecht, 
lafs mich meinen Gatten sehen!" Da führte die Upacruti 
sie zum See Manasa (13216.) und liefs sie dort den Indra sehen, 
wie er in dem Knollengewebe einer Lotosblume versteckt war. 

49. Als Indra seine Gattin abgemagert und welk vor sich 
sah, dachte er voll Kummer: „Ach, welch ein Leid ist über 
mich gekommen, da meine Gattin, von Schmerz gequält, bis 
hierher gekommen ist, um mich, den Verlorenen, zu suchen." 
Und Indra sprach zu ihr: „Wie geht es dir?" Sie antwortete: 
„Nahusha fordert mich auf, seine Gattin zu werden, und ich 
habe ihm eine Frist gesetzt." Indra entgegnete: „Gehe und 
sprich zu Nahusha: In einer noch nicht dagewesenen Weise 
sollst du mich heimführen, auf einem Wagen sitzend, der 
von RishTs gezogen wird. Indra hatte grofse, herzerfreuende 
Wagen, auf denen ich gefahren bin, du mufst auf einem neuen 
zu mir kommen." Nach diesen Worten ging sie freudig von 
dannen, und Indra kroch wieder in seinen Lotosknollen hinein. 



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808 



ITT . Mokshadharma. 



50. Als Nahusha die Indragattin herbeikommen sah, 
sprach er zu ihr: „Die gesetzte Frist ist um." Qaci ant- 
wortete ihm, wie Qakra (Indra) ihr geraten hatte. Da bestieg 
Nahusha einen mit grofsen RishTs bespannten Wagen und 
fuhr zur Qaci. 

51. Da sah der Sohn des Mitra-Varana, der topfgeborene, 
grofse Rishi Agastya, wie diese grofsen Rishi's von Nahusha 
entwürdigt wurden, und er trat ihn [Nahusha den Agastya, 
vgl. Mahabh. III, 12525. XIII, 4794] mit den Füfsen. Da sprach 
er zu Nahusha : „Du, der du dich zu dieser Untat hast verleiten 
lassen, sollst in die Erde fahren und als Schlange leben, solange 
Erde und Berge stehen." Kaum hatte der grofse Rishi dieses 
Wort gesprochen, da stürzte jener vom Wagen herab. 

52. Und abermals war die Drei weit ohne Beherrscher. 
(13217.) Da gingen die Götter und Rishi's den heiligen Vishnu 
wegen des Indra um Hilfe an und sprachen zu ihm : „0 Hei- 
liger, den Indra, auf dem der Fluch der Brahmanentötung 
lastet, mögest du retten." Da sprach der Gabenspender zu 
ihnen: „Der Qakra mufs ein [mir] dem Vishnu geweihtes 
Rofsopfer darbringen, dann wird er seine Stellung wieder- 
erlangen." Als darauf die Götter und Rishi' s den Indra nicht 
finden konnten, sprachen sie zur Qaci: „Gehe, o Holde, und 
bringe den Indra her!" Da begab sie sich wiederum zu 
jenem See, und Indra stieg aus dem See heraus und ging 
zu Brihaspati. Da brachte Brihaspati ein grofses Rofsopfer 
im Namen des <>kra dar, und indem er ein scheckiges, 
opferwürdiges Rofs frei weiden liefs und es dann zum Sühne- 
mittel machte, setzte Brihaspati den Indra, den Herrn der 
Marut's, wieder in seine Stelle ein. 

53. So wurde der von Göttern und Rishf s gepriesene, 
den Dreihimmel bewohnende Götterkönig von seiner Schuld 
befreit, die Brahmavadhyä aber (die Sünde des Brahmanen- 
mordes) verteilte er auf vier Sitze, auf die Weiber, das Feuer, 
die Bäume und die Kühe. (13218.) So geschah es, dafs Indra, 
gestärkt durch Brahmankraft und -macht, die Feinde nieder- 
schlug und seine Stellung behauptete. — 

54. Als einst der grofse Rishi Bharadväja zur Hiramels- 
gangä gegangen war, um Wasser zu schöpfen, kam ihm der 



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S09 



seine drei Schritte machende Vishnu zu nahe und wurde von 
Bharadvaja mit der nassen Faust auf die Brust geschlagen, 
so dafs er ein Mal auf der Brust davontrug. — 

55. Von dem grofsen Rishi Bhrigu wurde Agni durch 
einen Fluch dazu verurteilt, alles zu verzehren. — 

50. Aditi hatte einstmals für die Götter eine Speise ge- 
kocht, (13219.) indem sie dachte: diese Speise genossen habend, 
werden sie die Dämonen überwinden. Nun kam Budha nach 
Beendigung seines Fastengelübdes hinzu und sprach zur Aditi: 
„Gib mir zu essen!" Aditi aber sagte sich, dafs die Götter 
zuerst davon essen müfsten und kein anderer, und gab ihm 
nichts. Wegen dieser Verweigerung der Bettelspeise zürnte 
Budha, der ein Brahmane war, und sprach über die Aditi 
den Fluch aus, dafs in ihrem Leibe eine Zerbrechung des 
den Namen Ei führenden Vivasvant behufs seiner zweiten 
Geburt [die ihm als Vogel zukam] stattfinden werde. Infolge- 
dessen wurde das Ei (anda) in der Mutter Aditi zerstört 
(mdrita)^ und Vivasvant, als Märtatida (Sonnenvogel) ge- 
boren, wurde ein Gott der Totenspende. — 

57. Daksha hatte sechzig Töchter, von denen gab er 
dreizehn dem Kacyapa zur Ehe, zehn dem Dharma, zehn dem 
Manu und siebenundzwanzig dem Monde. Unter diesen sieben- 
undzwanzig, welche gleichberechtigt waren und nach den 
Nakshatra's [Mondhäusern, vgl. Sechzig Upanishad's, S. 340 A.] 
benannt waren, war Sorna (der Mond) besonders verliebt in 
die Rohini. Darüber waren die übrigen Gattinnen eifersüchtig, 
gingen zu ihrem Vater und brachten die Sache zur Anzeige : 
„O Heiliger, wir sind doch alle gleich an Würde, aber Sorna 
liebt die Rohini mehr als uns." Er sprach: „Dafür soll ihn 
die Auszehrung befallen." Infolge dieses Fluches des Daksha 
befiel den König Sorna die Auszehrung. Von der Auszehrung 
befallen, ging er zu Daksha; der sprach zu ihm: „Du bist 
nicht gerecht fsatna)" — daher haben ihn die Kishi's Sorna 
genannt — (.13220.) „darum schwindest du durch Auszehrung 
hin. Im westlichen Ozean ist der heilige Badeplatz Hiranya- 
saras (Goldsee). Dorthin gehe und bade dich." Damit ging 
Sorna, begab sich zu dem heiligen Badeplatz Hiranyasaras 
und vollzog Waschungen. ( 13 221.) Indem er badete, befreite 



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810 



III. Mokshadliarma. 



er sich von seinem Übe). Und weil Sorna an diesem heiligen 
Badeplatze seinen Glanz wieder erhalten hatte, wurde seit 
jener Zeit dieser heilige Badeplatz Prabhäsam (Glanz) genannt 

58. Aber infolge des Fluches nimmt auch heute noch 
der Mond ab bis zur Neumondsnacht, und auch wenn er zur 
Vollmondsnacht gelangt ist, zeigt er seine Gestalt als über- 
deckt mit einem Wolkenstreifen, nimmt ein wolkenähnliches 
Aussehen an und seine Fleckenlosigkeit wird durch das 
Hasenzeichen [unsern Mann im Monde] getrübt. — 

59. Sthülaciras, der grofse Rishi, betrieb in der nord- 
östlichen Gegend des Meru seine Askese. Da kam ein alle 
Düfte mit sich führender reiner Wind und berührte mit seinem 
Wehen den Körper des von Askese Erhitzten, so dafs er, der 
durch die Askese gequält und abgemagert war, durch die 
Fächelung des Windes in seinem Herzen sehr erquickt wurde. 
(13222.) Als nun die Bäume sahen, wie er durch die Fäche- 
lung des Windes erfreut war, da entfalteten auch sie vor ihm 
alsbald die Schönheit ihrer Blüten. Darum verfluchte er sie 
und sprach: „Von nun an sollt ihr nicht zu jeder Zeit Blüten 
tragen." — 

60. Naräyana war einst um des Heiles der Welt willen 
zu einem grofsen Rishi mit Namen Vadavämukha (Stuten- 
mund) geworden. Als dieser auf dem Meru Askese übte, rief 
er den Ozean an [ihn zu kühlen], dieser aber wollte nicht 
kommen. Da wurden von dem Ungehaltenen, von Körper- 
hitze Gequälten die W r asser des Ozeans schwerflüssig gemacht, 
indem auch der Ozean in einen der Schweifsabsonderung [des 
Rishi] ähnlichen Zustand der Salzigkeit versetzt wurde. 

61. Und der Rishi sprach zu ihm: „Untrinkbar sollst du 
sein, und nur dann , wenn ich als Vadavämukha [ein mythi- 
sches Feuer auf dem Meeresgrunde] dein Wasser trinken 
will, soll es süfs schmecken. Darum trinkt auch heute noch 
der [von Naräyana] abhängige Vadavämukha das Wasser aus 
dem Ozean. — 

62. Rudra liebte ein Mädchen, die Um», Tochter des 
Gebirges Himälaya. (13223.) Da kam der grofse Rishi Bhrigu 
zum Himälaya und sprach : „Gib mir das Mädchen zur Frau." 
Himälaya sprach : „Rudra ist für sie zum Gemahl ausersehen. 1 * 



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811 



Da sprach Bhrigu : „Weil ich von dir, nachdem ich meine Nei- 
gung auf die Wahl des Mädchens gerichtet hatte, verschmäht 
worden bin, darum sollst du keine Perlen in dir enthalten." 

03. Und bis auf den heutigen Tag ist das Wort des 
Rishi in Gültigkeit geblieben. — So grofs ist die Macht 
der Brahmanen! 

64. Und der Kshatriya hat nur durch die Gnade der 
Brahmanen die ewige, unvergängliche Erde als Gattin er- 
langt und genossen. 

G5. Was aber die Agni und Sorna seiende Brahmanen- 
kaste betrifft, so wird durch sie die ganze Welt der Leben- 
den getragen. 

6C>. (13224.) Es heifst ja: Sonne und Mond sind seine 
Augen, die Sonnenstrahlen seine Haare (ki^ah), die Welt er- 
weckend und erwärmend, steht er von ihr gesondert da. 

67. (13225.) W r eil durch dieses Erwecken und Erwärmen der 
Welt vermittelst dieser von Agni und Sorna gewirkten Werke 
Freude (harshanam) entsteht, o Pandusprofs, (1322c) werde 
ich Hrishikefa genannt, ich, der Herr, der Gabenspender, der 
Förderer der Welt. 

68. Weil ich aus Anlafs des zur Labung Dargebrachten 
bei den Opfern meinen Anteil nehme fharcj, (13227.) und weil 
meine Farbe ein herrliches Gelbgrün fharij ist, darum werde 
ich Hart genannt. 

69. Als die beste Zuflucht (dhamtw) der Wesen und als 
das wohldurchdachte Recht (ritamj (13228.) werde ich von den 
Priestern Tag für Tag als Ritadhaman gefeiert. 

70. Weil ich einstens die versunkene und verborgene 
Erde [auch (70, die Kuh, genannt] wiedergewann (avindamj y 
(13 229.) darum werde ich von Göttern mit Hymnen als Uovinda 
gepriesen. 

71. Weil einer, der seine Haare verliert, {'ipicishta heifst, 
(13 230.) und weil alles Vorhandene von ihm [dem Vishnu mit 
seinen Haaren, d. h. Strahlen] durchdrungen (avishtum) ist, 
darum heifst er £/pivisht/i. 

72. Der Rishi Yaska hat mich mit Hingebung bei vielen 
Opfern besungen (13231.) als (,'ipivishta, darum trage ich diesen 
geheimnisvollen Namen. 



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III. Mokshadharma. 



73. Und weil der hochsinnige Rishi Yäska mich als 
£ipivishta gepriesen hat, (13232.) hat er durch meine Gnade 
das in der Tiefe versunkene Niruktam erhalten. 

74. Weil ich nie geboren wurde oder geboren werde, oder 
je werde geboren werden, (13283.) da ich der Kshetrajfia aller 
Wesen bin, darum werde ich Aja (der Ungeborene) genannt. 

75. Niemals ist von mir etwas Gemeines oder Unreines 
ausgesprochen worden, (13 234.) die rechtschaffene Tochter Brah- 
man's, die wahrhafte (saUja) Göttin Sarasvati, weilt in mir; 

76. auch ist, o Kuntisohn, das Seiende (sat) und das 
Nichtseiende (asat) von mir in meinem Selbste geborgen, 
(13236.) in der Lotosblume als dem Sitze (sadanam) des Gottes 
Brahmän, darum kennen mich die Rishi' s als Satya (den 
Wahrhaftigen). 

77. Von der Wahrheit ßattvam) bin ich von jeher nicht 
abgewichen, die Wahrheit, wisse, ist von mir geschaffen; 
(13236.) werde ich hienieden geboren, so ist die uranfängliche 
Wahrheit in mir gegenwärtig, o Gutgewinner. 

78. W'unschlosen Werken hingegeben Und nicht befleckt 
an meiner Wahrheit, (13 237.) so werde ich durch das Sätvata- 
wissen erkannt von den Satvant's, darum heifse ich Sätvata. 

79. Weil ich, o Prithäsohn, die Erde pflüge (krishämij 
als der grofse Eiserne (kärshnäyasaj, (13238.) und weil ich an 
Farbe schwarz ßrishna) bin, darum heifse ich Krishna, o 
Arjuna. 

80. Weil durch mich die Erde mit dem Wasser, der 
Luftraum mit dem Winde (13 239.) und der Wind mit dem 
Feuer gemischt wird [im Panclkaranam] , darum heifse ich 
Vaikuntha. [Mit vi, Vogel, soll auf Wind, Feuer, Wasser an- 
gespielt, mit ku die Erde, mit tha der Äther bezeichnet 
sein, Nil.]. 

81. Das Nirvänam ist das höchste Brahman und wird 
als die höchste Satzung bezeichnet; (13240.) weil ich an ihm 
von jeher unerschütterlich faqtutaj festgehalten habe, heifse 
ich wegen dieses Tuns Acyuta. 

82. Beide, die Erde und der Luftraum, erstrecken sich 
nach allerwärts; (13241.) weil ich beide trage, werde ich mit 
Fug als Adhokshaja (unter der W r eltachse geboren) 



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813 



83. erklärt; die Vedawissenden (vidushah Nom.I) und den 
Sinn der Vedaworte Überdenkenden, (13242.) sie besingen mich 
an der Opferstätte als Ädhokshaja. 

84. Dieses wird von den höchsten Rishi's einstimmig aus- 
gesprochen, (13243.) dafs es keinen andern Ädhokshaja in der 
Welt gibt, als den heiligen Herrn Näräyana. 

85. Weil die Schmelzbutter fghritamj meines Glanzes 
farcisj das Leben der Geschöpfe erhält, (13244.) darum werde 
ich von tiefsinnigen Vedakennern Ghritärcis genannt. 

80. Drei (IriJ Grundstoffe fdhätuj gibt es [im Menschen], 
welche auf seinen [vormaligen] Werken beruhen: (13245.) Galle, 
Schleim und Wind; das wird das Aggregat genannt. 

87. Durch diese wird der Mensch erhalten, und wenn 
diese vergehen, vergeht er. (13 246.) Darum nennen mich die 
Kenner der vedischen Heilkunde Tridhätu. 

88. Als mannhaft (vrislm) wird das heilige Recht in der 
Welt bezeichnet, o Bhärata, (13247.) darum, das sollst du 
wissen, heifse ich in der Wortsammlung Naighantukam, der 
höchste Vrisha. 

89. Auch der Affe (kapij, der Eber, der Beste und das 
Recht werden mannhaft fvrishaj genannt, (13248.) darum hat 
der Schöpferherr Kaeyapa mich Vrishdkapi (den Mannaffen) 
genannt. 

90.* (1324U.) Keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende 
kennen an mir jemals weder Götter noch Dämonen; 
denn als der Anfanglose, Mittelose, Endlose, werde ich 
besungen als der mächtige Herr und das Auge der Welt. 

91. (13250.) Weil ich nur reine ftucij Worte hienieden ver- 
nehme fcru), o Gutgewinner, und keine schlechten annehme, 
darum heifse ich Qucicravas. 

92. (13251.) Weil ich als der heilbringende Eber mit dem 
einen Hauzahn (vkafringa) ehedem diese Erde aufgewühlt habe, 
darum heifse ich Ekurringa. 

93. (13252.) Auch war ich damals in der Gestalt des Ebers 
mit drei Höckern versehen ftrikakuduj, daher wurde ich wegen 
dieser Gestaltung meines Körpers Trikukud genannt. 



* Metrum: Bhujafigaprayatam. 



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814 



III. Mokshadharma. 



94. (13253.) Was von den die Kapilalehre mit Verständnis 
durchdenkenden Viriiica genannt wird, dieser Weltschöpfer 
bin ich, weil ich durch meine Gedanken die ganze Welt her- 
vorgebracht habe. 

95. (132M.) Als den ewigen, in der Sonne weilenden 
Wissenschaftsträger [den Hiranyagarbha] nennen mich die 
zur Gewifsheit durchgedrungenen SänkhyaJehrer Kapila. 

96. (18255.) Als der, welcher als der glanzvolle Hiranya- 
garbha im Veda gepriesen und allezeit von den Yoga's ver- 
ehrt wird, als dieser werde ich in der Welt gefeiert. 

97. (13256.) Mich bezeichnen Vedakenner als den einund- 
zwanzigtausend [Y T erse] umfassenden Rigveda, mich als den 
in tausend Cäkhä's (Vedaschulen) verbreiteten Sämaveda. 

98. (13257.) Mich auch besingen jene mir ergebenen seltenen 
Brahmanen in ihrem Aranyakam. Als die sechsundfunfzig 
und acht und siebenunddreifsig 

99. (13258.) (^äkhä's in dem dem Adhvaryu angehörenden 
Yajurveda werde ich gefeiert. Als den fünf Kalpa's um- 
fassenden und durch Zauberkünste verstärkten Atharvaveda 

100. (13259.) verwenden mich auch die der Atharvalieder 
kundigen Priester. Alle die verschiedenen (^äkha's und alle 
in den (,'äkhä's gebräuchlichen Lieder 

101. (13260.) nach Akzenten und Aussprache der Laute, 
diese alle wisse als von mir geschaffen. Und jenes gaben- 
verleihende Rofshaupt, o Prithäsohn, welches aufsteigt [aus 
dem Milchmeere] 

102. (13261.) in der nördlichen Gegend, das bin ich, der 
Kenner der Einteilung [der vedischen Hymnen] nach Wort- 
reihen (kramaj und Silben. Auf dem von Väma [nach Nil. 
Vämadeva, wohl =• Civa] gewiesenen Wege wurde durch 
meine Gnade von dem hochsinnigen 

103. (18262.) Päficäla der Kramapätha empfangen als Ge- 
schenk jenes ewigen Wesens [des Rofshauptes] ; er, der in 
dem Geschlecht der Babhravya's glänzte, hat zuerst den 
Kramapätha durchgeführt, 

104. (13263.) nachdem er ihn von Naräyana erhalten hatte 
nach Erlangung des höchsten Yoga, so dafs er den Kramapätha 
verbreitete und auch die Qikshä verbreiten liefs, er, der Galava. 



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Adhyftya 314 (B. 342). 



815 



105. (132G4.) Ferner auch der glorreiche König Brahma- 
datta Kandarika [nach Nil.; Harivarica 1256 f«. sind es zwei 
Personen], nachdem er das Leiden durch Geburt und Tod 
immer wieder und wieder überdacht hatte, 

10G. (13266.) sieben Geburten hindurch, gelangte wegen 
seiner Vorzüglichkeit zu der Glückseligkeit der Yoga s. Einst- 
mals wurde ich auf einen besondern Anlafs hin berühmt, 
o Prithäsprofs, als der Sohn 

107. (13 266.) des Dharma, deshalb heifse ich, o Kurutiger, 
Dharmaja. — Xara und Narayana [in denen beiden ich ver- 
körpert war] übten vordem unvergängliche Askese, 

108. (13267.) indem sie den Weg der Pflicht einhielten 
auf dem Berge Gandhamädana (duftberauschend). Um diese 
Zeit fand auch das Opfer des Daksha statt (oben, S. 511 fg.). 

109. (13268.) Dabei hatte Daksha dem Rudra keinen An- 
teil bestimmt, o Bhärata, weshalb dieser auf Anstiften des 
Dadhici das Opfer des Daksha störte, 

110. (13269.) indem er im Zorn wiederholt seinen glühen- 
den Wurfspiefs schleuderte, welcher das Opfer des Daksha 
mit allem Zubehör in Asche verwandelte. 

111. (13270.) Nun kam der Wurfspiefs plötzlich auf uns 
zu in die Badari-Einsiedelei geflogen und traf mit mächtigem 
Anprall die Brust des Narayana, o Prithäsohn. 

112. (13271.) Darauf nahmen die Haupthaare fkeraj des 
Narayana infolge der Glut des Wurfspiefses die Farbe des 
Munjagrases an; darum heifse ich Mnüjuh^a (mufijagras- 
haarig). 

113. (13272) Dieser mit mächtigem Sausen geschleuderte 
Wurfspiefs kehrte, von Narayana zurückgeschnellt, in die 
Hand des (^ankara (^iva) zurück. 

114. (13273.) Da rannte Rudra gegen jene beiden in Askese 
begriffenen Rishi's an, aber ihn, wie er heranstürmte, packte 
am Halse mit der Hand 

115. (13274.) Narayana, der allbeseelende, darum führt (,'iva 
den Namen tytikantha (Blauhals, vgl. oben, Vers 13*m;). Nun 
raufte Nara, um den Rudra niederzuschlagen, einen Halm aus 

116. (13275.) und besprach ihn alsbald mit Mantra's, da 
ward er zu einer grofsen Axt fpara^uj. Diese schleuderte er 



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816 



III. Mokshadharina. 



mit solcher Gewalt gegen den Rudra, daXs sie in Stücke 
(khandamj brach, 

117. (13276.) darum heifse ich Khandapara^u, weil die 
Axt in Stücke gebrochen war. 

Arjuna sprach: 

(is 277.) O Värshneya, wer hat bei diesem Kampfe, welcher 
die Drei weit hätte vernichten können, 

118. den Sieg davongetragen? Das berichte mir, o Heün- 
sucher der Menschen. 

Der Heilige sprach: 

(13 278.) Als diese beiden, Rudra und Närayana, im Kampfe 
handgemein geworden waren, 

119. da gerieten jählings alle Welten insgesamt in Ver- 
wirrung: (13279.) das Feuer wollte bei den Opferfesten die 
wohldargebrachte Opferspeise nicht verzehren, 

120. die im Geiste bereiteten Rishi's konnten sich nicht 
auf die Veden besinnen, (13280.) Rajas und Tamas drangen in 
die Götter ein, 

121. die Erde erbebte, der Himmel zerbarst, (132S1.) die 
Sterne verloren ihren Glanz, Gott Brahman geriet auf seinem 
Sitze ins Schwanken, 

122. der Ozean vertrocknete und der Himälaya zerrifs. 
(13282.) Auf diese Anzeichen hin, o Pändusprofs, 

123. begab sich Gott Brahman, von den Götterscharen 
und den hochsinnigen Rishi's umgeben, (13283.) alsbald in jene 
Gegend, wo der Kampf tobte. 

124. Und mit ausgestreckten hohlen Händen sprach der 
Vierangesichtige, im Unaussprechlichen Weilende (13234.) zu 
Rudra das Wort: Heil möge den Welten widerfahren! 

125. Strecke die Waffen, o Allherr, aus Liebe für das 
Wohl der Welt. (13285.) Denn was jenes Unvergängliche, Un- 
offenbare, Gottherrliche, Weltbildende, 

126. Allerhöchste, Wirkende, Gegensatzfreie ist, was sie 
auch als den Nicht wirkenden bezeichnen, (13286.) das erscheint, 
zur Entfaltung gelangt, als diese eine schöne Gestalt. 

127. Als Nara und Närayana, welche im Hause des 



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Adhyaya 344 (B. 342). 



817 



Dharma geboren wurden (13287.) als grofser Askese teilhaftige, 
starke Gelübde befolgende, beste Götter, entfaltet es sich. 

128. Ich bin aus ihrer Gnade geboren bei einem be- 
stimmten Anlafs, (13 288.) und du, o Freund, bist aus ihrem 
Zorne entstanden in einer frühern Schöpfungsperiode zu 
ewiger Dauer. 

129. Mit mir im Verein, o Gabenspender, mit den Göttern 
und den grofsen Rishi's (13289.) söhne dich alsbald mit jenem 
aus, und Friede möge sogleich den Welten werden. 

130. Nach diesen Worten des Gottes Brahman liefs Rudra 
ab von dem Feuer seines Zornes, (13290.) söhnte sich mit dem 
mächtigen Gotte Narayana aus und begab sich in den Schutz 
des uranfänglichen, liebenswerten, gabenspendenden Gottherrn. 

131. (13 291.) Da wurde der gabenspendende, über den Zorn 
erhabene, seine Sinne beherrschende Gott von Freude erfüllt, 
als er mit dem Rudra wieder einig geworden war, 

132. (13292.) und von den Rishi's, von Gott Brahman und 
von den Göttern hochgeehrt, sprach zu dem göttlichen Herr- 
scher (Rudra) der Herrscher der Welt, Hari : 

13l hiB . (13293.) Wer dich kennt, der kennt mich, wer dir 
anhängt, der hängt mir an. Kein Unterschied ist zwischen 
uns beiden, mögest du nie anders denken. 

133. (13294.) Von nun an soll das Abzeichen (Yivatsa als 
Mal deines Speeres an mir zu sehen sein, und du sollst, von 
meiner Hand gezeichnet, den Namen Orikanlha (Schönhals) 
tragen. 

Der Heilige [Krishna als der Erzähler | sprach: 

134. (13295.) Nachdem sie in dieser Weise sich gegen- 
seitig gezeichnet hatten und nachdem die beiden Rishi's (Nara 
und Narayana) mit Rudra einen unvergleichlichen Freund- 
schaft sbund geschlossen hatten, 

135. (13296.) entliefsen sie die llimmelsbewohner und gaben 
sich wieder mit ungeteiltem Geiste der Askese hin. — Damit 
habe ich dir, o Prithäsohn, den Sieg des Narayana im Kampfe 
erzählt, 

13ti. (13297.) und auch die geheimnisvollen, unsagbaren 
Namen, o Bhärata, welche ihm von den Rishi's beigelegt 
worden sind, habe ich dir mitgeteilt. 

Dtriinr, MahAbh4rM«m f>2 



818 



III. Mokshadharina. 



137. (13298.) So durchwandle ich in mancherlei Gestalten 
die Erde hier sowie die Brahmanwelt, # o Kunüsohn, und die 
Goloka (Welt der Kühe, Krishna's Himmel) genannte ewige 
Stätte. 

138. (13299.) Von mir hist du [o Arjuna] im Kampfe be- 
schützt worden und hast den grofsen Sieg errungen. Aber 
jener, der dir voranzog, als der Kampf entbrannt war, 

139. (13300.) das ist Rudra, der muschelhaarige Göttergott, 
das sollst du wissen, o Kunüsohn; er wird auch Kala (die 
vernichtende Zeit) genannt und ist aus meinem Zorn ent- 
sprungen, wie ich dir erzählt habe. 

140. (i33oi.) Von ihm sind die Feinde getötet worden, welche 
du vordem erschlagen hast; ihn, den unermefslich mächtigen 
Göttergott, den Gemahl der Umä, (13302.) verehre als Gott 
mit Hingebung, den Herrn des Alls, den unvergänglichen Hara. 

141. Und ihm, von dem ich dir wiederholt erklärt habe, 
dafs er aus meinem Zorn entsprungen ist, (13303.) gehört die 
Macht an, nach dem, was du vorher gehört hast, o Gutgewinner. 

80 lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Närayana 

(NdrAyantyam). 

Adhy&ya 345 (B. 343). 

Ven» 13304-13370 (B. 1-67). 
(>iin&ka sprach: 

1. (13304.) 0 Sauti, da hast du eine grofse Geschichte er- 
zählt, bei deren Anhören alle die Muni's in die höchste Ver- 
wunderung versetzt worden sind. 

2. (13 305.) Das Durchmachen aller Lebensstadien, das 
Baden in allen heiligen Badeplätzen ist nicht so frucht- 
bringend, o Sauti, wie die Erzählung vom Närayana. 

3. (13306.) Wir sind geläutert worden an allen Gliedern, 
nachdem wir von Anfang an diese auf Närayana bezügliche 
heilige, von allem Bösen befreiende Erzählung angehört haben. 

4. (13307.) Schwer zu schauen ist der heilige, von aller 
Welt verehrte Gott von allen Göttern nebst Gott Brahman 
und von den grofsen Rishi's. 



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Adhyaya 345 (B. 343). 



819 



5. (13308.) Und dafs Närada den Gott Hari Naräyana ge- 
schaut hat, wahrlich, das ist eine besondere Gnadenbezeigung 
jenes Gottes, o Sohn des Süta. 

6. (18309.) Dafs aber Närada, nachdem er den Herrn der 
Welt in Gestalt des Aniruddha gesehen hatte, wieder zurück- 
geeilt ist, um die beiden trefflichen Götter 

7. (i33io.) Nara und Naräyana zu schauen, davon teile 
mir die Ursache mit. 

Sauti sprach: 

(13311.) Als jenes Opfer des Königs [ Janamejaya] , des 
Sohnes des Parikshit, stattfand, 

8. und während die übrigen Zeremonien vorschrifts- 
mäfsig vonstatten gingen, o (^aunaka, (13312.) geschah es, dafs 
den mächtigen Vyäsa, den vedafesten Weisen Krishna Dvai- 
päyana, 

9. der Fürst der Könige [Janamejaya] befragte, ihn, den 
Urgrofsvater seines Grofsvaters. 

Janamejaya sprach : 

(13313.) Als der Götterweise Närada aus (^vetadvipa zu- 
rückkehrte 

10. und das Wort des heiligen Gottes überdachte, was 
hat er da weiter unternommen? (i33H.) Als er in die Ein- 
siedelei Badari zurückgekehrt war und dort die beiden Kishi's 
[Nara und Näräyana] angetroffen hatte, 

11. wie lange Zeit blieb er da bei ihnen, und wonach 
hat er sie noch gefragt? (13315.) Denn aus der ausführlichen, 
hunderttausend Verse umfassenden Erzählung von den Bhä- 
rata's (aus dem Mahäbhäratam) 

12. hat man durch Quirlung dieses unvergleichlichen 
Ozeans des Wissens mit dem Quirlstabe des Geistes — 
(13816.) wie Butter aus der Milch, wie Sandelholz aus dem 
Malayagebirge, 

13. wie das Aranyakam [mit seiner Upanishad] aus den 
Veden, wie das Amritam der Arzneien aus den Kräutern, — 
(13317.) das Amritam dieser Erzählung herausgequirlt, o Brah- 
mane, 

14. nämlich die Erzählung vom Naräyana, welche du, 

52 • 



820 



III. Mukshadharwa. 



o Hort der Askese, mitgeteilt hast. (13318.) Er, der heilige 
Gott, ist der Herr, ist der Bildner des Selbstes aller Wesen. 

15. 0 wie grofs ist die Kraft des Naräyana, die schwer 
zu schauende, o Bester der Zwiegeborenen, (13319.) in welche 
am Ende des Kalpa eingehen alle Götter mit Brahmän an 
der Spitze, 

16. die Rishfs und Gandharven mit allem Beweglichen 
und Unbeweglichen. (13320.) Kein höheres Läuterungsmittel 
als ihn gibt es im Himmel und hienieden, so glaube ich. 

17. Ja, wahrlich, das Durchmachen aller Lebensstadien, 
das Baden in allen heiligen Badeplätzen (13321.) ist nicht so 
fruchtbringend wie die Erzählung vom Naräyana. 

18. In jeder W eise sind wir geläutert worden, die wir 
diese Erzählung von Anfang an angehört haben, (13322.) die 
Erzählung von Hari, dem Herrn des Alls, welche alle 
Sünde tilgt. 

19. Nichts Wunderbares ist es, was mein Vorfahr, der 
Gutgewinner Arjuna, damals ausrichtete, (13 323.) da er den 
Vasudeva als Gefährten hatte, als er den höchsten Sieg 
errang. 

20. Und nichts in allen drei Welten war unerreichbar 
für ihn, so glaube ich, (13824.) weil Vishnu, der Herr der drei 
Welten, ihm Beistand leistete. 

21. Und alle meine Vorfahren waren glücklich, o Brah- 
mane, (13325.) welchen der Heimsucher der Menschen (Vishnu) 
zum Wohl und Heil verholfen hat. 

22. Der von der Welt verehrte heilige Gott kann durch 
Askese wohl geschaut werden, (13326.) er, den sie vor Augen 
geschaut haben, das Mal (^rivatsa als Zierde tragend. 

23. Aber glücklicher als diese alle ist Närada, der Sohn 
des Parameshthin, (13327.) und ich weifs, dafs dieser Närada, 
der unvergängliche Weise, eine nicht geringe Macht besitzt, 

24. von welchem, als er nach Qvetadvlpa gekommen war, 
Hari selbst sich schauen liefs; (13328.) nur auf der Gnade des 
Gottes beruht ein solches leibhaftiges Schauen desselben. 

25. Dafs Närada aber, nachdem er damals den Gott in 
der Erscheinungsform des Aniruddha gesehen hatte, (13 stf.) 
wieder zu der Einsiedelei Badari zurückeilte, 



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Adhyaya 345 (B. 343). 



821 



26. um den Nara und Näräyana zu sehen, welcher Grund 
hat ihn dazu veranlafst, o Muni? (13330.) Und als nun Närada, 
der Sohn des Parameshthin, von (.Vetadvipa zurückgekehrt 

27. und zur Einsiedelei Badari gelangt, mit jenen beiden 
Rishi's zusammengetroffen war, (13331.) wie lange Zeit weilte 
er damals dort, und welche Fragen stellte er? 

28. Und als jener Hochsinnige von (,\ r etadvipa zurück- 
gekehrt war, (13332.) was sprachen da zu ihm die hochsinnigen 
Rishi's Nara und Näräyana? 

20. Das alles mögest du mir der Wahrheit gemäfs er- 
zählen. 

Vai<;ampäyana sprach : 
(13333.) Verehrung sei jenem heiligen, unermefslich starken 
Vväsa, 

30. durch dessen Gnade ich instand gesetzt worden bin, 
diese Erzählung von Näräyana mitzuteilen. (13334.) Nachdem 
er also zu der grofsen weifsen Insel gekommen war und dort 
den ewigen Hari geschaut hatte, 

31. kehrte Närada zurück, o König, und gelangte schnell 
zum Meru. (13335.) Während er in seinem Herzen die Last 
dessen bewegte, was ihm der höchste Atman gesagt hatte, 

32. bemächtigte sich alsbald seines Geistes eine grofse 
Erregung, o König. (13336.) Als er von der langen Reise wohl- 
behalten zurückgelangt war, 

33. begab er sich von dem Meru weiter zu dem Berge 
Gandhamädana (13 337.) und stieg eilend aus der Luft herab 
zu der geräumigen Einsiedelei Badari. 

34. Dort erblickte er die beiden alten Götter, die besten 
Rishi's, (13 338.) wie sie mächtige Askese übten, im Atman fest 
und grofsen Gelübdes, 

35. an Glanz der die ganze Welt bestrahlenden Sonne 
überlegen, (13339.) mit dem Male C/rivatsa geziert, verehrungs- 
würdig, Haarflechtenkränze tragend. 

36. Ihre Füfse und Hände waren mit Schwimmhäuten 
versehen [als Abzeichen ihrer Göttlichkeit], ihre Sohlen trugen 
das Zeichen des Diskus, (13340.) durch breite Brust, lange 
Arme und vier Hoden zeichneten sie sich aus, 

37. durch sechzig Zähne und acht Eckzähne, ihre Stimme 



822 



III. Mokshadhunua. 



glich dem Regengeprassel ; (13341.) schönmundig, breitgestirnt, 
schön brauig, schön an Kinnbacken und Nase waren sie; 

38. Sonnenschirmen ähnlich waren die Häupter der beiden 
Götter; (13342.) so war das Aussehen der beiden, welche den 
Namen der grofsen Purusha's führen. 

30. Bei ihrem Anblicke freute sich Närada, und von ihnen 
mit Ehrerbietung empfangen, (133*3.) willkommen geheifsen 
und nach seinem Befinden befragt, 

40. wurde er nachdenklich, als er die beiden höchsten 
Purusha's betrachtete. (13344.) Jenen versammelten, von allen 
Wesen verehrten Männern, 

41. die ich in fvetadvipa gesehen habe, gleichen an Aus- 
sehen diese beiden besten Rishi's; (iss45.) so dachte er bei 
sich, umkreiste sie von rechts her 

42. und setzte sich auf einem schönen Sitze aus Kuca- 
gras nieder. (13346.) Nachdem die beiden als Gefafse der 
Askese, des Ruhmes und der Kraft erscheinenden 

43. Rishi's, von Ruhe und Bezähmung erfüllt, ihre Morgen- 
andacht beendet hatten, (13347.) ehrten sie gesammelten Geistes 
den Närada mit Fufswasser und Gastspende, 

44. erfüllten die täglichen Pflichten gegen den Gast und 
liefsen sich auf ihren Sitzen nieder. (13348.) Und wie sie so 
dasafsen, strahlte die ganze Gegend 

45. wie die Opferstätte von den Opferfeuern, wenn sie 
durch einen Buttergufs hoch emporflammen. (13349.) Da rich- 
tete Näräyana die Rede an Närada, 

46. welcher, ermüdet und durch die GasUpende gelabt, 
sich behaglich niedergelassen hatte. 

Nara und Narayana sprachen: 
(13360.) Weilt auch jetzt noch der heilige, ewige, höchste 
Atman, 

47. der Urquell unser beider, in £vetadvipa, und hast 
du ihn dort gesehen? 

Narada sprach: 

(13351.) Wohl habe ich ihn gesehen, den seligen, all- 
gestaltigen, ewigen Purusha, 



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Adhyäya 345 (B. 343). 



823 



48. in welchem alle Welten ruhen mitsamt den Göttern 
und den Rishi's, (13352.) und auch heute sehe ich ihn, indem 
ich euch, ihr Ewigen, betrachte. 

49. Denn die Merkmale, mit welchen der verborgen- 
gestaltige Hari geziert war, (13353.) dieselben Merkmale tragt 
auch ihr beiden in sichtbarer Gestalt an euch. 

50. Schon dort sah ich euch neben jenem Gotte stehen, 
(13354.) und bin nun hierhergekommen, nachdem mich jener 
höchste Ätman entlassen hat. 

51. Wer könnte aber auch an Kraft, Ruhm und Schön- 
heit (13355.) in den drei Welten jenem vergleichbar sein aufser 
euch beiden Söhnen des Dharma! 

52. Er hat mir die vollständige Satzung mitgeteilt, welche 
den Namen des Kshetrajfia an sich trägt, (13356.) und auch 
seine Verkörperungen hat er mir aufgezählt, in denen er 
künftig in der Welt erscheinen wird. 

53. Jene weifsen, ohne die fünf Sinnesorgane lebenden 
Männer, (13357.) welche alle erweckt und dem höchsten Purusha 
ergeben sind, 

54. diese preisen allezeit den Gott, und er hat seine 
Freude in Gemeinschaft mit ihnen. (13358.) Denn der von 
seinen Freunden verehrte und den Zwiegeborenen holde, hei- 
lige (bhagavim), höchste Ätman 

55. freut sich, wenn er gepriesen wird, und ist stets ein 
Freund der ihm ergebenen Bhägavata's. ( 13359.) Der all- 
geniefsende, allgegenwärtige Gott Madhava, der Liebling 
seiner Verehrer, 

56. dieser an Kraft und Glanz Übermächtige ist Täter 
und Ursache und Wirkung zugleich. (13360.) Er, der Hoch- 
berühmte, ist der Grund und das Gesetz und das Wesen. 

57. Wenn er sich zur Askese anschickt, dann strahlt 
noch heller als Qvetadvipa (mci.) sein Glanz, der durch 
eigenes Licht leuchtet, wie es heifst (Brill. Up. 4,3,6). 

58. Das ist der Friede, welcher von ihm bereiteten Geistes 
den drei Welten verliehen wurde; (laac-j.) mit dieser schönen 
Erkenntnis hat er sein beharrendes Gelübde angetreten. 

50. Nicht scheint dann die Sonne, nicht strahlt dann 



824 



III. Mokshudharma. 



der Mond, (13363.) nicht weht der Wind, wenn der Götterherr 
seine schwere Askese übt. 

00. Auf einem Altar, acht Spannen hoch, erhebt sich 
über die Erde der Allschöpfer, (13361.) er, der Gott, auf einem 
Fufse stehend, mit emporgereckten Armen, mit emporgerich- 
tetem Angesicht, 

61. die Veden nebst Vedänga's durchgehend, so übt er 
seine schwer zu vollbringende Askese. (13366.) Was Gott 
Brahman und die Rishi's sind und was der Herr der Herden 
(£iva) selbst ist, 

62. und die übrigen besten Götter, die Daitya's, Dänava s 
und Räkshasa's, (13 366.) die Schlangen, Vögel und Gandharven, 
die Vollendeten und die Königsweisen, 

63. diese alle bringen das vorschriftsmäfsig gespendete 
Götter- und Manenopfer dar, und (13367.) das alles [naht] den 
Füfsen des Gottes, wenn er [Askese übend] dasteht. 

64. Und alle Opfergaben, welche von allein ihm Ergebenen 
dargebracht werden, (iss68.) die alle nimmt der Gott selbst 
durch Neigen des Hauptes in Empfang. 

65. Und kein anderer wird als ihm lieber von Erweck- 
ten, Hochsinnigen (13369.) gewufst in den drei Welten [als der 
ihm allein Hingegebene]; darum bin ich zu dieser alleinigen 
Hingebung an ihn gelangt 

66. und bin, von dem Hochsinnigen entlassen, hierher 
zurückgekehrt. (13370.) In dieser Weise hat der heilige Gott 
Hari selbst zu mir geredet, 

67. und ihm allein ergeben, will ich immerdar in eurer 
Nähe verbleiben. 

So laatet im Mokshadharma die Oetohicbt« rum Narayana 

(Xdrdyantyam). 

Adkyäya 346 (B. 344). 

Vers 13371-13398 (B. 1-27). 

Nara und Narayana sprachen: 

1. (13371.) Glücklich bist du, begnadet bist du, dafs du den 
Herrn selbst geschaut hast, denn ihn hat noch keiner ge- 
sehen, nicht einmal der Lotosgeborene (Gott Brahman) selber. 



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Adhyäya 346 (B. 344). 



825 



2. (13372.) Verborgenen Ursprungs und schwer zu schauen 
ist der heilige, höchste Purusha, o Närada, dieses unser Wort 
spricht die Wahrheit. 

3. (13 3*3.) Keiner ist ihm lieber in der Welt als wer ihm 
ergeben ist, darum hat er dir sich selbst gezeigt, o Bester 
der Zwiegeborenen. 

4. (13374.) Denn der Ort, an welchem von dem höchsten 
Ätman Askese geübt wird, kann sonst von niemandem be- 
treten werden aufser uns beiden, o Bester der Zwiegeborenen. 

5. (13375.) Denn so grofs der Glanz von tausend vereinigten 
Sonnen ist, so grofs ist der Glanz jener Stätte, die er selbst 
bestrahlt. 

6. (13376.) Aus diesem Gotte, o Brahmane, als Herrn der 
Welt stammt das Weltall, stammt die Geduld der Geduldigen, 
o Bester, mit welcher die Erde ausgestattet ist. 

7. (13377.) Aus diesem, das Wohl aller Wesen wollenden 
Gotte stammt der Geschmack, mit ihm wurden die Wasser 
verbunden und erlangten zugleich die Flüssigkeit. 

8. (13378.) Aus ihm ist ferner entstanden das Element, 
welches die Glut und das Licht als Eigenschaften an sich 
tragt, mit diesem wird die Sonne ausgestattet, darum strahlt 
sie im Welträume. 

9. (13379.) Aus diesem Gotte, dem höchsten Purusha, 
stammt die Eigenschaft der Berührung, mit welcher der Wind 
ausgestattet wurde, darum durchbraust er die Welt. 

10. (13380.) Aus ihm, dem Herrn und Meister aller Welten, 
stammt auch der Ton, mit welchem der Äther ausgestattet 
wurde, darum hat er keine Schranken. 

1 1. (13381.) Aus diesem Gotte stammt das alle Wesen 
durchdringende Mauas, mit ihm ist der Mond verbunden, 
der daher die Fähigkeit der Aufhellung besitzt. 

12. (13382.) Hervorbringerin alles Seienden wird jene Stätte 
im Veda genannt, in welcher, von der Wissenschaft begleitet, 
der heilige Geniefser des Götter- und Manenopfers weilt. 

13. (13383.) Die nun, welche in dieser Welt fleckenlos, 
frei von Gutem und Bösem leben, für diese den Weg des 
Friedens Gehenden, o Bester der Zwiegeborenen, 



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826 



III. Mokshadharnia. 



14. (13 384) ist der die Finsternis in aller Welt ver- 
scheuchende Sonnengott die Eingangspforte. Nachdem dort 
ihr ganzer Körper von der Sonne verzehrt ist, gehen sie un- 
sichtbar für jeden überall 

15. (13385.) und atomklein geworden zu jenem Gotte ein. 
Und auch von ihm entlassen, nachdem sie in ihm, dem Ani- 
niddha, geweilt hatten, 

16. (1338G.) gehen sie, zum Manas geworden, in Pradyumna 
ein ; und auch von Pradyumna freigelassen, gehen sie sodann 
in den Jiva, d. i. Sankarshana, ein, 

17. (13387.) sie, die vorzüglichsten Brahmanen, die Sän- 
khya's mitsamt den Bhägavata's. Und sodann gehen sie, 
von dem Dreigunawerk befreit, unmittelbar in den höchsten 
Ätman ein, 

18. (13388.) die Besten der Z wiegeborenen zu dem guna- 
losen Kshetrajfia. Dieser Kshetrajßa ist in Wahrheit Vasu- 
deva, der Befasser fäväsaj des Weltalls. 

19. (i3 38t».) Und zu diesem Vasudeva gehen ein die, welche 
gesammelten Geistes, bezähmt, ihre Sinne beherrschend und 
zur alleinigen Hingebung an ihn gelangt sind. 

20. (133W.) Auch wir beiden, die wir, o Bester der Z wie- 
geborenen, in dem Hause des Dharma geboren sind, haben 
uns in diese liebliche, geräumige Einsiedelei zurückgezogen 
und furchtbare Askese geübt. 

21. (13391.) Was aber die künftigen, von den Göttern ge- 
liebten Verkörperungen dieses Gottes in den drei Welten 
betrifft, so geschieht es um ihres Besten willen [dafs wir 
diese Askese üben], o Zwiegeborener. 

22. (13392.) Aber auch von uns beiden, die wir nach wie 
vor an unsere eigene Satzung gebunden sind, o Bester der 
Zwiegeborenen , und ein in jedem Sinne beschwerliches, un- 
vergleichliches Gelübde ununterbrochen betreiben, 

23. (13393.) auch von uns bist du in (,'vetadvipa gesehen 
worden, o Askesereicher, wie du dem Heiligen nahtest und 
ihm deinen Wunsch vortrugst. 

24. (13394.) Denn alles ist uns bewufst in dieser Dreiwelt 
des Beweglichen und Unbeweglichen, das Zukünftige, Ver- 
gangene und Gegenwärtige, das Gute wie das Böse, (13396.) [und 



i 

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Adhyaya 346 (B. 344). 



827 



so wissen wir auch, dafs] jener Göttergott dir alles mitgeteilt 
hat, o grofser Muni. 

Vaigampftyana sprach: 

25. (13 396.) Nachdem Närada dieses Wort der beiden in 
furchtbarer Askese Begriffenen gehört hatte, fing er an, mit 
zusammengelegten Händen und dem Näräyana einzig ergeben, 

26. (13 397.) der Vorschrift gemäfs viele auf den Näräyana 
bezügliche Mantra's zu murmeln, und so verblieb er tausend 
Götterjahre in der Einsiedelei des Nara und Näräyana, 

27. (13398.) er, der hochmächtige, heilige Weise Närada, 
indem er jenen Gott verehrte wie auch beide, den Nara und 
Näräyana. 

So lautet im Mokahadliarma die Oeschichte vom Xarajana 

(Sdrdtjaniyam). 

Aclhyftya 347 (B. 345). 

Vers 13309-1342G (B. 1-2*). 

Vai^ampayana sprach: 

1. (13399.) Nun geschah es einstmals während dieser Zeit, 
dafs Närada, der Sohn des Parameshthin, nachdem er das 
Götteropfer regelrecht dargebracht hatte, sodann das Opfer 
an die Väter vornahm. 

2. (13400.) Da sprach zu ihm der älteste Sohn des Dharma, 
der Herr, das Wort: Wer ist es, dem du, o Bester der Zwie- 
geborenen, opferst, wenn du ein Opfer für die Götter oder 
Väter darbringst? 

3. (13401.) Das sage mir, o Bester der Verständigen, ent- 

• * 

sprechend der heiligen Uberlieferung [die du dabei befolgst]. 
Welches ist das Werk, das du betreibst, und welche Frucht 
erstrebst du dabei? 

Närada sprach: 

4. (13402.) Schon ehedem hast du mir gesagt, dafs man 
den Göttern opfern müsse; das Opfer an die Götter ist das 
höchste, ist der ewige, höchste Atman selbst. 



828 



III. Moksha.lliarma. 



5. (mos.) Darum, in dieser Weise belehrt, verehre ich 
durch mein Opfer den unvergänglichen Vaikuntha. Aus ihm 
ist vordem entsprossen Gott Brahman, der Urvater der Welt. 

6. (18404.) Diesen erzeugte erfreut der Allerhöchste als 
meinen Vater, und ich bin der aus seinem Wunsche geborene 
Sohn, der Erstgewünschte. 

7. (13405.) Den Vätern aber opfere ich, o Guter, auf den 
Befehl des Närayana, so sehr ist dieser Heilige für mich 
Vater, Mutter und Grofsvater, 

8. (13406.) und bei den Opfern an die Väter wird daher 
allezeit der Herr der Welt verehrt Auch besagt eine andere 
göttliche Schriftüberlieferung, dafs die Väter ihren Söhnen 
geopfert hätten; 

9. (13407.) nämlich als die Vedaüberlieferung vergessen 
worden war, wurde sie ihnen von den Söhnen wieder gelehrt, 
und so stiegen die mantraspendenden Söhne zum Range der 
Väter auf. 

10. (13408.) Gewifs habt ihr beiden, deren Geist bereitet 
ist, von den Göttern die Geschichte vernommen, wie die Söhne 
und die Väter sich abwechselnd gegenseitig verehrt haben, 

11. (13409.) indem sie auf die vorher mit Kucagras be- 
streute Erde drei Pindd's (Klöfse) legten. Aber wie kommt es 
wohl, dafs die Väter auch den Namen Pinda erhalten haben? 

Nara und Naräyana sprachen: 

12. (13410.) Einstmals war diese ozeanumgürtete Erde ver- 
sunken, da hat sie Govinda, indem er die Gestalt eines Ebers 
annahm, alsbald wieder heraufgeholt. 

13. (13411.) Nachdem aber der höchste Purusha die Erde 
wieder an ihrem Orte befestigt hatte, wollte er, der sich bei 
der Anstrengung um des Heiles der Welt willen mit Wasser- 
schlamm beschmutzt hatte, 

14. (1341-2.) da die Sonne im Verlaufe des Tages gerade 
ihren [heifsesten] Stand zur Mittagszeit erreicht hatte, drei 
an seinen Hauern hängengebliebene Klöfse (pinda) mit Gewalt 
abschütteln. 

15. (13413.) Er schleuderte sie auf die Erde, die er vorher 
mit Kucagras bestreut hatte, o Närada, und in ihrer Form 



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Adhyaya 347 (B. 345). 



829 



brachte er, auf sich selbst Bezug nehmend, das Väteropfer 
dar, wie es die Vorschrift erheischt. 

16. (13 4U.) Und nachdem der Herr die drei Klöfse nach 
seinem eigenen Brauche zubereitet hatte mit Öl enthaltenden 
Sesamkörnern, die aus der Erhitzung seines eigenen Leibes 
entsprungen waren, 

17. (13 416.) weihte der Gottherr sie als Darbringung und 
vollbrachte es selbst, mit dem Angesicht nach Osten gewandt. 
Und um eine Satzung aufzurichten, sprach er sodann das 
folgende Wort. 

Vrish&kapi (oben, Vers 13247 fg.) sprach: 

18. (13416.) Als ich als Weltschöpfer mich selbst dazu 
anschickte, die Väter (pitarah als Acc.) zu schafTen, da wurden 
von mir alsbald, während ich (tasya mit C.) über die höchsten 
Satzungen der den Vätern darzubringenden Opfer nachdachte, 

19. (13 417.) diese Klöfse von meinen Hauern nach Süden 
hin abgeschüttelt, und indem sie zur Erde fielen, entstanden 
dadurch die Väter. 

20. (13 418.) Ohne feste Formen sind die drei Klöfse; und 
so sollen auch die ewigen, von mir geschaffenen Väter (Manen) 
diesen Klofsen an Gestalt gleich sein. 

21. (13419.) Und als der [abgeschiedene] Vater, Grofsvater 
und Urgrofsvater bin ich zu verstehen, der ich in den drei 
Klöfsen weile. 

22. (13420.) Keinen Höhern gibt es als mich, welcher andere 
könnte also von mir verehrt werden oder mein Vater in der 
Welt sein! Ich bin ja der Grofsvater 

23. (13421.) und der Vater des Grofsvaters, bin der letzte 
Urgrund. Nachdem der Göttergott als Vrishakapi dieses Wort 
gesprochen hatte, 

24. (13422.) legte er die Klöfse mit Zubehör auf dem Eber- 
berge nieder, o Brahmane, zollte sich selbst [als in den Klöfsen 
befindlich] Verehrung und verschwand. 

25. (13423.) Das ist also seine Einsetzung, o Brahmane, 
dafs die Väter unter dem Namen der Klöfse immerdar Ver- 
ehrung empfangen, dem Worte des Vrishakapi entsprechend. 

20. (13424.) Wer nun den Vätern, Göttern, Lehrern, 



III. Moksliadharma. 



Gästen, Kühen, Brahmanenobersten und der Mutter Erde Ver- 
ehrung zollt 

27. (13425.) in Werken, Gedanken oder Worten, der ver- 
ehrt damit den Vishnu selbst. Er, der Heilige, ist in allem 
Seienden verkörpert, 

28. (13426.) ein und derselbe in allen Wesen, er, der über 
Lust und Leid erhabene, grofse, grofswesenhafte, allwesen- 
hafte Narayana, so lehrt die Schrift. 

So lautet im Moktkadharma die Geschieht« tom Narayana 

(Xdrdyantyom). 

Adhyftya 348 (B. 846). 

Vers 13427-13448 (B. 1-22). 

Vai<;ampäyana sprach: 

1. (13427.) Als Närada diese von Nara und Narayana aus- 
gehende Rede vernommen hatte, da kam er, voll Liebe er- 
füllt, zur absoluten Alleinverehrung dieses Gottes. 

2. (13428.) Nachdem er somit tausend Jahre in der Einsiedelei 
des Nara und Narayana geweilt, die Erzählung von dem Heiligen 
gehört und den unvergänglichen Hari selbst geschaut hatte, 

3. (13429.) kehrte er alsbald zum Himälaya zurück, wo 
seine eigene Einsiedelei stand. Und sie, die berühmten Asketen 
und Weisen Nara und Narayana, 

4. (13430.) fuhren fort, in ihrer lieblichen Einsiedelei die 
höchste Askese zu üben. Aber auch du [o Janamejaya], un- 
ermefslich tapferer Nachkomme der Pandava's, 

5. (13431.) bist nunmehr in deinem Geiste geläutert worden, 
weil du diese Erzählung von Anfang an vernommen hast. Für 
den gibt es nicht jene Welt und nicht diese, o bester Fürst, 

6. (13432.) welcher in Werken, Gedanken oder Worten dem 
ewigen Vishnu feind ist. Dessen Väter versinken in die Hölle 
für ewige Zeiten, 

7. (13433.) welcher den Besten der Götter, den Gott Hari 
Narayana hafst. Wie könnte aber irgend jemandem der 
Atman (das Selbst) der Welt hassenswert erscheinen! 



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Adhyaya 348 (B. 346). 



8. (13434). Als dieser Atman aber, o Manntiger, ist Vishnu 
anzuerkennen, das steht fest. — Jener Weise [Vyäsa], der 
Sohn der Gandhavati, der unser Lehrer ist, 

9. (13436.) von dem ist jene höchste, ewige Majestät [des 
Vishnu] verkündet worden, von ihm habe ich sie vernommen 
und dir, o Untadliger, mitgeteilt. 

10. (13436.) Närada aber ist es, welcher diese Lehre mit 
ihren Mysterien und sonstigem Zubehör unmittelbar von dem 
Herrn der Welt Xäräyana erlangt hat, o Fürst. 

11. (13437.) Das ist die grofse Lehre, und sie, mit kurzen 
Vorschriften versehen, ist dir schon vordem, o Bester der 
Fürsten, mitgeteilt worden in der Harigitä (wohl = Bhaga- 
vadgitä). 

12. (13438.) Aber den Vyäsa, den Krishna Dvaipäyana sollst 
du wissen als den auf Erden wandelnden Xäräyana, denn wer 
anders als dieser, o Manntiger, könnte der Verfasser des 
Mahähhäratam sein, 

13. (13439.) und wer anders aufser ihm, dem Herrn, könnte 
die mannigfachen Satzungen verkündigt haben! 

14. Nun mag das grofse Opfer vor sich gehen, wie es 
von dir vorbereitet worden ist, (13440.) denn du hast ja das 
Rofsopfer vorbereitet und das Gesetz nach seiner Wahrheit 
kennen gelernt. 

Sauti sprach: 

15. (13 441.) Nachdem der beste Fürst [Janamejaya] diese 
Erzählung angehört hatte, vollzog er alle zur Vollbringung 
des Opfers erforderlichen Bräuche. 

16. (13 442.) Dir aber, o (.aunaka, ist diese Geschichte vom 
Xäräyana heute hier auf deine Frage von mir im Kreise der 
Bewohner des Xaimishawaldes erzählt worden, 

17. (13443.) wie sie einst Xärada dem Lehrer der Rishi's 
und Pändava's [wohl Vyäsa, nach Nil. Brihaspati] mitgeteilt 
hat, während Krishna und Bhishma zuhörten. 

18.* (13444.) Er [Xäräyana] ist ja der höchste Weise, 
Herr der Menschen und der Welt, Träger selbst der 
breiten Erde und der Schrift und Zucht Behälter, Hort 



* Über die Metra von 18-22 tgl. Hopkins, The Great Epic, p. 3f>3. 



*32 



III. Mokshadharnia. 



des Friedens und des Zwanges, hoch die Zucht und 
Selbstzucht schätzend, Z wiegeborene folgen ihm, und 
auch dir als Zuflucht diene Hari, der unsterblich Gute. 

19. (13445.) Er, der Töter der Dämonen, der Behälter 
der Askesen, der Befasser grofsen Ruhmes, Kaitabha's und 
Madhu's Töter, Pflichtgetreuen Weg und Zuflucht, er, der 
Opferanteilnehmer, möge dir auch Schutz verleihen. 

20. (13446.) Dreigunahaft, dreigunalos, vier der Gestalten 
zeigend, teilnehmend an der Frucht bei Werk und Opfer, er 
möge unbesiegt und unerschüttert verleihen allezeit den 
rechten Gang, der hin zum Atman führt die frommen Rishi's. 

21. (13447.) Vor ihm, dem Zuschauer der Welt, dem 
ewigen Purusha, dem alten, dem sonnenfarbenen Herrn 
und Helfer, verneigt euch vielfach mit vereintem Geiste, 
vor ihm, dem Rishi, dem sogar sich neigte vordem der 
Erstgeborene der Wasser. 

22. (13448.) Er ist die Wiege ja der Welt, die Stätte der 
Unsterblichkeit, verborgene Zuflucht, unerschütterlicher 
Ort, von Säiikhya's und von Yogin's hochgehalten (dhritam 
mit C.) und von im Geist Bezähmten wird dies Ewige. 

So lautet im Mokahadhanna die Oeachichte vom Karayaria 

( Sdrdyaniyam). 

AdhyAya 349 (B. 347). 

Vera 13449-13546 (B. 1-96). 
Caunaka sprach: 

1. (13449.) Vernommen haben wir nunmehr die Majestät 
jenes heiligen, höchsten Ätman und die Geburt des Nara 
und Närayana in dem Hause des Dharma 

2. (13460.) und die von dem grofsen Eber vordem ver- 
anlafste Entstehung derPinda's; ferner auch, wer in irgend- 
einer Weise für die Aktivität oder Passivität bestimmt isL 

3. (13451.) Und ebenso haben wir von dir, o untadliger 
Brahmane, vernommen die Erzählung von dem im grofsen 
nordöstlichen Ozean weilenden Vishnu, dem Geniefser des 
Götter- und Manenopfers. 



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Adhyaya 349 (B. 347). 



4. (13 45-.\) Aber jenes grofse Rofshaupt, von dem du vor- 
her erzähltest, ißt ja auch von dem heiligen Gott Brahmän 
Parameshthin gesehen worden. 

5. (13453.) Was hat nun, als er diese vom welttragenden 
Hari vordem geschaffene Gestalt und Gewalt erblickte, wie 
sie unter den grofsen Dingen noch nicht dagewesen war, 
o Bester der Weisen, 

6. (13454.) als er jenen besten Gott, den wunderbaren, 
unermefslich kräftigen, heiligen Rofshauptträger erblickte, 
was hat da Gott Brahmän getan, o Muni? 

7. (13455.) Uber diesen Gegenstand unseres Zweifels sprich 
uns, o Brahmane, über jene aus Erkenntnis entsprungene 
Schöpfung des grofsen Purusha, o du Hochweiser. 

8. (13456.) Wir fühlen uns geläutert durch dich, o Brah- 
mane, wenn du uns eine heilige Geschichte vorträgst. 

Sauti sprach: 

(13457.) Ich will dir die ganze alte, mit dem Yeda im 
Einklang stehende Geschichte erzählen, 

0. wie sie der heilige Vyäsa [schüler] vor dem König 
[ Janamejaya] , dem Sohne des Parikshit, vorgetragen hat. 
(13458.) Nachdem nämlich der König von dem Gotte Hari- 
medhas in der Gestalt des Rofshauptcs hatte erzählen hören. 

10. da stieg ihm ein Zweifel auf, und er brachte 
folgende Frage vor. 

Janamejaya sprach : 

(13451») Da Gott Brahmän den Gott mit dem Rofslmupte 
gesehen hat, 

11. so mögest du mir, o Bester, erklären, zu welchem 
Zwecke jenes [Rofshaupt] entstanden ist. 

Vairampävana sprach : 

(13460.) ü Fürst, alles was hier auf der Welt an Körper- 
lichem vorhanden ist, 

12. das alles ist von den fünf Elementen gebildet, wie 
sie der Herr ausgesonnen hat. (134<;ij Denn der Herr ist es. 
der die Welt schuf, der mächtige Näräyana als Yiräj. 



834 



III. Mokshatllninna. 



13. er, das innere Selbst der Wesen, der Gabenspender, 
der Gunahafte und Gunalose. (13462.) Vernimm aber jetzt, 
o Bester der Fürsten, wie die Wesen samt und sonders zu- 
grunde gehen. 

14. Als sich die Erde vordem in Wasser und in dem 
einen Ozean auflöste, (13463.) als dann das Wasser zu Feuer 
und das Feuer zu W r ind wurde, 

15. der Wind im Äther sich auflöste und der Äther im 
Manas, (134C4.) als das Manas in das Entfaltete einging und 
das Entfaltete in das Unentfaltete 

1<>. und das l nentfaltete in den Purusha und nur der 
Purusha überall vorhanden war, (13466.) da war alles eine 
Finsternis und nichts war zu erkennen. 

17. Den aus der Finsternis als das Brähman Entstandenen, 
in der Finsternis Wurzelnden, Unsterblichen, (13466.) ihn, der 
die Gestalt als Purusha annahm, welche von ihm den Namen 
Allmacht trägt, — 

18. Aniruddha wird er genannt — ihn nennt man auch 
das Pradhänam. (13467.) Dieses, soll man wissen, ist das Drei- 
gunahafte, Unentfaltete, o Bester der Männer. 

10. Die Wissenschaft als Gefährtin habend, hatte der 
allumschützte, mächtige Gott Hari (13468.) sich auf den Wassern 
gelagert, dem Yogaschlummer hingegeben, 

20. indem er die mannigfache, aus vielen Kräften ent- 
springende Schöpfung der Welt überdachte. (13 469.) Indem 
er die Schöpfung überdachte, erinnerte er sich an seine grofse 
Selbstkraft; 

21. dadurch entstand der Ahankära (das Ichbewufstsein), 
und dieser ist Gott Brahmän mit vier Angesichtern, (13470.) der 
heilige Hiranyagarbha, der Urvater aller Welten. 

22. Da geschah es, dafs der aus Aniruddha Entsprungene, 
Lotosaugige, (13471.) Glanzreiche, Ewige, in der tausendblätt- 
rigen Lotosblume sitzend, 

23. der Herr, einem Wunder vergleichbar, die aus Wasser 
bestehenden Welten schaute (13472.) und sich anschickte, die 
Scharen der Wesen zu schaffen, er, der im Sattvam stehende 
Parameshthin. 

24. Vorher aber schon hatten sich auf dem sonnengleich 



1 



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Adhyäya 349 (Ii. 347 ). 



835 



strahlenden Blatte der Lotosblume (13 473.) zwei von Xäräyana 
geschaffene, kraftüberlegene Wassertropfen angesetzt. 

25. Diese beiden erblickte der anfang- und endlose, un- 
wandelbare Heilige. (13474.) Der eine Tropfen war an leuch- 
tendem Glänze dem Honig fnuulhuj vergleichbar; 

2t>. dieser wurde aus dem Tamas geboren als [der Dä- 
mon] Madhu auf Befehl des Xäräyana. (13475.) Der andere 
Tropfen, zähe fkathina) und aus dem Kajas geboren, wurde 
zum Dämon Kaitabha. 

27. Diese beiden stürmten heran, überlegen, mit den 
Guna's des Tamas und Kajas erfüllt, (1347«) gewalttätig, 
keulenschwingend, und klommen an dem Lotosstengel empor. 

28. Da sahen sie, wie im Kelche der Lotosblume der 
unermefslich glänzende Gott Brahmän safs (13477.) und als 
erstes die vier Veden in schöner Leibhaftigkeit schuf. 

2L>. Als die beiden leibhaftigen, höchsten Dämonen die 
Veden sahen, (13478.) bemächtigten sie sich alsbald der Veden 
vor den Augen des Gottes Brahmän. 

30. Und die beiden trefflichsten Dämonen packten die 
ewigen Veden (13479.) und tauchten mit ihnen schleunigst in 
dem nordöstlichen Ozean zur Unterwelt nieder. 

31. Als ihm so die Veden entrissen waren, geriet Gott 
Brahmän in Verzweiflung (mso.) und sprach, der Veden be- 
raubt, zu dem Herrn das Wort. 

Gott Bralmiäu sprach : 

32. (13481.) Die Veden sind mein höchstes Auge, die Veden 
meine höchste Kraft, die Veden sind meine höchste Stätte, 
die Veden mein höchstes Heiligtum. 

33. (134H_>.) Alle meine Veden sind mir hier von zwei 
Dämonen mit Gewalt weggenommen worden; nun sind die 
Welten für mich verfinstert, da sie der Veden beraubt sind. 

34. (13 483.) Wie kann ich ohne die Veden die treffliche 
Weltschöpfung vollbringen! 0 welch ein grofses Leid hat 
mich durch den Verlust der Veden getroffen 

35. (13484.) und brennt mit Heftigkeit mein kummervolles 
Herz! Wer wird mich jetzt aus dem Ozean des Leides heraus- 
ziehen, in den ich versunken bin, 



836 



III. Mokshariharma. 



36. (13485.) und die verlorenen Veden wiederbringen ! Wer 
hat mich heb genug dazu? — Indem Gott Brahmän so 
jammerte, o Bester der Fürsten, 

37. (13486.) kam ihm der Gedanke, o Bester der Denker, 
dem Hari ein Loblied zu singen, und mit zusammengelegten, 
vorgestreckten Händen trug der Herr die höchste Munne- 
lung vor. 

Gott Brahm&n sprach: 

38. (13487.) Om! Verehrung dir, o Brahmanherz, Ver- 
ehrung dir, der du vor mir geboren bist, Weltenerster, Bester 
der Wesen, mächtiger Behälter des Sänkhyam und Yoga, 

39. (13488) Schöpfer des Entfalteten und Unent falteten, 
Unausdenkbarer, der du den Weg des Friedens wandelst, 
Allgeniefser, inneres Selbst aller Wesen, Nichtmutterschofs- 
entsprungener! (13489.) Ich bin durch deine Gnade geboren 
als Stätte und Schöpfer der Welt. 

40. Meine erste Geburt aus dir, welche die Zwiegeborenen 
preisen, war aus deinem Geiste; (13490.) meine zweite uranfäng- 
liche Geburt geschah aus deinen Augen. 

41. Durch deine Gnade erfolgte meine dritte grofse Ge- 
burt aus deiner Rede, (13491.) und aus deinen Ohren war meine 
vierte Geburt, o Mächtiger. 

42. Zu den Acvin's [Näsatya als Schutzgöttern des Ge- 
ruchs, Nil.J in Beziehung stehend ist meine folgende Geburt 
aus dir. (13492.) Aus dem [Welt-] Ei ist meine sechste Geburt 
von dir erschaffen worden. 

43. Und diese meine Geburt aus dem Lotos ist die 
siebente, o Herr. (13493.) In jeder einzelnen Schöpfung bin 
ich dein Sohn, o du Dreigunaloser, 

44. dein erstgeborener, lotosaugig, aus dem obersten Guna, 
dem Sattvam, gebildet. (13494.) Du freilich bist der Herr, die 
Urnatur, die Werkfessel, der durch sich selbst Seiende, 

45. ich aber bin von dir geschaffen worden, nicht alternd, 
den Veda als Auge habend, (13495.) und nun ist mir mein 
Auge, der Veda, geraubt worden und ich bin blind ! Erwache 

4o\ und gib mir meine Augen wieder, lieb bin ich dir, 
lieb bist du mir. — (13496.) Als der heilige, allwärts bückende 
Purusha in dieser Weise gepriesen wurde, 



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Adhy&ya 349 (B. 347). 



837 



47. da gab er den Yogaschlummer auf und richtete seine 
Aufmerksamkeit auf die Angelegenheit des Veda; < 13497.) und 
durch Anwendung seiner Herrschermacht nahm er eine neue 
Erscheinungsform an, 

48. und indem er in einem Körper mit schönen Nüstern 
wie der Mond erglänzte, (13498.) verwandelte sich der Herr in 
ein schönes Rofshaupt zur Bergung der Veden. 

49. Sein Haupt war der Himmel mit Mondhäusern und 
Sternen, (13 499.) seine Haare waren lang und kamen an Glanz 
den Sonnenstrahlen gleich. 

50. Seine Ohren waren Luftraum und Unterwelt, seine 
Stirn war die Wesen erhaltende Erde, (13 500.) Gaiigä und 
Sarasvati waren seine Hüften, die beiden Ozeane seine Brauen, 

51. Sonne und Mond seine Augen, die Dämmerung seine 
Nase, (13501.) der Omlaut war sein gestaltendes Prinzip 
(saiiskäraj, der Blitz seine Zunge, 

52. seine Zähne waren die als Somatrinker bekannten 
Väter, (13 50-2.) die Kuhwelt und die Brahmanwelt waren die 
Lippen des hochsinnigen Rofshauptes, 

53. sein Hals war die gunalösende Zeitnacht [nach dem 
Weltuntergang]. (13503.) Nachdem Narayana sich zu diesem 
mannigfache Gestalten zeigenden Rofshaupte gemacht hatte, 

54. verschwand der mächtige Allherr und ging in die 
Unterwelt ein. (13504.) In die Unterwelt gelangt, gab er sich 
dem höchsten Yoga hin, 

55. und indem er die in der (^ikshä gelehrte Aussprache 
benutzte, liefs er den Udgitha ertönen. (13505.) Dieser Ton mit 
seinem Nachhall, nach allen Seiten lieblich sich verbreitend, 

5(5. durchdrang das Innere der Erde, mit den Reizen aller 
W r esen ausgestattet und schön. (1350c) Darauf nahmen die 
beiden Dämonen den Veden das Versprechen ab [ihnen ge- 
horsam zu sein], 

57. brachten sie in der Unterwelt in Gewahrsam und 
rannten dahin, woher der Ton kam. (13507.) Während dieser 
Zeit, o König, bemächtigte sich der rofshauptgestaltete Gott 

58. Hari der sämtlichen in die Unterwelt verschleppten 
Veden (13508.) und gab sie dem Gott Brahmän zurück. Darauf 
begab er sich wieder in seine alte Lage, 



838 



III. Moksbiidliarma. 



59. nachdem er das Rofshaupt in den nordöstlichen 
Ozean versetzt hatte. (13509.) So vollbrachte der Rofshaupt- 
gestaltete die Bergung der Veden. 

00. Aber die beiden Dämonen Madhu und Kaitabha, 
nachdem sie dort nichts gesehen hatten, (13510.) stürmten in 
Eile zurück und sahen, 

61. dafs die Stelle, wo sie die Veden verwahrt hatten, 
leer war. (in 511.) Da gerieten die gewaltig Starken in die 
gröfste Wut 

02. und fuhren schleunigst aus der Rasa (Unterwelt) ge- 
nannten Behausung heraus; (13512.) da sahen sieden Purusha, 
den mächtigen Anfangsschöpfer, 

03. weifs, von reinem Aussehen wie der Mond, in der 
Erscheinungsform des Aniruddha, (13513.) unermefslich tapfer, 
wie er sich dem Yogaschlummer überlassen hatte 

04. auf dem seiner Gröfse entsprechenden, auf dem 
Wasser schwimmenden, (135H.) aus den Windungen seiner 
Schlange gebildeten Lager, welches von einem Kranze lodern- 
der Flammen umgeben war. 

05. Als sie ihn nun in fleckenlosem Sattvam und leuch- 
tendem Glänze (13515.) daliegen sahen, da brachen die beiden 
Dämonenfürsten in ein grofses Gelächter aus 

00. und sprachen, von Rajas und Tamas besessen: 
( 1351c) Da liegt ja der weifse Purusha und hat sich dem 
Schlafe überlassen! 

07. Der ist es also gewesen, der uns die Veden aus der 
Unterwelt gestohlen hat! (13517.) Von wem stammt er und 
wer ist er eigentlich? Und was hat er auf den Schlangen- 
windungen zu schlafen? 

08. Durch solche Ausrufe weckten sie den Hari auf. 
(13518.) Als der weise, höchste Purusha sie voll Kampflust sah, 

00. da mafs er die beiden Dämonenfürsten mit den 
Blicken und entschlofs sich zu kämpfen. (13519.) Nun ent- 
brannte ein Kampf zwischen den beiden und dem Närayana* 

70. und die beiden Rajas und Tamas im Leibe haben- 
den Madhu und Kaitabha (13520.) wurden, um die dem Gotte 
Brahmän angetane Schmach zu rächen, von Madhusüdana 
(dem Madhutöter) erschlagen. 



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Adhyfty» 349 (B. 347). 



71. Dadurch aber, dafs er sie tötete und ihnen den Veda 
wieder entrissen hatte, (13521.) stillte der höchste Purusha 
alshuld das Leid des Gottes Rrahman. 

72. Darauf schuf unter Hari's Heistand und mit Hilfe 
der Ycden Gott Brahmän (n&a*) die gesamten Welten mit 
allem Unbeweglichen und Beweglichen. 

7:1. Gott Hari aber, nachdem er dem Urvater die höchste, 
weltschatVende Einsicht eingeflöfst hatte, ri:i.i*:t.) verschwand 
und zog sich wieder dorthin zurück, woher er gekommen war. 

74. Nach der Tötung der beiden Dänava's und der Her- 
vorbringung des Rofshauptes hm>'u.) nahm llari nochmals 
dessen Gestalt an, um die Satzung der Aktivität zu befordern. 

7;"). So hatte also der hochbeglückte Hari die Gestalt 
als Rofshnupt angenommen, (i».v»y) welche an ihm als eine 
uralte, gabens|>endende, göttliche gepriesen wird. 

7ü. Wenn nun ein Brahmane diese Erzählung beständig 
anhört und behält, (mm«.) so wird sein Yodastudium niemals 
in Verfall geraten. 

77. Diesen rofshaupttragenden Gott hatte durch furcht- 
bare Askese für sich gewonnen (n.vjT.) Paficäla. da empfing 
er auf dem von dem Gott gewiesenen Wege den kramapätha. 

7*. So war es mit dem Kofshaupte, o König. und damit 
habe ich dir na.v.»*» seine alte, mit <lem Veda in Einklang 
siehende Geschichte erzählt, nach der du mich gefragt hast. 

7 1 .». Welcher Art auch immer die Erscheinungsform sein 
mag. die der Gott, indem er sich irgendwo eine Aufgabe setzt, 
anzunehmen wünscht, n:iv»u die nimmt er an, indem er sieh 
selbst durch sich selbst umwandelt. 

h>. Er ist das herrliche Gcfiifs des Veda. er ist der Askese 
Gefäfs. n:i:.:uu er ist Yoga und Sänkhvain, das uranf augliche 
Rrahman. der mächtige Hari (mit ('.). 

Hl. Narayana ist das Endziel des Veda, Narayana das 
Wesen des Opfers, n:t:.:»i) Narayana ist das Endziel der A>ke>e 
und das Endziel des Weges. 

Narävana ist das Endziel der Wahrheit, Narayana 
da* Endziel des Rechts, <t.v..i-j.) Narayana ist das Endziel der 
Pflicht, welche eine Wiederkehr ausschliefst | immtnh rttti- 
durlMuth, anders oben, Vers i ; 



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840 



III. Mokshatllianna. 



83. Aber auch die Pflicht, welche Aktivität fordert, ist 
ihrem Wesen nach Näräyana. (13533.) Dem Näräyana gehört 
in der Erde der beste Geruch an; 

84. der Geschmack als Qualität des Wassers, o König, 
ist seinem Wesen nach N&rayana; (13534.) und auch die herr- 
liche Sichtbarkeit des Feuers ist Näräyana ihrem Wesen nach; 

85. auch die Berührung als Qualität des Windes ist ihrem 
Wesen nach Näräyana; (13535.) und auch der aus dem Äther 
entspringende Ton gehört dem Näräyana an. 

80. Und auch das die Qualität des Unentfalteten tragende 
Mauas entspringt aus ihm; (1353c) Näräyana ist der Gebieter 
der Zeit, und der Gang der Gestirne ist er. 

87. Näräyana ist Herr des Ruhmes, ist Herr der Göttinnen 
des Glückes und der Schönheit; (13537.) Näräyana ist das 
höchste Ziel des Sänkhyara und das Wesen des Yoga. 

88. Er, der Purusha, ist die wahre Ursache für alles, 
was als Ursache sowohl die Prakriti (13538.) als auch die eigene 
Natur, die Werke und das Schicksal hat. 

89. Er ist Standort, Täter und auch das Werkzeug, 
(13539 ) sowie die mannigfache Betätigung und das Schicksal 
als fünftes. 

90. Und so ist Hari die Summe der fünf Ursachen und 
ihr tragender Grund allerwärts. (13540.) Wer mit überallhin 
dringenden Mitteln die Wahrheit zu erkennen sucht, 

91. für den ist die Wahrheit er allein, der grofse Yogin, 
Hari Näräyana, der Herr. (13541.) Was Brahmän und die 
Welten, was die hochsinnigen Rishfs, 

92. die Sänkhyas, Yogin's, Selbstbezähmer und Selbst- 
erkenner (13542.) ausdenken mögen, das durchschaut Kecava, 
aber sie durchschauen nicht, was er denkt 

93. Für alle, welche in allen Welten den Göttern und 
Manen Opfer bringen, (13 543.) Gaben spenden und grofse 
Askese üben, 

94. für diese alle ist Vishnu in seiner Majestät der 
tragende Grund. (13544.) Weil er die Heimstatt fäväsaj aller 
Wesen ist, wird er Väsudeva genannt. 

95. (13545.) Er ist der ewige, höchste, grofse W r eise, 
ist Machtentfaltung, ist der Gunafreie, der doch mit 



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Adhyaya 349 (B. 347). 



841 



Guna's sich alsbald verbindet, wie jenachdem die Zeit 
mit Jahreszeiten. 

96. (13546.) Von ihm, dem Hochgesinnten, findet nie- 
mand, wohin er geht, woher er ist gekommen ; die grofsen 
Weisen, die das Wissen pflegen, schauen ihn als ewigen 
Geist, als Gunalosen. 

So UuU»t im Moksbadharma die OcBchichte vom NArftyana 

(S Irdyoniyam). 

Adhyäya :*oO (B. »48). 

Vers 13547-13G3G (B. 1-8S). 

Janamejaya sprach: 

1. (13517.) 0 wie sehr liebt doch der heilige Hari alle 
Ekäntin's (ihm allein Ergebenen)! Wie nimmt doch der 
Heilige die von ihnen vorschriftsmäfsig dargebrachte Ver- 
ehrung gern entgegen! 

2. (13548.) Sie, welche in der Welt frei von Gutem und 
Bösem sind, wie eine Flamme, deren Brennholz verbrannt ist 
[frei von Rauch], gehen ihren Weg, wie du ihn mir als über- 
lieferten mitgeteilt hast. 

3. (13 54».) Erst bei dem vierten Gange gelangen [durch 
Aniruddha, Pradyumna und Sankarshana hindurch] jene 
[anderen Menschen] zum höchsten Purusha, aber die ihm 
einzig ergebenen Menschen fvhhüinah) gelangen [sogleich] 
zur höchsten Stätte. 

4. (13 550.) Gewifs ist dieser Weg der Ekantin's der beste, 
und Narayana liebt es, wenn einer, ohne die drei vorherigen 
Wege zugehen, zu ihm, dem unvergänglichen Hari gelangt. 

ö. (13 551.) Von dem We<;e der Brahmanen, welche mit ge- 
bührendem Eifer die Veden nebst l'panishad's vorschrifts- 
mäfsig rezitieren, und auch von dem Weg derer, welche sich 
die Askese zur Pflicht machen, 

6. (13 562.) verschieden ist der Weg der Männer, welche 
ihm einzig ergeben sind, das weifs ich; aber von welchem 
Gotte oder Rishi ist diese Lehre mitgeteilt worden? 



842 



III. Mokshadharma. 



7. (13 55:».) Welches ist der Wandel der einzig ihm Er- 
gebenen, und wann ist er gelehrt worden, o Mächtiger? Diesen 
Zweifel löse mir, denn höchste Wifsbegierde erfüllt mich. 

Vaicampayana sprach: 

8. (13554.) Als die Heere der Kuru's und Pändava's in 
Schlachtordnung aufgestellt waren, und als Arjuna von Ver- 
zagtheit befallen wurde (oben, S. 35 fg.), da wurde von dem 
Heiligen selbst besungen 

9. (13 535.) der Abweg und der Weg, wie ich dir schon 
früher erzählte. Geheimnisvoll ist ja diese Lehre und schwer 
erkennbar für solche, welche unbereiteten Geistes sind. 

10. (13556.) In Einklang mit dem Sämaveda wurde vor- 
dem im Zeitalter Kritam diese Lehre geschaffen und wird 
noch aufrecht erhalten von ihm selbst, o König, von dem 
Gotte Näräyana. 

11. (13557.) Nach dieser Sache, o grofser König, wurde 
von dem Prithäsohne (?) der hochbeglückte Narada im Kreise 
der Rishi's befragt, wahrend Krishna und Bhishma zuhörten 
[vgl. Vers 13443, anders unten, Vers lacnj, 

12. (13558.) und mir (mama mit C.) wurde sie von meinem 
Lehrer mitgeteilt, o Bester der Fürsten; vernimm sie so, wie 
sie damals von Narada erzählt wurde. 

13. (13550.) Als, o Erdeherr, die Geburt des Gottes Brah- 
män aus dem Manas des Näräyana, aus dessen Munde er- 
folgte, damals hat Näräyana selbst 

14. (13560.) nach dieser Satzung das Götter- und Manen- 
opfer geschaffen, und diese Satzung erlernten von ihm die 
schaumernährten Rishi's. 

15. (13561.) Von diesen schaumtrinkenden Bishi's haben 
die Vaikhänasa's diese Satzung überkommen, und von den 
Vaikhänasa's empfing sie Sorna. Dann ist sie wieder ver- 
schwunden. 

16. (13 562.) Als sodann die zweite Geburt des Gottes Brah- 
män aus den Augen [Näräyana's] erfolgte, da (tadä mit C.) 
lernte der Urvater (Gott Brahmän) die Satzung von Sorna. 

17. (13 563.) Der Narayanahafte gab sie weiter dem Rudra, 



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Adhyftya 350 (B. 'M*). 



843 



o König; der im Yoga beharrliche Rudra hat dann vordem 
im Weltalter Kritam, o Fürst, 

IS. (13564.) diese Satzung allen Välakhilya-Rishi's über- 
mittelt; und abermals verschwand sie durch die Zauberkraft 
jenes Gottes. 

19. (13 565.) Als sodann die dritte grofse Geburt des Gottes 
Brahmän aus der Rede [Näräyana's] erfolgte, ist diese Satzung 
aus Narävana selbst entstanden, o Fürst. 

20. fiaftcc.) Sie erlangte ein Rishi mit Namen Suparna 
von dem höchsten Purusha vermöge seiner Askese, Bezäh- 
mung und Selbstbezwingung. 

21. Weil Suparna diese höchste Satzung dreimal 
[täglich] durchging, darum wird dieses Gelübde der Trisu- 
parna-Ritus genannt, 

22. (13 6G8.) und dieses im Rigveda [10,114, 3-5 J vor- 
kommende Gelübde ist schwer zu vollbringen. Von Suparna 
wurde diese ewige Satzung übernommen 

23. (13569.) durch den das Leben der Welt tragenden Wind- 
gott, dem er es mitteilte, o Bester der Zweifüfsler. Vom 
Windgotte erlangten sie die von Überbleibseln lebenden 
Rishi's, 

24. (13570.) und von ihnen erlangte der grofse Ozean diese 
höchste Satzung. Darauf verschwand abermals die von Nä- 
räyana eingesetzte Satzung. 

25. (13571.) Als wiederum die Schöpfung des hochsinnigen 
Gottes Brahmän aus dem Ohre [Näräyana's] stattfand, o Mann- 
tiger, was da geschah, das vernimm von mir. 

20. (13572.) Als Huri Narävana selbst seinen Geist darauf 
richtete, die Welt zu schaffen, da erdachte er einen mäch- 
tigen Purusha, der die Weltschöpfung vollbringen sollte. 

27. (13573.) Da ging, indem er daran dachte, aus seinen 
Ohren ein Purusha hervor, nämlich der die Schöpfung der 
Wesen vollbringende Gott Brahmän. Zu diesem sprach der 
Herr der Welt: 

28. (13 574.) 0 Sohn, schaffe alle Geschöpfe aus deinem 
Munde wie aus deinen Füfsen, ich werde dir dazu Glück, 
Kraft und Energie verleihen, o Gelübdetreuer; 

29. (13575.) auch nimm von mir eine Satzung entgegen. 



844 



III. Mokshadharma. 



welche den Namen Säfvata führt; mit dieser erschaffe und 
stütze das Kritaweltalter nach der Vorschrift. 

30. (18576.) Da zollte Gott Brahmän dem Gotte Hari- 
medhas seine Verehrung und nahm von ihm die vorzügliche 
Satzung nehst zugehöriger Geheimlehre und Auszügen in 
Empfang. 

31. (13577.) Und nachdem Näräyana dem unermefslich 
kräftigen Gotte Brahmän die von einem Äranyakam begleitete, 
seinem Munde entströmende Lehre mitgeteilt hatte, 

32. (13678.) ging er mit den Worten: „Du sollst der 
Schöpfer der Satzungen für die Weltalter sein" zu der jen- 
seits der Finsternis gelegenen Stätte, in welcher das Unent- 
faltete ruht und die den Namen „Werk ohne Wünsche" trägt. 

33. (13579.) Darauf schuf der gaben verleihende Gott Brah- 
män, der Urvater der Welt, die sämtlichen Welten mit allem 
Unbeweglichen und Beweglichen. 

34. (13580.) Zunächst nun entstand das Weltalter Kritam 
als ein glückliches, denn in ihm bestand die Sätvatasatzung, 
sich durch alle Welten verbreitend. 

35. (13581.) Mit dieser uranfänglichen Satzung verehrte 
Gott Brahmän, der Weltschöpfer, den Götterherrn Hari, den 
mächtigen Näräyana. 

36. (13582.) Und um die Satzung zu festigen, lehrte er sie 
dem Manu Svärocisha aus Wohlwollen für die Welten. 

37. (13583.) Svärocisha aber, der mächtige Herr der ganzen 
Welt, belehrte vor Zeiten mit gesammeltem Geiste seinen 
eigenen Sohn Qankhapada, o Fürst. 

38. (13584.) Qankhapada belehrte weiter seinen leiblichen 
Sohn, den Hüter der Weltgegenden Suvarnäbha. (13586.) Und 
wiederum verschwand die Satzung, als das Zeitalter Tretä 
anbrach. 

39. Und als weiterhin die Geburt des Gottes Brahmän 
unter Beistand der Agvin's [als Schutzgötter der Nase] statt- 
fand, o bester Fürst, (13 586.) hat der mächtige Gott Hari Nä- 
räyana selbst diese Satzung 

40. verkündigt, er, der lotosaugige Gott. Von Gott 
Brahmän, vor dessen Augen dies geschah, (13587.) hat sie weiter 
erlernt der heilige Sanatkumära. 



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Adhy&ya 350 (B. 348). 



845 



41. Von Sanatkumära aber hat der Schöpferherr Virana 
(13 588.) am Anfang eines [abermaligen] Zeitalters diese Satzung 
gelernt, o Kurutiger. 

42. Virana aber, nachdem er sie erlernt hatte, überlieferte 
sie dem Weisen Raibhya, (13589.) und Raibhya hat sie seinem 
reinen, gelübdetreuen, frommen Sohne 

43. mit Namen Kukshi übergeben, dem pflichtkundigen 
Hüter der Weltgegenden. (13590.) Dann aber verschwand aber- 
mals die aus dem Munde des Näräyana hervorgegangene 
Satzung. 

44. Weiter wurde bei seiner Geburt aus dem Ei dem 
aus Hari entsprossenen Gott Brahmän (13091.) wiederum diese 
Satzung aus dem Munde des Näräyana mitgeteilt. 

45. Gott Brahmän nahm die Satzung entgegen, o König, 
verwendete sie nach der Vorschrift (13592.) und lehrte sie den 
Muni's, o Fürst, die da Barhishadah heifsen. 

46. Von den Barhishadah gelangte die Satzung zu einem 
des Sämaveda kundigen Brahmanen, (13593.) dem berühmten 
Jyeshtha, denn dem Hari gehört das Jyeshthasäman- Ge- 
lübde an. 

47. Von Jyeshtha gelangte die Satzung zum Könige Avi- 
kampana, (13594.) dann aber verschwand sie wieder, o mäch- 
tiger König, diese Satzung des Hari. 

48. Als aber die siebente Geburt des Gottes Brahmän 
aus der Lotosblume stattfand, o König, (13595.) da lehrte Nä- 
räyana selbst diese Satzung 

49. dem reinen, Welten tragenden Urvater zu Anfang des 
[folgenden] Zeitalters. (1359«.) Der Urvater überlieferte weiter 
diese Satzung vor Zeiten dem Daksha. 

50. Weiter übergab sie Daksha seinem ältesten Tochter- 
sohn, o bester Fürst, (1:4597.) nämlich dem Aditya, dem ältesten 
Bruder des Savitar, und von diesem empfing sie Vivasvant. 

51. Vivasvant überlieferte sie zu Anfang des Weltalters 
Tretä dem Manu, (1359s.) und Manu gab sie zum Gedeihen 
der Welt weiter an seinen Sohn Ikshväku. 

52. Von Ikshväku wurde sie über die ganze Welt ver- 
breitet und besteht in ihr, ( 13599.) aber am Weltende wird 
sie wieder zu Näräyana zurückkehren, o Fürst. 



846 



III. Mokshadharmn. 



53. Und auch dir, o Bester der Fürsten, ist diese Satzung 
der Selbstbezähmer vordem (i36oo.) mitgeteilt worden in der 
Harigitä (vgl. oben, Vers 13437 und 13564 fg.), zusammengefafst 
in kurzer Vorschrift. 

54. Närada aber empfing aufs beste mitsamt Geheim- 
lehren und Auszügen (13goi.) diese Satzung unmittelbar von 
Narayana, dem Herrn der Welt, o Fürst. 

55. So steht es, o König, mit dieser grofsen, uranfäng- 
lichen, ewigen Satzung, (ir.602.) und sie, schwer erkennbar 
und schwer befolgbar wie sie ist, wird allezeit von den 
iSatvata's beobachtet. 

50. Durch die Erkenntnis dieser Satzung, wenn sie richtig 
durch die Tat verwirklicht wird (13603.) und von dem Gesetze 
der Nicht -Tötung begleitet ist, wird Hari, der Herr, erfreut. 

57. mag er in einer Erscheinungsform oder auch in zweien 
U3G04.) oder in dreien oder in allen vieren [als Aniruddha, 
Pradyumna, Sankarshana und Väsudeva] angeschaut werden. 

58. Hari ist als Xshetrajna, selbstlos, ohne Teile, (13605.) als 
Jiva in allen Wesen, erhaben über die fünf Elemente und die 
Guna's, 

50. und auch als das die fünf Sinne bewegende Manas 
wird er gefeiert, o König. (13606.) Er, der Weise, ist die Welt- 
ordnung und der Schöpfer der Welt, 

00. Nicht -Tater und zugleich Täter, die Wirkung und 
auch die Ursache (isgot.) nach seinem Belieben spielend, 
o König, als der ewige Purusha. 

61. Diese Satzung der alleinigen Hingebung an ihn ist 
dir, o bester König, mitgeteilt worden (isnoe.) von mir dank 
der Gnade meines Lehrers, schwer erkennbar wie sie ist für 
solche, welche unbereiteten Geistes sind. 

62. Männer, die ihm allein ergeben sind (ekäntittj, sind 
nicht leicht in gröfserer Zahl zu finden, o Fürst. (13609.) Ja, 
wäre die Welt voll von solchen ihm allein Ergebenen, o Kuru- 
sprofs, 

68. von solchen Nicht-Schädigenden, Atmankundigen, am 
Wohlo aller Wesen sich Erfreuenden, (iseio.) dann wäre das 
Zeitalter Kritam wieder da mit seinen ohne W r unsch nach 
Lohn geübten Werken. 



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Adhyaya 3f>0 (Ii. 'MX). 



847 



f>4. Das ist es, o Völkerherr, was mein Lehrer, der heilige 
Vyäsa, (i:-;en.) der pflichtkundige Beste der Brahmanen, dem 
gerechten Könige (Yudhishthira) erzählt hat 

*)5. im Kreise der Rishi's, o König, während Krislina 
und Bhishma zuhörten [anders oben, Vers 1:1*157]; (13612.) diesem 
nämlich hatte vordem der grofse Asket Nurada Belehrung 
erteilt 

fjf>. über den allerhöchsten Gott, das Brahman, den weifsen, 
mondglänzenden, unerschütterlichen, (l.ten.) zu welcliem die- 
jenigen eingehen, die ihn allein verehren, die dem Näräyana 
ganz ergeben sind. 

.Tanamejaya sprach : 

♦ >7. (i.u;i4.) Wie kommt es, dafs diese vielverzweigte, von 
den Erweckten gepflegte Satzung von anderen, mancherlei 
Gelübde befolgenden Brahmanen nicht angenommen wird? 

Vaicampäyaoa sprach : 

t>8. (i3i;i5.) O König, drei Naturen bestellen bei denen, 
welche an die Leiblichkeit gefesselt sind, die sattvahafte, 
rajashafte und tamashafte, o Bhärata. 

♦>'.*. (nmc.) Unter allen, die an den Körper gefesselt sind, 
o Kuruspröfsling, ist der beste Mensch der sattvahafte, o Mann- 
tiger, und ihm ist die Erlösung gewifs. 

70. (i:i«;i7.) Schon hienieden erkennt er den brahmun- 
weisesten Purusha; die Erlösung hat Näräyana als Gipfel, 
darum heifst sie sattvahaft. 

71. (1:1 ms.) Den höchsten Purusha überdenkend, erlangt 
das Ersehnte der, welcher mit alleiniger Liebe immerdar dem 
Näräyana als Höchstem anhängt. 

72. (13 61!*.) Nach ihm sehnen sich alle nach Erlösung 
trachtenden Selbstbezwinger, und ihnen verleiht Stillung des 
Durstes (trishmij und Frieden der Gott Hari. 

73. (13620) Denn der Mensch, welchen bei seiner Geburt 
Madhusüdana anblickt, der ist ein Sattvahafter und ihm ist 
die Erlösung gewifs. 

74. (13621.) Seine Satzung, mit alleiniger Hingebung be- 
folgt, ist gleichwertig mit Sänkhyam und Yoga; in der den 



848 



III. Mokshadliurma. 



Näräyana als Wesen habenden Erlösung erlangen sie das 
höchste Ziel. 

75. (13622.) Nur der Mensch kann ein Erweckter werden, 
welchen Näräyana gnädig anblickt, aber durch eigenen 
Wunsch, o König, kann keiner ein Erweckter werden. 

76. (13 623.) Wo hingegen die rajashafte und tamashafte 
Natur [dem Sattvam] beigemischt (vyami$ra) ist, einen solchen 
Menschen, wenn er geboren wird, o Völkerherr, 

77. (13624.) als ein mit den Merkmalen der Aktivität Be- 
hafteter, blickt Gott Hari nicht selbst an, sondern Gott Brah- 
män, der Urvater der Welten, blickt ihn an bei seiner Geburt, 

78. (13625.) weil er von Kajas und Tamas in seinem Geiste 
überschwemmt ist. Götter und Rishi's freilich wurzeln im 
Sattvam, o bester Fürst, 

79. (13626.) diejenigen aber, welche dieses feinen Sattvam 
ganz entbehren, werden Anhänger des Vergänglichen {vaüä- 
riJcaJ genannt. 

Janamejaya sprach: 
(13627.) Wie ist es aber möglich, dafs ein solcher An- 
hänger des Vergänglichen zu dem höchsten Purusha gelangt? 

80. Erkläre mir alles, wie du es geschaut hast, und auch 
was sich daraus ergibt, der Reihe nach. 

Vaicampayana Bprach: 
(13628.) Zu dem überaus feinen, der Wesenheit teilhaften, 
der drei Laute (a -f u -f- m = omj teilhaften 

81. Purusha geht ein der Purusha, wenn er als Fünf- 
undzwanzigster rein von Werken ist. (13G29.) In dieser Er- 
kenntnis stimmen das Sänkhya-Yogasystem und das [die 
Upanishad einschliefsende] Aranyakam des Veda 

82. sowie die Päficarätralehre zusammen als gegenseitig 
sich ergänzende Teile. (13630.) Das ist die Satzung der Ekän- 
tin's, die in Näräyana das Höchste sehen. 

83. (13631.) Wie Wasserfluten aus dem Ozean hervor- 
brechen, o König, und wieder in ihn zurückströmen, so 
gehen die grofsen Wasserfluten der Erkenntnis wieder 
in Näräyana [als ihren Ursprung] zurück (vgl. Chänd. 
Up. 0,10,1). 



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Adhyäya 3f>0 (B. 348). 



849 



84. (13 632.) Damit habe ich dir, o Kurusprofs, die Sätvata- 
satzung erklärt, befolge sie nach der Vorschrift, soweit du 
kannst, o Bhärata. 

85. (13<33.) Denn in dieser Weise hat der hochbeglückte 
Xarada meinem Lehrer den unvergänglichen, ihm allein 
huldigenden Wandel der weisen Selbstbezwinger verkündigt. 

86. (13 634.) Vyasa aber hat diese Satzung aus Liebe dem 
weisen Sohne des Dharma (Yudhishthira) überliefert, und 
ebendiese habe ich dir mitgeteilt, wie ich sie von meinem 
Lehrer überkommen habe. 

87. (13635.) So steht es mit dieser Satzung, o bester Fürst, 
welche schwer zu befolgen ist; denn wie du so leben auch 
die anderen hienieden in Verblendung. 

88. (13636.) Denn Krishna ist es, der diese Welten bildete 
und in Verblendung stürzte, der sie wieder in sich zurück- 
rafft und die Ursache ihrer Neuentstehung ist, o Völkerherr. 

So lautet im Mokshadharma 
in der Geschichte vom Narayana «lai Wesen der ihm allein Ergebenen 

(SdräyanUje ekA*tika>.hdca). 



Adhyftya .151 (B. 349). 

Vers 13037-13712 (B. 1-74). 

Janamejaya sprach: 

1. (i:t637.) Das Sankhyam, der Yoga, das Pancarätram 
und das Aranyakam des Veda, diese Wissenschaften, o Brah- 
manweiser, sind in der Welt im Umlaufe. 

2. (13 63H.) Haben diese nun eine gemeinsame Grundlage 
oder besondere Grundlagen, o Muni? I her diese Frage be- 
lehre mich und über das, was sich daraus ergibt, der Reihe nach. 

Vaicampäyana sprach : 
3. (13 639) Ihm, dem vielerfahrenen, höchsten, nach 
dem Höchsten strebenden, grofsen Rishi, den durch Hin- 
gebung ihrer selbst mitten auf der Insel die Satyavati 
als Sohn dem Paracara gebar, ihm, der die Finsternis 
des Nichtwissens verscheucht, sei Verehrung! 

Du mi», Mahabharatam. f>4 



III. Mnkshatlharma. 



4. (13640.) Ihn, den grofsen Rishi, rühmen sie als 
Ursprung des Urvaters, als sechste Verkörperung des 
Näräyana, mit heiliger Maohtfülle ausgerüstet, aus einem 
Teile des Näräyana entsprungen, als einzigen Sohn auf 
der Insel geboren und als grofsen Behälter des Veda. 

f). (13641.) Ihn, den hochsinnigen Vyäsa, hat am An- 
fang der Zeiten der grofsmächtige, hochstrebende Närä- 
yana als seinen Sohn hervorgebracht, als den ewigen, 
alten, grofsen Behälter des heiligen Vedawortes. 

Janamejaya sprach: 

6. (13 642.) Vordem wurde in betreff seines Ursprungs von 
dir, o Bester der Z wiegeborenen, erzählt, dafs Vasishtha als 
Sohn den (,'akti hatte und dafs Paräcara der Sohn des 
Cakti war, 

7. (i:i643.) und dafs der Weise Krishna Dvaipäyana der 
Sohn des Paräcara sei; und jetzt behauptest du, er sei ein 
Sohn des Xäräyana. 

8. (13644.) Handelt es sich dabei um eine vormalige Ge- 
burt des unermefslich kräftigen Vyäsa? Dann erzähle mir, 
o du Hochweiser, von jener seiner Geburt aus dem Näräyana. 

Vai^ampayana sprach: 

9. (i:t 645.) Als den Inhalt des Veda zu erkennen ver- 
langend, in Heiligkeit und Askese, mein Lehrer, in der Er- 
kenntnis beharrend, am Fufse des Himälaya safs 

10. (13646.) und, von Askese müde, mit Weisheit die 
Erzählung von den Bhärata's verfafste, da waren wir, ihn aufs 
höchste schätzend und ihm Gehorsam leistend, seine Schüler, 

11. (13647.) nämlich Sumantu, Jaimini, der gelübdetreue 
Paila und ich als vierter, sowie auch <>ka, der eigene Sohn 
des Vyäsa. 

12. (13 648.) Von diesen fünf vortrefflichen Schülern um- 
geben, erglänzte am Fufse des Himälaya, wie der von seinen 
Geisterscharen umgebene Herr der Geister (£iva), der hei- 
lige Vyäsa, 

13. (13649.) indem er den Veda samt Vedänga's und den 
Inhalt der Bhärata-Erzählungen allseitig in seinem Geiste be- 



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AdhyAya 351 (B. 349). 



851 



wegte. Wir aber ehrten mit Hingebung seine geistige Kon- 
zentration und Bezähmung. 

14. (13650.) Während einer Pause in den Unterredungen 
mit ihm befragten wir den Besten der Zwiegeborenen nach 
dem Sinne des Veda, dem Sinne der Bhärata-Erzählungen und 
so auch nach seiner Geburt aus Näräyana. 

15. (13 651.) Und nachdem der Wesenskundige uns über 
den Sinn des Veda und der Bhärata-Erzählungen belehrt hatte, 
fing er folgendermafsen an von seiner Geburt aus Närayana 
zu reden. 

IG. (13 652.) Vernehmt, ihr Brahmanen, die folgende, höchst 
vortreffliche, heilige Geschichte, welche sich zur Urzeit be- 
geben hat und durch Askese von mir in Erfahrung gebracht 
wurde. 

17. (13 653.) Als die siebente, mit dem Lotos anhebende 
Wesensschöpfung herannahte, da liefs Närayana, der über 
Gutes und Böses erhabene grofse Yogin, 

18. (13 654.) der unermefslich glänzende, zuerst aus seinem 
Nabel den Gott Brahmän hervorgehen. Als dieser in die 
Erscheinung getreten war, sprach zu ihm Närayana das Wort: 

19. (i:t655.) Aus meinem Nabel bist du geboren als der 
mächtige Wesenschöpfer; so schaffe denn, o Brahmän, die 
mannigfachen Wesen, die ungeistigen wie die geistigen. 

20. (13 656.) Auf diese Worte senkte Gott Brahmän mit 
sorgeerfulltem Geiste sein Antlitz, verneigte sich vor dem 
gabenspendenden Gotte, dem mächtigen Hari, und sprach: 

21. (13657.) Welche Kraft hätte ich, die Geschöpfe zu 
schaffen, o Gottherr, — Verehrung sei dir! — mir fehlt die 
nötige Einsicht, o Gott, bestimme, was geschehen soll. 

22. (13668.) Nach diesen Worten zog sich der Heilige in 
die Verborgenheit zurück und erdachte die Buddhi (die Weis- 
heit), er, der Beste aller Buddhibegabten. 

23. (13659.) In leibhaftiger Gestalt stellte sich darauf die 
Buddhi dem mächtigen Hari vor, und er, der über Aufgaben 
Erhabene, gab ihr eine Aufgabe auf, 

24. (13660.) indem der unvergängliche, mächtige Gott zu 
der im Yoga der Gottherrlichkeit stehenden, zielbewufsten, 
vortrefflichen Buddhi also sprach: 



852 



25. (13661.) „Gebe ein in den Gott Brahman, damit der 
Zweck der Weltschöpfung erreicht werde." Und auf Befehl 
des Herrn ging die Buddhi alsbald in jenen ein. 

26. (13662.) Als Hari ihn mit der Buddhi ausgestattet sah, 
sprach er abermals zu ihm das Wort: „Schaffe die mannig- 
fachen Geschöpfe!" 

27. (13663.) „So sei es!" sprach jener und verneigte sich 
dem Befehl des Hari entsprechend mit dem Haupte, worauf 
der Heilige in die Verborgenheit zurückging, 

28. (13664.) alsbald jenen dem Gotte zukommenden Zu- 
stand annahm und, zu seiner Natur zurückkehrend, zur Ein- 
heitlichkeit gelangte. 

29. (13665.) Da aber kam ihm wieder ein anderer Gedanke: 
„Geschaffen sind von dem höchsten Gotte Brahman diese 
mannigfachen Wesen, 

30. (13666.) aber von den Scharen der Daitya's, Dänava's, 
Gandharva's und Rakshasa's erfüllt, ist die Erde da zu einer 
überladenen und gequälten geworden. 

31. (136C7.) Auch werden die Daitya's, Dänava's und 
Rakshasa's auf der Erde zahlreich und stark werden und 
durch Askese ihre höchsten Wünsche verwirklichen. 

32. (i:tG68.) Dann aber werden sicherlich durch sie alle, 
wenn sie durch Erreichung ihrer Wünsche stolz geworden 
sind, die Götterscharen und die askesereichen RishTs be- 
drängt werden. 

33. (nt6G9.) Daher ist es erforderlich, dafs ich eine Ent- 
lastung bewirke, indem ich auf der Erde in verschiedenen 
Formen der Reihe nach erscheine, 

34. (13 670.) um die Bösen niederzuhalten und die Guten 
zu fördern. Dann wird diese gequälte, wackere Erde im- 
stande sein, sich zu halten. 

35. (13 671.) Denn von mir als einer in der Unterwelt 
hausenden Schlange wird sie getragen werden und von'mir 
gestützt wird sie imstande sein, die ganze Welt der Lebenden, 
Bewegliches und Unbewegliches, zu tragen. 

36. (1367-2.) Somit will ich die Rettung der Erde voll- 
bringen, indem ich in die Existenz eingehe." Nachdem der 



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Adhyfcya 351 (B. 349). 



S53 



heilige Madhusüdana in dieser Weise mit sich selbst zu Rate 
gegangen war, 

37. (13673.) schuf er zum Zwecke seines Entstehens in 
einer Verkörperung mancherlei Gestalten: den Eber, den 
Mannlöwen, den Zwerg und einen Menschen, 

38. (13674.) in der Absicht, durch diese die bösen Feinde 
der Götter zu töten. Nachdem er die Welt geschaffen hatte, 
liefs er, indem er sie von dem Laute bhoh widerhallen machte, 

39. (13 675.) die Rede (sarasvatij aus seinem Munde aus- 
gehen; daraus entstand Särasvata, der aus seiner Rede ge- 
borene, gewaltige Sohn, der auch Apäntaratamas heifst, 

40. (13 676.) des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünf- 
tigen kundig, Wahres redend und seine Gelübde haltend. 
Zu diesem, der sich mit dem Haupte verneigte, sprach der 
ewige Ursprung der Götter: 

41. (13677.) 0 Bester der Verständigen, der Mitteilung des 
Veda [durch mich] sollst du dein Ohr leihen! Befolge also 
mein Wort dem Befehle gemäfs, o Muni. 

42. (13 678.) Darauf wurden von diesem Rishi die Veden 
in ihre Teile zerlegt in der Weltperiode des Manu Sväyam- 
bhuva. Da freute sich der heilige llari über das von jenem 
verrichtete Werk, 

43. (13679.) über seine wohlgeübte Askese, Bezähmung 
und Selbstbezähmung. „Auch in künftigen Manuperioden, 
o Sohn, sollst du in derselben Weise verfahren, 

44. (13 680.) dann wirst du unerschütterlich und immerdar 
unüberwindlich sein, o Brahmane. Weiter aber, wenn das 
Zeitalter Tishya (Kali) herangekommen sein wird, dann werden 
Nachkommen des Bharata, welche Kuru's heifsen, 

4f>. (13681.) als hochsinnige Könige in der Welt berühmt 
leben. Bei diesen von dir Erzeugten wird ein Familienzwist 
ausbrechen, 

4G. (13682.) welcher zur gegenseitigen Ausrottung führen 
wird, dich ausgenommen, o Bester der Zwiegeborenen. Auch 
in diesem Zeitalter wirst du, durch Askese gefördert, die 
verschiedenen Veden in ihre Teile zerlegen. 

47. (13683.) Da das angebrochene Zeitalter ein dunkles 
sein wird, so wirst auch du als dunkelfarbig geboren werden. 



854 III. Mokshadharma. 

Als Vollbringer vieler Pflichten und Hervorbringer der Wissen- 
schaft 

48. (13684.) wirst du zwar an Askese reich, aber doch 
nicht frei von Leidenschaft sein; hingegen soll dein Sohn 
frei von Leidenschaft sein und zum höchsten Atman werden 
(13685.) durch die Gnade Mahecvara's; dies Wort wird nicht 
unerfüllt bleiben. 

49. (13 686.) Er, den die Brahmanen als einen geistigen 
Sohn des Urvaters, als mit höchster Weisheit begabt 
preisen, Vasishtha, dieses höchste Gefäfs der Askese, 
dessen Glanz den der Sonne überstrahlt, 

50. (13687.) wird als Nachkommen einen grofsen Weisen, 
den hochmächtigen Paracara, haben, und dieser treff- 
lichste Behälter des Veda, diese gewaltige Wohnstätte 
der Askese wird dein Vater sein. 

51. (13 688.) Als Jungfern söhn wirst du von diesem Rishi 
von einem deinem Vater sich hingebenden Mädchen ge- 
boren werden. 

52. (13689.) Alle Zweifel in betreff vergangener, gegen- 
wärtiger oder künftiger Dinge werden sich dir lösen. Denn 
alle vordem gewesenen Wechselfälle der Tausende von Welt- 
perioden 

53. (13690.) wirst du, von mir belehrt, um deiner Askese 
willen schauen. Und ebenso wirst du die Wechselfalle vieler 
Tausend [künftiger] Weltalter schauen, 

54. (i369i.) und auch mich, den anfanglos und endlos in 
der Welt waltenden Diskusbewehrten, sollst du durch das 
Denken an mich schauen, o Muni. Dies Wort wird nicht 
unerfüllt bleiben. 

55. (13 692 ) Dein Ruhm aber, o du Sattvareicher, wird un- 
vergleichlich sein. Weiterhin wird (>naiccara (Saturn), der 
Sohn der Sonne, als ein grofser Manu geboren werden, 

56. (13693.) und auch in der Periode dieses Manu sollst 
du als Oberster der Scharen dieses Manu geboren werden, 
o Teurer, durch meine Gnade, so ist es beschlossen. 

57. (13694.) Alles, was in der Welt geschieht, erfolgt auf 
meine Veranlassung; mag einer diesen oder jenen Wunsch 
hegen, ich bin es, der ihm seinen Willen verleiht.' 4 



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Adhyaya 3f>l (B. 349). 



855 



58. (13695.) Nachdem der Herr diese Worte zu dem Rishi 
Särasvata Apäntaratama (sie!) gesprochen hatte, sagte er: 
Du kannst nun gehen! (13696.) So bin denn ich [Vyäsa] durch 
die Gnade dieses Gottes Harimedhas 

59. zunächst als Apantaratamas auf Befehl des Hari ins 
Leben getreten (13697.) und wiederum bin ich geboren worden 
als der berühmte Nachkomme des Vasishtha. 

tiO. Damit habe ich euch meine frühere Geburt erklärt, 
(13C98.) wie sie durch die Gnade des Närayana und als ein 
Teil des Närayana selbst stattgefunden hat. 

Ol. Denn von mir ist sehr grofse, höchst furchtbare 
Askese vordem geübt worden (13 699.) unter tiefster Versenkung, 
o ihr Besten der Verständigen. 

f>2. Damit habe ich euch, meine lieben Söhne, alles er- 
klärt, wonach ihr mich gefragt habt, (l.aoo.) meine vergangene 
und meine künftige Geburt, aus Liebe zu euch, die ihr an 
mir hängt. 

Vai^ampayana sprach : 

b\3. (i3 7oi.) Damit, o König, habe ich dir die früheren 
Geburten unseres Lehrers, des makellosen Vyäsa, nach denen 
du mich fragtest, erzählt. Höre nun weiter. 

f>4. (13702.) Das Sänkhyam, der Yoga, das Paficaratram, 
die Veden und das Päcupatam, dies«' Wissenschaften, o Königs- 
weiser, behandeln mancherlei Gegenstände. 

65. (13 703.) Als Urheber des Sankhyam gilt der höchste 
Rishi Kapila, als Kinführer des Yoga Iliranyagarbha und 
kein anderer Weiser der Vorzeit. 

0(i. (13 704.) Apantaratamas hingegen wird als der Lehrer 
der Veden bezeichnet; diesen Weisen nennen einige Praeina- 
garbha. 

f>7. (i37oro Der Gatte der l'ma hinwiederum, der Herr 
der Geister, (,'rikantha, der Sohn Rrahmün's, (,'iva war es, 
welcher gesammelten Geistes das Päcupatam offenbarte. 

f>8. (13700.) Der Einführer des gesamten Paficaratram ist 
der Heilige selbst, und überhaupt ist für alle diese Wissen- 
schaften, o bester Fürst, 

f>9. (13707.) wie auch ihre Überlieferung und Lehre sein 



850 



111. Mokthadliarma. 



mag, der herrliche Näräyana die Grundlage. Die in der 
Finsternis Befangenen freilich kennen ihn nicht, o Völkerherr, 

70. (13 708.) aber alle die einsichtigen Urheber der Lehr- 
bücher preisen ihn, den weisen Näräyana, als die Grundlage 
und keinen andern, so sage ich. 

71 (1370».) Bei allen, die frei von Zweifel sind, wohnt 
immerdar Hari, aber bei den zweifelbehafteten Disputierern 
wohnt Madhava nicht. 

72. (i3 7io.) Was aber die Kenner des Päncarätram, die 
Höchsten in dieser Rangordnung, betrifft, welche mit alleiniger 
Liebe ihm nahen, die gehen sicherlich zu Hari ein. 

73. (i37ii.) Das Sänkhyam und der Yoga sind beide 
ewig und ebenso alle Veden samt und sonders, o König; 
von allen ihren Rishi's aber wird bekannt, dafs Näräyana 
dieses alte Ganze ist. 

74. (13 712.) Und alles, was an guten und bösen Werken 
hervortritt und in allen Welten sich entwickelt, das stammt 
von diesem Rishi her, mag es im Himmel, im Luftraum, 
auf der Erde oder in den Wassern vor sich gehen, so 
soll man wissen. 

So lautet im Mokthadharma die Entatehungagcachicht« des DvaipAyana 

(Dcaipdyana-utpaiti). 



AdhyAya 352 (B. 350). 

Vers 13713-13739 (B. 1-27). 

Janamejaya sprach: 

1. (13 713.) 0 Brahmane, gibt es viele Purusha' s oder nur 
einen ? Und welcher unter allen ist der beste Purusha, welcher 
ist als ihr Ursprung zu betrachten? 

Vai£ampayana sprach: 

2. (13 7H.) In der Welt gibt es viele Purusha's nach der 
Betrachtungsweise des Sänkhyam und Yoga, und das heiXsen 
sie nicht gut, o Kurusprofs, dafs es nur einen Purusha gäbe. 



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Adhyäya 352 (B. :3')0). 



857 



3. (13 71&.) Da [in Wahrheit aber] die vielen Purusha's nur 
einen Ursprung haben, so will ich dir diesen allbefassenden, 
kraftüberlegenen Purusha erklären, 

4. (13716.) nachdem ich meine Verehrung meinem Lehrer 
Yyäsa bezeigt habe, dem Atmankenner, dem askesereichen, 
bezähmten, zu verehrenden höchsten Rishi. 

5. (13717.) Denn diese Verherrlichung des Purusha, welche 
in allen Veden, o Fürst, als das Rechte und Wahre verkündigt 
wird, ist von jenem Rishilöwen durchdacht worden. 

6. (13718.) In Darlegung und Bestreitung sind von Rishi's 
wie Kapila und anderen, indem sie die innere Seele über- 
dachten, die Lehrsätze aufgestellt worden, o Bharata. 

7. (13 719.) In Kürze aber will ich dir das, was Vyäsa über 
die Einheit des Purusha gelehrt hat, mitteilen dank der Gnade 
des unermefslich Kraftvollen. 

8. (13 720.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung des Tryambaka (Civa) 
mit Gott Brahmän, o Völkerherr. 

0. (13 721.) In der Mitte des Milchmeeres erhebt sich wie 
Gold glänzend der herrliche Berg Vaijayanta, o Fürst. 

10. (13 722.) Diesen Berg Vaijayanta besucht beständig 
von seinem Strahlensitze aus der Gott [Brahmän], um in 
der Einsamkeit das Wesen des innern Selbstes zu über- 
denken. 

1 1. (13723.) Als einstmals der weise Gott mit den vier An- 
gesichtern dort safs, kam zufällig (,'iva herbei, der aus seiner 
Stirn entsprungene Sohn. 

12. (13 724.) Als grofser Yogin durch die Luft fahrend, liefs 
sich damals der dreiaugige Herr alsbald aus dem Lufträume 
herab auf den Gipfel des Berges. 

V\. (13 725.) Erfreut trat er vor jenen und verehrte ihn zu 
seinen Füfsen. Als Brahmän ihn zu seinen Füfsen sah, rich- 
tete er ihn mit der linken Hand auf, 

14. (13726.) und er, der einige, mächtige Prajäpati, der 
heilige, sprach zu seinem ihn nach langer Zeit wieder be- 
suchenden Sohne. 



858 



III. Mokshadharma. 



Der Urrater sprach: 

15. (13 727.) Willkommen, o Grofsarmiger ! Zur guten Stunde 
bist du mir genaht! Steht es immer noch gut bei dir, o Sohn, 
um Studium und Askese? 

16. (13728.) Du bist ja allezeit ein gewaltiger Asket, darum 
stelle ich dir immer diese Frage. 

Rudra sprach: 

17. (13 729.) Durch deine Gnade, o Heiliger, steht es gut 
bei mir mit Studium und Askese und ebenso um das be- 
ständige Wohlergehen der ganzen Welt. 

18. (13 730.) Schon lange habe ich dich auf deinem Strahlen- 
sitze beobachtet und bin nun zu diesem Berge gekommen, 
der von deinen Füfsen betreten wird. 

19. (13 731.) Dein Wandel in der Einsamkeit hat meine 
Neugierde erregt, es mufs keine geringe Ursache sein, die 
dich dazu veranlafst, o Urvater. 

20. (13 732.) Wie kommt es, dafs du deinen herrlichen Sitz, 
auf dem es nicht Hunger noch Durst gibt, der von Göttern 
und Dämonen bewohnt, von unermefslich glänzenden Rishi's, 

21. (13733.) von Gandharven und Apsaras immerfort be- 
sucht wird, dafs du diesen herrlichen Berg verlassen hast, 
um dich hier in die Einsamkeit zurückzuziehen? 

■ 

Gott Brahman sprach: 

22. (13 734.) Der vortreffliche Berg Vaijayanta wird immer 
wieder von mir aufgesucht, weil ich hier mit ungeteiltem Geiste 
nachdenken kann über den allerwärts strahlenden fvirätj 
Purusha. 

Rudra sprach: 

23. (13735.) Viele Purusha's sind von dir, dem Durchsich- 
selbstseienden , geschaffen worden, o Brahman, und neue 
werden immer noch geschaffen, und dabei soll es nur einen 
allwärts strahlenden Purusha geben! 

24. (13736.) Wer ist denn dieser eine höchste Purusha, 
o Brahman, über den du nachdenkst? Löse mir diesen Zweifel, 
danach trage ich grofses Verlangen. 



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Adhyaya 352 (B. 350). 



859 



Gott Brahman sprach: 

25. (13737.) 0 Sohn, allerdings gibt es die vielen Purusha's, 
welche von dir erwähnt wurden; in diesem Sinne ist jene 
Einheit als aufgehoben anzusehen und auch wiederum als 
nicht aufgehoben. 

20. (13 738.) Ich will dir aber den Bereich jenes einen 
Purusha erklären, inwiefern er als der einzige Ursprung der 
vielen Purusha s zu bezeichnen ist. 

27. (13 739.) Denn darauf beruht es, dafs in jenen höchsten, 
allergröfsten, ewigen, allbefassenden, gunalosen Purusha die 
gunalos gewordenen (Purusha's) eingehen. 

So lautet im Mokfhadharma 
in der Geschichte vom Xarayana die Unterredung zwischen Gott IJrabman und Budra 

(Sdrdyan lyr Brahma - Rwtra • tamrdda ), 

Arihy&ya 353 (B. 351). 

Vers 13740-13763 (B. 1-23). 

Gott Brahman sprach: 

1. (13 740.) Vernimm, o Sohn, inwiefern jener eine Purusha 
als der ewige, unvergängliche, unzerstörbare, unermefsliche, 
allgegenwärtige bezeichnet wird. 

2. (13 741.) Dieser Purusha kann nicht von dir geschaut 
werden, o bester, noch auch von mir oder von anderen, so- 
fern sie gunahaft sind. Nur von (Junafreien kann der All- 
befassende mit dem Auge der Erkenntnis geschaut werden. 

3. (13 742 ) Körperlos wohnt Kr in allen Körpern, und ob- 
gleich er in den Körpern wohnt, wird er doch nicht durch 
die Werke befleckt. 

4. (13 743.) Er ist meine innere Seele und die deine und 
aller, die das Merkmal der Körperlichkeit an sich tragen, er 
ist der Zuschauer fsäkwhiti) in allen und kann daher von 
keinem irgendwo geschaut werden. 

5. (13 744.) Allüberall ist sein Haupt, allüberall seine Arme 
und Füfse, Augen und Nase, als einziger weilt er in den Fel- 
dern (kshäraj, nach freiem Willen waltend, wie es ihm beliebt. 



8(50 



IIL Mokshadharma. 



6. (13 746.) Die Felder ffohctraj sind die Leiber, und der 
Same in ihnen ist das Gute und Böse, diese Felder erkennt 
jener yogabeflissene Atman, darum wird er der Kshetrajna 
genannt. 

7. (13 74«.) Sein Kommen und Gehen in den Wesen ist für 
keinen erkennbar. Durch Sänkhyamethode und stufenweise 
gesteigerten Yoga 

8. (13747.) überdenke ich seinen Gang, aber sein höchstes 
Ziel kenne ich nicht. Aber soweit meine Erkenntnis reicht, 
will ich dir den ewigen Purusha erklären. 

9. (13748.) Er hat Einheit und hat Gröfse, er heifst der 
eine Purusha, er, der Eine und Ewige, wird der grofse Purusha 
genannt. 

10. (13 749.) Er, der Eine, wird als das opferverzehrende 
Feuer an vielen Orten entzündet, er, der Eine, ist als 
Sonne die einzige Quelle der Glut, er, der Eine, weht 
als der Wind vielfach in der Welt, er, der Eine, ist als 
der grofse Ozean die Wiege der Gewässer; (13750.) er ist 
der eine, allgestaltige, gunalose Purusha, zu ihm, dem 
Gunalosen, gehen die Erlösten ein. 

11. (13751.) Aufgebend alles Gunahafte, aufgebend das gute 
und böse Werk, beide hinter sich lassend, die Wahrheit 
und die Unwahrheit, so wird der Mensch von den Guna's 
befreit. 

12. (13 752.) Wer ihn erkennt als unausdenkbar, geheimen 
Wesens, in seiner Vierfaltigkeit [als Aniruddha, Pradyumna, 
Sankarshana, Vasudeva], und wer in Demut wandelt, der ge- 
langt zu dem lichten Purusha. 

13. (13753.) In dieser Weise lehren manche Gelehrten von 
diesem Ätman, dafs er der höchste Ätman sei, und andere 
Forscher erklären ihn für den einzigen Ätman. 

14. (13754.) Sofern er der höchste Atman ist, wird er als 
der ewig Gunafreie geschildert, und er ist Näräyana, das soll 
man wissen, denn dieser ist der allbeseelende Purusha. 

15. (13755.) Er wird nicht von den Werkfrüchten befleckt, 
wie das Lotosblatt nicht von dem Wasser, aber als Werk- 
behafteter ist er ein anderer, der Erlösung und Bindung 
unterworfen. 



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Adhy&ya 353 (B. 351 1. 



8f»l 



16. (13756.) Als solcher ist er mit dem siebzehnfachen 
Aggregate behaftet, und insofern ist dir der Purusha als in 
sich vielfältig nach seinen einzelnen Teilen geschildert worden. 

17. (13 757.) Er ist das, was man als die ganze höchste 
Befassung des Weltgewebes erkennen mufs, er ist der 
Erkennbare und der Erkenner, der Denker und das Denk- 
bare, der Verzehrer und das Verzehrbare, Riecher und 
Riechbares, Fühler und Fühlbares, 

18. (13 758.) Seher und Sichtbares, Hörer und Hörbares, 
Erkenner und Erkennbares, das Gunahafte und das Guna- 
lose; er ist auch das, was als das allbefassende Pradhä- 
nam (die Prakriti), das beständige, ewige, unvergäng- 
liche, bezeichnet wird. 

19. (13759.) Sofern er die erste Schöpfung des Schöpfers 
erzeugt, insofern nennen ihn die Brahmanen Aniruddha; 
und auch was in der Welt das löbliche vedische, mit 
Wünschen behaftete Werk ist, (13 7G0.) auch das mufs ihm 
zu Ehren dargebracht werden. 

20. Alle Götter und wohlberuhigten Muni's spenden 
ihm vor dem Altare den Opferanteil. (ia tci.) Ich, der 
Gott Brahmän, der erste Herr der Geschöpfe, bin von 
ihm geboren, und du bist wiederum von mir erzeugt 
worden; 

21. von mir auch stammt die Welt des Beweglichen 
und Unbeweglichen, o Sohn, mitsamt den Veden und 
den Upanishad's (rahasyam), 

22. fi3 7ß2.) In seinen vier Erscheinungsformen treibt der 
Purusha sein Spiel, wie er will. Und ebenso wird der Heilige 
durch sein eigenes Erkennen zu einem Erweckten. 

23. (13 7«3.) Damit habe ich dir, o Sohn, erklärt, wonach 
du fragtest, wie es in der Sankhyalchre und im Yoga aus- 
geführt worden ist. 



8o lautet im M.'khiiHilli.irtn.t .l. r SoMuf» d« r Oen lii< l.t.- vom XArAyan» 

; S>i> t'ni.tniaom <au> ij.t>im). 



862 III. Mokshadharma. 

Adhyftya 354 (B. 352). 

Vers 13764-11774 (B. 1-11). 

Yudhisbthira sprach: 

1. (13 764.) Die schönen Pflichten, welche sich auf die Er- 
lösungslehre beziehen, sind von dir, o Grofsvater, dargelegt 
worden. Nun sollst du mir, o Herr, die höchste Pflicht der 
die Lebensstadien Befolgenden nennen. 

Bhlshma sprach: 

2. (13765.) Allbefassend ist die Pflicht. Der Himmel ist 
der grofse Lohn für die Wahrheit. Viele Eingangspforten 
hat die Pflicht, keine Bemühung um sie ist ohne Frucht, 

3. (13 766.) und wenn einer sich für einen Zweig derselben 
entschieden hat, so pflegt er nur diesen und keinen andern 
zu schätzen, o Bester der Bharata's. 

4. (13 767.) So vernimm denn, o Manntiger, von mir folgende 
Geschichte, welche vormals von dem grofsen Weisen Narada 
dem (^akra (Indra) erzählt wurde. 

5. (13 768.) Der grofse Rishi, der vollendete, von den drei 
Welten geehrte Narada, durchwandert nacheinander die Welten 
ungehemmt wie der Wind, o König. 

6. (13769.) Einstraals, o grofser Bogenschütze, gelangte er 
zu der Wohnung des Götterkönigs, und von dem grofsen 
Indra gastlich aufgenommen, blieb er in seiner Nähe. 

7. (13 770.) Indem er nun behaglich dasafs, fragte ihn der 
Gatte der Q&c\ : 0 grofser Rishi, ist dir irgend etwas Wunder- 
bares begegnet, o Untadliger, 

8. (13 771.) dieweil du doch, o Brahmanenpriester, die drei 
Welten mit allem Beweglichen und Unbeweglichen immer- 
fort als ein Vollendeter, teilnehmend gleichwie ein Zuschauer, 
durchstreifst ? 

9. (13 772.) Es gibt ja nichts in der Welt, was dir, o Götter- 
weiser, unbekannt wäre. Wenn du etwas gehört, erlebt oder 
gesehen hast, so erzähle es mir. 

10. (13773.) Da, o König, erzählte Narada, der Beste der 



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Adhyaya 354 (B. 352). 803 

Redner, dem dasitzenden Götterfürsten auf sein Ansuchen 
eine grofse Geschichte. 

11. (13774.) Wie und auf welche Weise der Beste der 
Zwiegeborenen jenem auf seine Frage die Geschichte erzählt 
hat, so sollst auch du sie von mir zu hören bekommen. 

So lautet im Mokihadbarma die Krziihlung vom Ährenleser 

(uneharritti- upäkhy&namj . 



Adhyftya 355 (B. Soli). 

Vers 13775-137«3 (B. 1-9). 
Bhishma sprach : 

1. (13775.) Es lebte einmal, o Bester der Männer, in der 
treft'lichen Stadt Mahapadmam, am rechten Ufer der Gangä, 
gesammelten Geistes, 

2. (13 776.) leutselig, aus der Familie des Sorna, im Veda 
beschlagen, von Zweifeln frei, in der Pflicht beharrend, ohne 
Zorn, allezeit zufrieden, mit bezähmten Sinnen, 

3. (13777.) an Askese und Studium seine Freude habend, 
wahrhaft, von den Guten geehrt, mit rechtlich selbsterworbenem 
Reichtum und gutem Charakter ausgestattet, 

4. (13 778.) in einer an Verwandten und Bekannten reichen, 
einer Vereinigung von Tugenden vergleichbaren grofsen und 
berühmten Familie, einer ausgezeichneten Lebensführung sich 
befleifsigend [ein Brahmane]. 

5. (13 779) Er hatte viele Söhne, betrieb grofse Opfer- 
werke, indem er die Familienpflicht treu erfüllte, o König, 
und beharrlich war in pflichtmüfsigera Wandel. 

f>. (13 78t).) Die vom Veda vorgeschriebene Pflicht, sowie 
die von den Lehrbüchern geforderte und auch die von den 
Weisen geübte, diese dreifache Pflicht überdachte er in seinem 
Geiste. 

7. (i378i.) Was erwächst mir daraus, dafs ich das Gute 
übe, was habe ich damit erreicht und was ist mein höchstes 
Ziel? Mit solchen Fragen quält er sich immerfort und kommt 
darüber nicht ins Klare. 



864 



III. Mukshadhnruia. 



8. (13 782.) Indem er eich so abquälte und sich der höchsten 
Pflichterfüllung beflifs, kam einstmals ein Gast zu ihm, ein 
wohlgesammelter Brahmane. 

9. (13783.) Den nahm er gastlich auf. in zeremonieller 
Weise, und als dieser, ermüdet, behaglich dasafs, sprach er 
zu ihm folgendermafsen. 

So Uutet im Mokihadharma die Erzählung vom ÄhrenleaeT 

(uticMarritti - ttpdkhydnant). 



Adhyftya 356 (B. 354). 

Vera 13784-13799 (B. 1-16). 

Der Brahmane sprach : 

1. (13784.) Ich fühle mich zu dir hingezogen durch die 
Lieblichkeit deiner Rede, o Untadliger; du bist mir ein Freund 
geworden. Ich mufs dir etwas sagen; höre mich an. 

2. (13 785.) Nachdem ich, o Brahmane, die Pflicht des Haus- 
vaters, welche Nachkommenschaft fordert, erfüllt habe, möchte 
ich gern die höchste Pflicht vollbringen. Welcher Weg führt 
dazu, o Zwiegeborener? 

3. (13 786.) Dem Atman zugewendet, sehne ich mich danach, 
in dem Atman allein festgewurzelt zu sein, und wünsche es 
doch wieder nicht, weil ich in den allgemein menschlichen 
Fesseln fgunaj gebunden bin. 

4. (13 787.) Ehe noch dieses auf die Erzielung von Nach- 
kommenschaft gerichtete Lebensalter verstrichen ist, möchte 
ich mich mit Wegekost für die Reise in die andere W r elt 
versehen. 

5. (13 788.) In dieser Weltflut befangen, trachte ich nach 
dem jenseitigen Ufer, und die Sorge beschäftigt mich, woher 
ich das aus Pflichterfüllung bestehende Schiff erlangen kann. 

6. (13 789.) Wenn ich wahrnehme, wie in der W r elt auch 
sattvahafte (gute) Wesen, nachdem sie sich zusammen- 
gefunden haben, auseinandergesprengt werden, wenn ich 
sehe, wie über den allwärts verbreiteten Menschen ein 
heuchlerischer Heiligenschein schwebt, 



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Adhyaya 356 (B. im). 



865 



7. (13790.) und wenn ich sogar sehen mufs, wie die 
Selbstbezwinger an fremden Türen betteln gehen, dann 
gerät mein Geist nicht mehr in Erregung bei einer 
Gelegenheit zum Genüsse; darum mögest du, o Gast- 
freund, vermöge deiner auf die Kraft der Erkenntnis 
sich stützenden Pflicht auch mich zur Pflichterfüllung 
anleiten. 

8. (13 791.) Als der Gast diese Worte des die Pflicht zur 
Sprache bringenden ßrahmanen hörte, da sprach der Ver- 
ständige mit sanfter Stimme das milde Wort. 

Der Gast sprach: 

i». (13792.) Auch ich bin hierüber nicht im klaren, auch 
mich erfüllt dasselbe Verlangen wie dich, und doch kann ich 
nicht zur Gewifsheit gelangen über die vielen Wege, die zum 
Himmel führen sollen. 

10. (13 7H3.) Einige rühmen die Erlösungslehre, andere 
Hrahmanen den Lohn der Opferwerke, einige fufsen darauf, 
dafs sie Waldeinsiedler, andere, dafs sie Hausväter sind, 

1 1. (13794.) manche stützen sich auf die Königspflicht, 
manche hoffen auf die Frucht des Atmanwissens, andere 
empfehlen den Gehorsam gegen die Lehrer, und wieder andere 
das Gelübde des Schweigens, 

12. (13 795 ) manche sind für ihren Gehorsam gegen Vater 
und Mutter zum Himmel gelangt, andere durch Schonung der 
Wesen, und wieder andere durch Aufrichtigkeit, 

13. (13 79r,.) viele boten im Kampfe dem Feinde die Krust 
und gelangten erschlagen zum Himmel, andere suchten die 
Vollendung durch das Gelübde des Ahrenlesens und sehlugen 
diesen Weg zum Himmel ein, 

14. (13797.) manche Edlen ergaben sich dem Studium, das 
Vedagelübde befolgend, und sind als Weise, Zufriedene, be- 
zähmte zum Himmel gelangt, 

15. (13798.) wieder andere hielten fest an der Kechtsehaften- 
heit, liefsen sich von den Ungerechten unterdrücken und 
stiegen als Gerechte mit reiner Seele zum Kücken des Him- 
mels empor. 

i)rv»«Eif, M»hAbh»T»t»m r»r» 



866 



III. Mokshadharma. 



16. (13799.) Da so mannigfache Himmelswelten durch 
die Pforten der Pflicht offenstehen, so wird auch mein 
Geist hin und her getrieben, wie ein Wolken streifen durch 
den Wind. 

So lautet im Mokahadbarma die Erziblnng vom Ährenleser 

(unchaeritti - updkhydnam). 



Adhyäya 357 (B. 355). 

Vers 13800-13810 (B. 1-11). 

Der Gast sprach [weiter]: 

1. (13 800.) 0 Brahmane, ich will dir die Unterweisung in 
folgerechter Weise übermitteln, wie sie mein Lehrer mir mit- 
geteilt hat; vernimm von mir den wahren Sachverhalt. 

2. (13801.) Wo einstmals in einer frühern Weltperiode 
das Rad der Pflicht ins Rollen gebracht wurde, da hegt im 
Naimishawalde am Ufer der Gomati eine nach den Xaga's 
(Schlangen) benannte Stadt. 

3. (13 802.) Dort war von den vereinigten dreifsig | Göttern] 
geopfert worden, o Stier der Zwiegeborenen , und dort war 
auch dem besten Könige Mändhätar die Überwindung des 
Indra gelungen. 

4. (13803.) Dort hat ein pflichtkundiger, grofser Schlangen- 
genius seinen Wohnsitz aufgeschlagen, ein grofser Näga, 
welcher Padmanäbha oder auch Padma genannt wird. 

5. (13804.) In Worten, Werken und Gedanken, o Stier der 
Zwiegeborenen, auf dem dreifachen Pfade [des Opfers, der 
Erkenntnis und der Verehrung, Nil.] beharrend, macht er 
sich die Wesen holdgesinnt. 

6. (13805.) Mit Begütigung, Erregung von Zwietracht [unter 
den Feinden], Schenken und Strafen, mit diesen vier Mitteln 
regiert er, beobachtend und erwägend, die Ungerechten und 
die Gerechten. 

7. (13806.) Ihn besuche (atxkramya) und befrage ihn in 
vorschriftsmäfsiger Weise nach dem, was du wissen willst 



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Adhyaya 357 (B. 355). 



867 



Er wird dir aufrichtig die Belehrung über die höchste Pflicht 
geben. 

8. (13807.) Denn dieser Näga ist allen Gästen freundlich 
gesinnt, mit Weisheit und Gelehrsamkeit begabt und mit 
allen wünschenswerten, unvergleichlichen Tugenden ge- 
schmückt. 

9. (13808.) Er ist von Natur immer zu Waschungen ge- 
neigt, immer am Studium sich erfreuend, in Askese und Be- 
zähmung geübt und von edlem Lebenswandel, 

10. (13809.) opferfreudig, freigebig, nachsichtig, von vor- 
trefflichem Benehmen, wahrheitliebend, nicht mifsgünstig, 
charaktervoll, Herr seiner Sinne, 

11. (13810.) Restspeise essend, leutselig im Reden, 
wohlgesinnt, rechtschatten, vornehm, des Geleisteten und 
Nichtgeleisteten eingedenk, keine Feindschaft hegend, 
auf das Wohl der Wesen bedacht, von einer Familie so 
rein wie die Wasserfluten der Gaiigä. 

So lautet im Mukahadharma die Erzählung vom Ährenleser 

(uTtcharritti • uj'dkhydnam). 

Adhyftya 358 (B. 356). 

Vers 13811-13821 (R 1-11). 

Der Rrahmane sprach: 

1. (13811.) Eine schwere Last lag auf mir, und ich fühle 
mich jetzt bedeutend erleichtert, nachdem ich diese höchstes 
Vertrauen einflöfsenden Worte von dir vernommen habe. 

2. (13812.) Wie für den vom Wandern Ermatteten das 
Lager, wie für den vom Stehen Ermüdeten der Sitz, wie für 
den Durstigen der Trank, für den Hungrigen die Nahrung, 

3. (13813.) für einen Gast die rechtzeitige Erlangung der 
von ihm erbetenen Speise, wie für einen alten Mann ein 
eigener Sohn, nach dem die Sehnsucht in ihm lange be- 
standen hat, 

f>5* 



8f>K 



III. Mokshadharrua. 



4. (138U.) wie das Wiedersehen mit einem lieben Freunde, 
den man im Geiste herbeigewünscht hat, so erfrischend ist 
für mich das von dir gesprochene Wort 

5. (13815.) Wie einer, der den Blick nach oben richtet, 
schaue ich und überlege ich, denn von einer verständigen 
Rede ausgehend ist die Unterweisung, die du mir ge- 
geben hast. 

6. (13816.) Gewifs werde ich nach dem handeln, was 
du, o Herr, mir anrätst. Diese Nacht, o Guter, verweile 
bei mir, 

7. (13817.) erst morgen früh magst du erquickt nach be- 
haglichem Verweilen weiterziehen, denn schon hat jener 
heilige Sonnengott mit matteren Strahlen sein Haupt gesenkt. 

Bhishma sprach: 

8. (13818.) Nachdem der Gast von jenem gastfreundlich 
aufgenommen war, o Feindetöter, verbrachte er die folgende 
Nacht bei dem Z wiegeborenen. 

9. (13819.) Während die beiden sich über das vierte Lebens- 
stadium und was damit zusammenhängt unterhielten, ver- 
strich die ganze Nacht, als wäre sie ein Tag, in angenehmer 

Weise. 

10. (138^0.) Als der Tag anbrach, wurde der Gast von 
dem Brahmanen, der danach verlangte, seine Absicht aus- 
zuführen, nach besten Kräften geehrt. 

11. (i3 8'.»i.) Darauf begab sich der rechtschaffene Brah- 
mane, nachdem er alle seine Geschäfte richtig besorgt 
und von seinen Leuten Abschied genommen hatte, als- 
bald mit wohlgefestigter Absicht zu der ihm bezeichneten 
Behausung des Schlangenfursten. 

So lautet im Mokshadharm« die Ereahhrog Tom Ährenleser 

(uZchatrUti.updkhydnam). 



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Adhyaya 359 (B. 357). 



869 



Adhyftya 359 (B. :«57). 

Vers 13822-13834 (B. 1-13). 
Bhlshm» sprach : 

1. (13822.) Nachdem er der Reihe nach an mancherlei 
Wäldern, Furten und Gewässern vor übergekommen war, be- 
gegnete er einem Muni. 

2. (13823.) Den befragte der Brahmane in höflicher Weise 
nach dem von jenem Weisen ihm beschriebenen Naga, und 
nachdem er Antwort bekommen hatte, ging er hin. 

3. (13824.) Als der Verständige der Unterweisung gemäfs 
zu der Behausung des Naga gelangt war, sagte er mit an- 
mutiger Wortwendung: Hier bin ich, o Herr! 

4. (13 825.) Da liefs sich auf dieses Wort die anmutige, 
pflichtergebene, ihrem Gatten getreue Gattin des Naga vor 
dem Brahmanen sehen. 

ö. (13826 ) Diese, ihre Pflicht hochhaltend, erwies ihm die 
gebührende Ehrung, hiefs ihn willkommen und sprach : „Was 
soll ich tun?" 

Der Brahmane sprach : 

(}. (13 827.) Als müder W anderer bin ich durch das freund- 
liche Wort der Herrin geehrt worden; ich wünsche den gött- 
lichen, trefflichsten Naga zu sehen, o Herrin. 

7. (13828) Das ist mein eigentlicher Zweck, das ist mein 
höchster Wunsch, in dieser Angelegenheit bin ich heute zu 
der Schlangenwohnung gekommen. 

Die Gattin des Naga sprach: 

s. (13829.) Mein Gatte ist für einen Monat abwesend, um 
den Wagen des Sonnengottes zu ziehen, mufs aber in sieben 
bis acht Tagen sicher wieder hier erscheinen. 

9. (13830.) Damit möge dir der Anlafs für die Abwesen- 
heit meines Gatten bekannt sein; sage mir, was ich sonst 
noch für dich tun kann. 



870 



III. Mokshadharma. 



I 



Der Brahmane sprach: 

10. (13831.) Nur aus jener Absicht bin ich hierherge- 
kommen, o gute Frau, und will nun in dem grofsen Walde 
dort verweilen und seine Ankunft erwarten, o Herrin. 

11. (13832.) Sobald er zurückgekehrt sein wird, möge ihm 
unfehlbar meine Ankunft hier gemeldet werden, und der glück- 
lich Zurückgekehrte möge mein Wort durch dich übermittelt 
erhalten. 

12. (13833.) Inzwischen werde ich dort auf jener schönen 
Sandbank der Gomati wohnen, indem ich für die von dir ge- 
nannte Zeit meine Nahrung einschränke. 

13. (13834.) Nachdem der Weise der Schlangenfrau diese 
Weisung zu wiederholten Malen erteilt hatte, begab sich der 
Brahmanenstier auf jene Sandbank des Flusses. 

So lautet im Mok«h»dharm» die Ewlhlong vom Ährenle«« 
(ȀchatriUi - updkhyAnam). 

Adhyaya 360 (B. 358). 

Vers 13835-13847 (B. 1-13). 
Bhlshma sprach: 

1. (13 835.) Als nun aber jener asketische, vortreffliche 
Brahmane dort verweilte, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, 
da wurden die Schlangenleute besorgt. 

2. (13836.) Alle Angehörigen des Näga, seine Brüder, 
Kinder und Gattin taten sich zusammen und begaben sich zu 
dem Brahmanen. 

3. (ia «37.) Da sahen sie den Zwiegeborenen auf der ab- 
geschiedenen Sandbank seinem Gelübde treu dasitzen, ohne 
Nahrung und mit Murmelung beschäftigt. 

4. (13838.) Alle Angehörigen des gastlichen [Näga] be- 
gaben sich zu ihm hinüber, verehrten den Brahmanen zu 
wiederholten Malen und sprachen zu ihm das offene Wort: 

5. (13 839.) Nun sind es schon sechs Tage, o Askesereicher, 



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Adhyäya 360 (B. 358). 



871 



dafs du hier angekommen bist, und du redest nicht im min- 
desten davon, zu essen, o Freund der Pflicht. 

0. (13 840.) Du bist zu uns gekommen, darum suchen wir 
dich hier auf; wir müssen für ihn die Pflicht der Gastfreund- 
schaft üben, denn wir gehören alle zu seiner Familie. 

7. (13 841.) Eine Wurzel oder eine Frucht, ein Blatt oder 
etwas Milch, o Bester der Z wiegeborenen, oder etwas Speise 
solltest du um der Ernährung willen geniefsen, o Brahmane. 

8. (13S42.) Dadurch, dafs du, in diesem Walde wohnend, 
die Nahrung verweigerst, fühlt sich diese ganze Gesellschaft, 
jung und alt, beschwert von dem Bewufstsein, ihre Pflicht 
zu vernachlässigen. 

( X (13 843.) Unter uns gibt es keinen Embryotöter, keinen, 
der bei einem eingetretenen Unfälle nicht das Rechte täte, 
keinen in der ganzen Familie, der essen möchte, ehe Götter, 
Gäste und Angehörige gespeist haben. 

Der Brahmane sprach : 

10. (13844.) Infolge eures Anerbietens nehme ich die Speise 
als genossen an für die Zeit von zehn weniger zwei Nächten 
bis zur Rückkunft des Nüga. 

11. (13 845.) Sollte aber nach Verlauf von acht Nächten 
der Schlangenherr nicht zurück sein, ho werde ich Nahrung 
zu mir nehmen, denn auf ihn zielt mein Gelübde hin. 

12. (13H46.) Ihr braucht euch nicht zu beunruhigen, geht 
nur wie ihr gekommen seid, auf ihn zielt alles, was ich tue, 
und darin dürft ihr mich nicht stören. 

13. (13 847.) So wurden die Schlangenleute von dem Brah- 
manen verabschiedet und gingen unverrichtetcr Sache wieder 
nach Hause, o Männerstier. 



So lautet im M<>kit>*))>iarmft <1i* KT/äh)nng vom Ahrrnlf k r 



872 



III. Mokshadharnia. 



Adhyftya 361 (B. 359). 

Vera 13848-13863 (B. 1-16). 
BHshma sprach: 

1. (13848.) Als nun lange Zeit verstrichen war, kam der 
Schlangenherr nach Hause zurück, nachdem er seine Auf- 
gabe erlullt hatte und vom Sonnengotte entlassen worden war. 

2. (13 84» ) Ihm kam die Gattin mit der Fufswaschung und 
anderen Leistungen entgegen, und als die Gute zu ihm heran- 
trat, da fragte sie der Schlangenherr: 

3. (13 860.) Bist du auch, o Schöne, fleifsig gewesen in 
Ehrung der Götter und Gäste in der Weise, wie ich sie dir 
vordem empfahl, und wie sie gleichfalls durch den Brauch 
vorgeschrieben ist? 

4. (13 8Bi.) Du bist doch nicht, während ich die Geschäfte 
des Gottes besorgte, nach Weiberart lässig geworden und 
hast dich während der Trennung von mir über die Schranken 
der Pflicht hinweggesetzt, o Schönhüftige ? 

Die Gattin des Naga sprach: 

5. (13 852.) Sache der Schüler ist Gehorsam gegen den 
Lehrer, der Brahmanen Auswendigwissen des Veda, des 
Dieners der Befehl des Herrn, des Königs die Regierung 
der Leute. 

6. (13853.) Die Pflicht des Kshatriya ist es, alle Wesen zu 
schützen, des Vaicya, zum Opfer mitzuwirken und Gastfreund- 
schaft zu üben. 

7. (13 854.) Die Aufgabe des £udra ist es, den Brahmanen, 
Kshatriya's und Vaicya's zu gehorchen, die des Hausvaters, 
o Schlangenfürst, für das Wohl aller Wesen zu sorgen. 

8. (13855.) Beständige Beschränkung der Ernährung und 
jenachdem Beobachtung eines Gelübdes [wie Keuschheit, 
Schweigen usw.] ist die Pflicht der Sinnesorgane im einzelnen, 
weil auch sie der Pflicht unterworfen sind. 

9. (13856.) Wem gehöre ich an? woher stamme ich? wer 
bin ich, und wer gehört mir an ? In diesem Bewufstsein soll, 
wer auf die rechten Mittel hält, im Erlösungsstadium leben. 



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Adhyaya Ml (B. 3Ö9). 



873 



10. (13 857.) Treue gegen den Gatten ist die höchste Pflicht 
der Gattin, das weifs ich durch deine Unterweisung und auch 
schon durch die Sache selbst. 

11. (13858.) Da ich somit meine Pflicht kenne und du als 
ein in der Pflicht Beharrlicher mir zur Seite stehst, wie könnte 
ich da vom rechten Wege abweichen und auf einen Abweg 
mich verlieren! 

12. (13 859.) Die Beobachtung der Pflicht gegen die Götter, 
o Hochbeglückter, wird von mir nicht versäumt, und mit der 
guten Aufnahme der Gäste bin ich unermüdlich beschäftigt. 

13. (13^60.) Es sind heute sieben oder acht Tage, dafs ein 
Brahmane hierhergekommen ist, aber was er will, sagt er 
mir nicht, sondern wünscht dich selbst zu sprechen. 

14. (i38i;i.) Inzwischen sitzt er, nach deinem Anblick ver- 
langend, auf einer Sandbank der Gomaü und beschäftigt sich 
mit Beten als Brahmane mit scharfem Gelübde. 

15. (13862.) Ich bin aber von ihm, o Schlangenfürst, an- 
gewiesen worden und mufste es ihm versprechen, dich, den 
Besten der Schlangenherren, nach deiner Ankunft zu ihm zu 
bringen. 

16. (13 863.) Nachdem du dies von mir gehört hast, o sehr 
Weiser, mufst du dich zu ihm begeben und ihm deinen An- 
blick gewähren, o Schlangenherr. 

So Uut«t im Mokahadharra» die Kr/uhlung min Ährenleser 

(u >i-K„r>ttti - upnit.yä*. , ,„; . 



Adliy&ya 302 (B. :*00). 

Vers 13804 -13 Ks3 (B. 1 -->«>). 

Der Naga sprach: 

1. das«.) Wer ist es, den du da für einen Brahmanon 
angesehen hast? Ist es blofs ein der Brahmanenkaste an- 
gehöriger Mensch oder vielleicht ein Gott, o heiter Lächelnde? 

2. (13865.) Welcher Mensch, o Herrliche, kann danach 
verlangen oder ist imstande, mich zu sehen? Wer kann 



874 



III. Mokshadhunna. 



hoffen, mich zu sehen, und dies in Form eines Befehls aus- 
sprechen ? 

3. (13866.) Sind nicht, o Liebliche, unter den Scharen der 
Götter und Dämonen und unter den Götter- Rishi's die Schlangen 
als Nachkommen der Surasä (lies: saurasetjäs) von grofser 
Kraft und Schnelligkeit? 

4. (13S67.) Wir Schleichenden müssen verehrt werden als 
Gabenspender, und sind besonders für die Menschen nicht 
zu sehen, so denke ich. 

Die Gattin des Xaga sprach: 

5. (13868.) An seiner Schlichtheit sehe ich, dafs er kein 
Gott ist, o Windesser; sonst sehe ich nur das Eine an ihm, 
nämlich dafs er voll Ehrerbietung ist, o du Zorniger. 

6. (13869.) Er begehrt nach irgendeiner Sache, und wie 
der wasserdurstige, regenfrohe Cätakavogel nach Regen, so 
verlangt er nach deinem Anblick. 

7. (13870.) Möge er doch nicht dadurch, dafs er deines 
Anblicks verlustig geht, auf ein Hindernis treffen; keiner, 
der gleich dir in einer edlen Familie geboren ist, kann bei 
einem solchen Anlasse ruhig zusehen. 

8. (13871.) Darum mufst du den dir angeborenen Zorn 
beiseite lassen und den Mann aufsuchen; wenn du heute 
seine Hoffnung nicht täuschest, so brauchst du dir hinterher 
keine Gewissensbisse zu machen. 

ih (13872.) Wer es versäumt, einem Hoffenden seine Tränen 
zu trocknen, der, und wäre er ein König oder ein Königs- 
sohn, macht sich einer Embryotötung schuldig. 

10. (138-3.) Dem Schweigen wird die Erkenntnis zum 
Lohne, durch Freigebigkeit erlangt man grofsen Ruhm, die 
Beredsamkeit, wenn einer die Wahrheit redet, wird sogar im 
Jenseits geehrt. 

1 1. (13874.) Wer Land verschenkt, erlangt ein Ziel, das 
dem Durchmachen der Lebensstadien gleichkommt; wer zur 
Erlangung eines geziemenden Zweckes Hilfe leistet, erlangt 
dafür auch dessen Frucht. 

12. (13875.) Wer mit Bewufstsein eine nicht mit Welthang 



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Adhyaya 36'2 (B. 360). 



875 



verflochtene Handlung zum Heile seiner Seele vollbringt, der 
fährt nicht zur Hölle, das weifs jeder Pflichtkundige. 

Der Naga sprach: 

13. (i387r,.) Mein Stolz beruht nicht auf Dünkelhaftigkeit, 
sondern meine edle Abstammung ist daran schuld, dafs er 
so grofs ist. Aber jetzt ist der aus meinem Willen ent- 
sprungene Zorn, o Gute, durch das Feuer deiner Rede ver- 
brannt worden. 

14. (13877.) Auch ich, o Gute, sehe keine schlimmere Ver- 
blendung als den Zorn, durch sein Übermafs kommen (yänti 
mit C.) wir Schlangenherren ins Gerede der Leute. 

15. (13878.) Weil er sich vom Zorne hinreifsen liefs, wurde 
der Zehnköpfige (Ravana), der Widersacher des Gottes Qakra, 
von Räma im Kampfe getötet. 

1<>. (13879.) Für den Raub des in der innern Wohnung 
befindlichen Kalbes [der Opferkuh) wurden von Räma, als er 
davon hörte, die in Gewalttätigkeit und Zorn entbrannten 
Söhne des Kärtavirya erschlagen. 

17. (13880.) Und von demselben Räma, dem Sohne des 
Jamadagni, wurde der dem Tausendaugigen (Indra) vergleich- 
bare, gewaltige Kärtavirya um seines Zornes willen im Kampfe 
erschlagen (vgl. Mahäbh. III, Adhy. lH>fg.; XII, Adhy. 49). 

18. (i388i.) Darum habe ich jenen Feind der Askese, jenen 
Zerstörer des Heils, meinen Zorn, niedergekämpft, nachdem 
ich deine Rede vernommen habe?. 

19. (13882.) l'nd ich preise mich besonders glücklich, o du 
Getreue, dafs eine so tugendhafte Gattin wie du, o Grofs- 
augige, mir angehört. 

20. (138S3.) Ich gehe jetzt dorthin, wo jener Zwiegeborcne 
weilt, er wird mir sein Anliegen vollständig vortragen und 
nach Erreichung seines Zweckes von dannen ziehen. 



Sn Untet im Mokahftdharm* «lio FrinhlunR vom Xlirenlracr 

(n'.rh'iri Ith • »]-oLI* uin,i»,>. 



876 



III. Mokshadharma. 



Adhyftya 363 (B. 361). 

Vera 13884-13899 (B. 1-16). 
Bhishroa sprach: 

1. (13 884.) Darauf begab sich der Schlangenherr zu dem 
Brahmanen, indem er auf ihn seine Gedanken richtete und 
überlegte, welchen Zweck er wohl haben möchte. 

2. (18885.) Nachdem der verständige SchJangenfurst ihn 
erreicht hatte (attkramya) , o Männerherr, sprach er, der von 
Natur Pflichtliebende, das freundliche Wort: 

3. (13886.) O Freund, sei ruhig, ich will zu dir reden, zürne 
nicht ; um welcher Sache willen bist du hierhergekommen und 
was ist dein Begehr? 

4. (13 887.) Indem ich vor dich trete, frage ich aus Liebe 
zu dir, o Z wiegeborener, wer ist es, den du an dem abge- 
schiedenen Ufer der Gomati verehrst? 

Der Brahroaoe sprach : 

5. (13 888.) Wisse, dafs ich Dharmäranya heifse und hier- 
hergekommen bin, um den Naga Padmanäbha zu sehen, 
o Bester der Z wiegeborenen , darin liegt mein Zweck. 

6. (13889.) Als ich ihn nicht antraf, habe ich von seinen 
Leuten gehört, dafs er fortgegangen sei, und ich harre auf 
ihn wie der Pflüger auf den Regen. 

7. (13890.) Inzwischen beschäftige ich mich, dem Yoga 
hingegeben und ohne Ungemach, mit einer Gebetsübung, die 
von ihm Beschwerden fernhalten und sein Heil befördern soll. 

Der Näga sprach: 

8. (13891.) 0, da hast du eine edle Beschäftigung, gut 
bist du und ein Freund der Guten, du bist untadlig, o Glück- 
licher, weil du mit Liebe an deinen Nächsten denkst. 

9. (13892.) Ich, wie du mich hier siehst, bin jener Naga, 
o Brahmanenweiser, sage mir nach deinem Belieben, was ich 
dir Angenehmes erweisen soll. 

10. (13893.) Von meinen Leuten habe ich gehört, dafs du 
angekommen bist, darum bin ich selbst gekommen, um dich 
zu sehen, o Brahmane. 



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Adhyaya 363 (B. 3<">1). 



877 



11. (13894.) Da du hierhergekommen bist, sollst du nicht 
fortgehen, ohne deinen Zweck erreicht zu haben ; mache mich, 
o Bester der Brahmanen, vertrauensvoll mit deiner Sache 
bekannt. 

12. (13895.) Wir alle sind durch deine Tugend ganz und 
gar gewonnen worden, weil du, dein eigenes Wohlsein bei- 
seite lassend, zu meinen Gunsten dich bemühst. 

Der Brabmane sprach: 

13. (13896.) 0 Hochbeglückter, ich bin hierhergekommen 
voll Sehnsucht dich zu sehen, ich möchte dich befragen über 
eine Sache, in der ich mir nicht zu helfen weifs, o Schlangenherr. 

14. (13897.) Obgleich ich, im Ätman stehend, nach dem 
Ziele des Atman forsche, verehre ich doch nur den hoch- 
weisen Atman, sofern er, des festen Standortes ermangelnd, 
noch mit dem wankelmütigen Cittam (Manas) behaftet ist. 

15. (13898.) Du, der du mir erschienen bist mit den 
tugendhaften, ruhmgeborenen Strahlen, welche, den Be- 
rührungen der Mondstrahlen gleich, herzerfreulich dein Wesen 
offenbaren, 

IG. (13899.) du, o Windesser, mögest mir eine Frage, die 
in mir aufgetaucht ist, lösen! Sodann will ich dir meine 
Sache mitteilen, und du sollst sie hören. 

So lautet im M<>k»badh»rma die Erzählung vom Ähretilocr 

(u?t< huri itd ■ ujtnkhtjnnaiiij. 

Adhyftya :*G4 <B. 302). 

Vcr 9 13900-13917 (B. 1-18). 

Der Brahmane sprach : 

1. (is<»o<ü Du, o Herr, pflogst ja, wenn die Reihe an dich 
kommt, zu gehen, um den einrädrigen Wagen des Sonnen- 
gottes zu ziehen; wenn du dort irgend etwas Wunderbares 
zu sehen bekommen hast, so mögest du mir davon Kunde 
geben. 



878 



III. Mokshadhaniia. 



Der Naga sprach : 

2. (13901.) Der Schauplatz mannigfacher Wunder ist der 
heilige Sonnengott, aus welchem alle die Entstandenen her- 
vorgehen, die in den drei Welten geehrt werden, 

3. (13902.) in dessen tausend Strahlen, wie die Vögel in 
den Zweigen, die vollendeten Muni's samt den Göttern Zu- 
flucht und Wohnung finden, 

4. (layoa.) aus welchem ausgehend, auf die Sonnenstrahlen 
sich stützend, der grofse Windgott dort im Lufträume her- 
vorbricht, — welch gröfseres Wunder könnte es geben als das! 

5. (13904.) Diesen [Windgott] zerteilend aus Wohlwollen 
für die Geschöpfe, o Brahmanenrishi, läfst er in der Regen- 
zeit das Wasser strömen; welch gröfseres Wunder könnte 
es geben als das! 

(5. (13 905.) Mitten in dessen Scheibe stehend, entflammt 
sich der grofse Atman mit höchstem Glänze und überschaut 
die Welten; welch gröfseres Wunder könnte es geben als das! 

7. (13 906.) Er heifst der Glänzende, und doch trägt er in 
Gestalt eines dunklen Strahles das Wasser im Lufträume 
und ergiefst es zur Regenzeit; welch gröfseres Wunder könnte 
es geben als das! 

8. (13907.) Und wiederum hält er acht Monate hindurch 
das ausgegossene Wasser mit reinem Strahle in sich zurück 
zu seiner Zeit; welch gröfseres Wunder könnte es geben 
als das! 

9. (13908.) In dessen unvergleichlichem Glänze der Atman 
selbst weilt, durch den der Same und diese Erde mit Beweg- 
lichem und Unbeweglichem erhalten wird, 

10. (13909.) in dem der grofsarmige, göttliche, ewige, 
höchste Purusha ohne Anfang und Ende weilt ; welch gröfseres 
Wunder könnte es geben als das! 

11. (i39io.) Aber als Wunder aller Wunder vernimm dies 
eine von mir, was ich vom Standort der Sonne aus in dem 
reinen Äther geschaut habe. 

12. (139U.) Einstmals zur Mittagszeit, während die Sonne 
die Welten bestrahlte, wurde von überallher ein der Sonne 
gleichkommender Schein gesehen, 

13. (13 912.) welcher, alle Welten mit seinem selbstleuch- 



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Adhyäya 3*U flB. 3»Ji>). 



879 



tenden Glanz durchglänzend, den Ilimmelsraum gleichsam 
spaltete und auf die Sonne zueilte. 

14. (13913.) Wie ein aufflammender Opfergufs verbreitete 
er Licht mit seinen Strahlen, unbeschreiblich an Schönheit, 
einer zweiten Sonne vergleichbar. 

15. (139U.) Als er herangekommen war, reichte ihm der 
Sonnengott die Hände, und er, dem diese Ehre gebührte, 
reichte dem Sonnengotte die rechte Hand. 

10. (13915.) Sodann zerteilte er den Himmelsraum, ging 
in die Sonnenscheibe ein und an Glanz mit ihr eins geworden, 
ward er augenblicklich zur Sonne. 

17. (13 916.) Da entstand, als der Lichtglanz der beiden 
sich vereinigt hatte, in uns ein Zweifel darüber, wer von 
beiden eigentlich der Sonnengott sei, der auf dem Wagen 
Fahrende oder der zu ihm Herbeigekommene, 

18. (i3yn.) und, in diesem Zweifel befangen, fragten wir 
den Sonnengott, wer der sei, welcher wie eine zweite Sonne 
zum Himmel aufgestiegen war. 

So lautet im Moksbailharm» die Et*<Uiluntf vom Älirrnleicr 

(ttTtrhitcritti ■ upäLhytinaiit). 

Adhyftya :H»5 (B. 36»). 

Vers 13918 13924 (B. 1-6). 

Der Sonnengott sprach: 

1. (13919.) Es ist nicht der dem Winde befreundete Gott 
(des Feuers), auch kein Dämon oder ein Schlangenfürst, es 
ist ein Muni, welcher zum Himmel emporgestiegen ist, weil 
er durch das Gelübde des Ährenlesens die Vollendung er- 
reicht hat. 

2. (13919.) Von Wurzeln und Früchten lebend, von ab- 
gefallenen Blättern sich nährend, Wasser trinkend und Wind 
trinkend war dieser gesammelte Brahmane. 

3. (13920.) Von diesem wurde Bhava (<,'iva) durch Samhita- 
verse gepriesen; durch diese auf die Himmelspforte gerichtete 
Bemühung ist er zum Dreihimmel emporgestiegen. 

4. (1.J921.) Ohne Umgang und ohne Wünsche, allezeit vom 



880 



III. Mokshadharma. 



Ährenlesen lebend, war dieser Brahmane stets um das Wohl 
aller Wesen bemüht, o ihr Schlangenherren. 

5. (13922.) Nicht Götter, nicht Gandharven, nicht Dämonen 
oder Schlangen stehen höher als die Wesen, die dieses höchste 
Ziel erreicht haben. 

[Der Naga sprach:] 

6. (18923.) Dieses und von dieser Art ist das Wunder, 
welches ich da droben gesehen habe, nämlich der vollendete 
Mensch, welcher, nachdem er zur Vollendung gelangt ist, 
(13924.) mit der Sonne vereint, die Erde umkreist, o Brahmane. 

So laut«« im Mokthadbann» die Ertfchlnng vom Ährenleser 

(uHCharritti - updkhyAnam). 



Aclhy&ya 366 (B. 364). 

Vers 13925-18934 (B. 1-10). 

Der Brahmane sprach : 

1. (13925.) Ein Wunder ist es, daran ist kein Zweifel! 
0 Schlangenherr, ich bin hocherfreut, und durch dein 
treffendes, mir gespendetes Wort ist mir der Weg gewiesen 
worden. 

2. (13926.) Heil sei dir! Ich will jetzt gehen, o du Guter, 
Bester der Schlangenherren, gedenke meiner, indem du zu 
mir schickst und meine Dienste in Anspruch nimmst. 

Der Naga sprach: 

3. (13927.) W T ohin willst du denn schon gehen, o Herr, 
ehe du noch über die Angelegenheit, die dir am Herzen liegt, 
gesprochen hast? Sprich doch, o Z wiegeborener, über die 
Angelegenheit, um derentwillen du hierhergekommen bist. 

4. (13928.) Ist aber, ausgesprochen oder nicht, deine An- 
gelegenheit erledigt, so magst du dich von mir verabschieden, 
o Brahmanenstier, und von mir entlassen von dannen gehen, 
o Gelübdetreuer. 



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Adbyaya (B. 3«4>. 



881 



;">. ( 13929.) Denn als mein Freund darfst du nicht, kaum 
dafs du mich gesehen hast, mich wieder verlassen und fort- 
gehen, o Brahmanenweiser, wie einer, der hlofs bis zur Wurzel 
des Baumes gelangt ist [und nicht zu seinen Früchten]. 

6. (13 930.) [Als Freund] lebe ich in dir, o Bester der Brah- 
manen, und du in mir, alle meine Leute gehören dir an, welches 
Bedenken besteht bei dir gegen mich, o Untadliger? 

Der Brahmane sprach: 

7. (WHsi.) Es ist, wie du sagst, o hochweiser, ätman- 
kundiger Schlangenherr, die Götter selbst sind dir nicht 
überlegen in jedem Sinne wie es auch sei. 

8. (13932.) Du bist es und ich bin es, und was ich bin, 
bist auch du, in ihm, der mich und dich und die Wesen, 
uns alle immerdar umfafst. 

9. (13 933.) Es bestand bei mir ein Zweifel, o Schlangen- 
herr, in betreff der Ansammlung eines Schatzes guter Werke, 
jetzt aber bin ich entschlossen, o Guter, das Gelübde des 
Ährenlesens auf mich zu nehmen als das, was zum Ziele führt. 

10. (13934.) Diese Gewifsheit ist mir geworden, o Guter, ich 
habe den höchsten Antrieb mir zu eigen gemacht. Ich grüfse 
dich, Heil sei dir! Mein Zweck ist erreicht, o Schlangenherr. 

So lautet im Mokshftdharma die Kr*hliliinif vi im ÄliPftiJeMT 

(un<'/'tirrit(i - upö K t, >/ii>ttiti f 



AdliyAya :MW <B. 305). 

Vers VMM> 131*13 (H. 1— !»>. 
Bhlslima sprach: 

1. (13935.) Nachdem <h?m Brahmanen die Gewifsheit ge- 
worden war, nahm er Abschied von dem Besten der Schlangen- 
herren und begab sich, um die Weihe zu erlangen, zu Cya- 
vana, dem Bhrigusprofs. 

2. (13936.) Nachdem er von ihm die Weihe erhalten hatte, 
widmete er sich der Pflicht und erzahlte ihm seine Geschichte, 
o König. 

Dmni, ll.h4bhir.tam « r >C 



882 



III. Moksliailharnut. 



3. (13937.) Von dem Bhrigusohne wurde dann weiter in 
dem Hause des Janaka diese heilige Geschichte dem hoch- 
sinnigen Xärada mitgeteilt, o Fürst der Könige. 

4. (13938.) Von dem nicht an Werken hängenden Närada 
wurde sie, als man ihn darum fragte, in dem Hause des Götter- 
fürsten (Indra) weitererzählt, o Bester der Bharata's. 

5. (13939.) Aber von dem GötterfÜrsten wurde einstmals 
diese schöne Geschichte weiter in einer Versammlung allen 
preiswerten Brahmanen mitgeteilt, o Erdeherr. 

(>. (13940.) Und als jener furchtbare Kampf zwischen mir 
und Rama stattgefunden hatte (Mahäbh. V, Adhy. 179 fg.). 
wurde diese Erzählung mir von den Vasu's berichtet, o König. 

7. (13 9*1.) Auf deine Frage habe ich dir der Wahrheit 
gemäfs diese reine, heilige Geschichte übermittelt, o Bester 
der Gesetzesträger, 

8. (13942.) und erklärt, worin jene höchste Satzung be- 
steht, nach der du mich fragtest, o Bhärata. Jener Brah- 
mane war weise und in der Erfüllung seiner Pflicht frei von 
Wünschen. 

9. (13 943. Metrum: Aparavaktram.) Nachdem er von dem 

Schlangenherrn in dem, was er zu tun hatte, unterwiesen 
worden war, zog er nach erlangter Gewifsheit, stark in 
Zucht und Selbstzucht, in den Wald, indem er sich nur 
von dem nährte, was das Gelübde des Ahrenlesens ge- 
stattet. 

So lautet im Mokthadharraa die Erifthlung vom Ährenleser 

(uZehatritti- upAkhyAnamj. 



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IV. 

AXÜUlTÄ. 

Mabibbtnun Buch XIV, Adhyaya lrt-51, Vers 4<>7-1477, C. 
(-buch XIV, Adhyaya 16-51, B |. 



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Adhyaya 16 (B. 10). 

Vers 407-453 (B. 1-10). 



Janamejaya sprach : 

1. (407 ) Als der Vollhaarige (Krishna) und Arjuna, die 
Hochherzigen, nach Besiegung der Feinde dort in dem Palaste 
weilten, welches war die Unterredung, o Brahmane, die sich 
zwischen beiden entspann? 

Vai^ampayana sprach: 

2. (408) Nachdem der Sohn der Prithä die vollständige 
Herrschaft erlangt hatte, lebte er in Gemeinschaft mit Krishna 
in jenem himmlischen Palaste von Freude erfüllt. 

3. (409.) Daselbst begab es sich einmal, o Fürst, dafs die 
beiden, von ihren Leuten gefolgt, zufällig in ein Gemach des 
Palastes gelangten, welches einem Gemach des Himmels glich. 

4. (410.) Da nun betrachtete der von Krishna begleitete 
Sohn des Pändu, Arjuna, voll Freude den herrlichen Palast 
und sprach dieses Wort: 

5. (4ii.) O Grofsarmiger, als damals der Kampf begann, 
da lernte ich deine Herrlichkeit kennen, o Sohn der Devaki, 
und jene deine göttliche Gestalt [oben, S. 77 fg.]. 

6. (412.) Was du, o Heiliger, damals zu mir aus Freund- 
schaft gesprochen, o Vollhaariger, das allos, o Manntiger, ist 
mir vermöge der Hinfälligkeit meines Geistes verloren ge- 
gangen. 

7. (413.) Aber ich empfinde immer wieder und wieder ein 
Verlangen nach jenen Dingen, und es wird nun nicht mehr 
lange dauern, bis du nach Dvärakä aufbrechen wirst, o Ma- 
dhava. 



886 



IV. Anugita. 



Vaicampayana sprach : 

8. (4U.) Als der herrliche Krishna also von dem unter 
dem Gestirn Phalguni Geborenen (Arjuna) angeredet wurde, 
da umarmte er ihn und erwiderte, er, der Beste der Redner, 
dieses Wort: 

Vasudeva (Krishna) sprach: 

9. (416.) Ich habe dir das Geheimnis verkündet, ich habe 
dich belehrt über die immerwährende, aus deiner Natur [als 
Kshatriya] entspringende Pflicht und über die ewigen Welten. 

10. (416.) Dafs du aus Unverstand das nicht begriffen hast, 
das ist mir im höchsten Grade unerwünscht, denn nicht noch 
einmal wieder wird mir heute die Rückerinnerung daran mög- 
lich sein. 

11. (417.) Sicherlich, es fehlt dir an Glauben, denn du 
bist törichten Sinnes, o Pändusohn, und es ist mir nicht 
möglich, dir alles noch einmal zu wiederholen, o Gutgewinner. 

12. (4i8/> Jene Lehre war vollständig hinreichend, um die 
Stätte des Brahman zu erlangen; es ist mir nicht möglich, 
dir noch einmal das alles in derselben Weise zu wiederholen. 

13. (419.) Jenes höchste Brahman hatte ich dir verkündigt, 
weil ich im Yoga versenkt war. Aber es gibt eine alte Er- 
zählung über diesen Gegenstand, die will ich dir mitteilen, 

14. (420.) so dafs du, zu dieser Erkenntnis gelangend, den 
höchsten Weg gehen kannst. Vernimm also von mir, o Bester 
der Gesetzesträger, alles, was ich dir sagen werde. 

15. (421.) Ein gewisser Brahmane, o Feindüberwinder, kam 
herab aus der Himmels weit und der Brahmanwelt, und dieser 
gewaltige Mann wurde von uns mit Verehrung empfangen. 

16. (422.) Und als er von uns befragt wurde, was er da 
antwortete, o Stier der Bharata's, nach himmlischer Satzung, 
o Prithäsohn, das vernimm, ohne dagegen Bedenken zu hegen. 

Der Brahmane sprach: 

17. (423.) Das, warum du mich befragst, in betreff der 
Lehre von der Erlösung fmokshadharma) r o Krishna, und was 
imstande ist, die Verblendung zu heben, das, o Herr, will 
ich aus Mitleid mit den Wesen 



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Adhy&ya IC (B. 



18. (424.) dir verkündigen der Wahrheit gemäfs, o Madhu- 
sudana, vernimm es mit Aufmerksamkeit, o Mädhava, wie 
ich es dir sage. 

10. (425.) Ein gewisser an Askese reicher Brahmane namens 
Käcyapa, der Pflichten sehr kundig, besuchte einen gewissen 
Z wiegeborenen, welcher die heilige ( berlieferung der Satzungen 
kannte 

20. (426.) und über das Gehen und Kommen [der Wesen] 
vielfaches Erkennen und Wissen bis auf den Grund erfafst 
hatte, welcher über Wesen und Zweck der Welt unterrichtet 
war und die Bedeutung von Lust und Schmerz erkannt hatte, 

21. (427.) welcher das Wesen von Geburt und Tod kannte, 
das Böse und das Gute zu unterscheiden wufste und die Wan- 
derung der infolge ihrer Werke zu einer hohen oder niedrigen 
Stelle gelangenden Seelen durchschaute, 

22. (428) welcher dahinwandelte wie ein Erlöster, voll- 
endet, beruhigt, mit bezähmten Sinnen, und von brahmischer 
Schönheit strahlte, wohin er auch immer sich begeben mochte. 

23. (429.) Da nun Käcyapa der Wahrheit gemäfs über 
diesen erfahren hatte, dafs er es vermochte, unsichtbar zu 
wandeln und demgemäfs mit unsichtbaren Wesen, mit Voll- 
endeten und Cakradhara s (vielleicht: himmlischen Musikern] 
Verkehr zu pflegen, 

24. (no.) mit ihnen sich insgeheim zu unterreden und 
zusammenzusitzen, sowie auch nach Belieben und ungehemmt 
wie der Wind umherzuschweifen. 

25. (431.) so nahte sich ihm der Weise. Beste der Brah- 
manen, und nach der Lehre begehrend, warf sich der an 
Askese und Meditation Reiche zu seinen Füfsen nieder, m.;j ) wie 
es sich geziemt, indem er die grofse Wunderkraft des Mannes 
erkannte. 

20. uxn Und mit Erstaunen die Wunderkraft erkannt 
habend, erfreute Käcyapa jenen höchsten Brahrnanen als 
seinen Lehrer mit grofs»-r Huldigung. 

27. Auch war dieses alles angemessen und in l'berein- 
stimmung mit der Schriftlehre und dem guten Lebenswandel, 
1434.) denn er erfreute ihn durch seine Liebe, wie es einem 
Lehrer gegenüber Brauch ist, o Eeindbezwinger. 



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88« 



IV. Anu#t&. 



28. Jener aber, erfreut und günstig gestimmt, redete zu 
ihm, der von seinem Schüler begleitet war, die Rede, (435.) welche 
du, o Janardana (Krishna), in betreff der höchsten Vollendung 
von mir vernehmen mögest. 

Der Vollendete sprach : 

29. (43«.) Durch mannigfache Werke, o Freund, sowie 
durch blofse reine Hingebungen erlangen die Sterblichen so- 
wohl den Weg zu dieser Welt als auch ein Verweilen in der 
Götterwelt. 

3U. (437.) Aber nirgendwo wird ihnen ewiges Glück zu- 
teil und nirgendwo eine bleibende Stätte; immer wieder und 
wieder erfolgt ein Herabfallen aus der grofsen, schwer er- 
rungenen Stellung. 

31. (438.) Unschöne und für mich schlimme Wege wurden, 
weil ich Übles tat, erlangt von mir, da ich von Lust und 
Zorn überwältigt und von Durst ftrishnaj verblendet war. 

32. (439.) Immer aufs neue wiederholt sich das Sterben 
und immer wieder aufs neue das Geborenwerden; mancherlei 
Speisen habe ich schon genossen, mancherlei Mutterbrüste 
schon getrunken. 

33. (440.) Mannigfache Mütter habe ich schon gehabt und 
vielerlei Väter; die verschiedensten Freuden und Leiden habe 
ich erfahren, o Untadliger. 

3-1. (441.) Vielfach schon ist mir widerfahren, von Lieben 
getrennt zu werden und mit Unlieben vereinigt zu sein [vgl. 
die erste heilige Wahrheit des Buddhismus], vielfach schon 
Verlust des Vermögens, nachdem ich es mit Mühe erworben 
hatte, 

35. (442.) sowie auch sehr peinliche Demütigungen von 
seiten des Königs und seiner Leute, und überaus herbe 
Schmerzen an Leib und Geist. 

36. (443.) Erlitten habe ich furchtbare Erniedrigungen. 
Ermordungen und herbe Fesselungen, sowie auch Herab- 
stürzung in die Hölle und Züchtigungen in der Behausung 
des Yama. 

37. (444.) Auch habe ich fort und fort Alter und Krank- 
heit und vielfaches Mifsgeschick in dieser Welt heftig erleiden 



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Adhyfcya 16 (B. 1«). 



8*9 



müssen, welches aus den Gegensätzen [Kälte und Wärme usw.] 
entsprang. 

38. (445.) Darum habe ich endlich aus t'berdrufs und in- 
dem ich meine Zuflucht zu dem Gestaltlosen nahm, dem Welt- 
getriebe entsagt, nachdem ich schwer von Leiden gequält 
worden war. 

39. (44G.) Und so habe ich nach dem, was ich in dieser 
Welt auskostete, diesen Weg hier eingeschlagen: darauf 
wurde mir durch die Gnade des Atman die gegenwärtige 
Vollkommenheit zuteil. 

40. (447.) Ich werde nicht wieder hierher zurückkehren, 
ich betrachte die Welten und die glücklichen Wege meiner 
selbst, die ich bis zur Vollkommenheit von der Schöpfung 
der Kreaturen an durchwandert habe. 

41. (44«.) Auf diese Weise habe ich, o Bester der Z wie- 
geborenen, die höchste Vollendung erreicht; hinfort werde 
ich wieder zu dem gehen, was höher als diese Welt ist, 

42. (44y.) zu der verborgenen Stätte des Brahman, daran 
mögest du nicht zweifeln; ich werde nicht wieder, o Bedränger 
der Feinde, hierher in die Welt der Sterblichen zurückkehren. 

43. (450) Ich bin zufrieden mit dir, o grofser Weiser, 
sage, was ich dir tun soll; was du begehrtest, da du zu mir 
kamst, dafür ist jetzt die Zeit gekommen, 

44. om.) und ich billige das, um dessentwillen du zu mir 
gekommen bist: aber bald werde ich hinübergehen; darum 
habe ich dir diese Anregung gegeben. 

4ö. (452.) Ich bin sehr erfreut über dein Verhalten, o du 
Verständiger. Frage nur, was zu deinem Besten dient, ich 
will dir sagen, was du zu wissen wünschest. 

4t». (453.) Ich schätze deine Hinsicht hoch und erkenne 
sie sehr an, weil ich von dir entdeckt worden bin, denn du 
bist weise, o Käcyapa. 



lautet in drr Anugia der ••mt«- A.ihjijr». 



8<K) 



IV. Anugita. 



Adhy&ya 17 (B. 17). 

Vers 454-496 (B. 1-42). 

Vasudeva (Krishna) sprach: 

1. (454.) Da umsehlang er (Käcyapa) seine [des Voll- 
endeten] Füfse und legte ihm schwer zu lösende Fragen vor, 
und er, der Beste der Lehrmeister, verkündigte ihm diese 
Lehren. 

K&cyapa sprach: 

2. (456.) Wie fällt der Körper dahin, und wie ersteht er 
wieder, und wie wird man, umwandernd, aus dem schlimmen 
Wanderungsumlaufe erlöst ? 

3. (456.) Und wie geschieht es, dafs der Atman die Natur 
(Prakriti) losläfst und diesen Leib aufgibt? Und wie vermag 
er, nachdem er von seinem Leibe befreit ist, in einen andern 
einzugehen? 

4. (457.) Und wie können an einem Menschen die guten 
und bösen Werke, welche er begangen hat, vergolten werden, 
und wo befindet sich sein Werk, nachdem er körperlos ge- 
geworden ist? 

Der Brahmane sprach [zu Krishua]: 
o. (458.) Nachdem der Vollendete in dieser Weise auf- 
gefordert worden war, beantwortete er diese Fragen der Reihe 
nach, o Värshneya; das vernimm, wie ich es dir erzähle. 

Der Vollendete sprach [zu Kacjapa]: 

6. (4M.) Wenn die Werke, die ein Mensch als Leben und 
Ruhm fördernde während der Innehabung eines bestimmten 
Körpers betrieben hat, wenn diese vollständig abgetan sind, 

7. (460.) dann legt er sich, da nun sein Selbst von der 
Vernichtung des Lebens überwältigt wird, auf entgegengesetzte 
[dem Leben schädliche] Handlungen, und auch sein Verstand 
läfst ihn im Stich, wenn der Untergang bevorsteht. 

8. (46i.) Und während er [ehedem] in dieser Weise seine 
Natur und seine Kraft und die rechte Zeit wohl verstanden 
hatte, so gestattet er sich jetzt, wo er nicht mehr Herr seiner 
selbst ist, Dinge, die ihm [seinem Wohlsein] zuwider sind. 



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Adbyäya 17 (B. 17). 



891 



9. (462.) Wenn er sich dann alles mögliehe erlaubt, was 
ihm sehr schädlich ist, wenn er [zum Beispiel] übermäfsig 
ifst oder aber ganz und gar nichts ifst, 

10. (463.) wenn er Speisen, Fleisch und Getränke geniefst, 
die verdorben sind oder sich nicht miteinander vertragen, 
oder wenn er Schwerverdauliches allzu reichlich geniefst, oder 
ehe er noch vollständig verdaut hat, 

11. (464.) oder wenn er in Körperanstrengungen oder im 
[geschlechtlichen] Drauflosgehen nicht Mafs hält, oder ge- 
wohnheitsmäfsig im Eifer der Arbeit den natürlichen Drang 
zurückhält, 

12. (4ii5.) oder wenn er ein Freund scharf gewürzter Speisen 
und des Schlafens am Tage ist und dadurch, ehe noch seine 
Zeit reif und gekommen ist, selbsttätig die Körpersäfte 
fdoshaj in Störung versetzt, 

13. (466.) dann zieht er sich durch die Störung seiner 
Körpersäfte eine Krankheit zu, die zum Tode führt, oder 
auch er entschliefst sich zu widerwärtigen Handlungen, z. B. 
indem er sich aufhängt. 

14. (467.) Durch diese Ursachen verfällt bei einem leben- 
den Wesen der Körper und sodann auch das Leben; dies 
lasse dir erklären und behalte es, wie es sich geziemt. 

15. (468.) Wenn in dem Körper die Wärme gestört wird, 
indem sie aufgeregt wird durch scharfe Windströmungen, so 
durchzieht sie den Leib und behindert alle [fünf] Lebenshauche. 

(469.) Wenn nun die Wärme in dem Körper aufgeregt 
und übermäfsig stark wird, so dringt sie ein in die der Seele 
als Sitz dienenden letalen Partien (mnrmau) , das wisse der 
Wahrheit gemäfs. 

17. (470.) Alsdann macht sich die schmerzempfindende 
Seele alsbald von dem hinfälligen [Körper] los, und das Lebe- 
wesen verläfst seinen Körper, nachdem die letalen Partien 
verletzt worden sind, 

18. (471.) und die Seele wird von den Schmerzen über- 
wältigt, das wisse, o Bester der Brahmanen; und so leben 
alle Kreaturen fortwährend in der Angst vor dem Geboren- 
werden und Sterben. 

19. (47u.) Man sieht sie, wie sie ihre Leiber verlassen, 

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892 



IV. Anugit*. 



o Stier unter den Z wiegeborenen, und wie sie beim Eingang 
in einen Mutterschofs aufs neue in die Glieder hineinkriechen. 

20. (473.) Einen derartigen Schmerz empfindet der Mensch 
auch wiederum, wenn er sich die Glieder bricht, oder auch 
er erfährt ihn als Nafswerden durch das Wasser. 

21. (474.) Und so wie der Lebenshauch das Entstandensein 
in den fünf Elementen unterstützt, so geschieht es auch, dafs 
er im Körper von der Kälte aufgeregt und durch einen scharfen 
Luftzug in Wallung gebracht, 

22. (475.) dafs er, der in den fünf Elementen sein Be- 
stehen in Aushauch und Einhauch hatte, nunmehr nach oben 
hin steigt und aus den unglücklichen Geschöpfen entweicht; 

23. (476.) und so verläfst er den Körper, und der Mensch 
wird gesehen, wie er ohne Odem ist; und wenn er in dieser 
Weise ohne Wärme, ohne Odem, ohne Schönheit, seines Be- 
wufstseins beraubt, 

24. (477.) von dem Brahman [der Seele] verlassen, da- 
liegt, so wird der Mensch ein Leichnam genannt Und durch 
die Strömungen [die Sinnesorgane, £vet Up. 1,5], durch 
welche der Leibesträger die Sinnendinge erkennt, 

25. (478.) durch diese erkennt er nicht mehr die aus der 
Ernährung entsprungenen Lebensorgane [er erkennt seinen 
Leib nicht mehr]; denn derjenige, der dabei im Leibe sich 
betätigt, ist nur der ewige Jiva (die individuelle Seele). 

26. (479.) Ferner: alles, was irgendwo im Leibe von der 
Art ist, dafs es für die Zusammensetzung des Körpers wesent- 
lich ist, das, wisse, ist eine letale Stelle (marnianj; denn dies 
ist zu ersehen aus dem Schriftkanon. 

27. (480.) Wenn nun diese letalen Stellen verletzt werden, 
so bedrängt von ihnen aus jener [der Lebenshauch] das Herz, 
dringt in dasselbe ein und verschliefst alsbald das Sattvam 
[die geistige Kraft, das Manas] des betreffenden Wesens; 
(48i.) dann geschieht es, dafs dieses Wesen, obgleich mit Be- 
wufstsein begabt, doch nichts mehr erkennt. 

28. Dann wird sein Bewufstsein vom Tamas umhüllt, 
nachdem schon die letalen Teile davon umhüllt worden waren, 
(482.) und die individuelle Seele ist ohne festen Stand und 
wird vom Winde hin und her bewegt. 



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Adhyäya 17 (B. 17). 



893 



20. Dann stöfst die Seele heftig jenes furchtbare Röcheln 
aus, (483.) und indem sie auszieht, macht sie alsbald den be- 
wufstlosen Körper erzittern. 

30. Dann geschieht es, dafs die Seele aus ihrem Kör- 
per herausgetrieben und von ihren Werken umhüllt wird, 
(484.) beiderseits, sowohl von den guten und heiligen, als auch 
von den bösen. 

31. Brahmanen, welche mit Erkenntnis begabt sind und, 
wie es sich gehört, Gewifsheit aus der Schrift geschöpft 
haben, (485.) erkennen an bestimmten Zeichen den, welcher 
Gutes getan hat, und den andern. 

32. Wie einen im Dunkel hier oder da verschwindenden 
Leuchtkäfer (486.) diejenigen, welche gute Augen haben, noch 
erkennen, so ist es auch mit denen, welche das Auge des 
Geistes besitzen. 

33. Die Vollendeten schauen mit göttlichem Auge die 
Seele in dieser Lage, (487.) sowohl wenn sie aus dem Körper 
fällt, als auch wenn sie, um geboren zu werden, in einen 
Mutterschofs eingeht. 

34. Eine dreifache Stätte der Seele gibt es, wie schon 
hienieden aus der Schrift zu ersehen ist. (4hs > Diese Erde, 
auf der Kreaturen wohnen, ist das Land der Werke. 

35. t'nd sodann, je nachdem sie Gutes oder Höses ge- 
tan haben, empfangen die Verkörperten [den Lohn] dafür: 
(489.) schon hienieden empfangen sie hohe und niedrige Ver- 
geltung für ihre eigenen Werke. 

3ti. Diejenigen, welche hier böse Werke tun, gelangen 
für ihre Werke in die Hölle; (4»o) dies ist der schlimme Weg 
nach unten, auf dem die Menschen gepeinigt [wörtlich: ge- 
braten] werden; aus ihr [der Hölle] ist es sehr schwer los- 
zukommen, und man mufs seine Seele sorgfältig vor ihr 
behüten. 

37. (4»i.) Hingegen die Stätten, an welchen die Seelen 
weilen, die nach oben gegangen sind, diese, wie sie schon 
hienieden uns verkündigt werden, vernimm von mir der Wahr- 
heit gemäfs. 

3-S. (492.) So mögest du, nachdem du die zuverlässige Er- 
kenntnis vernommen hast, die Gewifsheit in betreff der Werke 



894 



IV. AnugU*. 



erfahren. Alle die Gestalten der Gestirne und jene Mond- 
scheibe dort, 

39. (493.) wie auch die Welt, in welcher mit eigenem 
Glänze die Sonnenscheibe strahlt, diese alle wisse als die 
Stätten der Menschen, welche heilige Werke geübt haben. 

40. (494.) Aber nachdem ihre Werke verbraucht sind, 
müssen sie alle immer wieder aufs neue herabsinken: auch 
ist dort oben im Himmel eine Unterscheidung zwischen 
Niedrigem, Hohem und Mittlerem; 

41. (495.) und auch darum ist dort keine volle Befriedi- 
gung, weil man ein glänzenderes Glück vor Augen sieht. 
Damit habe ich dir alle jene Wege im einzelnen erklärt. 

42. (496.) Nunmehr aber will ich dir das Eingehen in einen 
Mutterleib erklären; und auch dies vernimm von mir, wie 
ich es dir darlege, mit Aufmerksamkeit, o Brahmane. 

So lautet in der Anugttt der zweite Adbjaym. 

Adliy&ya 18 (B. 18). 

Vers 497-531 (B. 1—35). 

Der (Vollendete] Brahmane sprach: 

1. (497.) Für gute und böse Werke gibt es keinen Ver- 
gang; sie kommen zur Reife, indem man in den ihnen jedes- 
mal entsprechenden Körper eingeht. 

2. (498.) Wie ein Fruchtbaum, der zeugungskräftig ist, 
viele Früchte hervorbringt, so wird von einem reinen Gemüte 
(manasj eine grofse Menge verdienstlicher Werke hervor- 
gebracht. 

3. (499.) In derselben Weise wird das Böse durch ein 
böses Gemüt bewirkt, denn die Seele verfährt in der Weise, 
dafs sie das Gemüt [wie ein Fürst seinen Purohita] beauf- 
tragt (purodhayaj , das Werk zu tun. 

4. (500.) Wie nun ein Mensch, mit seinem Werke beladen 
und in Lust und Zorn gehüllt, in einen Mutterschofs eingeht, 
auch dies vernimm, wie ich es dir beantworte. 

5. (5oi.) Der [männliche] Same, mit dem [weiblichen] 
Blute vermischt, gelangt in den Uterus des Weibes und 



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Adhyftya 18 (B. 18). 



895 



erhält dort einen aus seinen Werken entstehenden Leib, sei 
es einen schönen oder nichtschönen. 

(3. (502.) Und wegen seiner Subtilität und seines unoffen- 
baren Wesens hängt er [der Purusha, die Seele] nirgendwo 
[an den Körperelementen] fest [vgl. asango hy ayam purushah, 
Brih. Up. 4,:Uö]; darum wird er, wenn er als ßrahmane sein 
Verlangen erreicht hat, zu jenem ewigen Brahman. 

7. (503.) Dieses [Brahman] ist der Same aller Wesen, 
durch dieses leben alle Kreaturen; dieses, als individuelle 
Seele alle Glieder des Embryo Stück für Stück erfüllt habend, 

8. (504.) erhält sie aufrecht vermittelst des Bewufstseins, 
sofort seinen Standort in den Lebensorganen nehmend; als- 
dann versetzt der mit dem Geistigen ausgestattete Embryo 
die Glieder in Zuckungen. 

9. (505.) Wie der sich ergiefsende Flufs des [geschmolzenen] 
Eisens die bestimmte Form der Statue ausfüllt, so, wisse, ist 
das Eingehen der Seele in den Embryo. 

10. (5<>6.) Wie die Feuersglut, in einen Eisenklumpen ein- 
gehend, ihn durch und durch erhitzt, so ist, das sollst du 
wissen, das Eindringen der Seele in den Embryo. 

1 1. (507.) Und wie die Lampe leuchtet, welche in einem 
Zimmer brennt, in ehen dieser Weise erleuchtet das Bewufst- 
sein die I^eiber. 

12. (508.) Alle Werke, die einer vollbringt, seien sie gut 
oder böse, alles, was in einer frühern Verkörperung begangen 
wurde, das wird unfehlbar abgebüfst. 

13. (509.) Damit wird es abgetragen, aber zugleich sammelt 
sich wiederum anderes Werk an, bis dafs einer zur Erkennt- 
nis derjenigen Pflicht kommt, welche in der Hingebung an 
die Erlösung besteht. 

14. (5io.) Nun will ich dir das Werk verkünden, durch 
welches einer selig wird, und wie er es wird, während er in 
abwechselnden Geburten immer wiederkehrt, o Bester. 

15. (511.) Freigebigkeit, Gelübde, Vorschrift smäfsiges Leben 
als Brahmanschüler, Behalten des heiligen Wortes, Bezäh- 
mung, Beruhigtsein und Mitleid mit den Wesen, 

lt>. (512.) Selbstbeherrschung, Freiheit von Übelwollen, 
Vermeidung des Sichvergreifens an fremdem Gute, Nicht- 



896 



IV. AnugiUL 



begehen von Übeltaten auch nur in Gedanken gegen irgend 
welche Wesen auf der Welt, 

17. (ßia.) Gehorsam gegen Mutter und Vater, Ehren- 
erweisung gegen Götter und Gäste, Ehrung des Lehrers, Mit- 
leid, Reinheit, beständige Beherrschung der Sinne 

18. (5U.) und Beförderung edler Handlungen — dies wird 
der Lebenswandel der Guten genannt; aus ihm entspringt 
die Gerechtigkeit, welche die Wesen in alle Ewigkeit beschützt. 

19. (515.) Daher wird man sie immer bei den Guten sehen, 
bei ihnen hat sie ihren beständigen Standort, ihr Wandel 
zeigt an, was Gerechtigkeit ist, in welcher sie ruhig und fest 
beharren. 

20. (sie.) Ihnen ist dieses Werk anvertraut, nämlich diese 
ewige Gerechtigkeit; wer ihr sich zuwendet, der wird sich 
nicht auf einen Abweg verlieren. 

21. (517.) Hierdurch wird die Welt aufrecht erhalten, wenn 
sie von den Wegen der Pflicht abirrt; aber ein dem Yoga 
Ergebener, ein Erlöster zeichnet sich auch noch vor jenen aus. 

22. " (518.) Wenn aber einer der Pflicht gemäfs einen guten 
Wandel übt, wo und wie es immer sein mag, ein solcher 
wird erst nach langer Zeit über den Sarisära hinausgeführt. 

23. (5i».) In dieser Weise gelangt ein Mensch allemal zu 
dem früher begangenen Werke, und dieses ist die ganze 
Ursache, um derentwillen einer in verwandelter Gestalt hier- 
her zurückkehrt. 

24. (520.) Aber durch wen ist es zu Anfang angeordnet 
worden, dafs einer [als Sühne für frühere Werke] einen 
Körper annehmen mufs? — Darüber besteht in der Welt 
Zweifel; das will ich dir nunmehr erklären. 

25. (621.) Als der Urvater aller Welt sich selbst einen 
Leib geschaffen hatte, da liefs er, der Gott Brahman, die drei 
Welten aus sich hervorgehen, alles Unbewegliche und Be- 
wegliche. 

2G. (522.) Darauf entliefs er aus sich das Pradhänara [die 
Urnatur, d. h. doch wohl seinen eigenen Leib] als die Prakriti 
[die Urraaterie] der zu verkörpernden Seelen, von welcher 
diese ganze Welt erfüllt ist, und die man gemeiniglich für 
das Höchste ansieht. 



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Adhy&ya 18 (B. IS). 



SS»7 



27. (523.) Diese wird bezeichnet als das Veränderliehe 
fksharinn), das andere aber ist das Unsterbliche, Unveränder- 
liche. Als eine Verbindung von den dreien [d. h. von den 
drei Guna's, aus denen die Prakriti besteht, vgl. auch müh tont, 
Sänkhya-Kärikä 12], für jedes Einzelwesen in besonderer 
Weise, hat er alles, 

28. (524.) hat er alle Wesen geschaffen, nachdem er als 
Schöpfer (Prajäpati) vorher zum Vorschein gekommen war 
[vgl. Manu 1,6—7 pradur äsit, udbabhau], sowie auch die 
Pflanzen; so lehrt es die althergebrachte Schrift. 

29. (525.) Aber für jenes [Annehmen eines Körpers] ver- 
ordnete der Weltvater eine Zeitgrenze und ebenso die Um- 
wanderung unter den Wesen und die immer neue Wiederkehr. 

30. (526.) Was ich dir als ein weiser Mann, der den Atman 
in einer frühern Geburt erkannt hat, sagen werde, das ist 
alles der Wahrheit gemäfs. 

31. (527.) Wer erkennt, wie Lust und Schmerz ganz und 
gar vergänglich sind, und dafs der Körper eine unreine An- 
sammlung, und dafs sein Untergang durch die Werke be- 
dingt ist, 

32. (5J3 ) und wer bedenkt, dafs alle Lust im Grunde doch 
Leid ist, der wird den furchtbaren Ozean des Sansära über- 
schreiten, so schwer das ist. 

33. (52».) Er, der mit Geburt, Tod und Krankheit behaftet 
ist, aber die [Illusion der] Materie durchschaut, er erkennt 
in allen geistigen Wesen ein und dasselbe Geistige. 

34. (r>3o.) Dann wird er der ganzen Welt überdrüssig und 
erforscht die höchste Stätte. Hierüber will ich dir, o Bester, 
der Wahrheit gemiifs Belehrung geben. 

3f>. (53i.) Und was die höchste Erkenntnis von jenem 
Ewigen, Unvergänglichen ist, das, o Brahmane. sollst du, wie 
ich es dir sagen werde, vollständig vernehmen. 

So lautrt in der AntitfltiV drr .Iritte A.lhjiy» 



IM L ast:*, MahibhftraUin 



898 IV. Anugita. 



Adhy&ya 19 (B. 19). 

Vers 532-598 (B. 1-66). 

Der [rollendete] Ii rahm an e sprach : 

1. (532.) Wer beharrt, in das einzige Ziel vertieft, schwei- 
gend, nicht denkend woran es auch immer sei, und alles 
Frühere hinter sich lassend, der ist über die Bindung hinaus- 
geschritten. 

2. (633.) Wer allen Freund ist, alles duldend, der Ruhe 
ergeben, die Sinne besiegt habend, frei von Furcht und Zorn 
und Herr seiner selbst, der Mann wird erlöst. 

1\. (534.) Wer alle Wesen wie sich selbst behandelt, be- 
zähmt, rein, ohne Stolz und Hinterlist ist, der ist von allem 
erlöst. 

4. (535.) Wer bei beidem, Leben und Tod, bei Freude und 
Schmerz, bei Gewinn und Verlust, bei Liebem und Unliebem 
gleichmütig bleibt, auch der wird erlöst. 

o. (536.) Nicht begehrt er nach irgend etwas, nicht ver- 
achtet er irgendwas, er ist frei von den Gegensätzen [z. B. 
Liebe und Hafs] und in seiner Seele ohne Leidenschaft; ein 
solcher ist in jedem Sinne erlöst. 

(}. (537.) Wer ohne Freunde, ohne Verwandte, ohne Nach- 
kommenschaft ist, wo es auch immer sein mag, wer das Gute, 
Nützliche und Angenehme hat fahren lassen und frei von Be- 
gierde ist, wird erlöst. 

7. (538 ) Wer nicht mehr am Guten, nicht mehr am Bösen 
hängt, von dem früher Aufgehäuften [Verdienste der guten 
Werke] sich frei macht, durch Aufreibung der Stoffe seines 
Körpers seine Seele beruhigt hat und von den Gegensätzen 
sich losgesagt hat, der wird erlöst. 

8. (539.) Wer ohne Werke, ohne Begierde hinblickt auf 
die vergängliche Welt, wie sie, dem Feigenbaum [d. h. der 
Vielheit seiner Zweige, Käth. Up. 6,1] vergleichbar, immerfort 
an Geburt, Tod und Alter gebunden ist, 

9. (540.) wer mit dem Bewufstsein der Leidenschaftslosig- 
keit immerfort auf seine Fehler achtet, der vollbringt die 



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Adhy&ya 19 (B. 19). 



Befreiung seiner Seele von der Bindung, man kann wohl 
sagen, in kurzer Zeit. 

10. (54i.) Wer den unriechbaren, unschmeckbaren, unfühl- 
baren, unhörbaren, unfafsbaren, unsichtbaren, unerkennbaren 
Atman schaut, der wird erlöst. 

11. (542.) Wer den von den Qualitäten der fünf Elemente 
freien, gestaltlos-ursachlosen, gunalosen Geniefser der Guna s 
schaut, der wird erlöst. 

12. (5*3.) Durch die Erkenntnis alle Wünsche, die körper- 
lichen wie die geistigen, aufgebend, erlangt er nach und nach 
das Nirvänam (das Erlöschen) wie das Feuer, dessen Brenn- 
holz verbrannt ist. 

13. (544.) Wer frei von allen Nachwirkungen [der frühern 
Geburt], frei von den Gegensätzen, frei von allem Anhang 
[Familie usw.] ist und durch die Schar der Sinne mittels 
Askese hindurchgeht, der ist erlöst. 

14. (545.) Wenn er von allen Nachwirkungen befreit ist, 
alsdann erlangt er das ewige, höchste, ruhige, unbewegliche, 
beständige, unvergängliche Brahman. 

15. (546.) Weiterhin nun will ich dir die unübertreffliche 
Wissenschaft des Yoga mitteilen und wie, dieser sich hin- 
gebend, die Yogin's den vollkommenen Atman schauen. 

K>. (547.) Über diesen will ich dir die Unterweisung mit- 
teilen, wie es sich gehört; dies vernimm von mir, durch 
welche Pforten, sich selbst in sich selbst eindringen lassend, 
man das Ewige erschaut. 

17. (64*.) Die Sinnesorgane in sich hineinziehend , soll 
man das Manas in sich selbst feststellen, und nachdem man 
vorher scharfe Askese geübt hat, den zur Erlösung führen- 
den Yoga betreiben. 

18. (541».) Dann möge der Asket in dauernder Hingebung 
die Yogawissenschaft betreiben, indem er als Weiser an 
Verstand, als Brahmane das [höchste] Selbst in seinem 
Selbste schaut. 

19. (550.) Wenn er dann als ein solcher Tüchtiger es 
vermag, sich selbst in sich selbst zu vertiefen, dann wird 
er, einzig dessen beflissen, das [höchste] Selbst in seinem 
Selbste schauen. 

57* 



900 



IV. Annita. 



20. (551.) Bezähmt, immerfort hingegeben, Herr seiner 
selbst und die Sinne im Zaume haltend, so wird er, welcher 
sich völlig hingegeben hat, durch sein Selbst das Selbst 
schauen. 

21. (562.) Denn so wie ein Mann im Traume, wenn er 
einen [im Wachen] gesehen hat, hinschaut und sagt: „Er 
ist es", ebenso sieht der in rechter Weise Hingegebene den 
Ätman, als wäre er eine körperliche Gestalt. 

22. (553.) Und wie einer den Halm aus dem Schilf heraus- 
zieht und vorzeigt, so zieht auch der Yogin aus seinem Leibe 
den Atman heraus und schaut ihn an (Rath. Up. 6,17). 

23. (554.) Das Schilf, so erklärt man dies, ist der Leib, 
der Halm trifft zu auf den Atman; dieses unübertreffliche 
Gleichnis ist von Yogakennern verkündigt worden. 

24. (555.) Denn wenn der Verkörperte vollständig sein im 
Yoga begriffenes Selbst schaut, dann gibt es für ihn hienieden 
keinen Herrn mehr, und wäre er der Gebieter aller drei Welten. 

25. (556.) Andere und wieder andere Gestalten, in die geht 
er ein nach Wunsch, und ob er schon wiederkehrt zu Alter und 
Tod, so härmt er sich doch nicht und freut sich auch nicht. 

20. (5/i7.) Auch das Gottsein der Götter weifs der dem 
Yoga Hingegebene, Mächtige sich zu verschaffen; und das 
unvergängliche Brahman erlangt er, nachdem er den nicht- 
beständigen Leib verlassen hat. 

27. (558.) Und wenn auch die Wesen zugrunde gehen, so 
ergreift ihn doch keine Furcht, und wenn die Wesen gequält 
werden, so erleidet er doch keine Qual von irgend jemandem. 

28. (559.) Durch fürchterliche Schmerzen, Leiden und Be- 
ängstigungen, wie sie aus dem Hängen und Kleben [am Da- 
sein] hervorgehen, bleibt der dem Yoga Hingegebene uner- 
schüttert, ohne Begierde und ruhigen Herzens. 

20. (5«o.) Ihn durchbohren keine Geschosse, für ihn gibt 
es keinen Tod ; es gibt nichts irgend auf der Welt, was glück- 
licher wäre als er. 

30. (56i.) Sein Selbst völlig dahingegeben habend, steht 
er fest gewurzelt in dem [höchsten] Selbste; Alter und 
Schmerz haben sich von ihm abgewandt, und so kann er 
ruhig schlafen. 



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Adhyaya 19 fB. 19). 



001 



31. (562.) Nach seinem Belieben fährt er ein in die Körper, 
indem er seinen menschlichen Leib verläfst, aber l berdrufs 
wird ihn in keiner Weise überkommen, indem er [das Da- 
sein in fremden Leibern] geniefst. 

32. (563.) Wenn er in völliger Hingebung sein Selbst nur 
in dem [höchsten] Selbste sieht, dann empfindet er keinen 
Neid, auch nicht einmal dem Gott Indra gegenüber. 

33. (564.) Wie aber einer, der sich dessen einzig be- 
fleifsigt, den Yoga erlangt, das vernimm. Uberdacht habend 
die früher gesehene Gegend [die Aufsenwelt], nimmt er seinen 
Wohnsitz in einer Stadt [dem eigenen Innern], 

34. (565.) und im Innern dieser Stadt mufs man das Manas 
feststellen, nicht aufserhalb derselben. Und wenn er, im Innern 
der Stadt verbleibend, in einer ihrer Wohnungen weilt, (566.) so 
soll man in dieser Wohnung das Manas mitsamt allen äufseren 
und inneren [Organen, lies: abhyantaram] einschliefsen. 

35. Und während der Zeit, in welcher er, das All über- 
denkend, in dieser Wohnung weilt, (567.) während dieser Zeit 
ist sein Manas in keiner Weise von aufsen her [beeinflufst; 
tasmin mit B., sonst nach C.]. 

3t>. Und indem man die Schar der Sinnesorgane bändigt, 
so dafs sie lautlos in dem menschenleeren Walde verharrt, 
(5r,8.) soll man den ganzen innern Körper unabgelenkt über- 
denken, 

37. die Zähne, den Gaumen, die Zunge, die Kehle mit- 
samt dem Halse, (scy.) und auch das Herz soll man über- 
denken und ebenso die Adern Verbindung des Herzens. 

38. So wurde von mir zu jenem verständigen Schüler 
gesprochen, o Madhusüdana, (570.) da fragte er mich wiederum 
nach jener schwer zu erklärenden Erlösungslehre. 

30. Wie wird die immer wieder und wieder genossene 
Nahrung in den Eingeweiden verdaut, (:»7i ) wie geht sie in 
den Zustand des Saftes, und wie weiter in den Zustand des 
Blutes über? 

40. Ferner, wie kommt es, dafs Fleisch, Fett, Sehnen 
und Knochen in dem Weibe wachsen, (572 ) und wie, dafs 
alle diese Körper der Verkörperten 

41. wachsen, wenn man wächst, und wie wächst zugleich 



902 



IV. AnugltiL 



jemandes Kraft, (578.) und wie vollzieht sich der Abgang hin- 
dernder Stoffe und der Ausscheidungen je nach ihrer Art? 

42. Oder wie kommt es, dafs einer einatmet und wieder 
ausatmet, (674.) und welchen Ort des Körpers einnehmend weilt 
der Atman in unserem Selbst? 

43. Und wie kann die individuelle Seele, indem sie sich 
bewegt, den Leib in Bewegung setzen, (575.) und in einen 
[Körper] von welcher Farbe (Kaste) bettet sie abermals einen 
wie beschaffenen ein? 

44. Das mögest du mir der Wahrheit gemäfs erklären, 
o Heiliger, Sündloser. (576.) Mit diesen Worten wurde ich 
von jenem Brahmanen befragt, o Mädhava, 

45. und ich antwortete ihm, o Grofsarmiger, der Schrift- 
offenbarung gemäfs, o Feindbezwinger. (577 ) Wie einer, der 
einen Schatz in seiner Schatzkammer niedergelegt hat, auf 
den Schatz aufmerksam bleiben mufs, 

46. so soll man das Manas in dem Körper einschlief sen, 
sich der Ausgangspforten wohl versichern (578.) und in sich 
den Atman aufsuchen, indem man die Lässigkeit meidet. 

47. Wenn man sich in dieser Weise immerfort in Be- 
reitschaft hält, so wird man mit freudigem Geiste in kurzer 
Zeit vielleicht schon (579.) in Besitz jenes Brahman gelangen, 
welches geschaut habend man auch des Pradhänam (der 
Prakriti) kundig wird. 

48. Nicht mit dem Auge ist Er zu erfassen und nicht 
mit allen Sinnesorganen, (580.) sondern mit dem Manas als 
Leuchte wird der grofse Atman (mahän atmäj geschaut. 

49. Nach allwärts ist er umgeben von Händen und Füfsen, 
nach allwärts ist er Augen, Haupt und Mund, (581.) nach allen 
Seiten hin hörend, die Welt umfassend steht er da (£vet. 
Up. 3,16, frei). 

50. Die (individuelle) Seele schaut sich selbst, wie sie 
aus dem Körper herausgetreten ist. (58-.\) Und indem sie 
diesen ihren eigenen [Atman] in dem Körper loslöst und zur 
Trägerin des absoluten Brahman wird, 

51. schaut sie sich selbst an im Geiste gleichsam lächelnd. 
(583.) Und indem sie in dieser Weise jenes Brahman zu ihrem 



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Adhyaya 19 (B. 19). 



Stützpunkt gemacht hat, gelangt sie darauf zur Erlösung in 
mir [sofern ich der höchste Ätman bin]. 

;V2. Dieses ganze Geheimnis habe ich dir mitgeteilt, 
o Bester der Zwiegeborenen. (584.) Ich sage dir Lebewohl, 
ich mufs aufbrechen, ziehe hin, o Brahmane, wie es dir 
gefällt. 

53. Nachdem in dieser Weise, o Krishna, jener askese- 
reiche Schüler damals von mir belehrt worden war, (.wr..) ging 
er, wohin es ihm gefiel, der Brahmane mit scharfem Gelübde. 

Vasudeva (Krishna) sprach: 

54. (*»si>.) Nachdem in dieser Weise damals, o Sohn der 
Pritha. jener Beste der Zwiegeborenen die Rede gesprochen 
hatte, gab er sich völlig der Erlösungslehre hin und ver- 
schwand daselbst vor meinen Augen. 

55. (r»87.) Hast du wohl jetzt, o Sohn der Pritha, dieses 
mit ungeteilter Aufmerksamkeit angehört? Denn auch da- 
mals schon, als du dich auf deinem Streitwagen befandest, 
hast du ja das alles gehört. 

5<>. (.ws.) Denn freilich ist dies nicht leicht zu fassen, 
o Sohn der Pritha, wie ich denke, von einem zerstreuten 
Manne, der noch nicht sein Bewufstsein bereitet hat durch 
ein geläutertes Innere. 

57. f.w«i.) Jetzt ist dies ausgesprochen worden, o Stier der 
Bharatas, was auch für die Götter ein grofses Gebeimnis ist; 
und dieses ist doch gewifs noch niemals, o ^ohn der Pritbä, 
von einem Menschen vernommen worden. 

bH. ib9i).) Denn kein anderer Mensch aufser dir, o Un- 
tadliger, ist würdig, dieses zu hören, und auch jetzt ist es 
nicht wohl zu fassen von einem ungesammelten Gemüte. 

5 ( .>. (f,»i.) Denn die Götterwelt, o Sehn der Kunti, wird 
von den Opferbringern in ihrem Bestände geschützt, und es 
ist den Göttern nicht erwünscht, dafs das Menschengeschlecht 
[durch Eingang in die Erlösung) schwinde.* 

bX). (592.) Denn das, o Prithasohn, ist der höchste Gang, 



* Cankara zu Brih. Up. 1.4.10 p. 2:14.'» liest: nvirtwir upan -rurtanam. 
mit anderer Wendung des (iedankens. 



904 



IV. Anugita. 



was jenes ewige Brahman ist, in welchem man nach Ver- 
lassen des Körpers ewig selig' die Unsterblichkeit erlangt. 

61. (593.) Die, welche dieser Lehre sich zuwenden, auch 
wenn sie einem schlechten Mutterschofse entsprossen, auch 
wenn sie Weiber, Vaicya's oder C udra ' s smd > aucn diese 
gehen den höchsten Weg. 

62. (594.) Um wieviel mehr die Brahmanen, o Sohn der 
Prithä, und Kshatriya's, wenn sie eifrig die Schrift studieren, 
an ihrer Pflicht Freude haben und allezeit die Brahman weit 
für das Höchste halten! 

63. (595) Und dieses ist mit Gründen bewiesen worden; 
auch gibt es Mittel, um es zu vollbringen; die Frucht aber 
des Yollbringens (lies: siddhiphalam) ist die Erlösung und 
die völlige Beseitigung des Leidens. 

64. (596.) Über dieses hinaus gibt es kein Glück, von 
welcher Art es auch sein möge, o Stier der Bharata's. Wer 
verstandig ist und gläubig und tapfer, o Pändusohn, 

65. (597.) welcher Mensch durch diese Mittel zum Ver- 
zichten auf die wertlosen Werte der Welt veranlafst wird, 
der findet alsbald den höchsten Weg. 

66. (598.) Soviel ist darüber zu sagen ; es gibt nichts, was 
darüber hinaus noch als Ziel gelten könnte; wenn einer sich 
sechs Monate lang immerfort des Yoga beflissen hat, so wird 
bei ihm der Yoga gedeihlich fortschreiten. 

So lautet in der Anngltä der vierte Adby&jra. 

Adhy&ya 20 (B. 20). 

Vera 599-627 (B. 1-28). 

Vasudeva sprach: 

1. (599.) Auch hierüber erzählt man sich diese alte Ge- 
schichte, o Sohn der Prithä, von der Unterredung, welche 
zwischen zwei Ehegatten gepflogen worden war, o Stier der 
Bharata's. 

2. (600.) Als einen gewissen Brahmanen, der an das End- 
ziel der Erkenntnis und Wissenschaft gelangt war, die Brah- 



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Adhyäya *20 (B. 20). 



manenfrau in der Einsamkeit sitzen sah, da sprach sie, die 
Gattin, zu ihrem Gatten: 

ii. (601.) In welche Welt werde ich gelangen, die ich zu 
dir, meinem Gatten, meine Zuflucht genommen habe, der du 
das Opferwerk aufgegeben hast und nun dasitzest wie ein 
Tölpel und unansehnlich? 

4. fcos.) Die Frauen erlangen die von ihren Gatten er- 
rungenen Welten, wie die Schrift uns sagt. Ich habe dich 
als Gatten erlangt; welchen Weg werde ich wohl gehen? 

f>. f <;<>:*.) Nachdem er so angeredet war, sprach er mit 
ruhigem Geiste und gleichsam lächelnd : O Holde, nicht bin 
ich ungehalten über diese deine Rede, o Untadlige. 

t». (604.) Greifbar und sichtbar oder real ist das, was 
für ein Werk gehalten wird ; bei diesem als ihrem Werke 
bleiben die Werk voll bringer stehen und nennen es Werk. 

7. (t;oi.) Nur in der Verblendung befestigen sie sich durch 
ihr Werk, sie, die der Erkenntnis entbehren, und das Unter- 
lassen von Werken wird in dieser Welt auch nicht eine 
Stunde lang festgehalten. 

*. <6o*o In Taten, Gedanken und Worten bleibt das Werk, 
sri es ein gutes, sei es ein böses, von der Gehurt an bis zur 
Trennung von dem Leibe hin unter den Wesen in Übung. 

i*. (6»;.j Aber während die Wege, auf denen sichtbare 
Stoffe geopfert werden, von den Dämonen Angriffe erfahren, 
so habe ich für sie [die Wesen] durch meinen Annan einen 
im Atman beruhenden festen Stützpunkt ersehen. 

10. ohm.) Wo jenes von den Gegensätzen freie Hrahinan, 
wo der [wahre] Sorna und das Opferfeuer ist, dort verkehrt 
der Weise beständig, indem er [sieh als Krahman wissend] 
die Wesen trägt, 

11. <«<>!>) dort, wo die Brahmanen und die übrigen in 
Hingebung jenes Unvergängliche verehren, dort, wo die 
Wissenden, ihrem Gelübde Treuen mit beruhigtein Selbste 
und bezähmten Sinnen weilen. 

kku Nicht ist es durch den Geruchsinn zu riechen, 
nicht ist es durch die Zunge zu schinecken, noch auch durch 
den Tastsinn zu betagten, aber mit dem Mauas wird es erkannt, 
n. 0:11.) Nicht kömnm sich die Augen seiner bemächtigen. 



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906* 



IV. Anugiti. 



und es ist erhaben über alles, was man irgend hören mag, 
ist ohne Geruch, ohne Geschmack und Fühlbarkeit, die Un- 
sichtbarkeit und Unhörbarkeit hat es als Merkmal. 

14. (612.) Es ist dasjenige, von welchem das Gewebe der 
Schöpfung ausgeht und in welchem es gegründet ist; der 
Aushauch, der Einhauch, der Allhauch, der Zwischenhauch 
und der Aufhauch, 

15. (613.) sie alle gehen von ihm aus und in dasselbe ein, 
in ihm bewegen sich zwischen Allhauch und Zwischenhauch 
der Aushauch und der Einhauch. 

H\. («u.) Wenn dieses sich verbirgt, so verbergen sich 
auch der Allhauch und der Zwischenhauch, und zwischen 
Einhauch und Aushauch nimmt der Aufhauch, sie durch- 
dringend, seine Stelle; (eis.) daher kommt es, dafs der Aus- 
hauch und Einhauch den Menschen, auch während er schläft, 
nicht vertätet. 

17. Weil die [übrigen] Lebenshauche durch ihn regiert 
werden, darum heifst er der Aufhauch; (616.) durch diesen 
[als den beherrschenden Lebenshauch] geschieht es, dafs die 
Brahmanlehrer sich der auf das Ich hinzielenden Askese zu- 
wenden. 

18. Unter diesen [Lebenshauchen], welche wechselseitig 
voneinander zehren und alle den Körper durchstreichen, 
(6i7.) strahlt in ihrer Mitte von innen her das Feuer Vaicvä- 
nara [das Verdauungsfeuer als Lebensprinzip und Symbol des 
Atman, Brih. Up. 5,9] in sieben Richtungen: 

19. Geruch und Geschmack, Auge, Tastsinn und Ohr 
als fünftes, (618.) ferner Manas und Buddhi, das sind die sieben 
Zungen des Vaicvanarafeuers. 

20. Das Riechbare und das Sichtbare, das Trinkbare, 
Fühlbare und Hörbare, (6is.) ferner das Verstehbare und Er- 
kennbare, das sind die sieben Brennhölzer für mein Ich. 

21. Der Riechende, der Schmeckende, der Sehende, der 
Fühlende und der Hörende als fünfter, (620.) ferner der Ver- 
stehende und der Erkennende, das sind die sieben obersten 
Opferpriester. 

22. Was ferner die Objekte des Riechens, Schmeckens, 
Sehens , Fiihlens und Hörens (621.) sowie des Verstehens und 



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Adhyftya 20 (B. 2<»). 



907 



Erkennens betrifft, so wisse, o Holde, dafs sie allemal da- 
durch zustande kommen, dafs 

2-5. die sieben Opferpriester, die die Opfergaben [die Data 
der Perzeption] siebenfach in die sieben Feuer [die sieben 
vom Atman auslaufenden Organe der Perzeption], («22.) wie 
es sich geziemt, werfen und dadurch als Weise [Priester] die 
genannten Objekte an der ihnen zukommenden Stätte [der 
Aufsenwelt] erzeugen. 

24. Die Erde, die Luft, der Äther, das Wasser und das 
Feuer zu fünft (623.) sowie Manas und Buddhi, diese sieben 
werden dabei als die Stätten bezeichnet. 

25. Nämlich die zur Opfergabe gewordenen Qualitäten 
der Dinge gehen dabei alle ein in die aus dem [Ätman-] 
Feuer entspringende Qualität [der Aperzeption ] , (624.) und 
nachdem sie dort innerlich gewohnt haben, werden sie an 
den ihnen zukommenden Stätten [der Aufsenwelt] geboren. 

20. Dort, in dem Erzeuger der Elemente [d. h. in dem 
Atmanfeuer], werden sie beim Untergange eingeschlossen, 
(«Sri.) und aus diesem wiederum entsteht der Geruch, entsteht 
der Geschmack, 

27. aus diesem entsteht auch die Gestalt und das Tast- 
bare, (es«.) aus diesem auch der Ton, die Überlegung [als 
Objekt des Manas] und die Überzeugung [als Objekt der 
Buddhi), so ist diese ihre Geburt siebenfach. 

2H. («27.) In dieser Weise ist es von den Altvordern be- 
griffen worden (Kaush. l'p. 8). Durch drei vollständige Opfer- 
güsse werden die ganz vollständigen [drei Welten] durch 
das Feuer [des Ätman] eingefüllt. 

S<> latitrt in der Annita der filnfte AdlryAja. 

Adhvftva *>i (11. ♦>!). 

Vers tii'S-CM (B. 1-20». 

Der Bnilnnane sprach: 
1. («2S j Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte. Vernimm nunmehr, o Liebliche, welches die 
Einsetzung der zehn Opferpriester ist. 



908 



IV. Anugitt. 



2. (629.) Das Ohr, die Haut, die Augen, die Zunge und 
die Nase, die Füfse, die Hände, das Zeugungsorgan, das 
Entleerungsorgan und die Rede (lies: päyur vag //?), dies 
sind, o Schöne, die zehn Opferpriesterheiten. 

3. (630.) Der Ton und das Gefühl, das Gesicht und der 
Geschmack, der Geruch, die Rede, das Greifen, das Gehen 
und die Entleerung des Samens sowie die von Harn und Kot, 
das sind die zehn Opfergaben. 

4. (6.n.) Die Gottheiten der Himmelsgegenden, des Windes, 
der Sonne, des Mondes, der Erde und des Feuers nebst Vishnu, 
Indra, Prajäpati und Mitra, das sind, o Schöne, die zehn 
Opferfeuer. 

5. (632.) Zehn Sinne sind als Opferpriesterheiten und 
zehn [Stoffe der Wahrnehmung als] Opfergaben, o Holde; 
Sinnesobjekte aber heifsen die Brennhölzer, welche in den 
zehn Opferfeuern [in den genannten Naturgöttern] geopfert 
werden. 

6. (633.) Das Denken ist der Opferlöffel und der [beim 
Opfer gespendete] Reichtum; die Erkenntnis ist die beste 
Opferseihe. Diese ganze Welt war [zum Zweck dieses Opfers] 
richtig eingeteilt, wie die Schrift lehrt (Rigveda 10,90,6). 

7. (634.) Dabei bezieht sich Denken und Erkennen auf 
alles Erkennbare; in dem Körper aber, welcher der Träger 
des feinen Leibes fretah^ariram — sükshmaQariram) ist, ist der 
Erkenner der Träger dieses Leibes. 

8. (635.) Dieser Träger des Leibes [der Erkenner] ist das 
Gärhapatyafeuer, aus ihm wird das andere Feuer abge- 
leitet; das Manas hingegen ist das Ahavaniyafeuer, in dieses 
wird die Opfergabe [der Stoff der Sinneswahrnehmung] ge- 
worfen. 

9. (636.) Aus jenem [dem Erkenner, d. h. dem Atman] ist 
hervorgegangen der Herr der Rede [das ewige, weltschaffende 
Vedawort] ; auf ihn [auf das Vedawort] blickt das Manas [der 
weltschaffende Wille] hin, und die Gestalt [der Aufsendinge] 
entsteht; das Manas läuft hinter dem Buchstaben [des Veda] 
her [d. h. die Dinge werden im Hinblick auf das ewige Veda- 
wort geschaffen]. 



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Adhyaya 21 (II. 21). 



909 



Die Brahmauin sprach: 

10. (637.) Wie kommt es, dafs die Rede zuerst und das 
Manas hinterdrein entstanden ist, da doch die Rede das über- 
nimmt, was vom Manas vorher gedacht worden ist? 

11. (G38.) Ferner: durch welche Tätigkeit des Erkennens 
erlangt die Mati (das Manas) den Gedanken und erlangt ihn 
doch nicht in dem erhöhten Zustande [des Tiefschlafes und 
des Yoga], wer hindert alsdann das Manas? 

Der Brahmane sprach: 

12. (<;:uo Der Apäna hindert es, indem er es übermeistert; 
dadurch versenkt er das Manas in das Apanasein; dies wird 
als der Weg gelehrt, welchen das Manas [im Tiefschlafe und 
Yoga] geht; darum blickt das Manas [auf das Vedawort] 
hin. [Das Manas funktioniert intermittierend, während das 
Vedawort ewig ist.] 

VX (64o) Was aber deine [erste] Frage betrifft, in der 
du mich nach dem Verhältnis zwischen Rede und Manas be- 
fragtest, so will ich dir die Geschichte von dem Rangstreite 
dieser beiden erzählen (lies: vartayishyämi). 

14. (64t.) Beide, die Rede und das Manas, gingen zum 
Bhütätman (zur individuellen Seele) und befragten ihn: Sage, 
wer von uns beiden der Beste ist, löse uns diesen Zweifel, 
o Herr. 

IT). (642.) Das Manas, so antwortete der Erhabene. Da 
sprach Sarasvati (die Rede): Aber ich bin doch für dich die 
Wunschkuh; so sprach die Rede zu ihm. 

Der Brahmane sprach [als Vertreter <les Manas |: 
Di. (643.) Das Unbewegliche und das Bewegliche, diese 
beiden wisse als zwei mir eigene Arten des Mauas: das Un- 
bewegliche ist mir [als dem Manas] beigeordnet, das Beweg- 
liche gehört in deinen Bereich [du, die Rede, bist das Manas 
in Bewegung]. 

17. (644.) Alles, was in diesen Bereich gehört, sei es ein 
Vedaspruch, sei es ein Laut oder ein Akzent, das ist das 
Manas als Bewegliches, darum bist du, o Rede, die Geehrt ere ; 

18. (645.) sowie auch darum, weil dir die Meditation zu- 



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910 



IV. Anugita. 



kommt; darum komme ich aus freien Stücken zu dir, du 
Holde, und indem ich mich dem Aushauche anschliefse, werde 
ich [mit deiner Hilfe], o Sarasvaü, aussprechen [was ich als 
Manas denke]. 

19. (646.) [Hier scheint der Brahmanengatte wieder das 
Wort zu nehmen.] Ehemals hatte die Göttin Rede ihren be- 
ständigen Standort zwischen Präna [hier Einhauch] und Apäna 
[hier Aushauch], und wenn sie sich aufserte, so geschah es, 
o glückliche Gattin, indem sie ohne den Einhauch [also nur 
sehr schwach] aushauchte. (647.) Da lief sie [hilfesuchend] 
zu Prajäpati und sprach: Sei mir gnädig, o du Erhabene! 

20. Da trat der Präna in die Erscheinung, welcher die 
Rede [wenn sie erschöpft war] wiederum kräftigte ; (648.) daher 
kommt es, dafs die Rede niemals spricht, wenn sie sich an 
den Aushauch anschliefst. 

21. Sie äufsert sich allezeit, sei es in lauter, sei es in 
lautloser Weise, (649.) und auch von diesen beiden steht die 
lautlose Rede höher als die laute. 

22. Wie eine Milchkuh lafst sie die Dinge und ihren 
Wohlgeschmack ausströmen, die überaus reiche; (650.) denn 
immerfort strömt sie, das Brahman verkündigend, für und für. 

• 23. Die Göttin der Rede ist wegen ihrer himmlischen 
Macht eine himmlische Milchkuh, o du Frau mit dem heitern 
Lächeln. (661.) Siehe da den Unterschied der beiden Subtilen 
[Rede und Manas] in ihrem Dahinströmen. 

Die Brahmauin sprach: 
24. (652.) Damals, als noch keine Worte entstanden waren 
und sie [die vorweltliche Vedarede] sich getrieben fühlte von 
dem Verlangen zu reden, was hat wohl damals die Göttin 
Rede zuerst gesprochen? 

Der Brahmane sprach: 
25. (653.) „Sie, welche durch den Präna (Einhauch) 
in dem Körper geboren wird und vom Präna in den Apäna 
(Aushauch) eingeht, wenn diese, zum Udäna (Aufhauch) 
geworden, den Körper verlassen hat, so erfüllt sie durch 
den Vyäna (Zwischenhauch) den ganzen Himmel, 



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Adhyaya 21 (B. 21). 



911 



20. (ö5i.) und alsdann hat sie ihren Standort in dieser 
Welt [nicht mehr in einem individuellen Leibe, sondern 
in kosmischem Sinne] im Samäna (Allhauch)." Das sind 
die Worte, welche die Göttin der Rede [ihr kosmisches 
Wesen offenbarend] vordem gesprochen hat. — Somit 
hat das Manas die Unbeweglichkeit als Merkmal und die 
Göttin Rede die Beweglichkeit. 

So Uutct in der Anutflti der seehMe Adhy&ya. 

AdhyAya 22 (B. 22). 

Vers 655 - 683 (B. 1-29). 

Der Brahmane sprach : 

1. (•;&:».) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, o Schöne, von der Art, wie die Einsetzung der 
sieben Opferpriester war. 

2. («»♦;.) Die Nase, das Auge, die Zunge, die Haut und 
das Ohr als fünftes, das Manas und die Buddhi, das sind 
die sieben Opferpriester, welche ihren besondern Sitz haben. 

iJ. (e.'n.i Da sie an schwer wahrnehmbarer Stätte weilen, 
so können sie sich gegenseitig nicht sehen; diese sieben 
Opferpriester sollst du, o Schöne, nach ihrer eigentümlichen 
Natur kennen lernen. 

Die Brahmanin sprach: 

4. («äs.) Wie kommt es, dafs sie, an schwer wahrnehm- 
barer Stätte befindlich, sich gegenseitig nicht sehen? t nd 
wie ist ihre eigentümliche Natur, o Erhabener? Das sage 
mir, o Herr. 

Der Brahmane sprach: 

5. d,yj.) Wer ihre Qualität nicht kennt, der kennt sie 
auch selbst nicht, und wer ihre Qualität kennt, dem sind 
auch sie bekannt; sie selbst aber kennen gegenseitig ihre 
Qualitäten in keiner Weise. 

<>. (660.) Zunge, Auge, Ohr, Haut (lies: tvafi), Manas und 
Buddhi erkennen nicht die Gerüche, sondern die Nase ♦»r- 
kennt sie. 



912 



IV. Anuglta. 



7. (66i.) Nase, Auge, Ohr, Haut, Mauas und Buddhi er- 
kennen nicht die Geschmäcke, sondern die Zunge erkennt sie. 

8. (662.) Nase, Zunge, Ohr, Haut, Manas und Buddhi er- 
kennen nicht die Gestalten, sondern das Auge erkennt sie. 

9. (663.) Nase, Zunge, Auge, Ohr, Manas und Buddhi er- 
kennen nicht die Gefühle, sondern die Haut erkennt sie. 

10. (664.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Manas und Buddhi 
erkennen nicht die Töne, sondern das Ohr erkennt sie. 

11. (665.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Ohr und Buddhi er- 
kennen nicht die Überlegung, sondern das Manas erkennt sie. 

12. (666.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Ohr und Manas er- 
kennen nicht die Entscheidung, sondern die Buddhi erkennt sie. 

13. (667.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich den Rangstreit der Sinnesorgane mit dem 
Manas, o Holde. 

Das Manas sprach: 

14. (668.) Ohne mich kann die Nase den Geruch nicht 
riechen, die Zunge den Geschmack nicht empfinden, das Auge 
die Gestalt nicht erfassen, die Haut das Gefühl nicht wahr- 
nehmen, 

15. (669.) und auch das Ohr vernimmt in keiner Weise 
den Ton, wenn es von mir verlassen ist; ich bin das vor- 
züglichste unter allen Wesen für und für. 

16. (670.) Wie verödete Behausungen, wie Feuer, deren 
Glut erloschen ist, so erglänzen die Sinnesorgane nimmer- 
mehr, wenn sie von mir verlassen sind. 

17. (67i.) Wie trocknes Holz, das noch feucht ist [nicht 
die Flamme annimmt], so können auch mit angestrengten 
Sinnesorganen alle Geschöpfe ohne mich die Objekte der 
Qualitäten nicht ergreifen. 

Die Sinnesorgane sprachen: 

18. (672.) Das wäre richtig, so wie du es meinst, wenn 
du ohne uns die Genüsse, welche unsere Objekte sind, ge- 
niefsen könntest. 

19. (673 ) Wenn es ein Genufs ist, noch weiter zu leben, 
wenn wir erloschen sind, dann wollen wir einräumen, dafs 



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Adhyftya 22 (B. 22). 



913 



du wirklich die Genüsse [ohne uns] zu geniefsen vermagst, 
so wie du es meinst. 

20. (674.) Oder auch [wir wollen es einräumen], wenn bei 
unserm Erlöschen unter Fortbestehen der Sinnesobjekto du 
durch dein blofses Vorstellen die Genüsse je nach den Ob- 
jekten geniefsen könntest. 

21. («75.) Oder glaubst du vielleicht, dafs du in jedem 
Falle deinen Zweck in bezug auf unsere Gegenstände erreichen 
kannst, so versuche es doch und ergreife die Gestalt mit der 
Nase, ergreife den Geschmack mit dem Auge. 

22. («<«.) ergreife mit dem Ohr die Gerüche, ergreife die 
Gefühle mit der Zunge, ergreife mit der Haut den Ton oder 
mit der ßuddhi das Gefühl. 

23. (r,77.) Wer stark ist, der unterliegt ja keinem Zwang; 
gezwungen zu werden ist das Los der Schwächeren; versuche 
doch die Genüsse zu ergreifen, ohne uns den Vortritt zu lassen, 
und du hast nicht nötig (lies: arhasi), nur zu geniefsen, was 
wir dir übriglassen. 

24. (67s.) Ja, wie ein Schüler zum Lehrer gehen mufs, 
um den Veda zu lernen, und erst nachdem er ihn erlernt 
hat, seine Vorschriften befolgen kann. 

2f>. («79.) so kannst auch du die Sinnesobjekte erst er- 
kennen, nachdem wir sie dir gezeigt haben, die künftigen so 
gut wie die vergangenen, die im Traume so gut wie im 
Wachen. 

2b*. (»J8o.) Und auch bei Geschöpfen, welche ihren Verstand 
fmanas) verloren haben oder nur geringe Einsicht besitzen, 
bleibt doch das Leben erhalten, indem das dazu Nötige ge- 
tan wird als unsere Angelegenheit [ohne dich |. 

27. (68i.) I nd wenn einer auch viele Vorstellungen [des 
Mauas] besäfse und sich in Träumen [durch das Manas] 
wiegte, so müfste er doch schliefslich, vom Hunger gequält, 
zu den [von uns verschafften | Sinnendingen seine Zuflucht 
nehmen. 

28. («;8'„m Wer sich einschliefsen wollte wie in ein tür- 
loses [also schutzloses] Haus in die [blofs ideellen] Ge- 
nüsse des Vorstellens, ohne dafs sie mit den Sinnen- 
dingen verknüpft wären (lies: ambaiUihan), der würde 



914 



IV. Anugltä. 



schliefslich damit zur Ruhe kommen, dafs sein Leben 
erlöschte , wie ein brennendes Feuer, dessen Brennholz 
verbraucht ist. 

29. (683.) Zugegeben, dafs jeder von uns nur auf seine 
eigene Qualität beschränkt ist, zugegeben auch, dafs wir 
unsere gegenseitigen Qualitäten nicht wahrnehmen, so 
steht doch fest, dafs du ohne uns nicht wahrnehmen 
kannst und dafs, ohne dafs du soweit uns zur Hilfe 
nimmst, ein Genufs dir nicht zuteil werden kann. 

8o lautet in der Anojrlta der siebente Ado j Aya. 

Adhy&ya 23 (B. 23). 

Vers 684-710 (B. 1-24). 

Der Brahmaue sprach: 

1. («84.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte. Vernimm nunmehr, o Liebliche, welches die Ein- 
setzung der fünf Opferpriester ist. 

2. (685.) Der Präna und der Apäna, der Udäna, der Sa- 
mäna und der Vyäna, von diesen wissen die Weisen, dafs 
sie fünf Opferpriester und zugleich die höchste Macht sind. 

* 

Die Brahmamn sprach: 

3. (686.) Von Natur aus gibt es sieben Opferpriester, dies 
war bisher meine Meinung; inwiefern hingegen fünf Opfer- 
priester das höchste Dasein ausmachen sollen, das erkläre mir. 

Der Brahmane sprach: 

4. (687.) Der durch den Präna zusammengebrachte Wind 
wird weiterhin zum Apäna; der im Apäna zusammengebrachte 
Wind wird weiterhin zum Vyäna. 

5. (688.) Der durch den Vyäna zusammengebrachte Wind 
wird weiterhin zum Udäna; der im Udäna zusammengebrachte 
Wind wird sonach zum Samäna. 

6. (689.) Diese Präna' s befragten in der Vorzeit den vor 
ihnen entstandenen Urvater (den Gott Brahmän): Wer unter 



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Adhyaya 23 (B. 2."J). 



915 



uns der Beste ist, das sage uns an; der [welchen du dafür 
erklärst] soll unter uns der Beste sein. 

Der Gott Brahmau sprach: 

7. (690.) Derjenige, bei dessen Untergang alle Präna' s 
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen und bei 
dessen Hervortreten sie wieder hervortreten, der ist der 
Beste. Nun geht, wohin es euch beliebt. 

Der Präna sprach : 

8. (69i.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna's 
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei 
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin 
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe. 

Der Hrahmane sprach: 

9. (692.) Da ging der Präna unter und trat darauf wieder 
hervor. Da sprachen der Samäna und der Udäna zu ihm, 
o Schöne, das folgende Wort: 

10. (693.) Du weilst doch nicht in diesem Leibe, so dafs 
du ihn ganz durchdringst, wie wir es tun; du bist also nicht 
der Beste von uns, o Präna, denn nur der Apäna ist dir 
Untertan. (694.) Nachdem der Präna wieder hervorgetreten 
war, sprach zu ihm der Apäna. 

Der Apaua sprach: 

11. (695.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna' s 
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei 
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin 
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe. 

Der Brahmaue sprach: 

12. (6D6.) Als er so sprach, da sagten zu ihm der Yyäna 
und der Udäna: O Apäna, du bist nicht der Beste, sondern 
nur der Präna ist dir Untertan. 

13. (697.) Nachdem der Apäna wieder hervorgetreten war, 
sprach zu ihm der Vyäna : Ich bin der Beste von allen, ver- 
nehmt aus welchem Grunde. 



IV. Anagtta. 



14. (698.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna's 
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei 
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin 
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe. 

Der Brahraane sprach: 

15. (69i*.) Da ging der Vyäna unter und trat darauf wieder 
hervor. Da sprachen zu ihm der Präria, der Apäna, der Udäna 
und der Samäna: 

16. (7oo.) Du bist nicht der Beste von uns, o Vyäna, son- 
dern nur der Samäna ist dir Untertan. Nachdem der Vyäna 
wieder hervorgetreten war, sprach der Samäna : (701.) Ich bin 
der Beste von allen, vernehmt aus welchem Grunde. 

17. (702.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Prana's 
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei 
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin 
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe. 
18. (703.) Nachdem der Samäna wieder hervorgetreten war, 
sprach zu ihm der Udäna: Ich bin der Beste von allen, ver- 
nehmt aus welchem Grunde. 

19. (704.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna's 
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei 
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin 
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe. 

20. (705.) Da ging der Udäna unter und trat darauf wieder 
hervor. Da sprachen zu ihm der Präna, der Apäna, der Sa- 
mäna und der Vyäna: (706.) O Udäna, du bist nicht der Beste, 
sondern nur der Vyäna ist dir Untertan. 

Der Brahmane sprach: 

21. (707.) Da sprach zu ihnen der Gott Brahmän, zu allen 
zusammen, der Prajäpati : Ihr seid alle die Besten oder auch 
nicht die Besten, denn ihr seid alle voneinander abhängig. 

22. (708.) Ihr seid alle die Besten, ein jeder in seinem 
Bereich, aber ihr seid auch alle voneinander abhängig. Also 
sprach zu ihnen allen zusammen der Prajäpati. 

23. (709.) Jeder einzelne von euch, o ihr fünf Winde, in 
seiner Besonderheit ist selbständig und auch nicht selbständig 



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Adhyaya 23 (B. 23). 



917 



denn es ist nur mein eigenes und einziges Selbst, welches 
auch in eurer Vielheit wahrgenommen wird. 

24. (7io ) Als Freunde voneinander und euch gegenseitig 
fördernd, sollt ihr euch gegenseitig unterstützen. Lebt wohl, 
geht hin, Heil möge euch zuteil werden! * 

Bo Uutet in der AnuglU der »chte AdhyAya 

AdhyAya 24 (B. 24). 

Vers 711-727 (B. 1—17). 

Der Brahmane sprach: 

1. (7ii.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen den Weisen 
Narada und Devamata. 

Devamata sprach: 

2. (712.) Wenn ein Geschöpf entsteht, was entwickelt sich 
dann zuerst in ihm, der Prana, der Apäna, der Samana, der 
Vyana oder der I danaV 

Narada sprach : 

M. (713.) Zu demjenigen [Prana], durch den das Geschöpf 
entsteht, gesellt sich ein von ihm verschiedener als erster 
[vor den übrigen] hinzu, denn man mufs wissen, dafs es eine 
Zweiheit von Präna's ist, welche in die Ouere, nach oben 
und nach unten wirkt. 

Devamata sprach: 

4. (7U.) Welches ist der Prana, durch den das Geschöpf 
entsteht, und welches ist der von ihm verschiedene, der sieh 
zuerst zu ihm gesellt? Und sage mir, welches die Zweiheit 
von Prana's ist, die in die Quere, und diejenige, welche nach 
oben und nach unten wirkt. 

Narada sprach : 

5. (715.) Durch die Vorstellung wird die Geschlechtslust 
rege, sie wird auch rege durch den Ton, auch wird sie rege 



I 

I 



918 IV. Anugit&. 

durch den Geschmack, und sie wird auch rege durch die 
Gestalt. 

6. (716.) Aus dem [männlichen] Samen, wenn er sich mit 
dem [weiblichen] Blute vermischt, entwickelt sich zuerst der 
Präna, und nachdem der Samen durch den Präna umgewan- 
delt ist, entwickelt sich aus ihm der Apäna. 

7. (717.) Er entsteht auch aus dem Samen und entsteht 
auch aus der Flüssigkeit [des Blutes]. Dieses ist die Form 
des Udäna, nämlich die Geschlechtslust bei der Begattung. 

8. (718.) Aus der Lust geht hervor der Same, aus der 
Lust (lies: kämät) geht auch hervor das Blut, Same aber 
und Blut waren gleicherweise hervorgebracht worden durch 
den Samäna [der die Nahrung verdaut] und den Vyäna [der 
den Nahrungssaft assimiliert]. 

9. (719.) Der Präna und der Apäna, das ist die Zweiheit, 
welche nach oben und nach unten geht, der Vyäna und der 
Samäna, diese beiden heifsen die in die Quere gehende Ver- 
zweiheitlichung. 

10. (720.) „Agni fürwahr ist alle Gottheiten", das ist (Ait. 
Br. 1,1) die Lehre des Veda (lies: vedasya), aus welchem das 
Wissen des Brahmanen entspringt, das von Verständnis be- 
gleitet ist. 

11. (72i.) Von diesem sehr glänzenden [Agni, Feuer] ist 
der Rauch das Tamas, und seine Asche ist das Kajas; aus 
ihm entspringt alles, wenn die Opfergabe hineingeworfen wird. 

12. (722.) Aus dem Sattvam [der Flamme dieses Feuers] 
entspringen Samäna und Vyäna; so wissen es die, welche 
das Opfer verstehen ; der Präna und der Apäna sind die beiden 
Buttergüsse, zwischen ihnen flammt das Feuer. 

13. (723.) Dieses ist die Form des Udäna, in welcher die 
Brahmanen das Höchste erkennen; warum diese [im Gegen- 
satze zu den gepaarten Präna' s] zweiheitios ist, das vernimm 
von mir, der ich es dir verkünden will. 

14. (724.) Tag und Nacht bilden die Zweiheit, in deren 
Mitte [bei Tagesanbruch] das Opferfeuer flammt; dieses ist 
die Form des Udäna, in welcher die Brahmanen das Höchste 
erkennen. 

15. (725.) Das Seiende und das Nichtseiende bilden die 



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Adhyaya 24 (B. 24). 



919 



Zweiheit, in deren Mitte das [als Brahman über beide er- 
habene] Opferfeuer flammt; dieses ist die Form des Udäna, 
in welcher die Brahmanen das Höchste erkennen. 

IG. (72<;.) Nach oben Hammen der Samana und der Vyäna; 
durch letztern wird das Opferwerk [wie das Verdauungswerk 
im Körper] ausgebreitet [vyasyatc als Erklärung von vyäna]; 
zum dritten aber [nachdem es emporgeführt und ausgebreitet 
wurde] wird es von dem Samana wiederum zum Stillstände 
gebracht. 

17. (727.) Dem Zwecke der Ruhe dient die Meditation 
[dhyanam statt des unverständlichen vyänam], und die Ruhe 
ist das Eine, das ewige Brahman; dieses ist die Form des 
Udäna, in welcher die Brahmanen das Höchste erkennen. 

So lautet in il«»r Antigitä der neunte Aribyaya. 

AriliyAva *>5 (B. 25). 

Vers 728-745 (B. 1-17). 

Der Brahmatie sprach: 

1. (728.) Auch hierüber erzählt man sicli folgende alte 
Geschichte, nämlich wie in dieser Welt die Einrichtung der 
vier Opferpriester eingerichtet wurde. 

2. (729.) Von diesen allem wird die Einrichtung, wie sie 
vorschriftsmäfsig geschah, überliefert; höre von mir, o Holde, 
wie ich dir dieses wunderbare Geheimnis mitteile. 

3. (730.) Das Organ, die Tat, der Täter und die Er- 
lösung, das sind, o du Liebliche, die vier Opferpriester, 
von denen diese Welt erfüllt ist. 

4. (73t.) Auch das, was sie als Verursacher ausrichten, 
vernimm alles vollständig. Die Nase, die Zunge, das Auge, 
die Haut und das Ohr als fünftes, (732.) das Manas und die 
Buddhi, diese sieben soll man wissen als die Ursachen [der 
Erkenntnis] der Qualitäten [das Organ als Ursache). 

5. Der Geruch, der Geschmack, die Gestalt, der Ton 
und die Berührung als fünftes, (733.) ferner das zu Erkennende 
und das zu Verstehende, diese sieben sind die Tat als 
Ursache. 



920 



IV. Anugitik. 



0. Der Riechende, der Schmeckende, der Sehende, der 
Redende [vaktä, besser: sprashtä^ der Berührende] und der 
Hörende als fünfter, (754 ) der Erkennende und der Verstehende, 
diese sieben sind der Täter als Ursache, das soll man 
wissen, 

7. sowie auch, dafs diese sieben, an den Qualitäten haf- 
tend, die ihnen entsprechende gute oder böse Qualität ge- 
niefsen, (735.) dafs ich selbst aber qualitätlos und unendlich 
bin. Diese sieben [in dieser Weise als Nicht-Ich erkannt) 
sind die Erlösung als Ursache. 

8. Für diejenigen, welche wissen und die Stellung jedes 
einzelnen, wie es sich gehört, begreifen, (736.) werden jene 
Qualitäten zu Göttern, welche fort und fort die Opfergabe 
geniefsen. [Wie beim Pränägnihotram das Essen, so werden 
hier auch das Sehen, Hören usw. als ein den Göttern der 
Sinnesorgane dargebrachtes Opfer aufgefafst.] 

9. Hingegen der Nichtwissende, wenn er die Speise ge- 
niefst, hat es durch Egoismus verrichtet, (737.) und indem 
er nur um seiner selbst willen die Speise bereiten läfst, 
wird er durch Egoismus vernichtet. 

10. Ihn vernichtet das Essen des Verbotenen und das 
Trinken des Berauschenden; (738.) er vernichtet die Speise, 
und die Speise ihn ; vernichtend wird er wiederum vernichtet. 

1 1. Aber der dieses Wissende, wenn er die Nahrung ver- 
nichtet, erschafft sie als Gottschöpfer wieder, (739.) und durch 
die Ernährung wird bei ihm auch nicht die kleinste Uber- 
tretung begangen. 

12. Alles, was durch das Manas erkannt, durch die Rede 
gesprochen, (740.) durch das Ohr gehört, durch das Auge 

gesehen, 

1;3. durch den Tastsinn gefühlt und durch die Nase ge- 
rochen wird, (741.) alle diese mit Einrechnung des Manas sechs 
Opfergaben von allen Seiten her in sich aufnehmend, 

14. strahlt das alle Qualitäten tragende und in meinen 
Leib eingegangene Feuer [der ÄtmanJ. (742.) Das Yogaopfer 
ist bei mir im Gange, welches durch sein Entstehen das Feuer 
der Erkenntnis verleiht, dieses Feuer, welches den Präna als 



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Adbyaya 2;» (B. 25). 



921 



Lobgesang, den Apäna als Rezitation und den Verzicht auf 
alles als schönen Opferlohn hat. 

15. (743.) Der Täter [der Ahankara] und der Einwilliger 
[das Manas] sind der Priester Brahmän, der Atman [nach 
dem Kommentar die Buddhi] ist Hotar, Adhvaryu und Udgä- 
tar; die Wahrheit ist der Pracästar, das Tad [das Brahman] 
ist das (,astram und die Erlösung ist der Opferlohn bei 
diesem Opfer. 

10. (744.) Auch Verse rezitieren bei diesem Opfer die den 
Närävana Kennenden zu Ehren des Gottes Närävana, darum 
dafs sie vordem die Opfertiere [angeblich die Sinnesorgane] 
gefunden [als von Atman verschieden erkannt] haben. 

17. (7*5.) Auch Sämanlieder singen sie dabei und erzählen 
eine Geschichte zur Erläuterung. Diesen Gott Xäräyana, o du 
Schüchterne, erkenne als die Seele der ganzen Welt. 

So lautet in der AmitrIM der zehnte AdhyAva. 

AdhyAya 20 (B. 26). 

Vers 74G -TW iB. 1-181 

Per ttrahmane sprach: 

1. <74<;.) Ein Gebieter ist, es gibt keinen andern Ge- 
bieter: ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm 
getrieben, wie das Wasser von einem Abhänge, so wie 
ich angetrieben bin, fahre ich hin. 

2. C47.) Ein Lehrer ist, es gibt keinen andern aufser 
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm 
als Lehrer unterwiesen wurden immerdar in der Welt 
sogar alle die verhafsten Schlangen. 

:\. (7i*.> Ein Freund ist, es gibt keinen andern aufser 
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm 
unterwiesen, sind befreundet die Verwandten, erglänzen 
am Himmel, o Sohn der Prithä, die sieben Kishi's [das 
Siebengestirn des Grofsen Bären). 

4. (749.) Ein Lernender ist, es gibt keinen andern aufser 
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; bei ihm als 



922 IV. AnupU. 

Lehrer hat die Lehrerschule durchgemacht der Gott Indra 
(Chänd. Up. 8,7-12) und ist dadurch zur Unsterblichkeit 
in allen Welten gelangt (Chttnd. Up. 8,12,6). 

5. (750.) Ein Hassender ist, es gibt keinen andern aufser 
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm als 
Lehrer unterwiesen wurden immerdar in der Welt sogar 
alle die verhafsten Schlangen. 

0. (75i.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich das Zusammenkommen der Schlangen 
und der Götter -Rishi's bei Prajapati. 

7. (752.) Die Götter- Rishi's, die Schlangen und die Dä- 
monen befragten den Prajapati, indem sie, ihn verehrend, 
sich nahten: Sage, was für uns das Beste ist. 

8. (753.) Zu ihnen, da sie ihn gemeinsam befragten nach 
dem, was für sie das Beste sei, sprach der Heilige : Om, diese 
eine Silbe ist das Brahman! Nachdem sie das gehört, liefen 
sie nach allen Richtungen auseinander. 

0. (754.) Unter ihnen, die herbeigelaufen waren, um sich 
zu belehren, hatte sich bei den Schlangen aber die Neigung 
zu beifsen schon vorher entwickelt, 

10. (755 ) während hingegen bei den Dämonen sich die 
ihnen angeborene Neigung zum Truge entwickelt hatte, und 
hinwiederum die Götter sich für das Geben und Nehmen, 
die grofsen Rishi's aber für die Selbstbezähmung entschie- 
den hatten. 

1 1 . (75«.) Zu einem und demselben Lehrer hatten sie sich 
begeben, und durch eines und dasselbe Wort waren sie ge- 
heiligt worden, und doch entschieden sie sich alle für etwas 
Verschiedenes, die Schlangen, die Götter- Rishi's und die 
Dämonen. 

12. (757.) Es hört einer, was ihm gesagt wurde, und fafst 
es auf, je nachdem es ist [es ihm zusagt], und auch wenn er 
dann noch weiter fragen wollte, einen andern Lehrer [als ihn 
selbst, je nachdem er das Gesagte aufnimmt] gibt es nicht, 

13. (758.) und nach dessen [also seiner eigenen] Zustim- 
mung richtet sich dann weiterhin das Tun; man hat den 
Lehrer und den Tarnenden und Hörenden, ja auch den Feind 
im eigenen Herzen und aus diesem kommend. 



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Adhyaya 26 (B. 20). 



923 



14. (759.) [Nicht die Belehrung ist das Entscheidende, 
sondern :] Wenn man mit einem schlechten Menschen im 
Leben verkehrt, so wird man einen schlechten Wandel führen, 
und wenn man mit einem guten Menschen verkehrt, so wird 
man einen guten Wandel fuhren. 

15. (760.) Aber nach Willkür lebend seiner Lust gemäfs 
ist der, welcher dem Sinnengenusse huldigt; und ein heiliges 
Leben fuhrt (ein Brahmacärin ist) der immerdar, welcher an 
der Überwindung seiner Sinne seine Freude hat. 

U\. (761.) Wer aber alle Gelübde und Werke von sich 
tut, nur in Brahman steht und, zu Brahman geworden, in der 
Welt dahin wandelt, der führt ein wahrhaft heiliges Leben 
(ist ein wahrer Brahmacärin). 

17. (762.) Für ihn ist Brahman das Brennholz, Brahman 
das Feuer, Brahman das Zusammenleben [mit den anderen 
Schülern], Brahman das Wasser und Brahman der Lehrer, 
er ist in Brahman aufgehend. 

18. (763.) Das ist es, was die Weisen als den verborgenen 
heiligen Wandel (das verborgene Brahmacaryam) erkannten 
und erkannt habend befolgten, von ihrer eigenen Seele ß-shc- 
trajnaj unterwiesen. 

8o lautet in der AnugltA der elfte Adby&y». 

Aclhyftya 27 (B. 27). 

Ver 8 7»U-7*7 (B. 

Der Brahmane sprach : 

1. (764.) Wünsche sind seine stechenden Mücken, Leid 
und Lust sind seine Kälte und (ilut, die Nacht der Verblen- 
dung ist seine Dunkelheit, Begierde und Krankheit sind sein 
schleichendes Gewürm, 

2. (765.) die Sinnendinge sind der einzige gefährliche Pfad, 
der hindurchführt, Begierde und Zorn sind sein hemmendes 
Gestrüpp, — das ist das grofse Dickicht, durch welches ich 
durchgedrungen und in diesen grofsen Wald gelangt bin. 



924 



IV. Aimgltä. 



Die Brahroanin sprach: 

3. (766.) Wo ist dieser Wald, o grofser Weiser, welches 
sind seine Bäume und seine Gewässer, seine Berge und Hügel, 
und auf welchem Wege erreichbar ist dieser Wald? 

Der Brahmaue sprach : 

4. (767.) Dieses eine [das Wohnen in dem Walde] ist keine 
Vereinsamung, und kein anderes Glück kommt ihm gleich; 
jenes andere [das Wohnen in der Welt] ist keine Nicht- 
vereinsamung, und es gibt kein gröfseres Leid als dieses. 

5. (7cs.) Dieser Wald ist von allem das Kleinste und von 
allem das Gröfste, er ist von allem das Feinste, und kein 
anderes Glück kommt ihm gleich. 

6. (769.) Die Zwiegeborenen , die in diesen Wald einge- 
gangen sind, fühlen keinen Kummer mehr und keine Freude 
mehr, sie fürchten sich vor niemandem, und niemand fürchtet 
sich vor ihnen mehr. 

7. (770.) In diesem Walde gibt es sieben grofse Bäume, 
sieben Früchte und sieben Gäste, sieben Einsiedeleien, 
sieben Meditationen und sieben Weihen; so ist dieser 
Wald beschaffen. 

8. (77i.) Es sind himmlische Blüten und Früchte von 
fünferlei Farbe, welche von den Bäumen hervorgebracht 
werden, die diesen Wald erfüllen. 

9. (772.) Von schöner Farbe, von zweifacher Farbe sind die 
Blüten und Früchte, welche von den Bäumen hervorgebracht 
werden, die diesen Wald erfüllen. 

10. (773.) Von schönem Geruch, von zweifacher Farbe sind 
die Blüten und Früchte, welche von den Bäumen hervor- 
gebracht werden, die diesen Wald erfüllen. 

11. (774.) Von schönem Geruch und einfacher Farbe sind 
die Blüten und Früchte, welche von den Bäumen hervor- 
gebracht werden, die diesen Wald erfüllen. 

12. (775.) Zahlreich und von unbestimmter Farbe sind die 
Blüten und Früchte, welche von zwei grofsen Bäumen her- 
vorgebracht werden, die diesen Wald erfüllen. 

13. (77r>.) Das eine Feuer, welches in diesem Walde 
brennt, ist der wohlgesinnte Brahmane, und seine fünf 



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Adhyäya 27 (B. 27). 



925 



Sinne sind das Brennholz; als Befreiungen von ihnen er- 
weisen sich fruchtbar die sieben Weihen. Die Guna's 
sind die Früchte, und die Gäste sind die, welche die 
Früchte essen. 

14. (777.) Die Gastfreundschaft nehmen entgegen hier und 
da in dem Walde grofse Weisen ; nachdem sie geehrt worden 
und verschwunden sind, erglänzt ihnen ein anderer Wald, 

15. (778 ) dessen Bäume Weisheit, dessen Frucht die Er- 
lösung, und der mit Gemütsruhe als Schatten ausgestattet 
ist; seine Einsiedelei [lies: ä^rama] ist die Erkenntnis, sein 
Gewässer ist die Zufriedenheit und seine Sonne ist die 
innere Seele. 

H>. (779 ) Für die Guten, welche diesen Wald erlangen, 
gibt es weiter keine Furcht mehr. Nach oben, nach unten 
und in die Quere ist das Ende dieses Waldes nicht zu er- 
reichen. 

17. (780 ) Sieben Frauen hingegen wohnen Tag für 
Tag dort [in dem erstgenannten Walde], nach unten 
blickend, glanzvoll, zeugungskräftig; sie [die fünf Sinne, 
Mauas und Buddhi] benehmen den Geschöpfen allen Ge- 
schmack für das Höhere sowie die Realität und die Ver- 
gänglichkeit [die ihre Objekte sind, den Geschmack für 
das Höhere benehmen]. 

18. (78i.) Dort hinwiederum [in dem himmlischen Walde] 
haben ihre Stelle und dort ziehen herauf die vollendeten 
sieben Sieben- Rishi's [das Siebengestirn] mitsamt denen, 
welche von Vasishtha [dem Stern r im Grofsen Bären] an- 
geführt werden. 

19. (782.) Ihm, dessen Kraft vollkommen ist, gehört Ruhm, 
Glanz, Glück und Sieg, ihm folgen die übrigen sieben Sterne 
als ihrer Sonne. 

20. (7H3.) Auch Berge sind daselbst mit Hügeln im Verein 
sowie Ströme und Flüsse, welche das Wasser führen, das 
aus Brahman quillt. 

21. (7S4.) Die Vereinigung aber dieser Ströme findet statt 
an dem geheimen Orte der drei Opferfeuer; von diesem aus 
^ehen die, welche sich an ihrem Atman ersättigt haben, ge- 
raden Weges zum Urvater hin. 



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926 IV. Anugitä. 

22. (785.) Wenig sich nährend, nach ihrem guten Gelübde 
sich nährend und ihre Sünde durch Askese verbrennend, so 
gehen sie in ihrem Atman in den Atman em und verehren 
zugleich [exoterisch] den Gott Brahmän. 

23. (786.) Und auch die Geistesruhe preisen an diesem 
Wissenswalde, die ihn kennen, und indem sie auf diesen Wald 
[lies: aranyam] zustreben, wird er ihnen zuteil je nach ihrer 
Einsicht. 

24. (787.) Von dieser Art ist dieser heilige Wald, den die 
Brahmanen kennen, und wenn sie ihn kennen, so streben sie 
ihm zu, indem ihre eigene Seele ihnen den W r eg zeigt. 

So leatet in der Anuglti der zwölfte Adbj-iy». 

Adhyftya 28 (B. 28). 

Vera 788-816 (B. 1-28). 

Der Brahmane sprach: 

1. (788.) Ich bin es nicht, der die Gerüche riecht, die 
Geschmäcke empfindet, die Gestalt sieht und berührt, 
auch bin ich es nicht, der die mannigfachen Töne hört 
oder irgendeine Vorstellung fafst. 

2. (789.) Es ist die Natur (svabhava = pral-ritij y welche 
nach den erwünschten Dingen trachtet, und es ist die 
Natur, welche alles Hassenswerte hafst; und auch das- 
jenige, wodurch Prana und Apana entstehen und Liebe 
und Hafs in die Leiber der Geschöpfe pflanzen, das ist 
die Natur. 

3. (790.) Auch noch andere Eigenschaften als diese, 
welche jenen Geschöpfen beständig anhaften, werden 
[von den Yogin's] erkannt als der im Körper weilende 
natürliche Atman fbhütätmanj; in ihm habe ich meinen 
Sitz und bin doch in keiner Weise mit Lust und Zorn, 
mit Alter und Tod behaftet. 

4. (79i.) Ich aber begehre nicht mehr nach irgend- 
einer Lust und verabscheue nicht mehr irgendein Übel, 
und durch die Naturbeschaffenheiten werde ich so wenig 
befleckt, wie der Wassertropfen durch die Lotosblume. 



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Adhyaya 28 (B. 2s ). 



027 



ö. aas.) Und diesem Ewigen, welches in mir bemerkt 
wird, haften viele ewige Naturbeschaffenheiten [lies: 
svabhävä/j] an, aber das Netz der Genüsse klebt nicht 
an meinen Werken, wie das Strahlennetz der Sonne nicht 
am Himmel. 

G. (793.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen einem Adhvaryu 
(Priester des Yajurveda) und einem Yati (Asketen); das ver- 
nimm, o du Rühmliche. 

7. (794.) Ein Asket, der dabeisafs und zusah, wie bei 
einem Opfer das Opfertier geweiht wurde, sprach zu dem 
Adhvaryu in tadelnder Weise: Dieses ist eine hihsä [Schädi- 
gung eines lebenden Wesens]. 

8. (795.) Zu ihm sprach der Adhvaryu: Dieser Bock geht 
nicht zugrunde, vielmehr wird dieses Geschöpf der Seligkeit 
teilhaftig, wenn anders die betreffende Schriftstelle dieses 
verheifst. 

9. (796.) Der Teil von ihm, welcher erdartig ist, geht 
wieder zur Erde, und alles, was an ihm aus Wasser geworden 
ist, das geht in das \V r asser ein. 

10. (797.) Sein Auge geht zur Sonne, sein Ohr zu den 
Himmelsgegenden und sein Lebenshauch zum Himmel. Da 
ich dabei nach der heiligen Vorschrift verfahre, so trifft mich 
kein Vorwurf irgendwelcher Art. 

I>t»r Yati sprach: 

1 1. (798 ) Wenn du glaubst, dafs diesem Bocke die Tren- 
nung vom Leben zur Seligkeit gereicht, so geschieht also das 
Opfer dem Bocke zuliebe; was für einen Zweck kannst denn 
du für dich dabei verfolgen? 

12. (79n ) Ist dem aber so, dann dürfte dir auch der Bruder 
des Bockes zustimmen sowie sein Vater, seine Mutter und 
sein Freund; besprich dich mit ihnen, indem du diesen Bock 
zu ihnen bringst, besonders da er noch von anderen ab- 
hängig ist. 

13. (800.) Darum müssen sie ihre Zustimmung geben, du 
mufst sie deshalb aufsuchen; hast du dich erst ihrer Ein- 
willigung versichert, so läfst sich die Sache weiter überlegen. 



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028 



14. (8oi.) Übrigens werden ja die Lebensorgane dieses 
Bockes an die ihnen zukommende Stätte befördert, und nur 
der Körper bleibt ohne Bewegung zurück, so denke ich. 

15. (so*) Der Körper aber ohne Bewufstsein ist doch nur 
dem Brennholze vergleichbar, und die, welche aus der Tötung 
einen Vorteil ziehen wollen, haben das mit dem Namen Opfer- 
tier bezeichnete Brennholz [ohne das dazu erforderliche Feuer]. 

16. (803.) Nichtschädigung ist [die oberste] aller Pflichten, 
so lautet das Gebot der Altvordern; nur dasjenige Werk darf 
vollbracht werden, welches ohne Schädigung geschehen kann, 
das wissen wir. 

17. (so*.) Man darf nicht schädigen, das ist meine Be- 
hauptung, und wenn ich [um sie zu erweisen] noch weiter 
reden soll, so könnte ich das Werk, welches von dir aus- 
geführt werden soll, in vielen Beziehungen tadeln. 

18. (806.) Kein Wesen zu schädigen, das ist der Grund- 
satz, der uns unter allen Umständen einleuchtet; wir handeln 
aber nach dem, was uns vor Augen liegt, und was darüber 
hinaus liegt, achten wir nicht. 

Der Adhvaryu sprach: 

19. (8og.) Du geniefsest von der Erde die Qualitäten der 
Gerüche, du trinkst die aus dem Wasser stammenden Ge- 
schmäcke, du siehst die den Lichtern angehörige Gestalt, du 
fühlst die vom Winde kommenden Qualitäten, 

20. (807.) du hörst die aus dem Äther geborenen Töne, 
und du bildest die Vorstellung mit Hilfe des Manas: alle 
diese Wesen sind belebt, wie du weifst, 

21. (808.) und du hörst gar nicht auf [lies: anivritfo], von 
ihrem Leben zu nehmen, du lebst fort und fort in Hinsa 
(Schädigung lebender Wesen). Es gibt gar kein Existieren 
ohne Hinsä, oder wie denkst du darüber, o Z wiegeborener? 

Der Yati sprach: 

22. (809.) Das Unvergängliche und das Vergängliche 
raachen die zwiefache Existenz des Atman aus. Das Unver- 
gängliche ist seine wahre Wesenheit, das Vergängliche wird 
seine Natur (svabhava = prakritij genannt. 



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Adhyava '28 (B. 28). 



<»29 



23. (8io.) Lebenshauch, Zunge, Manas, Sattvam nebst 
Kajas bilden die Natur [lies: svabhdvo]: wer von allen diesen 
Wesenheiten erlöst, frei von den Gegensätzen des Lebens 
[Lust und Leid, Hitze und Kälte usw.] und frei von Wün- 
schen ist, 

24. (8ii ) wer alle Wesen für gleich achtet, ohne Ichheit 
ist und sein Selbst überwunden hat, der ist vollständig er- 
löst, und keine Furcht wandelt ihn an, wo es auch sei. 

l>er Adhvaryu sprach: 

2f). (812.) Nur mit dem [empirisch] Realen haben wir auf 
dieser Welt zusammen zu leben, o Bester der Weisen; gerade 
dadurch, dafs ich deine Meinung gehört habe, leuchtet meine 
Meinung mir als die richtige ein. 

2(5. (813.) Ich bin, o Heiliger, mit deiner Denkungsart ein- 
verstanden, und trotzdem sage ich : (*u.) Mich, indem ich die 
vom Veda vorgeschriebene Satzung ausführe, trifft keine 
Schuld, o Zwiegeborener. 

I>er Brahmane sprach : 

27. (815.) Infolge dieser Argumentation verhielt sich der 
Yati von da an schweigend, und der Adhvaryu schritt un- 
beirrt in der grofsen Opferhandlung weiter. 

28. (81«.» So haben die Krahmanen in dieser Frage eine 
solche gar feine Freisprechung von Schuld erkannt, und 
nachdem sie dieselbe erkannt durch ihren die Wahrheit er- 
kennenden (ieist (KshttrajnaJ. verfahren sie dementsprechend. 

S<i UuUt in d^-r AtiuyltA «1er <lr««i/»hnl<* A«UiyA>». 



AdliyAya >0 <B. 29). 

Vers Hl7-s:»s ( B. 1-22 . 

Der Brahmane sprach: 

1. <Ki7 ) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte (ie- 
schichte. nämlich die Unterredung zwischen Kärtavirya und 
Samudra (dem Ozean», o Holde. 

Dirw», M»htbhAr»Utn. f>9 



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! 



<>30 IV. Anugita. 

2. (818.) Arjuna Kärtavirya war ein König mit tausend 
Armen, von welchem die meerumgürtete Erde mit seinem 
Bogen erobert worden war. 

3. (819.) Einstmals, als er, stolz auf seine Kraft, am Ufer 
des Ozeans wandelte, überschüttete er mit Hunderten von 
Pfeilen den Ozean, wie wir vernommen haben. 

4. (820.) Ihn verehrte der Ozean mit gefalteten Händen 
und sprach : Schiefse deine Pfeile nicht ab, o Held, sage was 
ich dir tun soll. 

5. (sei.) Die Geschöpfe, deren Zuflucht ich bin, werden 
durch die von dir abgeschossenen grofsen Pfeile getötet, 
o Tiger unter den Fürsten ; lasse sie in Frieden, o Mächtiger. 

Arjuna sprach: 

6. (822.) Wenn es irgendwo einen mir im Kampfe eben- 
bürtigen Bogenträger gibt, den sage mir an, damit er es mit 
mir im Kampfe aufnehme. 

Der Ozean sprach: 

7. (823.) Wenn du, o König, von dem grofsen Rishi Ja- 
madagni gehört hast, so wisse, dafs er einen Sohn hat, der 
würdig ist, mit dir einen Waffengang in gehöriger W eise zu 
machon. 

8. (824.) Da ging der König fort, von grofsem Grimm er- 
füllt, gelangte zu der bezeichneten Einsiedelei und wandte 
sich an Rama. 

9. (82&.) Da beging er Feindseligkeiten gegen Rama und 
seine Leute und erregte dadurch den Verdrufs des hoch- 
herzigen Rama. 

10. (826.) Da entflammte die Kraft des unermefslich kräf- 
tigen Rama, und er, o Lotosaugige, der die Heere der Feinde 
verbrannte, 

11. (827.) Rama, erfafste darauf die Axt und fällte mit 
Macht jenen Tausendarmigen wie einen Baum mit vielen 
Zweigen. 

12. (828.) Als sie ihn erschlagen und niedergestürzt sahen, 
scharten sich alle seine Leute zusammen, ergriffen Schwerter 
und Speere und umstürmten den Bhrigusprofs. 



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Adhyäya 2% (B. Iii)). 



13. («•-".•.) Da ergriff Räma seinen Bogen, sprang eilig auf 
seinen Streitwagen und, indem er das Heer des Fürsten mit 
einem Regen von Pfeilen überschüttete, blies er es aus- 
einander. 

14. (8:w.) Da geschah es, dafs eine Anzahl Kshatriya's, 
von Furcht vor dem Jamadagnisohne gequält, in die Berg- 
schluchten flüchteten wie Antilopen, die der Löwe verfolgt. 

15. («31.) Weil diese aus Furcht vor ihm die ihnen ob- 
liegende Pflicht nicht erfüllten, sanken ihre Nachkommen in- 
folge ihres Getrenntlebens von den Brahmanen zum Stande 
der Elenden (Vrishnlas = (,'üdra's) herab. 

lt>. (832.) So geschah es, dafs diese als Dravida's, Abhira's, 
Pundra's und (abara's in den Stand der Elenden (( udra's) 
gerieten wegen der Unterlassung der Pflicht, die sie als Ksha- 
triya's hatten. 

17. (833.) W eiterhin wurden die mit den Kshatriyafrauen 
nach Tötung ihrer Männer von den Brahmanen fdvijaj er- 
zeugten Kshatriya's immer wieder und wieder vom Jama- 
dagnisohne ausgerottet. 

18. (834.) Am Ende von einundzwanzig dieser Menschen- 
opferungen geschah es, dafs eine körperlose, himmlische, 
milde, in der ganzen Welt vernehmbare Stimme zu Räma 
sprach : 

19. (835.) Räma! Räma! lasse ab! Welches Verdienst 
siehst du darin, o Freund, diese Kshatriyaburschen immer 
wieder und wieder ums Leben zu bringen? 

20. (836.) l'nd ebenso sprachen sodann zu dem Hoch- 
herzigen seine Vorväter mit Ricika [dem Grofsvater des Räma] 
an der Spitze und sagten: Lasse ab, du Vortrefflicher! 

21. (837.) Aber Räma, der die Ermordung seines Vaters 
[durch die Söhne des Kärtavirya] nicht vergessen konnte, 
sprach zu diesen Rishi's: Euer Gnaden dürfen mich hieran 
nicht hindern. 

IMe Ahnen sprachen: 

22. (838.) Du darfst, o Bester der Sieger, nicht diese Ksha- 
triyaburschen töten, denn es geziemt sich nicht, dafs du, der 
du ein Brahmane bist, die Fürsten tötest. 

So Uutet in der AuugltA der TienebnU Adhy&y» 

f»9» 



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932 



IV. AiiUKttA. 



Adhyftya SO (B. SO). 

Vers 83i>-872 (B. 1-33). 

Die Ahnen sprachen: 

1. (839.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte Ge- 
schichte, und wenn du dies gehört haben wirst, so mutet du 
danach handeln, o Bester der Brahmanen. 

2. (840.) Es war einmal ein Königs-Rishi mit Namen Alarka, 
von grofser Askese, pflichtkundig, die Wahrheit redend, hoch- 
herzig und sehr festen Gelübdes. 

3. (84i.) Der hatte mit seinem Bogen diese meerumgürtete 
Erde erobert, und nachdem er dieses schwere Werk voll- 
bracht hatte, richtete er seinen Geist auf eine feine Sache. 

4. (842.) Während er an den Wurzeln eines Baumes ver- 
weilte, richtete sich sein Gedanke, indem er sein grofses Werk 
aufgab, auf eine feine Sache, o du Hochsinniger. 

Alarka sprach: 

5. (848.) Ein Heer hat sich gegen mich erhoben aus meinem 
Manas; besiege ich das Manas, so ist raein Sieg vollkommen; 
auf andere Gegner [als die bisherigen] will ich meine Pfeile 
richten, denn ich bin von Feinden rings umgeben. 

6. (844.) Gegen dieses Ding, welches durch seine Flatter- 
haftigkeit alle Menschen zu zerstreuen strebt, gegen mein 
Manas will ich die Pfeile mit scharfer Spitze losschiefsen. 

Das Manas sprach : 

7. (S45.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs 
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn 
sie zertrennt sind, so mufst du sterben. 

S. (84«.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den 
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach 
er mit Bedacht das folgende Wort. 

Alarka sprach: 

(847.) Wenn der Geruchsinn manche Gerüche riecht, 
so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will 
ich die scharfen Pfeile gegen den Geruchsinn losschiefsen. 



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Adhyaya 30 (H. 30). 



933 



Der Geruchsinn sprach : 

10. (848.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs 
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn 
sie zertrennt sind, so mufst du sterben. 

1 1. (849.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den 
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach 
er mit Hedacht das folgende Wort. 

Alarka sprach: 

12. (850.) Wenn diese Zunge die süfsen Geschmäcke 
schmeckt, so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen; 
darum will ich die scharfen Pfeile gegen die Zunge losschiefsen. 

Üie Zunge sprach: 

13. (851.) () Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs 
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn 
sie zertrennt sind, so mufst du sterben. 

14. (852.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den 
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach 
er mit Bedacht das folgende Wort. 

Alarka sprach: 

15. (853.) Wenn die Haut manche Gefühle fühlt, so wird 
man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich die 
Haut mit manchen befiederten Pfeilen durchlöchern. 

Die Haut sprach: 

16. (854.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs 
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn 
sie zertrennt sind, so mufst du sterben. 

17. (855.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den 
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach 
er mit Bedacht das folgende Wort. 

Alarka sprach: 

18. (856.) Wenn das Ohr manche Töne hört, so wird man 
von Begierde nach ihnen ergriffen ; darum will ich die scharfen 
Pfeile gegen das Ohr losschiefsen. 



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934 



IV. Anugita, 



Das Ohr sprach: 

19. (857.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs 
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und in- 
folge davon mufst du dein Leben lassen. 

20. (868.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den 
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach 
er mit Bedacht das folgende Wort. 

Alarka sprach: 

21. (839.) Wenn das Auge manche Gestalten sieht, so wird 
man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich das 
Auge mit den scharfen Pfeilen töten. 

Das Auge sprach: 

22. (860.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs 
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn 
sie zertrennt sind, so mufst du sterben. 

2'6. (8f.i.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den 
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach 
er mit Bedacht das folgende Wort. 

♦ 

Alarka sprach: 

24. (862.) Diese Buddhi trifft durch ihre Erkenntnis Ent- 
scheidungen in vielfacher Weise; darum will ich die scharfen 
Pfeile gegen die Buddhi losschiefsen. 

Die Buddhi sprach: 

25. (863.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs 
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn 
sie zertrennt sind, so mufst du sterben. (864.) Ersinne andere 
Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst. 

Der Brahmaoe sprach [richtiger: die Ahnen sprachen]: 
20. (865.) Darauf gab sich Alarka ebendort einer furcht- 
baren, schwer zu vollbringenden Askese hin, aber auch so er- 
langte er nicht den Pfeil, der durch seine Kraft jenen sieben 
[Sinnesorganen] überlegen war. 

27. (866.) Dann aber sammelte der Gewaltige vollständig 



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Adhy&ya 30 (B. HO). 



935 



seinen Geist und dachte nach, und nachdem er, Alarka, lange 
Zeit nachgedacht hatte, o Bester der Brahmanen, 

28. (»«7.) so fand er, der Vorzüglichste der Verständigen, 
kein höheres Gut als den Yoga, und indem er seinen Sinn 
einzig darauf richtete und unentwegt dem Yoga nachhing, 

29. (868.) schlug der Held alsbald mit diesem einzigen 
Pfeile die Sinnesorgane nieder, und mittels des Yoga in den 
Ätman eindringend, gelangte er zur höchsten Vollendung. 

30. <nr,9.) Und mit Stolz sprach er, der Königs-Rishi, den 
folgenden Spruch: O welches Elend, dafs wir allen diesen 
Aufsendingen nachstrebten, 

31. (s7o.) dafs wir vordem, von Durst nach Genüssen er- 
füllt, unsere Königswürde hoch schätzten! Erst später habe 
ich begriffen, dafs es kein höheres Glück als den Yoga gibt. 

32. (87i.) Darum, o Rama, gewähre auch du Verzeihung 
und töte die Kshatriya's nicht; wende dich vielmehr gewalti- 
ger Askese zu; dann wirst du erlangen, was das Beste ist. 

33. (872.) Als die Grofsväter also zu dem Sohne des Ja- 
madagni gesprochen hatten, da wandte er sich der gewalti- 
gen Askese zu, und durch sie ging der überaus Glückliche 
in die schwer zu erreichende Vollendung ein. 

So luutet in der AnutfltA der fünfzehnte Adtiyitya 

Aclhyftya »1 (B. M). 

Vers 878-HSr, (H. 1—13). 

Der Hrulimaue sprach : 

1. <87:i.) Fürwahr, es gibt drei Feinde auf der Welt, welche, 
den drei Guna's entsprechend, als neunfach aufgezählt werden. 
Freude, Liebe und Wonne, das sind die drei Qualitäten des 
Sattvam. 

2. (874 ) Durst, Zorn und l'ngestüm, diese gelten als die 
Qualitäten des Kajas. Ermüdung, Trägheit und Vollendung, 
das sind die drei Qualitäten des Tamas. 

3. (875.) Indem der Charakterfeste diese mit Scharen von 
Pfeilen unermüdlich niederkämpft, ist er imstande, sie als 



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93« 



IV. AnugUÄ. 



Feinde zu überwinden, mit beruhigtem Selbste und mit be- 
zähmten Sinnen. 

4. (876.) In bezug hierauf rühmen Kenner der Vorzeit die 
Verse, welche einstmals von dem Könige Ambarisha, als er 
zur Ruhe gelangt war, gesungen wurden. 

5. (877.) Als nämlich seine Fehler sich mächtig erhoben 
und seine guten Eigenschaften zurückgedrängt wurden, da 
ergriff der hochberiihmte Ambarisha die Herrschaft mit Un- 
gestüm. 

C>. (878.) Nachdem er aber dann seiner Fehler Herr ge- 
worden war und seine guten Eigenschaften zu Ehren gebracht 
hatte, da gelangte er zu grofser Vollendung und rezitierte 
folgende Verse: 

7. (879.) Zum gröfsten Teile sind meine Fehler besiegt und 
alle meine Feinde niedergekämpft worden; nur ein Fehler, 
der gröfste von allen, bleibt noch zu bekämpfen und ist noch 
nicht von mir überwunden worden: 

8. (880.) so lange meine Person mit diesem behaftet bleibt, 
kann sie nicht zur Begierdelosigkeit fvaitrishnyum) gelangen ; 
so lange der Mensch mit Durst (IrishnaJ behaftet ist, läuft 
er Gemeinem nach und ist nicht weise. 

i). (88i.) Sie, mit welcher behaftet hienieden der Mensch 
treibt, was er nicht sollte, die Begierde (lobhaj, müfst ihr mit 
scharfen Schwertern ausrotten [lies: nihrivtatd] und immer 
wieder ausrotten. 

10. (8*2.) Denn aus der Begierde entspringt der Durst, 
und aus ihm entwickelt sich die Sorge; die Begierde will er- 
langen, und was sie erlangt, das sind zumeist die Qualitäten 
des Kajas; (88a.) hat man aber erst diese angenommen, so 
erlangt man meistenteils auch die Qualitäten des Tamas. 

11. (H84.) Und durch diese Qualitäten knüpft sich neu 
des Körpers Bindung; immer wieder und wieder wird er 
geboren und strebt nach Werken. Geht der Lebenslauf 
zu Ende, wird sein I^eib von ihm getrennt und zerstreut, 
so mufs er wieder durch neuen Lebenslauf zu neuem 
Tode eilen. 

12. (885.) Darum soll man die Begierde ganz durch- 
schauen und, mit Festigkeit sie zügelnd, sich ein Reich 



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Adhvaya 31 (B. 31). 937 

im Atman gründen; dieses ist das wahre Reich, kein 
anderes gibt es hienieden, und der Ätman ist der König, 
wenn er nach Gebühr erkannt ist. 

13. (886.) So wurde von dem König Ambarisha, dem ruhm- 
begabten, dieser Spruch gesprochen; die Oberherrschaft hat 
er sich errungen, indem er die Begierde ausgerottet. 

So lautet in der Aiiuglta der aechzehnte Adhyäya. 



Adhvaya (B. :Vi). 

Vers 887-012 (Ii. 1-26.1. 

Der Hrahmaue sprach : 

1. (887.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte Ge- 
schichte, nämlich die Unterredung eines Brahmanen mit dem 
Könige Janaka, o du Holde. 

2. (8H8.) Zu einem Brahmanen, der in irgend eine 
Verschuldung geraten war, sprach der König Janaka, um 
ihn zu strafen: Du darfst nicht mehr in meinem Reiche 
wohnen. 

3. (H89.) So angeredet, sprach der Brahmane zu dem Besten 
der Könige: Zeige mir, o König, dein Reich an, und wie weit 
es sich in deiner Gewalt befindet. 

4. (89o.) Ich, der ich hier stehe, will, o Herr, in dem 
Reiche eines andern Königs wohnen, ich will nach deinem 
Worte tun, dem Gesetze gemäfs, o Landesherr. 

:"). (891.) Als nun aber der König so von dem herrlichen 
Brahmanen angeredet wurde, da stiefs er plötzlich einen 
heifsen Seufzer aus und erwiderte nichts. 

t). (S92.) Als nun der unermefslich mächtige König in Ge- 
danken versunken dasafs, da überfiel ihn eine Bestürzung, 
dem Dämon Rahu vergleichbar, der die glänzende Sonne 
überfällt. 

7. (893) Als sodann der König wieder aufatmete [lies: 
samäcvusya] und seine Bestürzung gewichen war, sprach er 
alsbald zu dem Brahmanen das Wort. 



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938 IV. AnugltA. 

Janaka sprach: 

8. (au.) In der von meinem Vater und Grofsvater über- 
kommenen Herrschaft, in dem meinem Willen unterworfenen 
Lande kann ich kein Reich erblicken, wenn ich an die [ganze] 
Erde denke. 

9. (895.) l'nd als ich, in der ganzen Erde nicht mein Reich 
sehend, raeine Aufmerksamkeit auf Mithilä richtete, und auch 
in dieser Stadt es nicht erblickte, richtete ich meine Auf- 
merksamkeit auf meine Familie. 

10. (896.) Und als ich auch in ihr nicht ein [mir völlig 
angehöriges] Reich erblicken konnte, da überkam mich Be- 
stürzung. Als aber dann die Bestürzung wich, kehrte mir 
das klare Bewufstsein zurück. 

11. (897.) Nunmehr glaube ich, dafs ich überhaupt kein 
Reich habe, oder dafs mein Reich allumfassend ist: auch 
mein eigener Leib ist nicht mein, oder auch die ganze Erde 
ist mein, 

12. (8ns.) und wie sie mir gehört, so auch den anderen, 
so denke ich, o Bester der Brahmanen (vgl. Mahäbh. XII, 750 
und 6470 S. 112); bewohne sie, soweit du vermagst, und ge- 
niefse sie, soweit du sie bewohnst. 

Der Brahmane sprach : 

13. (89!*.) In der von deinem Vater und Grofsvater über- 
kommenen Herrschaft, in dem deinem Willen unterworfenen 
Lande, sage, was hast du im Sinn, wenn du dein Eigentums- 
recht ablehnst, 

14. (wo.) und was meinst du damit, dafs dein Reich all- 
umfassend ist, so dafs du gar kein Reich als dir gehörend an- 
erkennst, und doch behauptest, dafs dein Reich allumfassend sei. 

Janaka sprach: 

15. (9oi.) Als vergänglich sind die Zustände aller Dinge 
in dieser Welt bekannt, und darum habe ich nichts gefunden, 
was so wäre, dafs ich sagen könnte: Es ist mein. 

16. (902.) Und auch der Veda sagt [wo? wüfsten wir 
ebensowenig zu sagen wie Nilakantha, der auf Ipa-Up. 1 ver- 
weifst]: „Wem gehört dieses ?" und „\Vem ist etwas eigen?" 



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AdhyAya 32 (B. :J2). 



939 



Indern icli nachdachte, habe ich nichts gefunden, was so wäre, 
dafs ich sagen könnte: Es ist mein. 

17. (9o:*.) Das hatte ich im Sinn, wenn ich mein Eigen- 
tumsrecht auf irgend etwas ablehnte; höre nun auch, wie ich 
es meine, dafs mein Reich überall sei. 

18. (904.) Für mich verlange ich nicht nach den Gerüchen, 
auch wenn sie in meine Nase steigen; dadurch habe ich die 
Erde [das Element des Geruches] besiegt; sie befindet sich 
für immer in meiner Gewalt. 

19. (905.) Für mich verlange ich nicht nach den Ge- 
schmäcken, auch wenn sie in meinem Munde sind; dadurch 
habe ich das Wasser [das Element des Geschmackes] be- 
siegt; es befindet sich für immer in meiner Gewalt. 

20. (906.) Für mich verlange ich nicht nach der Gestalt 
und dem Lichte des Auges; dadurch habe ich das Licht be- 
siegt; es befindet sich für immer in meiner Gewalt. 

21. (907.) Für mich verlange ich auch nicht nach den 
Gefühlen, welche meine Haut berühren; dadurch habe ich den 
Wind besiegt; er befindet sich für immer in meiner Gewalt. 

22. <9os.) Für mich verlange ich nicht nach den Tönen, 
auch wenn sie in mein Ohr dringen; dadurch habe ich die 
Töne besiegt; sie befinden sich für immer in meiner Gewalt. 

2^5. (909.) Für mich verlange ich für immer nicht nach 
dem Manas in meinem eigenen Manas [als dem Organ des 
Verlangens]; dadurch habe ich das Manas besiegt; es be- 
findet sich in meiner Gewalt. 

24. (9io.) Für die Götter, die Väter, die Wesen und die 
Gäste, für diese dienen alle die erwähnten Anstrengungen 
[meiner Sinnesorgane]. 

2:"). (9U.) Da sprach der Brahmane zu Janaka mit Lächeln: 
Wisse, dafs ich heute hierhergekommen bin als der Gott 
Dharma, um dich auf die Probe zu stellen. 

2t). (912.) Du bist für dieses zu Brahman führende, un- 
widerstehliche, unrückläufige, mit Sattvam als Radkranz um- 
gebene Rad der einzige Beweger. 

So lautet in «Irr AnuglU <lfr MrWHinte Adhväy», 



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940 



IV. Anugitä. 



Adhy&ya 3» (B. 33). 

Vers <U3-<»21 (B. 1-8). 

Per Brahmane sprach: 

1. (»13.) Nicht so ist mein Wandel in der Welt, dafs 
du mich, o Schüchterne, durch dein verständiges Fragen 
in Angst versetzen könntest; ich bin ein Brahmane, ich bin 
erlöst, bin ein Waldeinsiedler, und ebensosehr bin ich einer, 
der die Hausvaterpflicht erfüllt hat, seinem Gelübde treu. 

2. Und ich bin nicht so, wie du mich siehst, be- 
haftet mit Gutem und Bösem; von mir ist diese ganze Welt 
durchdrungen und alles, was auf Erden lebt. 

3. (9iü.) Für alle Geschöpfe in dieser Welt, bewegliche 
und unbewegliche, bin ich der Vernichter, wie das Feuer der 
des Holzes. 

4. (916.) Mein Reich erstreckt sich über die ganze Erde, 
ja über den dreifachen Himmel; dieses weifs mein Bewufst- 
sein, und mein Bewufstsein ist raein Reichtum. 

5. (917.) Es gibt nur einen Weg der Brahmanen, auf 
welchem gehen, die solches wissen, sei es im Hausvaterstand. 
im Einsiedlerstand, in der Schülerschaft bei einem Lehrer 
oder als Bettler (d. h. Sannyäsin). 

*). (918.) In mannigfaltigen, auf dasselbe Ziel gerichteten 
Erscheinungsformen wird die eine Erkenntnis verehrt von 
solchen, welche, in Lebensstadien von verschiedenen Er- 
scheinungsformen weilend, die Erkenntnis besitzen, welche 
Beruhigung gibt. 

7. (yi9 ) Sie alle streben dem einen Zustande zu, wie die 
Flüsse dem Ozean; durch Erkenntnis wird dieser Weg be- 
treten, nicht wird er betreten durch den Körper. (920.) Anfang 
und Ende habend sind die Werke, die Körperlichkeit aber ist 
durch die Werke bedingt. 

8. Darum, o du Glückliche, brauchst du keine Befürch- 
tung in betrefl' der andern Welt zu hegen; (921.) da du an der 
Liebe zu jenem Zustande deine Freude hast, so wirst du in 
meinen Atman eingehen. 

So lautet in der Anugiti d*r achtzehnte Adbyäya 



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Adhyaya 34 (B. 



941 



AdhyAya 34 (B. 

Vers 922-W3 (Ii 

Die Brahmanin sprach: 

1. (»22.J Das ist nicht zu begreifen, solange man kleinen 
Geistes, unbereiteten Geistes ist: und mein Denken ist viel- 
fältig und klein, ist eng und zerfahren. 

2. (923.) Darum sage mir das Mittel, durch welches diese 
Einsicht erreicht wird; die Ursache möchte ich von dir er- 
fahren, aus welcher diese Erkenntnis hervorgeht. 

Der Brahmaae sprach: 

:\. (924.) Die Brahmanin wisse als das Reibholz, ihr Lehrer 
ist das obere Reibholz; Askese und Vedastudium versetzen 
es in Drehung, und das Feuer der Erkenntnis geht daraus 
hervor. 

Die Brahmauin sprach : 

4. (925.) Wenn es ein Kennzeichen des Brahman gibt, 
welches Kshetrajfia (das Subjekt des Erkennens) heifst, wo 
finde ich dieses Kennzeichen des Brahman. durch welches es 
ergriffen werden kann? 

Der Brahmaue sprach: 

ö. (yj»u Er [der Kshetrajfia, das Subjekt des Erkennens ; 
das Brahman] ist ohne Kennzeichen, ohne Qualitäten, und 
keine Ursache desselben ist zu ersehen; aber ich will dir 
ein Mittel angeben, durch welches er erkannt oder auch 
nicht erkannt werden kann. 

<>. (927.) Ein vollständiges Mittel ist gefunden worden, 
durch welches er gesehen wird wie von Bienen [welche emsig 
nach dem Honig suchen]: dies Mittel ist die Erkenntnis durch 
gute Werke [sie läutern und erhellen den Geist); zwar ist 
es [das Brahman] kein Gegenstand der Erkenntnis, aber doch 
kommt man ihm nahe durch die [ihm beigelegten] intellek- 
tuellen Merkmale. 

7. (928. > Allerdings sind die Vorschriften, dies zu tun und 
jenes zu lassen, nicht anwendbar, wo es sich um Erlüsunjjs- 



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I 
I 

I 



942 IV. Amigitä. 

fragen handelt, bei denen vielmehr eine Erkenntnis des sehen- 
den und hörenden Atman [des Subjekts des Erkennens] ent- 
stehen mufs; 

8. (929.) aber doch tut man wohl, soviel Erkenntniselemente 
wie möglich zu sammeln, undeutliche und deutliche, hundert- 
fach und tausendfach, 

9. (930.) welche sich sämtlich auf vielerlei Objekte be- 
ziehen, sämtlich auf die Wahrnehmung sich gründen; denn 
auch bei fleifsiger Betreibung desjenigen, aus welchem das 
Höchste nicht erkannt wird, kann es einem zuteil werden. 

Der Heilige (Krishna) sprach: 

10. (93i.) Darauf geschah es, dafs in dieser Brahmanen- 
frau unter Vernichtung des Kshetrajfia durch die Tätigkeit 
des Kshetrajfia selbst die über die Kshetrajfia's hinausführende 
Erkenntnis sich entwickelte. 

Arjuna sprach: 

11. (932.) Wo ist wohl jene Hrahmanin, o Krishna, und 
wo ist jener gewaltige Brahmane, durch welche diese Voll- 
endung erreicht wurde? Diese beiden zeige mir an, o Un- 
erschütterlicher. 

Der Heilige sprach: 

12. (933.) So wisse denn, dafs jener Brahmane mein eigenes 
Manas und jene Brahmanin meine eigene Buddhi ist, der Kshe- 
trajfia aber, von dem die Rede war, der bin ich selbst, o Ge- 
winner der Güter. 

So lautet in der Anuglta der nenmehnte Adhyaya. 

AdhyAya 35 (B. 35). 

Vers 934-986 (B. 1-50). 

Arjuna sprach: 

1. (934.) Das Brahman, welches das höchste Objekt der 
Erkenntnis ist, das wolle mir erklären; denn durch deine 
Gnade erfreut sich mein Geist an dem Geheimnisvollen. 



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Adhyaya :tf> (B. 35). 



94.3 



Vasudeva iKrishna) sprach: 

2. C935.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte 
Geschichte, nämlich die 1'nterredung eines Schülers mit 
seinem Lehrer in betreff der Erlösung. 

3. (936.) Einen Brahmanen, welcher dasafs als Lehrer mit 
geschärftem Gelübde, befragte, o Feindbedränger, ein gewisser 
verständiger Schüler nach dem, was wohl das höchste Gut sei. 

4. (9^7.) Ich bin dir genaht, o Heiliger, einzig beflissen, 
das höchste Gut zu erreichen: mit geneigtem Haupte bitte 
ich dich, o Brahmane, mir zu sagen, was ich als solches er- 
klären kann. 

5. (938.) Zu diesem Schüler, als er also sagte, o Sohn 
der Prithä, sprach der Lehrer: Ich will dir alles verkündigen, 
worüber du zweifeln magst, o Zwiegeborener. 

f>. (939.) Von seinem Lehrer so angeredet, o Bester der 
Kuru's, höre, o Hochverständiger, das, was flies: yat tat] 
er, der Liebling des Lehrers, mit zusammengelegten Händen 
fragte. 

Der Schüler sprach: 

7. (940.) Woher bin ich und woher du? Erkläre mir diese 
Realität, welche die höchste ist; woraus sind sie entstanden, 
die unbeweglichen und die beweglichen Wesen? 

8. (94i.) Wodurch leben die Wesen, und welches ist ihr 
höchstes Lebensalter? Was ist die Realität, o Brahmane, 
und was ist Askese? Und welches sind die Guna's, welche 
von tüchtigen Männern verkündigt worden sind? 

9. (942.) Welches dürften die glücklichen Wege sein, was 
ist Lust und was ist Übeltat? Diese Fragen, o Heiliger, 
mögest du mir der Wahrheit gemäfs, o du Pflichttreuer, 

10. (943.) erklären, o Brahmanenweiser, wie es sich hier- 
bei verhält der Wahrheit nach. Denn kein anderer aufser 
dir vermag diese Fragen zu beantworten. 

11. (944) Sprich, o Bester der Pflichtkundigen! Ich 
empfinde die gröfste \V T ifsbegierde; denn du wirst in aller 
Welt gefeiert als erfahren in der Erlösung, dem Guten und 
dem Nützlichen. 



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944 IV. Anugita. 

12. (945.) Keinen gibt es aufser dir, der alle diese Zweifei 
lösen könnte; wir aber fürchten uns vor dem Sansara und 
verlangen nach der Erlösung. 

Vasudeva (Krishna) sprach: 

13. (946.) Diesem ihn angehenden und geziemend be- 
fragenden Schüler, dem tugendhaften, beruhigten, liebge- 
wordenen, 

14. (947.) wie ein Schatten anhänglichen, bezähmten, streb- 
samen, in Brahman wandel beharrenden, beantwortete diese 
Fragen, o Prithäsohn, der weise, in seinem Gelübde feste 
(948.) Lehrer, o Bester aus dem Kurustamme, samt und son- 
ders, o Feindbezwinger. 

Der Lehrer ßprach: 

lf>. (949.) Diese ganze vom Brahman offenbarte, von vor- 
züglichen Weisen gepflegte, auf die Vedalehre sich stützende, 
die Wahrheit über die Realität enthüllende, 

16. (96u.) höchste Erkenntnis ist uns bewufst als Entsagung 
und äufserste Askese; wer aber die unwiderlegliche, durch 
diese Erkenntnis erlangte Realität mit Gewifsheit erkennt, 
(95i.) nämlich den in allen Wesen weilenden Atraan, von dem 
gilt, dafs er allgegenwärtig ist. 

17. Wer, dieses wissend, den Einheitsstand und den 
Einzelstand [der Wesen] schaut (962.) sowie ihre Einheit und 
Mannigfaltigkeit, der wird von Leiden frei. 

lft. Wer nicht das Geringste mehr begehrt, nicht das 
Geringste mehr beabsichtigt, (953.) der ist, schon während er 
in dieser Welt weilt, zur Brahmanwerdung geeignet. 

19. Wer das Wesen der Prakriti (pradhänamj und ihrer 
Gunas begreift, wer ihre Verteilung in allen Wesen kennt, 
(954.) der wird als ein von Selbstsucht und vom Ahankära 
Freier erlöst; daran ist nicht zu zweifeln. 

20. Ein grofser [Baum] ist: er erwächst aus dem Un- 
oflen baren (avydktam = prakriti) als Samen; die Buddhi ist 
sein Stamm, (955.) der grofse Ahankära ist sein Astwerk, die 
Indriya's sind seine Zweige und Höhlungen, 



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Adhy&ya 35 <B. 35). 



945 



21. seine Zerteilungen (vircshaj sind die grofsen Elemente 
(mahäbhiUa, Äther, Wind, Feuer, Wasser, Erde), seine Ver- 
zweigungen sind ihre besonderen Eigenschaften (vircsha, Ton, 
Gefühl, Farbe, Geschmack, Geruch), (9r>»;> immer treibt er 
Blätter, immer Blüten, immer bringt er schöne Früchte hervor; 

22. er ist der aus Brahman als Samen erwachsene, ewige 
Beieber aller Wesen. (957.) Wer dieses weifs und die genann- 
ten Prinzipien fiattvaj mit der Erkenntnis als vorzüglichem 
Schwerte abhaut, der erlangt Unsterblichkeit und wird frei 
von Tod und Geburt. 

23. (»58. ) Den alles Vergangene, Gegenwärtige und Zu- 
künftige befassenden, die Gewifsheit des Guten, Angenehmen 
und Nützlichen gewährenden, den Scharen der Seligen be- 
kannten, vorweltlichen, ewigen, 

24. (!>™.) höchsten Ort will ich dir jetzt verkündigen, du 
sehr Verständiger, welchen erkannt habend hienieden die 
Weisen schon hier zur Vollendung gelangen. 

25. (900.) Einstmals kamen, nach Erkenntnis verlangend, 
zueinander die Weisen Prajapati und Bharadväja, Gautama 
und Bhargava, 

2t». (»ei.) Vasishtha, Kacyapa, Vievämitra und Atri. Da 
sie alle Wege durchlaufen hatten und ihrer Werke müde waren, 

27. (96-2.) stellten diese Zwiegeborenen den alten W'eisen 
Angirasa an ihre Spitze und kamen, um in dem Hause des 
Brahman den sündlosen Gott Brahman zu besuchen. 

28. (9G3.) Vor ihm, dem Hochherzigen, welcher zufrieden 
dasafs, verneigten sich die grofsen Weisen und befragten ihn 
in gehorsamer Weise nach jener höchsten Glückseligkeit. 

29. (964.) Wie wird durch Betreiben der Werke Gutes 
erlangt, wie wird man erlöst von der Sünde, welche Wege 
führen uns zum Heile, was ist die Wahrheit und was die 
böse Tat? 

30. (965.) Und welches sind die beiden Wege, die man 
durch Werke erlangt, und wie erlangen die Wesen Vergang 
und Erlösung, Entstehen und Untergang? 

31. (»66.) Als er so von den Besten der Muni's angeredet 
wurde, was da der Urvater antwortete, das will ich dir ver- 
künden; vernimm es, o Schüler, wie es überliefert worden ist. 

Dii'iiu, MfthAbh4»tMa 60 



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946 



IV. AnugttA. 



Der Gott Brahmän sprach: 

32. (967.) Aus dem Satyam (der Realität, der Wahrheit) 
sind die Wesen entstanden, die unbeweglichen und die be- 
weglichen, und durch das Tapas [des Schöpfers] leben sie, 
das wisset, o ihr Gelübdetreuen. 

33. (968.) Über diesen ihren Ursprung hinausschreitend, 
leben sie jetzt auf Grund ihres eigenen Werkes [in einer 
frühem Geburt] ; das Satyam aber, mit Qualitäten verbunden, 
bestimmt sich zu dem fünf Merkmale Habenden [zu den Ele- 
menten]. 

34. (969.) Das Satyam ist Brahman, das Satyam ist Tapas, 
das Satyam ist auch Prajäpati; aus Satyam sind die Wesen 
entstanden, Satyam ist die aus den Wesen bestehende Welt 
der Lebenden. 

35. (970.) Darum halten die aus Satyam bestehenden Brah- 
manen den Yoga immer als das Höchste, überwindend Zorn 
und Leiden, sich selbst bezwingend und die Pflicht übend. 

36. (971.) Sie, welche sich gegenseitig in Zucht halten, die 
Vedakundigen, welche die Brücke der Gerechtigkeit spannen, 
diese will ich euch verkündigen, die ewigen Erhalter der Welt. 

37. (<>72.) Ferner die vierfache Wissenschaft [vom Guten, 
Nützlichen, Angenehmen und von der Erlösung], sowie die 
Kasten und die in den vier Lebensstadien Weilenden ins- 
besondere. Das eine Gesetz mit seinen vier Füfsen (vgl. oben, 
S. 334) erklären die Weisen für ewig. 

38. (973.) Den Weg will ich euch verkünden, o Zwie- 
geborene, den seligen, zur Ruhe führenden, den zur Brahman- 
werdung vorgeschriebenen, von den Weisen der Vorzeit be- 
tretenen. 

39. (974.) Ihr, die ihr hier zu mir redet, sollt jetzt von 
mir diesen schwer zu findenden, höchsten Weg erfahren, 
o ihr Glücklichen, und vollständig den höchsten Ort. 

40. (975.) Das Lebensstadium des Brahmacarin gilt als der 
erste Schritt, das des Hausvaters ist der zweite, das des W r ald- 
einsiedlers folgt zunächst; (976.) was darauf folgt und die innere 
Seele betrifft, das soll man wissen als den höchsten Schritt. 

41. Das Licht, der Äther, die Sonne, der Wind, Indra 



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AdhyAya 35 (B. 35). 



947 



und Prajäpati, — (977.) solange einer die innere Seele nicht 
versteht, solange kennt er auch diese nicht. 

42. Das Mittel, sie zu verstehen, will ich euch verkündigen; 
vernehmt es von vorn an. (978.) Die von den an Früchten, 
Wurzeln und Wind sich nährenden und im Walde wohnenden 
Muni's geühte 

43. Waldeinsiedlerschaft wird für die drei zwiegeborenen 
Kasten vorgeschrieben. (979.) Hingegen wird für alle [vier] 
Kasten die Hausvaterschaft verordnet. 

44. Die Pflicht hat als Merkmal den ,,Glauben", so ver- 
künden die Weisen [Chänd. Up. 5,10,1; Brih. Up. «,2,15], 
(980.) mit diesem Worte werden euch die Wege des Devayäna 
gepriesen, welche von Guten und Weisen betreten werden 
und durch die Werke als Brücke zur Pflicht überleiten. 

45. (981.) Wer aber, verschieden von diesen, mit scharfem 
Gelübde der Pflicht [des Opferns] obliegt, der bekommt [auf 
dem Pitriyana] nach langer Zeit immer wieder Entstehung 
und Vergang der Wesen zu schauen. 

4<>. (»8s) Weiter nun will ich dir mit einer der Wahr- 
heit entsprechenden Begründung die Prinzipien nennen, ent- 
sprechend ihrer Einteilung, wie sie alle miteinander, in den 
Objekten verkörpert, sich vorfinden. 

47. (983.) Der Mahän Atmä, sowie das Avyaktam und d«*r 
Ahankara, die elf Indriya's und die fünf Mahäbhüta's, 

48. (984.) sowie die Vicesha's (spezitischen Qualitäten) der 
fünf Kiemente, das ist die ewige Emanation; als vierund- 
zwanzig und eins, als soviel wird die Zahl der Prinzipien 
gelehrt. 

4t>. (98. ) Wer nun Entstehen und Vergehen aller dieser 
Prinzipien versteht, der allein unter allen Wesen ist weise 
und gerät nicht in Betörung. 

50. (986.) Wer nach der Wahrheit alle die Prinzipien, 

alle die Eigenschaften und alle Götter kennt, der schüttelt 

die Sünde ab und löst die Bindung, der geht ein in alle 

reinen Welten. 

So Unttt in clrr AnugltA der xwtuntfitc Adkijrija. 

60* 



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948 



IV. Anugita. 



Adhy&ya 3(5 (B. 36). 

Vers 987-1022 (B. 1-36). 

Der Gott Brahman sprach: 

1. (»87.) Jenes Unoffenbare, Unerschöpfliche, Alldurch- 
dringende, Feste, Beständige soll man wissen als die Stadt 
mit neun Toren , als aus den drei Guna's und den iiinf Ele- 
menten bestehend, 

2. (»88.) als von den elf [Sinnesorganen] umgeben, als 
das Manas zum Unterscheider, die Buddhi zur Beherrscherin 
habend ; somit ist jenes Höchste elffach [aus drei Guna's, fiinf 
Elementen, Sinnesorganen, Manas und Buddhi bestehend]. 

3. (989.) In ihm befinden sich drei Strömungen, welche 
immer wieder und wieder anschwellen; diese drei Flufsarme 
treten in Wirksamkeit, ihrem Wesen nach aus den Guna's 
bestehend. 

4. (990.) Tamas, Kajas und Sattvam, das ist, was man 
die Guna's nennt; sie paaren sich alle miteinander und sie 
leben alle voneinander [vgl. Sankhya-Kärikä 12], 

5. (99i.) sie unterstützen sich gegenseitig, richten sich 
nacheinander und sind miteinander verflochten; das sind die 
aus den fünf Elementen bestehenden drei Guna's. 

(>. (992.) Das Tamas paart sich mit dem Sattvam, das 
Sattvam mit dem Rajas, das Kajas mit dem Sattvam und 
das Sattvam mit dem Tamas. 

7. (993.) Wo das Tamas unterdrückt wird, da entwickelt 
sich das Rajas ; wo das Rajas unterdrückt wird, da entwickelt 
sich das Sattvam. 

8. (994.) Nachtartig nach seinem Wesen ist das Tamas; 
es hat drei Eigenschaften und wird Verblendung genannt, 
auch hat es die Ungerechtigkeit als Merkmal und ist auf 
böse Handlungen beschränkt. [Der folgende Halbvers nur 
in B.] Diese tamas -artige Natur aber erstreckt sich auch 
[in die anderen hinein]. 

9. (995.) Das Rajas ist seinem Wesen nach Wirkung und 
Umwandlungen veranlassend, in allen Wesen sich entwickelnd, 
sichtbar werdend und Entstehung als Merkmal habend. 



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Adhyaya :$6 (Ii. 36). 



949 



10. oyt>.) Helligkeit in allen Wesen, Leichtigkeit und 
Gläubigkeit, das ist hingegen die Natur des Sattvam; die 
Leichtigkeit ist mit dem Guten verwandt. 

11. (997.) Das Wesen dieser Guna's wird erklärt werden 
nebst den Gründen für dieses Wesen sowohl im allgemeinen 
als auch im besondern; vernehmt es der Wahrheit gemäfs. 

12. (9»8.) Verblendung, Nichtwissen, Geiz, L T nentschieden- 
heit im Handeln, Schlaf, Steifheit, Feigheit, Habsucht, aus 
freien Stücken Bemängelung der Woldtaten, 

13. (99n.) Vergefslichkeit, Unreife, Nihilismus, Vielgeschäf- 
tigkeit, Urteilslosigkeit und Blindheit, das ist das Verhalten, 
welches aus dem letzten Guna entspringt. 

14. (iooo.) Einbildung, dafs man etwas tut, wo man nichts 
tut, dafs man etwas wisse, wo man nichts weifs, Unfreund- 
lichkeit, Mangel an Beweglichkeit, Unglaube, verwirrte Ge- 
mütsverfassung, 

15. (looi.) Mangel an Geradheit, Unbesonnenheit, böses 
Tun, Gedankenlosigkeit, Schwerfälligkeit, Mattherzigkeit, 
Mangel an Selbstbeherrschung, Niederträchtigkeit, 

U>. (1002.) alle diese werden als Eigenschaften genannt, 
welche aus dem Tamas entspringen, und was man sonst noch 
an Xaturbeschafienheiten aufzählen mag, welche in dieser 
Welt [schonenderweise] als Naturell bezeichnet werden. 

17. (ioo3.) Alle diese Eigenschaften des Tamas linden sich 
hier und dort als eingewurzelt vor. Das beständige Führen 
von übler Nachrede gegen Götter, Brahmanen und Veden, 

18. (ioo4.) der Geiz, der Hochmut, die Verblendung, der 
Zorn, die Unduldsamkeit und die Selbstsucht, diese, wo sie 
bei den Wesen vorkommen, sind anzusehen als die Wirkung 
des Tamas. 

19. (1005.) Alle ungeregelten Unternehmungen, alles un- 
geregelte Geben und ungeregelte Essen, das alles gilt als 
Wirkung des Tamas. 

20. (loot;.) Mafsloses Reden, Mangel an Ausdauer, Egois- 
mus, Hochmut und Unglaube sind anzusehen als Wirkung 
des Tamas. 

21. (ioo7.) Alle, welche auf der Welt von dieser Art sind, 



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IV. AnugltA. 



alle Übeltäter und schrankendurchbrechende Menschen, diese 
alle werden als tamas- artig betrachtet. 

22. (1008.) Ihre [künftigen] Geburten will ich dir ver- 
kündigen, wie sie für die Übeltäter bestimmt sind, welche 
ein Dasein niedriger Art oder in der Hölle erleiden und in 
Tiere oder in die Hölle fahren werden. 

23. (ioo9.) Unbewegliche Wesen (Pflanzen), Vieh und Zug- 
tiere, fleischfressende Tiere und alles, was da beifst und kriecht 
und fliegt und tlattert, 

24. (loio.) die Arten der Eigeborenen und alle Vierfufsler, 
die Verrückten, Tauben, Stummen und an schlimmen Krank- 
heiten Leidenden, 

25. (lon.) diese Unglücklichen sind versenkt in das Ta- 
mas und haben den Charakter, der durch ihre Werke ver- 
dient wurde; Abwärtsströmende können sie heifsen, in 
Tamas versenkt und von Tamasart. 

26. (ioi2.) Nun will ich dir weiter erklären, wie diese [in 
Tamas Versunkenen] sich emporarbeiten und höher steigen 
können, und wie sie durch heilige Werke glückselige Welten 
erlangen mögen. 

27. (ioi3.) Wenn sie eine andere Richtung einschlagen, 
so können sie hinauswachsen über das Werk und, von Brah- 
manen, die auf ihre Werke verzichtet haben und nach dem 
Schönen trachten, 

28. (1014.) geläutert, emporsteigen und, nach Weltgemein- 
schaft mit ihnen strebend, in den Himmel der Götter eingehen, 
wie es die Offenbarung des Veda lehrt. 

2*J. (1015.) Und wiederum, wenn sie eine andere Richtung 
einschlagen und in der Vollbringung ihrer Werke sich klug 
erweisen, dann fallen sie unter das Gesetz der Wiederkunft 
und werden wieder auf der Erde zu Menschen. 

30. (loie.) Dann können sie in einen schlechten Mutter- 
schors geraten als Candala's, Stumme und Stammelnde und 
nach und nach immer höhere Kasten erlangen. 

31. (lon.) Aber auch wenn sie die Geburt als Oüdra's 
und sonstige [Folgen von] tamas -artigen Qualitäten über- 
schritten haben und in die mittlere Strömung gelangt sind, 
befinden sie sich immer noch in der Qualität des Tamas. 



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Adhyaya 30 (B. 36). 



9M 



32. (1018.) Denn alles Hängen an Lüsten ist grofse Ver- 
blendung (mahämoha), so wird es gelehrt, und auch die Rishi's, 
Muni's und Götter unterliegen dieser Verblendung, solange 
sie noch nach Lust begehren. 

33. (1019.) Finsternis (lamas), Verblendung (inohaj, grofse 
Verblendung fmahämohaj und Verünsterung (tamisra), die da 
Zorn heifst, — denn blinde Verfinsterung (andhatamisra) ist 
der Tod — Verfinsterung wird der Zorn genannt [vgl. Sankhya- 
Kärikä 48], 

34. (1020.) nach Farbe, Qualität. Ursprung und Wesen ist 
das alles als Tamas euch erklärt worden nach der Vorschrift, 
o Brahmanen. 

35. (1021.) Wer ist es nun, der dies richtig versteht, wer 
ist, der es richtig sieht? Das ist das wahre Merkmal des 
Tamas, dafs einer in dem Nichtrealen das Reale sieht. 

36. (1022.) Damit sind die mannigfachen Qualitäten 
des Tamas aufgezählt und das nach oben und nach 
unten sich erstreckende Tamas gebührend besprochen 
worden; der Mann, welcher alle diese Qualitäten immer- 
fort erkennt, der wird von allen Qualitäten des Tamas 
erlöst. 

9o lautet in der Annita dcT einuintzwanziirnte Adhyaya. 



Aclhyftya 37 ( B. 37). 

Vers 1023-1041 (B. 1-1*). 

Der Gott Brahmäu sprach: 

1. (1023.) Nun will ich euch das Rajas der Wahrheit ge- 
mäfs erklären, o ihr Besten; vernehmt es, o ihr Glücklichen, 
sowie die aus dem Rajas sich entwickelnden Eigenschaften. 

2. (1024.) Qual, Schöngestalt, Anstrengung. Lust und 
Schmerz, Kälte und Hitze, Herrschaft, Krieg und Frieden, 
Räsonieren, Unzufriedenheit und Ausdauer, 

3. (1025.) Gewalt, Heroismus, Verwegenheit, Zorn, Streit 
und Zank, Neid, Begehrlichkeit, Klatschsucht, Kampf, Egois- 
mus, Beschützung, 



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952 



IV. AnugiU. 



4. (1026.) Mord, Gefangenschaft und Not, Kauf und Ver- 
kauf, von den Rufen: „Schneide, brich, spalte!" begleitetes 
Abschneiden der Feindesrüstung, 

5. (1027.) Gewalttat, Grausamkeit, Beschimpfung, Hin- 
weisung auf die Schwächen anderer, Weltsinn und Sorge, 
Selbstsucht , Beschützung, 

fi. (1028.) falsche Rede, falsches Spenden, Zweifel, Schmäh- 
sucht, Tadeln, Loben und Preisen, Übermacht und Ver- 
gewaltigung, 

7. (1029.) Pflege, Gehorsam, Bedienung, Durst, Unter- 
stützung, Strategik und Politik, Unbesonnenheit, Tadelsucht 
und Begünstigung, 

8. (loso.) ferner alle Vorkehrungen, welche in der Welt 
im einzelnen getroffen werden in bezug auf Männer, Weiber. 
Wesen, Sachen und Wohnungen, 

9. fioai.) Qual und Mifstrauen, Gelübde und Verpflichtungen 
sowie alle auf einem Wunsche beruhenden und seine Erfüllung 
nach sich ziehenden Werke von mannigfacher Art, 

10. (1032.) die Ausrufe svähä! (Heil), namas ! (Verehrung). 
svadhä ! (Labung), vashat ! (Spende), beides. Opfernlassen und 
Lehren, sowie Opfern und Lernen, 

11. (io33.) Schenken und Annehmen, Sühnung, glückliche 
Vorzeichen und die aus diesem Guna entspringende Neigung, 
sich dieses oder jenes zuzueignen, 

12. (1034.) Nachstellung, Täuschung, Herabsetzung und 
Ehrenerweisung, Diebstahl, Schädigung, Ekel, Reue, Wach- 
samkeit, 

13. (1035.) Trug, Stolz und Leidenschaft, Verehrung, Liebe 
und Freude, Spiel, Gerede der Leute und Liaisons mit Weibern. 

14. (1036.) Gelegenheiten zum Tanzen, Musizieren und 
Singen, wo sie immer vorkommen — alle diese Beschaffen- 
heiten, o ihr Brahmanen, werden erwähnt als aus dem Rajas 
entspringend. 

15. (1037.) Die Menschen, welche auf der Welt an die 
vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Möglichkeiten 
denken, welche immerfort an der Dreischar des Guten, Nütz- 
lichen und Angenehmen sich freuen, 

Ifi. (1038.) in Lüsten sich bewegen und an der Erfüllung 



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Adhväya 37 (B. 37). 



953 



aller Lüste ihr Gefallen linden, Herwärtsströmende können 
sie heifsen, die Menschen, welche vom Rajas umhüllt sind. 

17. ü<>:)9.) Sie freuen sich, immer wieder und wieder in 
dieser Welt geboren zu werden; darum streben sie nach dem 
Dasein nach dem Tode und zugleich nach einem Wieder- 
kommen in diese Welt; fio4o.) darum schenken sie und nehmen 
Geschenke und opfern den Manen und Göttern. 

18. (um.) Damit sind die mannigfachen Qualitäten des 
Rajas aufgezählt und das sich aus ihnen Entwickelnde 
gebührend besprochen worden; der Mann, welcher alle 
diese Qualitäten immerfort erkennt, der wird von allen 
Qualitäten des Rajas erlöst. 

Sr, lautet in der Anugttä der zweiundzwanzigate Adhyävft. 

Adhyaya i*8 (B. »8). 

Vers 1012-1057 (R. 1-15). 

Der Gott Hruhmau sprach: 

1. (104-j.) Weiterhin will ich den dritten Guna, den höchsten, 
erklären, der zum Heile aller Wesen in der Welt dient und 
das untadlige Gesetz der Guten bildet. 

2. f n>4;».) Wonne. Freude, Überflufs. Helligkeit und Lust, 
Fassung, Haltung, Zufriedenheit. Glaube. 

3. (io44.) Geduld. Festigkeit. Schonung, Gleichmütigkeit, 
Wahrhaftigkeit, Geradheit. Nichtzürnen. Nichtmurren , Rein- 
heit, Tüchtigkeit, Tapferkeit. 

4. (1045.) zweckloses Erkennen, zweckloses Handeln, zweck- 
loser Kultus, zweckloses Bemühen — wer so sich seiner Pflicht 
hingibt, der erlangt im Jenseits die Unendlichkeit. 

;"). (1046.) Selbstlos, ichbewufstseinslus, hoffnungslos, gleich- 
mütig in allen Dingen, frei von Begierde, so ist beschaffen 
die ewige Satzung der Guten. 

«». (Hut.) Vertrauen. Schamhaftigkeit, Ausdauer, Freigebig- 
keit, Reinheit. Unermüdlichkeit, Nichtübelwollen, Nichtver- 
blendung, Mitleid mit den Wesen, Nichtangeberei, 



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954 



IV. AnugitJL 



7. (1048.) Freudigkeit, Zufriedenheit, Stolz, Zucht, gutes 
Betragen, Reinheit im Erstreben der Ruhe, lichtvolle Ein- 
sicht , Versöhnlichkeit, 

8. (KU9.) Gleichgültigkeit, Keuschheit, Verachten auf 
alles, Selbstlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, unverkürzte Pflicht- 
erfüllung, 

9. (1050.) umsonst geben, umsonst opfern, umsonst stu- 
dieren, umsonst Gelübde erfüllen, umsonst annehmen, umsonst 
die Pflicht erfüllen, umsonst Askese üben — 

10. (1051.) alle, welche so beschaffen sind in dieser Welt 
und sich auf das Sattvam stützen als ßrahmanen und in 
Brahman s Schofs Sitzende, die sind weise und von richtiger 
Einsicht. 

11. (1062.) Schon als Menschen alles Böse hinter sich 
lassend und von Kummer befreit, erlangen diese Weisen den 
Himmel und schaffen sich dort Verkörperungen [nach Be- 
lieben]. 

12. (1053.) Schöpferkraft, Beherrschung der Wesen, Leich- 
tigkeit [und die übrigen Siddhi's] verschaffen sich auf ihren 
Wunsch diese Hochherzigen, gleichwie Götter alle drei Himmel 
durchziehend ; 

13. (1054.) Aufwärtsströmende können sie heifsen, und 
Götter, die ihre Gestalt wandeln, werden sie genannt, da sie 
sich vermöge ihrer Natur verwandeln können, nachdem sie 
zum Himmel gelangt sind, in dieses und jenes. 

14. (1055.) Was sie immer wünschen mögen, das alles 
verschaffen sie sich bald so, bald so. Damit habe ich euch, 
o Brahmanenstiere, mitgeteilt, was sich aus dem Sattvam 
entwickelt. (1006.) Wer dies verstanden hat, der empfängt 
von Rechts wegen alles, was er wünschen mag. 

15. (1057.) Damit sind die Qualitäten des Sattvam im 
einzelnen aufgezählt und das sich aus ihnen Entwickelnde 
gebührend besprochen worden; der Mann, der alle diese 
Qualitäten immerfort erkennt, der geniefst die Qualitäten 
und ist doch nicht an die Qualitäten gebunden. 

So lautet in der AnuglU der droiundzwauxlgate Adhyijr*. 



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AdhyAya 39 (B. 39). 



955 



AdhyAya :J9 (B. :*»). 

Vers 1058-1083 (h. 1-25). 

Der Gott BrahmÄn sprach: 

1. (i<»58.) Es ist nicht möglich, die Guna's, einen jeden 
in seiner Besonderheit, zu erklären, denn ungetrennt treten 
auf das Kajas, Sattvam und Tamas. 

2. (losu.) Denn sie färben aneinander ab, und sie leben 
für die gegenseitigen Zwecke, stützen sich alle gegenseitig 
und richten sich nacheinander. 

3. (1060.) Soweit das Sattvam sich erstreckt, reicht auch 
das Kajas, daran ist kein Zweifel; soweit das Tamas und 
das Sattvam sich erstrecken, soweit wird auch das Kajas 
anerkannt, 

4. (loei.) Miteinander verbunden gehen sie ihren Weg; 
als Gefährten in Gesellschaft wandelnd und in Gemeinschaft 
ihre Funktionen übend, wirken sie als Ursachen und nicht 
als Ursachen. 

5. (1062.) Von ihnen, welche zusammenwirken, indem sie 
übereinander hinausreichen und sich übertreffen, soll erklärt 
werden, inwiefern sie überall einander unterlegen und über- 
legen sind. 

(). (hm».) Wo das Tamas überwiegt, da findet ein Ein- 
gehen in tierische Existenzen statt; in ihnen ist das Kajas 
nur in geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm 
das Sattvam. 

7. (iui>4.) Wo das Kajas überwiegt, da findet ein Eingehen 
in die mittlere Strömung statt; in ihr ist das Tamas nur in 
geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm das Sattvam. 

8. (louft.) Wo das Sattvam überwiegt, da findet ein Ein- 
gehen in die Aufwärtsströmung statt; in ihr ist das Tamas 
nur in geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm 
das Kajas. 

5). (1066.) Das Sattvam ist für die Sinnesorgane die in 
sie sich umwandelnde und ihnen das Licht spendende Quelle, 
denn es gibt keine andere Eigenschaft, welche höher wäre 
als das Sattvam. 



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IV. Anuglt*. 



10. (io«7.) Nach aufwärts gehen die im Sattvam Stehenden, 
in der Mitte befinden sich die Kajashaften, und abwärts gehen 
die mit dem untersten Guna behafteten, tamashaften Menschen. 

11. (io68.) Das Tamas ist dem (.todra, das Rajas dem Ksha- 
triya eigen, das Sattvam als Höchstes dem Brahmanen; so 
treten in den drei Kasten die drei Guna's auseinander. 

12. (1069.) Schon von weitem zeigt sich, dafs Tamas, Satt- 
vam und Rajas, obgleich sie in Verbindung miteinander zu- 
sammengehen, doch in ihrer Verschiedenheit bestehen, wie 
sie uns überliefert worden ist. 

13. (io70.) Aber auch durch die Sonne, wenn sie sie auf- 
gehen sehen, werden die Übeltäter in Furcht versetzt, und 
die Wanderer werden von ihrer Hitze gequält und empfinden 
Schmerz. 

14. (io7i.) Zwar ist die Sonne überwiegend Sattvam, aber 
die [von ihr in Schrecken versetzten] Übeltäter sind Tamas, 
und die [gleichfalls von der Sonne herrührende] Hitze und 
Qual der Wanderer ist als eine Eigenschaft des Rajas zu be- 
trachten. 

15. (1072.) Als Erhellung ist die Sonne Sattvam, ihr Er- 
hitzen ist eine Eigenschaft des Rajas und ihre Verfinsterung 
beim Durchgang durch die Knoten ist als Tamas anzusehen. 

16. (107a.) In dieser Weise kehren bei allen Himmels- 
lichtern alle drei Guna's wieder und treten abwechselnd auf 
bald hier, bald dort, bald so, bald so. 

17. (1074.) Bei pflanzlichen Wesen herrscht das auch in das 
tierische Dasein hinüberreichende Tamas; vermöge des Rajas 
aber wandeln sich diese Wesen um [zu höheren Formen], 
und die in ihnen enthaltenen öligen [sich anschmiegenden] 
Bestandteile stammen aus dem Sattvam. 

18. (1075.) Dreifach [aus Sattvam, Rajas, Tamas bestehend) 
ist der Tag, das soll man wissen, und dreifach ist die Nacht, 
sind die Monate, Halbmonate, Jahre, Jahreszeiten und Däm- 
merungen. 

19. (1076.) Dreifach werden die Gaben gegeben, dreifach 
geht das Opfer vonstatten, dreifach sind die Welten, dreifach 
die Götter, dreifach ist die Wissenschaft und dreifach der 
Weg [ins Jenseits]. 



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Adhvaya 39 (R Mi 



9Ö7 



20. (1077.) Das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige, 
das Gute, Nützliche und Angenehme, der Prana, Apäna und 
Udäna, alles dies ist aus den drei Guna's bestehend. 

21. (1078.) Abwechselnd treten sie hervor, bald hier, bald 
dort, bald so, bald so; alles was auf dieser Welt ist, alles 
das sind die drei Guna's. 

22. (io7y.) Die drei Guna's üben ihre Funktionen, sie 
selbst aber bleiben ewig unoffenbar, das Sattvam, Rajas und 
Tamas, das ist die ewige Gunasehöpfung. 

23. (1080.) Das Tamas, das Unentfaltete, die selige Wohn- 
stätte [des Sattvam], das Rajas, die ewige Wiege, Entstehen, 
Sichwandeln und Vergehen, das Pradhanam (die Urnatur), 
Ursprung und Vergang, 

24. (io8i.) das Unvermeidbare und Unverminderbare, Un- 
erschütterliche. Unbewegliche, Seiende und Nichtseiende, dieses 
alles ist das aus den drei Guna's bestehende Unentfaltete: 

• * 

(io*2.) seine Namen müssen gekannt werden von Männern, die 

über das innere Selbst nachdenken. 

2;">. (1083.) Wer alle Namen und Eigenschaften des Un- 
entfalteten und die zur Absolutheit führenden Wege kennt, 
der wird, wenn er des Leibes ledig ist und das Wesen 
der Einteilungen des Unentfalteten versteht, von allen 
Guna's erlöst und frei von Leiden. 

So lautet in «lor Anuglt» ilrr virrtinrizwan/itf *t« AclhyAya. 

ArihyAya 40 (B. 40). 

Vers 10*4-10% iB. 1-13). 

Der Gott Bralimün sprach: 

1. u<»K4.) Aus dem Unentfalteten {nnjnhtam) ist zuerst 
hervorgegangen der Mahän Atmä (die grofse Seele, die Welt- 
seele), der grofse Weisheit Besitzende: er wird als der An- 
fang aller Bestimmungen fyunnj und als die erste Emanation 
bezeichnet. 

2. (io85.) Der Mahan Atmä ist Weisheit, ist Vishnu, der 
Siegreiche, und (/ambhu (Civa), der Gewaltige; er ist Buddhi 



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958 



IV. Amitft&. 



(Bewufstsein), Erkenntnis und Wahrnehmung, er ist auch 
Ruhm, Stärke und Erinnerung. 

3. (low.) Mit diesen synonym gebrauchten Worten wird 
der Mahän Atmä aufgezeigt; der weise Brahmane, welcher ihn 
erkennt, gerät nicht in Verblendung. 

4. (1087.) Nach allwärts ist er Hand, Füfse, nach allwärts 
Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend, die 
Welt durchdringend steht er da (Qvet. Up. 3,16). 

5. (1088.) Als Purusha von grofser Macht zeigt er sich 
klar in eines jeden Herzen, als Atomfeinheit, Leichtigkeit, 
Allberührung, als Gottherr, Licht, als Ewiger. 

6. (1089.) Durch ihn sind mit Bewufstsein (buddhi) begabt 
die Welten und alle, die an wahrem Sein sich freuen, die 
Meditierenden, immer des Yoga Beflissenen, dem Versprechen 
Treuen, die Sinne Bändigenden, 

7. (1090.) und alle, welche reich an Erkenntnis, ohne Be- 
gierde und frei von Zorn, beruhigten Herzens, standhaft, 
selbstlos und ohne Ichbewufstsein sind. 

8. (1091.) Alle diese, nachdem sie erlöst sind, gehen in 
seine Grofsheit ein, und auch der, welcher den heiligen, 
höchsten Weg des Mahän Atmä kennt, 

9. (1092.) nämlich, dafs aus dem Ahankära die fünf grofsen 
Elemente hervorgehen, Erde, Wind, Äther, Wasser und Licht 
als fünftes, 

10. (1093.) und dafs die Wesen in diese fünf grofsen Ele- 
mente verstrickt sind. Diese [die Wissenden], obgleich sich 
befassend mit Tönen, Gefühlen, Gestalten, Geschmäcken und 
Gerüchen, 

11. (1094.) sind beim Untergang der grofsen Elemente, 
und wenn die Vernichtung bevorsteht, unter allen Lebenden 
die Weisen, [während für die übrigen] eine grofse Frucht 
entsteht. 

12. (1095.) Aber er, der Weise, verfällt in allen Welten 
[die er bewohnt] nicht in Verblendung, sondern er wird zu 
Vishnu, wird zu dem über die Urschöpfung herrschenden 
Svayambhu. 

13. (1096.) Wer in dieser Weise den in der Höhle des 
Herzens wohnenden Herrn kennt, den höchsten, alten, 



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Adhyäya 40 (B. 40). 



959 



allgcstaltigen Purusha, den Goldfarbigen, der die höchste 
Zuflucht der Weisen ist, der besteht als Weiser, als über 
alle Weisheit Erhabener. 

So lautet in der Anuglta der lunfundzwanzifrMe Adhyaya 

Aclliyftya 41 (B. 41). 

Vers 10U7-1101 (B. 1-5). 

Der Gott Bralimän sprach : 

1. f iot»7.) Jener zuerst entstandene Mahan wird weiterhin, 
wenn er sich zu dem Bewufstsein, ein Ich zu sein, fort- 
entwickelt, Ahankära genannt und heifst die zweite Emanation. 

2. (1098.) Der Ahankära ist [einerseits] der Ursprung der 
Elemente und ist schon Produkt eines Produkts [nämlich des 
Mahan]; vermöge des [in ihm enthaltenen] Tejas ('-_- Rajas) 
und sofern er die Geistigkeit [des Purusha] in sich befafst, 
wird er zur Schöpfung der Geschöpfe, d. h. zu Prajäpati. 

3. (109».) Er ist als Ursprung der Götter ein Gott und als 
Ursprung des Manas der Schöpfer der drei Welten; er führt 
seinen Namen davon, dafs er in dem Bewufstsein des Ich auf 
das ganze Weltall seine Absicht richtet. 

4. (uoo ) Diese ewige Welt aber wird denen zuteil, welche 
als Muni's sich an der Erkenntnis der innern Seele sättigen, 
ihr Selbst zubereiten und in Vedastudium und Opfer zur Voll- 
kommenheit gelangt sind. 

ö. (not.) Dem vermittelst des Ahankära jene Guna's 
an sich Raffenden [Purusha] schafft er [der Ahankära] 
als Ursprung der Elemente [die Welten], und als Schöpfer 
der Wissen bringt er, das Produkt-Produkt, diese ganze 
Welt in Bewegung und belebt sie vermöge des ihm inne- 
wohnenden Tejas ( Rajas |. 

So lautet in der Anuglt;i .Irr »notnundx wanogit« AdhyA};» 



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960 



IV. Anugita. 



Adhyftya 42 (B. 42). 

Vera 1102-1169 (B. 1-67). 

Der Gott B rahm an sprach: 

1. (iiu2.) Aus dem Ahankära sind erzeugt worden die 
fünf grofsen Elemente, die Erde, der Wind, der Äther, die 
Wasser und das Licht als fünftes. 

2. (1103.) In diese fünf grofsen Elemente sind die Wesen 
verstrickt, nämlich in Töne, Gefühle, Gestalten und in die Ver- 
richtungen des Schmeckens und Fühlens (vgl. oben, Vers 1093). 

3. (1104.) Beim Untergang der grofsen Elemente, und wenn 
die Vernichtung bevorsteht, [sind nicht verstrickt] unter 
allen Lebenden die Weisen, [während für die übrigen] eine 
grofse Furcht verkündigt wird. 

4. (1105.) Dann löst sich jedes Element in dasjenige Ele- 
ment auf, woraus es entstanden ist [Erde in Wasser, Wasser 
in Feuer, Feuer in Wind, Wind in Äther], sie lösen sich auf 
in der umgekehrten Ordnung, als wie sie auseinander ent- 
standen sind. 

5. (1106.) Wenn dann jedes unbewegliche und bewegliche 
Wesen sich auflöst, dann sind es die Weisen, Gedenkenden, 
welche sich nimmermehr auflösen. 

6. (1107.) Aber Ton, Gefühl, Gestalt, Geschmack und Ge- 
ruch als fünfter, diese Tätigkeiten, welche immer blofse Organe 
sind, sind vergänglich und werden Verblendung genannt. 

7. (1108.) Durch Begierde und Zeugung entstanden, ohne 
Unterschied [aus den fünf Elementen bestehend], ohne Realität, 
als Aggregate von Fleisch und Blut voneinander zehrend, 

8. (1109.) werden sie äufserliche Selbste genannt und sind 
elend und erbärmlich lebend. — Ferner der Präna und Apana, 
der Udäna, Samana und Vyäna, 

9. (1110.) diese bestimmten fünf Winde gehören schon dem 
inner n Selbst an; zusammen mit Rede, Manas und Buddhi 
bilden sie die achtwesenhafte Welt. 

10. (im.) Haut, Geruch, Gehör, Gesicht, Geschmack und 
Rede, wer diese im Zaume hält und sein Manas rein und seine 
Buddhi nicht abirrend hat, 



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Adliy&va iJ (Ii. 42). 



11. (1112.) bei wem diese acht Feuer nicht fort und fort 
den Geist verbrennen, der geht ein zu jenem lautern Brah- 
män; über den hinaus gibt es nichts Höheres. 

12. (ins.) Nun will ich die elfe, welche man die Sinnes- 
organe nennt und welche aus dem Ahankära erzeugt sind, 
euch, o Rrahmanen, im einzelnen erklären. 

13. (hu.) Das Ohr, die Haut, die Augen, die Zunge und 
die Nase als fünftes, die Füfse, das Entleerungs- und 
Zeugungsorgan, die Hände und die Rede als zehntes, 

14. (ins.) das ist die Schar der Sinnesorgane, und das 
Manas ist das elfte; diese Schar mufs man zuerst überwinden, 
dann kommt das Brahman zur Erscheinung. 

15. (lim.) Unter ihnen zählt man fünf Erkenntnisorgane 
und fünf Tatorgane; nämlich fünf, das Ohr usw., gibt es, 
welche ihrem Wesen nach mit Erkenntnis verbunden sind, 

U\. (1117.) hingegen sind da die anderen, welche kein 
rnterscheidungsvermögen besitzen, aber mit einer Tätigkeit 
verbunden sind; zu beiden Arten gehört das Manas; aber die 
Buddhi ist die zwölfte. 

17. (HIB.) Damit sind diese elf Sinnesorgane der Reihe 
nach aufgezählt; die Weisen halten ihre Aufgabe für voll- 
endet, wenn sie diese kennen. 

18. (Uli») Weiterhin will ich jedes Organ nach seinen 
verschiedenen Beziehungen erklären. Zuerst entstanden ist 
der Äther; in bezug auf das Selbst heifst er das Ohr, 

19. (U20.) in bezug auf die Dinge der Ton, in bezug auf 
die Gottheit die [Gottheiten der] Himmelsgegenden. Das 
zweite Element ist der W r ind; in bezug auf das Selbst heifst 
er die Haut, 

20. (1121.) in bezug auf die Dinge das Gefühlte, in bezug 
auf die Gottheit der Blitz. Das dritte Element heifst das 
Licht; in bezug auf das Selbst heifst es Auge, 

21. (1122.) in bezug auf die Dinge die Gestalt, in bezug 
auf die Gottheit die Sonne. Das vierte Element ist das 
Wasser; in bezug auf das Selbst heifst es Zunge, 

22. (1123.) in bezug auf die Dinge der Gesc hmack, in bezug 
auf die Gottheit der Sorna (Mond). Die Erde ist das fünfte 
Element; in bezug auf das Selbst heifst sie die Nase, 

Dki'mcw, M*hAbhAr»Um. (JJ 



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<J62 



23. (ii24.) in bezug auf die Dinge der Geruch, in bezug 
auf die Gottheit der Vuyu (Wind). Damit ist von den fünf 
Elementen ihre Beziehung zu den dreien erklärt. 

24. (U25.) W eiterhin will ich jedes [Tat-] Organ nach 
seinen verschiedenen Beziehungen erklären. In bezug auf das 
Selbst wird das erste von den ßrahmanen. welche die Wahr- 
heit schauen, die Füfse genannt; 

25. ni26.) in bezug auf die Dinge heifst es das zu Be- 
tretende, in bezug auf die Gottheit der Vishnu. Das Ent- 
leerungsorgan heifst in bezug auf das Selbst der nach unten 
gehende Apuna, 

2<>. (1127.) in bezug auf die Dinge die Entleerung, in bezug 
auf die Gottheit der Mitra. Das Zeugungsorgan heifst in 
bezug auf das Selbst der Erzeuger aller Wesen, 

27. (1128.) in bezug auf die Dinge der Same, in bezug 
auf die Gottheit der Prajapati. Die Hände werden so ge- 
nannt in bezug auf das Selbst von Menschen, welche wissen, 
was sich auf das Selbst bezieht, 

28. (ii2i>.) in bezug auf die Dinge heifsen sie Handlungen, 
in bezug auf die Gottheit der (,'akra (Indra). Die von hier 
zunächst folgende ist in bezug auf das Selbst die alle Götter 
preisende Rede, 

2U. diso.) in bezug auf die Dinge das Gesprochene, in 
bezug auf die Gottheit der Vahni (das Feuer). Das Manas. 
welches das Wesen der fünf Elemente auskundschaftet, heifst 
so in bezug auf das Selbst, 

30. (1131.) in bezug auf die Dinge heifst es Sankalpa (Vor- 
stellung, Wille), in bezug auf die Gottheit heifst es der Can- 
dramas (Mond). Der Ahankära, der den ganzen Sansära be- 
wirkt, heifst so in bezug auf das Selbst, 

31. (1132.) in bezug auf die Dinge heifst er die Ichbeziehung 
(nbhiniäna), in bezug auf die Gottheit der Rudra. Die Buddhi, 
welche die sechs Sinnesorgane [Manas und Erkenntnissinne] 
durchwaltet, heifst so in bezug auf das Selbst, 

32. (1133.) in bezug auf die Dinge das Erkennbare, in 
bezug auf die Gottheit der Gott Brahmän. — Drei Orte gibt 
es für die Wesen, ein vierter ist nicht vorhanden: 

33. (Iis*.) das feste Land, das Wasser und der Äther. 



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Adhyäya V> (B. 12). 



Vierfach ist die Entstellung der Wesen, als Eigeborene, Sprofs- 
geborene, Schweifsgeborene (samsvedujaj und Eihautgeborene. 

34. (1135.) In dieser Weise wird als vierfach die Geburt der 
Wesenschar erkannt. Noch andere Wesen nebst den Vögeln 

.*»;*). diu;) soll man als Eigeborene wissen, sowie auch 
alle kriechenden Tiere. Schweifsgeborene heifsen die Würmer 
und andere Geschöpfe nach ihrer Ordnung; 

'M. (U37.) dieses wird die zweite Geburt und auch die 
geringere genannt. Diejenigen Wesen aber, welche geboren 
werden, indem sie im Verlaufe der Zeit die Erde durchbrechen, 

37. (ii38.) werden Sprofsgeborene genannt von den besten 
Brahmanen. Die Zweifüfsler und die Vielfüfsler, welche wage- 
rechten Gang haben, 

3*. ui3}».) heifsen Eihautgeborene und sind auch von 
mancherlei Art, o ihr Besten. — Zweifach ist aber weiter die 
ewige Zugangspforte zu Brahman, 

3'.). (lue.) nämlich Askese und heiliges Werk; so lehren 
es die Wissenden. Mannigfach ist das Werk ; Opferwerk und 
Geschenke bei seiner Feier, 

40. (ii4i.) sowie auch heilige Belehrung der Jugend; das 
ist das Gebot der Alten. Wer dieses nach der Vorschrift 
weifs und ihm ergeben ist, der ist, o Brahmanenstiere, 

41. du-».) erlöst von allem Bösen; darum sollt ihr es 
wohl merken. Der Äther ist als erster entstanden; in bezug 
auf das Selbst heifst er das Ohr, 

42. (1U3 n.M. ) in bezug auf die Dinge der Ton, in bezug 
auf die Gottheit die [Gottheiten der] Himmelsgegenden. Das 
zweite Element ist der Wind; in bezug auf das Selbst heifst 
er die Haut, 

43. (1144 1121.) in bezug auf die Dinge das Gefühlte, in 
bezug auf die Gottheit der Blitz. Das dritte Element heifst 
das Licht; in bezug auf das Selbst gilt es als das Auge, 

44. (ins ii22.) in bezug auf die Dinge als die Gestalt, 
in bezug auf die Gottheit als die Sonne. Das vierte Element 
ist das Wasser; in bezug auf das Selbst gilt es als die Zunge, 

45. (lue vjji, U2H.) in bezug auf die Dinge als der Mond, 
in bezug auf die Gottheit als das Wasser. Entsprechend ist 
die Lehre in bezug auf das Selbst [sowie auf die Dinge und 



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964 IV. AnugitÄ. 

die Gottheit bei den übrigen]; sie ist euch schon von mir 
mitgeteilt worden [oben, Vers 112s— 1133]. 

46. (1147.) Denn die Erkenntnis davon habt ihr, o Pflicht- 
kundige, hier vernommen von denen, welche Kenntnis haben 
von den Sinnesorganen, den* Sinnesobjekten und den fünf 
grofsen Elementen. (iu8.) Dieses alles nehme man in sich 
auf und überlege es in seinem Geist. 

47. Wenn der Geist vollständig erlischt, so ist kein an- 
genehmes Dasein möglich, (1149.) ein solches kommt nur den 
mit Erkenntnis begabten Wesen zu, wie die Weisen lehren 

48. Nun aber will ich euch verkündigen jene ein ver- 
borgenes Dasein bewirkende, selige (nso.) Einkehr, welche in 
der Mitte aller Wesen erfolgt durch milde oder rauhe Mittel. 

49. Das Verhalten, welchem Tugend nicht mehr für 
Tugend gilt, welches ohne Anhänglichkeit, einsam und frei 
von den Unterschieden ist, (nsi.) dieses ganz in Brahman auf- 
gehende Verhalten nennt man das auf die einzige Stätte ge- 
richtete Glück. 

50. Der als Weiser die Begierden von überallher in sich 
zurückzieht wie die Schildkröte ihre Glieder, (1102.) ein solcher 
leidenschaftsloser und nach allen Seiten freier Mann ist 
immerfort glücklich; 

51. die Begierden in sein Inneres zurückdrängend, den 
Durst (trishnaj vernichtend, absorbiert (115s.) und gegen alle 
Wesen wohlwollend und freundlich, wird er tauglich zum 
Brahmansein. 

52. Durch Niederhaltung aller nach den Dingen trachten- 
den Sinnesorgane (1154.) wird in dem Muni, indem er die 
Wohnstätten der Menschen meidet, das Feuer des eigenen 
Selbstes entzündet. 

53. So wie das durch Brennholz entflammte Feuer mit 
grofsem Scheine aufleuchtet, (iiöb.) so wird durch Nieder- 
haltung der Sinnesorgane der grofse Atman (mahän ätmdj 
aufleuchten. 

54. W r enn einer alle Wesen mit ruhigem Selbste in seinem 
eigenen Herzen schaut, (1156.) dann „dient er sich selbst als 
Licht" (Brih. Up. 4,3,6) und gelangt aus dem Verborgenen 
zu dem allerhöchsten Verborgenen. 



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Adhy&va 42 (Ii. A'2). 



965 



55. Seine Sichtbarkeit ist Feuer, sein Fliefsendes ist 
Wasser, seine Fühlbarkeit ist Wind, 11157.) sein scheufsliches 
Schmutztragendes ist Erde und sein Hörbares ist Äther; 

56. von Krankheit und Leid ist er erfüllt, von den fünf 
Strompforten [den fünf Sinnen] umgeben, (nr»8.) aus den fünf 
Elementen zusammengeflochten, mit neun Toren, von zwei 
Göttern [der höchsten und der individuellen Seele] bewohnt, 

57. unsauber, unansehnlich, dreigunahaft, dreigrundstoff- 
haft [Schleim, (lalle, Wind], (ii5y.) berührungssüchtig und voll 
Torheit, — das ist der Leib, das ist gewifs. 

58. Überall in dieser Welt schwer zu behandeln und die 
Intelligenz fsattvam) als Stütze habend, (lico.) rollt der Leib 
in dieser Welt auf dem Wagen der Zeit dahin. 

59. Diesen furchtbaren, unergründlichen, grofsen Ozean, 
der da heifst Verblendung, (1101.) soll man abtun, soll man 
vernichten und die unsterbliche. Welt in sich zum Erwachen 
bringen (vgl. unten, Vers 124:1). 

60. Begierde, Zorn, Furcht, Habsucht, Tücke und Un- 
wahrheit, (1162.) diese alle wirft er durch Unterwerfung der 
Sinnesorgane ab, obgleich sie schwer abzuwerfen sind. 

61. Wer diese, die Dreigunahaften, Fünfelementhaften in 
der Welt überwunden hat, < 1 ig3.) dessen Stätte ist im Himmel, 
dem wird Unendlichkeit zuteil. 

62. Ihn, der die fünf Sinne als grofse Ufer, der den 
Drang des Manas als mächtige Strömung hat, niß-u den Flufs, 
der sich zum See der Verblendung ausbreitet, soll man 
durchschwimmen und beides überwinden, die Begierde und 
den Zorn. 

63. Dann schaut man, befreit von allen Gebrechen, jenes 
Höchste, (1165.) sein Manas in seinem Manas einschliefsend 
und das Selbst in seinem Selbste schauend. 

64. In allen Wesen allwissend, findet er in seinem Selbste 
das Selbst, (1106.) indem er sich in eines oder in viele wandelt, 
bald hier, bald dort. 

65. Dann durchschaut er völlig die tiestalten, so wie 
man mit einer Fackel hundert Fackeln entzündet, nn;7 ) dann 
ist er Vishnu und Mitra, Varuna, Agni und Prajapati; 

66. dann ist er Schöpfer und Ordner, der Herr, der All- 



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96Ci 



IV. Anugltä. 



gegenwärtige, (lies.) dann wird er als das Herz aller Krea- 
turen, als der grofse Atman erstrahlen; 

(37. (U69.) dann werden ihm Brahmanenscharen, Götter, 
Dämonen, Halbgötter, Unholde, Manen und Vögel, Ko- 
boldscharen, Gespensterscharen und alle grofsen Weisen 
für und für lobsingen. 

So lautet in der AnugltA der slobenundswanzigst« AdhyAya. 

A dli y Aya 43 (B. 43). 

Vers 1170-1211 (B. 1-42). 

Der Gott Brahman sprach: 

1. (li'o.) Der mittlere Guna [Kajas] ist vertreten unter 
den Menschen als der Räjanya, der Kshatriya, unter den Zug- 
tieren als der Elefant, unter den Waldbewohnern als der Löwe, 

2. (lni.) unter allen Haustieren als das Schaf, unter den 
Höhlenbewohnern als die Schlange, unter den Kühen als der 
Stier, unter den Weibern als der Mann. 

;>. (1172.) Der Nyagrodhabaum, der Jambubaum, der Pip- 
pala, der (."älmali, der (^incapäbaum und der Meshacringa, 
sowie die Rohre und Schilfe, 

4. (ins.) diese sind die Könige unter den Bäumen, daran 
ist kein Zweifel. Der Himälaya, der Päriyätra, der Sahya, 
der Vindhya und der Trikütavan, 

5. (1174.) der £veta, der Nila, der Rhäsa und der Berg 
Koshthavan, der Guruskandha, der Mahendra und der Berg 
Mälyavan, 

6. (ins.) diese sind die Könige unter den Bergen; ebenso 
sind es die Maruts* unter den Götterscharen, die Sonne ist 
der Fürst unter den Planeten, der Mond unter den Sternen; 

7. (1176.) Yama ist der Fürst unter den Abgeschiedenen, 
der Ozean unter den Flüssen; Varuna gilt als König der 
Wasser, Indra als König der Winde. 

8. (1177.) Die Sonne ist der Fürst unter den Glutkörpern, 
der Mond unter den Himmelslichtern, das Feuer ist für immer 
der Herr der Elemente, Brihaspati der Brahmanen, 



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Adhyaya Vi (11. 13). 



967 



9. (1178.) Sorna ist der Herr der Pflanzen, Vishnu der 
Oberste unter den Starken, Tvashtar (der Bildner) ist der 
Oberherr der Gestalten, der Beherrscher der Tiere ist (,'iva; 

10. (iny.) höher als die Weihen steht «las Opfer, höher 
als die Götter Maghavan (Indra); an der Spitze der Himmels- 
gegenden steht die nördliche, an der der Brahmanen der 
mächtige König Sorna. 

11. (iiso) Kubera ist der Herr aller Schatze, Purandara 
t Indra) aller Gottheiten; diese Schöpfung ist der Oberherr 
über die Kiemente und Prajäpati über die Geschöpfe. 

12. (ii8i.) Aber der Oberherr aller Wesen bin ich, der 
aus Brahman bestehende Grofse, und es gibt kein höheres 
Wesen als mich oder auch als Vishnu |der mit mir identisch ist]. 

V\. (ii8i) Der Oberkönig aller Könige ist Vishnu, der 
aus Brahman bestehende Grofse; erkennet seine Gottherrlich- 
keit, erkennet ihn als den Schöpfer, den l nerschaftenen, 
als Hari. 

14. (ns:>) ("her Menschen, Kinnara's. Yaksha's, Gan- 
dharva s, Schlangen, Rakshas, Götter, Dänava's, Xaga's, über 
diese alle ist er der Herr. 

1T>. (1184.) Aber über alle, denen die Verehrer der Ge- 
schlechtslust nachstellen, ist Herrin die schönaugige Mahe- 
cvari, Mahadevi, denn sie ist es. welche Parvati genannt wird. 

B>. (lis.v) Sie. die Göttin l'ma. die Schöne, ist die höchste 
unter den Frauen, das sollt ihr wissen, aber unter den [übri- 
gen | Weibern sind e< die an Schützen der Liebesfreuden 
reichen Apsaras. 

17. (HH6.) Könige sind Freunde des Rechts, alier die 
Brücke des Rechts sind die [den Veda lehrenden Hrnhmnncn|; 
darum soll der König bemüht sein, die Brahmanen zu be- 
schützen. 

LS. (Iis:.) Denn Könige, in deren Reich die Guten Not 
leiden, gehen aller ihrer Vorzüge verlustig und geraten na< h 
dem Tode auf Abwege. 

19. uistO Aber Könige, in deren Reich die Guten Schutz 
linden, haben Freude in dieser Welt und geniel'sen nach dem 
Tode Glückseligkeit. 

20. (iis«.> Das ist es, was die Hochherzigen erlangen. 



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IV. Anugttfr. 



das sollt ihr wissen, o Beste der Brahmanen. Weiter will 
ich verkündigen, welches das bestimmte Merkmal der Ge- 
rechtigkeit ist. 

21. (liöo.) Nichtschädigung ist die höchste Gerechtigkeit ; 
Schädigung ist das Merkmal der Ungerechtigkeit. Das Merk- 
mal der Götter ist das Licht, das Merkmal der Menschen 
das Werk. 

22. (ii9i.) Der Äther hat als Merkmal den Ton, der Wind 
als Merkmal das Gefühl; das Merkmal der Lichtelemente ist 
die Sichtbarkeit; das Wasser hat als Merkmal den Geschmack. 

23. (U92.) Die Trägerin aller Wesen, die Erde, hat als 
Merkmal den Geruch; die aus Vokalen und Konsonanten sich 
gestaltende Bhärati (Rede) hat als Merkmal den Schall. 

24. (ii93.) Das Merkmal des Manas ist die Wahrnehmung, 
die Wahrnehmung hat die Erkenntnis als Merkmal; und die 
durch das Manas wahrgenommenen Objekte werden determi- 
niert durch die Buddhi; 

25. (ii94.) denn für die Buddhi ist charakteristisch das 
Determinieren, so dafs kein Zweifel mehr bleibt. Meditieren 
ist ein Merkmal des Manas. Im übrigen ist es das Merkmal 
eines guten Menschen, im Verborgenen zu leben. 

2<>. (U95.) Das Merkmal des Yoga ist Tätigkeit [Pränä- 
yama usw.]; die Erkenntnis ist das Merkmal der Entsagung; 
darum soll der Weise die Erkenntnis ins Auge fassen und 
sodann entsagen. 

27. (1196.) Der mit Erkenntnis ausgerüstete Entsagende 
erlangt das höchste Ziel; die Gegensätze überschreitend, er- 
langt er es, indem er Finsternis, Tod und Alter hinter sich läfst. 

28. (U97.) Was mit der Charakteristik der Gerechtigkeit 
zusammenhängt, habe ich euch nach der Vorschrift mitgeteilt 
Weiterhin werde ich vollständig darlegen, wie die Eigen- 
schaften [der Elemente] perzipiert werden. 

2t*. (U98.) W as zunächst den der Erde angehörigen Ge- 
ruch betrifft, so wird er perzipiert durch die Nase, und der 
in der Nase wohnende Windgott wird zur Erkenntnis des 
Geruches verwendet. 

30. (ii99.) Die Essenz des W r assers ist immer der Ge- 
schmack, er wird perzipiert durch die Zunge, und der in der 



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Adhyaya 43 (Ii. 4.i>. 



Zunge wohnend«? Sorna (Mondgott) wird zur Erkenntnis des 
Geschmackes verwendet. 

31. (laut).) Die Qualität des Lichtes ist die Sichtbarkeit; 
sie wird perzipiert durch das Auge, und der allezeit im Auge 
wohnende Sonnengott wird zur Erkenntnis der Sichtbarkeit 
verwendet. 

32. (1201.) Dem Winde ist allezeit angehörig das Gefühl, 
und es wird perzipiert durch die Haut, und der allezeit in 
der Haut wohnende Windgott wird beim Fühlen verwendet. 

33. (1202.) Die Qualität des Äthers ist jene bekannte und 
wird perzipiert durch das Ohr, und die Gottheiten der Himmels- 
gegenden, welche sämtlich im Ohre wohnen, werden genannt 
als helfend bei der Erkenntnis des Tones. 

34. (120:1.) Die Qualität des Manas ist die Wahrnehmung, 
und sie wird perzipiert durch das Uewufstsein, und die im 
Herzen wohnende geistige Essenz wird verwendet bei der Er- 
kenntnis des Manas. 

3f>. (1201.) Die Huddhi wird an dem Determinieren [er- 
kannt] und der Mahän am Erkennen; durch ihr determinieren- 
des Perzipieren wird das l ndeutliche zum Deutlichen, so dafs 
kein Zweifel bleibt. 

3»>. U20&.) Ohne Merkmal wird perzipiert der beständige, 
seiner Natur nach gunalose Kshetrajna {das Subjekt des Er- 
kennens); darum ist der Kshetrajna ohne Merkmal und hat 
als Kennzeichen nur das Bewufstsein. 

37. (1206.) Das Avyaktam (die Prakriti) wird als Kshetram 
[Wohnsitz des Kshetrajna] bezeichnet und als das, aus wel- 
chem die Guna's hervortreten und worein sie wieder zurüc k- 
gehen; wenn ich mich in dasselbe aufgelöst haben werde, 
dann werde ich es beständig sehen, hören und erkennen. 

35. (i2»>7.) Dieses [Kshetram | erkennt der Purusha, darum 
wird er Kshetrajna genannt; und auch die Entwicklung der 
Guna's, wie sie vor sich geht, schaut der Kshetrajna voll- 
ständig. 

31». U20*.) Anfang, Mitte, Niedergang und Ende erfährt 
das I ngeistige, indem es geschaffen wird; die Guna's können 
den Atman nicht erkennen, obgleich sie immer wieder und 
wieder geschaffen werden. 



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970 



IV. Anngltik. 



40. (1209.) Keiner findet die Wahrheit, sondern der Kshe- 
trajfia ist es, der sie findet, sie, die Grofse, Allerhöchste, 
welche über Guna's und Gunaprodukte erhaben ist. 

41. (i2io.) Darum soll der des Rechten Kundige die Guna's 
und sogar das Sattvam hinter sich lassen und frei von Sünde 
und über die Guna's erhaben in den Kshetrajfia eingehen. 

42. flau.) Frei von den Gegensätzen, vom Verehren und 
vom Svähä-rufen, wird er zum unerschütterlichen, heimat- 
losen Kshetrajfia, welcher der höchste Herr ist. 

8o Uutet in der AnutfltA der »chtuiid/.«ranzig«tc Adby&ya. 



Adhyftya 44 (B. 44). 

Vers 1212-1233 (B. 1-22). 

Der Gott Brahman sprach: 

1. (1212.) Was Anfang, Mitte und Ende hat und ein Mittel 
besitzt, durch das es perzipiert wird, und was auch mit dem 
Merkmal eines Namens verbunden ist, das alles will ich der 
Wahrheit gemäfs erklären. 

2. (1213.) Der Tag ist der Anfang, und ihm folgt die 
Nacht. Die Monate haben die helle Monatshälfte als Anfang. 
Die Sternbilder beginnen mit dem Sternbilde Qravanä (Aquila), 
die Jahreszeiten mit dem (,'icira (der kalten Jahreszeit, Mitte 
Januar bis Mitte März]. 

3. (i2ii.) Die Erde ist der Ursprung (Anfang) der Ge- 
rüche, das Wasser der Geschmäcke, das Licht, die Sonne, 
der Gestalten, der Wind der Gefühle, 

4. (121-..) und der Äther ist der Ursprung des Tones. Das 
ist die Qualität, wie sie von jedem Element hervorgebracht 
wird. — Weiter will ich den letzten Ursprung der Wesen 
erklären. 

5. (i2i«5.) Die Sonne ist der Ursprung der Lichter, das 
Feuer (die Wärme) der Ursprung der Wesen, die Sävitri [die 
Sonnenstrophe, Rigveda 3,62,10] aller Wissenschaften, Prajä- 
pati aller Götter. 

6. (1217.) Der heilige Laut Om ist der Ursprung aller 



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AdhyAya 44 (B. 44). 



971 



Veden, der Aushauch aller Worte; alles was in dieser Welt 
vedisches tiebot ist, wird unter dem Worte Savitri befafst. 

7. n »i«) Die Gayatri ist der Anfang der Versmafse, die 
Schöpfung der Anfang der Geschöpfe; die Kühe sind der An- 
fang der Vierfüfsler, die lirahmanen der Mensehen. 

s. (lsiii.i Der Adler ist der erste unter den Vögeln, das 
Opfer die höchste unter den Verehrungen, das edelste unter 
allen kriechenden Tieren ist die Sehlange, o Beste der 
Hrahmanen. 

!>. n*3o.) Das erste aller Weltalter ist ohne Zweifel das 
Kritam, unter allen Kleinodien steht das Gold, unter allen 
Pflanzen die Gerste am höchsten. 

10. l'nter allein Ffsbaren und Geniefsbaren gilt als 
Höchstes die [Reis-] Speise, und unter allem Flüssigen und 
Trinkbaren das Heste ist das Wasser. 

11. tiT-i \ ) Aber unter allen pflanzlichen W esen ohne Aus- 
nahme steht obenan der Plnksha (Feigenbaum! als ewig ge- 
heiligter Wohnsitz des Hrahman. 

\'J. a.»M> Ich überrage alle Prajapati's (Schöpfer) ohne 
Zweifel, mich aber Vishnu: als der l'nansdenkbarc. Durch- 
stehselbstseiende wird er gefriert. 

Y.\. d."ii ) Von allen Hergen gilt der grolle Meru als Frst- 
geborener, über Himmelsgegenden und Zwi«hongcgendcn er- 
haben steht als eiste die östliche HimmeNgegend da. 

14. iiäi Ebenso gilt die auf drei W iegen [Himmel. Frde 
und Intcrwclt] llicf>endc Ganga als die Erstgeborene unter 
deu Flüssen, aber unter allen tiewii<-ern und \\ as>»'rbehii!tern 
als Erstgeborener gilt der O/ran. 

l.\ (i?j.t.i l'nter Göttern. Dämonen, tiei-t-rn, Kobolden, 
Schlangen, l'nholden, Menschen. Halhmen»chen and Halb- 
göttern ist tevara |</iva| der Höchste. 

l»*i. t\j-:i ) Aber der l'rsprung der ganzen W «-1t i-t Whnu, 
der aus P.ralnmm bestehende Grotte; höher als er i*t kein 
Wesen in dieser ganzen dreifach» n Welt. 

17. i\Tix) l'nter allen l.eben-stndien steht ohne Zweifel 
der Stand de-* Hausvaters obenan; der 1 rsprung der Wehm 
und ebenso das Fnde von allem im »las Avyaktam il'rakntil. 

15. (i i Das Fnde der Tage ist der Sonnenuntergang, das 



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972 



IV. Anugitä. 



Ende der Nacht der Sonnenaufgang; das Ende der Lust ist immer 
Leid, das Ende des Leides ist immer Lust (vgl. oben, S. 1 13). 

19. (1230.) Alle Anhäufungen endigen mit Vernichtung, 
alle Erhebungen mit Herabstürzen; Verbindung endet mit 
Trennung, das Leben mit dem Tode. 

20. (1231.) Alles Entstandene endet mit Vergang, allem 
Geborenen ist der Tod gewifs; nicht dauernd ist in dieser 
Welt stets das Unbewegliche und das Bewegliche. 

21. (1232.) Opfer, Schenken, Askese, Vedastudium , Ge- 
lübde und Observanzen, alles dieses geht zu Ende, aber ein 
Ende der Erkenntnis gibt es nicht. 

22. (1233.) Darum soll man durch reines Erkennen sein 
Selbst beruhigen, seine Sinne bezähmen; dann wird man ohne 
Selbstsucht, ohne Ichbewufstsein und erlöst von allem ( bei 
werden. 

So Jautet iu der Anugltä der neunundswanzigtte Adby&ya. 

Adhyftva 45 (B. 45). 

Vers 1234-1258 (B. 1-25). 

Der Gott BrahmÄn sprach: 

1. (1234.) Die Buddhi ist sein Kernstück, das Manas ist 
sein Speichenwerk, die Schar der Sinnesorgane ist sein Rad- 
kranz, die grofsen Elemente sind seine Felgen [die Schulter- 
stücke des Radkranzes], die Gründung des Haushaltes ist 
sein Reifen; 

2. (1235.) mit Alter und Kummer ist es behaftet, in Krank- 
heit und Leidenschaft sein Dasein fristend, in Raum und Zeit 
hinrollend, von Ermüdung und Anstrengung knarrend: 

3. (1236.) Tag und Nacht umstäuben es, Kälte und Hitze 
umkreisen es, die Zustände von Lust und Leid umschlingen 
es, Hunger und Durst umnageln es; 

4. (1237.) durch Schatten und Glut zerkratzt, im Schliefsen 
und Öffnen der Augen erzitternd, von dem furchtbaren Wasser 
der Verblendung bespritzt, rollt es dahin ohne Bewufstsein. 

5. (1238.) Monate und Halbmonate zählen seine Um- 
drehungen, so rollt es holpernd durch die Welt, aufgehalten 



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Adhyaya 4o iB. 4. r >). 



durch den Schlamm des Tamas, fortget riehen durch den 
Drang des Rajas; 

6. (1239.) vom grofsen Ahankära in Glut versetzt, von den 
üuna's in Drehung erhalten, erleidet es den Widerstand 
hemmender Unlust und rollt hin in krampfendem Schmerze; 

7. (1240.) an Tätigkeit und Ursache gekettet, von Leiden- 
schaften aufgehalten, lang hinrollend, von Begierde und Hab- 
sucht geschüttelt, in mannigfachem Nichtwissen sein Dasein 
fristend, 

8. (12U.) von Furcht und Verblendung umhüllt, bewirkt 
es Verwirrung der Wesen, bewegt sich durch Lüste und 
Freuden, verstrickt sich in Begierde und Zorn; 

9. (1242.) das ist das vom Mahan bis zu den Vicesha s 
(spezifische Qualitäten) sich erstreckende, unaufhaltsame, 
ewig neu entstehende, wie die Wünsche schnell und von den 
Wünschen gehätschelt dahinrollende Rad der Zeit. 

10. (124:;.) Dieses an die Gegensätze gebundene und des 
Geistigen ermangelnde Rad der Zeit soll man abtun, soll 
man vernichten und die unsterbliche Welt in sich zum Er- 
wachen bringen (vgl. oben. Vers 1101). 

1 1. (1244.) Wer sich die Bewegung und den Stillstand 
des Rades der Zeit der Wahrheit gemäfs immerfort zum Be- 
wufstsein bringt, der Mann bleibt unter den Wesen ohne 
Verblendung. 

12. (1245.) Befreit von allen Kinprägungen (smnskaru), er- 
löst von allen Gegensätzen, befreit von allen Übeln, erlangt 
er das höchste Ziel. 

13. (1246.) Der Hausvater, der Brahmanschüler, der Wald- 
einsiedler und der Bettler [d. h. der Sannyäsin], das sind die 
vier Lebensstadien; sie alle haben ihre Wurzel im Stadium 
des Hausvaters. 

14. (1247.) Alle heiligen Lehren, welche in dieser Welt 
anbefohlen werden, diese zu Ende durchzurühren ist das Beste, 
ihre Anbefehlung ist eine ewige. 

15. (i24s.) Durch Weihen zuerst zubereitet und das Ge- 
lübde gehörig befolgend, möge der Wahrheitswisser in einem 
durch Tugend ausgezeichneten Lebenslaufe verharren. 



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974 



IV. Aaugttä. 



16. (124» ) Mit der eigenen Gattin sich immer begnügend, 
den Wandel der Guten führend und seine Sinne bezähmend, 
soll er hienieden die fünf grofsen Opfer [für die Götter. Rislns, 
Manen, Menschen und Tiere] im Glauben darbringen, 

17. (12"j0.) essend, was Götter und Gäste übriglassen, an 
den Vedawerken sich erfreuend und Opfer und Spenden übend 
nach Kraft und mit Lust. 

18. (iäöi.) Nicht hastig mit Händen und Füfsen, nicht 
hastig mit den Augen ist der Muni, noch auch hastig mit 
Rede und Gliedern, so ist der Kreis, in dem sich der Gute 
bewegt. 

19. (1252.) Immer trage er die heilige Opferschnur und 
ein weifses Kleid mit reinem Gelübde, beständig in Bezähmung 
und Geben, weile er immer in Gesellschaft der Guten. 

20. (1253.) Geschlechtsglied und Bauch im Zaume haltend, 
freundlich und den Wandel der Guten befolgend, trage er 
den Bambusstab und den Wasserkrug. 

21. (1254.) Studieren und Lehren betreibe er, sowie das 
Opfern für sich und andere, das Geben und das Nehmen, 
diese sechsfache Tätigkeit soll er üben. 

22. (1255.) Drei Tätigkeiten, das soll man wissen, dienen 
zu der Brahmanen Lebensunterhalt: das Opfern für andere 
und das Lehren, diese beiden und das Annehmen der Gaben 
von einem, der rein ist. 

23. (1256.) Forner was die übrigen drei Werke betrifft, 
nämlich Geben, Studieren und Opfern, so liegen ihm diese 
als Pflicht ob. 

24. (1257.) In diesen drei Werken soll der Pflichtkundige 
behutsam sich üben; bezähmt, freundlich, geduldig und bei 
allen Wesen gleichmütig soll der Muni sein. 

25. (1258.) Wenn der Brahmane alles dieses nach Kräften 
und in reiner Absicht ausübt, dann wird er als ein diesem 
hingegebener und sein Gelübde scharf ausübender Hausvater 
den Himmel erwerben. 

So lautet in der Anugita der drelfsfgate Adhyaya. 



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Adliyäyu !»"> <B. 4ß). 



AdliyAya 4« (B. H>). 

Vers 12f>t>-I31»i iH. 1 -.'»*). 

Der Gott Hrahmäu sprach: 

1. fr-»:»;*.) Wenn er so auf «lern vorher beschriebenen Wege 
der Vorschrift gemäfs nach Kräften studiert und ebenso die 
Keuschheit beobachtet hat, 

2. (i26o.) an seiner Pflicht sich erfreuend, weise, alle Sinne 
bezähmend, schweigsam, hingegeben dem, was dem Lehrer 
lieb und nützlich ist, Wahrheit und Recht als das Höchste 
schätzend und rein, 

3. (12 i.) möge er mit Erlaubnis des Lehrers die Nahrung 
zu sich nehmen, ohne sie zu tadeln, von Opfergaben und Er- 
betteltem sich nährend, stehend, sitzend und wandelnd [wie 
es der Lehrer befiehlt], 

4. (126:;.) zweimal am Tage im Feuer opfernd, sich rein 
haltend und gesammelt. Er möge allezeit den Stab aus Bilva- 
holz oder Paläcaholz tragen. 

i). (12<;:5.) Aus Leinwand, Baumwolle oder aus einem Anti- 
lopenfelle gefertigt, ganz gelblich oder rot oder wie es sonst 
der Zwiegcborene trägt, sei das Gewand. 

t). (I2<;i ) Sein Gürtel sei aus Munjagras, er trage die 
Haarflechte und habe immer Wasser zur Hand; mit der Opfer- 
schnur sei er umgürtet, dem Studium ergeben, nicht begehr- 
lich, treu in seinem Gelübde. 

7. djr.r, > Allezeit mit reinem Wasser Erfreuung der Gott- 
heiten bewirkend und in seinem Charakter beständig, so ist 
der Brahmacärin des Lobes würdig. 

X. 02<r, j In derselben Weise hingegeben, erobert die 
Himmelswelten der seine Sinne überwunden habende Wald- 
einsiedler (r<\u<ipnistha)\ er wandert nicht mehr um in Wieder- 
geburten, nachdem er die höchste Stätte errungen hat. 

!*. U2<;7.) Geheiligt durch alle Sakramente und ebenso [wie 
der Brahmanschüler] Keuschheit beobachtend, möge er das 
Dorf verlassen und im Walde als Einsiedler heimatlos wohnen. 

10. (i2»,8.) Sich kleidend in Tierfelle oder Gewänder aus 
Baumbast, möge er abends und morgens die Waschungen 



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976 



IV. Auugitu. 



vollziehen, für immer im Walde seinen Aufenthalt nehmen 
und das Dorf nicht mehr betreten. 

11. (isey.) Die Gäste zur Essenszeit ehrend, gewähre er 
ihnen auch Unterkunft, während er selbst sich mit Früchten, 
abgefallenen Blättern, Wurzeln und Hirse behilft. 

12. (1270.) Er halte sich an das vorhandene Wasser, den 
Wind und alles, was im Walde vorkommt, und geniefse es 
eins nach dem andern, seiner Weihe entsprechend und ohne 
es müde zu werden. 

13. (i27i.) Mit Wurzeln, Früchten und Erbetteltem möge 
er den Gast ehren, der ihn besucht; was er zu essen hat. 
das Erbettelte, davon gebe er mit, allezeit unermüdlich. 

14. (1272.) Er esse allezeit erst nach den Göttern und den 
Gästen, indem er das Reden unterdrückt, wenig essend, doch 
ohne darein seinen Ehrgeiz zu setzen, auf die Götter ver- 
trauend. 

15. (1273.) Bezähmt, wohlwollend, geduldig, Haare und 
Bart wachsen lassend, opfernd und fleifsig im Studieren, 
Wahrheit und Gerechtigkeit vor allem schätzend, 

16. (1274.) rein am Leibe und allezeit wacker, beständig 
im Walde lebend, gesammelten Geistes, — diesem sich hin- 
gebend, wird der Waldeinsiedler seine Sinne überwinden und 
den Himmel erwerben. 

17. (1275.) Als Hausvater und als Brahmanschüler oder 
auch als Waldeinsiedler möge, wer die Erlösung zu erlangen 
wünscht, der vollkommensten Lebensweise sich befleifsigen. 

18. (1276.) Allen Wesen Furchtlosigkeit gewährend, möge 
er in Untätigkeit verharren, an allen Wesen sich freuend, 
wohlwollend, alle Sinne bezähmend und schweigsam. 

19. (1277.) Unerbetenes, Unbereitetes, wie es sich gerade 
trifft, erlangt er, Almosen sammelnd, indem er dies des Vor- 
mittags tut, bei Leuten, wo es nicht mehr raucht und die 
schon gegessen haben. 

20. (1278.) Erst nachdem die Teller aufgeräumt sind, soll 
der Erlösungskundige um Almosen bitten; er soll sich nicht 
freuen, wenn er es erhält, und nicht ungehalten sein, wenn 
er nichts erhält. [Der folgende Halbvers nur in B.] Er soll 



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Adhyäya W (H. 4»',). 



977 



nicht im Übermafs Almosen Ibrdern, da er nur sein Leben 
erhalten will. 

21. (i27u.) Um sein Leben zu erhalten, soll er mit ruhigem 
Gemüte betteln, indem er die Zeit abwartet. Er soll nicht 
mit anderen zusammen betteln und er soll nicht essen unter 
Ehrenbezeigungen. 

22. (1280.) Denn als Bettler soll er es vermeiden, Ehren- 
bezeigungen zu empfangen. Wenn die genossenen Speisen 
bitter oder herb oder scharf schmecken, 

23. (i28i.) so soll er den Geschmack nicht beachten, wenn 
er ifst, und ebensowenig den süfsen Geschmack. Nur soviel, 
um zu leben, soll er essen, nicht mehr als hinreicht, das 
Leben zu unterhalten. 

24. (1282.) Ohne andere Wesen zu beeinträchtigen, soll 
der Erlösungskundige nach seinem Lebensunterhalt streben. 
Auch soll er, wenn er bettelt, niemals andere [lies: anyad] 
Speise fordern [als die, welche man ihm gibt]. 

25. (1283.) Er soll sich nicht mit seiner Frömmigkeit 
brüsten, sondern ohne Leidenschaft in der Einsamkeit wan- 
dern; eine leere Behausung, einen Wald, die Wurzel eines 
Baumes oder einen Flufs 

2k\. (12X4.) soll er als Obdach aufsuchen oder auch eine 
Berghöhle. Im Sommer soll er nur eine Nacht durch Be- 
sucher eines Dorfes sein, aber während der Regenzeit mag 
er an demselben Orte verbleiben. 

27. (1285.) Sein Weg wird ihm durch die Sonne gezeigt. 
Die Erde soll er durchschweifen wie ein Insekt. Zur Schonung 
der Wesen soll er, auf die Erde blickend, wandern. 

28. (1286.) Er soll keine Vorräte ansammeln und keine 
Lieblingsorte haben ; sondern mit reinem Wasser soll er, der 
Erlösungskundige, allezeit die Pflicht ausüben. 

29. (1287.) Waschen soll sich der Mensch stets mit frisch- 
geschöpftem Wasser: Nichtschädigung, Keuschheit, Wahr- 
haftigkeit, Geradheit, 

:J0. (12H8.) Zornfreiheit, Nichtmurren, Bezähmung allezeit 
und Nichthinterbringen, diesen acht Gelübden soll er immer 
treu bleiben, seine Sinne bezähmend. 

31. da«».) Immer soll er ein nicht boshafte*, nicht tückisches, 

Dri MKW, M»UAbhArH*m. ( -J 



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978 



IV. Anugitft. 



nicht krumme Wege gehendes Betragen einhalten; als Nah- 
rung soll er sich den dargebotenen Imbifs schmecken lassen 
ohne Neid. 

32. (im.) Nur um sich zu erhalten, soll er essen, und 
nur soviel, wie zu seinem Lebensunterhalte dient; so möge 
er sich nähren von dem rechtmäfsig Empfangenen und nicht 
seinen Lüsten nachhängen. 

33. (1291.) Was über Ernährung und Bedeckung hinaus- 
reicht, das soll er unter keinen Umständen annehmen ; soviel, 
als er zur Nahrung bedarf, mag er annehmen, und nicht mehr. 

34. (1292.) Für andere soll er nichts annehmen, noch auch 
ihnen etwas mitgeben, nur dafs er als verständiger Mann 
immer abgibt, wo er ein Wesen im Elend sieht. 

35. (1293.) Er soll nicht nehmen, was anderen gehört, noch 
auch zugreifen, ohne aufgefordert zu sein; in keinem Falle 
darf er, wenn er etwas genossen hat, wiederum danach Ver- 
langen tragen. 

3t>. (1294.) Erde und Wasser (äpas als Acc), Nahrungs- 
mittel, Blätter, Blumen und Früchte mag er nehmen, soweit 
sie nicht eingezäunt sind und frei wachsen, wenn er sie 
braucht. 

37. (1296.) Er soll nicht von einem Kunstgewerbe leben, 
noch auch nach Gold trachten; er soll nicht hassen und seine 
Belehrung nicht aufdrängen, sondern ohne Zuriistung leben. 

38. (1296.) Er soll essen, was kraft seines Glaubens ge- 
reinigt ist, soll Zeichendeutungen meiden, wohlgemut leben, 
ohne an etwas zu hängen und ohne sich bemerkbar zu machen, 
bei wem es auch sei. 

39. (1297.) Alles, was mit Wünschen verbunden ist, und 
alles, was mit Schädigungen verbunden ist, sowie alle Ver- 
anstaltungen, die Menschen zu regieren, soll er nicht be- 
treiben, noch auch betreiben lassen. 

40. (1298.) Sich allen Verhältnissen enthebend, soll er 
leichtgeschürzt umherschweifen, gleichmütig gegenüber allen 
Wesen, den unbeweglichen wie den beweglichen. 

41. (1299.) Er soll keinen andern erzittern machen und 
auch vor keinem erzittern, allen Wesen Vertrauen einflöfsend, 
dann wird er ein höchster Kenner der Erlösung genannt. 



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Adhy&ya 4»l (B. 



979 



42. ii*iü.) Für die Zukunft soll er nicht sorgen, über das 
Vergangene nicht grübeln und das Gegenwärtige nicht achten, 
unbekümmert um die Zeit und ruhigen Gemüts. 

43. (i3oi.) Nicht mit Blicken, nicht mit Gedanken, nicht 
mit Worten soll er irgendwo verletzen, nicht offen und nicht 
heimlich soll er irgend etwas tun, was verletzen könnte. 

44. (1302.) Die Sinnesorgane von überallher in sich herein- 
ziehend, wie die Schildkröte ihre Glieder, die Sinne, das Manas 
und die Buddhi vernichtet habend, verharrt ohne Streben der 
aller Wesenheit Kundige. 

45. (I3(u) Frei von Gegensätzen, von Verehrungen und 
von Heilsrufen, selbstlos, ohne Ichbewufstsein , ohne Erwerb 
und Besitz, des Atman teilhaft, 

4t>. (I.H04.) ohne Wünsche, ohne Qualitäten, beruhigt, ohne 
Anhänglichkeit und ohne Abhängigkeit, an den Atman sich 
haltend und die Wesenheit erkennend, wird er erlöst, daran 
ist kein Zweifel. 

47. (i3o;..) Jenes, welches ohne Füfse, Hände und Rücken, 
ohne Kopf und ohne Bauch ist, Ihn, der frei von Qualitäten 
und Werken, absolut, fleckenlos und beständig ist, 

48. (130*;.) jenes, welches ohne Geruch, Geschmack und 
Gefühl, ohne Gestalt und Ton ist, jenes Nachfolge Verdienende, 
Nichtanhängende und Fleischlose, 

49. (1307.) das Sorgenfreie, Unvergängliche, Himmlische, 
überall Heimische, den in allen Wesen wohnenden Atman, — 
wer diesen sieht, der ist unsterblich. 

50. (1308.) Zu ihm dringen nicht die Buddhi, nicht die 
Sinne, nicht die Gottheiten, nicht Veden, Opfer und Welten, 
nicht Askese, noch auch Gelübde, 

51. (i.w9.) zu ihm, dessen nicht durch Merkmale ergreif- 
bare Erlangung den Wissenden vorbehalten blieb; darum wird 
nur der, welcher seine merkmallose Beschaffenheit kennt, das 
AVesen seiner Beschaffenheit erreichen. 

52. (1310.) Hingegeben der häuslichen Pflicht, soll der 
Weise einen Wandel des Wissens beobachten; nicht töricht 
wandle er dahin, als wäre er töricht, doch ohne seiner Pflicht 
Unehre zu machen. 

53. (Uli.) Selbst auf die Gefahr hin, dafs die anderen 

«2* 



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9H<> 



IV. AnugltA. 



ihn beständig verachten, wandle er in dieser Weise ruhig 
dahin, doch ohne die Satzung der Guten zu tadeln. 

54. (1312.) Wer diesen Wandel sich angeeignet hat, der 
wird ein vollkommener Muni genannt, wenn er dabei Sinne 
und Sinnendinge sowie die fünf grofsen Elemente 

55. (1313.) nebst Manas, Buddhi [lies: buddkim], Ahankära, 
Avyaktam und Purusha, dieses alles, wie es sich gehört, durch- 
zählt, weil ihm die Prinzipien zur Gewifsheit geworden sind. 

56. (13H.) Alsdann erlangt er den Himmel, erlöst von allen 
Banden. Indem er, der Prinzipienkundige, dieselben in dem 
genannten Umfange durchzählt, möge er sie, wenn das 
Ende naht, 

57. (1315.) meditieren, feststehend tn dem einen Ziele; 
dann wird er erlöst, keiner Stützen mehr bedürftig, frei von 
allem, was ihm anhing, wie der Wind in dem Welträume, 

5*. (1316.) und frei von Hüllen (fcofa, cf. Taitt. Up. 2) und 
ohne Bedrängnis, erlangt er sodann jenes Höchste. 

So lautet in der AnugltA der einunddreifaigete AdhyAy*. 

Adhyftya 47 (B. 47). 

Vers 1317-1333 (B. 1-17). 

Der Gott Brahman sprach: 

1. (1317.) Als Askese haben bezeichnet die Entsagung die 
Alten, deren Aussagen Gewifsheit sind; und die Brahmanen, 
die im Schofse des Brahman weilen, wissen, dafs die Er- 
kenntnis als höchstes Ziel das Brahman hat. 

2. (1318.) Überaus entfernt nach seinem Wesen ist das 
Brahman ; es beruht auf dem Wissen des Veda ; ohne Gegen- 
sätze ist es und ohne Eigenschaften, ewig, von unausdenk- 
barer Natur und das Allerhöchste. 

3. (1319.) Durch die Erkenntnis und durch die Askese 
schauen die Weisen jenes Höchste, sie, welche gereinigten 
Geistes und geläutert, frei von Leidenschaften und flecken- 
los sind. 

4. (i32o.) Durch die Askese gehen den ruhigen Weg zum 



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1 



Adhy&ya 47 (B. 47). 981 

höchsten Herrn die Menschen, welche allezeit sich an der 
Entsagung freuen, und die, welche des Brahman kundig sind. 

5. (i32i.) Die Askese ist eine Leuchte, so sagt man« ist 
der rechte Wandel, der die Pflicht erfüllt, aber die Erkenntnis 
fiirwahr ist die höchste Entsagung und der Gipfel der Askese, 
das soll man wissen. 

»>. (132S.) Wer aber die keiner Stütze bedürfende Erkenntnis 
vermöge der Gewifsheit über die Prinzipien besitzt, wer den 
in allen Wesen weilenden Atman kennt, der gilt für allgegen- 
wärtig. 

7. (13-is.) Wer als ein Wissender das Einwohnen in den 
Wesen und das Getrenntwohnen [ des Brahman J von ihnen 
sieht, und ebenso seine Einheit und seine Vielfältigkeit, der 
wird von Leiden erlöst. 

H. (13*4.) Wer nichts mehr begehrt und nichts mehr ver- 
achtet, der ist schon während er in dieser Welt weilt zur 
Brahmanwerdung tauglich. 

i>. (13».) Wer die Prakriti, die Gunas und die Prinzipien 
kennt, wer die Prakriti in allen Wesen weifs. der ist selbst- 
los, ohne Ichbewufstsein und wird erlöst, daran ist kein Zweifel. 

10. (ia*;.) Ohne Gegensätze, ohne Verehrung und ohne 
Svadharuf geht er ruhevoll zu dem Gunalosen, Ewigen, Gegen- 
satzlosen ein. 

11. (i3>.'7.) Aufgebend alles, was aus den Guna's besteht, 
und das gute wie das böse Werk aufgebend . beides , das 
Wahre und das Unwahre, wird der Mensch erlöst, daran ist 
kein Zweifel. 

12. (isisj Entspringend aus der Prakriti als Wurzel, die 
Buddhi als Stamm habend, grofs, den grofseii Ahanküra als 
Ast habend, die Sinnesorgane als Zweige und Höhlungen 
haltend, 

U\. < 13-ii» i übertrifft er, durch die grofseii Elemente mächtig 
entfaltet, alle Bäume, stets voll Blätter, stets voll Blüten, gute 
und schlechte Früchte hervorbringend 

14. (1330 > und allen Wesen den Lebensunterhalt gewäh- 
rend, — das ist der ewige Brahmanbaum. Der Weise haut 
diesen Baum ab und spaltet ihn mit der Erkenntnis der Prin- 
zipien als Axt; 



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IV. Anugita. 



15. (1331.) er löst sich von den Stricken der Weltanhäng- 
lichkeit, welche aus Geburt, Tod und Alter stammen, und 
selbstlos und ohne Ichbewufstsein wird er erlöst, daran ist 
kein Zweifel. 

16. (1332.) Jene beiden ewigen Vögel [vielleicht Buddhi 
und Ahankära] sind alle beide miteinander ungeistig; aber 
der andere, welcher höher als diese beiden ist, der wird ge- 
nannt der Geistige. 

17. (1333.) Der [wegen seiner Behaftung mit den Guna's] 
ungeistige innere Atman [cf. Maitr. Up. 3,2; Sechzig Upa- 
nishad's, S. 323], nachdem er von der ganzen Anzahl 
der Wesenheiten befreit ist, wird das über die Wesen- 
heiten Erhabene inne. Er, der als Ortskenner jene ganze 
Anzahl erkannte, überschreitet dann die Guna's und wird 
von allem Übel erlöst. 

So lautet In der AnugttA der «weiunddreirsigste Adhyaya. 

Adhyftya 48 (B. 48). 

Vers 1334-1347 (B. 1-13). 

Der Gott Brabman sprach : 

1. (1334.) Einige glauben, dafs der aus Brahman bestehende 
Baum, einige, dafs der grofse Brahmanwald, einige, dafs das 
Brahman und das Unentfaltete, einige, dafs das höchste Leid- 
lose, (1335.) dafs alles dies aus dem Unentfalteten entstehe und 
wieder vergehe. 

2. Derjenige, welcher, und wäre es auch nur beim letzten 
Aushauche, zur Zeit des Endes gleichmütig auf alles blickt 
(1336.) und sich auf den Atman zurückzieht, der ist reif für 
die Unsterblichkeit. 

3. Wenn er, und wäre es nur für einen Augenblick, seinen 
Atman in dem Atman befafst, (1387.) so geht er durch die Gnade 
des Atman zu dem ewigen Endziele der Wissenden ein; 

4. indem er dabei durch die Regelungen des Atmens die 
Lebenshauche wieder und wieder bändigt, (1338.) sei es durch 
zehn oder zwölf solcher Regelungen, — geht er ein in das, 
was höher als das Vierundzwanzigste ist. 



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Adhy&ya 4* (Ii. 4M). 



5. Wer auf diese Weise vorher seinen Atman zur Ruhe 
gebracht hat. der erreicht alles, was er wünscht; man.) sein 
Sattvam, das [übrige) l'nentfaltete überragend, ist geeignet, 
ihm die Unsterblichkeit zu schaffen. 

tf. Es gibt nichts anderes, was höher wäre als das Satt- 
vam, als solches rühmen es hienieden die, welche es kennen ; 
(i:uo > durch Folgerung erkennen wir den Purusha, der sich 
auf das Sattvam stützt. 

7. Nicht kann man auf andere Weise zum Purusha ge- 
langen, o ihr Besten der Zwiegeborenen. (1:111.) Geduld, Festig- 
keit und NichtSchädigung, Gleichmütigkeit, Wahrhaftigkeit, 
Geradheit, Erkenntnis, Freigebigkeit und Entsagung, diese 
gelten als die Funktionen des Sattvam. 

8. (1342.) Durch eben jene Folgerung erkennen die Weisen, 
dafs es ein Sattvam und einen Purusha [als verschieden] 
gibt, daran ist kein Zweifel. 

'J. (1343.) Einige Gelehrte, die in der Erkenntnis wohl- 
bewandert sind, behaupten die Einheit des Kshetrajna [Purusha] 
und des Sattvam; aber das geht nicht an: 

10. (1344.) denn das Sattvam ist von jenem verschieden, 
daran ist nicht zu zweifeln, und man mufs ihre gesonderte 
Existenz anerkennen, sowie auch, dafs dieselbe in Wahrheit 
durch Verwandtschaft verbunden ist. 

11. (1345.) In dieser Weise ist ihre Einheit und Verschieden- 
heit nach der Lehrmeinung der Kenner anzunehmen, wie man 
ja auch zwischen der Fliege und dem Blatte des Feigenbaumes 
eine Einheit und zugleich eine Verschiedenheit wahrnimmt. 

12. (134«) Es ist, wie der Fisch von dem Wasser ver- 
schieden ist und doch eine Verbindung zwischen beiden be- 
steht, oder wie die Verbindung der Wassertropfen auf dem 
Blatte der Lotosblume mit diesem. 

Der Lehrer sprach: 

13. ( i:*47.) Nachdem jene Brahmanen sich in dieser Weist? 
mit dem t rvater der Welt besprochen hatten, gerieten die 
Besten der Muni s abermals in einen Zweifel und fragten 
wie folgt. 

Sm Um.-! i» <[>-r Ai.'Hfitä «1«t «lrriumlilrcihnf-t«* A<lt>>.ya 



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984 



IV. AnugitÄ. 



AclhyAya 49 (B. 49). 

Vera 1348-1365 (B. 1-17). 

Die Kishi's sprachen: 

1. (1348.) Welche von den Pflichten gilt hier wohl für 
die am meisten zu befolgende? Im Widerspruch gleichsam 
sehen wir den mannigfachen Weg der Pflicht. 

2. (ms.) Einige behaupten, sie bestehe über den Leib 
hinaus, andere sagen, dafs dem nicht so sei; einige halten 
die ganze Pflicht für zweifelhaft, andere für unzweifelhaft. 

3. (1350.) Sie sei unvergänglich oder sie sei vergänglich, 
behaupten manche, sie sei nicht real oder sie sei real, meinen 
wieder andere. Sie sei einfach oder sie sei zweifach, be- 
haupten manche, und wieder einige, sie sei beides zugleich. 

4. (i35i.) Und auch von Brahmanen, welche das Brahman 
kennen und die Wahrheit schauen, meinen einige, sie sei ein- 
fach, andere, sie sei mehrfach, und wieder andere behaupten 
ihre Vielfachheit. 

5. (1352.) Einige behaupten, dafs beide, Raum und Zeit, 
real sind, andere leugnen es; einige tragen Haarflechten und 
Ziegenfelle, andere gehen kahlköpfig und unbekleidet. 

6. (1353.) Man brauche sich nicht zu baden, lehren die 
einen, man müsse sich baden, die anderen, und so behaupten 
auch Brahmanen (lies: eva), welche das Brahman kennen 
und die Wahrheit schauen. 

7. (1354.) Einige sind der Meinung, man müsse essen, 
andere freuen sich am Fasten; einige empfehlen die Werke, 
andere die Untätigkeit. 

8. (1355.) [Einige behaupten, dafs beide, Kaum und Zeit, 
real sind, andere leugnen es ; — diese Wiederholung aus Vers 5 
nur in C] Einige rühmen die Erlösung, andere die Genüsse 
von mancherlei Art; (i356.) einige trachten nach Reichtum, 
andere nach Besitzlosigkeit; einige sind für die Befassung 
mit Objekten der Verehrung (upäsyasädhanam) , andere ver- 
werfen dieses. 

9. (1357.) Einige halten fest an der Nichtschädigung, andere 
legen den gröfsten Wert auf die Tötung [von Tieren beim 



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AdhyUya 4i* (B. 49). 



Opfern]; einige halten auf religiöses Verdienst oder auf Ehre, 
andere behaupten, dafs es nichts damit sei. 

10. (1358.) Einige haben ihre Freude an der [metaphysi- 
schen] Realität, andere bleiben beim Bezweifeln derselben 
stehen; wieder andere lassen, die einen aus dem Leiden, die 
anderen aus der Lust, die Meditation entspringen. 

11. (1359.) Einige Brahmanen empfehlen das Opfern, andere 
das Almosengeben, wieder andere die Askese und noch andere 
das Studium. 

12. (i*;<>.) Einige behaupten, dafs die wahre Wissenschaft 
in der Entsagung bestehe, andere finden sie in der Natur 
und grübeln nach über die Elemente; einige loben alles und 
andere nicht alles. 

IM. (istsi.) Da in dieser Weise die Pflicht verschieden auf- 
gestellt und vielfach in abweichender Weise gelehrt wird, 
su kommen wir zu keiner G»«wifsheit und sind verwirrt, 
o Bester der Götter. 

14. (1363.) „Dies ist das Beste!" „Nein, dies ist das Beste!" 
mit solchen Behauptungen stehen sich die Leute gegenüber, 
und jeder sehätzt jedesmal dasjenige als Pflicht, woran er 
gerade sein Gefallen findet. 

lf>. M3«.3.) Darum ist unsere Erkenntnis unsicher und 
unser Denken nach vielen Richtungen getrieben, und wir 
wünschen dies erklärt zu haben, was das Beste ist, o du Guter. 

Iii. uia) Aber auch das Geheimnis, was noch dariil>er 
hinaus besteht, sollst du, o Herr, uns erklären, nämlich durch 
welche Ursache die Verbindung des Sattvam mit dem Kshe- 
trnjfla (der Seele) bedingt ist. 

17. (is«5.) Nachdem der Weltensehöpfer in dieser Weise 
von jenen Brahmanen angeredet worden war, teilte t«s ihnen 
der Pfliehthes»M»lte, Weise der Wahrheit gemüfs mit. 

!».. Iiult'l in d«r Aoutfi«'» » irtuii.(ilrrtf»m»tf A.Uiji»». 



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IV. Anuglti. 



Adliyftya 50 (B. 50). 

Vem 136«~1423 (B. 1-561. 

Der (iott Brahman sprach: 

1. (1366.) Wohlan, ich will euch verkündigen, o ihr Besten, 
wonach ihr mich fragt. Vernehmt denn, was von einem 
Lehrer zu seinem Schüler, der ihm genaht war, einstmals 
gesagt wurde. 

2. (1367.) Vernehmt es hier vollständig und haltet durch- 
aus daran fest. Nichtschädigung aller Wesen, das ist das 
grofse, das höchste Gebot. 

3. (i»6s.) Und dieses ist das unerschütterliche Ziel, das 
Höchste, was als Pflicht bezeichnet wird: die Erkenntnis ist 
das höchste Gut; so sagten die Alten, welche die Wahrheit 
schauten. 

4. <i3«».) Darum wird man durch reine Erkenntnis von 
allen Sünden erlöst. Aber alle, welche die Tötung [beim 
Opfer] hochschätzen und welche das Leben eines Nihilisten 
führen, (1370.) behaftet mit Begierde und Verblendung, die 
fahren zur Hölle. 

5. Die aber, welche unermüdlich die mit Wünschen ver- 
bundenen Opferwerke vollbringen, (i37i.) die freuen sich in 
dieser Welt, in der sie immer wieder geboren werden. 

6. Die aber, welche gläubig und weise die Werke so 
vollbringen, (1372.) dafs sie dabei eine wünschelose Hingebung 
üben, die sind verständig und sehen das Richtige. 

7. Weiter nun will ich euch verkündigen, wie zwischen 
dem Sattvam und dem Kshetrajfia (1373.) die Verbindung und 
die Trennung erfolgt, das vernehmt, o ihr Besten. 

8. Das Objekt- und das Subjektsein, das wird die Ver- 
bindung genannt; (1374.) das Subjekt ist immer nur der Purusha, 
und das Sattvam wird das Objekt genannt. 

9. So, wie es in der obigen Weise (Vers 1345 fg.) an der 
Mücke und dem Feigenblatte erläutert wurde, U375.) hat das 
Sattvam als Objekt des Genusses keine Erkenntnis und ist 
allezeit ohne Bewufstsein; wer aber so [mit Bewufstsein be- 
gabt] ist, der erkennt sowohl den, welcher geniefst, als auch 
den, welcher genossen wird. 



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Adhvava 50 <B. 'HM. 



<<s7 



10. (i:i7»i.) Das Sattvam ist allezeit mit den Gegensätzen 
behaftet, so sagen die Weisen; ohne Gegensätze, ohne Teile, 
ewig und seinem Wesen nach frei von Guna's ist der Kshe- 
trajna. 

11. (1377.) Dieser weilt überall in gleicher Weise, dem 
Erkennen nachgehend, und geniefst allezeit das Sattvam, wie 
ein Lotosblatt das Wasser. 

12. (1378. i Obgleich er, der Weise, mit allen Guna's ver- 
flochten ist, wird er doch von ihnen nicht befleckt, wie der 
bewegliche Wassertropfen, der auf einem Lotosblatte sich 
befindet. 

i:i. (kW.) So ist auch der Purusha nicht gebunden, daran 
ist kein Zweifel, und das Sattvam dient nur als substantielles 
Objekt für den Purusha, das ist gewifs. 

14. <i:wto Wie zwischen einem materiellen Objekt«* und 
dem, der es bearbeitet, so ist die Verbindung zwischen jenen 
beiden. Wie man eine Lampe nimmt und mit ihr im Dunkeln 
geht, (1381.» so gehen die, welche nach dem Höchsten trach- 
ten, mit dem Sattvam als Lampe. 

1T>. Solange das Ol fdraryam) und d««r Docht Ojh\m) be- 
stehen, solange leuchtet die Lampe; (138-.M vergehen aber Ol 
un«l Docht, so geht auch das Licht verloren. 

1*'>. In ähnlicher Weise ist der Guna Sattvam offenbar, 
und der Purusha ist nicht offenbar: (i3s;;.i das, o Brahmanen, 
sollt ihr wissen: wohlan, ich will euch noch mehr sagen. 

17. Auch durch tausend [Belehrungen] gelangt der Tor 
nicht zur Einsieht: r i:ih4.i auch durch den vierten Teil [einer 
Belehrung] gelangt der Verständig«' zu glücklichem Gedeihen. 

is. So mufs auch «Ii«' Vollbringung der Pflicht durch 
das recht«- Mittel erkannt werden, (unri.) und der W eis««, welcher 
dieses Mittel k*'nnt , erlangt unendliches Glück. 

Ii». Wie etwa «'in Mann, der eine Reise unternimmt ohne 
Wegzehrung, h:n;.) nur mit grofs»»r Beschwerde vorwärts- 
kommt, ja wohl gar unterwegs zugrunde g«'ht, 

2<>. so mufs man bei d«*n Handlung«'n überl«*gen, ob sie 
fruchtbringend sin«! oder nicht; (13*7.1 für eine.11 Mensehen 
aber ist die Einsicht in Gut««s un«l Böse* für s«'ine S«'«'l<« das 
allerheilsamste. 



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988 IV. AnugltA. 

21. Und wie einer einen weiten Weg, den er nicht vor- 
her kannte, (1388.) unbedachterweise zu Fufs unternimmt, so 
ist der, welcher der Einsicht in das wahre Wesen entbehrt. 

22. Aber wie einer, der ebendenselben Weg mit einem 
schnell dahinrollenden Wagen, (1389.) der von Pferden gezogen 
wird, durchläuft, so ist die Fahrt der Verständigen. 

23. Er will einen hohen Berg besteigen und beachtet 
nicht die Beschaffenheit des Bodens; (1390.) siehe, wie er, auf 
seinem Wagen hinauffahrend, sich abquält, der Unverständige; 

24. aber jener andere fährt auf dem Wagen nur soweit 
der Fahrweg reicht, (1391.) und wo die Wagenspuren auf- 
hören, da verläfst er, der Weise, den Wagen und geht zu Fufs. 

25. Und so wird der Weise, der die Ordnung der Prin- 
zipien und des Yoga kennt, (1392.) der sie völlig durchschaut 
und die Guna's versteht, von dem Hohen zu Höherm und 
immer Höherm sich aufschwingen. 

2t>. So wie einer sich in den furchtbaren Ozean stürzt, 
ohne Schiff (1393.) und nur mit Hilfe seiner Arme, und in 
seiner Verblendung unzweifelhaft dem Untergange zustrebt, 

27. und wie hingegen der Weise, der den Unterschied 
begreift, ein Schiff mit guten Rudern benutzt, (139*.) ohne Er- 
müdung auf dem Wasser hinfährt und schnell das Meer 
durchschifft, 

28. aber nach seiner Durchschiffung zum jenseitigen Ufer 
gelangt und dort das Schiff [seine empirische Daseinsform] 
frei von Ichheit aufgibt, (1395.) das ist in der vorher be- 
sprochenen Weise zu erklären wie bei dem Wagen und dem 
Fufsgänger. 

29. Wer aber aus Haftung [an dem Irdischen], etwa wie 
der Fischer an seinem Boote, in Verblendung gerät, (1396.) der 
wird vom Egoismus überwältigt und bleibt in ihm befangen. 

30. Es ist ja nicht möglich, ein Schiff zu besteigen und 
mit ihm auf dem festen Lande zu fahren, (1397.) und ebenso- 
wenig kann man einen Wagen besteigen und mit ihm auf 
dem Wasser vorwärtskommen. 

31. Ebenso werden mannigfache Werke vollbracht, welche 
sich bald auf diesen, bald auf jenen Gegenstand beziehen, 



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Adliyaya :><> (B. :>0). 



989 



(1308.) und wie das Werk in der Welt vollbracht worden ist, 
so kommt es ihnen [den Tätern] heim. 

32. Das, was als geruchlos, geschmacklos, gestaltlos, 
unfühlbar und unhörbar (i3i»9 .) die Weisen durch ihre Einsicht 
erkennen, das nennen sie Substanz [Pradhanam = Prakriti]. 

33. Hierbei ist das Unentfaltete [die Prakriti] die Sub- 
stanz, und eine Modifikation fyuna) des Unentfalteten ist der 
Mahan. (wno.) Ferner von dem Mahan als Substanz ist eine 
Modifikation der Ahankara. 

34. Aus dem Ahankara aber entspringt eine Modifikation, 
welche zu den grofsen Elementen wird: mm.) nämlich als 
Modifikationen der einzelnen Elemente gelten dann weiter die 
Sinnendinge. 

35. Hierbei dient das Unentfaltete als Same und ist seiner 
Natur nach erzeugend. (1402/1 Weiter dient der Mahan Alma 
als Same und ist auch erzeugt; so ist es uns überliefert. 

3t». Und wiederum dient der Ahankara als Same und 
auch er ist erzeugt, (uoa.) Aber auch die fünf grofsen Ele- 
mente dienen als Same und sind auch erzeugt. 

37. Als Same dienend sind sie [alle die vorgenannten: 
Prakriti, Mahan, Ahankara, Mahabhütani] und sind zugleich 
erzeugt. (uoo Die Unterschiede fricvslwh) der grofsen Ele- 
mente werden an ihnen als unterscheidende Merkmale (virrsha- 
rtatnj wahrgenommen. [Nämlich:] 

38. Hierbei hat der Äther eine Qualität (<junaj. der Wind 
zwei Qualitäten, (uos.) das Feuer drei Qualitäten, das Wasser 
vier Qualitäten. 

39. Fünf Qualitäten hat die Erde, welche von dem Be- 
weglichen und Unbeweglichen erfüllt ist, nmc.) die Göttin, 
welche alle Wesen schafft und [in ihren Lebensläufen] die 
guten und bösen Werke zur Offenbarung bringt. 

40. Ton, Gefühl, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch 
als fünfter, (1407.) diese soll man wissen als die fünf Quali- 
täten der Erde, o ihr Besten der Zwiegeborenen. 

41. Der Geruch gehört immer nur der Erde an; er ist 
aber von vielerlei Art; (uns.) ich will euch ausfuhrlich die 
vielen Qualitäten dieses Geruches mitteilen. 

42. Angenehmer und unangenehmer Geruch, süfser, saurer 



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990 



IV. AnugUä. 



und stechender , <hih».) durchdringender, stickiger, milder, 
scharfer und reiner, 

43. als solcher ist zehnfach anzunehmen der Geruch, 
welcher der Erde angehört, mio.) Ton, Gefühl, Sichtbarkeit 
und Geschmack (lies: rasa) sind die Qualitäten des Wassers; 

44. die Wissenschaft vom Geschmack aber will ich mit- 
teilen; der Geschmack aber ist von vielerlei Art, (un.) als 
süfser, saurer, stechender, bitterer, herber und salziger; 

45. in dieser Weise ist der dem Wasser angehörige Ge- 
schmack von sechsfacher Verbreitung, (uia.) Ton, Gefühl 
und Sichtbarkeit, diese drei Qualitäten hat das Feuer. 

40. Die Eigenschaft des Feuers ist die Sichtbarkeit, die 
Sichtbarkeit aber ist von vielerlei Art, (ui3.) als weifs, schwarz, 
rot, blau, gelb und rötlichgelb, 

47. als kurz, lang, dünn, dick, viereckig und rund. 
(1414.) In dieser Weise ist die dem Feuer angehörige Sicht- 
barkeit von zwölffacher Verbreitung. 

48. Dies soll man erkennen, wie es von den alten, pflicht- 
kundigen, wahrheitredenden Brahmanen gelehrt worden ist 
(H15.) Ton und Gefühl, durch diese beiden wird der Wind als 
zwei Qualitäten habend gelehrt. 

4 ( J. Die Eigenschaft des Windes ist das Gefühl, das Ge- 
fühl aber ist von vielerlei Art, (uis.) als rau, kalt und warm, 
zart und geschmeidig, 

50. als steif, schlüpfrig, glatt, schleimig, hart und weich. 
(H17.) In dieser Weise ist die dem Winde angehörige Qualität 
von zwölffacher Verbreitung [nur elf waren genannt] gelehrt 
worden 

51. der Regel gemäfs von vollkommenen, pflichtkundigen, 
wahrheitschauenden Brahmanen. 

52. (uis.) Der Äther hat nur eine Qualität, und als diese 
gilt die des Tones; die vielen Qualitäten des Tones will ich 
ausführlich mitteilen. 

53. (uis.) Sie sind Tonika, Sekunde, Terz, Quart, Quinte, 
ferner Sexte und Septime, (uso.) angenehmer Ton und un- 
angenehmer und ein solcher, der aus Teilen zusammengesetzt 
ist [ein Akkord]. 

54. In dieser Weise ist der aus dem Äther entspringende 



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Adhyaya f>0 (H. .*>()). 



Ton als zehnfach zu vorstehen, (1421.) Der Äther ist das oherste 
Element, üher ihm steht der Ahankara, 

;Y). über dem Ahankara die Huddhi, über der Huddhi 
der Atman, (1422.) über diesem das l nenttaltete, über dem 
l'nentfalteten der Purusha. 

iM). Wer dies«' Rangstufe der Wesen kennt und zugleich 
die Reihenfolge aller ihrer Funktionen, (uss.) der wird zum 
Selbste aller gewordenen Selbste und geht ein zu dem un- 
vergänglichen Selbste. 

So lnutot in <ler Auu^lti «1er fünf iitiddrcifsigAtc AiüijAy». 

YdhvAvii 51 ( Ii. 51). 

Vers 1424- 1477 <K. 1- .Vi). 

l>or (iott Urahmau sprach: 

1. (U2i.) So wie das Manas der Beherrscher jener fünf 
Elemente ist und wie beim Vergehen und Entstehen das 
Manas der Element-Ätman ist, 

2. (14J5.) so ist das Manas auch allezeit der Lenker der 
grofsen Elemente; die Huddhi proklamiert die Herrschaft, und 
der, der sie übt, wird der Kshetrajfia genannt. 

3. (ua«.) Das Manas schirrt die Sinnesorgane an, wie 
gute Pferde der Wagenlenker: die Sinnesorgane, das Manas 
und auch die Huddhi werden allezeit vereinigt unter der Herr- 
schaft des Kshetrajfia. 

4. (i4-.'7.) Auf diesen von grofsen Pferden gezogenen und 
von der Huddhi gelenkten Wagen steigt jener Elcment-Atman 
und fährt nach überall hin. 

:>. (14-jM.) Durch die Schar der Sinnesorgane gezogen, das 
Manas als Wagenlenker und die Huddhi als Zügel ha1n»nd, 
so besteht immerdar der grofse. brahmanartige Wagen. 

6. (142!>.) Wer in dieser Weise als Wissender allezeit den 
brahmanartigen Wagen kennt, der unter allen Wesen ist 
weise und verfällt nicht in Verblendung. 

7. (US«».) Vom l'nentfalteten an bis zu den Vicesha's sich 
erstreckend, alles Unbewegliche und Bewegliche befassend. 



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IV. Anugitä. 



einen Anblick gewährend gleich dem Glänze der Sonne und 
des Mondes, mit Planeten und Sternbildern geziert, 

8. (1431.) überall mit Flufsnetzen und Bergketten ausge- 
schmückt und allerwärts durch mancherlei Gewässer ver- 
schönert, 

9. (1432.) alle Wesen ernährend und alles, was Odem hat, 
erhaltend, — so ist der ewige Brahmanwald und in ihm wandelt 
der Kshetrajfta. 

10. (1433.) Alle Wesen, wie sie in dieser Welt sind, be- 
wegliche und unbewegliche, diese sind es, welche zuerst zu- 
grunde gehen, und nach ihnen die aus den Elementen stam- 
menden Eigenschaften, (1434.) und nach den Eigenschaften die 
fünf Elemente, so ist die Stufenfolge der Wesen. 

11. Götter, Menschen, Gandharva's, Picäca's, Dämonen 
und Rakshasa's, (143&.) sie alle sind durch ihre eigene Natur 
geschaffen, nicht durch Tätigkeiten oder die Verursachung 
[eines Schöpfers]. 

12. Auch jene weisen Weltschöpfer werden hienieden 
immer wieder und wieder geboren, (1436.) und die, welche von 
ihnen in jenen fünf grofsen Elementen erzeugt werden, die 
gehen mit der Zeit wieder zugrunde, wie die W r eilen in 
dem Ozean. 

13. (1437.) Aber von den selbst auch entstandenen Welt- 
schöpfern stammen die grofsen Geschöpfe allenthalben. Aber 
nur wer von allen fünf Elementen sich befreit hat, geht den 
höchsten Gang. 

14. (1438.) Der Herr, der Schöpfer, hat diese ganze Welt 
durch sein Manas erschaffen; aber auch durch das Tapas 
sind die W'eisen zu den Göttern hinaufgelangt. 

15. (1489.) Und durch die Stufenfolge des Tapas werden 
die, welche nur Früchte und Wurzeln essen, nachdem sie 
durch ihr Tapas zur Vollkommenheit gelangt sind, schon 
hienieden die Dreiwelt im Zustande der Meditation schauen. 

16. (1440.) Auch Heilkräuter, Arzneien und mancherlei 
Wissenschaften allerwärts werden durch das Tapas zustande 
gebracht, denn ein solches Mittel hat als Wurzel das Tapas. 

17. (1441.) Alles, was schwer zu erlangen, schwer zu lehren, 
schwer zu bezwingen, schwer zurechtzubringen ist, das alles 



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AdhyAya 51 (B. 51). 



993 



ist durch Tapas vollbringbar, denn das Tapas ist schwer zu 
überbieten. 

18. (U4*i.) Der Branntweintrinker, der Brahmanenmörder, 
der Dieb, der Töter der Leibesfrucht, der Beflecker des Bettes 
des Lehrers, sie alle werden durch wohlentzündetes Tapas 
von ihrer Sünde erlöst. 

19. (U43.) Menschen, Väter, Götter, Haustiere, Waldtiere 
und Vögel und was sonst noch an Wesen, beweglichen und 
unbeweglichen, vorhanden ist, 

20. (1444.) sie alle schätzen Tapas als Höchstes, sie alle 
erlangen durch Tapas stets die Vollendung, und auch die 
mit grofsen Wunderkräften ausgerüsteten Götter sind nur 
durch das Tapas zum Himmel gelangt. 

21. (H45.) Diejenigen, welche unermüdlich von Wünschen 
begleitete Opferwerke vollbringen und mit Ichbewufstsein be- 
haftet sind, gelangen nur bis zu Prajapati. 

22. (mc.) Die aber, welche durch eine reine Hingebung 
an die Meditation selbstlos und ohne Ichbewufstsein sind, 
diese Hochsinnigen erlangen die grofse, die höchste Welt. 

2tt. (1447.) Hingebung an die Meditation übend und alle- 
zeit beruhigten Geistes, gehen in das l'nentfaltete mit seiner 
Fülle von Freuden die vollkommenen Atmankenner ein. 

24. (1448.) l'nd von der Hingebung an die Meditation aus- 
gehend, gelangen sie, frei von Selbstsucht und Ichbewufst- 
sein. schon hienieden zu dem L'nentfalteten , der höchsten 
Welt der Grofsen. 

25. (i4t9.) l'nd aus dem l'nentfalteten wiederum geboren 
und zum Bewufstsein der Gleichheit (mit allen Wesen] ge- 
langend, wird Kr, von Tamas und Kajus befreit und nur dem 
reinen Sattvam hingegeben, 

2<>. (UM») erlöst von allem Bösen, die Welt samt und 
sonders abstreifend, — und das ist der kshetrajna. das soll 
man wissen; wer diesen weifs, der ist vedafest. 

27. (1451.) Von einer Erkenntnis zur andern vordringend, 
möge der Weise dasitzen voll Selbstbeherrschung, dann wird 
er sicherlich zu dem, was er erkennt, zu jenem geheimnis- 
vollen Ewigen. 

Dtr»RE*, M»li4bhir»t»m. C..'t 



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994 



IV. Anuglt*. 



28. (im.) Alles, von dem Unentfalteten an bis herab zu 
den Vicesha's, hat als Merkmal das Nichtwissen, als solches 
sollt ihr diese Welt wissen, und dafs ihr Charakter durch 
die Guna's bedingt ist. 

29. (hm.) Zwei Silben bedeuten den Tod, drei Silben 
das ewige Brahman, mama (mein) bedeutet den Tod, na mama 
(nicht mein) das Ewige. 

30. (H54.) Manche Menschen, die sich eines trägen Denkens 
erfreuen, preisen das Werk ; aber die hochherzigen Alten preisen 
das Werk nicht. 

31. (1456.) Durch das Werk entsteht der Mensch mit seinem 
Körper, mit seinen sechzehn Teilen [cf. Chänd. Up. 6,7,1 ; Qvet 
Up. 5,14; Mund. Up. 3,2,7; Pracna Up. 6 und unsere einleiten- 
den Bemerkungen dazu Sechzig Upanishad's, S. 571]; aber 
das Wissen schlürft den Purusha, das ist der Trank derer, 
welche Amritam geniefsen. 

32. (1456.) Darum kleben nicht mehr an den Werken alle 
die, welche das jenseitige Ufer schauen; aus Wissen bestehend 
ist jener Purusha, nicht aber aus Werken bestehend. 

33. (U57.) Wer dieses weifs, wer den unsterblichen, ewigen, 
unfafsbaren, immerwährenden, unvergänglichen, freien, unver- 
flochtenen Atman kennt, der ist nicht mehr sterblich. 

34. (U58.) Wer den uranfänglichen, unerschaffenen, ewigen, 
unzweifelnden Ätman erlangt, den unangreifbaren, Amritam 
essenden, (1459.) der wird unangreifbar und unsterblich und 
steht aus diesen Gründen fest 

35. Alle Lebenseindrücke überwältigend und sich selbst 
in sich selbst ergreifend, (ueo.) erkennt er jenes schöne Brah- 
man, über welches hinaus nichts mehr zu wissen bleibt. 

36. Und wenn sein Sattvam erst zur Ruhe kommt, er- 
langt auch er die volle Ruhe; (uei.) das Kennzeichen der Ruhe 
aber ist, dafs er [das Dasein] wie einen Traum betrachtet 

37. Dieses ist der Weg der Erlösten, die festgewurzelt 
im Wissen sind, (H62.) und alle Begebenheiten, wie sie da 
sind, sie sehen sie an als dem Veränderlichen angehörig. 

38. Dieses ist der Weg der Leidenschaftslosen, dieses 
ist die ewige Satzung, (1463.) dies ist, was die Erkennenden 
erlangen, dies ist das untadlige Verhalten. 



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Adhyaya 51 (B. 51). 



39. Wer gleichmütig gegen alle Wesen, wer ohne Be- 
gierde und ohne Wunsch ist, (1464.) wer überall ein und das- 
selbe sieht, der kann diesen Weg gehen. 

40. Dies alles ist euch von mir erklärt worden, o ihr 
Besten der Brahmanenweisen, (1465.) und dementsprechend un- 
gesäumt richtet euren Wandel ein, dann werdet ihr die Voll- 
kommenheit erlangen. 

Der Guru sprach: 

41. (1466.) Nachdem jene Muni's in dieser Weise von Gott 
Brahmän als Lehrer belehrt worden waren, handelten die 
Hochherzigen demgemäfs und erlangten infolgedessen die 
Himmelswelt. 

42. (1467.) Und auch du, o Glücklicher, mögest dich nach 
dieser von mir mitgeteilten Rede des Gottes Brahman voll- 
ständig richten, o du Geistigreiner, dann wirst du die Voll- 
endung erlangen. 

Väsudeva (Krishna) sprach: 

43. (1468.) Das ist die Rede, durch welche damals jener 
Schüler von seinem Lehrer belehrt wurde; er erfüllte voll- 
ständig die höchste Pflicht, o Sohn der Kunti, und erlangte 
darauf die Erlösung. 

44. (1469 ) Und nachdem sodann der Schüler das Ziel er- 
reicht hatte, so gelangte er, o Sprofs der Kurufamilie, zu 
jener Stätte, wo man kein Leid mehr empfindet. 

Arjuna sprach: 

45. (1470.) Wer war denn jener Brahmane, o Krishna, 
und wer war jener Schüler von ihm, o Menschenbedränger? 
Wenn es mir geziemt, dieses zu hören, so sage es mir an, 
o Herr. 

Vasudcva sprach: 

4tf. (1471.) Ich selbst [d. h. der Atman] war der Lehrer, 
o Grofsarmiger, und das Manas sollst du als jenen meinen 
Schüler wissen. Und aus Liebe zu dir habe ich dir jenes 
Geheimnis mitgeteilt, o Gutgewinner. 

63* 



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IV. Anugtta. 



47. (1472) Wenn deine Liebe allezeit mir zugewandt ist, 
o Sprofs der Kurufamilie, dann mögest du, nachdem du in 
betreff des Atman dieses vernommen hast, völlig danach leben, 
o Gelübdetreuer. 

48. (1478.) Dann wirst du, o Feindbedränger, nachdem du 
diesem Gesetze gemäfs vollständig gelebt hast, von allem 
Bösen befreit, die absolute Erlösung erlangen. 

49. (U74.) Schon vormals habe ich dir dieses mitgeteilt, 
als die Zeit des Kampfes bevorstand, darum, o Grofsarmiger, 
nimm es dir zu Herzen. 

50. (1475.) Aber es ist schon lange her, o Bester der 
Bharata's, dafs ich meinen Herrn Vater gesehen habe; ihn 
möchte ich mit deiner Erlaubnis besuchen, o du unter dem 
Phalgunigestirn Geborener. 

Vaicarapayana sprach : 

51. (H76.) Zu Krishna, als er dieses Wort gesprochen 
hatte, versetzte er, der Gutgewinner: Noch heute, o Krishna, 
gehen wir zusammen zu der nach den Elefanten benannten 
Stadt [Hastinäpuram]. 

52. (1477.) Dort wirst du mit dem gesetzestreuen Könige 
Yudhishthira zusammenkommen, und nachdem du dich von 
dem Könige verabschiedet hast, magst du nach deiner Vater- 
stadt wandern. 

So Uutet in der AougiU der lochiunddreifiigtt« AdbjAya 



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INDEX 



BEMERKENSWERTER NAMEN UND BEGRIFFE. 



(Di* Zahlen Terweiten auf die Selten de« Werke«.) 



A. 

Abhauen von Bäumen bei Mondwech- 
sel verboten 5<Hi. 

Abschreckungstheorie 44? fg. 

Abwartsströmende (avtikarotas) durch 
Tamas 9f)0. 

Abzeichen wertlos 677. 

äcara 177 fg. 

ä^rama'B | Lebensstadien), vier Uli fg. 

113 fg. m 4ü3 fg. 112 fg. 946; 

Lebensrichtuugen f>4^ fg. 
A^vattha 92 fg. 

A^vatthanian, Sohn Drona's 32. 
Adern 2ft9. 

adhyatman (das innere Selbst) 180 fg. 

Agastya, der ljisbi, von Nahusha ge- 
treten iMHL 

Agui, Feuer, Gott des Feuers. 

Ahalya von Indra vergewaltigt 803. 

ahankära (der Ichmacher), Ichbewufst- 
sein, Egoismus, psychisch und kos- 
misch AiL Uh fg. Ü1L HL 775 ; 
= Brahmäu 834 ; = Prajapati 959. 

ahiiisä (Nichtschadigung) 921 fg. 986 ; 
vgl. Opfer. 

Airävana (Airärata), Elefant Indra's 
29L iiüL 

Ajagara, unterredet sich mit Prahrada 

132 fg. 

Akkumulationstheorie 33L 9*9 ; vgl. 
Mischungstheorie. 



Aktivität und Passivität (pravritti und 
ntrriftO 21& 183 fg. IßÖ fg. Z9AL 
792. 839 . 8 tu. 848. 9*1. illii. 

Alarka als Bekämpfer des innern 
Feindes 932 fg. 

Allegorien 341 fg. 350_fg. 393, 4fiQfg. 
m 59L ÜU3 fg. ß9jL 229 fg. 23Ü. 
923 fg. Uli fg. 9f& 912 fg. 9ÜL 
992, 

Allgegenwart durch Atmanerkenntnis 

1LLL 98_L 
Almosen 9 fg. usw. 
Alte Jungfern 691. 
ämäraya 1 *>6. 

Amritam, L'nsterblichkeitstrauk (vgl. 

Ambrosia und Nektar der Griechen) 

7_i usw. usw. 
Angehörigkeit i>48. 
Anhänglichkeit au die Welt (safign) 

44, 46. 47, -1*. Wl f t 6 usw. 
Aniruddha (Sohn Pradyumna's, Enkel 

Krishna'st, vierter Vyuha (s. d.) des 

Yishnu, dem Aliankara entsprechend 

113. 786; Vater des Gottes Brah- 

män 77<; 
auvikahiki 662. 663. 
Apäna (nach unten geheudi 962; vgl. 

Prana's. 

Arunyaka'%, Anhange der Brahmana's 
des Veda, in der Hegel die l'pani- 
shad's einschliefsend 771. 



4 



998 



Index bemerkenswerter Namen und Begriffe. 



Arjuna, dritter Sohn des Pän<}u, Stamm - 
vater des Abhimanyu, Parlkshit, 
Janamejava 33 fg. usw. ; Arjuna und 
Krishna identifiziert mit Nara und 
Näräyana 128. 

Arjuna Kartavtrya 92Ü fg. 

Arundhati (Stern) 658. 

Ärzte, Polemik gegen sie 7:K 

dsanam 59. 

Asita Devala 7J. (das Komma ist zu 

tilgen) 221 fg. 478 fg. 
Askese (topos) 12 fg. 98. 26L 284 fg. 

570. 992 fg. 
Asuri (Lehrer des Pancacjkha) 271. 
Atemhemmung (prdndydma) 53. 
Atharvacjras-Upanishad 769. 
Atharvan Iii 

Ätroan (das Selbst, die Seele) 43. 4& 
979. 994 usw. ; sieben Ätman's 337. 
Augenbrauenpunkt 5JL 6L 212. 
Auslander, als Schmach des Landes 

223, 

Avatdra's (die Verkörperungen des 
Vishnu, ihre Zahl schwankt) 779. 
853. 

Aryaktam (das Unentfaltete, Unoffen- 
bare) = Prakriti (s. d.) 6JL 730. 957. 
962 usw. 

Ayurveda (vedische Heilkunde) 795. 
B. 

Badari (Einsiedelei des Nara und 
Näräyana) 148, 149, Z8& 8J& 82L 
balatn (Kraft) als sechstes Tatorgan 

4*0, 

Bali (Dämon) 13L 2UQfg. 302 fg. 777. 

Bäna, Sohn des Bali TJX 

BegattUDg, während der Periode ver- 
boten 507. 

Beispielsammlungen aus der Ge- 
schichte 344 fg- usw. 

Bergnamen 966. 

Bescholtene Gewerbe 566. 

Besitzlosigkeit gerühmt 123 fg. usw. 

Bestattung, rühmliche 581. 

Bhägavata's 283, 823, 826j vgl. Ekän- 
tin's, Päücarätra's und Sätvata's. 



Bhagavadgitä 842j vgl. Harigttä. 

Bharadväja IM fg. 809. 

Bharata, Stammvater der Kuru's; 
Bharata's, die Nachkommen des B.; 
Bhärata, ein Nachkomme des B. 

Bhdratanx varsham (Land der Bhara- 
ta's, Indien) 708. 

bhdvdh (Zustände) 64, 23* 

bhikshu 329. fg. 

Bhima (zweiter Sohn des Pän<}ui 33 fg. 
Bhlshma (Sohn des £äntanu von der 

Gangä) 33 fg- usw.; sein Sterben 

beim Nord gang der Sonne 6<>!». 
Bhrigu IM fg. 
bhüfa\ s. Elemente. 
Bhütdtman (Element -Ätman) 181. 2LL 

222. 224, 360, 36_L 399, ÖI9_, £12. 

909. 926. 991. 
Bodhya 130 fg. 
Böses, sein Ursprung 49. 
Brahmacdhn IS fg. 37« > fg. 97"). 
brahmacaryam ( Brahman w au del) IS, 

258. 92L 

Brahman neutr. (das weltschöpferische 
Prinzip) = Prakriti 89j brahman 
und kshatram 801 fg. ; vgl. Wort- 
brabman. 

Brahman masc. (das personifizierte 
brahman, im Mahäbh. Sohn des 
Vishnu) 775. 22fi ; seine sieben Ge- 
burten 83JL 842 fg. 

Brahmanen, ihre Macht £03 fg.; der 
wahre Brahmane & 

Brahmanenmord , s. Brahmavadfujä. 

Brahman's Tag und Nacht 68. 

brahmasutra 86. 

Brahmavadhyd (Brahmahatyd) 505 fg. 
505 fg. 806, 808. 

Brihaspati 521 ; sein Gesetzbuch 757. 

Buddhi (Erkenntnis) im System = 
Mahan, Mahdn Alma (selten Ma- 
hat sc. tattvam) 103, 38ü fg. 388 fg. ; 
kosmisch and psychisch 182 fg.; 
unterschieden vom Mahän 969; im 
Körper allgegenwärtig 5_Ü5; als Weis- 
heit des Närävana, weltschaffendes 
Prinzip 85_L 



uiyiuz 



ö 



Index bemerkenswerter Namen uud Begriffe. 



Buddhismus, heilige Wahrheiten 888; 
Buddhisten 213 fg. 

C. 

(,'acl (Gemahlin des Indra) BÜti fg. 
(aivya 33. 

Cäkhäs (Vedaschulen ) &LL 
(,'akra, Beiname Indra's. 
Cakradhara's 887. 

(,'ambhu (Civa) als Weltschöpfer 6_Ui; 

= Ätman tili. 
<>mpäka 122. 

Cändäla's (Unterart der C/udra's) Uli. 
{(trimm 3117 ; vgl. Leib. 
Qitaiiatha-Bri'thmiinam 601. tw;-2. SOt> 
Caunaka, seiu Opfer 783. 
( ckitana 33, 

cetatui \ Bewußtsein ) 277. R37. 
Chinesen (cina) 708. 
(icupäla 779. 
Cikhandas 5ü8_ Anm. 
Tikhandin 34. 

fikihd (Phonetik) 8_LA. H37. 
Cirakarin (der langsam Handelnde) 
431 fg. 

Citracikhandin's, aufgezählt 7f>5. 

Cifffim (Manas) 229. 312. 3Ö3. 693. 
870; vom Mann« unterschieden 4 SQ. 

(TVrrt (vgl. Hudru und (Jtimbhu), Ge- 
mahl der rWi (Pfircati), neben 
Vishnu und Brabmän die dritte 
«berste Gottheit 553 fg. Iß3 fg. ; mit 
Vishnu identisch 817; — Kala H18: 
seine Blauhalsigkeit 803. 8 1 5. 

$raddhä 434 fg. 

fravanaphalam 106 usw. 

£r! (Glücksgöttin» 2£lö fg. 31fi fg. 

Crivatw iML 8Ji 

(,'ruti, die heilige l'berlieferung des 
Veda, in Anpassung an okziden- 
tale Anschauungen durch ..Schrift" 
übersetzt 

(,'üdra 3, 525 usw. ; milde zu behan- 
deln 563 fg.; als Lehrer 668; Er- 
lösung auch für ihn 904. 

£uka(SohnVyasa's) 12G. 833 fg. 692 fg. 
IÜ2 fg. 



1 (,'ukra d'lauet Veuus, Samei *> 5"». ftii-J. 
, Tunah^epa 562. 

■ C^etadvipa 135 fg. ZÜÜ fg. im fg. IM, 
8JL 82üfg. 

i i>. 

1 

Dadhica, seine Knochen 805. 
Dadhlci 51Ü fg. 8JJL 
Daksha (ein Prajapati i 234. 51Q fg. 
515 fg. 803. öüä fg. 815. M5 ; - Ka 

938. 

Dämonische Menschen 35 fg. 
Däuava's "M\ usw. 

Devai/äna (Götterweg) 12t. 947 ; mifs- 
verstanden ÜÖ fg. f>79. 609. 

dhäräna's (Fesselungen des Manas 
im Yoga) 351. 595. 597. 

Dharma, in Gestalt der Gazelle 473. 

Ührishtadyumna 31. 

Dhrishtaketu 33. 

Dhritarashtra (Sohn des Vicitravlrya 
und des Vyäsa von der Ambikä, 
blinder König der Kuru's) 3 fg. 

33 fg. 

Dialektik, getadelt lAL 3ü4. S5fi. 
Dirghatamas. seine Geschichte 799. 
Diti, Tochter Daksha'* 234. 24iL 
Draupadi (Gattin der füuf Pändava's); 

ihre Söhne 33 fg. 
Drona 35. 

Drupada (Vater der Draupadi i 33 fg. : 
sein Sohn (Dhrishtadyumua) 33. 

Duryodhana (Sohn des Dhritarashtra) 
33. 35. 

Dyumatsena 445 fg. 

Dväpara. s. Yugam. 

Dväraka i Stadt des Krishna ) 778. 
222, 8*5. 

K. 

Echo, seine Kntstehuog 74t'». 

Egoismus des Hausvater» 569. 

Ekäntin's (die dein Vishnu allein Er- 
gebenen) üll ; selten zu rinden 846; 
Verschwinden und Wiederaufkom- 
men ihrer Lehre K42fg. ; vgl. Bhäga- 
vata's. 



1000 



Index bemerkenswerter Nameu und Begriffe. 



Ekata, Dvita, Trita 758 fg. 771. 778. 
7JKL 

Elemente (bhütdni, mahäbkütani) 145. 
149. UAL IfiL 385 fg. 960j als Wel- 
teastoff 4IS fg. ; im Leibe IIS; ihre 
Qualitäten 1ÜL 402j Elemente, Or- 
gane, Objekte und Schutzgottheiten 
261 fg. 968 fg. 

Embryologie 684 fg. 236 fg. 825, »18. 

Entsagung LA. 85, 1DQ fg. usw. ; E. und 
Erkenntnis 968. 980 fg. 

Erfordernisse der Rede, fünf 680 fg. 

Erkenntnistheoretisches 48J1 ; vier Pra- 
mäna's 194. 

Erlösung 828 fg. 981; als Befreiung 
des Purusba von der Prakriti 6JLL fg. ; 
auch für den £üdra 904, 

Eschatologisches 209, ML Hü3 fg. 923 ; 
Gang zur Sonne nach dem Tode 740; 
den Organen entsprechende Statten 
nach dem Tode 658. 

Etymologien der Namen Vishnu's 
128 fg. 811 fg. ; von Väsudeva 840. 

Evolutionsstufen 246 fg. <UL 62g fg. 
642, 22Q fg. ; vgl. Prinzipien. 

Extreme, gerühmt 1 14. 

F. 

Farben der Zustände der Seele 123 fg. 
431 fg. 

Fastenbufse (kricchra) 258, 
Fehler 90. 

Fieber 5ü2 fg. 513 fg. 
Fleischesseu 134, 14AL 128, 323. 
Fliege und Feigenblatt, Fisch und 

Wasser (Purusha und Prakriti) 

6Jä fg. 283 u. ö. 
Freigebigkeit, empfohlen 5_61 fg. 
Freiheit, die wahre 550. 
Freundschaft 24. 

Gälava 542 fg. 

Gandiva (Bogen des Arjuua) 36. 
Gangä 318 u. ö. 
Gangädvara 511. 51f>. 



Geben 28 fg. 

Gebetsmurmeln 189 fg. 122. 123 fg. 

125 fg. 21Q fg. 
Geburtsstunde, Stern dabei 141. 
Gegensätze der Lehrmeinungen 384 fg. 
Gerechtigkeit, vierfQfsig 334, 29_L 946. 
Geruch usw., eingeteilt 9 ( .»0. 
Geschlechtslust 126\ 322, 
Gesellschaft, schlechte und gute 545 fg. 
Gesetz als Erfindung der Schwachen 

4LL 
Gewissen 559. 
Gbritäcl (Apsaras) IM fg. 
Glaube 65. 97 u. ö. 
Gleichmütigkeit 52. 21 fg. usw. 
Glück HL 
Gnade 265. 

Götteraufzählung 238 fg. 

Gottheiten als Opferfeuer 908. 

Götterweg, 8. Derayäna. 

Grihastha ( vgl. dp-ama 1 's) 372 fg. 453 fg. 

guda (Verdauungskaual) 155* 

Guha (= Skanda, Kriegsgott) 534. 

Gutta (Faktor, Qualität). — Die drei 
Günnes (Sattvam. Kajas, Tatnag). 
aus denen die Prakriti besteht, sind 
die Faktoren, deren Produkte alle 
Evolutionen der Prakriti Bind; oft 
abgeblafst „Qualitäten" 42. 46. 48* 
5L 64, 8L 88, 2Q fg. 182 fg. 253. 
278 fg. SSL 536 fg. ; aus dem Ätman 
stammend 538 ; als weifs. rot 
schwarz 613. 645. 649 fg. ; als Feinde 
zu überwinden 235 fg. ; sich paarend 
948. 9f>r» : ihr Wirken an der Sonne 
erläutert 956; als Prinzipien 627. 
630. 644; = Vicesha's 643, 786; 
Fesseln 864; vgl. Erlösung. 

Ha 

Häbä und HfthÜ (Gaudharvent 515, 

IÖ6_. 
Hara » £iva. 
Hari « Vishnu. 
i Hari (Berguame) IDA 
Harigttä (vgl. Bhagavadgitä) 83L 846. 
Härha 4M, 



Index bemerkenswerter Namen und Begriffe. 



1001 



Hausvaterstand s. Grihastha. 
Hemmnisse des Yoga, fünf 363. 477. 
Herz 388. 

Herzensknoten f>s7. 

Himalaya HL 222, 

Himmel 8j keine Befriedigung ge- 
während HILL 

Hiranyagarbha (Erstgeborener der 
Schöpfung, Urquell der Weisheit; 
= Brahmäni 6-14 ; = Buddhi, Maban, 
Virinci 610; Urheber des Sank hy am 
ÜÜI; Urheber des Yoga Kfrfi. 

Hiranyakacipu (ein Dämon) 804. 

Holleu, symbolisch 131. 2111 

Hunnen ihüna) 708. 

I. 

Identität der Wesen 5fi fg. 
l$rara (der „Herr", der persönliche 
Gott) 50j auf Egoismus beruhend 

2&L m 

lkshväku (Stammvater der Sonueu- 
dynastie, Sohn des Manu Vaivas- 
vata» ülL 

Indra (König der Gölten 131 fg.; seine 
Flucht und Rückkehr Hütt fg. 

indriya's (die fünf Sinuesorgane und 
fünf Tatorgane) 278. 961 ; zu be- 
siegen 1*40; als Lampe 538 ; kennen 
sich gegenseitig nicht 912; als zehn 
Opferpriester 908; als sieben Opfer- 
priester 9_1L 9LL 

d. 

Jaigtshavya 3J7 fg. 
Jäjali JIM fg. 
Jamadagni 930 fg. 

Jauaka (König von Mithiläi IL 130. 
270 fg. 937 ; legt wegen Erkenntnis 
seine Herrschaft nieder 669; J. 
Oharmadhvaja fi!3 fg. : vgl. Karäla- 
janaka. 

Janamejaya, König, Nachkomme des 
Arjuna, dem Yaicampäyana beim 
grofsen Schlangeuopfer das Mahä- 
bhäratam erzählt. 



Janardana (Meuschenquäler, Beiname 

Vishnu-Krishna's) 3fi fg. 
Jaräsandha 778. 

Jlva (individuelle Seele; ihr entspricht 
Sankarshana, s. d.) läü fg. IM fg. 

aiiii, HU 

jnnna-ntman (Erkenutnis- Selbst) = 

Purusha 248. 
Jye#A/Aa««»«a«-Gelubde 84/i. 
Jyotisham (Vedakalender) 7uf). 

K. 

Ka (Beiname Prajäpati's) 662, 663, 
KäyJ (Benares) 33. fg. 
Käcyapa (Kacvapa) 131 fg. 231 fg. 238. 
Kala (die Zeit als zerstörende Gott* 

heit) 2113 fg. 3QÜfg ; Rad der Zeit 

973; vgl. Zeitalter, Zeit. 
Kälayavana 778. 
Kali, s. Yugam. 

Kalpa (Weltperiode von einer Welt- 
schöpfung bis zur entsprechenden 
Weltvernichtung reichend) 20 u. ö. 
493; vgl. Weltschöpfung , Weltver- 
nichtuug. Yugam. 

Käma (Begierde) 127 fg. 

Kansa ( König vou Mathurä, von 
Krishna erschlagen) 7 7s 

Kapila, urspr. — Hiranyagarbha. dem 
persönlichen Brahmäu fi'.»8. 776. 
814 (von Hiranyagarbha unter- 
schieden 8. r >. r > ) ; als Urquell der 
Weisheit mythischer Urheber des 
Sänkhyasystems TA i>7_L HiL 
8. r )7 ; seine Lehre 707 ; K. usw. als 
geistige Sohne Brahmän's 7lH). 

Karälajanaka 6QM. 

Karna i Heerführer) 33* 

Kasten (rttrna , jtitit Üj2fg. lülfg.; 
ihre Pflichten lül. 563 fg. 56üfg. 
67">; ihre Schöpfung 23fi ; ihre Ver- 
menguug 37_; Mischkasten 673; auf- 
gehoben 72^ vgl. Brahmanen. Ksha- 
triya, Vaicja, (^üdra. 

Kaiü.ika 8( >3. 

Klebas 1 14. 

Königtum, seine Schattenseiten üBüfg. 



1002 



Index bemerkenswerter Kamen und Begriffe. 



Kosmographisches 146 fg. 
Körperteile von Vater und Mutter 

620; vgl. Leib. 
Körperfeuer 

Kramapätha (eine besondere Methode, i 

den Veda zu rezitieren) 814. 
Krähe und Palmfrucht 126. 
Kripa 33, 

Krishna (Vasudevai, Sohn des Vasu- 
deva und der Devakl, Bruder des 
Balaräma, schon im MaluiMiäratam 
eine Inkarnation Vishnu's 33. 35 fg. 
233, 243, 245, 885 fg. usw.; seine 
Geburt in Mathura 778; ihm feind- 
liche St&mme 236, 

Krishna Dvaipäyaua, s. Vyäsa. 

Kritatn, 8. Yugam. 

Kshatriya (Kriegerkaste — kshatram, 
Räjanya) 9 usw.; Pflichten iL 577; 
vou Räma ausgerottet 931. 

Kshetrajna („Ortskenner", Subjekt 
des Erkennens, das höchste Prinzip 
- Purusha) 86 fg. lfiL 181 fg. 250, 
267. 271. 280. 350. 363. 368. 383. 
lisL 382. 320, 41L 480. £35, 536, 
■>37. 53*. 027. C3it. 652. 773, 771. 
790. 812. 24L 942, 969 fg. 982, 
993; individuell gefafst 606; - 
antardtman 750. 751; mit Väsu- 
deva identifiziert 826. 846. 860. 
223- 929j Kshetrajfia und Sattvam 
(vgl. Purusha und Prakriti) 283, 
ÜSiifg.; Gleichnisse darüber 287 fg. ; 
Kshetrajna, Buddhi, Manas, Siune 
991; vgl. sdkahin. 

Kshetram („Ort", der Leib) 86 fg. u ö. 

Ku^aliu 559. 

Kucasthali (Stadt) US, 

Kubgewinner (govhtda = Krishna) 
36, 39 u. ö. 

Kumjadliara 466 fg. 

Kuntibhoja 33. 

Kuru, Stammvater der Kuru's und 

Pandava's. 
Kuruiand 33, 

Kuntl = Pritha, Mutter des Yudhish- 
thira, Bhlma und Arjuna 34 fg. u. ö. 



Laster 13 fg. 23» 24 usw. 
Lebensstadien, s. dgramas. 
Lehrbücher 542, 

Leib 578; geschildert 601 ; pessi- 
mistisch 130, 965; als Aggregat der 
Elemente 360. 534 fg.; Pforten, vier 
590; seine dreifsig Qualitäten 683 
der feine Leib (vgl. Litigant) 655. 
908; vgl. Körperteile, Körperfeuer. 

letale Stellen (murman) 821 fg. 

Litigant (der feine Leib, s. d.) 2L 
297. 625; = Körper 2211. 223. 

Literaturkreis 215; vgl. Aranyakam, 
Brahmasütra's, Qatapatbabrähma- 
nam, Pur&nam, Vedasütram, Wissen- 
Schäften, Yäjnavalkya. 

Lockiger (guddkega = Arjuna) 35. 
32 usw. 

Lust und Schmerz 113 u. ö. 

M. 

Mädhava (Krishna) 34, 36. u. Ö, 
Madhu (Dämon) 234j nnd Kaitahba 
835 fg. 

Madhusüdana (Madhutöter — Krishna) 

36, 38 usw. 
Mabäbhäratam, als fünfter Veda 785; 
vou Vyäsa verfafst 831; besteht ans 
hunderttausend Versen *19. 
mahdbhütdni, s. Elemente. 
Mahän, Mahdn Atmd (in der Regel 
«= Buddhi, s. d.) LüL 3m 1SL 
610. (vergänglich 612. > 790. 902. 
957 fg. 264, 266, 988; höher als 
jndnam und buddhi 225; = Purusha 
2-18 ; als fünfundzwanzigstes Prinzip 
(s. d.) 612. 62L »iH4. 
Mahäniyama (eine Askese) 787. 
Manas als Regierer der Erkenntnis- 
organe dem Verstand, als Lenker 
der Tatorgane dem (bewufsten) 
Willen entsprechend 60 fg. 773; 
beim Yoga 188. 212; weltschaffeml 
249; als Zustand der Buddhi 536; 
als Organ des Sehens usw. 64>>; 
als Zentralorgan G82; mit den In- 



Index bemerkenswerter Namen und Hegriffe. 



1(103 



driya's sich gegenseitig bedingend 

912 fg.; mit Iiuddhi %8; mit Ahan- 

kära und Buddln 968. 
Mänasa 145 fg. 14& i£L 
Manenklassen 454. 775. 
Manibhadra 4ÜI fg. 
Manki 125 fg. 137. 
Manovaha, eine Ader 259 fg. 
Manu 50. 73j sein Gesetzbuch T.~>7 : 

M. Svärocisha 844. 
Manulöwe 804; vgl. Vishnu. 
Märtaiida, Geburt aus der Aditi tiÜiL 
Materialismus 212 fg. 
J/rii/ä HL iüL 1LL UHL ÜiL 774j von 

Vishnu ausgehend 255, 
Meditation ti u. ö. 

Menschseiu, erfreulich :">h< > ; ein Un- 
glück Ü12. 22L 

Meru 14Ä 509. 

Mischkasten, s. Kasten. 

Mischuugstheorie 397 ; vgl. Akkumu- 
lationstheorie. 

Mithilft (vgl. Janaka» 130. 4*3, 

Mitleid 2ÜL 3HÖ. älk 

Moralisches 640 fg. 812 fg. 974j vgl. 
Sitten, Strömungen, Tugendeu. 

Muni (Schweiger, Einsiedlerl 18. 43. 
58 usw. 

Mutter, gepriesen 440. 

X. 

Nahrung und Schlaf 59 fg. 

Nahusha (alter Konig, Sohu des Avus. | 
Vater des Yayftti, Stammvater der 
Kuru's und Yadu's, zu deuen Krishna 
gehört) 130. 42L 44JL 806. fg. 

Naighantukam H13. 

nakshatra* (Sterubilder, Moudhauseri 

Nakula (vierter Sohu des Pandui 34. ! 
Namensammlungen 311. 376 fg. 
Namuci 13L 303 fg. 
Nandin (Diener Tiva bi 510. 512- 534. 
Nftrada (mythischer Weiserl 14,. 177. 

33Qfg. 4M fg. 511L 24Äfg. 83L 
Narftyana (Name Vishnus, besonders 



im monotheistischen Sinne ) 2<ÜL 

2ia 148 fg. I8L 919. 
Nästika < Nihilist) 213 u. ö. 
Niruktam Ü12. 

Niri'nmim i Erloschen. Seligkeit i 45. 
5L 51L liiü. 114. mL 18& 

iH4.8i2.89iL 

<>. 

Objekte als Opfergaben 908. 
Om- Laut fii fil u. ö. 
Om. 7af, 6'rt< 93, 

Opfer, umgedeutet 52 fg.: Polemik 
dagegen 429 fg. ; ohne Wünsche 
darzubringen 797; ohne Tiertötung 
auszuführen 4M fg. 451 fg. 413. 
750. 7f>4. 791: Opfertier zum Him- 
mel eingehend 927; vgl. Ahinsa. 

Organe, s. Indriya's. 

P. 

Pacupata's (Anhänger Civa'sl 533_. 855. 
Päderastie 324. 
Pakvacaya 1">6- 

Pancacikha (alter Sankhyalehrer, 
Schüler des Asuri) 2I0fg. fill fg. 
615. fim 

Pancala (Verfasser des Kramapatha, 

a, d.» 839. 
Pancaratralehre l Paficaratralehrei 155. 

162. 7m 848. 855 fg. ; vgl. Bhaga- 

vata's. 

pancikaranam H12; vgl. Mischungs- 
theorie. 

Pändava's iSöhne des Pftndu: Yu- 
dhishthira. Bhlma, Arjuna. Nakula 
und Sahadeva) 33. 34 usw. 

Para<;ara (Vater des Vyftsai 55iifg. 

Passivität, a. Aktivität. 

Perzeption als Opfer 906 fg. 

Pflanzen beseelt 151. 

Pflicht 413 fg. 416 fg. ; gegen die Eltern 
43äfg. 

Pinftka, Etymologie 553. 

Pinda's. ihr Ursprung 828 fg. 

Pihgalft (Hetärcl 117. 

Pitrivana (V&terwcg) 947; mifsver- 
standen 68 fg.; vgl. I)evayana. 



1004 Index bemerkenswerter Namen und Begriffe. 



Pn&dyumna (dritter Vyüha, s.d.); vgl. 
Aniruddha. 

Prädestination 896 fg. 

Pradhänatn, s. Prakriti. 

Prahräda 132 fg. 13L 286 fg. HL 

Prajapati (Personifikation des schöpfe- 
rischen Prinzips) 46; einundzwan- 
zig 25L 

Prakriti ( — Pradhänam = Avyaktam, 
s. d.), die erkenntnislose Urnatur 
ans den drei Guna's bestehend 4iL 
43, öö, 86 fg. ,246 usw.; achtfach 
63; P. und Purusha 8& 651 u. ö.; 
aus B rahm an entsprungen 896; aus 
dem Purusha 786. 

Pramäna's, s. Erkenntnistheoretisches. 

Präua's (die fünf Lebenshauche, die 
Organe derNutrition): Prana,Apäna, 
Vyäna, Idäna, Samana 1 52. üü 
256. 724. 906. 917. 960; P. und 
Apäna (s. d.) 910; ihr Rangstreit 
Uli» fg.; als Opferpriester '.»14. 

Pränägnihotram 53. 

Pritha, s. Kuntt. 

Prinzipien (der Sankhyalehre) , fünf- 
undzwanzig 42 fg. 941 ; vierund- 
zwanzig 611 ; elf 398; das vierund- 
zwanzigste Prinzip 666 fg.; der 
Fünfundzwauzigste 012. Ü22* 623. 
62A im 633, GM fg. 6JK 
665, fiß!i%. III Iii m 982; 
der Sechsundzwanzigste 634 fg. 665. 
666 fg. ; vgl. Evolutionsstufen. 

Psychischer Organismus 86. 

Pulkaaa's 140. 

Pupillenbild 658. 

Puranam 238j vedisches 66Jj = Bräh- 
raanam 795. 

Purujit 33, 

Purusha (= Kshetrajna, das reine 
Subjekt des Erkennens) 5JL 66 fg. 



209; 



86 fg. 24, 

Einheit 856 fg. 852 fg.; 



seine Vielheit und 
Identität 



aller Purusha's 690j P. und Prakriti ' 
(vgl. Kshetrajna und Sattvam) als 
Mann und Weib 620; widerlegt . 
623; beide völlig verschieden 63JL I 



654; beide •= Vishnu 834, 861j als 
Icvara 623; vgl. säksltin. 

K. 

Kajas (Leidenschaft, was Unlust be- 
reitet, s. Guna) 4JL arväkttrotas 
251 fg. 

Rama (Sohn des Jamadagni) 875. 

23öfg- 

Rangstreit zwischen Mauas und Rede 

902 fg. 
Rantideva 562, 
Kasa (Unterwelt) 8^8. 
Bathantaram 5ÖCL 511. 
Ratselfragen 591 fg. 
Raum und Zeit nicht real 984. 
Raumya's (Dämonen) 518. 
Raupe ihr Gehäuse spinneud 614. 
Rävana und die Affen 778. 
Reizmittel beim Yoga, sameodana 

625; codand 656, 
rhetorische Regeln 681 fg. 
Rishi's, sieben 234, 237. 
Rofshaupt 76JL 125, 122, 814, 833, 

832 fg. 

Rudra (älterer Name für £iva, s. d.i. 
sein Ursprung 224, 290, 796; mit 
Käräyana identisch 797. 

8. 

Sütlhya'8 („die zu Verehrenden", eine 

Götterklasse) 587 fg. 
Sahadeva, fünfter Sohn des Pändu 34. 
sähtshin (Zuschauer, Subjekt des Er- 

keonens) 387. 536; vgl. Kshetrajna, 

Purusha. 
Samanga 5JJ2 fg. 
Same 252 fg. 

saipkalpa (Funktion des Manas) 342. 

saniskära (Einpra jungen von einer 
frühern Geburt her haftender Ein- 
drücke) 223, 

Sanatkumära 490 fg. 510. 727. 844. 

Sanatsujäta 3 fg. 

Safijaya 33 fg. 

Safikarshana (Bruder Krishna's), zwei- 
ter Vyüha (s. d.) Vishnu's, dem 



Index bemerkenswerter Namen und Begriffe. 



KM »5 



Jiva entsprechend (vgl. Pradyumna, 
Aniruddba) 234 u. ö. 
Sänkhyam (von sankhyä, Reflexion), 
die an die Atmanlehre der Upani- 
shad's sich anschließende Re- 
flexionsphilosophie (im Gegen- 
satze zum Yoga, der reflexionslosen 
Vertiefung in das Selbst, den 
Ätman), später Name eines philo- 
sophischen Systems 4_L 4<>. 55. fcM, 
101; Sänkhyam und Yoga IDLL äil3. 
633. 6ft. r > ; Sänkhyatraditiou ü3I fg.; 
Sänkhya-Auhäuger nach dem Tode 
fiÜifg. 

Sauuyäsin (vierter d^rama) biL 37 <i. 
3Ii fg. u. ö. 

Sarasviita Apautarat amas als frühere 
Existenzform des Vyäsa K35. 8nf>. 

Sarusvali (Güttin der Rede) 14JL IM, 

Sattvam (erster der drei Guna's, was 
Lust erregt) ; (ürdhcasrutas) 
Üä3fg. t«83: *= Mauas M>: im 
Gegensätze zu den Guua's 3»U) •. 
ahulich wie Lingain 3*>1» : als Ver- 
treter der Prakriti 53L Ü33, 98G fg. 

sättcika, n/zim/ff"*!, vutkörika 847 fg. 

Sätvata's (eigentlich das Volk des 
Krishna, daun Name einer mono- 
theistiseh-vishnuitischen Sekte; vgl. 
Bhägavata'si Iii», &12, *_LL >iliL 
S I *. » ; ihre Lehre 754. 7 ■'>:'>. 

Satyakasprofs (Yuyudhana) 31* 

Satt/am t Wahrheit, Kealitäti Hiti. i»4ii. 

Satyavant 44. r > fg. 

Saubha (die Lufi&tadt) 778. 

Sauti erzahlt dum Tauuaka das von 
Vai«;ampäyaua ( s. d. i ihm Über- 
lieferte Mahähuäratam. 

Savitrl (die Sounengöttini 17:i. 

Schildkröte und Glieder IL Uli ÜliL 

Schicksal 114, 1 43 ; Tat. Natur, Schick- 
sal 33iL 35_L 

Schlaf 

Schmerz '2'ü. 
Schöpfung L 

schöpferische Wesenheiten, acht, 
rici usw. 7 SO. 



Schrift, 8. Cruti. 

Schutzgottheiten der Organe ti4fifg. 
Schwan (hahsa — Brahmän) 5S7 fg. 
Schweigen 1_L 

Seeleuwanderung fi!4. (>3S. 888. 
'JöQ u. 6.; vgl. Vergeltung, Wieder- 
geburt. 
Selbstmord ÖäL 
Selbstzucht 282 usw. 
Seuajit 112 fg. 

Siddhi's (die durch den Yoga erlang- 
baren acht übernatürlichen Kräfte) 
254, 

Sinnesorgane, a, Indriya's. 
Sitten, gute und schlechte 322 fg. ; 

vgl. Moralisches. 
Suiriti (die Tradition im Gegensatz 

zu Gruli, s. d.) 244 u. ö. 
Sorna ( Opfertrank , Mond ) SüU fg ; 
s. Teil. 

Somadattasohn (Bhüricravas) 34. 
Sterbestunde iül fg. ^82^ vgl. Tod. 
j Sterne als abgeschiedene Seelen 4H3. 
Strafen, Abmessung derselben 44Gfg.; 

nach dem Tode <»D. r >. 
'Strömungen, drei moralische Ü13 fg. 
Ü4* fg. 

Struppiger (hrishikern — Krishna) 

iL 3ä, 311 usw. 
Subhadtäsohn (Abhimauyui 33 fg 
j Subjektivität der Auffassung des Lehr- 
stoffs Ü22, 
Sulabhä ti73 fg. 
! Su rasa S7-1 

Surya, Sonne, Sonnengott. 
snilthüra t die eigene Natur) 22L 3*<>- 
:YM) ; Prakriti LiL 2*1 fg. Ü2*i 
1>2S. <)44; vgl. Schicksal. 
, Syümarac.nn 44t» fg. 

T. 

Tag und Nacht des Brahman t» 14 ; 
des Brahman t> |*>; des Ahankära 
♦i4'>; der Kiemente, Yi»;esha's tiud 
des Mauas *>4fi fg. 
- Tamas i Finsternis i dritter der drei 
| Guua's, alles beladend, was weder 



lcX« 



Index bemerkenswerter Namen und Begriffe. 



Lust noch Unlust bereitet, gleich- 
gültig lafst 20. fg.; (aväksrotas) 
949 fg. usw. ; vgl. Guna's. 
Tapas, s. Askese. 

Teil der Mondscheibe, sechzehnter, 

unvergänglich Kl'.». 
Tieropfer, s. Opfer. 
Tishya - Kali 263 fg. 85a, 
Traum 263 fg. 399. 480. 994. 
trishnä (Durst, Begierde) Ii. 90. 11h, 
117. 126. 130. 139. 269. 2Ii. 

2ü& 463. 4IL 482, 54L 59fi. 841. 

888. 936. 964. 
Trisuparna - Ritus 843. 
Tugenden, aufgezählt HL 1& 15, 23. 

fififg. 24 fg. 122, 895 fg. ; vgl. 

Moralisches. 
Tulädh&ra 418 fg. 
Tochter 374^ 

Tod, ist nicht 3 fg. 5. 119 fg. 4£M fg. 
512 fg. ; auf dem Schlachtfelde 577; 



Vorzeichen des Todes 696; schmäh- 
licher 579; erst nach AbbUfsung 
der Werke 890 fg.; Todesstrafe 
mißbilligt 415 fg.; Todeswind 696; 
vgl. Sterbestunde. 
Töne der Tonleiter 15L 



U. 

U<;anas 488 fg. 552 fg. 803j sein Ge- 
setzbuch 757. 

Umä (Gemahlin ^iva's) 511 fg. 511 fg. 
810 fg.; ihre Beinamen 96 7. 

Umgang, sein Einflute 590. 

Unentfaltet : fahetram, sattvam, i$vara 
628. 

Unsterblichkeit 39 fg. u. ö. ; Unsterb- 
lichkeitstrank, s. Amritam. 

Uparicara (Vasu) 754 fg. 758 fg. 
IM fg. 

Upacruti (Göttin der Erhörung) 

ML 

Urelemente, acht 479. 
Urgeschlechter, vier 574. 
Urmaterie, Urnatur, s. Prakriti. 
Uttamaujas 33. 



V. 

Vadavämukha (Xäräyana) 810. 
Vaicampäyana (Schüler des Vyisat 

erzählt dem Janamejaya beim 

grofsen Schlangenopfer das Malä- 

bhäratam 4 fg. u. Ö. 
Vaicvänarafeuer 1KH',. 
Vaicya, die dritte Kaste, s. d. 
Vaikhäuasa 376. 
Vaitaranl (Höllenflufs) 695. 
Väjapeya-Opfer 532. 
Väuaprastha, Waldeinsiedler, dritter 

Äcxama (s. d.) 375 fg. u. ö. 
Vaaishtha 500. 
asor dhärä 766. 

Väsudeva 64 u. ö. ; s. Krishna, Vyüha's. 

Väyu als Psychopompos 412, 

Veda, von den Dämoneu geraubt 835; 

Veda und Lehrsystem 620; Veda- 

polemik 2341 fg. 254. 324, 4^ 

449 fg. 670j s. Cruti. 
Vedänga's (Hilfsschriften des Veda, 

vgl. Qikshä, Jyotisham, Xiruktamj 

195 u. Ö. 

Vedänta (= Upanishad, später Name 
eines Systems) 24 u. iL 

Vedasütram 789. 

Vergeltung 557. 

Verwandtenheirat getadelt 679. 
Vigesha't (Unterschiede, im Mah&bh. 
die spezifischen Qualitäten der Ele- 
mente) 611, 626, 629. 643. 645. 

913, ML ÜÜL 99_4j vishaya = 
vifesha 247. 

Vicvarüpa als Götterfeind 804 fg 

Vicvävasu (ein Gandharva) 662. 

Vidarbha'8 (Volksname) 472. 

Vidura 3. fg. 

Vikarna 34. 

Vlrabhadra oJiL 

Viraj TM, 

Viräta 33 fg. 

Vishnu (ursprünglich der „wirkende 4 * 
Sonnengott), im Mahähh. meist 
die oberste Gottheit, identifiziert 
mit Näräyana, Krishna (Väsudeva), 



Index bemerkenswerter Namen und Hegriffe. 



1007 



Kshetrajna und gelegentlich mit Werke t> I 5 fg. 'i">? 

(,'iva 817; mit ihm kämpfend 81H. Wiedergeburt Iii fg. ; vgl. Seeleu- 

^«'>9. 4SQ fg. ; als Zwerg •235; als Wanderung. 

Eber 242 ; als Eber. Mannlöwe (804), Winde, sieben liiitL 724 fg. ; der siebeute 

Äditya. Parac,u-Käma, Käma 777 ; t>< >4. 



als Vrishäkapi 813.. 821»; — Jlva 
840; = Purusha und Prakriti 83i. 
8G1 ; vgl. Vyüha's. 
Vivasvaut 50, 

Vorzeicheu, unheilvolle 658 fg.; vgl. 
Tod. 

Voll haariger \ke$aca = Krishna) 3iL 

43. 45 usw. 
Vrishäkapi, a. Vishnu. 
Yrishni 3jL 

Vritra fiKS fg. 49Ji fg. 8IÜL 

Vyäsa (Krishna Dvaipäyana). Sohn 
des Paräcara von der Satyavati 
(Gandhavati), Vater des Tuka, Ver- 
fasser des Muhäbhäratam (s. d.) 74. 
333 fg. lüäfg. ; seine meuschliche 
Genealogie 85»; Beine frühere 
Existenzform s. Surasvata Apäntara- 
tamas ; seine Schüler ( Yaic,ampäyana. 
Jaimini, Paila, Sumantu uud (,'uka) 
llö. 131h 85AL 

Vyühaa, die vier Entfaltungen des 
Vishnu als Väsudeva (k.she(rnjna). 
Sankarshana (jim). Pradyumna 
(manas), Aniruddha (ahankdra) 
82«». 846. HÜLL 

w. I 

Wahrnehmung 273. 

Wahrheit 2U2 fg. 

Waldeinsi»'dler, s. Vanaprastha. 

Wallfahrten, überflüssig 4M, 

Waaser, seine Verunreinigung ver- 
boten 507. 

Weiber, verachtet 255 fg. ML 2QÜ, 
905; zum Yoga berufen 3ftL 394 : 
zum Studium zugelassen 533. 

weifse Männer (Hewohner von £veta- 
dvlpa) 82^ 

Weltschöpfung L15 fg. : Weltvcrnich- 
tung646fg. 773. H34. 1*00 ; vgl, yugam. 



Wissenschaften 240. 

Wortbrahman Ü2. 331L 11511 35JL 3iÜL 

Wunder, bei (,'uka's Flug TAI fg. 

Y. 

Yäjüavalkya belehrt den Janaka 
042 fg. ; empfangt ton der Sonne 
den weifsen Yajurveda Gl>U. 

Yama (Höllenfürst) 5. MEL 

Yäska | Verfasser des Niruktam i 8_L1 fg. 

Yayätt 1LL 

Yoga (Anspannung), L die Methode, 
durch Verinnerlichung i Vertiefung 
in das eigene Selbst) mit dem Atman 
(Brahman) eins zu werden; 2, die 
Yogapraxis,später Name eines philo- 
sophischen Systems ; 3. Yoga = Yogin 
(Anhänger des Yoga) 41. 13. 55. 
5* fg. 1*1 fg. 212. 242* 8ÜIL 935 ; 



qualitäthaft und qualitätlos 655 fg. ; 
Yogakraft 593 fg.; Yogamacht 708 : 
Yogapraxis Iii.. (>24 fg. <>55. III ; 
Yogaverzückung Ü25_; Yogavoll- 
kommenheiten . acht > j.'>5 ; Yoga- 
j Zauberkunst t>74; Theismus des Y. 

üii2; Yoga bezw. Yogin 4iL 5L 
! 58. 52 fg. ; wo er hineinfahren kann 
597 ; seine Nahrung und Kleidung 
52iL ÜÜl 
Yudhämanyu 33, 

Yudhishthira (ältester Sohn desPändu) 
31 u. ö. 

t/ugain 23»>. 448 : und Ä/i/;xi 610. 
Z. 

Zeit, ihr Rad 973; ihre Einteilung 

333 fg.; vgl. Käla. 
Zeugung 894 fg. 
Zorn 116. 

Zweckloses Tun das höchste 953. 



ZITATEN -INDEX. 



Kipveda: 




1,154,5 


21 


3,62,10 


970 


6,16,1 


801 


7,33,11 


609 


10,90,3 


497 


10,90,« 


908 


10,90.12 


573 


10,90,15 


IM 


10,114,3-5 


S-13 


io,i;kj 


25« 



Aitareja- H rahm u natu : 

Li aifi 

7,13 374 
7 13 fg. 562 

Altareja-l panUliaii : 

1,3,13 fg. m 

2A fg. 512 
Kaushitaki-Upanisbad : 

a 9öi 

Pancavin^a- 

Ilrähmanaiii : 

16.3.3 450 

Chandoa-y a-Cpaaishad : 

3,11,1 302 

3.11.4 381 
3,14,1 400 
3,19 044 
4.14,3 654 
5,3-10 G9 



5,10.1 
5.1» fg. 

6^3 
6.3.2 
M 

6A1 
6A1 

6,10,1 

IAA 

7,25,2 
8^1 
8,3,2 
8,6,6 

*ufg. 

8,12,6 

8.13 

8,15 



Sil! 

4:30 
22, 25 
381 
613 

3ii2 
994 
81s 

Ifiä 
342 

43.47.185.396 
3Q 

304. 686 
57'.* 

4. m 922 
r, 

370 



Kena-Cpanishad : 

29 268 

Talttirifa-Upanishad : 

2 2üL 382, 280_ 
2,4 Iii 
2£ 21 

Katbaka-Dpanlshad : 

2£ 5 

2J H 

2,15 fil 

2.18 40. 482 

2.19 40. 294 
3,10 49, 3** 



3,10 fg. 


225, 3Ö3_ 


3,12 


161 


4,14-15 


29 


5,15 


23 


6,1. 


2fi 22, 898 




49 


6,9 


26, 28 


6,15 


5-37 


6,16 


579 


6,17 


19. 37. 354. 



653. 900. 

("TetÄ^vatara- 

rpanisbad : 

271. 892 
350 

8L 362, 522. 
610. 6 902. 
H5S, 



L2 
23 

3,16 



3.17 
4,5 
5j2 
5.14 



75_. 6JiL 



81 
613 
Uli 
•J9» 



Maitr&janija- 

Cpanlsbad : 

Li 134 

3j2 ßäi, 982 

M 22Q 

6,22 6^ 339 

Yäjasanejri-Sainhita : 

31,18 2L 22, 81 
32,2 26S 



uiyiuz 



ö 



Zitaten -Index. 



1009 



Brihadäranvaka- 

Ipanishad : 



19=» 


»Iii: 


1 Q 7 


-)w 1 




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1 29 


1,4.23 


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21 


5,9 


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451 




69 


6,2,15 


947 


«,4,4-5 


2dÜ 


6,5,:} 


Ü6Ö 



t<ä-l panlshad : 

i aaö 

4 297 

Atharvavcda: 

11,4,21 21 
11,8,32 523 

Mundakn-lpanishad : 

1,1,5 19a 
2,2,8 54. 30iL 391 
3.1.4 II 

3.2.7 994. 

3.2.8 280 



1 rtt^Ilu*L |)UUlMlUU 


• 
« 


6 


994 


6,3 


600 


Män<Jükja-Karika : 




2.26 


Ü31 


Brahinabindii* 




Upanisbad : 


12 


219 


Manu : 




1,6,7 


897 


1,10 


798 


1.12.13 


644 


1,29 


:i:t7 


1,65 fg. 331 fg. 


1,74 


»;io 


2,87 


35s 


4.7-9.55 


379 


4,179-185 


311 


6,2 


375 


6,18.22-23 


am 


11,213 


258 


Harham a : 




üOü fg. 334 fg. 


Säükhja-Kärlkä : 




12 897. 


94H 


23. 44-45,18 


744 


iü 


951 


Sankbja-Süträpi : 




4,5 


131 




132 


4,11 


IM 


4,12 


IM 


4.13 


Ui 


4.11 


lül 



Yogra-Sutrani : 

1,41 583 

2^3 114 

2,30.32 527 

Brahina-Sütrani : 

I, 2.32 51 
raiikarazu.3,2,10 UU 

VedanUsara : 

$ 99 Böhtl. 156 

§ 124 „ 321 

Bliäiravata-Puränam : 

II, 9,2 131 

Panlnl: 

6,1.127 697 



Piaton : 

(iorgiasp.523E. 691 
Phaedon p.60B. L13. 



Er. Hattbaei: 

5,23 590 

5,29 1J5 

6.2Q 696 

10,14 112 



Ev. Johannis : 

4.14 430 

8,57-58 5U 

14.20 ^ 



(«alaterbrief : 

3.28 7_li 



Die»**, MahAbhlrttim. 



64 



101U 



Stammtafel. 




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Von demselben Verfasser sind erschienen: 

Commentatio de Piatonis Sophistae compositione 
ac doctrina. Bonn, Marcus, 1809. 1 M. 20 Pf. 

Das System des Vedanta nach den Brahma- Sütra's des 
Badarayana und dem Kommentare des (,'ankara über 
dieselben als ein Kompendium der Dogmatik des Brah- 
manismus vom Standpunkte des (,'ankara aus. Leipzig, 
F.A. Brockhaus, 1SS3. Zweite Auflage lOOtt. 8. Geh. 12 M. 
Geb. 14 M. 

Die Sütra's des Vedanta oder die Qariraka-Mimansä des 
Badarayana nebst dem vollständigen Commentare des (,'an- 
kara. Aus dem Sanskrit übersetzt. Leipzig, F. A. Brock- 
haus, 1887. 18 M. 

On the philosophy of the Vedanta in its relations 
to Occidental Metaphysics, an address delivered before 
the Bombay Brandl of the Royal Asiatic Society, the 
2ö lh February 1893. Bombay 1893. One Ana. Leipzig, 
F. A. Brockhaus. 10 Pf. 

Zur Erinnerung an Gustav Glogau. Gedächtnisrede, 

gehalten an der Christian -Albrechts- Universität am 
11. Mai 1 s<>f). Kiel, Lipsius K Tischer, 18!>:>. fiO Pf. 

Uber die Notwendigkeit, beim mathematisch -natur- 
wissenschaftlichen Doktorexamen die obligatorische Prü- 
fung in der Philosophie beizubehalten. Kiel, Lipsius 
iV Tischer, 1S<>7. fiOPf. 

Jacob Böhme. I ber sein Leben und seine Philosophie. 
Rede, gehalten (in kürzerer Fassung) zu Kiel am s. Mai 
18<>7. Kiel, Lipsius & Tischer, 1S<»7. f>0 Pf. 

Sechzig Upanishad's des Veda, aus dem Sanskrit über- 
setzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen. 
Leipzig, F. A. Brockhaus, ist>7. Zweite Auflage \\H h">. 
Geh. 2< » M. Geb. 22 M. 



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Allgemeine Geschichte der Philosophie mit beson- 
derer Berücksichtigung der Religionen (2 Bände in 6 Ab- 
teilungen). 

Erster Band, erste Abteilung: Allgemeine Einleitung und 
Philosophie des Veda bis auf die Upanishad's. Leipzig, 
F. A. Brockhaus, 1894. Zweite Auflage 1906. Geh. 7 M. 

Erster Band, zweite Abteilung: Die Philosophie der Upa- 
nishad's. Leipzig, F. A. Brockhaus , 1899. Geh. 9 M. 

Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. Mit einem 
Porträt und drei Briefen in Faksimile. Leipzig, F. A. Brock- 
haus, 1901. Geh. 2 M. 50 Pf. Geb. 3 M. 50 Pf. 

Die Elemente der Metaphysik. Als Leitfaden zum 
Gebrauche bei Vorlesungen sowie zum Selbststudium zu- 
sammengestellt. Dritte, durch eine Vorbetrachtung Über 
das Wesen des Idealismus vermehrte Auflage. 
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1902. Geh. 5 M. Geb. 6 M. 
(Englisch, London, Macmillan & Co., 1894. Fran- 
zösisch, Paris, Perrin et Cie., 1899.) 

Outlines of Indian Fhilosophy. Bombay 1902. (Indian 
Antiquary.) 

Discours de la Methode pour bien etudier Thistoire 
de la Philosophie et chercher la veritä dans 
les systemes. Paris, Armand Collin, 1902. 

Der kategorische Imperativ. Rede. Zweite Auflage, 
Kiel , Lipsius & Tischer, 1903. 50 Pf. 

Erinnerungen an Indien. Mit einer Karte und sechzehn 
Abbildungen. Kiel u. Leipzig, Lipsius & Tischer, 1904. 
Geh. 5 M. Geb. (5 M. 




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