Vier
philosophisc
Texte des
Mahäbhäratam
Paul Deussen,
Otto Strauss
XnAL '3-30 2 .7
Uthrarg
THE BEQUEST OF
PROFESSOR OF SANSKRIT
1880-I926
VIER PHILOSOPHISCHE TEXTE
DES MAHABHARATAM.
Digitized by Google
VIER
PHILOSOPHISCHE TEXTE
DES MAHÄBHÄRATAM:
SANATS U JÄTA- PARVAX - BHAGAVAMlTÄ
MOKSHADHARMA - AMGiTÄ.
IN GEMEINSCHAFT MIT Dr. OTTO STRAUSS
AUS DEM SANSKRIT ÜBERSETZT
VON
Dr. PAUL DEUSSEN
PBOFB-BOR AH DIB VHIVRBS1TÄT X IRL.
LEIPZIG:
F. A. BROCKHAUS.
1906.
Digitized
HARVARD COLLEGE LIBRARY
FRor* tut: cstate of
CHAßlES f.OCKWUL LAN MAN
UAiXH 15, 1941
Druck von F. A. Brockbaus in Leipzig.
Digitized by Google
VORWORT.
Vor einem halben Jahrhundert, als man bei den
Worten Veddnta und Sdnkhjam nicht sowohl an die
Upanishadlehre und die daraus erwachsene Re-
flexionsphilosophie der epischen Zeit, als viel-
mehr an die späteren Systeme dieses Namens dachte,
pflegte man die vorwiegend durch die Bhagavadgita be-
kannte Philosophie des Mahäbhäratam für eine aus
beiden Systemen zusammengemischte Lehre zu erklären,
und noch heute fehlt es nicht an namhaften Vertretern
einer ähnlichen Anschauung, sei es, dafs man der aus
den Upanishad's überkommenen vedäntischen Grund-
lage die selbständig für sich entsprungenen Sänkhya-
lehren, oder, umgekehrt, einem ursprünglich auf
Sänkhyagrund errichteten Lehrsysteme hinterher Ve-
dantagedanken beigemischt sein läfst.
Ohne in dieser für den Entwicklungsgang der in-
dischen Philosophie entscheidenden Frage für jetzt ein
Urteil zu fällen, wollen wir in gegenwärtigem Werke
die vier grofsen Haupttexte der Mahäbhärataphilo-
Digitized by Google
VI Vorwort.
sophie in einer lesbaren und getreuen Übersetzung vor
Augen stellen und abwarten, ob sich dem Eindrucke
dieser Texte gegenüber die herkömmliche Ansicht
aufrecht erhalten läfst oder ob die Philosophie des
Mahäbhäratam , unbeschadet der mannigfachen An-
schauungen, die in ihr zu Worte kommen, doch
nicht sowohl als eine Mischphilosophie, sondern
vielmehr als eine Übergangsphilosophie zu be-
zeichnen ist, nämlich als die Philosophie des epischen,
zwischen dem Veda und dem klassischen Sanskril
stehenden Zeitalters, in welchem sich der Übergang
von dem Idealismus des Vedanta zu der realistischer
Denkweise des klassischen Sänkhyam vor unseren Augei
vollzieht. Dieser Übergang, welcher durch die spätere]
Upanishad's, Kathaka, Qvetäcvatara, Maiträyaniya u. a
vorbereitet wird, findet in den philosophischen Texte
des Mahäbharatam nebst den nahe verwandten Stücke
in Manu seine naturgemäfse Fortentwicklung, bis c
sich schliefslich zu der abgeklärten Gestalt kristall
siert, in welcher ihn die Sänkhya-Kärikä vor Auge
stellt. Die äufsere Präzision und Konzinnität diese
Haupturkunde des klassischen Sänkhyam hätte nie!
darüber täuschen sollen, dafs wir in ihr das letz
Produkt einer langen Entwicklung zu sehen habe
welche sich vom philosophischen Standpunkte ans n
als eine stufenweise zunehmende Entartung des u
sprünglichen Idealismus der älteren Upanishad's ve
stehen läfst.
Digitized by Google
Vorwort. VH
Eine nähere Darlegung dieser Verhältnisse mufs
der dritten Abteilung meiner allgemeinen Geschichte
der Philosophie vorbehalten bleiben. Wie die zweite
Abteilung dieses Werk es sich auf meine Übersetzung
derSech zig Upanishad's gründe t, so hat die dritte Ab-
teilung zur unumgänglichen Voraussetzung die im
folgenden dargebotene Übersetzung der vier philoso-
phischen Haupttexte des Mahäbhäratam. Diese letztere
umfangreiche und mühsame Arbeit würde mir bei der
stark erschütterten Gebrauchsfälligkeit meiner Augen
nicht wohl möglich gewesen sein, hätte ich mich nicht
im ganzen Verlaufe des Unternehmens des vierjährigen
treuen Beistandes meines jungen Freundes und ehe-
maligen Schülers Dr. Otto Straufs zu erfreuen gehabt.
Die auf dem Titel erwähnte Gemeinschaft ist dahin
zu verstehen, dafs wir nach den entfernteren Vor-
bereitungen gemeinschaftlich die Worte des indischen
Grundtextes Vers für Vers durchberaten und oft erst
nach schweren Überlegungen die endgültige Fassung
festgesetzt haben. Für einen kleinern Teil des Ganzen,
die Anugitä, habe ich in gleicher Weise die Mithilfe
eines andern jungen Freundes, des Dr. Paul Emile
Dumont, dankbar anzuerkennen. Für die. endgültige
Fassung wird freilich in beiden Fällen zunächst der
Unterzeichnete die Verantwortung zu tragen haben.
Diese Verantwortung ist keine leichte, da sich der
Text des grofsen Epos, namentlich im Mokshadharma
und in der Anugita stellenweise in einem Zustande be-
Digitized by Google
VIII
Vorwort.
findet, welcher es nur mit Anstrengung ermöglicht,
den Worten des Originals einen verständlichen Sinn
abzugewinnen. Der Kommentar des Nilakantha (von
uns als Nil. zitiert) versagt häufig gerade an den
schwierigsten Stellen und ist nur mit Vorsicht zu ge-
brauchen, da er oftmals offenbar seine späteren An-
schauungen in die Worte des Originals hineinträgt.
Noch weniger Nutzen konnte aus der unter dem Namen
des Pratäpa Chandra Ray veröffentlichten englischen
Übersetzung gezogen werden, unter deren Wortschwall
mitunter die Worte des Sanskrittextes gar nicht mehr
wiederzuerkennen sind. Sehr nahe lag häufig die Ver-
suchung, dem Texte durch Konjekturen aufzuhelfen.
Aber wir haben nur im äufsersten Notfalle von diesem
Mittel Gebrauch gemacht, da die Konjekturalkritik
erst dann wird wirksam einsetzen können, wenn die
diplomatische Kritik ihre Aufgabe gelöst haben wird,
wozu bei dem Umfange des Riesenepos und der Un-
zahl von Handschriften, in denen es in Indien ver-
breitet ist, in absehbarer Zeit wenig Hoffnung seir
dürfte. Aber selbst wenn es gelingen sollte, die Ge
nealogie der vorhandenen Handschriften zu ermitteh
und aus ihnen die ältesterreichbare Form der Über
lieferung herauszuschälen, dürften die Schwierigkeit ei
nur wenig verringert werden, da die Fehler oft seh
alte zu sein scheinen. Am besten ist die Überlieferung
in der Bhagavadgitä , und auch 2,40 ist eine Textes
änderung, wie sie zur Rechtfertigung unserer Über
Digitized by Google
Vorwort.
IX
Setzung vorgenommen werden raüfste, keineswegs not-
wendig. Wir verzichten daher auf den allerdings
schönen Gedanken, den wir hier zu finden glaubten
und bitter), dort einfach mit der Überlieferung zu
lesen: ,.Dann gibt es für dich keinen Mifserfolg und
keine Widerwärtigkeit mehr." Die neueste Über-
setzung der Bhagavadgita durch Richard Garbe, welche
uns erst zuging, als die unsrige schon länger fertig-
gestellt war, wurde nachträglich noch mit Dank be-
nutzt, und auch der Leser kann sich durch Vergleich
derselben eine Vorstellung darüber bilden, innerhalb
welcher Grenzen der Urtext der Freiheit des Über-
setzers Spielraum läfst, nur dafs dieser Spielraum in
dem am wenigsten bekannten Mokshadharma ein be-
deutend gröfserer ist. Wir haben auch den Moksha-
dharma vollständig übersetzt, obgleich zwischen die
philosophischen Gedanken zahlreiche, mitunter amü-
sante, stellenweise auch insipide Erzählungen einge-
- - !
flochten sind, welche immerhin dem abendländischen
Leser zur Einführung in die indische Art zu denken,
zu empfinden und die Dinge anzuschauen nicht un-
willkommen sein dürften. Über den Zusammenhang der
von uns übersetzten vier Texte mit dem grofsen Ganzen
des Mahäbhäratam wird die von Hermann Jaeobi
herausgegebene vortreffliche Inhaltsangabe dieses um-
fangreichsten Dichterwerkes aller Zeiten die beste
< Orientierung gewähren.
Zum Schlufs sei nur noch bemerkt, dafs unsere
Digitized by Google
X
Vorwort.
Übersetzung an die alte Bombay -Ausgabe (Qakäbdäh
1785) sich anschliefst, von welcher sich die späterer
Bombay er Drucke, soweit wir sie verglichen haben
nur durch eine Anzahl von mehr oder weniger sinn
störenden Druckfehlern unterscheiden. Wo wir, voi
der erwähnten Bombay -Ausgabe abweichend, mit de
Calcuttaer Ausgabe 1834 fg. gegangen sind, derei
Lesarten allerdings häufig den Eindruck erleichtern
der Konjekturen machen, ist dies jedesmal von un
angemerkt worden.
Kiel, im August 1906.
Paul Deussen.
Digitized by Google
INHALTSVERZEICHNIS.
Seite
Vorwort V
I. SAXATSIMATA-PARVAX.
40. S&natsuj&ta, der ewige Jüngling, erscheint dem Dhritar&shtra
und belehrt ihn , : : : .. : : : : . : : . . 3
41. I>» r Tod i^t nicht, Identität der individuellen und höchsten Seele -1
42. Über Maunam, Tapas und Unzulänglichkeit des Veda . ... 11
M. l'her den Brahmacärin und das Wesen des Brahman .... 1*
44. Auf/ahlung von Tugenden und Fehlern J3
45. Das Schauen des Atman im Yoga 25
II. BHAGAVADG1TÄ.
1—6. Ethischer Teil.
1. Verzagtheit des Arjuna heim Beginn des Kampfes 33
2. Krishna belehrt ihn: Ewigkeit des Ätman ; Kshatriyapflicht;
Werk ohne Welthang 38
•t. Ifit»T<->'id«ises Handeln. Werke notwendig /um Bestände der Welt l.">
4. I>as Werk als ein dem Gott dargebrachtes Opfer 50
5. I>er Entsagende weifs, dafs nur die Prakriti wirkt 55
l»*r V"ga als Weg zur Entsagung und Kinswerdung mit (rott. .*>S
7 — 12. Theologischer Teil.
7. Gott als Prakriti, .liva and höchstes Wesen <13
8. Meditation durch Om und Yoga; Eingehen in Gott 66
9. Gott schafft die Welt durch Maya und steht als Aufscher über ihr 6t>
10. Alles ist Gottes Machtentfaltung, aus ihm stammt alles Schöne
und Kraftige 73
11. Kritdma zeigt sieh dem Arjuna als Alli'esta liig»-r und All ver-
nichtender 77
12. Gottesverehrung, Meditation, moralischer Wandel 84
XII Inhaltsverzeichnis.
Adhylya (ed. Calc.) Seite
13—18. Psychologischer Teil.
» 13. Kshetram, Jhänam, Jneyatn, Prakriti, Purusha 86
14. Beschreibung der drei Guna's, Befreiung von ihnen als höchste
Aufgabe 89
15. Der vergängliche, der unvergängliche und der höchste Purusha 92
hi. Schilderung der göttlichen und der dämonischen Lebensführung 94
17. Der dreifache Glaube und seine Betätigung. Om, Tad, Sml . 97
18. Zerlegung des menschlichen Handelns; Weg zur Vollendung,
Verehrung des höchsten Wesens 100
HL MOKSHADHARMA.
174. Tröstung des Königs Sonajit bei Verlust seines Sohnes. Die
Hetäre Pingalä -/j^ . • ■ • 11 1
17ö. (— 27*. Der Vater empfiehlt die Acrama s, sein Sohn die Ent-
sagung 11*
170. Tampiika lobt die Armut. Gefahren des Reichtums . . . . 12*J
177. Manki und die Ochslein. Entsagung als Weg zum Glück . . 125
178. Janaka und Mitbila. Die sechs Merkworte des Bodbya . . . 13(
> "
179. Entsagung als die Losung des Ajagara 13;
180. Der arme Kagyapa von Indra als Schakal getröstet und belehrt 13"
181. Vergeltung der Werke 14t
182. Schöpfung der Welt durch den Mdnasa und Kosmographie . . 14-
1S3. Entstehung der Elemente 11
184. Beseeltheit der Pflanzen. Die Elemente und ihre Qualitäten . 15'
IS"). Die fünf Präna's im menschlichen Körper l. r >
186. Bestreitung der Existenz des Jlva 15
187. Gründft für di p Existen z des Jiva . . . , , , . . , . . lh
188. Abstammung aller anderen Kasten von den Brahmanen ... IG
189. Charakteristik der vier Kasten und Moralisches . . . . . lti
190. Wahrheit und Unwahrheit, Lust und Leid ltj
191. Pflichten des Brahmacärin und (ijihastha IC
192. Vanaprastha und Parivräjaka. Himmlische und irdische Welt. 17
193. Vorschriften für den guten Lebenswandel 17
194. Elemente, Organe, Kshetrajna, Guna's, Bindung und Erlösung. 1fr
195. Yoganieditation unter Fesselung des Manas 1*
196. Beschränkter Wert des Gebetsmurmeins 1?
197. Gebetsmurmeln in selbstsüchtiger Absicht führt zur Hölle . . V
19*. Empirische Daseinsformen als Höllen und der Atmau als Himmel T
199. Erlebnisse eines Gebetsmurmlers 1
200. Eingang des Gebetsmurmlers in den Himmel 2
201. Werkfrucht und Frucht der Erkenntnis 2
202. Der Atman, die Organe und Elemente 2
203. Atman, Bhfttatman, Lingam (Körper) 2
'JQ4. Erkenntnis durch die Sinne und reine Erkenntnis . . . . . 2
2Q.">. Schmer/. Buddhi und Mauas. Der psychische Komplex . . l
Inhaltsverzeichnis. XIII
Adbyiyi («xL Calc.) Saite
2<»>. Die Guna's, der Parusha und der Höchste 22'.*
2<>7. Schöpfung der Welten, Gotter und Wesen durch Krishna . . 233
2118. Schöpfung der Götter und Rishi's. Ihre Himmelsgegenden . . 237
2<fr. Vishnu- Krishna als Eber bekämpft die Danava's 240
210. Krishna sc hafft die Wesen. Purusha und Evolutionsstnfen . . 244
211. Avyaktam, Vyaktam und Kshetrajna 249
212. Ahankära und Gutia's als Quelle des Bosen 251
21:1. Kajas und Tamas. Weib und Kind. Organe aus dem Willen
entspringend 256
214. Brahmacaryam. Adern und Samen 257
215. Reinheit nnd Bezähmung als Weg zur Brahman werdung. . . 260
216. Daa Manag im Wachen, Schlaf und Traum 263
217. Prakriti, Purusha nnd Brahman. Tapas und Wissen .... 266
21h. Pancacikha entwickelt vor Janaka zunächst die Thesis der Ma-
terialisten 270
2 1 '. *. sodann belehrter Ober Atman, Entsagung, Organe, Guna's und
Erlösung 276
220. Preis der Selbstzucht und ihre Früchte 282
221. Das wahre Tapas und seine Betätigung im Leben 284
222. Prahrada bespricht den Gegensatz von Svabhäva (Prakriti) und
Pnrnsha 286
223. Indra befragt den Bali, wie ihm nach seinem Sturze zumute sei 290
224. Bali weist auf die Notwendigkeit alles Geschehens hin (Kala) . 293
225. Die Tri geht von Bali zu Indra, der sie vierfach verteilt . . 298
22*3. Der gestur/.te Namuci schöpft aus der Erkenntnis der Notwendig-
keit Gleichmut 3<>3
227. Eine andere Version von Adhyaya 223 und 221 306
228. Übergang der Tri von den Danava's zu den Göttern .... 318
2'-".'. ,laigi>havya zeigt den Weg zur wahren Glückseligkeit. . . . 327
23<>. Närada wird als ethisches Ideal geschildert •' '>.')<>
231. Vyasa belehrt den Cuka über die Einteilung der Zeiten, . . 332
232. über die Schöpfung der Elemente und der Welt aus Brahman
und ihre Degeneration, 336
233. Ober die Auflösung der Welt in Brahman, 340
234. Ober die Pflichten der Äcrama'a und Beispiele belohnter Frei-
gebigkeit. 312
235. Ober Vedastudium, Opfer und das ethische Verhalten des Brahmanen, 316
236. Ober Yoga nnd seine Früchte, Avyaktam und Vyaktam, San-
khyani und Yoga, 31'.»
237. über die Erkenntnis als Weg zur Erlösung und die Kla.-Mtika-
tion der Wesen. 354
23-, über Werke und ihre zunehmende Degeneration in den W> Haltern, 337
239. über den Atman und sein Verhältnis zur Leiblichkeit, . . . 359
240. Ober das rechte Verhalten des Yogin, 362
241. Ober die Bindung durch Werke und die Erlösung durch Wissen, 366
242. über die Pflichten des Brahmacarin, 368
XIV
Inhaltsverzeichnis.
AdbyAy» (ed. C»lc).
Seite
9 4 3
ülipr <1pii ( irtln^tlui und *;pinp vipr T'ntpriirtpfi
372
244.
über den Yänanrastha und iSannväsin,
IL I
375
245.
über den Bhikshu ( SannvHsin).
378
J4o.
uoei tue nerunigung ais rimni des v\ lssens,
383
"47
lihpr (Up FlpmpntP im Kornor diu n^vrhisrhpn ()rf:mp und ilii»
Vi U VT 1 Uli. i 'IL UltU IV J III AYV'l|Jl_. 1^ 11 1 V, JKTl LJllpl.UCU V 1 f_ »l 1 1 \Z UUU III V
Gima's
248.
über Manas und Ruddhi den Atman und die Guna's .
LA U V» A * * A *■* 11 1.» «_7 VI II \1 -A " U\l » A II 1 ^ V» ■ A i « (■ III V* 4 A UU VA W| V X^H V* AI w a • • • •
m
k >4M
iiher Hip \ ))*sr}itit tln iur dpi* ftiiii$i?fl tinil iiif> Krlft nirnncr ilpr Er-
UUvl Ulv ^ilJ^vlllÄLl.llilljfe^ Uvl * • Uli tA .t Ii ÄJIÄ UIL Ä_A IXiXLl^ltlJ^ HCL XJÄ
3!K)
250,
über die Konzentration des Geistes und ibre Frucbt
Z.)l.
394
252
übpr die» KIpitipiiIp und ibrp Vprbrpit niif im Lpüip
397
253.
über Li nira in Sattvam Rhütätman
398
254
über die Rppierdp als Raum und dpn "Menschen als verseuchte
Stadt
400
255.
und nnlia riiTkiwpi'ip iihpi' dip Onalitätpn von F.lempntpn \fanas
II 11 VI tllllliAUL,kjTvvl»3V UUVI VI l V. \J VlullLill-vlJ 1 uii 1V7111V.11LV 11 . .11(1 utl J
imrl 14 1 1 /^l ri Vi 1
257.
fB 256^ Näradn. erzählt wie Gott Brahnian dip Geschönte vei-
brennen wollte
m.
258
wip Auf f^iVA's Rittp diis Vpiipr ntph in dip Alritvii vprwandpltp
TIC AU1 Yl'** v Ullfc^ Uüü X VUCl Dlvlt 1U Ulv iVll 1 1 > vi > fZl " II 'H-' 1 v V ^
40<
o\<»
wie Mrityu sich weipert, die Gescbople zu vernichten, und wie
dio von ihr Nertros^enpii Tranen als Krankheiten die Geschonte
\*> V V A4 & *-» A » \_ A k V » O kJVUv LS .AV AV UUv'l M • u A-A. 1 tili AA A_l L 1 vi, II VA ■ \J vOVUV L/ *• V»-
wei/raftpii
40:
260.
Moralischer Wandel und gutes Gewissen als Folge
4Ü
261.
Skeptische Einwendungen gegen die Autorität der Pnicht . .
41'
262.
Jajali läfst auf seinem Kopfe die Vögel brüten und geht zu
41
263.
Tulädhära fordert statt Askese Schonung der Wesen, . . . .
42
264.
42
265.
Die Vögel stimmen ihm zu und preisen die Craddha (Glaube) .
43
266. Aussprüche des Königs Vicakhyu gegen das Tieropfer ... 43
267. Erzählung vom Cirakarin; Kindespflichten ; Lob der Saumseligkeit 43
268. Gespräch des Dyumatsena und Satyavant Ober die Todesstrafe 4-1
269. Syümaracmi verteidigt gegen Kapila die Tieropfer, 44
270. sowie den Hausvaterstand gegenüber der Entsagung . . . . 4;"
271. Kapila lobt die alten Zeiten und die Entsagung 4(
272. Der Brahmane und Kundadhära: Nicht Reichtum, sondern Ge-
rechtigkeit und Askese sind begehrenswert 4<
273. Satya und die Gazelle: Verwerfung des Tieropfers 4'
274. Röses und Gutes, Weltverdrossenheit und Erlösung .... 4'
275. Selbstbezahmung als Weg zur Erlösung 4'
276. Elemente, psychische Organe und der Atman 4'
277. Janaka preist die Besitzlosigkeit und Entsagung 4<
278 = 175 4
279. Das Leben des Sannyäsin nach Harlta's Vorschrift 4
280. Der gestürzte Vritra weist auf die Allmacht der Zeit hin . . 4
Inhaltsverzeichnis.
XV
Aihjkj* (ed. Calc.) Seite
281. U (jauas preist den Vishnu als Allseele und klassifiziert die
Sutten der Seelen nach den Farben 4H0
2*2. lndra, von (,'iva als Fieber und Vishnu als Donnerkeil unter-
stützt, bekämpft den Vritra 41*8
2*3. und tötet ihn; wird von der Brahmahatyä befallen und von ihr
befreit 502
2*4. Dakska's Opfer wird auf Antrieb der Umä von Uiva's Scharen
gestört; Entstehung des Fiebers und seine Verteilung . . . 501)
2*5. Andere Version derselben Erzählung 515
2*»». Das Cira*ahasranäman. Qiva's Gnade gegen Daksha .... 522
2*7. Grofse Elemente; körperliche und psychische Organe; der Ätman
schafft die Guna's 534
2**S. Samanga lehrt: Erkenntnis befreit vom Leiden 5311
2*n. Vier Lebensrichtungen mit gemeinsamer Moral. Warnung vor
schlechtem Umgang 541
290. Arishtanemi lehrt: Loslösung von Welthang und Angehörigen
macht wahrhaft frei 547
2*.«1. Geschichte vom Ucanas als £ukra (Planet Venus, Same). . . 552
2l»2. Paracara lehrt die Vergeltung der Werke, 556
2l»3. spricht über die Frucht guter und böser Werke, 558
214. empfiehlt Freigebigkeit und Rechtschaffenheit, 561
21*5. Schonung des £udra und Befolgung der Kastenpflichten,. . . 563
2l*i. schildert die Korruption der Sitten und ihre Wiederherstellung
durch (,'iva, 666
21*7. warnt vor Egoismus und empfiehlt die Askese, 561)
21*8. spricht über Mischkasten, besondere und allgemeine Kasten-
pflichten, 572
21)1). über Todesarten und Schicksale nach dem Tode, 577
300. über Nichtanbänglichkeit, Leidenschaftslosigkeit, Entsagung und
Askese 581
301. Brahmän als Schwan empfiehlt Sanftmut, Geduld und weitere
Tugendeu 587
302. Kraft, Frucht, Methode und Zauberkunst des Yogin . . . . 5'.)2
303. Inbegriff und Eschatologie der hier Sänkhyam genannten Atman-
lehre 5l»8
304. Evolution des Mahän usw. aus dem Urwesen ((Jiva, Vishnu) . 601)
3<6. Der Purusha wähnt sich in die Prakriti verstrickt und verfällt
der Wanderung 614
306. Purusha und Prakriti mit den Mondteilen verglichen . . . . 618
3u7. Janaka's Vergleich von Purusha und Prakriti als Mann und
Weib durch Vasishtha widerlegt ..." 620
Yogapraxis. Der Fünfundzwanzigste und die übrigen Sünkbya-
prinzipien 624
301). Das Vergängliche und Unvergängliche; der Fünfundzwanzigste
im Stande der Erweckung 621)
1 0. Der Sechsundzwanzigste als der Erweckte; wem mitzuteilen 633
Digitized by Google
XVI Inhaltsverzeichnis.
AdhjAy» (ed. Calc.) Sei
311. Schilderung des guten Menschen &
312. Vierundzwanzig Evolutionsstufen und neun Emanationen im
Säiikhyam 6-
313. Tag und Nacht von Brahman, Brahman, Ahankära und Elemen-
ten, Funktion des Manas 6
314. Stufenweise Vernichtung der Welt und Eingang in <>mbhu . 6
315. Organe, Funktionen, Schutzgottheiten. Schilderung der drei
Guna's 6
316. Verflechtung der tiuna's. Prakriti und Ksbetrajna 6
317. Purusha und Prakriti verschieden und doch zusammen wirkend . 6
318. Qualitäthafter und qualitätloser Yoga 6
319. Stätten nach dem Tode; Vorzeichen des Todes 6
320. Yäjnavalkya erhält vom Sonnengott den weifsen Yajurveda und
beantwortet die Fragen des Vicvävasu über den Ätman der
Sä&khyalehre 6
321. Pancacjkha über die Vergänglichkeit des Lebens 6
322. Streitreden zwischen König Janaka und der Bettelnonne Sulabha *
323. Vyäsa belehrt den £uka über Vergänglichkeit, Pflichterfüllung
und Vergeltung (
324 = 181 \
325. Vyäsa übt Askese, um einen übermenschlichen Sohn zu erhalten '
326. Quka's wunderbare Geburt und Erziehung '
327. £uka's Wanderung nach Mithilä und Empfang am Hofe des
Königs Janaka
328. Janaka belehrt den £uka über die vier Acrama's und die Erlösung
329. £uka wird Schüler seines Vaters auf dem Himalaja. Episode
von Skanda's Lanze
330. Vyäsa und £uka studieren den Veda. Exkurs über die sieben
Winde
331. Närada erteilt dem £uka ethische und psychologische Lehren,
332. spricht buddhistisch über das Leiden und seine Heilung durch
Erkenntnis,
333. erörtert Vergänglichkeit, Zufälligkeit und Ungerechtigkeit des
Daseins, <>uka nimmt Abschied von Närada und Vyäsa . .
334. £uka's Fing zum Himmel
335. Vyäsa fliegt dem £uka nach. Entstehung des Echos ....
336. Närada sucht in Badaii den Nara und Näräyana auf, die dort
den Atman verehren
337. Närada geht nach ^vetadvlpa. Uparicara. Das Gesetzbuch der
Citracfchandin's
338. Opfer des Uparicara, Besänftigung des Brihaspati durch die Er-
zählung von den weifsen Männern
339. Parteiischer Schiedsspruch und Strafe des Uparicara ....
340. Närada preist den grofsen Purusha mit 199 Namen ....
341. Näräyana zeigt sich dem Närada und teilt ihm seine vier Vyüha's
und seine Avatära's mit
Digitized by Google
Inhaltsverzeichnis.
XVII
A&hjkj* (ed. Calc.) Seite
342. Xäräyana belehrt die Götter und Rishi's über die Satzungen
der Aktivität und Passivität 783
343. Identität von £iva und Vishnu. Etymologie der Kamen Vishnu' s 794
344. Entstehung von Agni und Sorna. Beispiele für die Übermacht
der Brahmanen. Streit und Identifikation Vishnu's mit f;iva's 800
345. Närada berichtet in Badaii seine Erlebnisse in £vetadvipa . . 818
346. Hervorgehen der Sänkhyaprinzipien aus Vishnu, Eingang in ihn
nach dem Tode 824
347. Opfer auf Vishnu zielend; die Söhne als Lehrer der Väter;
Vishnu (Vriahdkapi) und die drei Pinda's 827
348. Vyäsa als Verfasser des Mahabhdratam. Das Rofsopfer. Preis
des Vishnu 830
349. Brahmän's Entstehung aus Vishnu, Vedenraub, das Roishaupt
als Retter 832
350. Ekäntin's = Sätvata's. Siebenmalige Erneuerung ihrer Lehre.
Die vier Vyüha'a. Sättvika's, Vyämicra's und Vaikärika's . 841
351. Vyäsa's Abstammung. Brahmän Weltschöpfer durch Vishnu's
Buddhi. Särasvata Apäntaratamas als Ordner der Veden . . 849
352. Brahmän erklärt dem Qiva die Einheit und Vielheit der Purusha's 856
.'J53. Über den höchsten Purusha 859
354—367. Ein Brahmane forscht nach der höchsten Pflicht und wird
von einem Nftga durch die Erzählung von dem Eingange des
Ährenlesers in die Sonne darüber belehrt, dafs Entsagung
das Höchste sei 862
IV. AKüGiTÄ.
16. Krishna erzählt dem Arjuna, was ein Siddha über den Weg zu
seiner Vollendung dem Käcjapa mitgeteilt habe 885
17. Über die Auflösung des Leibes und die Schicksale nach dem Tode 890
18. Wesen des Jlva. Brahmän schafft das Pradhänam 894
19. Weg zur Erlösung und Theorie des Yoga 898
20. Gespräche eines Brahmanen mit seiner Frau über den Körper.
die Präna's und das Vai^vänarafeuer 904
21. Die zehn Organe und ihre Objekte als Hotar* und Huris . . 907
22. Die sieben Hotars. Verhältnis des Manas zu den Indriya's 911
23. Machtsphäre der fünf Präna's (Hotar's) 914
24. Entstehung und wechselseitiges Verhältnis der Präna's . . . 917
25. Karanam, karma, kartar, moksha als Hotar's 919
26. Xäräyana (der Ätman) als Herr im Herzen weilend .... 921
27. Sansära und Brahmän als Wildnis und Wald 923
28. Gespräch eines Adbvaryu mit einem Yati (Iber die Ahiimi . . 926
29. Kärtavlrya und Räma. Vernichtung der Kshatriya's .... 929
30. Bekämpfung der Sinne als der stärksten Feinde durch Yoga . 932
31. Sattvam. Rajas und Tamas als Feinde. Ätman und Trishnä . 935
32. König Janaka als alles und nichts besitzend 937
I>KVH«sx. Mab*bbAr»t*ra b
Digitized by Google
XVIII Inhaltsverzeichnis.
Adhyiy* (ad. Calc.) Seit«
33. Schlufs des Gespräches zwischen dem Brahmanen und seiner Gattin, 040
34. sie sind Manas und Buddhi des Krishna 941
35. Ein Lehrer belehrt seine Schüler über die fünfundzwanzig
Prinzipien 942
36. Zusammensetzung des Leibes. Tamas. Aväksrota» .... 948
37. Das Kajas. Arväktrotas 951
38. Das Sattvam. CrtiheasroUu 953
39. Verflechtung der Gunas. Die Prakriti 955
40. Der Mahän, der Ahankära und die Elemente 957
41. Ahaükära und Prajäpati 959
42. Die psychischen Organe, Befreiung von ihnen durch Meditation 960
43. Verschiedenes. Die Organe und der Atman 966
44. Ursprung und Ende der Wesen im einzelnen 970
45. Allegorie: Das Leben als Rad 972
46. Brahmacärin, Vanaprastha und Sannyasin, ihre Pflichten und
ihr Ziel 975
47. Entsagung und Erkenntnis; die Welt als Baum, der zu fällen ist 980
48. Verbindung und Verschiedenheit zwischen Purusha und Sattvani 982
49. Befragung des Brahmau über den wahren Dharma 984
50. Ahinsä und Jiiänam. Kshetrajna und Kshetram. Die Organe
und ihre Eigenschaften 986
51. Die Sinne als Rosse und verwandte Allegorien. Die Erlangung
des Brahman als Ziel 991
Index bemerkenswerter Namen und Begriffe 997
Zitaten -Index 1009
Stammtafel 1010
AUSSPRACHE.
In indischen Wörtern ist
c, oh wie tsch, tsehh
j, jh wie dscli, rischh
zu sprechen; also: Yddschnavalkya, Tnchhundogya usw.
<; ist ein mittlerer Laut zwischen s (stets scharf) und sh ( = seh).
Die Betonung richtet sich, wie im Lateinischen, nach der Quantita
der vorletzten Silbe; ist dieselbe lang, so hat sie den Akzent, ist si
kurz, so liegt er auf der drittletzten Silbe (e und o sind stets langk
Nach der vou uns befolgten Schreibweise sind alle Wörter auf
Maskulina, alle auf a Feminina, alle auf am Neutra: der Veddnt
die Mimähsdf das SüAkhyam (sc. d<ir?anainu
Digitized by Google
SAXATSUJATA-PABVAN.
>Uhibhir*Hm Buch V, Adhyaya 40-45, Vers 1565-1790, C.
Buch V, Adhyaya 41-4C, B).
Digitized by Google
Adhyaya 40 (B. 41).
Vers 1565-1576 (B. 1-12).
Dhritarashtra sprach :
1. fi565.) Wenn, o Vidura, irgend etwas ist, was durch
deine Rede noch nicht gesagt wurde, das sage, indem ich
zuhöre, denn Wunderbares redest du.
Vidura sprach:
2. (1566.) O Dhritarashtra, jener alte ewige Jüngling,
Sanatsujäta, hat gesagt: „Der Tod ist nicht' 4 , o Bhärata.
3. ri567.) Er, der Beste aller Weisen, wird dir, o grofser
König, alle Zweifel des Herzens, die geheimen wie die
offenen, lösen.
Dhritarashtra sprach :
4. (1568.) Weifst du das nicht besser, was mir der Ewige
sagen soll? Sage du es mir doch, o Vidura, wenn deine
Weisheit nicht schon erschöpft ist.
Vidura sprach:
5. ü56ö.) Ich bin aus einem Oudra-Schofs geboren und
vermag nichts weiter mehr zu sagen; aber von der Weisheit
jenes Jünglings weifs ich, dafs sie eine ewige ist.
6. (i57oj Denn wer in einem brahmanischen Mutterschofse
geweilt hat, der ist, auch wenn er sehr Geheimnisvolles ver-
kündet, dafür von den Göttern nicht zu tadeln, darum sage
ich dir dieses.
Dhritarashtra sprach:
7. (1571.) Befrage für mich, o Vidura, jenen Alten, Ewigen,
wie sein Zusammenkommen mit dieser meiner Leiblichkeil
hier möglich ist.
l*
Digitized by Google
■
4 I. Sanatsujata-parvan.
Vaicampäyana (der Erzähler) sprach :
8. (1572.) Da gedachte Vidura jenes Weisen von geprie-
senem Wandel, und dieser, erkennend, dafs man seiner ge-
dachte, machte sich sichtbar, o Bhärata.
9. (isla.) Er aber empfing ihn mit der aus dem Ritual
bekannten Zeremonie, und nachdem jener sich behaglich
niedergelassen und ausgeruht hatte, sprach Vidura zu ihm:
10. (1574.) 0 Heiliger, ein Zweifel besteht in dem Herzen
des Dhritaräshtra, welchen ich ihm nicht erklären kann, so
wolle du ihm ihn erklären,
11. (1575.) damit dieser Fürst der Menschen, seine Er-
klärung vernommen habend, zu einem über alle Leiden Er-
habenen werde, dergestalt, dafs ihn weder Gewinn noch Verlust,
weder Liebes noch nassenswertes , weder Alter noch Tod,
12. (157G.) weder Furcht noch Unmut, weder Hunger noch
Durst, weder Übermut noch Überhebung, weder Unlust noch
Erschlaffung, weder Begierde noch Zorn, weder Schmälerung
noch Förderung zu überwältigen vermögen.
So lautet im ßanatsujata-parvan die Bitte des Vidnra
C Vidura - prdrlhand).
Aclhyäya 41 (B. 42).
Vers 1577-1620 (B. 1-46).
Vaicampäyana (der Erzähler) sprach :
1. (1577.) Da geschah es, dafs der weise König Dhri-
taräshtra, nachdem er jenes von Vidura geäufserte Wort
verehrt, verlangend zum grofsen Atman zu werden, den
Sanatsujäta in der Einsamkeit nach der höchsten Erkennt-
nis befragte.
Dhritaräshtra sprach:
2. (1578.) 0 Sanatsujäta! Was ich hier als deine Bo
hauptung höre, dafs der Tod nicht sei — die Götter utk
die Dämonen wurden ja Brahmanschüler, um den Nicht
Tod zu erlangen (Chänd. Up. 8,7 fg.) — welches von beidei
[dies oder das Gegenteil] ist da die Wahrheit?
Digitized by Google
Adhyäya 41 (B. 42).
Sanatsujäta sprach:
3. (i57y.) Wonach du durch die Zeremonie [oben, Vers 1073]
gefragt hast, ob es keinen Tod gebe oder das Gegenteil,
darüber vernimm, was ich dir sage, o König, damit du keinen
Zweifel darüber habest.
4. (1580.) Vernimm, o Fürst, hierüber beide Wahrheiten
[die empirische und die metaphysische]. Nur aus Ver-
blendung wird der Tod von den Sängern für wahr ge-
halten. Ich aber erkläre den Tod für eine Täuschung,
und für die Nicht -Täuschung erkläre ich das Unsterblich-
sein.
5. (lssi.) An dieser Täuschung sind die Dämonen zu-
grunde gegangen, durch die Nicht-Täuschung gelangt
man zum Brahmansein. Der Tod ist doch nicht wie ein
Tiger, der die Menschen verschlingt, und er hat doch
nicht eine Gestalt, die man wahrnehmen könnte.
G. ( — .) Hingegen ist, wie einige lehren, Yama ein von
jenem (Mrityu) verschiedener Todesgott. Nämlich im
Atman wurzelnd und unsterblich ist der Brahmanwandel,
während jener Gott in der Väterwelt sein Reich regiert,
gütig gegen die Guten, nicht gütig gegen die Nicht-Guten.
7. (1582.) Auf sein Geheifs verbreitet sich über die Men-
schen der Zorn, die Täuschung und der Tod, der seinem
Wesen nach Begierde ist. Und durch die Selbstsucht
auf Abwege geführt, erlangt keiner Vereinigung mit dem
Atman,
8. (158.1.) sondern verblendet leben sie unter seiner
[des Todes] Herrschaft, und von hier abgeschieden ver-
fallen sie derselben wiederum (Käth. Up. -?,(>). Und ihnen
nach geraten die Götter [vielleicht die Sinnesorgane]
in Verwirrung: dann nimmt der Todesgott den Namen
Tod an.
9. (1584 ) Indem das Werk ihnen vorschwebt, indem
sie der Frucht der Werke nachtrachten, schreiten sie
auf diesem Wege fort und kommen nicht über den Tod
hinaus, und die Seele, die Hingebung an heilsame Zwecke
verfehlend, dreht sich im Kreise, d«m Genüssen hin-
gegeben.
Digitized by Google
I. Sanatsujata-parvan.
10. (1585.) Dieses ist die grofse Verblendung der
Sinne: des Menschen Gang bewegt sich fort und fort
im Dienste trügerischer Zwecke, und die innere Seele
von diesem Dienste trügerischer Zwecke geschädigt
und ihrer nur bewufst verehrt die Sinnenwelt, die sie
umgibt.
11. (1586.) Die Begierde ist es, welche zuerst die Men-
schen schlägt, und sie zieht Lust und Zorn als ihr Ge-
folge schnell hinter sich her, diese aber führen die Toren
dem Tode in die Arme, während die Einsichtigen durch
ihre Einsicht den Tod überwinden.
12. (1587.) Man unterdrücke durch die Meditation die
aufflatternden [Lüste], in Unbekümmertheit sie nicht be-
achtend; einen solchen frifst nicht gleichsam der zum
Tode gewordene Todesgott, ihn der solches wissend die
Lüste niederschlägt.
13. (1588.) Der Mensch, welcher den Lüsten nachhängt,
geht hinter ihnen her zugrunde; wer aber die Lüste aus
dem Felde schlägt, der schüttelt von sich allen [Sünden-]
Staub (Chänd. Up. 8,13).
14. (1589.) Als ein lichtloses Dunkel sehen die Kreaturen
diese Hölle vor sich; wie verblendet laufen sie ihr entgegen,
indem sie leichtlich wie in eine Grube hineinstürzen.
15. n:»9o.) Wenn aber ein Mensch hienieden unverwirr-
ten Geistes ist, was kann dem wohl der Tod anhaben V
Für ihn ist er gleichsam ein mit Heu ausgestopfter
Tiger. Und um nichts anderes sich bekümmernd, o Fürst
grüble er nicht und stofse aus von sich die Lebenskraft
[der Lüste].
in. (i59i.) Er ist Zorn und Habsucht, ist die mi
Verblendung behaftete innere Seele, das fürwahr is
der Tod, was als solches in deinem Leibe wohnt. We
erkannt hat, dafs auf diese Weise der Tod entsteh*
wer in dieser Erkenntnis feststeht, der fürchtet sie 1
hienieden vor dem Tode nicht. Der Tod, in eines sol
chen Bereich gelangend, wird zunichte, ähnlich wie de
Mensch zunichte wird, wenn er in den Bereich des Tode
gelangt.
Digitized by Google
Adhyava 41 (B. 42)
7
Dhritarashtra sprach:
17. (1592.) Sie reden doch von seligen Welten, von
allerheil igsten, ewigen, welche der Zwiegeborene durch
Opferwerk erlange, und die Veden predigen, dafs diese
das höchste Ziel sind. Wer das weifs, wie kann der um-
hin, das Werk zu betreiben? (lies: na upaiti).
-
Sanatsujata sprach:
18. H593.) Der Nichtwissende ist es, welcher in dieser
Weise dorthin übergeht, und auch für diesen Fall ver-
heifsen die Veden Erreichung der Zwecke; aber nur wer
ohne Streben ist, gelangt zum Höchsten. Als höchster
Atman geht er seinen Weg, jene Wege meidend.
Dhritarashtra sprach :
19. ns-.u.) Wer ist es, der in Verbindung treten könnte
mit jenem Ungeborenen, Alten, wenn dieser Schritt für
Schritt das ganze Universum ist. Was ist sein Wirken,
was ist seine Freude, das sage mir alles, du, der es weifs,
der Wahrheit nach.
Sanatsujata sprach :
20. (1595.) Grofse Versündigung liegt hier in der Ver-
bindung mit der Mannigfaltigkeit, aber durch Verbindung
mit dem Anfanglosen wird man ewig. Dabei geht seine
Erhabenheit in keiner Weise verloren; durch die Ver-
bindung mit dem Anfanglosen haben ihr Sein die Men-
schen.
21. (1596.) Was nun so dieser Heilige, Ewige ist, der
erschafft durch Verbindung mit dem Wandelbaren das
Weltall. Denn für so grofs erachtet man seine Schöpfer-
kraft, und ebenso entstehen [aus ihm] im Zusammenhang
mit dem Schöpfungsinhalt die Veden.
Dhritarashtra sprach:
22. H597.) Derer sind einige, welche in dieser [Schöp-
fung] die Pflichten nicht erfüllen, und wieder andere
gibt es, welche hienieden die Pflichten erfüllen. Wird
Digitized by Google
8
I. Sanatsujäta-parvan.
nun wohl die Pflicht durch das Böse überwunden, oder
überwindet vielmehr die Pflicht das Böse?
Sanatsujata sprach:
23. (1598.) Beiderlei Vergeltung wird in dieser Welt
verhängt, solche für die Pflichterfüllung und solche für
das Gegenteil.
24. (1599.) Aber wer in jenem [dem Brahman] fest-
steht, der Weise schlägt durch sein Wissen beiderlei Voll-
brachtes für immer nieder. Und anderseits wiederum
erntet die Seele das Verdienst der guten Werke, und
ebenso erntet sie, wenn es zur Reife gekommen, das
vollbrachte Böse.
25. (1600.) Ist es dazu gekommen, dann wird beides
vermöge des Werkes sicherlich über ihn verhängt; er
[erntet die Frucht] des Guten und auch des Bösen ver-
möge seines Werkes. Aber der Weise treibt durch die
Pflicht das Böse hienieden von sich; denn die Pflicht ist
das Stärkere, das bildet seine Richtschnur.
Dhritarashtra sprach:
26. (looi.) Die Himmelswelten, welche man uns ver-
heifst für die selbstvollbrachte Pflicht, uns, den Zwie-
geborenen, Gutes Vollbringenden, die ewigen Welten
deren Stufenreihe verkünde mir und auch die ihnen ent-
gegengesetzten, o du Wissender, nicht aber wünsche icl
vom Werke zu hören.
Sanatsujata sprach:
27. (1602.) Jene Brahmanen, welche in Erfüllung ihre
Pflicht wetteifern, wie Starke in Betätigung ihrer Stärkt
diese werden von hier abscheidend in der Brahmanwelt glänzei
28. (1603) Sie, welche in Erfüllung ihrer Pflicht wett
eifern, ihnen wird dieses ein Mittel zur Erlangung der Ei
kenntnis, und solche Brahmanen gehen, aus dieser We
erlöst, in den Himmel, in die himmlische Dreiwelt ein.
29. (1604.) Von einem solchen erklären die vedakundigc
Menschen, dafs sein Wandel vollkommen sei; nicht soll
Digitized by Google
Adhy&ya 41 (B. 42).
9
irgendeinen Menschen, sei es einen Fremden, sei es einen
Nahestehenden , sonderlich beachten. %
30. (1605.) Wo er aber einen besonders ehren will, da
möge er von ihm, dem Brahmanen, wie man in der Regen-
zeit Gras abrupft, so sein Essen und Trinken [annehmen];
davon lebe er und empfinde keinen Neid.
31. (igo«) Wenn aber einer ihm, dem Schweigenden,
[statt eines Almosen] mit Unfreundlichkeit oder Drohung
entgegenkommt, wer dann sich dabei verhält, als geschähe
nichts Besonderes , der und kein anderer ist der beste
Mann.
32. (igo7.) Wenn aber einer für die Person des schweigend
Dastehenden kein Mitgefühl empfindet, eines solchen Brah-
manen Habe soll er nicht geniefsen. Das gilt für die Art,
wie Gerechte sich ernähren.
33. (igo8.) Wie ein Hund das eigene Ausgebrochene wieder
verzehrt fort und fort zu seinem Schaden, so verzehren jene
[Nicht-Gebenden] das Ausgebrochene, weil sie auf ihre Über-
legenheit trotzen.
34. (i«u9.) „Mein Wandel soll immer unbekannt bleiben",
so soll der Brahmane denken. Wer aber unter seinen Ver-
wandten wohnen bleibt, den halten die klugen Leute für
einen Brahmanen.
35. (leio.) Denn welcher wäre wohl imstande, geradezu
seinen Atman zu töten, den merkmallosen, unwandelbaren,
reinen, von aller Zweiheit freien?
3ti. Denn von diesem ausgehend nimmt das Brahman
auch in [dem Leibe] eines Kshatriya seinen W ohnsitz und
blickt aus ihm heraus.
37. (i6ii.) Wer den anders seienden Atman anders [als
er ist] auffafst, welches Böse ist von dem nicht getan worden,
von einem Diebe, der den Atman beraubt.
38. (lei-j.) Unermüdet, nicht nehmend, besonnen, un-
gefährdet, gelehrt, und doch als wäre er nicht gelehrt, das
ist der Brahmane, der brahman wissende Weise.
39. (1613.) Nicht reich an irdischer Habe, aber reich an
göttlicher Einsicht, unüberwindlich, unerschütterlich, wer so
ist, den wisse man als Wohnstätte des Brahman.
Digitized by Google
10
I. Sanatsujäta-parvan.
40. (ich.) Aber jeder, der hier auf Erden aller Götter
als gute Wünsche gewährender sich bewufst ist, der kommt
einem Brahmanen nicht gleich, sondern in jenem [Götter-
dienst] müht er sich mit seinem ganzen Selbste ab.
41. (1615.) Aber der, welchen sie als einen, der sich nicht
abmüht, erachten, der ist wahrhaft geachtet; er achte sich
nicht für einen, der geachtet ist, nicht soll nach Achtung er
mit Mühe trachten.
42. (1616.) Die Welt bewegt sich ja immerfort ihrer Na-
tur gemäfs, wie wenn man die Augen schliefst und wieder
öffnet; aber die Wissenden hienieden achten ihn, und da-
durch erachte er sich als geachtet.
43. (1617.) Im Unrechttun gewandt, betört sind in dieser
Welt dio in der Mayäwelt Bewanderten; mögen sie immer-
hin den achten, der keine Achtung verdient, und die der
Achtung W r ürdigen verachten.
44. (1618.) Denn niemals wohnen beieinander Wcltruhm
und Einsiedlertum ; dies ist die Welt des Ruhmes, jene die
des Einsiedlertums, das wissen sie.
45. (1619.) Das Glück ist hier auf Erden eine Wohnstätte
der Lust, aber in Wahrheit ist es nur ein Hindernis auf
dem Wege. Hingegen das brahmische Glück ist schwer
zu erlangen für solche, welche der Erkenntnis ermangeln,
o Fürst.
46. (1620.) Um zu diesem zu gelangen, gibt es, so sagen
die Guten, vielfältige, aber schwer zu öffnende Pforten; sie
sind : Wahrhaftigkeit, Gradsinn, Schamhaftigkeit, Bezähmung,
Reinheit und Wissen; diese verhindern, dafs Verblendung
entstehe [B. : belehren, so dafs keine Verblendung entsteht].
So lautet im SonatBuj&ta-parvan die Rrdc des SanaUojftta
(So na tsujdta- eäkyam) .
Digitized by Google
Adhyaya 42 (B. 43).
11
Adhyöya 4^ (B. 13).
Vers 1621-1683 (B. 1-63».
Dhritarasbtra sprach:
1. Mfi-ii .) Wessen ist jenes einsiedlerische (schweigende)
Verhalten, um welche Art des Schweigens handelt es sich
dabei? Sage du mir, der du es weifst, das Wesen des
einsiedlerischen Schweigens. Ferner sage mir, ob der
Weise durch Schweigen zum [Einsiedler-] Schweigen ge-
langt, und wie, o Einsiedler, man dieses Schweigen hie-
nieden betreibt.
Sanatsujata sprach:
2. (1622.) Sofern die Veden mitsamt dem Verstände
keinen Eingang bei ihm finden, insofern entsteht sein
Schweigen. Nämlich, wenn das Wort des Veda ertönt,
dann, o Fürst, ist er es eben, welcher erglänzt, weil jenes
[Vedawort] sein Wesen ausmacht.
Dhritarasbtra sprach:
3. (iG-23.) Wenn einer, der den Rigveda, den Yajurveda und
den Säraaveda weifs, Böses tut, wird er dann von dem Dösen
befleckt, oder wird er nicht befleckt?
Sanataujäta sprach:
4. (16-J4.) Nicht die Säman-Lieder, noch auch die Rigveda-
Wrse, auch nicht die Yajus-Sprüche vermögen einen Toren
vor bösem Werke zu behüten. Nicht sage ich dir die Un-
wahrheit.
5. (1625.) Die heiligen Lieder retten ihn nicht vor dem
Unheil, den Verblendeten, in Verblendung Lebenden. Wie
die Vögel das Nest verlassen, wenn ihnen die Flügel ge-
wachsen sind, so verlassen ihn die heiligen Lieder, wenn
sein Ende gekommen ist.
Dhritarasbtra sprach:
f>. fir,26.) Wenn die Veden ohne Pflichterfüllung nicht im-
stande sind, ihn zu retten, o Weiser, warum dann dieses
endlose Gerede der Brahmanen?
Digitized by Google
12
I. Sanatsujata-parvan.
Sanatsujata sprach :
7. (1C27.) Vermöge der in ihm [dem Veda] enthaltenen
mannigfachen Formen, wie Namen usw., erglänzt diese
ganze Welt, o Grofsmächtiger; die Veden zeigen sie auf
und erklären sie vollständig, sie legen diese ganze Mannig-
faltigkeit dar.
8. (1628 ) Zu diesem Zwecke wird [vom Veda] das
Tapas, zu diesem Zwecke das Opfer gelehrt, weil durch
diese beiden der Wissende einen Schatz guter Werke
erlangt, und weil er durch diesen Schatz das Böse nieder-
schlägt und sodann zu einem solchen wird, dessen Atman
durch das Wissen erleuchtet ist.
9. (1629.) Denn durch das Wissen erlangt der Wissende
den Atman. Hingegen im andern Falle, wenn er nach
himmlischem (lies: svarga^odev varga „gemeinem 44 C.) Lohne
verlangt, dann rafft er alles zusammen, was er im Dies-
seits getan hat, geniefst dafür im Jenseits und kommt
sodann auf seinem Wege wieder zurück.
10. (1030.) Das Tapas wird in dieser Welt geübt, seiiu
Frucht wird in jener genossen; den Brahmanen, wenn sie k
dem sich aufzuerlegenden (dhätvc = dhätavya Nil.) Tapas fesi
stehen, werden die jenseitigen Welten zuteil.
Dhritarasbtra sprach:
11. (iu.il.) Wio kommt es, dafs das Tapas, wenn es docl
rein ist, gedeihlich und wiederum nicht gedeihlich werde)
kann? 0 Sanatsujata, das erkläre, damit auch wir dasselb
wissen.
Sanatsujata sprach:
12. (if.32.) Sündloses Tapas, das ist es, was man reine
Tapas nennt, und dieses reine Tapas ist gedeihlich und g<
diehen.
13. (1033.) Alles das, wonach du mich fragst, o Fürs
hat das Tapas zur Wurzel; durch Tapas haben die Veds
wissenden sogar die höchste Unsterblichkeit erreicht.
Dhritarasbtra sprach :
14. (1634.) Erkläre mir, was für Sünde dem Tapas ai
haften kann, denn es gibt, wie ich höre, ein sündloses [mi
Digitized by Google
Adhy&ya 42 (B. 43).
13
hin auch ein sündhaftes] Tapas, damit ich, o Sanatsujäta,
dieses ewige Geheimnis erfahre.
Sanatsuj&ta sprach:
15. (1635.) Dasjenige [ist das sündhafte], welchem die
zwölf Mängel und ehenso, o König, die dreizehn Nieder-
trächtigkeiten anhaften. Hingegen jene anderen [sünd-
losen] Qualitäten sind die zwölf, Pflicht usw., welche
aus der Lehre der Väter von den Brahmanen erkannt
werden.
16. (1636.) Zorn, Lüsternheit, Habgier und Verblendung,
Unstetheit, Hartherzigkeit, Mifsgunst, Dünkel, Verdrossen-
heit, Begierde, Neid und Heimtücke, das sind die zwölf
menschlichen Fehler, welche von den Menschen allezeit
zu vermeiden sind.
17. (1637.) Jeder einzelne von ihnen umlauert die Men-
schen, o Männerstier, nach einer Blöfse spähend, wie der
Jäger das Wild [beschleicht].
18. (1638.) Der Prahlerische, der Begehrliche, der Hoch-
mütige, der Nachtragende, der Wankelmütige und der
Schutzversagende — denen haften die sechs bösen Eigen-
schaften an, welche die bösen Menschen betätigen, ohne
vor der Gefahr [der sie sich aussetzen] zu zittern.
19. (1639.) Nur* an sein Vergnügen zu denken, aus Hoch-
mut unwillig zu sein, seine Freigebigkeit zu bereuen, zu
geizen, allzu schwächlich zu sein, die Schar [der Sinnen-
freuden] zu rühmen, die Gattinnen zu hassen, das sind
die sieben schlimmsten Klassen von Menschenfeinden.
20. (i64o.) Pflichterfüllung, Wahrhaftigkeit, Bezähmung,
Tapas, Selbstlosigkeit, Schamhaftigkeit, Geduld, Neid-
losigkeit, Opfern, Almosengeben, Festigkeit und Sehrift-
studium, das sind die zwölf Gelübde der Brahmanen.
21. (i64i.) Wer sich durch diese zwölf hervortut, der
wird diese ganze Erde beherrschen; wer aber mit dreien,
zweien oder nur einer von ihnen begabt ist, dem wird
Eigentum zuteil, so soll man wissen.
22. (1642.) Bezähmung, Entsagung und Besonnenheit, in
diesen liegt Unsterblichkeit beschlossen; sie werden als Ein-
Digitized by Google
14 I. Sanatsujäta-parvan.
gangspforten zur Wahrheit bezeichnet von Brahmanen, welche
weise sind.
23. (1643.) Die Bezähmung nun befafst achtzehn Tugen-
den. [Wem nicht anhaften]: Widerspenstigkeit im Tun und
Lassen, Unwahrheit, Mifsgunst, Lust und Ausgehen auf Nutzen,
Begehrlichkeit,
24. (1644.) Zorn, Verdrossenheit und Durst ftrishnuj, Be-
gierde, Ohrenbläserei, Selbstsucht, Grausamkeit, Selbstanklage,
Verstimmtheit,
25. (1645.) Vergefslichkeit , hochfahrendes Wesen und
Selbstvergötterung; — wer von diesen Fehlern befreit ist,
der wird von den Guten ein Bezähmter genannt.
26. (1646.) Unbesonnenheit hat achtzehn Fehler, Entsagung
ist von sechsfacher Art. Erstere [achtzehn] werden als Gegen-
sätze, nämlich als Fehler der Unbesonnenheit genannt.
27. (1647.) Höher aber steht die Entsagung. Sie ist von
sechs Arten ; von ihnen ist die dritte schwer zu vollbringen :
mit ihr aber befreit man sich vom Leid; wer sie vollbringt
der gewinnt sich einen Freund [B. gewinnt, was ihm ver-
feindet war].
28. (1648.) Höher aber steht die Entsagung; sie ist voi
sechs Arten : dafs man über erlangtes Glück sich nicht freu
[ist die erste]; dafs man Opfer und gute Werke vollbringt
ist die zweite, weil diese zu der vollständigen Begierdelosig
keit gehören.
29. (1640.) Aber die Entsagung in bezug auf die Lusi
o Fürst der Könige, das ist die dritte Art, so wird gelehr
Von ihr sagt man auch, dafs sie unaussprechlich sei; da
ist die dritte Eigenschaft, so wird gelehrt.
30. (1650.) Dasjenige, was einem zuteil wird durch Eni
sagung in bezug auf Güter und durch Nicht -Anhänglichke
an sie aus Lust, [der Nachsatz fehlt in C] das wird einei
nicht auch zuteil durch Güter und auch nicht durch Ai
hänglichkeit an sie.
31. U nd wenn auch die Werke nicht vollbracht werde
so ist das nicht schlimm, und man betrübe sich nicht da
über. (1651.) Übrigens kann auch mit allen Tugenden ve
bunden sein, wer reich an Gütern ist.
Digitized by Google
Adbyäya 42 (B. 43).
15
32. Wenn aber Unerfreuliches ihn trifft, so wird er nie
dadurch erschüttert werden. (1652.) Söhne und Gattinnen, so
erwünscht sie sind, möge er niemals fordern.
33. Dem Würdigen, wenn er etwas fordert, soll er es
geben, so ist es recht. (1653.) Zu einem Besonnenen wird er
durch das Folgende; und dieser besitzt acht Eigenschaften:
34. Wahrhaftigkeit, Meditation, Versenkung, Betriebsam-
keit und Begierdelosigkeit, (1654.) Ehrlichkeit, Keuschheit und
Unbestechlichkeit.
35. Entsprechend sind die Fehler der Unbesonnenheit,
und diese Fehler soll man meiden. (icö5.) So steht es mit
der Entsagung und der Besonnenheit, und diese [letztere]
besitzt die acht Eigenschaften.
36. Acht Fehler sind der Unbesonnenheit und diese Fehler
soll man meiden. (ic56.) Wer von den fünf Sinnen und von
dem Manas, o Bhärata, vom Vergangenen und vom Zukünf-
tigen Befreiung erlangt hat, dem ist wohl.
37. (1657.) Sei wahrhaften Selbstes, o Fürst der Könige;
in der Wahrheit wurzeln die [Himmels-] Welten; sie haben
die Wahrhaftigkeit als Pforte. In der Wahrhaftigkeit ist die
Unsterblichkeit beschlossen.
38. (1658.) Man soll die Sünde austilgen und das Gelübde
des Tapas befolgen; das ist das vom Schöpfer beobachtete
Verhalten und das wahrhafte Gelübde der Guten.
39. (1659.) Wenn man von jenen Sünden sich befreit und
mit jenen Tugenden angetan ist, das ist das überaus gedeih-
liche, lautere Tapas.
40. (1660) Und wonach du mich fragst, o Fürst der
Könige, darauf sage ich dir zusammenfassend: dieses ist das
gute Werk, welches das Böse vertilgt, und welches Geburt,
Tod und Alter abwehrt.
Dhritarashtra sprach:
41. (1661.) Wer die vier Veden mit den [ergänzenden]
Erzählungen als fünftem kennt, der Mensch wird am höchsten
gepriesen ; ebenso andere, welche die vier Veden kennen, und
wieder andere, welche drei Veden studiert haben,
42. (i66i.) und wieder andere, welche zwei Veden, welche
Digitized by Google
I
I. Sanatsujata-parYan.
einen Veda und welche gar keine Vedaverse kennen. Wer
von diesen allen ist derjenige, den ich als den wahrhaften
Zwiegehorenen betrachten soll?
Sanatsujata sprach:
43. (1663.) Wegen der Unkenntnis des einen Zuwissenden
(mit C. : vedyasya) sind jene vielen Veden verfafst worden,
jenes einen Wahren, o Fürst der Könige, in welchem nur
wenige wurzeln.
44. (1664.) Dies ist der wahre Veda; ihn kennt man nicht
und lebt in dem Wahne: „ich bin wissend". Almosengeben,
Vedastudiura und Opfer, das alles entspringt aus der Be-
gierde.
45. (1665.) Und derartiges Verlangen entsteht bei solchen,
welche vom Wahren abgefallen sind. Daraus entspringt die
Ausbreitung der Opfer, indem man sie für das Wahre hält.
46. (1666.) Aus Gedanken entspringt es bei dem einen,
aus Worten bei dem andern oder auch aus Werken. Aus
Verlangen ist der Mensch gemacht, auf Verlangen gründet
er sich.
47. (1M7.) Weil er nicht fest an jenem Einen hält, darum
betreibt er das Weihegelübde; es ist blofses Wort, aus der
Naturanlage entsprungen. Aber für die Guten ist jenes W r ahre
das Höchste.
48. (1668.) Das Wissen ist etwas Immanentes, als ein
Transfcendentes entsteht das Tapas. Aber einen Zwie-
gehorenen, der viel studiert, wisse als einen, der viele Worte
macht.
49. (ir.69.) Darum, o Fürst, mögest du nicht einen weger
seines vielen Geredes für einen Zwiegehorenen ansehen, unt
nur, wer von dem Wahren nicht abweicht, den sollst du an-
erkennen als einen Brahmanen.
50. (lern.) Die heiligen Lieder nämlich, sie hat jene
Atharvan umgeben von der Schar der grofsen Weisen vor
mals gesungen; sie, welche jene heiligen Lieder kenner
wie auch welche den Veda nicht studiert haben, sie all
wissen nicht die Wesenheit des durch den Veda (hier
die Upanishad's, Nil.) Zuwissenden.
Digitized by Google
Adhy&ya 42 (R 4.1).
17
51. (1671.) Denn die heiligen Lieder, o Trefflichster
der Menschen, entstehen hier durch die Anklammerung
an die eigenen Wünsche. Die Kenner der heiligen
Hymnen und sie, welche jene [Veden] nicht studiert
haben, alle diese Edlen gelangen nicht zu dem, was
man aus dem Veda nicht lernen kann.
52. (167*2.) Mancher ist nicht ein Kenner der Veden,
und mancher wiederum, o Fürst, kennt sie. Wer die
Veden kennt, der kennt darum noch nicht das Zu-
wissende, aber wer in der Wahrheit feststeht, der er-
kennt das Zuwissende.
53. (1673.) Mancher ist nicht ein Kenner der Veden ;
durch das, was durch Wissen zu erreichen ist, wissen
[andere] den Veda, aber nicht das Unwifsbare. Wer den
Veda weifs, der weifs nur das Wifsbare; wer das Wifs-
bare weifs, der weifs darum noch nicht die Wahrheit.
54. (1674.) Wer die Veden weifs, der weifs zwar das
Wifsbare, nicht aber wissen ihn [den Ätman] die Veda-
kenner, noch auch die Veden. Immerhin wissen durch
den Veda das Wissen solche Brahmanen, welche veda-
kundig sind.
55. (1C75.) Denn was die Zweige eines Baumes [für
das Aufsuchen am Himmel] eines kleinen Teiles der Mond-
sichel sind, das sind, wie man uns lehrt, die Veden für
die Erkenntnis des höchsten Atman als das wahre Ziel.
50. (IC7G.) Ich erkenne an als Brahmanen einen kundigen
Erklärer; er, der die Bedenken abgestreift hat, er hellt alle
Zweifel auf.
57. (1677.) Nicht möge das Suchen nach ihm nach Osten
und nicht nach Süden gehen, nicht herwärts zu, noch weniger
in die Quere; nicht soll man versuchen ihn irgendwie [auf
dem Wege der Erkenntnis] aufzuzeigen,
5H. (1678.) oder irgendwie Nachforschungen über ihn an-
zustellen bei den ihm entgegengesetzten [vielheitlichen Dingen],
indem man somit darauf verzichtet, ihn im Veda zu suchen, —
das Tapas schaut ihn als den Herrn.
59. (1679.) Schweigend soll man in Verehrung sitzen, ohne
sich auch nur im Geiste zu bewegen; so wende dich hin
Pef*««». M*h4bhAr»lam. 2
Digitized by Google
i
18 I. Sanatsujata-parvan.
zu jenem Brahman, welches im innern Selbste vernehm-
bar ist.
60. (1680.) Nicht durch Schweigen wird man zum Muni,
nicht zum Muni durch Wohnen im Walde, sondern wer die
Wesenheit des Selbstes kennt, der wird der beste Muni
genannt.
Gl. (icsi.) Durch Analysis aller Dinge wird man ein
Analytiker genannt; weil er diese Analysis von Grund aus
analysierend übt, darum heifst er so.
62. (1682.) Ein Mann, der das Wahrnehmbare sieht in
diesen Welten, ist ein Allsehender, aber der Brahmane, der in
der Wahrheit fest steht und sie erkennt, ist ein Allwissender.
63. (1683.) Und auch wer in der Pflicht usw. beharrt, kann
auf diese Weise das Brahman schauen, wie auch der, der die
Veden der Reihe nach treibt. Dieses sage ich dir mit Uber-
zeugung.
So lautet im SauaieujAta-parvan die Hede de« Sanataujita
(Sanatsujdta'rAkyatHj.
Aclhyftya 43 (B. 44).
Vers 1684-1714 (B. 1-31).
Dhritaräshtra sprach :
1. (1684.) 0 Sanatsujata, jene höchste Lehre vom
Brahman, die allumfassende, von der du sprichst, jene
höchste, freilich schwer zu fassende Mitteilung, jene
Rede verkünde mir, o Fürstensohn.
Sanatsujata sprach:
2. (1685.) Nicht von einem Eiligen ist jenes Brahmar
zu erfassen, nach welchem mich fragend du dich so über-
aus aufgeregt zeigst. Nur dann, wenn das Manas ii
der Buddhi absorbiert ist, läfst sich diese im Denkei
zu erfassende Wissenschaft durch Brahmanwandel er
langen.
Dhritaräshtra sprach :
3. 0686.) Jene unendliche, ewige Wissenschaft , vo
der du sagst, dafs sie nur durch Brahmanwandel zu ver
♦
Digitized by Google
Adhyaya 43 (B. 44).
19
wirklichen sei, und welche unergreifbar ist, solange
hienieden die Zeit des Wirkens andauert, wie läfst sie
sich, wie läfst sich Brahmanheiligkeit, Unsterblichkeit
erlangen ?
Sanatsujäta sprach:
4. (lbsr.) Ich will dir die geheime Wissenschaft der
Altvordern verkünden, welche durch Einsicht und Brah-
manwandel von ihnen verwirklicht wurde, welche erlangt
habend man diese sterbliche AVeit aufgibt, und welche
fürwahr nur solchen eigen ist, die bei einem Lehrer er-
zogen wurden.
Dhritarashtra sprach :
f>. Hess.) Wenn diese Wissenschaft durch Brahman-
wandel ohne Schwierigkeit erlangt werden kann, von wel-
cher Art ist dieser Brahmanwandel ? Das, o Brahmane,
sage mir.
Sanatsujäta sprach:
6. (1C89.) Die, welche hienieden in den Mutterleib
eines Lehrers eingehend und zu seiner Leibesfrucht wer-
dend den Brahmanwandel wandeln, die werden hier auf
Erden Urheber der Lehrbücher, und nachdem sie den
Leib verlassen haben, gehen sie in die höchste Gemein-
schaft ein.
7. ncflo.) In dieser Welt fürwahr überwinden sie die
Lüste, indem sie dem Feststehen in Brahman mit Aus-
dauer nachstreben; diese reifsen schon hienieden den
Atman aus dem Leibe heraus, wie den Halm aus dem
Schilfe (Käth. Up. 0,17), und stehen fest in der Wahrheit.
8. (iG9i.) Den Leib erzeugen diese zwei, der Vater und
die Mutter, o Bharata, aber die Geburt, welche sie erklären
als aus dem Lehrer geschehend, die ist heilig, die ist nicht
alternd und unsterblich.
nt?92.) Ihn, der die Ohren (lies: kaniäti) anfüllt mit
Wahrheit, das Rechte vollbringt, Unsterblichkeit gewährt,
den soll man für seinen Vater und seine Mutter halten, den
soll man nicht kränken, indem man bedenkt, was er an einem
getan hat.
2*
Digitized by Google
20
I. Sanatsujata-parvan.
10. (1693.) Dem Lehrer soll der Schüler allezeit grüfsend
nahen und um Vedalehre bitten, rein und wohlbedächtig;
er soll keinen Hochmut zeigen, nicht in Zorn geraten;
das ist das erste Viertel des Brahmanwandels.
11. (1694.) Wer in Lauterkeit durch die stufenweise Er-
füllung der Schülerpflichten die Wissenschaft erlangt, für den
ist dieses das erste Viertel seines Brahmanwandelgelübdes.
12. (1695.) Dem Lehrer soll er Freude machen mit seinem
Gut und Blut, in Werken, Gedanken und Worten, dies wird
das zweite Viertel genannt.
13. (1696.) Wie sein Wandel gegenüber dem Lehrer ist
so soll er sich auch gegen die Gattin des Lehrers benehmen
und wenn er dasselbe Verhalten auch bei dem Sohne de*
Lehrers beobachtet, dann ist das das zweite Viertel.
14. (1697.) Wenn er begreift, dafs sein Selbst durcl
den Lehrer geschaffen wurde, und wenn er die Bedeutung
der Worte verstehend: „Von ihm bin ich geschafft»
worden", von dankbarer Gesinnung gegen ihn erfüllt isi
das fürwahr ist das dritte Viertel des Brahmanwandel
15. (1698.) Hat er die Erkenntnis erlangt, so soll <
seine Abreise nicht vornehmen, ohne es dem Lehrer ve:
gölten zu haben; und nicht soll er etwa denken: „Ic
tue so vieles an ihm", noch auch sich dessen rühme
das fürwahr ist das vierte Viertel des Brahmanwandel
16. (1699.) Durch die Zeit erlangt er jenes erste Viert
und zugleich den [Veda-] Inhalt; das zweite Viertel s
dann durch Anhänglichkeit an den Lehrer; wenn er
der Anstrengung beständig ist, fällt ihm ein weiter
Viertel zu; und ein letztes Viertel erreicht er aus d
Kenntnis des Schriftkanons.
17. (i7oo.) Wenn einer die zwölf [Gebote], Pflicl
erfüllung usw. zu seinem Wesen gemacht hat, wenn
auch die übrigen Teile der Lehre und [durch sie] Kr
gewonnen hat, dann sagt man von ihm, sein JSrahnu
wandel ist durch Verbindung mit dem Lehrer und dui
Verbindung mit dem Inhalte des Brahman (des Veda)
erfolgreicher.
Digitized by Google
Adhyäya 43 (B. 44 1.
21
18. (Kol.) Was er, in dieser Weise gefördert, empfangen
hat, dafür soll er dem Lehrer einen Entgelt bieten; auf
diese Weise schlägt er den tugend reichen Wandel der
Guten ein, und dasselbe Verhalten erstreckt sich auch
auf den Sohn des Lehrers.
19. (1702.) Wenn er hierin beharrt, so gedeiht er nach
allen Seiten hin, er erlangt viele Söhne und eine [ange-
sehene] Stellung; die Himmelsgegenden und Zwischen-
himmelsgegenden spenden ihm Regen, und die Leute
nehmen als Brahmanschüler bei ihm Wohnung.
20. (1703.) Durch einen solchen Brahmanwandel haben
die Götter ihr Gottsein, haben die weisen Rishi's, die glück-
lichen, die Brahmanwelt erlangt.
21. (1704.) Durch ihn wurde den Gandharven und Apsarasen
ihre Schönheit zuteil, durch diesen Brahmanwandel wird auch
dem Tage die Sonne geboren.
22. (1705.) Gleichwie diejenigen, welche, nach einem be-
stimmten Elixier trachtend, durch Erlangen des ersehnten
Gegenstandes [befriedigt werden], so sind jene durch die Er-
kenntnis zu einer so hohen Stellung als solche [die sie sind]
gelangt.
23. (i70ö.) Wer dazu seine Zuflucht nimmt und sich
läutert, o Fürst, wer seinen ganzen Leib mit Tapas durch-
glüht, der gelangt dadurch als Wissender zur Kindlich-
keit (Brih. Up. 3,5), und er überwindet den Tod, wenn
das Ende kommt.
24. (1707.) Ein Ende habend sind die Welten, o Fürst,
welche jene anderen Menschen durch reine Werke ge-
winnen ; aber wer das Brahman weifs, der erlangt durch
dasselbe das All, nicht gibt es einen andern Weg zum
Gehen. (Vaj. Samh. 31,18.)
Dhritaräshtra sprach:
2f>. (1708.) Erscheint es als weifs oder rot oder als
schwarz oder dunkelfarbig oder braun V Der rechte Brah-
mane, der hier als ein Wissender es schaut, in welcher
Gestalt schaut er jenes Unsterbliche, jene unvergängliche
Stätte?
Digitized by Google
22
I. Sanatsujäta-parvan.
Sanatsujäta sprach :
20. (1709.) Es erscheint als weifs oder rot oder ah
schwarz oder eisenfarbig oder sonnenfarbig; es weilt
nicht in der Erde, nicht im Luftraum, nicht trägt es
im Ozean [als Gewand] das Wasser.
27. (i7to.) Es erscheint nicht in den Sternen, hat seinen
Sitz nicht in dem Blitze, nicht in den Wolken ist seine
Gestalt zu sehen, nicht in dem Winde, nicht in den Gott-
heiten, nicht in dem Monde ist es zu sehen, noch auch
in der Sonne,
28. (i7ii.) nicht in den Versen ist es, nicht in der
Opfersprüchen, nicht in den Atharvan-Liedern ; nicht is
es zu sehen in den lauteren Säman-Liedern, im Rathan
taram oder im Bärhadratham [wohl gleich Brihad], o König
auch nicht einmal im Mahävratam [doppelsinnig, auch
grofses Gelübde] schaut man jenes Unwandelbare.
29. (1712.) Unüberwindlich ist es, hinausgelangt übe
die Finsternis (Väj. Samh. 31,18), und auch der Tod zei
geht in ihm, wenn das Ende kommt. Es ist kleiner a
Gestalt [als das Kleinste], ist vergleichbar der Schneid
eines Schermessers; und doch grofs an Gestalt, [noc
gröfser] als die Berge.
30. (ni3.) Das ist die Grundlage, dies das Unsterblich
die Welten, dies ist das Brahman, dies die Herrlichkeit, der
aus ihm sind die Wesen entstanden und gehen wieder unt
in dasselbe.
31. (17H.) Das ist das Krankheitlose, Grofse, Au
gespannte, Herrliche; nur auf Worten [beruhe] seine Vi
Wandlung, so erklären die Weisen (Chänd. Up. 6,1,:
Dieses, worin diese ganze Welt gegründet ist, — t
das erkennen, werden unsterblich.
So lautet im Sanatsujata-parran die Kode des Sanatsujata
(Sa natiujättt-räkya in) .
Digitized by Google
Adliy&ya 44 (B. 45).
23
AdhyAya 44 (B. 45).
Vers 1715-173G (B. 1-21).
%
Sanatsujata sprach :
1. (1715.) Kummer und Zorn, Begierde und Lust, Hoch-
mut und Schlaffheit, Neid, Verblendung, Unbeständigkeit,
Weichmütigkeit, Verdrossenheit, Feigheit,
2. (1710.) das sind die zwölf grofsen Sünden, welche das
Leben der Menschen verderben; (i7i7/L sie sind es, o Fürst
der Könige, welche die Menschen, den einen wie den andern,
umlauern, und von welchen besessen der Mensch mit be-
törtem Bewufstsein sich für das Böse entscheidet.
3. (1718 ) Der Begehrliche, der Gewalttätige, der Rauhe,
der Geschwätzige, der Zornmütige und der Prahlerische,
das sind die sechs Menschen, welche von menschenfeind-
licher Gesinnung sind; auch wo sie eine Veranlassung
hätten, erweisen sie doch nicht die gebührende Ehre.
4. (1719). Der Genufssüchtige, der Unbillige, der Hoch-
mütige, der mit seiner Freigebigkeit Prahlende, der Gei-
zige und Schwache, der viel sich Rühmende, der sein
Weib Hassende, diese sieben [acht?] heifsen die übel-
gesinnten Menschenfeinde.
5. n7-.'o.) Pflichterfüllung, Wahrhaftigkeit, Tapas, Be-
zähmung, Selbstlosigkeit, Schamhaftigkeit , Geduld und
Neidlosigkeit, Almosengeben, Schriftstudium, Festigkeit
und Geduld, das sind die zwölf grofsen Gelübde des Brah-
manen.
ß. (nsi.) Wer von diesen zwölfen nicht abfällt, der
wird diese ganze Erde beherrschen ; wer aber mit dreien,
zweien oder nur einem von ihnen begabt ist, dem wird
kein Eigentum zuteil , so soll man wissen [oben,
Vers 1641, das gerade Gegenteil].
7. ü7l"j.) Bezähmung, Entsagung, Besonnenheit, in diesen
besteht Unsterblichkeit; sie sind eigen denen, welche Brah-
man als Höchstes schätzen, den Brahmanen, welche weise
sind (vgl. Vers 1642).
Digitized by Google
24
I. SanaUujäta-parvan.
8. (i<23.) Die Beleidigung, wahr oder nicht wahr, eines
Brahmanen ist nicht zu billigen; in die Hölle gehören sie,
die Menschen, die so etwas tun.
9. (1724.) Unbesonnenheit hat achtzehn Fehler, wie schon
vorher erwähnt wurde (Vers 1646), nämlich: Menschenhafs,
Widerspenstigkeit, Verdrossenheit, unwahre Rede,
10. (1726.) Lust und Zorn, Unselbständigkeit, Verleumdung,
Angeberei, Vernachlässigung des Besitzes, Streitsucht, Selbst-
sucht, Tierquälerei,
11. (1726.) Neid, Ausgelassenheit, hochfahrendes Wesen,
Verlust der Besonnenheit und Verdriefslichkeit , — darum soll
der Weise Unbesonnenheit meiden, denn sie ist immer
tadelnswert.
12. (1727.) Was aber die Freundschaft betrifft, so soll
man wissen, dafs sie aus sechs Tugenden besteht: dafs
man am Wohlsein des Freundes sich freut, dafs man
sich bekümmert, wenn es ihm übel geht, dafs man dem
Bittenden auch das gibt, was einem selbst sehr wert
[B. : schon lange eigen] ist, dafs man sogar wohl auch das
nicht zu Fordernde gibt, (1728.) denn auch geliebte Söhne,
Schätze, ja sogar die eigene Gattin soll man, darum ge-
beten, hingeben, wenn man reinen Sinnes ist,
13. dafs man nach Hingabe seines Besitzes nicht etwa
aus Verlangen danach [beim Freunde] wohnen bleibt, und
dafs man an der Tat selbst seine Freude hat und Dankes-
wünsche ablehnt.
14. (1729.) Reich an Gut und reich an Tugenden ist der,
welcher in dieser W^eise das Seinige hingibt als ein von Güte
(sattvam) Erfüllter; ein solcher hält die fünf Elemente von
seinen fünf [entsprechenden Sinnesorganen] fern.
15. (1730.) Dieses vollbrachte lautere Tapas ist auch danr
aufwärtsführend, wenn es von solchen, die des Sattvam er-
mangeln, aus Wunsch [nach Lohn] geübt wird.
16. (i73i.) Denn die Opfer gedeihen dadurch, dafs mai
die Wahrheit unterdrückt, mag dies von dem einen in Ge
danken, von einem andern in Worten oder auch in Werkel
geschehen.
Digitized by Google
Adhyaya 44 (B. 45).
25
17. (i"32.) Aber höher als der in Wünschen sein Endziel
findende Mensch steht der Wunschlose, besonders wenn es
sich um einen Brahmanen handelt. Was sonst noch zu sagen
ist, höre weiter von mir.
18. (1733.) Man studiere dieses Grofse, Rühmliche, dafs
alle Umwandlungen nur Worte sind (Chand. Up. 6,1,3),
wie die Weisen sagen. In [dem Objekte] dieser Hin-
gebung ist die ganze Welt begründet. Wer solches weifs,
der wird unsterblich.
19. (1734.) Nicht durch das Werk, auch nicht durch
das Wohl getane, o Fürst, kann man die Wahrheit er-
werben, erspenden oder eropfern. Darum geschieht es,
dafs der Tor nicht den Nicht-Tod erlangt und nicht den
Frieden, wenn es zu Ende geht.
20. (1735.) Schweigend und einsam soll man verehren,
ohne sich auch nur in Gedanken zu bewegen; man soll bei
Lob und Tadel Freude und Zorn von sich fernhalten.
21. (1736.) Dann geht man, noch hienieden weilend,
o Fürst, schon in das Brahman ein und bekommt es nach
und nach auch in den Veden zu schauen. Dieses sage ich
dir als einer, der es weifs.
So lautet im Sanattuj&ta-parvan die Rede dm Sanatsujata
(Sanalsti)dta-cdkijamJ. .
Adhyaya 45 (B. 46).
Vers 1737-1790 (B. 1-31).
Sanatsujata sprach:
1. (1737.) Was jenes Reine ist, das grofse glänzende
Licht, die grofse Herrlichkeit, das fürwahr verehren die
Götter, aus dem erstrahlt die Sonne. (1738.) Ihn schauen die
Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
2. (1739.) Aus jenem Keinen entsteht das Brahman (der
Veda), durch jenes Reine wächst es empor, jenes Reine in-
mitten der Lichter, nicht glühend, macht die Sonne erglühen.
(1740.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
Digitized by Google
26
I. Sanatsujäta-parvan.
3. (1741.) Die Wasser [schuf er], und aus den Wassern
empor inmitten des Gewoges lehnen sich an den Luftraum
die beiden Götter, und unermüdlich als der Erleuchter des
Savitar trägt er sie beide, die Erde und den Himmel.
(1742.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
4. (1743.) Und diese beiden Gottheiten, die Erde und
den Himmel, trägt der Reine, er trägt die fiimmels-
gegenden, trägt die Welt; aus ihm sind die Himmels-
gegenden und aus ihm rinnen die Ströme, aus ihm sind
die grofsen Ozeane geschaffen worden. (1744.) Ihn schauen
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
5. (174&.) Er ist es, den die am Rade des rollenden, ewig
wirkenden Wagens befindlichen Rosse als den Glanzbringenden
dahinführen , ihn den Himmlischen, Alterlosen, droben am
Himmel, (mo.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
6. (1747.) Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben,
nicht sieht ihn irgendwer mit seinem Auge; nur wer ihn
durch Herz und Sinn und Geist erkennt, — unsterblich
werden, die ihn also kennen (Käth. Up. 6,9, frei). (1748.) Ihn
schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
7. (1749.) Indem sie [die Wesen] den von Göttern gehüteten
zwölfarmigen Strom [das Naturleben im Laufe des Jahres]
trinken und den in ihm befindlichen Honig erblicken, scharen
sie sich hier um den ungeheuren [Strom]. (1750.) Ihn schauen
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
8. (1751.) Jenen Honig, nachdem sie ihn wahrgenommen,
trinkt die Biene [die Seele] einen halben Monat lang [während
des diesseitigen Lebens im Gegensatz zum jenseitigen], denn
der Herr hat ihn unter allen Wesen als ein Opfermahl für
sie bereitgestellt. (1752.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei-
ligen, Ewigen.
9. (1753.) Zu dem Feigenbaume mit goldenen Blätterr
(vgl. Käth. Up. 6,1) treten sie heran ohne Flügel; und nach-
dem sie bei ihm geflügelt geworden [nachdem sie im Ge-
niefsen der Lebenserfahrung die erlösende Erkenntnis gewonnei
haben], fliegen sie nach allen Richtungen davon. (1754.)
schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
Digitized by Google
Adhy&ya 45 (B. 46).
27
10. (1755.) Aus Vollem schöpfen sie Volles, aus Vollem
bereiten sie sich Volles; sie entnehmen dem Vollen Volles,
und doch bleibt das Volle übrig. (Brih. Up. 5,1; Sechzig Upa-
nishad's S. 488.) (1756.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei-
ligen, Ewigen.
11. (1757.) Aus ihm ist fürwahr der Wind entsprungen,
und in ihm verbreitet er sich immerfort, aus ihm stammt
Agni und Sorna, in ihm ist ausgespannt der Lebensodem
(vgl. Taitt. Up. 2,8).
12. (1758.) Alles soll man wissen als aus ihm entsprungen,
aber es selbst, jenes Wesen, können wir nicht in Worten
fassen. (1759.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
13. (17G0.) Den Einhauch verschlingt der Aushauch, den
Aushauch verschlingt der Mond, den Mond verschlingt die
Sonne, die Sonne verschlingt der Höchste. (i7<;i.) Ihn schauen
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
14. (1762.) Nicht einen Fufs darf herausziehen der Wander-
vogel, indem er aus der Flut herausgeht [die Füfse sind präna
und apana, durch welche hansa, hier die höchste Seele, das
Leben des Universums, salilam, unterhält; vgl. Atharvav. 11,4,21
und Gesch. d. Ph. I, 1, S. 304]; wenn er diesen allverbreiteten
[Fufs] nach oben [herauszöge], dann würde nicht Tod sein
und nicht Unsterblichkeit [nicht Menschen und nicht Götter].
<iT63.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
15. (17C4.) Der Purusha, zollhoch, als innere Seele (Kath.
Up. <),17), durch die Verbindung mit dem Lingam wan-
dert er immerfort; ihn sehen die Toren nicht, wie es
sich gehört, den Herrn, den Preiswerten, Uranfänglichen,
Glanzvollen. (1765.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei-
ligen, Ewigen.
10. (1766.) Mögen sie nun ohne die Ileilsmittel oder
mit Heilsmitteln ausgerüstet sein, jenes [Lebensprinzip]
ist allen Menschen gemeinsam; gemeinsam ist es der
unsterblichen [Uimmelswelt] und der andern [der Welt
der Sterblichen]; in ihm erlangen die Erlösten den Brun-
nen des Honigs (vgl. Rigv. 1,154,5). (i7«7.) Ihn schauen
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
Digitized by Google
28
I. Sanatsujata-parvan.
17. (17G8.) Beide Welten mit seiner Wissenschaft durch-
dringend geht er [der Wissende] dahin : dann ist [so gut
wie] dargebracht auch das nicht dargebrachte Agniho-
tram. Möge dir deine Brahmanschaft nicht mit klein-
lichem Sinn sich umkleiden. Erkenntnis sei sein Name,
welchen die Weisen erlangen. (1769.) Ihn schauen die
Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
18. (1770.) So beschaffen ist jener hochherzige Mensch
fpurmhaj, welcher das [Opfer-JFeuer verschlingt (vgl. Gesch.
d. Ph. 1,2, S. 338); fürwahr wer diesen Menschen begreift
[sein Tun würdigt] , dessen Sache leidet hienieden keinen
Schaden, (im.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen,
Ewigen.
19. (1772.) Wenn einer tausendmal tausend Flügel aus-
breitete und vorwärtsflöge, der würde nur zu der mittelsten
Mitte [und niemals an sein Ende] gelangen, selbst wenn er
schnell wäre wie ein Gedanke. (1773.) Ihn schauen die Yogin's,
den Heiligen, Ewigen.
20. (1774.) Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben
(Käth. Up. 6,9) , aber es sehen ihn solche, welche ganz
gereinigten Wesens sind ; der Gesetzte, Verständige wird
in seinem Geiste nicht gequält; sie, welche hinausziehen
[in den Wald], die werden unsterblich. (1776.) Ihn schauen
die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
21. (1776.) Die Menschen durch ihre Schulweisheit,
durch ihr Treiben verkriechen sich wie Schlangen in
ihren Klüften; in ihnen verirren sich, wie auf einem
Wege, die verwirrten Menschen, und geraten in Wirr-
sal zu ihrem Schrecken. (1777.) Ihn schauen die Yogins,
den Heiligen, Ewigen.
22. (1778.) Ich werde nicht für immer in Unehre bleiben ;
weder Tod noch Nicht -Tod wird mir werden, noch
auch Unsterblichkeit ; Reales und Unreales werden gleich-
mäfsig niedergehalten in der [ewigen] Realität; die
Quelle des Seienden und des Nicht- Seienden ist ein
und dieselbe. (1779.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei-
ligen, Ewigen.
1
Digitized by Google
Adhyaya 45 (B. 46).
29
23. (1780.) Nicht durch gutes noch auch durch nicht-
gutes Werk [ist das Reil zu erlangen]; beides, wie es
unter den Menschen herrscht, wird für gleich angesehen,
und das gleiche wisse er von der Unsterblichkeit; wer
so bereitet ist, der mag nach jenem Honig trachten.
(1781.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.
24. (1782.) Nicht quälen hochmütige Reden sein Herz,
nicht quält es seinen Geist, dafs er nicht studiert, nicht
das Agnihotram dargebracht hat; die Brahmanschaft
wappne ihn mit leichtem Sinn [anders oben, Vers 1768],
Erkenntnis [gebe er] ihm als Name, welchen die Weisen
erlangen. (1783.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen,
Ewigen.
25. (1784.) Wer in solcher Weise in allen Wesen, wie sie
an diesen oder jenen Ort gebunden sind, den Ätman schaut,
worüber sollte der sich weiterhin Kummer machen?
26. (1785.) Wie mit einem grofsen Wasserbehälter, in
welchem von allen Seiten das Wasser zusammengeflossen
ist, so steht es mit allen Veden für den, welcher den Ätman
kennt (vgl. Rath. Up. 4,14-15).
27. (1786.) Der Purusha, zollhoch an Länge, der grofse
Ätman, dieser ist nicht sichtbar, da er in das Herz ein-
gegangen ist: der Ungeborene, Tag und Nacht Wan-
dernde, der Unermüdliche, diesen überdenkt der Weise
und sitzt da in Frieden.
28. (1787.) Ich bin, wie man lehrt, Mutter und Vater und
bin auch wiederum der Sohn; und ich bin auch der Atman
(die Seele) in allem, was nicht ist und was ist.
29. (1788.) Ich bin der Grofsvater, der ehrwürdige, bin
der Vater und der Sohn, o Bhärata; ihr lebt in meinem Ätman,
und doch seid ihr nicht mein und ich nicht euer.
30. (1789.) Der Ätman ist meine Stätte, der Ätman ist
meine Wiege, ihm bin ich eingewoben und verwoben
(Brih. Up. 3,7), mein Standort ist das Alterlose; ich bin
ungeboren, bin unermüdlich bei Tag und bei Nacht,
mich überdenkt der Weise und sitzt da in Frieden.
Digitized by Google
30
I. Sanatsujäta-parvan.
31. (1790.) Kleiner als das Kleinste weilt er wohlgemut
in allen Wesen, in dem Wachenden [und Schlafenden] ; ihn,
den Vater wissen sie in allen Wesen verborgen in der Lotos-
blume (Chänd. Up. 8,1,1).
So lautet im SanatBujata-parvan die Rede des SanaUujata
($anat*i/jdta-rdkya»>).
Vollendet ist dieser Sanatsujata-Abscuuitt.
Digitized by Google
II.
BHAGAVADGlTÄ.
MaL^hhAratam Buch VI, Adhyiya 25-42, Vers 830-1532. C.
<- Buch VI, Adhy&ya 25-42, B).
Digitized by Google
I (Adhyäya 25).
Vera 830-878 (B. 1-47).
Dhritarashtra sprach:
1. (830.) Als im heiligen Lande, im Kurulande, zusammen-
trafen, um zu kämpfen die Meinigen und die Pandava's, was
taten sie da, o Safijaya?
Sanjaya sprach:
2. (831.) Als damals Duryodhana das Heer der Pandava's
in Schlachtordnung aufgestellt sah, da trat er, der König,
zu seinem Lehrer und sprach das Wort:
3. (832.) Sieh dort, o Meister, die grofse Schlachtreihe
der Pändusöhne, wie sie von dem Drupudasohne, deinem
weisen Schüler, aufgestellt worden ist.
4. (833.) Da sind Helden zu sehen, grofse Pfeilschützen,
die es dem Bhima und Arjuna im Kampfe gleichtun, da sind
Yuyudhäna und Virata und Drupada auf grofsem Streit-
wagen,
5. (834.) Dhrishtaketu , Cekitäna und der heldenmütige
König von Käci, Purujit, Kuntibhoja und ^aivya, der
Männerstier,
6. (835.) Yudhämanyu, der tapfere, und Uttamaujas, der
heldenmütige, der Subhadräsohn und die Draupadisöhne, alle
auf grofse n Streitwagen.
7. (836.) Welche aber von den Unsrigen hervorragen, als
Anführer meines Heeres, diese vernimm, o Bester der Zwie-
geborenen, ich nenne sie dir, damit du sie kennst:
8. (837.) Da bist du selbst, da ist Bhishma und Karna
und Kripa, der Sieger im Kampf, da sind Acvatthäman
DcrttEX, MabAbhiraUm. 3
Digitized by Google
34
Ii, Bhagavadgitä.
und Vikarna und der Sohn des Somadatta mit siegreichem
Wagen ,
9. (838.) und viele andere Helden, die mir zuliebe ihr
Lehen wagen, indem sie mit mancherlei Waffen zum Angriff
schreiten, des Kampfes alle kundig.
10. (839.) Unzulänglich aber ist diese unsere Streitkraft,
welche von Bhishma geführt wird, und zulänglich ist die
Streitmacht jener andern, welche von Bhima geführt wird.
11. (840.) Darum sollt ihr alle, je nach eurer Ordnung
aufgestellt, bei allen Waffengängen euch um Bhishma ge-
schart halten.
12. (841.) Ihm [dem Duryodhana, der so gesprochen] er-
füllte der Kuru-Alte, der Grofsvater [Bhishma], das Herz mit
Freude, indem er, der Bufsereiche, laut wie Löwengebrüll,
die Muschel blies.
13. (842.) Nun erdröhnten mächtig die Muscheln, die
Pauken und die Trommeln, die Tamburins und Trompeten
und ein gewaltiger Lärm erhob sich.
14. (843.) Da geschah es, dafs [auch auf Seiten der Gegner]
Mädhava (Krishna) und der Pändava (Arjuna), auf einem
grofsen, von weifsen Rossen gezogenen Streitwagen stehend,
ihre himmlischen Muscheln bliesen.
15. (844.) Da blies der Struppige (Krishna) die Völker-
versammelnde [Muschel], der Beutemacher (Arjuna) die Gott-
gegebene und der fürchterliche Wolfsbauch (Bhima) die wie
Rohrpfeifen ertönende grofse Muschel;
16. (845.) der König Yudhishthira, der Sohn der Kunü.
blies die Allsiegerin, Nakula und Sahadeva bliesen die Laut-
schallende und die Edelsteinblumige.
17. (846.) Der König von Käci, der gewaltige Bogen-
schütze, und Qikhandin auf grofsem Streitwagen, Dhrishta
dyumna und Viräta und der unüberwindliche Satyakasprof:
(Yuyudhäna),
18. (847.) Drupada und die Söhne der Draupadi, o Erde
herr, und der Sohn der Subhadrä (Abhimanyu) mit grofsei
Armen, diese bliesen von allen Seiten her, jeder einzelne, ihr
Muscheln.
19. (848.) Dieser Lärm zerrifs die Herzen der Anhängt
Digitized by Google
I (Adhyäya 25).
35
des Dhritaräshtra, als er erdröhnend Himmel und Erde wider-
hallen machte.
20. (849.) Als darauf der mit dem Affen in der Fahne
(Arjuna) die Anhänger des Dhritaräshtra in Schlachtordnung
aufgestellt sah, und als schon die Geschosse herüber und
hinüber flogen, da machte auch er, der Sohn des Pändu
(Arjuna), seinen Bogen bereit,
21. (850.) und zu dem Struppigen sprach er, o Erdenherr,
damals dieses Wort.
Arjuna sprach:
(851.) Halte an, o Unerschütterlicher, meinen Streitwagen
in der Mitte der beiden Heere,
22. damit ich jene mustere, welche kämpf begierig sich
aufgestellt haben, (852.) [und sehe] mit wem ich in dieser ent-
brannten Schlacht zu kämpfen haben werde.
23. Da sehe ich sie, welche sich dort kampfbereit ver-
sammelt haben (858.) und dem übel beratenen Dhritaräshtra-
sohne (Duryodhana) zuliebe mit uns kämpfen wollen.
Sanjaya sprach:
24. (854.) Als der Struppige (Krishna) von dem Lockigen
(Arjuna) in dieser Weise angeredet worden war, o Bhärata,
da hielt er in der Mitte der beiden Heere den trefflichsten
Wagen an,
25. ( 855.) und angesichts des Bhishma, des Drona und aller
Fürsten sprach er: „0 Sohn der Prithä, siehe da drüben die
zusammengescharten Kuru's".
2t>. (856.) Da sah der Prithasohn sich gegenüberstehend
Väter und Grofsväter, Lehrer, Oheime, Brüder, Söhne, Enkel
und Genossen,
27. (857.) Schwiegerväter und Freunde in den beider-
seitigen Heeren. Als der Sohn der Kunti diese sah, wie sie
alle als Verwandte sich feindlich gegenüberstanden,
28. (858.) da wurde er von tiefem Mitleid ergriffen und
verzagend sprach er dieses Wort.
Arjuna sprach:
(859.) Wenn ich, o Krishna, dort meine eigene Verwandt-
schaft zum Kampfe bereit aufgestellt sehe,
3*
Digitized by Google
36
II. Bbagavadgit*.
29. dann versagen meine Glieder, mein Mund wird trocken.
(860.) mein ganzer Leib zittert und meine Haare sträuben sich.
30. Mein Bogen Gändiva gleitet aus meiner Hand, und
meine Haut brennt, (sei.) nicht kann ich mich aufrecht halten
und mein Sinn verwirrt sich.
31. Ich sehe widrige Vorzeichen, o Vollhaariger, (862.) und
ich sehe kein Heil darin, meine eigenen Verwandten im Kampfe
zu töten.
32. Ich verlange nicht nach Sieg, o Krishna, nicht nach
Herrschaft und Freuden; (863.) was soll uns das Reich, o Kuh-
gewinner, was sollen uns Genüsse oder auch das Leben!
33. Diejenigen, um derentwillen Herrschaft, Genüsse und
Freuden von mir gewünscht werden, (864.) die stehen mir dort
im Kampfe gegenüber, um ihr Leben und ihr Vermögen zu
verlieren,
34. sie, welche uns Lehrer, Väter, Söhne, und Grofs-
väter, (865.) Oheime, Schwiegerväter, Enkel, Schwäger und
Verwandte sind.
35. Diese mag ich nicht töten, sollte ich auch selbst
getötet werden, o Madhusüdana, (866.) auch nicht um der Herr-
schaft über die Dreiwelt willen, viel weniger wegen der über
die Erde.
36. Wenn wir die Leute des Dhritarashtra töten, welche
Befriedigung kann uns das gewähren, o Janardana! (867.) Die
Sünde würde auf uns fallen, wenn wir diese bewaffnet uns
Entgegenkommenden töteten.
37. Darum dürfen wir die Leute des Dhritarashtra, die
unsere eigenen Verwandten sind [mit C], nicht töten; (8G8.) denn
wie könnten wir wohlgemut sein, o Mädhava, wenn wir unser*
eigene Verwandtschaft getötet haben.
38. Und wenn auch jene, deren Geist von Begierde ge
blendet ist, nicht einsehen, (soo.) welche Schuld wir durcl
Vernichtung unserer Familie, welche Sünde wir durch Verra
an unser n Freunden auf uns laden,
39. wie sollten nicht wir erkennen, dafs wir uns diese
Sünde enthalten müssen, (870.) wir, die wir die Schuld voraus
sehen, o Janärdana, welche aus der Vernichtung unsere
Familie hervorgeht!
Digitized by Google
I (Adhyaya 25).
37
40. Werden die Familien vernichtet, so gehen die ewigen
[Opfer-] Pflichten der Familien zugrunde; (87 1.) geht die Pflicht
zugrunde, so überwältigt Pflichtlosigkcit die ganze Familie.
41. Wenn Pflichtlosigkeit sie überwältigt, so werden die
Weiber der Familie verderbt, o Krishna. (872.) Sind erst die
Weiber verderbt, o Abkömmling des Vrishni, so entsteht
Vermengung der Kasten.
42. Vermengung aber führt zur Hölle die Familienver-
derber und die Familien selbst. (873.) Dann stürzen ihre Vor-
fahren, wenn die Darbringungen an sie von Klöfsen und
Wasser unterbrochen werden.
43. Durch diese Sünden der Familienverderber und durch
die Vermengung der Kaste als Folge davon (874.) werden die
ewigen Pflichten der Geschlechter und der Familien ent-
wurzelt.
44. Werden aber die Pflichten der Familien unter den
Menschen entwurzelt sein, o Janardana, (875.) dann fahren
diese sicherlich zur Hölle, so ist es uns überliefert worden.
4f>. 0 wehe! Wir sind im Begriffe eine grofse Sünde zu
begehen, (876.) die wir aus Begierde nach den Freuden der
Herrschaft unsere eigenen Verwandten töten wollen.
40. Fürwahr! Wenn mich, den Waffenlosen, ohne dafs
ich ihnen etwas antue, mit den Waffen in der Hand (877.) die
Leute des Dhritarashtra im Kampfe töten würden, das würde
mir noch erträglicher sein.
Sanjaya sprach:
47. (878.) So sprach Arjuna im Schlachtgetümmel, setzte
sich auf dem Sitze seines Wagens nieder und liefs Pfeil und
Bogen fallen, im Geiste von Kummer erschüttert.
So Uatet in der Bhagavadglta die Verzagtheit de« Arjuna
(Arjuna-ciafidJa?.
Digitized by Google
38
II. Bhagavadgita.
II (Adhy&ya 26).
Vera 879-950 (B. 1-72).
Sanjaya sprach:
1. (879.) Als er ihn so von Mitleid durchdrungen, die
Augen von Tränen erfüllt und getrübt in seiner Verzagtheit
sah, da sprach zu ihm Madhusüdana dieses Wort.
Der Heilige sprach:
2. (880.) Woher kommt dir in gefährlicher Lage diese
Bestürzung, o Arjuna, die eines Edlen unwürdige, den ITimmel
verschlief sende , unrühmliche ?
3. (881.) Verfalle nicht in Schwächlichkeit, o Sohn der
Prithä, denn sie ziemt dir nicht. Lafs die erbärmliche Her-
zensschwachheit fahren und erhebe dich, o Bedränger deiner
Feinde.
Arjuna sprach:
4. (882.) Wie kann ich in der Schlacht, o Madhusüdana,
den Bhishma und den Drona mit meinen Pfeilen bekämpfen,
da mir beide doch ehrwürdig sind, o Feindetöter.
5. (883). Wahrlich, es wäre mir besser, die hoch-
würdigen Lehrer nicht zu töten und hier auf der Welt
Bettelbrot zu essen, als dafs ich die Lehrer, obgleich
sie nach unserm Gut trachten, tötete und Freuden ge-
nösse, die mit Blut besudelt sind.
6. (884.) Fürwahr, wir wissen nicht, was wir vorziehen
möchten, dafs wir sie oder dafs sie uns besiegen; denn
solche, nach deren Tötung wir selbst nicht leben möchten,
die stehen uns feindlich gegenüber, geschart um Dhrita-
räshtra.
7. (885.) Da mein Herz in der Schwäche des Mitleids
befangen ist, und mein Geist verwirrt ist über das, was
meine Pflicht ist, so frage ich dich danach, was da;
Richtige ist; sage es mir mit Bestimmtheit; ich bin deii
Schüler; belehre mich, der ich dich darum angehe.
8. (886.) Denn ich sehe nicht, was von mir den sinne
ausdörrenden Kummer fern zu halten vermöchte, auc'
Digitized by Google
II (Adhyaya 26).
39
wenn ich auf Erden ein blühendes Reich ohne Neben-
buhler, auch wenn ich die Oberherrschaft über die Götter
erlangen sollte.
Saiijaya sprach:
0. (887.) Also sprach zum Struppigen der Lockige, der
Feindeschreck zum Kuhgewinner: „ich mag nicht kämpfen!"
und schwieg.
10. (888.) Da war es, als ob der Lockige lächelte, o Bhä-
rata, und inmitten der beiden Heere sprach er zu dem Ver-
zagenden dieses Wort.
Der Heilige sprach:
11. (889j Du beklagst solche, welche nicht zu beklagen
sind, wenn auch deine Reden verständig sein mögen; über
Tote und über Lebende klagt der Weise nicht.
12. (8wj Nie war die Zeit, da ich nicht war, da du nicht
warst und alle diese Fürsten, und nie in Zukunft wird die
Zeit kommen, da wir allesamt nicht sind.
13. (891.) Wie für den Träger eines Leibes in diesem
seinem Leibe Kindheit, Mannheit und Greisenalter ist, so ist
für ihn auch die Erlangung eines neuen Leibes; das ist dem
Weisen klar.
14. (892.) Nur die Verbindungen mit dem Stofflichen,
o Sohn der Kunti, bewirken Kälte und Hitze, Lust und
Schmerz ; sie aber kommen und gehen und sind vergänglich ;
ertrage sie, o Bhärata, mit Geduld.
15. <893j Der Mann, den diese nicht erschüttern, o Männer-
stier, der Weise, welcher gleichmütig bleibt bei Lust und
Leid, der ist reif für die Unsterblichkeit.
16. <894.) Das Nicht -Seiende kann nicht werden, das
Seiende kann nicht vergehen, den Unterschied dieser beiden
[des Nicht-Seienden und des Seienden] erkennen die, welche
die Wahrheit schauen.
17. (895j Wisse, dafs das unvergänglich ist, durch welches
diese ganze Welt ausgebreitet wurde; das Zunichtewerden
dieses Unvergänglichen kann keiner bewirken.
18. (896.) Vergänglich sind diese Leiber, ewig der, welcher
Digitized by Google
40
II. Bhagavadgitä.
den Leib beseelt; unvergänglich ist er und unermeßlich,
darum kämpfe, o Bhärata.
19. (897.) Wer vermeint, dafs jemand töte, wer vermeint,
dafs jemand getötet werde, die wissen beide nicht die Wahr-
heit : keiner tötet und keiner wird getötet. (Käth. Up. 2,19.)
20. (898.) Nicht wird geboren und nicht stirbt einer
f. jemals, nicht ist er entstanden oder wird zukünftig ent-
^ stehen ; von ewig her bleibt ewig er der Alte, wird nicht
getötet, wenn den Leib man tötet. (Käth. Up. 2,18.)
21. (899.) Wer diesen Unzerstörbaren, Ewigen, Ungebo-
renen, Unvergänglichen weifs, wie könnte der, o Sohn der
Pritha, irgendeinen töten lassen, wie könnte der irgendeinen
22. (900.) Gleichwie ein Mann die alten Kleider ab-
legt und andere neue anzieht, so legt der Träger des
Leibes (die Seele) die alten Leiber ab und geht in andere
neue ein.
23. (901.) Ihn verwunden nicht Schwerter, ihn brennt
nicht das Feuer, ihn netzen nicht die Wasser, ihn trocknet
nicht der Wind.
24. (902.) Unverwundbar ist er und un verbrennbar, nicht
benetzbar und nicht zu trocknen, ewig ist er und allgegen-
wärtig, beständig, unbeweglich und immerwährend.
25. (903.) Unoffenbar ist er und unausdenkbar, unwandel-
bar wird er genannt; darum wenn du ihn als solchen kennst,
darfst du niemandem nachtrauern.
26. (904.) Aber auch wenn du glaubst, dafs er immer
wieder geboren werde und immer wieder sterbe, auch dann,
o Grofsarmiger, darfst du niemandem nachtrauern.
27. (905.) Dem Geborenen ist der Tod gewifs, dem Ge-
storbenen die Geburt; darum darfst du über eine unvermeid-
liche Sache keine Trauer empfinden.
28. (906.) Das Unoffenbare als Anfang haben die Wesen
das Offenbare als Mitte und das Unoffenbare als Ende, o Bhä
rata, was ist da zu bejammern?
29. (907.) Wie ein Wunder betrachtet ihn manchei
wie ein Wunder verkündigt ihn ein anderer, wie vo
einem Wunder hört von ihm ein anderer, und auch wen
töten!
Digitized by Google
II (Adhyäya 2ti).
41
er von ihm gehört hat, versteht ihn doch keiner (vgl.
Käth. Up. 2,7).
30. (dos.) Der Träger des Leibes ist ewig unverletzbar in
dem Leibe eines jeden, o Bhärata; darum sollst du alle Wesen
nicht betrauern.
31. (909.) Aber auch wenn du an die dir obliegende Pflicht
denkst, darfst du nicht schwanken, was du zu tun hast. Denn
für einen Kshatriya gibt es nichts Höheres als einen pflicht-
mäfsigen Kampf.
32. (9io ) Und mit Freuden, o Sohn der Prithä, begrüfsen
die Kshatriya's gleichwie eine zufällig sich ihnen darbietende
offene Himmelspforte einen derartigen Kampf.
33. (9ii.) Wenn du hingegen diesen als Pflicht dir ob-
liegenden Kampf nicht auf dich nehmen wirst, dann vernach-
lässigst du deine Pflicht und deinen Ruhm und wirst in
Schuld geraten.
34. ('JVi.) Auch wird alles dich mit ewiger Schmach über-
häufen, für einen Mann von Ehre aber ist Schmach schlimmer
als Tod.
35. (oi:i.) Auch werden sie, welche auf grofsen Streit-
wagen einherfahren, argwöhnen, dafs du aus Furcht vom
Kampfe abgelassen hast, und so wirst du bei solchen, die
dich bisher hoch vorehrten, in Geringschätzung verfallen.
36. (9u.) Diejenigen aber, welche dir übel wollen, werden
viele schmähliche Reden über dich führen und deine Be-
fähigung tadeln; was aber wäre schmerzlicher als das?
37. (915.) Entweder du fällst und gehst zum Himmel ein,
oder du siegst und geniefsest die Herrschaft über die Erde,
darum stehe auf, o Sohn der Kunti, und entsehliefsc dich zu
kämpfen.
38. (9iG.) Sei doch gleichgültig gegen Lust und Schmerz,
gegen Gewinn und Verlust, gegen Sieg und Niederlage und
bereite dich so zum Kampfe, so wirst du nicht in Schuld
geraten.
39. (917.) Diese Ansicht wurde dir vorgetragen vom Stand-
punkte der berechnenden Überlegung (säiikhyamj. — Vernimm
die folgende vom Standpunkte der Hingebung (yogaj aus.
Digitized by Google
42
II. Bhagavadgita.
W enn du dir diese letztere Ansicht zu eigen machst, o Sohn
der Prithä, so wirst du dich von der Gebundenheit durch
die Werke frei machen.
40. (918.) Dann gibt es für dich keine Hoffnung mehr
des Emporkommens [in der Seelen Wanderung] und keine
Möglichkeit des Niederganges [in ihr]. Wer auch nur ein
weniges von dieser Satzung sich aneignet, den rettet sie aus
grofser Not.
41. (919.) liier gibt es, o Liebling der Kuru's, nur eine
Ansicht, welche Entschiedenheit in sich trägt, während viel-
verzweigt und endlos die Ansichten der Unentschiedenen sind.
42. (920.) Eine blumenreiche Rede gibt es, welche die
Unweisen verkündigen, sie, welche an Vedareden sich letzen,
o Prithäsohn, und behaupten, dafs es nichts anderes gebe;
43. (921.) sie, welche in Werken befangen, zum Himmel
streben und jener Rede huldigen, welche als Lohn der Werke
eine Neugeburt verheifst und viel Redens macht von beson-
deren Zeremonien zum Zwecke des Genusses und der himm-
lischen Herrlichkeit:
44. (922.) W r er durch sie seinen Geist verführen läfst, der
klammert sich an Genufs und himmlische Herrlichkeit; aber
jene Ansicht, welche Entschiedenheit in sich trägt und auf
Versenkung [sich gründet], wird ihm nicht zuteil.
45. (923.) Im Drei-Gunahaften sind die Veden befangen,
du aber, o Arjuna, befreie dich vom Drei-Gunahaften. Sei frei
von den Gegensätzen [des empirischen Daseins], feststehend
in der ewigen Realität, frei von Erwerb und Besitz, dem
Atman treu.
4(>. (92i.) Soviel Nutzen von einem Wasserbehälter ist,
in welchem von allen Seiten das Wasser zusammengeflossen
ist, soviel ist in allen Veden zu finden für einen ßrahmanen,
welcher die Erkenntnis besitzt (vgl. oben, Sanatsujatiya.
Vers 1795).
47. (925.) Dein Beruf ist es freilich, das Werk zu tun
nicht aber nach seinen Früchten zu streben. Lafs nicht di<
Frucht der Werke deinen Beweggrund sein, aber verfall«
auch nicht in Untätigkeit.
Digitized by Google
II (Adhyaya 2G).
43
48. (926.) Fest in der Hingebung fyogaj vollbringe die
W erke, aber lafs fahren die Anhänglichkeit [an ihren Lohn],
o Siegreicher; bleibe gleichmütig beim Gelingen und Mifs-
lingen, dieser Gleichmut wird Yoga (Hingebung) genannt.
49. (927.) Tief steht das Werk unter der Hingebung an
die Erkenntnis, o Siegreicher; in der Erkenntnis suche deine
Zuflucht, elend sie, welche vom Lohn getrieben werden.
50. (928.) Wer der Erkenntnis hingegeben ist, der läfst
hinter sich beides, das gute und das böse Werk; darum gib
dich der Hingebung fyogaj hin; Hingebung macht auch
tüchtig zu Werken.
51. (929.) Die Weisen, der Erkenntnis hingegeben, ver-
zichten auf der Werke Frucht, und erlöst von der Fessel der
Geburten gehen sie ein zu der leidlosen Stätte.
52. (930.) Wenn deine Erkenntnis über den Wirrwarr der
Verblendung hinausschreiten wird, dann wirst du überdrüssig
werden dessen, was du aus den heiligen Schriften lernen
kannst und gelernt hast.
53. (93i.) Und wenn deine Erkenntnis sich den heiligen
Schriften entgegensetzen und unerschütterlich in der Medi-
tation feststehen wird, dann wirst du den Yoga erlangen.
Arjuna sprach:
54. (932.) Welches ist die Beschreibung des in der Er-
kenntnis Feststehenden und in der Meditation Beharrenden,
o Vollhaariger, was wird der reden, der in seinem Geiste fest
ist, wie wird er sitzen und wie wird er wandeln?
Der Heilige sprach:
55. (933.) Wenn einer, o Sohn der Pritha, alle Begierden
fahren läfst, die in sein Herz kommen, und nur an dem
Selbste (Atman) und durch das Selbst seine Freude hat
(Clmnd. Up. 7,25,2), der wird ein in der Erkenntnis Fest-
stehender genannt.
56. (934.) Wenn einer im Leiden unerschütterlich und in
Freuden frei von Begierde bleibt, befreit von Leidenschaft,
von Furcht und Zorn, er wird ein im Geiste Fester, wird ein
Muni genannt.
Digitized by Google
44
II. Bhagavadgitä.
57. (935.) Wer allerwärts frei von Anhaftung ist, mag ihm
dieses oder jenes Erfreuliche oder Unerfreuliche begegnen,
wer dann weder Freude noch Hafs empfindet, dessen Er-
kenntnis ist eine feststehende.
58. (936.) Und wenn ein solcher von überallher, wie die
Schildkröte ihre Glieder, so seine Organe von ihren Objekten
gelöst in sich hereinzieht, dessen Erkenntnis ist eine fest-
stehende.
59. (937.) Die Sinnendinge kehren sich ab von der Seele,
die sich nicht mehr an ihnen nährt, und hat sie ihren Ge-
schmack nicht mehr, so wird auch der Geschmack an ihnen
zunichte, nachdem sie das Höchste geschaut hat.
60. (938.) Denn auch bei einem sich beherrschenden weisen
Manne, o Sohn der Kunü, reifsen die ungestümen Sinne den
Geist gewaltsam mit sich fort.
61. (939.) Sie alle überwältigend soll man dasitzen, hin-
gegeben und mich [den Allgeist] als Höchstes habend, denn
wer seine Sinne in der Gewalt hat, dessen Erkenntnis ist
eine feststehende.
62. (940.) Wenn hingegen ein Mensch an die Sinnen-
genüsse denkt, so bildet sich bei ihm eine Anhänglichkeit an
sie; aus der Anhänglichkeit entsteht Begierde, aus der Be-
gierde entsteht Zorn,
63. (94i.) aus dem Zorn entsteht Verblendung, aus der
Verblendung entsteht Trübung der Erinnerung; ist erst die
Erinnerung getrübt, so folgt Verlust der Erkenntnis, ist die
Erkenntnis verloren, so ist er auch selbst verloren.
64. (942.) Wer aber an den Sinnendingen vorübergeht mit
Sinnen, die von Liebe und Hafs sich losgemacht haben und
A #
seinem Atman Untertan sind, dessen Seele beruhigt sich und
geht ein zum Frieden.
65. (943.) Hat er aber Ruhe von allen Schmerzen, so ent-
steht in ihm die Resignation, und ist erst sein Geist beruhigt ,
dann kommt auch alsbald seine Erkenntnis zu vollkommenem
Feststehen.
66. (944.) Wer nicht Hingebung übt, hat nicht die Er-
kenntnis, wer nicht Hingebung übt, hat nicht Verinnerlichung ;
Digitized by Google
II (Adhy&ya 2G).
45
wer nicht Verinnerlichung hat, hat keinen Frieden, wer keinen
Frieden hat, woher käme dem Freude!
67. (945.) Denn wenn die Sinne umherschwärmen und der
Verstand mit ihnen fortgezogen wird, dann reifst er die Er-
kenntnis mit sich dahin, wie der Wind ein Schiff auf dem
Wasser.
68. (046.) Darum, o Grofsarmiger, wenn einer seine Sinne
allerwärts von den Sinnendingen zurückhält, dessen Erkennt-
nis ist eine feststehende.
69. (947.) Was Nacht ist für alle Wesen, darin ist wach
der Selbstbezwinger, und worin alle W r esen wach sind, das
ist Nacht für den schauenden W'eisen.
70. (948.) Gleichwie die Wasser zur Ruhe kommen in
dem vollen, unerschütterlichen Ozean, so kommen alle
Begierden in ihm zur Ruhe, und er erlangt den Frieden,
nicht aber der, welcher von Begierde getrieben wird.
71. (949.) Der Mann, welcher alle Begierden fahren läfst
und ohne Verlangen dahinwandelt, ohne Ichbewufstsein und
ohne Selbstsucht, der erlangt den Frieden.
72. (950.) Dieses ist das Feststehen im Brahman, o Sohn
der Pritha; wer es erlangt, wird frei vom Wahn, und in ihm
beharrend, erreicht er zur Zeit des Endes das Erlöschen
(nirvänamj in Brahman.
So lautet in der Bbagaratlgita Überlegung und Hingebung
( Sd nkhija-yo'ja) .
III (Adhyftya 27).
Vers 951-993 (B. 1- 43).
Arjuna sprach:
1. (95i.) Wenn nach deiner Meinung, o Janardana, die
Erkenntnis höher steht als das Werk, warum spornst du
mich dann an zu einem grausamen Werke, o Vollhaariger?
2. (952.) Durch deine widerspruchsvolle Rede verwirrst
du meinen Geist; sage mir doch das Eine mit Bestimmtheit,
wodurch ich das Heil erlangen kann.
Digitized by Google
46
II. BhagavadgitA.
Der Heilige sprach:
3. (953.) Zwei Standpunkte gibt es in dieser Welt, wie
ich schon vordem gelehrt habe, o Untadeliger : Die Hingebung
an die Erkenntnis ist der Standpunkt der Reflektierenden
(SänkhyaJ, die Hingebung an das Werk ist der der Yoga-
Übenden.
4. (954.) Nicht durch Enthaltung von den Werken erlangt
der Mensch die Werkbefreiung, und nicht durch blofses Weg-
werfen von allem gelangt er zur Vollendung.
5. (955.) Der Mensch kann doch nie auch nur einen Augen-
blick bestehen, ohne Werke zu tun. Denn ein jeder wird
auch gegen seinen Willen gezwungen zu wirken durch die
seiner Natur (prdkritij eingeborenen Guna's (Beschaffenheiten).
6. (956.) Wenn einer zwar die wirkenden Sinnesorgane
im Zaume hält und müfsig sitzt, aber in seinem Herzen den
Sinnendingen nachhängt, der ist betörten Geistes und auf fal-
schem Wege.
7. (957.) Wer hingegen die Sinne durch das Manas im
Zaume hält und dann, o Arjuna, mittels der Tatorgane sich
dem Tun hingibt ohne Anhänglichkeit, mit dem steht es
anders.
8. (968.) Vollbringe du das notwendige Werk, denn das
Tun steht höher als das Nichttun, und auch der Fortgang
des Körperlebens ist nicht möglich, ohne dafs man Werke tut.
9. (959.) Auch abgesehen von den Werken, welche um
der Opferpflicht willen notwendig sind, bleibt diese Welt an
Werke gebunden. Darum, o Kuntlsohn, tue das Werk, aber
tue es ohne Anhänglichkeit.
10. (960.) Als der Schöpfer Prajäpati zugleich mit dem
Opfer vordem die Wesen schuf, da sprach er zu ihnen : Durch
dieses sollt ihr euch fortpflanzen, dieses sei euch die eure
Wünsche erfüllende Wunschkuh.
11. (96i.) Fördert ihr durch das Opfer die Götter, und
die Götter wiederum sollen euch fordern; indem ihr euch,
gegenseitig fordert, werdet ihr das höchste Glück erlangen.
12. (962.) Denn die Götter, durch eure Opfer gefördert,
werden euch die gewünschten Genüsse gewähren; wer das
Digitized by Google
III (Adhy&ya 27).
47
von ihnen Gewährte geniefst, ohne ihnen etwas wieder-
zugewähren, der ist eben ein Dieb.
13. (963.) Die Guten essen, was vom Opfer übrigbleibt,
und werden dadurch von allen Sünden gereinigt; die Bösen
aber, welche nur zu ihrem eigenen Besten kochen, die essen
zu ihrem Verderben.
14. (964.) Die Wesen entstehen aus der Nahrung, die
Nahrung entsteht aus dem Regen (parjanya), der Regen ent-
steht aus dem Opfer, das Opfer entsteht aus dem Werke;
15. (965.) das Werk entsteht aus dem Vedaworte (Brah-
man)* das Vedawort entsteht aus dem Unvergänglichen ; so- .
mit hat das allumfassende fsarvagataj Vedawort allezeit seinen
Halt im Opfer.
10. (966.) So dreht sich das Rad im Kreise, und wer es
nicht in Umdrehung versetzt hienieden, der führt ein ruch-
loses Leben, ist ein Tummelplatz der Sinne und lebt, o Sohn
der Prithä, vergeblich.
17. (967.) Aber der Mensch, welcher am man sich freut,
am Atman sich ersättigt und am Atman sein Genüge findet
(vgl. Chänd. Up. 7,25,2. Mund. Up. 3,1,4), für den gibt es keine
Ptlicht mehr.
18. (96«) Er hat keinen Zweck im Auge bei dem, was
er tut, er hat keinen Zweck im Auge bei dem, was er nicht
tut; und bei allen Wesen sucht er keinen Stützpunkt seiner
Zwecke.
li>. (969.) Darum betreibe allezeit die obliegende Pflicht
ohne Anhänglichkeit; denn wer ohne Anhänglichkeit seine
IMlicht erfüllt, der Mann erlangt das Höchste.
20. (970.) Nur durch ihre Werke sind Könige wie Janaka
zur Vollendung gelangt; und auch darum mufst du handeln,
damit du die andern Menschen [zu ihrer Pflicht] anhältst.
21. (97i.) Denn was der an höchster Stelle Stehende tut,
das ahmen die übrigen Menschen nach, und wus er sich als
Richtschnur erwählt, danach richtet sich auch das Volk.
22. (972.) Nicht liegt mir [als Allgeist], o Sohn der Prithä,
in allen drei Welten irgend etwas ob, was ich zu tun hätte,
noch gibt es für mich etwas zu erlangen, was ich nicht schon
erlangt hätte, und doch betätige ich mich in Wirkungen.
Digitized by Google
48 IL BhagavadgitA.
23. (973.) Denn, sollte es je geschehen, dafs ich nicht
unermüdlich tätig wäre, so würden, o Sohn der Prithä, die
Menschen allerwärts meinem Beispiel folgen.
24. (974.) Alle Welten würden in Untätigkeit verharren,
wenn ich nicht mein Werk vollbrächte, und ich w r ürde Ver-
wirrung voranlassen und die Geschöpfe hier zugrunde richten.
25. (975.) Und so wie die Nichtwissenden handeln mit
Anhänglichkeit an ihr Werk [und seinen Lohn], so soll der
Wissende ohne Anhänglichkeit handeln, um [durch sein Bei-
spiel] die übrigen dazu anzuhalten, o Bhärata.
26. (970.) Er soll die Nichtwissenden, die noch an dem
Werke hängen, in ihrem Bewufstsein nicht irre machen; er,
der Wissende, soll sie veranlassen, alle Werke mit Freudig-
keit zu tun, indem er selbst mit Hingebung sie betreibt.
27. (977.) Die Werke, wo sie auch immer geschehen,
werden getan durch die Guna's der Prakriti, aber der Mensch,
in seinem Selbste betört durch den Ahankära (Ichbewufst-
sein), wähnt: Ich bin der Handelnde.
28. (978.) Wer aber die Wesenheit kennt, o Grofsarmiger,
der macht einen Unterschied zwischen den Guna's und dem
[gunalosen] Werke; er begreift, dafs die Guna's sich unter
den Guna's betätigen, und hält sich frei von Anhänglichkeit.
29. (979.) Die Menschen, betört durch die Guna's der
Prakriti, sind an jene Werke der Guna's anhänglich, sind
trägen Geistes und Halbwissende; sie möge der Ganzwissen-
den nicht irre machen.
30. (980.) Mir sollst du alle Werke weihen, den Geist ge-
richtet auf den höchsten Atman, und so, von Hoffnung und
Selbstheit frei, mögest du kämpfen ohne Bekümmernis.
31. (981.) Die Menschen, welche allezeit diese meine Vor-
schrift befolgen, im Glauben und ohne Murren, die gelangen
sogar durch ihre Werke zur Erlösung.
32. (982.) Diejenigen aber, welche murren und diese meine
Vorschrift nicht befolgen, diese in allem Erkennen Betörte
und Besinnungslose wisse als Vorlorene.
33. (983.) Betätigt sich doch auch der Wissende ent-
sprechend seiner eigenen Natur; ihrer Natur (Prakriti J folgei
alle Wesen, was kann da Hemmung ausrichten!
Digitized by Google
III (Adbyäya 27).
49
34. (984.) Jedes Sinnesorgan steht fest, sei es in Liebe,
sei es in Hafs, seinem Gegenstande gegenüber; unter diese
beiden soll man sich nicht beugen, denn beide sind hinter-
listige Feinde des Menschen.
35. (985.) Besser ist es die eigene Pflicht ohne Tüchtig-
keit, als die fremde Pflicht mit Erfolg zu betreiben; ja, es ist
besser in der Erfüllung der eigenen Pflicht zugrunde zu gehen,
Befassen mit fremder Pflicht bringt Gefahr!
Arjuna sprach:
36. (986.) Aber durch wen wird der Mensch angestiftet,
das Böse zu tun, selbst gegen seinen Willen, o Nachkomme
des Vrishni, und gleichsam mit Gewalt dazu gedrängt?
Der Heilige sprach:
37. (987.) Es ist die Begierde, es ist der Zorn, entspringend
aus dem Guna des Kajas (Leidenschaft), ein grofser Fresser,
ein grofser Bösewicht, ihn wisse hienieden als den wahren
'Widersacher.
38. (988.) Wie das Feuer vom Rauch umhüllt wird, wie
Rostflecken den Spiegel verdecken, wie der Embryo von
der Eihaut umschlossen wird, so ist von ihm diese ganze
Welt überzogen.
39. (989.) Verdunkelt wird sogar das Wissen des Wissen-
den von diesem ewigen Widersacher, der die Gestalt der
Begierde annimmt, o Sohn der Kunti, und ein unersättliches
Feuer ist
40. (990.) Die Sinnesorgane, das Manas und die Buddhi
sind sein Standort ; von diesen aus verdunkelt er das Wissen
und überschattet die Seele.
41. (991.) Darum vor allem, o Stier der Bharata's, bändige
deine Sinnesorgane und schlage jenes Böse aus dem Felde,
welches Erkenntnis und Lebenserfahrung vergiftet.
42. (992.) Die Sinnesorgane, heifst es, sind vorzüglich,
vorzüglicher als die Sinnesorgane ist das Manas, vorzüglicher
als das Manas ist die Buddhi (vgl. Käth. Up. 3,10. 0,7), wer
aber noch vorzüglicher als die Buddhi ist, das ist er [der
Atman].
Dscsik», MahfcbhfcraUm. 4
Digitized by Google
50 II. Bhagavadglta.
43. (898.) Also wisse ihn als vorzüglicher noch als die
Buddhi, befestige deinen Atman durch den [höchsten] Atman
und bekämpfe jenen Feind, o Grofsarmiger, der sich in die
Begierde kleidet und schwer zu fassen ist.
So lautet in der BhagivadgltA die Hingebung an daa Werk
(karma-yoga).
IV (Adhyaya 28).
Vera 994-1035 (B. 1-42).
Der Heilige sprach:
1. (994.) Diese ewige Yogalehre [der Hingebung an das
Werk] habe ich dem Vivasvant (dem Sonnengotte) verkündet.
Vivasvant lehrte sie dem Manu, Manu dem Ikshväku.
2. (995.) In dieser Weise von Geschlecht zu Geschlechi
überliefert, gelangte diese Yogalehre zu den Königsweisen
aber im Laufe der langen Zeit ging sie verloren, o Feind
bezwinger.
3. (996.) Heute aber ist dieser uralte Yoga dir von mi
mitgeteilt worden, denn du bist mein Verehrer und mei
Freund, daher ich dir dieses höchste Geheimnis [anvortrau
habe].
Arjuna sprach:
4. (997.) Später ist deine Geburt, früher die Geburt dt
Vivasvant, wie soll ich es verstehen, dafe du die Lehre u.
anfänglich verkündet hast (vgl. Ev. Joh. 8, Vers 57-58).
Der Heilige sprach:
5. (998.) Zahlreich sind meine vergangenen Geburten ui
auch deine, o Arjuna; mir sind sie alle bewufst, dir al
sind sie nicht bewufst, o Feindbezwinger.
6. (999.) Ungeboren bin ich und unvergänglichen Weso]
bin der Gottherr figvaraj der Geschöpfe; aber indem ich e
gehe in meine eigene Natur (prakritij, entstehe ich dixr
meine Zauberkunst fmäyä).
Digitized by Google
IV (Adhyäya 28).
51
7. (iooo.) Denn jedesmal, wenn die Gesetzlichkeit welk
geworden ist, o Bharata, und Ungesetzlichkeit überwaltet,
dann erschaffe ich selbst mich selbst.
8. (looi.) Zur Rettung der Guten und zur Vernichtung
der Bösen entstehe ich in jedem Weltalter, um die Gesetz-
lichkeit wieder aufzurichten.
9. (1002.) Göttlich ist meine Geburt und göttlich mein
Werk ; wer das in Wahrheit weifs, der, wenn er seinen Leib
verläfst, geht nicht ein in eine neue Geburt, zu mir geht er
ein, o Arjuna.
10. (1003.) Viele sind ihrer, welche befreit von Leiden-
schaft, von Furcht und Zorn, zu mir werdend, zu mir ihre
Zuflucht nehmend, geläutert durch die Askese der Erkennt-
nis, in meine Wesenheit eingehen.
11. (1004.) Und in dem Mafse, wie sie zu mir sich hin-
wenden, in demselben Mafse liebe ich sie wieder, und so
wandeln von überallher, o Prithäsohn, die Menschen auf
meinem W T ege.
12. (1005.) Nach dem Gelingen der Werke trachten ja
[die Menschen] und verehren darum die Götter; denn schnell
zeigt sich in der Menschenwelt das Gelingen, welches aus
Werken entspringt.
13. (1006.) Ich bin es ja, der die vier Kasten schuf, der
die Guna's und Werke unter sie verteilte; von dem allem,
wisse, bin ich der Schöpfer und doch Nicht-Schöpfer für und für.
14. (1007.) Denn mich beflecken die Werke nicht, weil ich
nicht nach der Frucht der Werke begehre; wer mich als
solchen erkennt, der wird durch seine Werke nicht gebunden.
15. (1008.) Und in dem Bewufstsein, dafs in dieser Weise
das Werk geübt wurde, auch von den Altvordern, welche
nach Erlösung trachteten, vollbringe auch du das Werk, wie
es vordem von den Altvordern vollbracht wurde.
16. (ioo9.) Was ist das Werk und was das Nicht -Werk?
In dieser Frage haben auch die Weisen geirrt. Darum will
ich dir das Werk erklären, welches erkannt habend du vom
Übel erlöst sein wirst.
17. (ioio.) Man mufs dabei merken auf das (gute) Werk
und man mufs merken auf das Ab werk (das böse Werk),
4*
Digitized by Google
52
II. Bhagavadgitä.
auch mufs man merken auf das Nicht -Werk. Tief verborgen
ist das Wesen des Werkes.
18. (1011.) Wer im Werke das Nicht-Werk sieht und im
Nicht -Werke das Werk, der ist ein Weiser unter den Menschen,
ein Hingegebener (Yogin), ein alle Werke Vollbringender.
19. (ioi2.) Der, dessen ganzes Tun frei ist von Lüsten
und Wünschen, und dessen Werke verbrannt sind durch das
Feuer der Erkenntnis, den nennen die Kundigen einen Weisen.
20. (lois.) Er hat sich frei gemacht von der Anhänglich-
keit an die Frucht der Werke, ist ewig befriedigt, frei von
der Hoffnung Krücken; ein solcher, auch wenn er sich mit
Werken befafst, tut doch gar nichts.
21. (1014.) Er ist frei von Wünschen, hat die Gedanken
in sich gebändigt, hat weggeworfen alles, was an das Leben
kettet, nur dem Leibe nach tut er das Werk, und obschon
er es tut, bleibt er doch frei von Versündigung.
22. (1015.) Er begnügt sich mit dem, was der Zufall ihm
darbietet, ist erhaben über die Gegensätze [des Lebens] und
frei von Eigensucht, gleichmütig bei Gelingen und Mifslingen,
und obgleich er handelt, verfällt er doch nicht der Bindung.
23. (ioi6.) Für ihn, der die Anhänglichkeit hat fahren
lassen, sich frei gemacht hat und mit seinem Denken fest-
steht in der Erkenntnis, für ihn, der das Werk nur als eir
Opfer betreibt, ist dasselbe völüg zunichte geworden.
24. (lon.) Brahman ist seine Darbringung, Brahman seim
Opferspeise, Brahman spendet er im Feuer durch das Brah
man, und so wird er eingehen in das Brahman, er, desse:
Meditation dieses Brahmanwerk ist.
25. (ioi8.) Einige dieser Hingegebenen huldigen dem Opfe
als einem den Göttern dargebrachten, andere hingegen bringei
im Brahmanfeuer opfernd, das Opfer selbst zum Opfer dar [s:
verzichten darauf].
26. (1019.) Wieder andere opfern das Gehör und alle Sini
in dem Feuer der Selbstbezwingung, und noch andere opfei
in dem Feuer der Sinne das Gehörte und alle andern Sinne
dinge.
27. (1020.) Und abermals andere opfern alle Verrichtung«
der Sinnesorgane und alle Verrichtungen der Lebenshaue
Digitized by Google
IV (Adhyaya 28).
53
fprdnähj in dem Yogafeuer der Selbstbezwingung, welches
von der Erkenntnis angefacht wird.
28. (1021.) Manche bringen ihr Vermögen dar, oder sie
opfern durch Kasteiung oder durch Yoga oder durch Veda-
studium und Erkenntnis, sie alle als Bezwinger mit scharfem
Gelübde.
20. (1022.) Manche auch opfern den Aushauch im Ein-
bruch und den Einhauch im Aushauch [die Hemmung des
Aushauchens während des Einhauchens gilt ihnen als ein
Opfer desselben und umgekehrt], indem sie den Gang des
Aushauches und des Einhauches einschränken und die Hem-
mung des Atmens als höchsten Zweck sich setzen.
30. (1023.) Andere regeln die Ernährung und opfern die
I^ebenshauche in den Lebenshauchen [indem beim Pränägni-
hotram, Chänd. Up. 5,19-23, die Ernährung jedes einzelnen
Leben shauches als eine zeitweilige Aufopferung der vier
übrigen erscheint]. — Alle diese sind des Opfers kundig und
vernichten durch das Opfer ihre Sünden.
31. (1024.) Diejenigen, welche [in dieser Gesinnung] das
Amritam (Nektar) des Opferrestes geniefsen, die gehen ein
in das ewige Brahman. Nicht einmal diese Erdenwelt wird
dem Nichtopfernden zuteil, wieviel weniger die andere, o Bester
der Kuru's!
32. (1025.) In dieser Weise sind mannigfache Opfer aus-
gebreitet in dem Munde des Brahman [im Veda, der sie als
ihr Mund offenbart]. Sie alle aber, wisse, wurzeln in dem
Werk; wenn du dies erkannt hast, wirst du erlöst werden.
33. (10*26.) Aber besser als das aus stofflichen Dar-
bringungen bestehende Opfer ist das Opfer, das im Erkennen
besteht, o Bezwinger der Feinde; das ganze Opferwerk ohne
Ausnahme, o Sohn der Pritha, wird vollbracht, indem man
Erkenntnis hat.
34. (1027.) Dies Wissen erwirb, indem du dich niederläfst
zu des Lehrers Füfsen, indem du ihn befragest und ihm
dienest; dann werden jene Wissenden, W r ahrhei tschauenden
dich das Wissen lehren.
35. (1028.) Wenn du es erlernt hast, das W r issen, so wirst
du nicht wiederum, so wie jetzt, der Verblendung [des Samsara]
Digitized by Google
54
II. Bhagavadgita.
verfallen, o Pändusohn, das Wissen, vermöge dessen du die
Wesen ohne Ausnahme schauen wirst in dir selbst und so-
dann in mir.
36. (1029.) Und wenn du unter allen Bösewichtern der
ärgste wärest, so wirst du doch mit dem Schiff der Erkennt-
nis alles Schlimme überschreiten.
37. (1030.) So wie, o Arjuna, das angezündete Feuer das
Brennholz zu Asche macht, so macht das Feuer der Erkennt-
nis alle Werke zu Asche.
38. (1031.) Denn es gibt auf der Welt kein Läuterungs-
mitte], welches der Erkenntnis gleichkäme, und dieses findet
der im Yoga Vollkommene von selbst mit der Zeit in seinem
eigenen Innern.
39. (1032.) Der Gläubige erlangt die Erkenntnis, wenn er
einzig nach ihr trachtet und seine Sinne bezähmt, und hat
er die Erkenntnis erlangt, so geht er binnen kurzem zum
höchsten Frieden ein.
40. (1033.) Aber der Nichtwissende, Nichtglaubende, von
Zweifel Erfüllte geht zugrunde; nicht diese Welt und nicht
die andere, nicht Freude hat, wer erfüllt von Zweifel ist.
41. (1034.) Aber wer durch den Yoga die Werke ab-
geworfen und durch die Erkenntnis alle Zweifel von sich
gelöst hat (Mund. Up. 2,2,8), wer den Atman besitzt, den
binden die Werke nicht mehr, o Beutemacher.
42. (1035.) Darum, o Bhärata, zerspalte mit dem Schwerte
der Erkenntnis jenen im Nichtwissen wurzelnden, in deinem
Herzen wohnenden Zweifel, gib dich dem Yoga hin und er-
manne dich.
So lautet in clor Bhagavadgita die Hingebung an dlo Erkenntnis
(jhdna • yoga).
Digitized by Google
V (Adhyaya 29).
55
V (Adhyaya 29).
Vers 103G-1064 (B. 1-29).
Arjuna sprach:
1. (1036.) Du rühmst, o Krishna, den Verzicht auf die
Werke und wiederum Hingebung an dieselben. Was ist von
diesen beiden das Bessere? Das sage mir mit Bestimmtheit.
Der Heilige sprach:
2. (1037.) Verzicht auf die Werke und Hingebung an sie,
beides führt zum höchsten Heil; aber unter ihnen wird der
Verzicht von der Hingebung an die Werke übertrofTen.
3. (103S.) Der ist zu wissen als ein beständig Verzichtender,
welcher nicht hafst und nicht begehrt; denn frei von den
Gegensätzen [des Lebens], o Grofsarmiger, wird er leicht von
der Bindung erlöst.
4. (1039.) Nur die Toren behaupten, dafs Sänkhyam (Weg
der Reflexion) und Yoga (Weg der Verinnerlichung) ver-
schieden seien, nicht aber die Weisen. Wer auch nur eines
von ihnen richtig betreibt, der erlangt die Frucht aller beiden.
5. (1040.) Die Stätte, welche von den Reflektierenden
(sänlchynih) errungen wird, eben diese wird auch von den
Yoga-Ubenden erlangt. Eines sind das Sänkhyam und der
Yoga. Wer das sieht, der ist sehend.
6. (i04i.) Aber das Verzichten, o Grofsarmiger, ist schwer
zu erlangen, wenn es nicht vom Yoga ausgeht; während der
dem Yoga sich hingebende Weise in kurzer Zeit das Brah-
man erreicht.
7. (1042.) Wer dem Yoga sich hingegeben hat, reinen
Wesens, besiegten Wesens, mit bezähmten Sinnen, und dessen
Selbst zum Selbste aller Wesen geworden ist, der wird, auch
wenn er Werke tut, nicht befleckt.
8. (low.) Wer dem Yoga hingegeben die Wesenheit er-
kennt, der ist sich bewufst, dafs nicht er es ist, welcher
irgendein Werk tut, und wenn er sieht und hört und fühlt
und riecht, wenn er ifst und wandelt, schläft und atmet,
Digitized by Google
56
II. Bhagavadgitä.
9. (1044.) wenn er redet, ausscheidet und greift, die Augen
öffnet und schliefst, so ist er sich dabei hewufst, dafs es nur
seine Sinnesorgane sind, welche sich mit den Sinnendingen
befassen.
10. (1045.) Wer so handelt, dafs er seine Werke dem
Braliman weiht und sich von dem Hang [nach Lohn] frei-
gemacht hat, der bleibt vom Bösen unbefleckt, wie das Lotos-
blatt vom Wasser.
11. (1046.) Nur mit dem Leibe, mit dem Manas und der
Buddhi, nur mit den Sinnesorganen allein vollbringen die
Yogin's das Werk, indem sie die Anhänglichkeit [an den
Lohn] fahren lassen, um ihre Seele (Atman) reinzuhalten.
12. (1047.) Der dem Yoga sich Hingebende verzichtet auf
die Frucht der Werke und erlangt den unvergänglichen Frie-
den; der Nicht -Hin gegebene handelt aus Begierde, ist an-
hänglich an den Lohn und bleibt gebunden.
13. (1048.) Alle Werke mit Bewufstsein von sich werfend
sitzt er da, heiter und Herr [seiner Sinne], der Träger des
Leibes in der Stadt mit den neun Toren [dem Leibe], indem
er weder handelt noch handeln läfst.
14. (1049.) Nicht das Tätersein und nicht die Werke schafft
der Herr der Welt [der Purusha], noch auch den Zusammen-
hang zwischen den Werken und ihrem Lohne, vielmehr ist
es die eigene Natur fsvabhdva =prakritij, die sich darin betätigt.
15. (1050.) Nicht das Böse von irgendwem und nicht sein
gutes Werk erkennt der Allmächtige an als sein, sondern es
ist die Verdunkelung des Wissens durch das Nichtwissen
vermöge dessen die Geschöpfe in der Irre gehen.
IG. (1051.) Aber diejenigen, bei denen dieses Nichtwissei
vernichtet ist durch die Erkenntnis des Atman, deren Er
kenntnis macht ihnen gleichwie eine Sonne jenes Höchst
offenbar.
17. (1052.) Dieses erkennend, dieses als ihr Selbst ei
fassend, in diesem feststehend, dieses als höchstes Ziel haben«
gehen sie ein dorthin, von wo es keine Wiederkehr gibt, si
welche durch die Erkenntnis das Böse abgeschüttelt habei
18. (1053.) In dem mit Wissenschaft und Zucht begabte
Brahmanen, in dem Ochsen, in dem Elefanten, ja sogar :
Digitized by Google
V (Adhyäya 29).
57
dem Hunde und in dem Hundefleischverzehrer sieht der Weise
eines und dasselbe.
19. (1054.) Schon hienieden haben sie sicli das All erobert,
deren Geist darin fest geworden ist, in allem das Gleiche zu
sehen. Denn sündlos ist das in allem gleichmäfsig vorhandene
Brahman, darum sind sie fest beharrend in dem Brahman.
20. (1055.) Er freut sich nicht, wenn ihm Angenehmes be-
gegnet, er bleibt unerschüttert, wenn ihn Unangenehmes trifft;
festen Sinnes und unbeirrt kennt er das Brahman, steht er
im Brahman fest.
21. (1056.) An den Berührungen der Aufsenwelt hängt sein
Atman nicht, in sich selbst findet er, was ihn beglückt; der
Hingebung an Brahman mit ganzer Seele ergeben erlangt er
unvergängliches Glück.
22. (1057.) Alle Freuden, welche aus der Berührung mit
der Welt entspringen, die sind eine Quelle der Leiden, sie
haben einen Anfang und ein Ende, o Kuntisohn, nicht freut
sich ihrer der Weise.
23. (1058.) Wer schon hienieden vor der Erlösung vom
Leibe den Sturm zu bewältigen weifs, der aus Lust und Zorn
entspringt, der ist ein Hingegebener, ist ein glückseliger Mann.
24. (1059.) Wer in sich die Freude, in sich das Ergötzen
findet und in sich das Licht, der ist ein Yogin, und zu Brah-
man geworden, gelangt er zum Erlöschen in Brahman (brahma-
nirvänamj.
25. (loeo.) Dieses Erlöschen in Brahman erlangen die
Rishi's, wenn die Sünde vernichtet, die Zweiheit abgeworfen,
das Selbst bezähmt ist, sie, welche sich am Wohle aller Wesen
erfreuen.
2(). (loei.) Für die von Lust und Zorn befreiten Selbst-
bezwinger, die ihre Gedanken im Zaume halten und den
Atman erkannt haben, tritt ganz und vollständig [abhitas y
nach (^ankara: im Leben und Tode] das Erlöschen in Brah-
man ein.
27. (1062.) W r er die Berührungen der Aufsenwelt nach
aufsen zurückdrängt und das Augenmerk auf den Punkt
zwischen den Brauen richtet [wo nach Bralimasütra 1,2,32
der Sitz des Atman ist], wer Einhauch und Aushauch einander
Digitized by Google
58
II. BhagavadgHä.
gleich macht und so durch das Innere der Nase streichen
läfst,
28. (1063.) wer als ein Muni Sinne, Manas und Buddhi
bezähmt, der Erlösung als höchstem Ziel zustrebt und Wün-
schen, Fürchten und Zürnen von sich abtut, der ist für immer
erlöst.
29. (10G4.) Und indem er mich erkennt als den Empfanger
aller Opfer und Kasteiungen, als den grofsen Herrn aller
Welten und als den Freund aller Wesen, geht er ein zum
Frieden.
ßo Uutot in der BbagavadglM WeTkvorxlcbt and Workbingebong
(karma - tannydsa ■ yoya).
VI (Adhyäya 30).
Vers 1065-1111 (B. 1-47).
Der Heilige sprach:
1. (1065.) Wer ohne auf des Werkes Frucht zu bauen,
das Werk vollbringt, das ihm obliegt, der ist ein Sannyäsin
(Entsagender), ist ein Yogin (Hingegebener), nicht aber, wer
ohne Opferfeuer, ohne Werke ist.
2. (106G.) Was man Sannyiisa (Entsagung) nennt, das wisse,
ist der [wahre] Yoga, o Pändusohn, denn keiner ist ein Yogin,
der nicht seinen Wünschen entsagt hat.
3. (ioc7.) Für den Muni, der zum Yoga emporsteigen will,
ist die Tätigkeit der Weg; für ebendenselben, nachdem er
zum Yoga emporgestiegen ist, ist der Weg die Ruhe.
4. (1063.) Denn wenn einer nicht mehr an den Sinnen-
dingen, nicht mehr an den W r erken hängt, wenn er allen
Wünschen entsagt hat, dann ist er ein zum Yoga Empor-
gestiegener.
5. (1069.) Man reifse heraus das Selbst durch das Selbst
[aus dem Ozean des Samsära], nicht lasse man das Selbst
[in ihm] versinken, denn ein jeder ist der Bundesgenosse
seiner selbst, und ein jeder ist auch ein Feind seiner selbst«
6. (1070.) Ein Bundesgenosse seiner selbst ist er dann,
wenn er sein Selbst durch das Selbst überwunden hat; so-
Digitized by Google
VI (Adhyäya 30).
59
lange aber noch die Feindschaft besteht dessen, was [an ihm]
nicht Selbst ist, solange ist einer ein Feind seiner selbst.
7. (1071.) Wer sein Selbst überwunden hat und zur Ruhe
gelangt ist, in dem hat das höchste Selbst Wohnung ge-
nommen, bei Kälte und Ilitze, bei Lust und Leid, bei Ehre
und Schande.
8. (1072.) Wer an Erkenntnis und Wissen sich ersättigt,
erhaben über alles, die Sinne gebändigt, der heifst als ein
Hingegebener Yogin, gleichmütig blickt er hin auf Erd-
klumpen, auf Steine und auf Gold.
9. (1073.) Bei Freunden und Genossen, bei Feinden, Gleich-
gültigen und Linparteiischen, bei Gegnern und Verwandten,
bei Guten und bei Bösen bleibt er gleichmütig, daran erkennt
man ihn.
10. (1074.) Als Yogin [ursprünglich : ein sich Anschicken-
der] schicke er sich an, immerwährend in der Einsamkeit
verharrend, alleinstehend, die Regungen seines Herzens bän-
digend, ohne Hoffnung, ohne umgeben zu sein von den
Seinen.
11. (1075.) An einem reinen Orte errichte er für sich einen
festen Sitz, nicht zu hoch und nicht zu niedrig, überdeckt
mit Gewand, Antilopenfell und Kucagras.
12. (1076.) Daselbst konzentriere er sein Manas auf einen
Punkt, unterdrücke die Tätigkeiten des Denkens und der
Sinne, setze sich nieder auf den Sitz und spanne den Yoga
an zur Läuterung seines Selbstes.
13. (1077.) In gleichmäfsiger Richtung Rumpf, Kopf und
Hals unbeweglich haltend, blicke er unentwegt auf seine
Nasenspitze, ohne nach den Seiten hinzusehen.
14. (1078.) Beruhigten Selbstes und frei von Furcht, in
dem Gelübde eines Brahmanschülers beharrend, sein Manas
bezähmend und an mich denkend, sitze er da im Yoga, mir
einzig ergeben.
15. (1079.) In dieser Weise allezeit sich selbst anschickend
und seine Gedanken bändigend, erlangt der Yogin den in mir
wurzelnden Frieden, dessen letztes Ende das Xircanam ist.
16. (1080.) Nicht dem, der übermäfsig ifst, wird der Yoga
zuteil, aber auch nicht dem, der ganz und gar nicht ifst,
Digitized by Google
CO
II. Bhagavadgita.
ebenso nicht dem, o Arjuna, der übermäfsig zu schlafen pflegt
oder zu wachen.
17. (1081.) Wer aber mäfsig in Nahrung und Erholung
ist, mäfsig im Wandeln und Handeln, mäfsig im Schlafen
und Wachen, dem wird der Yoga zuteil, der schmerzstillende.
18. (1082.) Wenn der Gedanke gezügelt, nur auf den Ätman
gerichtet ist, wenn einer nicht mehr begehrend ist nach irgend-
welchen Lüsten, dann wird er ein Yogabeflissener genannt.
19. (1083.) Wie eine an windstillem Ort stehende Lampe
nicht flackert, dieses Gleichnis gilt von dem Yogin, der seine
Gedanken unterdrückt hat und seine Seele dem Yoga hingibt.
20. (low.) Wenn das Denken, unterdrückt, durch den
Yogadienst zur Ruhe kommt, wenn man nur das Selbst durch
das Selbst schauend an dem Selbste seine Lust hat,
21. (1086.) wenn man jene unendliche, nur von der Buddhi
zu erfassende, über die Sinne erhabene Lust empfindet und
in diesem Zustande beharrend nicht von der wahren Wesen-
heit abweicht,
22. (1086.) wenn man das ergriffen hat, von dem man sich
bewufst ist, dafs es nichts anderes Höheres zu ergreifen
gibt, und in ihm beharrend auch durch schweres Leiden
nicht erschüttert wird,
23. (1087.) das, soll man wissen, ist der von der Berührung
mit Leiden freie Zustand, welchen man den Yoga nennt; und
diesem Yoga soll man mit Entschiedenheit sich hingeben,
mit unverdrossenem Geiste [anirvinnacetasd mit Qankara],
24. (1088.) Indem man auf alle aus dem Wunsch ent-
springenden Lüste ohne Unterschied Verzicht leistet, indem
man durch das Manas die Rotte der Sinnesorgane von allen
Seiten her niederkämpft,
25. (1089.) soll man vermittelst der mit Festigkeit er-
griffenen Buddhi mehr und mehr zur Ruhe kommen, das
Manas in dem Atman zum Stillstande bringen und gar nichts
mehr denken.
26. (1090.) Wohin auch immer das Manas, das wankel-
mütige, unbeständige, ausschwärmen möchte, von überallher
möge man es zwangsweise in dem Atman wieder zum Ge-
horsam zurückführen.
Digitized by Google
VI (Adhyaya 30).
61
27. (looi.) Einen solchen Yogin, der sein Manas zur Ruhe
gebracht hat, erfüllt die höchste Wonne, ihn, dessen Leiden-
schaft frajasj beschwichtigt, der zu Brahman, dem sündlosen,
geworden ist.
28. (1092.) In dieser Weise allezeit sich seinem Ätman hin-
gebend, wird der Yogin, von Sünde frei, mit Lust die in der
Einswerdung mit Brahman bestehende, unendliche Wonne
erlangen.
29. (1093.) Er schaut sein eigenes Selbst in allen Wesen
und alle Wesen in dem eigenen Selbst, mit seinem Selbst
dem Yoga hingegeben, erblickt er überall das gleiche Wesen.
30. (1094.) Wer mich in allem sieht und alles sieht in
mir, dem gehe ich nicht verloren, und der geht mir nicht
verloren.
31. (1095.) Wer mich verehrt als in allen Wesen weilend
und in der Einheit feststeht, in welcher Lage der auch immer
sein mag, er ist ein Yogin, ist in mir.
32. (1096.) Wer, o Arjuna, wegen der Gleichheit mit dem
eigenen Selbste überall das Gleiche sieht, sei es im Glück,
sei es im Unglück, er ist ein vollendeter Yogin.
Arjuna sprach:
33. (1097.) Der Yoga, von dem du lehrst, o Madhusüdana,
dafs er in [dem Bewufstsein] der Gleichheit bestehe, der
kann doch wegen der Wankelmütigkeit nicht von beständiger
Dauer sein.
34. (1098.) Denn wankelmütig ist das Manas, o Krishna,
ungestüm, gewaltig, stark, und seine Zügelung, wie die des
Windes, ist schwer zu vollbringen.
Der Heilige sprach:
35. (1099.) Ohne Zweifel, o Grofsarmiger, ist das Manas
schwer zu zügeln und beweglich, aber durch Übung, o Kunti-
sohn, und durch Entsagung wird es bezwungen.
36. (lioo.) Von dem freilich, dessen Selbst ungebändigt
ist, ist der Yoga schwer zu erlangen, so meine ich; wer aber
sich selbst in Gehorsam hält und beherrscht, der kann ihn
durch das rechte Mittel erlangen.
Digitized by Google
62
II. lihagavadgüä.
Arjuna sprach:
37. (1101.) Wenn einer sich nicht selbst bezwingt, wenn
er zwar von Glauben erfüllt ist, aber vom Yoga mit seinem
Manas abfällt, und so die Yogavollendung nicht erreicht, was
wird, o Krishna, aus diesem?
38. (1102.) Wird er nicht beider [der Frucht des Glaubens
und des Yoga] verlustig gehen und zerfliefsen, wie eine Wolke,
die sich zerteilt, da er, o Grofsarmiger, ohne Halt und auf
dem Pfade zu Brahman hin verirrt ist?
39. (1103.) Diesen Zweifel, o Krishna, mufst du mir völlig
lösen, denn nicht gibt es einen aufser dir, der diesen Zweifel
lösen könnte.
Der Heilige sprach:
40. (1104.) 0 Prithäsohn, ein solcher ist weder in dieser
Welt noch in der andern ein Verlorener, denn nicht kann
irgendeiner, der etwas Gutes tut, einen schlimmen Gang gehen.
41. (ii05.) Daher ein solcher, nachdem er die Welten der-
jenigen, welche gute Werke getan, erlangt und in ihnen
zahllose Jahre geweilt hat, darauf, wenn er auch des Yoga
verlustig ging, doch in einem reinen und glücklichen Hause
wiedergeboren wird.
42. (H06.) Oder er wird sogar geboren in der Familie
weiser Yogin's; und das ist schwerer als alles andere in der
Welt zu erlangen, dafs man einer solchen Geburt teilhaft wird.
43. (ii07.) Daselbst erlangt er dieselbe Einsicht, die er
schon in seiner frühern Geburt hatte, o Liebling der Kuru's,
und strebt von ihr aus weiter hin zur Vollendung.
44. (Hos.) Vermöge jener seiner frühern Bemühung eben
wird er auch wider Willen fortgerissen, ist bestrebt den Yoga
kennen zu lernen und kommt über das blofse Wortbrahman
(Maitr. Up. 6,22) hinaus.
45. (ii09.) Und wenn er mit Ernst weiterstrebt, wird er
sich als Yogin von der Sünde reinigen und, durch mannig-
fache Geburten geläutert, endlich den höchsten Weg gehen.
46. (nio.) Der Yogin steht höher als die, welche das
Tapas üben, höher auch als die, welche der Erkenntnis leben ;
der Yogin steht auch höher als die, welche die Werke be-
treiben; darum werde ein Yogin, o Arjuna.
Digitized by Google
VI (Adhyaya 30).
G3
47. (1111.) Aber unter allen Yogin's ist der, welcher sein
inneres Seihst mir hingibt und gläubig mich verehrt, der
mir am innigsten Verbundene.
So lautet in der BhagaradgltA dio Hingebung an die 8olb«tltezwhigang
(dtma - satnyama - yoga).
VII (Adhyaya 31).
Vers 1112-1141 (B. 1-30).
Der Heilige sprach:
1. (1112.) Wenn du, o Prithäsohn, mit deinem Geiste mir
hingegeben und auf mich bauend den Yoga betreibst, so wirst
du sicherlich mich voll und ganz erkennen; vernimm, in
welcher Weise.
2. (1113.) Ich will dir jetzt diejenige Erkenntnis, dasjenige
Wissen vollständig mitteilen, nach dessen Erkenntnis hie-
nieden nichts weiteres mehr zu erkennen übrig ist.
3. (iii4.) Unter tausend Menschen gibt es kaum einen,
der nach Vollendung strebt, und unter diesen Strebenden
und zur Vollendung Gelangenden gibt es kaum einen, der
mich in Wahrheit erkennt.
4. (ins.) Die Erde, das Wasser, das Feuer, der Wind
und der Äther, das Manas, die ßuddhi und der Ahankara,
diese machen meine Natur (prdlcritij aus, sofern sie achtfach
gespalten ist.
5. (ine.) Du mufst aber wissen, o Grofsarmiger, dafs ich
noch eine andere, von dieser verselüedene , höchste Natur
(prakriti) habe, welche eine lebendige Seele ist, und von der
diese ganze Welt getragen wird.
6. (in:.) Diese meine Naturen sind der Mutterschofs aller
Wesen, das merke wohl, ich bin für diese ganze Lebewelt
der Ursprung und auch der Untergang.
7. (ins.) Es gibt, o Beutemacher, nicht irgend etwas an-
deres, welches höher wäre als ich; wie eine Perlenreihe an
der Schnur, so ist an mir die ganze Welt aufgereiht.
8. (ins.) Ich bin der Geschmack in den Wassern, o Sohn
der Kunti, ich bin der Lichtglanz in Mond und Sonne, ich
Digitized by Google
64 H. BhagavadgihV
bin der heilige Laut (om) in den Veden, bin der Ton im
Äther, bin in den Männern die Manneskraft.
9. (1120.) Ich bin der reine Geruch in der Erde, ich bin
das Licht in des Feuers Glanz, bin das Leben in allen Wesen,
bin das Tapas der Tapas -Übenden.
10. (1121.) Ich bin, das sollst du wissen, o Prithasohn,
der ewige Same aller Wesen, ich bin der Verstand der Ver-
ständigen, bin die Kraft der Kraftvollen.
11. (1122.) Ich bin die Stärke der Starken, soweit sie sich
von Begier und Leidenschaft frei hält, ich bin, o Stier der
Bharata's, die Liebe in den Wesen, sofern sie dem Gesetze
nicht zuwiderläuft.
12. (ii23.) Alle sattva-artigen Zustände, alle rajas-artigen
und alle tamas-artigen stammen aus mir, das sollst du wissen ;
ich bin nicht in ihnen, aber sie sind in mir.
13. (1124.) Von diesen drei auf den Guna's beruhenden
Zuständen fbhävahj wird diese ganze Welt in Verblendung
gehalten und erkennt nicht mich, der ich über sie erhaben
und unvergänglich bin.
14. (U25.) Das ist jene, meine gottentstandene, aus den
Guna's bestehende Mäyä (Blendwerk), welche schwer zu über-
winden ist; wer aber zu mir seine Zuflucht nimmt, der schreitet
über jene Mäyä hinaus.
15. (1126.) Nicht aber gelangen zu mir die Übeltäter, die
Verblendeten, der Menschen Niedrigste, sondern durch die
Mäyä der Erkenntnis beraubt, haben sie auf eine dämonische
Natur ihr Vertrauen gesetzt.
16. (1127.) Vier Arten sind, o Arjuna, der guten Menschen,
welche mich verehren : der Bedrängte, der Erkenntnisdurstige,
der Güterverlangende und der Erkennende, o Stier der Bharata's,
17. (1128.) Unter ihnen zeichnet sich aus als immer hin-
gegeben und nur eines verehrend der Erkennende, denn dem.
Erkennenden bin ich lieb über alles, und er ist mir lieb.
18. (1129.) Hochstrebend sind alle Genannten, aber der
Erkennende ist mein eigenes Selbst, so sage ich; denn er, mit
hingegebenem Geiste, vertraut auf mich als höchste Zuflucht.
19. (1130.) Wer die Erkenntnis besitzt, der geht am Ende
vieler Geburten zu mir ein; „dieses Weltall ist Väsudeva* 4
Digitized by Google
VII (Adhy&ya 31).
65
(Krishna), so denkt ein solcher Hochherziger, schwer zu
Findender.
20. (ii3i.) Andere hingegen, deren Erkenntnis bald durch
diese, bald durch jene Begierde fortgerafft wird, nehmen ihre
Zuflucht zu anderen Gottheiten, bald dieser, bald jener Nötigung
gehorchend, genötigt durch ihre eigene Natur fprakritij.
21. (1132.) Wer immer, irgendeiner Gestalt ergeben, sie
im Glauben zu verehren wünscht, ich bin es, der einem sol-
chen seinen unerschütterlichen Glauben verleiht.
22. (H33.) Und mit diesem Glauben begabt, sucht er jene
Gottheit günstig zu stimmen und erhält von ihr die Wünsche,
deren Erfüllung in Wahrheit nur von mir verfügt wird.
23. (im.) Aber die Frucht, welche solche Menschen von
beschränktem Geiste erreichen, ist eine endliche; zu den
Göttern gehen sie, welche die Götter verehren; wer mir an-
hängt, der kommt auch zu mir.
24. (1135.) Jene Toren wähnen, dafs ich nur das Un-
entfaltete favyaltam, prahritij bin, welches zur Entfaltung
gelangt sei; mein höchstes, unvergängliches, unübersteig-
liches Wesen aber, das kennen sie nicht.
25. (H36.) Nicht jedem bin ich erkennbar, der ich von
dem Zauber des Yoga umhüllt bin; diese betörte Welt er-
kennt mich nicht, den Unentstandenen, Unvergänglichen.
2G. (H37.) Ich kenne die vergangenen Wesen und die
gegenwärtigen und die zukünftigen, mich aber kennt nie-
mand, o Arjuna.
27. (1138.) Durch die aus Begierde und Hafs entspringende
Verblendung in den Gegensätzen, o Bhärata, geraten alle
Wesen der geschaffenen Welt, o Feindbezwinger, in die Irre.
28. (H39.) Diejenigen Menschen aber, deren Böses durch
heilige Werke ein Ende genommen hat, die werden befreit
von dem Wahn der Gegensätze und verehren mich mit un-
erschütterlichem Gelübde.
29. (ii4o.) Diejenigen, welche zu mir ihre Zuflucht nehmen
und nach Erlösung von Alter und Tod streben, die gelangen
zur Erkenntnis des Brabman, des ganzen eigenen Selbstes
und alles Werks.
Draus, M»hAbhAr»Um. 5
4
Digitized by Google
60
II. Bhagavadgüä.
30. (ii4i.) Wer aber mich erkennt als gegenwärtig in dt
Wesen, gegenwärtig in den Göttern und gegenwärtig i
Opfer, der wird mich hingegebenen Geistes auch dann e
kennen, wenn es mit ihm zu Ende geht.
Bo lautet in der Bh«gav»dg1tA die Hingebang an die Erkenntnis
(jTkdna-yoga).
VIII (Adhy&ya 32).
Vera 1U2-11G9 (B. 1-28).
Arjona sprach:
1. (1142.) Was ist jenes Brahman, was ist das eigt
Selbst und was ist das Werk (oben, Vers iuo), o höchs
Geist, und was ist das von dir (oben, Vers iui) erwäh
Gegenwärtigsein in den Wesen und Gegenwärtigsein in <
Göttern?
2. (1143.) Und wie kann einer, der in diesem Leibe \
körpert ist, gegenwärtig in den Opfern sein, o Madhusüde
und wie können die, welche ihr Selbst bezwungen hal
dich erkennen, wenn es mit ihnen zu Ende geht?
Der Heilige sprach:
3. (na.) Das Brahman ist das höchste Unvergängli«
unter dem eigenen Selbste ist die eigene Natur zu verstel
und Werk heifst die Opferspende, welche die Beschaffer
und das Entstehen der Wesen bedingt.
4. (1145.) Meine Gegenwart in den Wesen ist mein fliel
des Sein, meine Gegenwart in den Göttern ist der Pur
[mein Sein als Purusha], meine Gegenwart in den Opfen
mein in diesem Leibe verkörpertes Ich, o Edelster der
körperten.
5. (1146.) Und wer, wenn er den Leib verläfst, di
scheidet, indem er in seiner letzten Stunde meiner ged
der geht in meine Wesenheit ein, daran ist kein Zweif«
6. (ii47.) Denn, an welches Sein denkend, einer zur
zeit den Leib verläfst, zu diesem Sein geht er ein, o K
söhn, indem er jedesmal zu dessen Natur umgestaltet
Digitized by Google
VIII (Adhy&ya 32).
67
7. (ii48.) Darum mögest du zu allen Zeiten an mich denken
und [deine Pflicht erfüllend] kämpfen; auf mich Sinn und
Verstand richtend, wirst du zu mir eingehen, daran ist kein
Zweifel.
8. (H49.) Wer mit einem durch Studium und Yoga hin-
gegebenen, nicht zerstreuten Geiste den höchsten, himmlischen
Purusha überdenkt, der geht, o Sohn der Prithä, zu ihm ein.
9. (1150.) Wer da überdenkt den alten Weisen, den
Gebieter, den Kleinern als das Kleinste, den Schöpfer
des Weltalls, den unausdenkbaren, sonnenfarbigen, finster-
nisjenseitigen,
10. (1151.) wer diesen zur Endzeit mit unentwegtem
Geiste durch Verehrung und Yogakraft, ihm hingegeben,
überdenkt, indem er den Präna vollständig sammelt
zwischen den Augenbrauen, der geht zum göttlichen
höchsten Geiste ein.
11. (U52.) Das Unvergängliche (dksharam, auch die
Silbe omj, welches die Vedakenner sprechen, in welches
die leidenschaftfreien Selbstbezwinger eindringen, nach
welchem verlangend man den Lebenswandel als Brahma-
carin auf sich nimmt, dieses als Wort will ich dir in
einem Inbegriffe sagen (vgl. Käth. Up. 2,15).
12. (1163.) Wenn einer alle Pforten [des Körpers] schliefst,
das Manas im Herzen zurückhält, seinen Lebenshauch im
Haupte ansammelt, und so die Festigkeit im Yoga erlangt,
13. (1154.) wenn ein solcher, die Silbe öro, welche das
Brahman bedeutet, aussprechend und meiner dabei gedenkend,
dahinscheidet, indem er den Leib verläfst, der geht den höch-
sten Gang.
14. (U55.) Wer immerfort, ohne seine Gedanken auf etwas
anderes zu richten, unentwegt meiner gedenkt, für einen sol-
chen beständig sich hingebenden Yogin bin ich, o Sohn der
Prithä, leicht zu erlangen.
15. (ii56.) Und wenn sie zu mir gelangt sind, so brauchen
sie nicht einzugehen in eine abermalige Geburt, in eine solche
vergängliche Behausung der Schmerzen, sie, die hohen Geistes
die höchste Vollendung erreicht haben.
5*
Digitized by Google
68
II. BhagavadgilH.
16. (1157.) Alle Welten bis hinauf zur Brahmanwelt sin
[zur Erde] zurückführend, o Arjuna; wer aber zu mir eii
geht, o Sohn der Kunti, für den gibt es keine abermalig
Geburt mehr.
17. (1158.) Wenn man erkannt hat, dafs ein Tag des Bral
man die Dauer von tausend Yuga's (Weltaltern) befafst ui
dafs seine Nacht ebenfalls tausend Yuga's durch dauert,
die Menschen, die das erkannt haben, die wissen in Wah
heit, was Tag und Nacht sind.
18. (ii59.) Bricht der Tag an, so gehen aus dem U
entfalteten alle Entfaltungen hervor, bricht die Nacht an,
zergehen sie wieder in jenem, was das Unentfaltete heil
19. (1160.) Diese ganze Schar der Wesen, welche w
und immer wieder wird, zergeht, wenn die Nacht anbric
o Sohn der Pritha, und sie entsteht wieder beim Anbru<
des Tages, [beides] gegen ihren Willen.
20. (ii6i.) Aber jene andere Wesenheit, welche höher
jenes Unentfaltete, auch unentfaltet und ewig ist, die g
nicht zugrunde, wenn auch alle Wesen zugrunde gehen.
21. (1162.) Diese unentfaltete Wesenheit ist es, wel
man Akshara (unvergänglich) nennt und als das höchste !
bezeichnet, zu welchem gelangt man nicht zurückkehrt, i
das ist meine höchste Wohnstätte.
22. (1163.) Das ist, o Prithasohn, jener höchste Purui
der durch eine nur ihm zugewandte Verehrung ergriffen w
der alle Wesen in sich befafst und durch den dieses gj
Weltall ausgebreitet ist.
23. (U64.) Zu welcher Zeit aber hinscheidend die Yo£
zur Nichtwiederkehr oder aber zur Wiederkehr gelangen,
Zeit, o Stier der Bharata's, will ich dir sagen.
24. (lies.) Das Feuer als Licht, der Tag, die helle Mor
hälfte, die sechs Monate, da die Sonne nach Norden geh
auf diesem Wege [dem Götterwege] fortziehend, gehen
brahmanwissenden Menschen zu Brahman ein.
25. (1166.) Der Rauch, die Nacht, die dunkle Monatshi
die sechs Monate, da die Sonne nach Süden geht, —
diesem Wege [dem Väterwege] gelangt der Yogin zu
Lichtreiche des Mondes und mufs wieder zurückkehren.
Digitized by Google
VIII (Adhy&ya 3*2).
6<>
26. (1167.) Diese beiden Wege, der helle und der dunkle
[welche aus Chänd. Up. 5,3-10 = Brill. Up. 6,2 übernommen,
aber vom Verfasser mifsverstanden werden], bestehen ewig
für die Welt der Lebenden, auf dem einen gelangt man zur
Nichtwiederkehr, auf dem andern kehrt man wieder zurück.
27. (lies.) Keiner, o Prithäsohn, der als Yogin diese beiden
Wege kennt, geht in der Irre, darum, o Arjuna, sei zu allen
Zeiten des Yoga beflissen.
28. (U69.) Alles, was als Frucht guter Werke für Veda-
studium, Opfer, Askese und Almosengeben verheifsen
wird, das alles überschreitet, dieses wissend, der Yogin
und gelangt zu der höchsten, uranfänglichen Stätte.
So lautet in der Bh&gav»ilgtM die Hingebung an den grofsen Geist
(niahäpurut h a - yoga) .
IX (AdhyAya 3»).
Vers 1170-1204 (B. 1-34).
Der Heilige sprach:
1. (ii7o.) Dieses aber will ich als Geheimnisvollstes dir,
der du mich willig anhörst, verkündigen, eine Erkenntnis,
von Wissen begleitet, welche erkannt habend, du erlöst werden
wirst von dem Übel.
2. (im.) Ein Königswissen, ein Königsgeheimnis ist dieses
höchste Läuterungsmittel, unmittelbar verständlich, heilig,
leicht auszuführen und unvergänglich.
3. (H72.) Menschen, welche an diese Satzung nicht glau-
ben, o Feindbezwinger, gelangen nicht zu mir und kehren
zurück auf dem Wege des Todes und der Seelenwanderung.
4. (1173.) Von mir in der Gestalt des Unentfalteten ist
diese ganze Welt ausgebreitet worden. Alle Wesen werden
von mir, nicht aber werde ich von ihnen befafst.
5. (1174.) Und doch werden auch wieder die Wesen nicht
von mir befafst, da siehst du meine göttliche Zauberkunst:
Ich trage die Wesen und bin doch nicht in den Wesen be-
fafst, mein Selbst ist der Bildner der Wesen.
Digitized by Google
70
II. BhagavadgitA.
6. (ine.) Wie, von dem Räume befafst, der grofseWind
immerfort nach allen Seiten streicht, so werden alle Weser
von mir befafst, das sollst du merken.
7. (1176.) Alle Wesen, o Sohn der Kunti, gehen zurücl
in meine Natur (prakriti), wenn ein Kalpa (Weltperiode) t
Ende geht, und wiederum bin ich es, der sie am Anfang de
nächsten Kalpa erschafft.
8. (1177.) Immer wieder und wieder schaffe ich, auf meir
eigene Natur (prakriti) mich stützend, diese ganze Schar d<
Wesen auch gegen ihren Willen (oben, Vers ii6o) kraft mein
Prakriti.
9. (1173.) Und doch binden mich diese Werke nicht, oBeut
macher, sondern ich sitze da wie einer, der müfsig ist, ui
bin nicht in diesen Werken befangen.
10. (1179.) Durch mich als Aufseher [getrieben] gebi<
die Prakriti das Bewegliche und Unbewegliche [Mensch«
Tiere und Pflanzen], und dies ist die Ursache, o Kuntisol
durch welche die Welt der Lebenden in Umlauf bleibt.
11. (liso.) Gering achten mich, wenn ich in einen mens»
liehen Leib eingehe, die Toren, welche mein höchstes S
als grofser Gott der Weesen nicht kennen.
12. (ii8i.) Ihr Hoffen ist eitel, ihre Werke sind eitel,
Wissen ist eitel; unbesonnen vertrauen sie auf meine däi
nische, widergöttliche, verblendende Prakriti.
13. (ii82.) Aber edelgesinnte Menschen vertrauen auf m
o Prithäsohn, auf meine göttliche Prakriti, und verehren
entwegten Geistes das, was sie als den ewigen Ursprung
Wesen erkannt haben.
14. (1183.) Ohne Unterlafs preisen sie mich und str»
zu mir festen Gelübdes, und indem sie mir gläubig huldi
verehren sie mich in beständiger Hingebung.
15. (1184 vacat. 1185.) Andere verehren mich, indem sh
ihre Erkenntnis als Opfer darbringen, mich, der ich als
heit bestehe und vielfach als Besonderheit nach allen S
mich erstrecke.
16. (1186.) Ich bin die Opferhandlung, bin das Götter
und Manenopfer, ich bin der Pflanzensaft, der Spruch
Opferbutter, das Opferfeuer und zugleich das Geopferte
Digitized by Google
IX (Adhy&ya 33).
7i
17. (1137.) Ich bin der Vater dieser Welt und die Mutter,
der Schöpfer, der Allvater, ich bin des Wissens Inbegriff,
das Läuterungsmittel, die Silbe Ow, bin Ric, Säman und zu-
gleich Yajus.
18. (H88.) Ich bin das Ziel, der Erhalter, der Herr, der
Zeuge, die Wohnstätte , die Zuflucht, der Freund, ich bin
Entstehen und Vergehen, der Standort, der Hort, der ewige
Same.
10. (ii*9.) Ich brenne [als Sonne], ich halte den Regen
zurück und lasse ihn strömen, ich bin das Unsterbliche und
der Tod [Götter und Menschen], bin das Seiende und das
Nicht- Seiende, o Arjuna.
20. (1190.) Von mir erflehen die Drei -Veda- Kenner, die
Somatrinker, vom Bösen geläutert und das Opfer dar-
bringend, den Weg zum Himmel, und sie gelangen zu
der heiligen Welt des Fürsten der Götter und geniefsen
im Himmel himmlische Götterfreuden.
21. (ii9i.) Und nachdem sie die weite Himmelswelt
genossen haben, kehren sie nach Verbrauch ihrer guten
Werke zur Welt der Sterblichen zurück. In dieser Weise,
der Satzung der drei Veden folgend und nach Wünschen
verlangend, erlangen sie Hingehen und Wiederkommen.
22. (ii92.) Die Menschen aber, welche, ihr Denken auf
nichts anderes richtend, mich verehren, diesen allezeit Be-
flissenen bereite ich Erwerb und Besitz [des Ewigen].
23. (1193.) Diejenigen aber, welche, anderen Göttern an-
hängend, dieselben gläubig verehren, auch diese verehren in
Wahrheit mich, o Kuntisohn, auch ohne dafs eine Vorschrift
dafür vorherginge.
24. (1194.) Denn ich bin der Geniefser und der Herr aller
Opfer; aber sie erkennen mich nicht in Wahrheit, und darum
sinken sie herab [im Samsära].
25. (1195.) Zu den Göttern gehen die, welche den Göttern
anhängen, zu den Vätern die, welche den Vätern anhängen,
zu den Dämonen die, welche die Dämonen fbhutaj verehren, —
wer mich verehrt, der geht zu mir.
26. (ii96.) Wer auch nur ein Blatt, eine Blume, eine Frucht,
ein Wasser mir verehrungsvoll darbringt, das geniefse ich,
Digitized by Google
72
II. Bhagavadgitfc.
wenn es mir in Verehrung mit hingegebenem Geiste dar
gebracht worden ist.
27. (1197.) Was du tust, was du ifst, was du opferst un
was du schenkst und was du dir als Kasteiung auferlegs
o Sohn der Kunti, das mache zu einer Gabe an mich.
28. (1198.) Auf diese Weise wirst du erlöst werden vo
den an die Werke geknüpften guten und schlimmen Früchtei
und, magst du dich der Entsagung oder der Hingebung [s
die Werke] widmen, erlöst zu mir eingehen.
29. (ii99.) Für alle Wesen bin ich der Gleiche, ich hal
keinen, den ich hasse, und keinen Günstling, die aber in Ve
ehrung mir anhängen, die sind in mir und ich bin in ihn
(vgl. Ev. Joh. 14, Vers 20).
30. (1200.) Und wäre einer gewesen von sehr bösem Wa
del, der mich und nichts aufser mir verehrte, der mufs t
ein Guter gelten, weil er sich zur rechten Gesinnung ei
schlössen hat.
31. (1201.) Er wird bald ein Rechtschaffener und geht <
zum ewigen Frieden; o Kuntisohn, das lafs dir gesagt sc
wer mir anhängt, der geht nicht verloren.
32. (1202.) Denn die, welche auf mich vertrauen, o Pritl
söhn, auch wenn sie von schlechter Geburt sind, auch w<
sie Weiber oder Vaicya's oder Qüdra's sind, auch solche gel
den höchsten Gang (Galater 3,28),
33. (1203.) um wieviel mehr heilige Brahmanen und fron
Königsweise ! Da du geraten bist in diese vergängliche, fre
lose Welt, so verehre mich.
34. (1204.) Auf mich richte deinen Geist, mir huldige,
opfere, mich verehre, so wirst du, in dieser Weise dich
hingebend und mich über alles schätzend, zu mir einge
So lautet in der Bbagavadglta
die Hingebung an daa Künigswiaeeu und KOuigsgebeinmis
(rdjatidyd ■ rdjayuhya - yoga).
Digitized by Google
X (Adhy&ya 34).
73
X (Adhyftya 34).
Vers 1205-124« (B. 1—42).
Der Heilige sprach:
1. (1205.) Noch weiter, o Grofsarmigcr , vernimm meine
allerhöchste Rede, welche ich dir, den ich liebe, mitteilen
will aus Wold wollen für dich.
2. (1206.) Nicht die Scharen der Götter, nicht die grofsen
Weisen kennen meinen Ursprung, denn ich bin der Anfang
der Götter und der grofsen Weisen allüberall.
3. (1207.) Wer mich weifs als den Ungeborenen, den An-
fanglosen, als den grofsen Herrn der Welt, der lebt unter
den Menschen ohne Verblendung und wird von allem Bösen
erlöst.
4. (1208.) Verstand, Wissen, Besonnenheit, Geduld, Wahr-
haftigkeit, Bezähmung, Ruhe, Lust, Schmerz, Entstehen und
Nichtsein, Furcht und Furchtlosigkeit,
5. (1209.) Schonung, Gleichmut, Zufriedenheit, Askese,
Freigebigkeit, Ehre und Schande, — alle diese einzelnen Zu-
stände (bhäväh) der Wesen entspringen aus mir.
6. (i2io.) Meines Wesens sind die sieben vorweltlichen
grofsen Weisen und die vier Manu's, sie sind meine geistigen
Söhne, deren Weltschöpfung diese Wesen sind.
7. aaii.) Wer diese meine Machtentfaltung und Zauber-
kunst fyogaj in Wahrheit erkennt, der wird mit unerschütter-
lichem Yoga angetan, daran ist kein Zweifel.
H. (1212.) Ich bin der Ursprung des Weltalls, aus mir ent-
wickelt sich das Weltall, das wissen die Weisen und ver-
ehren mich, in Liebe mir hingegeben.
9. (1213) An mich denkend und mir das Leben hingebend,
ermahnen sie sich gegenseitig, rühmen mich fort und fort
und finden in mir ihre Befriedigung und Freude.
10. (12U.) Solchen Menschen, wenn sie, auf Grund ihrer
Liebe zu mir, mir immerfort hingegeben und anhänglich sind,
verleihe ich jene Vertiefung der Erkenntnis, durch welche
sie zu mir gelangen.
Digitized by Google
74
II. lihagavadgitä.
1 1 . (1215.) Und aus Mitleid mit ihnen gehe ich in ihr Wesen
ein und vernichte die aus dem Nichtwissen entsprungene
Finsternis durch die leuchtende Fackel der Erkenntnis.
Arjuna sprach:
12. (1216.) Das höchste Brahman, die höchste Stätte, da»
höchste Läuterungsmittel bist du, o Herr; für den ewigen
himmlischen Purusha, für den Urgott, den ungeborenen, all
durchdringenden,
13. (1217.) erklären dich alle die Weisen und der Göttei
weise Närada nebst Asita, Devala und Vyasa, und auch d
selber sagst es mir.
14. (1218.) Alles das nehme ich als wahr an, was du m
sagst, o Vollhaariger, denn weder Götter noch Dämone
o Heiliger, kennen deine Entstehung.
15. (1219.) Nur du allein kennst dich selbst durch di
selbst, o höchster Geist, du Wesenbildner, du Wesenherr,
Göttergott, du Weltgebieter.
16. (1220.) So sage es mir ohne Vorbehalt, denn him
lisch sind deine Machtentfaltungen, durch welche Mac
entfaltungen du, die Welten durchdringend, dastehst.
17. (1221.) Wie kann ich als Yogin dich erkennen, t
über sinnend für und für, und in welcherlei Wesensfon
bist du, o Heiliger, von mir zu überdenken?
18. (1222.) Erkläre mir noch mehr, o Janärdana, in *
führlichkeit deine Zauberkunst fyogaj und Machtentfalti
denn wenn ich dir zuhören darf, bietet mir selbst Ambr
kein Genüge mehr.
Der Heilige sprach:
19. (1228.) Wohlan! ich will sie dir verkünden, denn Iii
lisch sind meine Entfaltungen, — im ganzen und grc
o Bester der Kuru's, denn meiner Ausbreitung ist kein 1
20. (1224.) Ich bin, o Lockiger, die Seele, die in der
aller Wesen weilt, ich bin der Anfang der Wesen, bin
Mitte und ihr Ende.
21. (1225.) Ich bin Vishnu unter den Aditya's, bin
den Lichtern die strahlende Sonne, bin Marici untei
Marut's, ich bin unter den Gestirnen der Mond.
Digitized by Google
X (Adhyäya 34).
75
22. (1226.) Ich bin der Sämaveda unter den Veden, bin
Vasava (Indra) unter den Göttern, das Manas unter den Sinnes-
organen, der Geist in den Wesen.
23. (1227.) Ich bin Qankara (Qiva) unter den Rudra's, bin
der Schätzeherr (Kubera) unter den Yaksha s und Rakshas',
der Gott des Feuers unter den Vasu's, der Götterberg Meru
unter den Bergen.
24. (1229.) Unter den Hauspriestern, o Prithäsohn, wisse,
bin ich Brihaspati, unter den Heerführern Skanda (Kriegsgott),
unter den Wassern der Ozean.
25. (1229.) Ich bin Bhrigu unter den grofsen Weisen, bin
die eine Silbe fomj unter den Worten, unter den Opfern bin
ich das Opfer des Murmeins, unter den Bergen bin ich der
Himälaya.
2b*. (1230.) Unter allen Bäumen bin ich der Acvattha (Ficus
religiosaj, unter den Götter weisen Närada, unter Gandharva's
Citraratha, unter den Seligen der rote Weise [kapäo munih,
vgl. (Jvet. Up. 5,2; der rote Weise ist Hiranyagarbha].
27. (1231.) Unter den Rossen wisse mich als Uccaihcravas,
der zugleich mit dem Amritam entstand, unter den edelsten
Elefanten als Airävata, unter den Menschen als König.
28. (1232.) Unter den Waffen bin ich der Donnerkeil, unter
den Kühen die himmlische Wunschkuh, ich bin der zeugende
Liebesgott, bin Väsuki unter den Reptilien.
29. (123a.) Unter den Schlangen bin ich Ananta (Schlange
des Vishnu), unter den Seeungeheuern Varuna, unter den ab-
geschiedenen Vätern bin ich Aryaman, unter den Zwingherren
Yama (der Höllenfürst).
30. (1234.) Unter den Daitya's bin ich Prahläda, für die
Zählenden bin ich die Zeit, unter den Waldtieren der Löwe,
unter den Vögeln der Vogel des Vishnu.
31. fi235.) Ich bin der Wind unter den Luftreinigern,
lläma unter den Waffenträgern, unter den Meertieren bin ich
der Delphin, unter den Flüssen die Ganga.
32. (1236.) Ich bin Anfang, Mitte und Ende der Schöpfungen,
unter den Wissenschaften bin ich das Wissen vom höchsten
Atman, ich bin die These der Disputierenden.
Digitized by Google
7G
II. BhagavadgM.
33. (1237.) Unter den Lauten bin ich der a-Laut, unter
den zusammengesetzten Wörtern die kopulative Zusammen-
setzung (dvandaj, ich bin die unvergängliche Zeit, ich bin
der Schöpfer mit Angesichtern nach allen Seiten.
34. (1238.) Ich bin der alles dahinraffende Tod, ich bin
die Entstehung dessen, was entsteht, ich bin unter den weib-
lichen Götterwesen die Ehre, die Schönheit und die Rede,
die Erinnerung, die Weisheit, die Festigkeit und die Geduld.
35. (1239.) Unter den Säman's bin ich das Brihatsaman,
unter den Metren die Gäyatri, unter den Monaten der Marga-
cirsha (der erste Monat im Jahre), unter den Jahreszeiter
bin ich die Blumenreiche.
36. (1240.) Unter dem, was trügt, bin ich das Würfelspiel
ich bin der Glanz der glänzenden Dinge, ich bin der Sie^
die Entschlossenheit, die Güte (sattvamj der Guten.
37. (1241.) Unter den Vrishnisöhnen bin ich Vasude>
(Krishna), unter den Pandava's bin ich der Beutemach
(Arjuna), unter den Weisen bin ich Vyasa, unter den Meiste
bin ich der Meister Ucanas.
38. (1242.) Ich bin die Rute der Züchtigenden, bin t
Staatsklugheit der nach Sieg Strebenden, das Schweigen <
Geheimnisse, bin das Wissen der Wissenden.
39. (1243.) Und was bei allen lebenden Wesen der Sa
ist, das bin ich, o Arjuna; es gibt kein W r esen, bewegl
oder unbeweglich, welches ohne mich wäre.
40. (1244.) Kein Ende ist meiner himmlischen Ma<
entfaltungen , o Feindbezwinger, und nur andeutungsw
habe ich dir diese Auseinandersetzung meiner Machten tfalt
mitgeteilt.
41. (1245.) Alles, was mächtig und gut, alles, was s<
und kraftvoll ist, das alles, sollst du wissen, entsteht alt
Teil aus meiner Kraft.
42. (1246.) Aber was soll dir dieses vielerlei Wissen, <
juna! Ich beharre und trage mit einem Teile von mi
ganze Welt der Lebenden.
So lautet in der BbagavadgltA die Zauberkunst der BUcbtentf<t&ng
(rihhuti-yoga).
Digitized by Google
XI (Adhyaya 35).
77
XI (Adhyftya 35).
Vers 1247-1301 (B. 1-55).
Arjuna sprach :
1. (1247.) Dieweil du aus Gnade gegen mich diese höchste
geheimnisvolle Rede, die da heifst die Rede vom höchsten
Atman, mitgeteilt hast, darum ist meine Betörung von mir
gewichen.
2. (12*8.) Denn ich habe ausführlich nun vernommen den
Ursprung und Vergang der Wesen von dir, o Lotosaugiger,
und die unvergängliche Majestät.
3. (ri4u.) So wie du nun in dieser Weise dich selbst ge-
schildert hast, o höchster Gott, so möchte ich deine göttliche
Gestalt schauen, du höchster Geist.
4. (1250.) Wenn du es für möglich hältst, dafs dieselbe
von mir gesehen wird, o Gebieter, dann zeige du mir, o Herr
des Yoga, dein unvergängliches Selbst.
Der Heilige sprach :
5. (1251.) Siehe, o Prithäsohn, meine Gestalten hundert-
fach und tausendfach, die mannigfaltigen, himmlischen, welche
mancherlei Farben und Formen zeigen.
6. (1252.) Siehe die Aditya's, die Vasu's, die Rudra's, die
AcvüVs und die Marut's, siehe, o Bhärata, viele nie zuvor
gesehene Wundergestalten,
7. Q253.) siehe hier gegenwärtig vereinigt die ganze Welt
des Beweglichen und Unbeweglichen in meinem Leibe,
o Lockiger, und was du sonst noch zu sehen wünschst.
8. ri254.) Aber du wirst mich nicht mit diesem deinem
eigenen Auge sehen können [lies: {-alcshyasc mit Schlegel];
ich gebe dir ein himmlisches Auge, mit dem sollst du meine
göttliche Zauberkunst sehen.
Sanjaya (der Erzähler) sprach:
9. (1256.) Nachdem so, o König, der Herr der grofsen
Zauberkraft Hari (Vishnu-Krishna) gesprochen hatte, zeigte
er dem Sohne der Prithä seine höchste göttliche Gestalt,
Digitized by Google
78
11. Bhagavadgitfi.
10. (1256.) mit vielen Mündern und Augen, mit vielen
wunderbaren Anblicken, mit vielem himmlischem Schmucke,
mit himmlischen gezückten Waffen von mancherlei Art,
11. (1257.) ihn, den mit himmlischen Kränzen und Ge-
wändern angetanen, mit himmlischen Wohlgerüchen gesalb-
ten, alle Wunder in sich befassenden, unendlichen, nach
allen Seiten seine Angesichter kehrenden Gott.
12. (1258.) Wenn am Himmel auf einmal der Glanz voi
tausend Sonnen sich erhöbe, ein solcher Glanz würde ähn
lieh sein dem Glänze jenes Hochsinnigen.
13. (1259.) Daselbst schaute der Sohn des Pändu in der
Leibe des Gottes der Götter die ganze Welt in einem befaL
in ihren mannigfachen Teilen.
14. (1260.) Und von Erstaunen erfüllt, mit gesträubte
Haare, verneigte sich der Gewinner der Güter mit seine
Haupte vor dem Gotte, legte seine Hände zusammen ui
sprach:
Arjuna sprach:
15. (1261.) Ich sehe, o Gott, in deinem Leibe alle Göt
und die Schar der mannigfachen Wesen, den Gotthe
Brahman auf seinem Lotossitze und alle Rishf 8 und
himmlischen Schlangengötter.
16. (1262.) Ich sehe dich mit vielen Armen, Leibt
Mündern und Augen, deine Gestalt nach allen Seiten
Unendliche erstreckend, kein Ende, keine Mitte und kei
Anfang deiner sehe ich, o Allgott, Allgestal tiger.
17. (1263.) Mit Diadem, mit Keule und mit Disku
einer Fülle von Glanz, nach allen Seiten hinflamm
sehe ich dich, den schwer zu Schauenden, den nach s
Seiten wie flammendes Feuer und Sonnen Strahler
Unermefslichen.
18. (1264.) Du bist das höchste Unvergängliche,
soll man wissen, du bist der höchste Hort dieser g£
Welt, du bist der unwandelbare Hüter der ewiger
setze, du bist von mir erkannt worden als der u
gängliche Purusha.
19. (1265.) Ich sehe dich als ohne Anfang, Mitt
Ende, von unendlicher Tapferkeit, mit unendlichen A
Digitized by Google
XI (Adhy&ya 35).
79
mit Sonne und Mond als Augen, mit dem lohenden Opfer-
feuer als Mund, mit deiner Glut das ganze Weltall durch-
glühend.
20. (1266.) Alles dies hier, was zwischen Himmel und
Erde liegt, und alle Weltenräume sind erfüllt von dir,
dem Einen. Die Drei weit, o Hochsinniger, sieht diese
deine wunderbare, furchtbare Gestalt und erzittert.
21. (1267.) Hier diese Scharen von Göttern gehen ein
in dich, und andere, voll Furcht, lobsingen dir mit zu-
sammengelegten Händen; „sei uns gegrüfst", so sprechen
Scharen von grofsen Weisen und Vollendeten, und preisen
dich mit überströmenden Lobgesängen.
22. (1268.) Die Rudra's, Aditya s, Vasu s und Sädhya s,
die Vicve Deväh, dio beiden Acvin's, die Marut's, die
Geniefser der Totenspende, die Gandharva's, Yaksha's,
Asura's und Siddha's, in Scharen schauen sie dich an
und alle staunen.
23. (1269.) Deine grofse Gestalt, deine vielen Münder
und Augen, o Grofsarmiger, deine vielen Arme, Schenkel
und Füfse, deine vielen Leiber, deine vielen, klaffenden
Zähne, — die Welten sehen sie und erbeben, und so
auch ich.
24. (1270.) Wenn ich dich sehe, wie du bis zum Himmel
aufreichst, flammend und vielfarbig, mit aufgerissenem
Rachen, mit glühenden grofsen Augen, so erzittert meine
innere Seele, o Vishnu, und ich finde keine Fassung und
keine Ruhe.
25. (1271.) Und wenn ich deine Münder mit klaffendem
Gebifs sehe, wie sie dem W'eltuntergangsfeuer vergleich-
bar sind, so unterscheide ich die Himmelsrichtungen nicht
mehr und finde mir keine Rettung; sei gnädig, o Herr
der Götter, der du die Welt der Lebenden erfüllst!
26. (1272.) Auch sie [gehen ein] in dich, die Söhne
dort des Dhritaräshtra, alle mitsamt den übrigen Scharen
der Erdeherren, Bhishma und Drona und jener Wagen-
lenkersohn (Karna), und ebenso die auf unserer Seite
stehenden vorzüglichsten Kämpfer,
Digitized by Google
80
II. ßhagavadgltä.
27. (1273.) sie alle stürzen eilig in deine zähneklaffen-
den furchtbaren Rachen, und manche von ihnen scheinen
schon mit zermalmten Häuptern zwischen deinen Zähnen
zu hängen.
28. (1274.) "Wie die vielen Wasserstürze der Ström«
auf den Ozean zueilen, so stürzen diese Helden der Men
schenwelt in deine ringsum flammenden Rachen.
29. (1275.) Wie Mücken sich zu ihrem Verderben m :
beschleunigter Eile in ein flammendes Feuer stürzen, s
stürzen sich die Welten zu ihrem Verderben mit b«
schleunigter Eile in deine Rachen.
30. (1276.) Du züngelst, indem du die gesamten W<
ten ringsum in deine glühenden Rachen hineinschling
und deine furchtbaren Flammen, o Vishnu, erfüllen r
ihrem Lichtglanz die ganze Welt und setzen sie
Gluten.
31. (1277.) Erkläre mir, wer du bist, der du di
furchtbare Gestalt trägst, Verehrung sei dir, o hoch*
Gott, sei mir gnädig! Dich, den Uranfänglichen, möc
ich erkennen, denn ich begreife nicht, wie du dich
tätigst.
Der Heilige sprach:
32. (1278.) Ich bin die Zeit, welche in ihrem Fortsei
ten den Untergang der Welt bewirkt, und betätige i
hienieden darin, dafs ich die Menschen hinwegraffe ;
auch ohne dich würden sie alle nicht am Leben ble
sie, welche in Schlachtreihen als Kämpfer gegeni
stehen.
33. (1279.) Deshalb erhebe dich, erwirb dir Ruhm
siege die Feinde, geniefse die glückliche Herrs«
Schon längst sind diese hier von mir erschlager
sollst nur mein Werkzeug sein, du auch mit der 1
Hand Gewandter.
34. (1280.) Drona, Bhishma, Jagadratha, Earn;
die anderen Kampfeshelden sind schon von mir ersch
so erschlage du sie ohne Zagen; kämpfe, denn du
die Widersacher in der Schlacht besiegen.
Digitized by Google
XI (Adhyaya 35).
81
Sanjaya (der Erzähler) sprach:
35. (i :8i.) Als dieses Wort des Vollhaarigen der Diadem-
träger mit zusammengelegten Händen und zitternd gehört
hatte, da sprach er in Ehrfurcht weiter zu Krishna mit
stammelnder Stimme, voll Angst und Schrecken, indem
er sich verneigte.
Arjuna sprach:
36. (1282.) Mit Recht geschieht es, o Struppiger, dafs
die Welt bei deinem Namen sich erfreut und an ihm
hängt, dafs die bösen Geister von Furcht ergriffen nach
allen Seiten fliehen und dafs alle Scharen der Vollendeten
dir Verehrung zollen.
37. (1283.) Und wie sollten sie sich dir nicht beugen,
o Hochsinniger, der du älter selbst als der Gott Brah-
män, der du der Urschöpfer bist; du, o unendlicher Herr
der Götter und Welterfüller, du bist jenes Höchste, Un-
vergängliche, das da ist und zugleich nicht ist.
38. (1284.) Du bist der Erstlingsgott, der Purusha, der
Alte, du bist der höchste Hort dieses Weltalls, der Wisser
alles Wifsbaren und die höchste Stätte; durch dich ist
dieses Weltall ausgebreitet, o Unendlichgestalteter.
39. (1285.) Du bist Vayu, Yama, Agni, Varuna und
der Mondgott, du bist Prajäpati und der Ururvater der
Welt. Verehrung sei dir, Verehrung tausendfach und
abermals und weiter Verehrung um Verehrung!
40. (1286.) Verehrung sei dir von Osten und von Westen,
Verehrung dir von allen Seiten, du Allseitiger! Unend-
lich ist deine Kraft, unermefslich dein Heldentum, du
durchdringst die Welt nach allen Seiten, darum bist du
der Allseitige.
41. (1287.) Wenn ich, dich blofs für einen Freund
haltend, ohne Umschweife zu dir geredet habe mit den
Worten : „du Krishna, du Yadava, du, der du mein Freund
bist"; wenn ich in dieser Weise, da ich diese deine Maje-
stät nicht kannte, aus Unbedacht oder mit Vertraulich-
keit gesprochen habe,
Diuin», MahibhAraUm. 6
Digitized by Google
II. Bhagavadgita.
42. (1288.) oder wenn ich scherzweise dir beim Lust
wandeln, Lagern, Sitzen oder Speisen nicht die gebührend«
Ehre erwiesen habe , sei es dafs du allein mit mir warst
o Unerschütterlicher, oder in Gegenwart von diesen dor
so bitte ich dich um Verzeihung, dich, den Unermefslichei
43. (1289.) Du bist der Vater der Welt, des Bewe;.
liehen und Unbeweglichen, du von ihr zu verehren a
Meister und mehr als Meister; dir ist keiner gleich, vi
weniger überlegen in den drei Welten, o unvergleichli«
Gewaltiger.
44. (1290.) Darum neige ich mich, werfe meinen L<
vor dir nieder und bitte dich, den preiswerten Gotther
um Gnade ; wie der Vater mit dem Sohne, wie der Freu
mit dem Freunde, wie der Liebende mit der Gelieb
mögest du, o Gott, mit mir Nachsicht haben.
45. (1291.) Ich bin entzückt, indem ich sehe, was
früher nie gesehen, und zugleich ist mein Geist vonFui
erschüttert. Zeige mir, o Gott, diese deine Gestalt,
zeige mir die Gnade, du Gottherr, der du die Welt
Lebenden erfüllst.
46. (1292.) Mit dem Diadem, mit der Keule, mit
Diskus in der Hand möchte ich dich auch einmal sc
erscheine mir in dieser Gestalt, mit vier Armen, o Taus
armiger, Allgestaltiger.
Der Heilige sprach:
47. (1293.) Aus Gnade, o Arjuna, habe ich dir
meine höchste Gestalt gezeigt durch meines Sei
Zauberkraft, die aus Glanz bestehende, volle, unend
uranfängliche, welche aufser dir keiner je an m
schaut hat.
48. (1294.) Nicht durch Veda, Opfer und SU
nicht durch Schenken, nicht durch Zeremonien ,
durch furchtbare Askese kann ich in solcher <
in der Menschenwelt gesehen werden aufser vc
o Kuruheld.
49. (1295.) Keine Bestürzung, kein verwirrtes
soll dich überkommen, wenn du diese meine so
Digitized by Google
XI (Adhyaya 35).
83
bare Gestalt sehen wirst; befreit von Furcht vielmehr
und erfreuten Herzens sollst du diese meine Gestalt
schauen.
Saiijaya (der Erzähler) sprach:
50. (vi9ü.) Nachdem Vasudeva mit diesen Worten dem
Arjuna ja gesagt hatte, zeigte er ihm sodann weiter seine
Gestalt, und da er von Furcht erfüllt wurde, flöfste er
ihm wieder Mut ein, indem er wiederum in seiner milden
Gestalt erschien, der Hochherzige.
Arjuna sprach:
51. (1297.) Indem ich, o Janärdana (Heimsucher der Men-
schen), diese deine menschliche und milde Gestalt wiederum
sehe, bin ich nun wieder zur Besinnung gelangt und zu mir
selbst zurückgekommen.
Der Heilige sprach:
52. (1293.) Jene schwer zu schauende Gestalt, in der du
mich gesehen hast, — auch die Götter sind allezeit verlangend,
mich in dieser Gestalt zu schauen.
51). (1299.) Nicht durch Veden, nicht durch Askese, nicht
durch Gaben und nicht durch Opfer kann einer es erreichen,
mich in der Gestalt zu schauen, in der du mich erblickt hast.
54. (lsoo.) Aber durch Verehrung, die mir allein gewidmet
ist, kann einer, o Arjuna, in dieser Weise mich erkennen,
mich schauen, wie ich bin, und in mich eingehen, o Schreck
der Feinde.
55. (lsoi.) Wer raeine W r erke tut, mich als das Höchste
hat und mich verehrt ohne Anhänglichkeit an die Welt, wer
ohne Feindschaft ist gegen alle Wesen, der kommt zu mir,
o Pändusohn.
So UuUt in der BhagavadglU da« Kchaacii der Allgektu.lt
(li^rarüj a - dar^anam).
6*
Digitized by Google
84
II. Bhagavadgitä.
XII (Adhy&ya 36).
Vers 1302-1321 (B. 1-20).
Arjuna sprach:
1. (1302.) Die, welche in dieser Weise immerfort hingegebe
dir in Verehrung huldigen, und die, welche dem Unvergän^
liehen, Unoffenbaren huldigen, welche von diesen sind a
meisten der Hingebung fyogaj kundig?
Der Heilige sprach:
2. (1303.) Die, welche ihren Geist in mich vertiefen u
mich in beständiger Hingebung verehren, erfüllt von d
höchsten Glauben, diese sind es, welche ich für die mir
meisten Hingegebenen erachte.
3. (13W.) Die hingegen, welche das Unvergängliche, 1
aussprechliche , Unoffenbare verehren, das Allgegenwär
und Unausdenkbare, das Allerhöchste, Unwandelbare, F<
4. (1305.) indem sie die Schar der Sinnesorgane band
und auf alle Dinge mit Gleichmut blicken, auch diese an
Wohlsein aller Wesen sich Freuenden gelangen siehe
zu mir.
5. (1306.) Aber gröfser ist die Mühe derer, welche
Geist an das Unoffenbare anhängen, denn nur schwer is
unoffenbare Weg für die Verkörperten zu erlangen.
6. (1307.) Die aber, welche alle ihre Werke auf
werfen und mich für das Höchste erachten, mich mit
auf nichts anderes gerichteten Hingebung meditieren, ver
7. (1303.) für diese, die ihren Geist in mich vers«
werde ich, o Sohn der Prithä, alsbald zum Erretter au
Ozean des Todes und der Seelenwanderung.
8. (1309.) Mir also gib deinen Sinn hin, in mich a
deinen Geist, so wirst du bei mir Wohnung nehmei
diesem Dasein, daran ist kein Zweifel.
9. (i3io.) Kannst du aber dein Denken nicht dau*
mich versenken, dann suche mich, o Beutemacher, wen
durch Hingebung an die Übung zu erreichen.
Digitized by Google
XII (Adhyftya 3G).
85
10. (i3ii.) Bist du aber auch zu dieser Übung nicht fähig,
so halte dich an die mir geweihten Werke, denn auch, wenn
du um meinetwillen die Werke vollbringst, wirst du die Voll-
endung erreichen.
11. (1312.) Bist du aber auch dieses zu tun und der Hin-
gebung an mich zu leben nicht imstande, so bezwinge deinen
Geist und leiste wenigstens Verzicht auf die Frucht aller Werke.
12. (1313.) Denn höher als die Übung steht das Erkennen,
höher als das Erkennen die Meditation, höher als die Medita-
tion die Entsagung in betreff des Lohnes der Werke, der
Entsagung folgt der Friede auf dem Fufse.
13. (1314.) Wer gegen alle Wesen ohne Hafs, freundschaft-
lich gesinnt und mitleidvoll ist, frei von Selbstsucht und Ich-
bewufstsein, gleichmütig in Lust und Leid, geduldig,
14. (1315.) zufrieden, immer hingegeben, bezähmten Selb-
stes und festen Entschlusses auf mich gerichtet mit Sinn
und Geist und mir ergeben ist, der ist mein Freund.
15. (1316.) Von dem die Menschen nicht beunruhigt wer-
den und wer von Menschen nicht beunruhigt wird, wer frei
von den Beunruhigungen der Freude, des Verdrusses und der
Furcht ist, der ist mein Freund.
16. (1317.) Wer, ohne die Welt zu beachten, rein, tüchtig,
gleichgültig, frei von Erregung, auf alle Zwecke verzichtend
sich mir hingibt, der ist mein Freund.
17. (1318.) Wer nicht sich freut und nicht hafst, nicht
trauert und nicht begehrt und verzichtend auf Angenehmes
und Unangenehmes voll Hingebung ist, der ist mein Freund.
18. (1319.) Wer gleichgültig ist gegen Feind und Freund,
gegen Ehre und Schande, gegen Kälte und Hitze, gegen Lust
und Schmerz, frei von Anhänglichkeit,
11). (1320.) wer gleichmütig ist bei Tadel und bei Lob,
still, zufrieden mit allem, wie es kommt, ohne Heimat, festen
Glaubens und voll Hingebung, der ist mein Freund.
20. (1321.) Die aber, welche dieses heilige, von mir mit-
geteilte Amritam (Ambrosia) verehren und im Glauben mir
anhängen und huldigen, die sind vor allen meine Freunde.
So Untet io der Bb«gftT*dgtt& die Hingebung »n die Verehrung
(bhakti • yogo).
Digitized by Google
86
II, Bhagavadgitu.
XIII (Adhyftya 37).
Vers 1322-1355 (B. 1-34).
Arjuna sprach:
(1822.)* Die Prakriti und den Purusha, den Ort und den
Ortskenner, das Wissen und das Zuwissende, dieses wünscht
ich zu verstehen, o Vollhaariger.
Der Heilige sprach :
1. (1323.) Dieser Körper, o Kuntisohn, wird als der Oi
(kshetram) bezeichnet; den, der sich desselben bewufst is
nennen die Kundigen den Ortskenner (kshetrajna).
2. (1324.) Der Ortskenner, das sollst du wissen, in alle
Orten bin ich, o Bhärata; die Erkenntnis des Orts und d
Ortskenners, das erst ist wahre Erkenntnis, so sage ich.
3. (1325.) Was dieser Ort ist, von welcher Art, welch
Umwandlungen unterworfen und woher er stammt, und hi
wiederum, wer er (der Ortskenner) ist und von welcher Mac
das vernimm in der Kürze von mir,
4. (1326.) wie es vielfach von den Vedadichtern in manch
lei Liedern im einzelnen besungen worden ist, und durch,
von Gründen begleiteten, klar dargelegten Worte der Le
Sprüche über das Brahman (brahmasvtra).
5. (1327.) Die grofsen Elemente, der Ahankära (der 1
macher), die Buddhi, das Avyaktam [das Unentfaltete,
Prakriti], die [mit Kinschlufs von Manas] elf Indriya's
die fünf Objekte der Indriya's;
6. (1328.) ferner Begierde, Hafs, Lust, Schmerz, das [kör
liehe] Aggregat, Bewufstsein und Festigkeit, — damit b
summarischer Weise der Ort (kshetram) mit seinen Umw
lungen bezeichnet.
7. (1329.) Demut, Ehrlichkeit, Schonung, Nachsicht, Gc
sinnigkeit, Verehrung des Lehrers, Reinheit, Standhaft^
Selbstbeherrschung,
* Dieser Vers steht in C, wird in B. als unecht bezeichnet um
in den Separatausgaben.
Digitized by Google
XIII (Adhy&ya 37).
87
8. (1330.) Entsagung den Sinnendingen, Freiheit vom Ich-
bewufstsein, Einsicht in das Leiden und die Mängel von Ge-
burt, Tod, Alter und Krankheit,
9. (1331.) Nicht-Anhänglichkeit [an die Welt], Nicht-Ge-
bundensein an Kind, Weib, Haus und dergleichen, beständige
Gleichmütigkeit der Gedanken bei erwünschten und un-
erwünschten Wechselfällen,
10. (1332.) unerschütterliche Verehrung für mich ohne Hin-
gebung an einen andern, Aufsuchen einsamer Orte, Unlust zu
menschlicher Gesellschaft,
11. (1333.) Standhaftigkeit in der Erkenntnis des höchsten
Selbstes und Auffassen der Wahrheitserkenntnis als Zweck, —
dieses wird bezeichnet als das Wissen; als Nichtwissen das,
was davon verschieden ist.
12. (1334.) Nun will ich dir erklären, was das Zuwissende
ist, welches erkennend man die Unsterblichkeit erlangt. Es
ist das anfanglose höchste Brahman; dieses wird bezeichnet
als das weder Seiende noch Nicht- Seiende.
13. (1335.) Nach allwärts ist es Hand, Füfse, nach allwärts
Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend, die
Welt umfassend steht es da (= QJvct. Up. 3,10).
14. (1336.) Durch aller Sinne Kraft scheinend und doch
von allen Sinnen frei [bis hierher (^vet. Up. 3,17], ohne [Welt-]
Anhänglichkeit und doch Träger des Weltalls, ohne Guna's
und doch Geniefser der Guna's.
15. M337.) Aufserhalb der Wesen ist es und innerhalb,
ist das Bewegliche und das Unbewegliche; wegen seiner Fein-
heit ist es unerkennbar, es ist das Ferne und ist das Nahe.
16. (1338.) Ungeteilt wohnt es in den Wesen und doch
als wäre es geteilt, es ist zu wissen als die Wesen erhaltend,
vernichtend und hervorbringend.
17. (1339.) Es ist auch das Licht der Lichter (Brih. Up.
4,4,10), es wird das Finsternisjenseitige (vgl. Vaj. Samh. 31,18)
genannt. Es ist das Wissen, das Zuwissende, durch Wissen
zu Erlangende, es weilt im Herzen eines jeden.
18. (1340.) Damit sind in der Kürze erklärt der Ort, das
Wissen und das Zuwissende. Wer mich verehrt und dies
erkennt, der geht in meine Wesenheit ein.
Digitized by Google
88
II. Wiagavadgita.
19. (1341.) Du sollst wissen, dafs die Prakriti und ebensc
der Purusha beide anfanglos sind ; von den Umwandlungen abei
und den Guna's wisse, dafs sie aus der Prakriti entspringen
20 (fehlt in C). Als Ursache von Wirkung, Werkzeu)
(lies: karana) und Tätersein gilt die Prakriti, als Ursach
des Geniefserseins von Lust und Schmerz gilt der Purusbi
21. (1342.) Der Purusha, in der Prakriti weilend, geniefi
nämlich die aus der Prakriti entsprungenen Guna's; seinB
haftetsein mit den Guna's ist die Ursache für sein Gebore
werden in einem guten oder schlechten Mutterschofs.
22. (1343.) Zuschauer, Bewilliger, Erhalter, Geniefser, grofs
Herr und höchster Atman, mit diesen Worten wird in dies«
Leibe der Purusha, welcher der Höchste [das höchste Prinz
ist, genannt.
23. (1344.) Wer in dieser Weise den Purusha wie ai
die Prakriti mitsamt ihren Guna's versteht, der wird, in welc
Lage er sich auch immer befinden mag, nicht wieder gebo
24. (1345.) Manche schauen mittels der Meditation |
Yoga] das Selbst durch sich selbst in sich selbst, andere
kennen es durch Hingebung an die Reflexion fsänkhyamj, i
andere durch Hingebung an das [uninteressierte] Werk.
25. (1346.) Noch andere, welche nicht in dieser Weis«
Erkenntnis durchdringen, hören [über den Atman] vor
deren und verehren ihn, und auch diese überschreiten
Tod, wenn sie sich an das gehörte Vedawort als Höc
halten.
26. (1347.) Wo nur immer ein Wesen entsteht, eil
bewegliches oder bewegliches, da geschieht dies durch
bindung des Ortskenners mit dem Ort, das wisse, o Bharat;
27. (1348.) W r er aber in allen Wesen den höchster
wohnen sieht, der nicht vergeht, wenn sie vergehen, w-
sieht, der ist wahrhaft sehend.
28. (1349.) Denn indem er allerwärts denselben Gott v
sieht, wird er nicht sich selbst durch sich selbst ve
wollen, und so geht er den höchsten Weg.
29. (1350.) Wer einsieht, dafs die Werke allerwä
durch die Prakriti vollbracht werden, und dafs der
Nicht -Täter ist, der ist wahrhaft sehend.
Digitized by Google
XIII (Adbyäya 37).
89
30. (1351.) Wenn einer erkennt, dafs die Besonderheit der
Wesen in jenem Einen ihren Standort hat und von ihm her
sich ausbreitet, der geht in das Brahman ein.
31. (1362.) Vermöge seiner Anfanglosigkeit und Gunalosig-
keit wird jener unvergängliche höchste Atman, obgleich er
im Leibe weilt, o Kuntisohn, doch nicht zu einem Täter und
wird nicht befleckt.
32. (1353.) Wie der alldurchdringende Äther wegen seiner
Feinheit nicht befleckt wird, so wird auch der den ganzen
Körper durchdringende man doch nicht durch ihn befleckt.
33. (1354.) So wie die eine Sonne diese ganze Welt er-
leuchtet, so erleuchtet, o Bhärata, der Ortsbewohner den ganzen
Ort (Leib).
34. (1355.) Wer mit dem Auge der Erkenntnis in dieser
Weise die Verschiedenheit des Ortes und des Ortskenners,
sowie die Losgelöstheit der Wesen von der Prakriti erkannt
hat, der geht zum Höchsten ein.
8o Uutet in der DhagArsdglt*
die Hingebung an die Unterscheidung von Ort und Ortekenner
(kthttra • kthttraj'-a - cibhdga-tjoya}.
XIV (Adhy&ya 38).
Vers 125G-1382 (B. 1 — 27).
Der Heilige sprach:
1. (1356.) Als Höchstes will ich dir weiter verkündigen
die Wissenschaft, welche von allen Wissenschaften die oberste
ist, und durch deren Erkenntnis alle Muni's von hier zur
höchsten Vollendung eingegangen sind.
2. (1357.) Indem sie, auf diese Wissenschaft gestützt, zur
Wesenseinheit mit mir gelangt sind, werden sie bei der Neu-
schöpfung der Welt nicht wiedergeboren und brauchen beim
Weltuntergang nicht zu zittern.
3. (1358.) Mein Mutterschofs ist das grofse Brahman [lüer
die Prakriti bedeutend], in dieses lege ich den Keim, und
daraus geschieht die Entstehung aller Wesen, o Bharata.
Digitized by Google
90
IL. Bhagavadgitä.
4. (13G9.) Was auch immer für Gestalten in allen Mutter-
sehöfsen entstehen mögen, für sie alle ist der Mutterschofs das
grofse Brahman, und ich bin der den Keim verleihende Vater.
5. (1360.) Sattvam, Kajas und Tamas, das sind die
Guna's, welche aus der Prakriti hervorgehen; sie sind es.
o Grofsarraiger, welche in dem Leibe den unvergänglicher
Träger des Leibes gebunden halten.
6. (i36i.) Unter diesen ist das Sattvam vermöge seine
Makellosigkeit erhellend und leidlos, es bindet durch die Be
rührung mit der Lust und durch Berührung mit der Erkennt
nis, o Untadeliger.
7. (1362.) Das Rajas, wisse, ist seinem Wesen nach Leidei
schaft und entspringt aus Berührung mit der Begierde (Irishna
es bindet, o Kuntisohn, den Leibträger durch die Berührur
mit den Werken.
8. (1363.) Das Tamas, wisse, entspringt aus dem Niel
wissen und wirkt betäubend auf alle Leibträger; es bindet di
selben, oBhärata, durch Unbesonnenheit, Schlaffheit und Sehl
0. (1364.) Das Sattvam bringt in Berührung mit der Lu
das Rajas mit dem Werke, o Bharata, das Tamas hinge«,
umhüllt das Bewufstsein und bringt daher in Berührung i
der Unbesonnenheit.
10. (1365.) Das Sattvam entsteht, o Bharata, indem
Rajas und Tamas überwältigt, das Rajas, indem es SaUA
und Tamas, das Tamas, indem es Sattvam und Rajas ül
wältigt.
11. (1366.) Wenn durch alle [Sinnes-] Pforten in die
Leibe das Licht als Erkenntnis eindringt, dann nimmt
Sattvam überhand, das mufs man wissen.
12. (1367.) Begierde, Tätigkeit, Unternehmen von Wer
Unruhe, Verlangen, diese sind es, welche entstehen, wenr
Rajas überhand nimmt, o Bester der Bharata's.
13. (1368.) Verdunkelung, Untätigkeit, Unbesonner
Verblendung, diese entstehen, wenn das Tamas über
nimmt, o Kurusprofs.
14. (1369.) Wenn der Verkörperte dahinscheidet, nac
das Sattvam überhand genommen hat, dann gelangt *
den fleckenlosen Welten der Weisesten.
Digitized by Google
XIV (Adhy&ya 38).
91
15. (1370.) Stirbt einer unter der Herrschaft des Kajas, so
wird er unter werkhaften Menschen wiedergeboren; kommt
er um unter der Herrschaft des Tamas, so wird er in dumpfen
Mutterschöfsen wiedergeboren.
16. (1371.) Die Frucht des guten Werkes gilt für sattva-
haft und fleckenlos, die Frucht des Rajas ist Leiden, die Frucht
des Tamas Nichtwissen.
17. (1372.) Aus dem Sattvam entsteht Wissen, aus dem
Rajas Begierde, aus dem Tamas Unbesonnenheit und Ver-
blendung, sowie das Nichtwissen.
18. (1373.) Nach oben gehen die im Sattvam Stehenden,
in der Mitte weilen die Rajashaften, die in der Betätigung
des untersten Guna lebenden Tamashaften gehen nach unten.
19. (1374.) Wenn einer als Einsichtiger erkennt, dafs kein
anderer Täter als die Guna's vorhanden ist, und wenn er den
weifs, der erhaben über die Guna's ist, der geht in meine
Wesenheit ein.
20. (1375.) Der Verkörperte, diese drei Guna's, die der
Ursprung des Körpers sind, hinter sich lassend, wird von
Geburt, Tod, Alter und Leiden befreit und erlangt die Un-
sterblichkeit.
Arjuna sprach:
21. (1376.) Mit welchen Merkmalen, o Herr, ist der be-
haftet, der diese drei Guna's überschritten hat? Welcher Art
ist sein Wandel und wie kann er über diese drei Guna's
hinausgelangen ?
Der Heilige sprach:
22. (1377.) Wenn einer, o Pändusohn, Erhellung, Tätig-
keit und Verblendung [dio Aufserungen der drei Guna's]
nicht hafst, wo sie ihm entgegentreten, und nicht ersehnt,
wo sie ihm fehlen,
23. (1378.) wenn er, gleichwie ein Müfsiger dasitzend,
durch die Guna's nicht aus der Fassung gebracht wird, und
in der Erkenntnis, dafs nur die Guna's es sind, die ihr Wesen
treiben, abseits steht, ohne bewegt zu werden,
24. (1379.) wenn er gleichmütig in Leid und Lust in sich
feststehend, Erdklumpen, Steine und Gold für einerlei haltend,
Digitized by Google
92
II. Bhagavadgita.
Liebes und Unliebes für gleich erachtend, standhaft bleibt und
gleichgültig dagegen, ob man ihn tadelt oder lobt,
25. (1880.) wenn er gleichmütig ist bei Ehre und Unehre,
gleichmütig zwischen den Parteien der Feinde und Freunde
und auf alle Unternehmungen verzichtet, ein solcher hat die
Guna's überwunden.
26. (1381.) Und wer mit unentwegter hingebender Ver-
ehrung mir anhängt, der ist, nachdem er jene Guna's über-
wunden hat, tauglich zur Brahmanwerdung.
27. (138-2.) Denn ich bin das Fundament des unsterblichen,
unvergänglichen Brahman, der ewigen Satzung und der un-
getrübten Seligkeit.
So lftut«t in der BbayavadgttA
die Hingebung an die Unterscheidung der drei Gun»*a
(jfuna - traya - tibhdga - yoga) .
XV (AtlhyAya 39).
Vers 1383-1402 (B. 1-20).
Der Heilige sprach:
1. (1383.) Es ist (Käth. Up. 6,1) die Rede von dem un-
vergänglichen Acvatthabaum (Ficus rcligiosaj*, welcher die
Wurzel oben und die Zweige nach unten hat; seine Blätter
sind die heiligen Lieder, wer ihn kennt, der ist vedakundig.
2. (1381.) Seine Aste erstrecken sich nach oben und
nach unten, aus den Guna's erwachsend, seine Zweige
sind die Sinnendinge; nach unten zu strecken sich au:
seine Wurzeln, getrieben durch die Werke, in der Men
sehen weit.
3. (1385.) Zwar wird seine Gestalt hienieden nicht, wi
sie geschildert wird, erkannt, nicht sein Ende, nicht sei
Anfang und nicht sein Standort, aber indem man jene
Acvattha mit wohl erstarkter Wurzel durch das fest
Messer der Nichtanhänglichkeit [an die Welt] abschneide
* Schon der Verfasser scheint irrtümlich an den Nyagrodha ( Ficus indic>
zu denken ; Tgl. die Anmerkung zu Kath. Up. 6,1, Sechzig Upanishad's S. 26
Digitized by Google
XV (Adhyäya 30).
93
4. (1386.) soll man sodann jene Stätte ausforschen, zu
welcher eingegangen man nicht wieder zurückkehrt, mit
dem Gedanken: zu ihm, dem uranfänglichen Purusha,
nehme ich meine Zuflucht, von welchem die alte Welt-
entwicklung ausgegangen ist.
5. (1387.) Frei von Dünkel und Wahn nach Besiegung
der Sünde der Weltanhänglichkeit, beständig in dem
höchsten Ätman, die Begierden verabschiedend, von den
Gegensätzen, die da heifsen Lust und Schmerz, erlöst,
gehen sie frei von Verblendung zu jenem unvergäng-
lichen Orte ein.
6. (1388.) Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht der Mond,
noch auch das Feuer (vgl. Käth. Up. 5,15), wohin gelangend
sie nicht zurückkehren; das ist meine höchste Wohnstätte.
7. (1389.) Ein unvergänglicher Teil von mir ist es, was,
in der Lebewelt zur individuellen Seele geworden, die in der
Prakriti wurzelnden [fünf] Sinne mit Manas als sechstem an
sich heranzieht.
8. (1390.) Wenn er als Herr sich des Leibes bemächtigt
und wenn er wieder aus ihm auszieht, dann streicht er hin,
indem er jene an sich rafft, wie der W r ind die Düfte von dem
Orte, wo er weilte.
0. (i39i.) Indem er über Ohr, Auge, Gefühl, Geschmack
und Geruch sich zum Herrn aufwirft und ebenso über das
Manas, gibt er sich dem Genufs der Sinnendinge hin.
10. (1392.) Mag er ausziehen, mag er weilen, mag er, von
Guna's umkleidet, geniefsen, die Verblendeten sehen ihn nicht,
es schauen ihn die, deren Auge die Erkenntnis ist.
11. (1393.) Die Yogin's, wenn sie sich abmühen, schauen
ihn, wie er in ihnen selbst weilt; die aber unbereiteten Geistes
sind, auch wenn sie sich abmühen, die Unverständigen,
schauen ihn nicht.
12. (1394.) Der Glanz, der, in der Sonne weilend, die ganze
Welt erleuchtet, und der in dem Monde, der im Feuer weilt,
dieser Glanz, wisse, ist der meine.
13. (1395.) In die Erde eingehend erhalte ich die Wesen
durch meine Kraft; ich bringe alle Pflanzen zum Gedeihen,
ich werde zum Sorna, dem saftreichen.
Digitized by Google
94 II. Bbagavadgttk
14. (1396.) Ich, zu dem Verdauungsfeuer geworden, gehe
ein in den Leib der Lebenden, und, von Aushauch und Ein-
hauch begleitet, verdaue ich die vier Arten der Speise [Ge-
trunkenes, Gelecktes, Gekautes und Verschlungenes].
15. (1S97.) Ich bin eingegangen in das Herz eines jeden,
von mir stammt Erinnerung und Erkenntnis, sowie deren
Verlust, auch bin ich es, der durch alle Veden zu erkennen
ist, ich bin der Schöpfer des Vedanta und der Kenner
des Veda.
16. (1398.) Es gibt in der Welt diese beiden Purusha's,
den vergänglichen und den unvergänglichen; der vergäng-
liche sind alle Wesen, der unvergängliche wird der an der
Spitze stehende genannt.
17. (1399.) Der höchste Purusha aber ist ein anderer, er
wird der höchste Atman genannt; eingehend in die drei Wel-
ten, trägt er sie als unvergänglicher Gottherr.
18. (uoo.) W r eil ich dem Vergänglichen überlegen und,
als auch über das Unvergängliche erhaben, der Höchste bin,
darum werde ich in der Welt und im Veda gefeiert als der
höchste Purusha.
19. (uoi.) Wer mich in dieser Weise unbetört erkennt
als höchsten Purusha, der weifs [in mir] alles und verehrt
mich vermöge seines Allbewufstseins, o Bharata.
20. (1402.) Damit ist von mir, o Untadeliger, diese ge-
heimnisvolle Lehre verkündigt worden ; wer diese erkennt, der
hat Erkenntnis, der hat das zu Erreichende erreicht, o Bharata.
So lautet in der Bbagavadglta die Hingebung an den höchsten Purusha
(purushottama - yoga).
XVI (Adhyftya 40).
Vers 1403-1426 (13. 1-24).
Der Heilige sprach:
1. (1403.) Furchtlosigkeit, Reinheit des Wesens, Erkennt
nis, Hingebung, Beständigkeit, Freigebigkeit, Bezähmung
Opfer, Vedastudium, Askese, Geradsinnigkeit,
2. (H04.) Schonung, Wahrhaftigkeit , Nichtzürnen , Ent
Digitized by Google
XVI (Adhy&ya 40).
95
sagung, Nicht-Hinterbringen, Mitleid mit den Wesen, Nicht-
Begehrlichkeit, Milde, Schamhaftigkeit , Nicht-Unstetsein,
3. (1*05.) Energie, Geduld, Festigkeit, Sauberkeit, Harm-
losigkeit, Nicht-Uberhebung, — diese, o Bhärata, werden dem
zuteil, welcher für ein göttliches Geschick geboren ist.
4. (1106.) Hinterlist, Stolz, Hochmut, Zorn, Schroffheit,
Nichtwissen, — diese dem, der für ein dämonisches Geschick
geboren ist, o Prithäsohn.
5. (ho;.) Das göttliche Geschick führt zur Erlösung, das
dämonische zur Bindung. Klage nicht, o Sohn des Pändu,
du bist für ein göttliches Geschick geboren.
6. (1408.) Zwei Wesensschöpfungen gibt es in dieser Welt,
die göttliche und die dämonische; die göttliche ist ausführ-
lich besprochen worden, vernimm von mir die dämonische,
o Prithäsohn.
7. (uo9.) Die dämonischen Menschen wissen nicht, was
sie tun und lassen sollen. Nicht Reinheit, nicht guter Wandel,
nicht W T ahrheit ist bei ihnen zu finden.
8. (i4io) Sie behaupten, dafs die Welt ohne Wahrhaftig-
keit, ohne tragenden Grund, ohne Gott sei, nicht entstanden
durch geregelte Abkunft und nichts anderes als Geschlecht s-
lust zur Ursache habend.
i). (im.) In dieser Anschauung sich verhärtend, mit ver-
derbter Seele, mit schwacher Einsicht werden sie geboren
als Übeltäter der Welt zum Schaden, die Bösewichter.
10. (1412.) Schwer zu ersättigender Lust huldigend, von
Hinterlist, Hochmut und Tollheit erfüllt, in ihrer Verblendung
eine böse Wahl wählend, gehen sie dahin in unreinen Grundsätzen.
11. (1413.) Auf mafsloses, zum Verderben ausschlagendes
Denken sich stützend und den Genufs der Lüste für das
Höchste haltend, sind sie überzeugt, dafs es nichts weiter gebe.
12. (H14.) Von hundert Stricken der Hofl'nungen gebunden,
nichts Höheres als Begierde und Zorn kennend, streben sie
schrankenlos nach Aufhäufung von Gütern, um ihren Lüsten
zu frönen.
13. (1416.) „Diesen Wunsch habe ich heute erreicht, diesen
„hoffe ich zu erlangen, dieses Gut habe ich und dieses wird
„mir wiederum zuteil werden,
Digitized by Google
96
II. Bhagavadgitä.
14. (ui6.) „dieser Feind ist von mir getötet worden uiv
„andere werde ich noch töten, ich bin Herr, Geniefser, voll
„kommen, mächtig und glücklich,
15. (ui7.) „ich bin reich, hochgeboren, welcher andei
„käme mir gleich, icli werde opfern, werde schenken, wen
„geniefsen", so sprechen sie, vom Nichtwissen betört.
16. (ui8.) Von mancherlei Gedanken umhergetrieben,
das Netz der Verblendung verstrickt und den Genüssen d
Lust anhängend, stürzen sie in die unsaubere Hölle hin*
17. (1419.) Sich selbst die Ehre gebend, hochfahrend, \
Reichtumsdünkel und Tollheit besessen, bringen sie Opi
die es nur dem Namen nach sind, trügerisch und den V
Schriften nicht entsprechend.
18. (1420.) Gestützt auf Selbstsucht, Kraft, Stolz, L
und Zorn, hassen sie mich in ihren eigenen und in frem
Leibern, die Nörgler.
19. (1421.) Ich stürze sie, die hassenden, grausamen, n
rigsten Menschen, ich stürze sie auf ihrer Wanderung (
Ünterlafs, die Unsauberen, in dämonische Mutterleiber.
20. (1422.) Und in einen dämonischen Mutterleib ger;
verblendet von einer Geburt zur andern, finden sie mich r
o Kunüsohn, und gehen den tiefsten Weg.
21. (1423.) Dreifach ist jene Pforte der Hölle, welch
Seele vergiftet, als Begierde, als Zorn, als Lüsternheit, d
soll man diese drei meiden.
22. (1424.) Aber der Mann, o Kunüsohn, der erlö
aus diesen drei Pforten der Finsternis, betreibt das Heil
Seele und geht den höchsten Weg.
23. (1425.) Hingegen der, welcher die Vorschriftc
Gesetzes von sich wirft und nach eigenem Belieben wi
der kann nicht die Vollendung, nicht das Glück und
den höchsten Weg erreichen.
24. (1426.) Damm möge in der Bestimmung desse
zu tun und was zu lassen ist, das Gesetz deine "Riehl
sein ; erkennend, was vom Gesetze vorgeschrieben ist,
du hienieden dein Werk ausführen.
So lautet in der BhagtredgltA
der Unterschied dei göttlichen und dämonischen Lose«
(daira - dtura - »ampad - vibhdga).
Digitized by Google
XVII (Adhyäya 41).
97
XVII (Adhyftya 41).
Vers 1427-1454 (B. 1-28).
Arjuna sprach :
1. (H27.) Wie aber steht es mit denen, o Krishna, welche
zwar die Vorschrift des Gesetzes von sich werfen, aber im
Glauben Verehrung üben? Auf welchem Boden stehen sie,
auf dem des Sattvam, des Kajas oder des Tamas?
Der Heilige sprach:
2. (H28.) Dreifach ist der Glaube der Verkörperten, wie
er aus ihrer Naturbeschaffenheit entspringt: er ist sattva-
artig, rajas-artig und tamas-artig, darüber vernimm.
3. (U29.) Der Glaube, o Bhärata, ist bei einem jeden seiner
Wesenheit entsprechend; aus Glaube besteht der Mensch, wie
einer glaubt, so ist er (vgl. Mokshadharma 945s).
4. (1430.) Die Sattva-artigen verehren die Götter, die Rajas-
artigen die Halbgötter und Dämonen, die übrigen aber, die
tamas -artigen Menschen, verehren die Geister und die Ge-
spensterscharen.
5. (U31.) Diejenigen Menschen, welche eine furchtbare,
aber nicht vom Gesetz vorgeschriebene Askese üben und da-
bei behaftet mit Heuchelei und Selbstsucht und von Lust,
Leidenschaft und Gewalttätigkeit erfüllt sind,
6. H432.) diese Törichten quälen nur die im Leibe ver-
sammelte Schar der Elemente und mich, der ich in ihrem
Leibe weile; deren Entschliefsung, das sollst du wissen, ist
eine dämonische.
7. (1433.) Dreifach aber ist auch die Nahrung, die jedem
lieb ist, und ebenso sein Opfer, seine Askese und sein Schenken.
Vernimm, was deren Unterschied ist.
8. (U34.) Die Nahrungsmittel, die das Leben, Tüchtigkeit,
Kraft, Gesundheit, Lust und Behagen vermehren, und welche
als saftreich, ölig oder fest das Herz stärken, die werden von
sattvahaften Menschen geliebt.
Pir*«M. XahiMiirttMii. 7
Digitized by Google
II. Bhagavadgitft.
9. (U35.) Die Nahrungsmittel, die einen stechenden, sauern,
salzigen, erhitzenden, scharfen, rauhen und brennenden Ge-
schmack haben, sind bei rajashaften Menschen beliebt und
veranlassen Schmerz, Beschwerde und Krankheit.
10. (1430.) Abgestandene, schal gewordene, übelriechende,
übertägige, übrig gelassene und nichtopferwürdige Speisen
werden von den tamashaften Menschen geliebt
11. (1437.) Ein Opfer, welches im Hinblick auf die Vor-
schrift dargebracht wird von solchen, welche nicht nach Lohn
verlangen, sondern sich dazu entschliefsen, weil man eben
opfern mufs, ein solches Opfer ist sattvahaft.
12. (1438.) Ein Opfer hingegen, welches mit Absicht auf
den Lohn oder aus Heuchelei dargebracht wird, ein solches
Opfer, o Bester der Bharata's, ist rajashaft.
13. (uns ) Ein Opfer, welches nicht vorschriftsmäfsig, ohne
Spenden von Speise, ohne Vedasprüche, ohne Opferlohn und
ohne Glauben daran dargebracht wird, ein solches Opfer nennt
man tamashaft.
14. (1440.) Verehrung der Götter, Brahmanen, Lehrer und
Weisen, Reinheit, Geradheit, Keuschheit und Nicht-Schädigung,
diese bilden die Askese des Leibes.
15. (U4i.) Eine nicht Aufregung veranlassende, wahrhafte,
freundliche und heilsame Rede, sowie die Betreibung des Veda-
studiums, diese bilden die Askese der Rede.
lfi. fi44i.) Heiterkeit des Gemütes, Milde, Schweigen
Selbstbeherrschung, Reinheit des Herzens, diese bilden di«
Askese des Geistes.
17. (U43.) Diese dreifache, aus höchster Gläubigkeit ge
übte Askese, wenn sie von Menschen ohne Verlangen nach Lohi
und mit Hingebung geübt wird, nennt man sattvahafte Askese
18. (1444.) Eine Askese, welche um der Hochschätzun^
Bewunderung und Verehrung willen mit Heuchelei geübt wir<
eine solche heifst rajashaft, ist wankelmütig und unbeständig
19. (1445.) Eine Askese, welche aus verblendeter En
schliefsung die Selbstqual unternimmt, oder auch um eine
andern zu überbieten, eine solche heifst tamashaft.
20. (1446.) Eine Gabe, welche in dem Bewufstsein, da
man geben mufs, am rechten Ort zur rechten Zeit der recht«
Digitized by
XVII (Adhyäya 41).
9<)
Person, ohne dafs sie es vergelten kann, erwiesen wird, eine
solche Gabe heifst sattvahaft.
«
21. (H47.) Hingegen eine Gabe, welche um einer Gegen-
leistung willen oder im Hinblick auf einen Lohn mit Wider-
streben geschenkt wird, eine solche Gabe heifst rajashaft.
22. (1448.) Eine Gabe, welche am unrechten Orte zur un-
rechten Zeit der unrechten Person mit Geringschätzung oder
Verachtung dargeboten wird, eine solche Gabe heifst tamashaft.
23. (1449.; 0m, TW, Sat (Om, Dieses, das Seiende), das
gilt als die dreifache Bezeichnung des ßrahman, und kraft
dieser wurden in der Vorzeit die Brahmanen, Veden und
Opfer in ihre Stellung eingesetzt.
24. (1450.) Darum werden die vorgeschriebenen Übungen
von Opfer, Gabe und Askese allezeit von Bekennern des
Brahman damit begonnen, dafs sie den Laut Om aussprechen.
25. (i45i.) Tat (dieses sc. Brahman), mit diesem Worte
werden ohne Absicht auf Lohn die mannigfachen Verrich-
tungen von Opfer, Askese und Gaben von solchen dargebracht,
welche nach Erlösung verlangen.
26. fi452.) Das Wort Sat (das Seiende) wird gebraucht,
um die Realität und die Güte [des Brahman] zu bezeichnen,
und so wendet man, o Prithäsohn, das Wort Sat auch auf
eine rühmliche Handlung an.
27. (1453.) Sat heifst auch die Beharrlichkeit in Opfer,
Askese und Gaben, und so wird auch das um ihrer willen
unternommene Werk als sat (seiend, gut) bezeichnet.
2*. (1454.) Was aber an Opfer, Gaben, Askese und Werken
ohne Glauben dargebracht wird, das, o Sohn der Pritha, heifst
nsfä (nicht seiend, nicht gut) und ist nichtig sowohl nach
dem Tode als auch schon hier.
So lautet in der Bhagavadtflta dio dreifache Einteilung des Glaubens
ff raJiihä - traya - ri>>hAga ■ <j<xjo, .
7*
Digitized by Google
100
II. Bhagavadgitä.
XVm (Adhy&ya 42).
Vers 1455-1532 (B. 1-78).
Arjuna sprach:
1. (1455.) Das Wesen der Verzichtung wünsche ich zu
wissen, o Grofsarmiger, und das der Entsagung, o Struppiger,
insbesondere, o Bezwinger des Kecin.
Der Heilige sprach:
2. (1456.) Unter Verzichtung verstehen die Weisen das
Verzichten auf Werke, die mit dem W'unsch nach Lohn ver-
richtet werden, während das Entsagen hinsichtlich der Fruchi
aller Werke von den Weisen Entsagung genannt wird.
3. (1457.) Einige Weise lehren, dafs man dem Werke als
einer Sünde entsagen müsse, andere behaupten, dafs den
Opfern, dem Geben und der Askese als Werken nicht zu ent
sagen sei.
4. (1458.) Höre hierüber meine Entscheidung in betreff de
Entsagung, o Bester der Bharata's; denn die Entsagun«
o Tiger unter den Männern, wird als eine dreifache gerühm
5. (1459.) Dem Opfern, dem Geben und der Askese a
Werken ist nicht zu entsagen, sondern sie sind zu betreibe:
denn Opfern, Geben und Askese sind die Läuterungsmitt
der Weisen.
6. (1460.) Aber auch diese Werke sind nur in der Wei
zu tun, dafs man der Anhänglichkeit und dem Lohne en
sagt; dieses, o Prithäsohn, ist mein entschiedenes und en
gültiges Erachten.
7. (1461.) Hingegen ist es nicht möglich, auf ein ru
wendiges Werk zu verzichten, und wenn einem solchen a
blofsem Wahne entsagt wird, so heifst dies eine tamasha
Entsagung.
8. (1462.) Wenn hingegen einer einem Werke, weil es r
Schmerz verbunden ist, aus Furcht vor der körperlichen I
schwerde entsagt, der übt eine rajashafte Entsagung und w
den Lohn der Entsagung nicht erlangen.
Digitized by Google
XVIII (Adhyäya 42).
101
9. (U63.) Wenn hingegen, o Arjuna, ein notwendiges Werk
nur in dem Bewufstsein, dafs es Pflicht sei, vollbracht wird,
indem man dabei der Anhänglichkeit und dem Lohne entsagt,
so heifst diese Entsagung eine sattvahafte.
10. (U64.) Ein unangenehmes Werk nicht zu meiden und
an einem angenehmen nicht zu hängen, das ist das Zeichen
eines vom Sattvam durchdrungenen, weisen und vom Zweifel
befreiten Entsagers.
1 1. (1465.) Denn solange man an den Leib gebunden ist,
kann man den Werken nicht vollständig entsagen; wer aber
der Frucht der Werke entsagt, der verdient den Namen eines
Entsagers.
12. (U66.) Dreifach, nämlich unerwünscht, erwünscht und
gemischt, ist die Frucht des Werkes für die Nichtentsagenden
nach dem Tode, in keiner Weise aber für die, welche ver-
zichtet haben.
13. (1467.) Erfahre von mir, o Grofsarmiger, dafs es fol-
gende fünf Ursachen sind, durch welche nach dem auf Re-
tlexion (snnlhyam) gestützten Lehrbegriff alle Werke zustande
kommen :
14. (1468.) Erstens die Lage, sodann der Täter und ferner
das Organ, dazu die mannigfachen Betätigungen im einzelnen
und schliefslich als Fünftes das Schicksal.
15. (146!*.) Was für ein Werk auch immer ein Mann mit
Körper, Worten oder Gedanken unternehmen mag, sei es ein
vorschriftsmäfsiges oder das Gegenteil, zu dem wirken diese
fünf Ursachen zusammen.
1*>. (uro.) Wenn nun, da dem so ist, einer sich selbst allein
als Täter ansieht, der hat nicht die vollständige Erkenntnis
und entbehrt als ein Übelberatener der richtigen Ansicht.
17. (i47i.) Derjenige, dessen Natur nicht der Selbstsucht
verfallen, dessen Einsicht nicht getrübt ist, ein solcher, wenn
er auch diese ganze Welt tötete, tötet doch nicht und ist
nicht gebunden.
18. (147*) Das Erkennen, das Erkannte und der Erkenncr,
in diesen liegt der dreifache Antrieb zum Handeln ; das Tun,
die Tat und der Täter, in diesen liegt die dreifache Summe
der Handlung.
Digitized by Google
102
II. Bhagavadgitä.
19. (1473.) Die Erkenntnis, die Tat und der Täter werden
je nach den Guna's als dreifach in der Aufzählung der
Guna's erklärt; in welcher Weise, auch das sollst du von mir
erfahren.
20. (1474.) Diejenige Erkenntnis, durch welche man in
allen Wesen die eine unvergängliche Wesenheit erblickt,
welche ungeteilt in den geteilten weilt, diese Erkenntnis,
wisse, ist sattvahaft.
21. (1475.) Diejenige Erkenntnis, welche in der Vereinze-
lung mancherlei besondere Wesenheiten in allen Wesen er-
kennt, diese Erkenntnis, wisse, ist rajashaft.
22. (U76.) Diejenige Erkenntnis, welche sich ohne Grund
an ein einzelnes Geschöpf, als wäre es das Ganze, anklam-
mert, gegen den Tatbestand und in kleinlicher Weise, diesf
Erkenntnis wird bezeichnet als tamashaft.
23. (1477.) Ein notwendiges Werk, welches ohne Anhäng
lichkeit und ohne Leidenschaft und Hafs getan wird voi
einem solchen, der nicht nach Lohn verlangt, ein solche
Werk heifst sattvahaft.
24. (Iiis.) Hingegen ein Werk, welches von einem nac
Erfüllung seines Wunsches Verlangenden oder auch von einei
vom Bewufstsein des eigenen Ich Erfüllten mit grofser Ai
strengung getan wird, ein solches wird als rajashaft bezeichne
25. (1479.) Ein Werk, welches blindlings und ohne Rücl
sieht auf die Folgen, den Verlust, die Schädigung und d
eigene Leistungsfähigkeit unternommen wird, ein solch
Werk heifst tamashaft.
26. (1480.) Ein Täter, welcher frei von Anhänglichke
frei von Prahlerei, mit Standhaftigkeit und Energie bega
und dabei im Gelingen wie im Mifslingen immer sich gleic
bleibend ist, ein solcher Täter heifst sattvahaft.
27. (i48i.) Ein Täter, welcher leidenschaftlich, nach d«
Lohne seines Tuns trachtend, begehrlich, zum Schädigen <
neigt und unrein ist, dazu nicht frei von Freude und Trau
ein solcher Täter wird bezeichnet als rajashaft.
28. (1482.) Ein Täter, welcher ohne Hingebung, gern
gesinnt, halsstarrig, verschlagen, andere herabwürdigend, tr
kleinmütig, saumselig ist, ein solcher Täter heifst tamash
Digitized by Google
XVIII (Adhy&ya 42).
103
29. (im.) Nunmehr vernimm die nach den Guna's drei-
fache Einteilung der Buddhi und der Festigkeit , wie ich sie
erschöpfend im einzelnen, o Beutemacher, darlegen werde.
30. (usi.) Eine Buddhi, welche zur rechten Zeit anzu-
fangen und aufzuhören, zu tun und zu lassen, zu schauen
und nicht zu schauen weifs und dazu der Bindung und der
Erlösung kundig ist, eine solche Buddhi, o Sohn der Prithä,
heifst sattvahaft.
31. (1485.) Eine Buddhi, durch welche man das Rechte
und das Unrechte, das Zutuende und das Zulassende nicht,
wie es sich verhält, erkennt, eine solche Buddhi, o Prithä-
sohn, heifst rajashaft.
32. fusc.) Eine Buddhi, welche, von Finsternis umhüllt,
das Falsche für das Rechte hält und alle Dinge umgekehrt sieht,
als sie sind, eine solche Buddhi, o Prithäsohn, heifst tamashaft.
33. H487.) Eine Festigkeit, durch welche man die Ver-
richtungen von Manas, Präna (Lebenshauch) und Indriya's
(Sinnesorgane) kraft einer unentwegten Yogahingebung fest-
macht, eine solche Festigkeit, o Prithäsohn, ist sattvahaft.
34. u4ä8.) Eine Festigkeit, o Arjuna, durch die man an
dem Guten, Angenehmen und Nützlichen mit Anklammerung
und Verlangen nach Lohn festhält, eine solche Festigkeit,
o Prithäsohn, heifst rajashaft.
35. (i48».i Eine Festigkeit, durch die ein Übelberatener
nicht loslassen will von Schlaf, Furcht, Kummer, Verzagtheit
und Unbesonnenheit, eine solche Festigkeit gilt als tamas-
haft, o Prithäsohn.
3tf. (U'jo.) Nunmehr vernimm von mir, o Stier der Bharata's,
die Lehre von der dreifachen Lust. Eine Lust, an welcher
man sich auch bei ihrer Wiederkehr erfreut und zur Befreiung
von Leiden gelangt,
37. (um.) und welche am Anfang wie Gift und am Ende
der Ambrosia vergleichbar ist, eine solche Lust, welche aus
der Heiterkeit der Seele und des Bewufstseins entspringt,
wird sattvahaft genannt.
38. < ny*) Eine Lust, welche vermöge der Verbindung der
Sinne mit den Sinnendingen am Anfang der Ambrosia vergleich-
bar und am Ende wie Gift ist, eine solche Lust heifst rajashaft.
Digitized by Google
104 II. BhagavadgÜ&.
39. (U93.) Eine Lust, welche zu Anfang und in ihrem
Verlaufe die Seele verblendet und aus Schlaf, Trägheit und
Unbesonnenheit entspringt, eine solche Lust heifst tamashaft.
40. (H94.) Es gibt keine Wesenheit weder auf der Erde,
noch im Himmel unter den Göttern, welche von diesen drei
aus der Prakriti entspringenden Guna's frei wäre.
41. (1495.) Die Aufgaben der Brahmanen, Kshatriya's, Vai-
cya's und (^üdra's, o Feindbezwinger, sind unterschieden nach
den in ihrer Naturanlage hervortretenden Guna's.
42. (U96.) Ruhe, Bezähmung, Askese, Reinheit, Geduld
und RechtschafTenheit, Wissen, Wissenschaft und positiver
Standpunkt, das ist die aus seiner Natur entspringende Auf-
gabe des Brahmanen.
43. (1497.) Heldenmut, Energie, Sündhaftigkeit, Tüchtig-
keit und Ausharren im Kampfe, Freigebigkeit und Herrscher-
macht, das ist die aus seiner Natur entspringende Aufgabe
des Kshatriya.
44. (U98.) Ackerbau, Viehzucht und Handel ist die aus
seiner Natur entspringende Aufgabe des Vaicya; die Aufgabe
des Cüdra, wie sie aus seiner Natur entspringt, besteht im
Dienen.
45. (1499.) Die Vollendung erreicht der Mensch, indem er
sich an der ihm gewordenen Aufgabe erfreut; wie er durch
die Freude an seiner Aufgabe zur Vollendung gelangt, das
vernimm.
46. (1500.) Ihn, aus welchem der Ursprung der Wesen ist
und durch welchen dieses Weltall ausgebreitet wurde, wer
diesen dadurch ehrt, dafs er die ihm gewordene Aufgabe er-
füllt, der Mensch gelangt zur Vollendung.
47. (i50i.) Besser, ist es die eigene Pflicht ohne Tüchtig-
keit als die fremde Pflicht mit Erfolg zu betreiben (= Vers 985) ;
wer die durch seine Natur ihm auferlegte Aufgabe erfüllt, der
verfällt nicht in Sünde.
48. (1502.) Die angeborene Aufgabe, o Kuntisohn, soll man
nicht fahren lassen, auch wenn sie mit Schuld behaftet ist, denn
alles Tun ist von Schuld umhüllt wie das Feuer vom Rauche.
49. (1503.) Wer in seinem Bewufstsein ohne Weltanhäng-
lichkeit, allerwärts sich selbst überwunden habend, frei von
Digitized by Google
XVIII (Adhyfcy* 42)
105
Begierde ist, der erreicht durch Entsagung die höchste Voll-
endung der Werklosigkeit.
5m. (ifcH.) Wie der, welcher die Vollkommenheit erlangt
hat, eben damit das Brahman erlangt, das, o Kunüsohn, ver-
nimm von mir in der Kürze, wie es der höchste Standpunkt
de?? Wissens ist.
51. nsos.) Mit geläuterter Erkenntnis begabt, sein Selbst
mit Festigkeit zügelnd, auf die Sinnendinge, Töne usw., ver-
zichtend, Leidenschaft und Hafs abwerfend,
52. »1506.) die Einsamkeit suchend, leichte Nahrung zu
Hch nehmend, Worte, Leib und Gedanken bezähmend, die
Hingebung an die Meditation allezeit als das Höchste er-
ichtend und die Leidenschaftslosigkeit errungen habend,
53. (iMi7.) befreit von Selbstsucht, Gewalttätigkeit, Stolz,
Begierde, Zorn und Familienanhang, — so wird man selbst-
los und beruhigt zur Brahmanwerdung reif.
54. u5o* ) Wer aber Brahman geworden, dessen Geist ist
heiter, er trauert nicht und verlangt nicht ; gleichmütig gegen
alle Wesen, ergreift er meine Verehrung als Höchstes.
55. u**) Durch die Verehrung erkennt er mich, meine
flröfse und wer ich bin, dem Wesen nach ; hat er mich aber
dem Wesen nach erkannt, so geht er sogleich in dasselbe ein.
frfi. UM" > Und indem er allezeit alle seine Werke tut im
Hinblick auf mich, erlangt er durch meine Gnade die ewige,
unvergängliche Stätte.
57. iijh.) Indem du im Geiste alle Werke auf mich wirfst,
muh ab Höchstes erachtest, sollst du, gestützt auf Erkennt-
nis und Hingebung, allezeit meiner gedenken.
5*. «1512 > Meiner gedenkend wirst du durch meine Gnade
alle. Schwierigkeiten überwinden; wenn du aber aus Eigen-
»iDVn nicht auf mich hörst, wirst du zugrunde gehen.
.7.*. u:,js i Wenn du dich auf deinen Eigenwillen versteifst
und dir vornimmst, nicht zu kämpfen, so ist dieser dein Ent-
«chltifs ein vergeblicher; deine Natur wird dich dazu zwingen.
*». usu » Bist du aber durch die aus deiner eigenen Natur
entspringende Aufgabe gebunden, dann wirst du, o Kuntisohn,
das. was du aus Verblendung nicht tun willst, auch gegen
4räen Willen tun müssen.
Digitized by Google
106
IL Bhugavadgita.
61. (1515.) Der Ilerr aller Wesen wohnt, o Arjuna, in der
Gegend ihres Herzens und wirbelt alle Wesen herum, als
wären sie durch die Mäyä an einem Rade befestigt.
62. (1516.) Zu ihm begib dich in Schutz mit deinem ganzen
Sein, o Bhärata, dann wirst du durch seine Gnade die höchste
Ruhe und die ewige Stätte erlangen.
63. (1517.) Damit ist dir das Wissen, welches geheimer
als das Geheime ist, von mir mitgeteilt worden; überdenke
es bei dir voll und ganz und tue, was du willst.
64. (1518.) Höre noch weiter von mir das allergeheimste,
höchste Wort ; ich liebe dich gar sehr, darum will ich sagen,
was zu deinem Heile dient.
65. (Isis).) An mich denke, mir hänge an, mir huldige,
mich verehre, und du wirst zu mir gelangen, ich verspreche
es dir wahrhaftig, denn du bist mir lieb.
66. (1520.) Lafs alle Satzungen dahinten, nimm zu mir
allein deine Zuflucht, ich werde dich von allem Übel erlösen,
trauere nicht!
67. (ir,2i.) Diese Rede darfst du niemals einem mitteilen,
der nicht asketisch gesinnt, der nicht fromm, der nicht ge-
horsam ist, und auch niemandem, der gegen mich murrt.
68. (1522.) Wer aber dieses höchste Geheimnis solchen
darlegt, welche mich verehren, der beweist mir damit die
höchste Verehrung und wird unzweifelhaft zu mir eingehen.
60. (1523.) Es ist keiner unter den Menschen, der mir
etwas Lieberes erwiese als eben ein solcher, und kein anderer
als ein solcher wird mir auf der Welt lieber sein.
70. (1524.) Und wer diese heilige Unterredung zwischen
uns beiden studieren wird, der hat mir damit das Opfer der
Erkenntnis dargebracht, so denke ich darüber.
71. (1525.) Und auch der Mann, welcher gläubig und ohne
Übelwollen dieses hört, der wird nach seiner Befreiung vom
Leibe die herrlichen Welten derer erlangen, deren Tun
heilig war.
72. (152G.) Hast du nun, o Sohn der Pritha, dieses von
mir mit ungeteilter Aufmerksamkeit vernommen? Und ist
die Verblendung des Nichtwissens von dir gewichen, o Gut—
gewinner?
Digitized by Google
XVIII (Adhyaya 4*2).
107
Arjuna sprach :
73. (1527.) Gewichen ist die Verblendung, empfangen ist
die Kunde von mir durch deine Gnade, o Unerschütterlicher;
fest stehe ich und frei von Zweifel ; ich werde tun nach deinem
Worte.
Sanjaya (der Erzähler) sprach :
74. (1528.) Also habe ich diese Unterredung zwischen dem
Vasudevasohne und dem hochherzigen Sohne der Prithä an-
gehört, die wunderbare, haarsträubende.
75. (1529.) Nachdem ich durch die Gnade des Vyäsa dieses
höchste Geheimnis überkommen habe, den Yoga, wie der Herr
des Yoga, Krishna, ihn selbst unmittelbar verkündet hat,
7G. (1530.) so habe ich, o König, indem ich mich immer
wieder und wieder an dieses wunderbare, heilige Zwiegespräch
zwischen dem Vollhaarigen und Arjuna erinnere, jedesmal
aufs neue meine Freude daran.
77. U5:u.) Und indem ich mich immer wieder und wieder
erinnere an die wunderbare Erscheinung des Hari fVishnu),
erfüllt mich grofses Staunen, o Fürst, und ich freue mich
daran stets wieder aufs neue.
78. (1532.) Auf wessen Seite Krishna, der Herr des Yoga,
auf wessen Seite der bogentragende Sohn der Prithä steht,
da ist Heil, Sieg, Gedeihen und ein festes Verhalten, so
glaube ich.
So laute« in der DhagavadgltA die zur Erlösung führende Entsagung
Digitized by Google
III.
MOKSHADHARMA.
4
Mahabharatam Buch XII, Adhyaya 174-367, Vers 6457-13943, C.
(=Buch XII, Adhyaya 174-365, B.).
Digitized by Google
AdhyAya 174 (B. 174).
Vers 6457-6521 (B. 1-G3).
Yudhishthira sprach :
1. (6467.) Die schönen Gesetze, soweit sie sich auf das
Gesetz für Könige beziehen, wurden von dir, dem Grofsvater,
mitgeteilt; das vortrefflichste Gesetz der asketisch Lebenden
mögest du, o Fürst, mir nun verkünden.
Bhishraa sprach:
2. (G458.) Allerstreckend sind die Verordnungen des Ge-
setzes; auch für den, der lebt und nicht dahingeschieden ist,
gibt es einen Lohn für seine Askese; viele Tore hat das Ge-
setz, und auch hienieden ist seine Erfüllung nicht ohne Frucht.
3. (6459.) Aber welcher Art auch der Gegenstand sein
mag, über welchen irgendeiner zur Gewifsheit gelangt, so
erkennt er dadurch doch nur eben diesen Gegenstand, o Bester
der Uharata's, und keinen andern.
4. (6460.) In welcher Weise man auch immer das morsche
Gewebe dieser Welt überschauen mag, auf jede Weise ent-
springt daraus Abwendung von ihr, daran ist kein Zweifel.
5. (646i.) Und da somit die Welt, o Yudhishthira, als
mit vielen Mängeln behaftet sich erweist, so mufs ein ver-
ständiger Mann doch wohl nach einem Mittel trachten, sein
Selbst von ihr zu erlösen.
Yudhishthira sprach :
(3. (6462.) Wenn man sein Vermögen verloren hat, oder
wenn einem Weib, Sohn oder Vater gestorben ist, durch
Digitized by Google
112
III. Mokshadharma.
welche Erkenntnis kann man den Kummer abschütteln? Das,
o Grofsvater, sage mir.
Bhlshma sprach:
7. (6463.) Wenn man sein Vermögen verloren hat, oder
wenn einem Weib, Sohn oder Vater gestorben ist, so möge
man durch den Gedanken: „Je nun, es ist ein Schmerz!"
zur Abwerfung des Kummers gelangen.
8. (6464.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, wie zum Senajit ein ihm befreundeter Brahmane
gekommen und mit ihm gesprochen habe.
9. (6465.) Zu diesem Könige, den er, gequält von Kummer
über seinen Sohn, vor Schmerz aufser Fassung und nieder-
geschlagenen Geistes sah, sprach der Brahmane dieses Wort:
10. (6466.) Warum bist du doch so ganz und gar ver-
stört, warum klagst du, wo du selbst zu beklagen bist, da
sie ja doch auch dich beklagen werden und dann selbst als
beklagenswert denselben Weg gehen müssen.
11. (6467.) Du selbst, o Fürst, und ich und alle, die dir
huldigen, wir alle werden dorthin gehen, woher wir ge-
kommen sind.
Senajit sprach:
12. (6468.) Was ist das für eine Erkenntnis, was für eine
Askese, o Brahmane, was für eine Meditation, o Askesereicher,
was für ein Wissen und was für eine Schriftgelehrsamkeit,
welche erlangt habend, du nicht aufser Fassung kommst?
Der Brahmane sprach:
13. (6469.) Sieh doch hin, wie die Wesen auf den höchsten,
mittleren und tiefsten Stufen allüberall bei dieser oder jener
Sache hienieden in Schmerz verstrickt sind.
14. (6470.) Auch dieses mein Selbst hier ist nicht mein,
oder auch die ganze Erde ist mein, und wie sie mein ist,
gehört sie auch den anderen, so denke ich und bleibe un-
erschüttert. (6471.) Diese Erkenntnis erlangt habend, freue
ich mich nicht und betrübe mich nicht.
15. Wie ein Stück Holz und ein anderes Stück Holz siel]
zusammenfinden in dem grofsen Weltmeere (6472.) und, nach-
Digitized by Google
Adhyäya 174 (B. 174».
113
dem sie sich zusammengefunden, sich w ieder trennen, so steht
es mit dem Zusammenkommen der Wesen.
16. Ebenso steht es mit Kindern und Kindeskindern, mit
Bekannten und Verwandten. (6473.) Liebe zu ihnen soll man
nicht fassen, denn die Trennung von ihnen ist sicher.
17. Aus der Unsichtbarkeit herbeigekommen und wiederum
in die Unsichtbarkeit zurückgegangen, (6474.) kennt ein an-
derer nicht dich und kennst du nicht ihn; wer bist du denn,
dafs du etwas beklagen solltest?
18. Aus der Qual der Begierde ftrishnäj entsteht der
Schmerz, aus der Qual des Schmerzes entsteht die Lust,
(6*75 > und aus Lust entsteht wiederum Schmerz, so ist es,
und abermals Schmerz.
19. Der Lust unmittelbare Folge ist Schmerz, des Schmer-
zes unmittelbare Folge ist Lust; (r>476."> Lust und Schmerz bei
den Menschen rollen um wie ein Rad.
20. Wenn du aus der Lust in den Schmerz geraten bist,
so wirst du aus ihm wiederum in die Lust geraten ; (6477.) man
kann nicht immerfort Schmerz empfinden und man kann
nicht immerfort Lust empfinden (vgl. Piaton, Phädon p. (>0B).
[Das Folgende nur in C.J Der Körper ist die Heimstätte so-
wohl des Schmerzes als auch der Lust.
21. (6478.) Der Körper ist die Heimstätte für die Lust,
und ebenso für den Schmerz ist die Heimstätte der
Körper; welcher Art auch das Werk sein mag, das man
mit seinem Körper vollbringt, jedenfalls erlangt nur durch
ihn der Mensch jenes [Lust und Schmerz].
22. (6479.) l'nd auch das Leben entsteht zugleich mit
jenem Körper; beide entfalten sich zugleich, und beide gehen
zugleich zugrunde.
2.'5. (6480.) Durch vielfältige Fallstricke der Begierden haben
sich die Menschen in den Sinnendingen verfangen, und, ohne
ihren Zweck erreicht zu haben, lassen sie nach, wie Dämme
aus Sand im Wasser.
24. (6481J Wie das Sesamkorn um des Öles willen, wird
alles in dem Mühlrade der Schöpfung ausgequetscht, nach-
dem man durch die Ölmüller hineingeraten ist, das heifst
bcv«t*5, MubftbbAratani. g
Digitized by Google
114
III. Mokshadharma.
durch die aus dem Nichtwissen entsprungenen Charakter-
schwächen (kle(a y vgl. Yogasütra 2,3).
25. (6482.) Der Mann häuft auf sich das böse Werk um seines
Weibes willen, aber er allein verfällt dadurch in Charakter-
fehler, die dem Menschen im Jenseits wie im Diesseits anhaften.
26. (6483.) An Kindern, Weibern und Familie hängen alle
Menschen; sie gehen unter in dem schlammigen Meere der
Sorgen, wie alte Waldelefanten im Schlamm.
27. (6484.) Bei Verlust der Kinder, bei Verlust des Ver-
mögens oder auch der Freunde und Verwandten empfindet
man einen sehr grofsen Schmerz, einem Waldbrandfeuer ver-
gleichbar, o Herr. (6485.) Vom Schicksal abhängig ist diese
ganze Welt in Lust und Leid, in Werden und Vergehen.
28. Mag einer keine Freunde haben oder Freunde haben,
mag er Feinde oder Bundesgenossen haben, (6486.) mag er
weise sein oder der Weisheit bar, sein Glück empfängt er
durch das Schicksal.
29. Freunde reichen nicht aus, um glücklich, Feinde
reichen nicht aus, um unglücklich zu machen; (6487.) Weis-
heit reicht nicht aus, um reich, Reichtum reicht nicht aus,
um glücklich zu werden.
30. Klugheit genügt nicht zur Erlangung von Reichtum,
Dummheit hindert nicht am Erfolg; (6488.) diesen Verlauf des
Weltlaufes begreift der Weise und nicht der Tor.
31. Den Verständigen und Mutigen, den Betörten und
Feigen, den Stumpfen und den Weisen, (6489.) den Schwäch-
ling und den Starken, wen es trifft, dem fällt das Glück in
den Schofs.
32. Die Kuh gehört dem Kalbe und dem Hirten und dem
Eigentümer und dem Diebe; (6490.) wer die Milch von ihi
trinkt, dem gehört die Kuh, das ist gewifs.
33. Die Allertörichtesten im Leben und die Allerweisesten
(6491.) diese haben leicht Erfolg, aber der zwischen beide i
Stehende hat zu leiden.
34. Der weise Mann freut sich an den Extremen, nie Ii
freut er sich an dem Mittelmäfsigen. (6492.) In der Erlangung
eines Extrems findet man das Glück, das Leid liegt zwischo
den beiden Extremen.
Digitized by Google
Adhy&ya 174 (B. 174).
115
35. Diejenigen aber, welche zum Glücke der Erkenntnis
gelangt, über die Gegensätze erhaben und frei von Selbst-
sucht sind, (6493.) diese erschüttert weder Glück noch Unglück
irgendwann.
30. Hingegen diejenigen, welche noch nicht zur Erkennt-
nis gelangt, aber über die Stufe der Verworrenheit schon
hinausgeschritten sind, (6494.) diese sind es, welche übermäfsig
sowohl Freude als auch Qual erfahren müssen.
37. Die Verworrenen sind immer vergnügt, wie Götter-
scharen im Himmel, (6495.) vermöge ihres grofsen Hochmutes
und ihres Stolzes, diese Toren.
38. Die Lust, wenn sie in Trägheit besteht, endigt im
Schmerz, der Schmerz, wenn er in Tätigkeit besteht, führt
zur Lust, (6496.) mithin wohnt Gedeihen und Glück bei dem
Tätigen und nicht bei dem Trägen.
39. Aber mag es sich nun um Lust oder um Schmerz,
um Angenehmes oder Unangenehmes handeln, (6497.) das
Errungene soll man als ein Errungenes hochhalten in seinem
Herzen und sich nicht niederzwingen lassen.
40. Tausend Anlässe zu Kummer und hundert Anlässe
zur Furcht (6498.) beschleichen Tag für Tag den Verworrenen,
nicht den Weisen.
41. Wer verständig ist, Erkenntnis gewonnen hat, nach
Schriftwissen trachtet, frei von Mifsgunst, (0490.) bezähmt und
Herr seiner Sinne ist, einen solchen Mann berührt der Kum- .
mer nicht.
42. Auf diese Erkenntnis stütze sich der Weise und
überwache seine Gedanken, (c5oo.) dann kennt er den Auf-
gang und Untergang der Welt, und kein Schmerz kann ihn
anrühren.
43. Aus welcher Veranlassung auch immer ein Kummer
entstehen mag oder eine Qual oder ein Leid (G5<>i.) oder eine
Gemütsaufregung, dasjenige, woraus sie entspringen, soll man
von sich abtun, und wäre es ein Glied des eigenen Körpers
(Ev. Matth. 5,29).
44. Wo irgend etwas ins Werk gesetzt wird aus egoisti-
scher Gesinnung, (65o-_\) da wird man diese als den ganzen
Inbegriff des Leidens linden.
8*
5
Digitized by Google
116
III. Mokshadharma.
45. Was man auch immer an Begierden wegräumt, ihr
Raum wird von Glück ausgefüllt. (6503.) Der Mann aber,
welcher hinter den Begierden herläuft, der geht auch hinter
den Begierden her zugrunde.
46. Alles Glück, was aus Erfüllung der Wünsche in der
Welt, und alles, was an grofsem Glück im Himmel sein mag,
(6604.) alle beide wiegen nicht den sechzehnten Teil des Glückes
auf, welches in der Vernichtung der Begierde (trishna) besteht.
47. Alles gute Werk und alles böse, was in einer frühem
Verkörperung begangen worden ist, (6506.) das wird einem
joden zuteil, sei er ein Weiser oder ein Tor oder ein Held,
so wie es begangen worden ist.
48. In dieser Weise fürwahr ist alles, das Angenehme
und Unangenehme, (6506.) bei den Seelen in Umlauf mit Leid
und Lust.
49. Auf diese Erkenntnis sich stützend sitzt er, der Tüch-
tige, behaglich da. (6507.) Vor allen Begierden möge er sich
hüten, die Begierden [C: den Zorn] möge er hinter sich werfen.
50. Er, der sich im Herzen regt, er, der, wenn er er-
starkt ist, als Tod im Geiste lebt, (6508.) Zorn ist sein Name,
so wird er, weilend im Leibe der Verkörperten, von den Weisen
genannt.
51. Wenn einer von überallher die Begierden in sich zu-
sammenkrampft, wie die Schildkröte ihre Glieder, (6509.) dann
wird er als das Selbst in seinem Selbste das Selbstlicht schauen.
II 52. Wenn einer sich vor niemand furchtet und niemand
\ I sich vor ihm fürchtet, (esio.) wenn er nicht mehr begehrt und
y nicht mehr hafst, dann geht er in das Brahman ein.
53. Wenn er beides aufgibt, das Wahre und das Un-
wahre, Schmerz und Freude, Furcht und Mut, wenn er Liebes
und Nichtliebes hinter sich läfst , (65 u.) dann wird er be-
ruhigten Geistes leben.
51. Wenn er als weiser Mann allen Wesen keinerlei
L'bles zufügt, (6512.) weder in Werken, noch in Gedanken
oder Worten, dann geht er in das Brahman ein.
55. Sie, welche von Töricbtgesinnten schwer aufgegeben
wird, sie, welche nicht altert mit dem Alternden, (6513.) jene
Krankheit, welche nur mit dem Leben selbst zu Ende geht,
Digitized by Google
Adhyaya 174 (B. 174).
117
es ist die Begierde ftrishnu)\ wohl dem, der sich von ihr
befreit.
5T>. Darüber hört man die Verse, o Fürst, die einst von
der Pingala darüber gesungen wurden, (csu.) wie sie in der
Zeit des Elends zu dem ewigen Gesetze gelangte.
57. Als nämlich die Buhlerin Pingalä beim Stelldichein
von ihrem Geliebten im Stiche gelassen worden war, (göiü.) da
wufste sie in ihrem Elend ihren Geist zur Ruhe zu bringen.
Pingalä sprach:
58. (6516.) Ich war versessen auf einen Geliebten, der nicht
auf mich versessen war, und habe ihn lange Zeit gehegt im
Innersten als meinen Liebling, aber bisher hatte ich ihn nicht
durchschaut.
51). (6517.) Von nun an werde ich das Haus mit der einen
Säule (dem Rumpf) und den neun Toren verschlossen halten,
denn welche könnte jetzt noch von dem Geliebten, wenn er
hierher käme, glauben, dafs er ein Geliebter sei.
»>0. (r,5i8 ) Ich liebe nicht, und wenn sie unter dem Schein
der Liebe kommen, die Schelme, die dem Höllendämon Naraka
gleichenden, so sollen sie mich nicht wieder betrügen, ich
bin erweckt worden, ich bin wach.
ßl. (6519.) Auch Unglück kann zum Glück ausschlagen
vermöge des Schicksals oder der Werke in einer frühern Ge-
burt; ich bin erwacht, ich bin frei von sinnlichen Gestalten,
ich bin jetzt nicht mehr eine, welche die Sinne nicht über-
wunden hätte.
f>2. W520.) Der Hoffnungsfreie schläft sanft, Hoffnungs-
freiheit ist das höchste Glück, denn, die Hoffnung mit Nicht-
Hoffnung vertauscht habend, schläft ruhig die Pingalä.
Bblshma sprach:
03. (ö:»si.) Durch diese und andere, von Gründen begleitete
Gespräche des Brahmanen wieder aufgerichtet, freute sich
der König Senajit und war zufrieden.
So lautet im Mokihadharm»
die KrtAhlnng vom (ietprbche des Brahmaueii mit Nrnujit
(br Ahmana - Srnnjit- utincd.la).
Digitized by Google
Adhyaya 175 (B. 175). 119
Der Sohn sprach:
7. (6528.) Da die Welt so heimgesucht wird und völlig
abgegrenzt ist, und da die Nicht -Vergeblichen dahinfliehen,
was redest du da, als wärest du weise?
Der Vater sprach:
8. (6529.) Wie soll denn die Welt heimgesucht und wo-
durch soll sie abgegrenzt sein, und wer sind hier die Nicht-
Vergeblichen, welche dahinfliehen? Wovor willst du mich
bange machen?
Der Sohn sprach:
9. (6530.) VomTode^ist die Welt heimgesucht, durch das
Alter wird sie abgegrenzt, und die Tage und Nächte sind es,
welche dahinfliehen; ist dem nicht so? Warum begreifst du
das nicht?
10. (6531.) Und die Nächte sind es ja doch, welche als
die Nicht -Vergeblichen [als die uns altern Machenden] immer-
fort kommen und gehen. Wo ich dieses weifs, dafs nämlich
der Tod keinen Stillstand kennt, (6532) was kann ich mir
davon versprechen, dafs ich, von dem [vedischen] Wissen
umhüllt, dahinginge?
11. Wenn es wahr ist, dafs das Leben immer kürzer
wird, indem eine Nacht nach der andern verstreicht, (6533.) dann
dürfte der Einsichtige weiter auch von dem Tage finden, dafs
er unfruchtbar sei.
12. Wer möchte da Freude finden, wo er doch wie ein
Fisch in seichtem Wasser ist; (6534.) noch ehe er seine Wünsche
erfüllt sieht, überkommt den Menschen der Tod.
13. Wie einen der Blumen pflückt, so wird ihn, während
sein Geist anderswohin gerichtet ist, (6535.) der Tod be-
schleichen, wie eine Wölfin das Lamm, und mit seinem
Raube davoneilen.
14. Heute noch tue, was zu deinem Besten dient; möge
diese Zeit nicht [ungenutzt] über dich hinweggehen. (<;53o.) Denn
ehe noch die Aufgaben erfüllt sind, reifst einen der Tod mit
sich fort.
15. Was morgen zu tun ist, das tue man lieber heute,
am Vormittage lieber, was nachmittags zu tun ist, («1537.) denn
Digitized by Google
120
IIT. Mokshadhanna.
der Tod wartet Dicht, ob einer sein Werk vollendet hat oder
nicht.
16. Denn wer weifs, wessen Todesstunde heute sein wird?
(65:m.) Schon der Jüngling gewöhne sich, seine Pflicht zu tun,
denn das Leben ist vergänglich. Erfüllte Pflicht bringt Ruhm
auf Erden und im Jenseits Glückseligkeit.
17. (r.539.) Denn von Verblendung besessen müht einer
sich ab für Weib und Kind; aber ob er dabei das Ziel er-
reicht oder nicht, diesen ganzen Wohlstand mufs er abgeben.
18. (6540.) Wenn der Mensch mit Kindern und Herden
gesegnet ist und sein Herz daran hängt, dann, wie der Tiger
eine schlafende Antilope, holt ihn der Tod.
19. («541.) Noch ist er dabei, zu sammeln, noch sind seine
Begierden nicht gesättigt, da, wie der Tiger ein Stück Vieh
raubt, holt ihn der Tod.
20. (C54-.'.) „Dies ist getan, dies mufs getan werden und
jenes andere ist halb getan", so ist einer in Bestrebungen
und Befriedigungen befangen, da unterwirft ihn sich der Tod.
21. (0543.) Den Menschen, ehe er noch die Frucht seiner
getanen Geschäfte einheimst, ihn, der von seinem Geschäfte
den Namen trägt, ihn, der sein Herz an Felder und Waren
und Häuser hängt, holt der Tod.
22. (6544.) Mag er schwach oder stark sein, ein Held oder
ein Feigling, dumm oder klug, ihn, ehe er noch an das Ziel
aller seiner Wünsche gelangt ist, holt der Tod.
23. (6545.) Tod und Alter, Krankheit und Leiden, wie sie
aus vielen Ursachen hervorgehen, da diese dem Körper nach-
stellen, wie kannst du da unerschüttert bleiben?
24. T6546.) Jeden, der geboren ist, überkommen am Ende
Tod und Alter; diesem Paare sind alle Wesen, die unbeweg-
lichen (Pflanzen) und beweglichen, verfallen.
25. (6547.) Eine Pforte fmukhamj des Todes ist die Ge-
schlechtslust des im Dorfe Wohnenden [Grihastha], aber ein
Sammelpunkt der Götter ist der Wald [als Aufenthalt des
Vänaprastha], so sagt die Schrift.
26. (6»48j Ein fesselnder Strick ist die Geschlechtslust
des im Dorfe Wohnenden. Die Guten durchschneiden ilin
und entkommen, die Bösen durchschneiden ihn nicht.
Digitized by Google
AdhvAya 175 (B. 175).
121
27. (6549) Wer die Kreaturen nicht verletzt, weder durch
Gedanken, noch durch W orte, nocli durcli seinen Körper, der
wird auch nicht verletzt von Lehewesen, welche Lehen und
Besitz rauben [nach B.].
28. (65&o.) Kein Mensch vermag das heranziehende Heer
des Todes jemals zurückzuschlagen ohne die Wahrheit; das
Unwahre mufs man aufgeben [nach B.], denn in der Wahr-
heit ist das Unsterbliche gegründet.
29. («551.) Darum, wer im Gelübde der Wahrheit wandelt,
Hingebung an die Wahrheit als das Höchste hat, in wahrer
Uberlieferung und beständiger Bezähmung verharrt, der über-
windet durch die Wahrheit den Tod.
30. (0552.) Beides, das Nicht -mehr -sterben- müssen und
das Sterben-müssen. hat seine Grundlage in der Verkörperung;
das Sterben-müssen kommt von der Verblendung, durch die
Wahrheit kommt das Nicht-mehr-sterben-müssen.
31. (0553.) Ich, der ich niemanden schädige, nach Wahr-
heit verlange, Begierde und Zorn von mir abgetan habe, bei
Leid und Lust gleichmütig und friedfertig bin, ich werde
von dem Tode frei werden, wie ein Unsterblicher.
32. (0554.) An der Beruhigung als Darbringung mich er-
freuend, bezähmt, in der Verehrung des Brahman beharrend,
als ein Muni Rede, Gedanken und Werke als Opfer dar-
bringend, so werde ich auf dem Nord weg« der Sonne [dem
Devayana] dahingehen.
33. («555.) Wie könnte einer wie ich mit Tötung ver-
bundene Tieropfer darbringen wollen? Wie könnte er als
weiser Mann endliche Frucht habende Körperopfer darbringen,
als wäre er ein blutgieriger Dämon?
34. (6556.) Derjenige, welcher Worte und Gedanken immer-
fort vollständig [im Yoga] versenkt hat, wer Askese, Ent-
sagung und Wahrheit besitzt, der wahrlich erlangt das All.
35. («557.) Kein Auge kommt der Wissenschaft gleich,
keine Askeso der Wahrheit, kein Unglück kommt der Leiden-
schaft, kein Glück der Entsagung gleich.
36. («558.) In meinem Selbste durch mein Selbst geboren,
in mir selbst feststehend, auch ohne Nachkommen, werde ich
Digitized by Google
122
III. Moksliiitlharm:i.
nur in dem Selbste leben, Nachkommenschaft hilft mir nicht
zur Rettung (vgl. Brih. Up. 4,4,22).
37. (6559.) Für einen Brahmanen steht kein Reichtum
so hoch wie Einheit, Gleichmut, Wahrhaftigkeit, Güte,
Festigkeit, NichtStrafen und Rechtschaffenheit und, nach
und nach, in ihrem Gefolge Abstohen von den Werken.
38. (65G0.) Was sollen dir Reichtum, was Verwandte,
was sollen dir, o Brahmane, Weiber, da du sterben mufst ?
Den Atman suche, der in die Höhle [des Herzens] ein-
gegangen ist. Wohin sind deine Vorväter und dein Vater
gegangen ?
Bhlshma sprach :
39. (65ci.) Wie es der Vater tat, nachdem er dieses Wort
des Sohnes vernommen hatte, so mögest auch du, o Fürst,
wandeln, Wahrheit und Recht für das Höchste haltend.
So lautet im Mokshadharraa das Gesprftcb zwischen Vater und Sohn
(jßitd-putra-samvdda)
Adhyäya 176 (B. 176).
Vers 6562-6585 (B. 1-23).
Yudhishthira sprach:
1. (6562.) Die Reichen und die, welche besitzlos sind, leben
dahin, beide in ihrer Weise. Was für Freuden und Leiden
ergeben sich daraus für sie und in welcher Weise?
Bhishma sprach:
2. (r.563.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, welche herrührt von Qampäka, der schon hie-
nieden erlöst und zur Ruhe gelangt war.
3. (6564.) Einstmals sprach zu mir ein gewisser Brahmane,
der sich der Entsagung ergeben hatte, und der von einem
bösen Weibe, ven schlechter Kleidung und Hunger geplagt war :
4. (6565.) Den Menschen, wie er hier in der Welt ent-
standen, treffen von Geburt an mancherlei Leiden und Freuden.
Digitized by Google
Adhyäya 176 fB. 176).
123
5. (6566.) Was auch immer von diesen beiden ihn auf dem
einen oder andern Wege geleiten mag, wenn ihn Freude trifft,
soll er sich nicht freuen, wenn ihn Leid trifft, sich nicht be-
schwert fühlen.
6. (6567.) Du gelangst doch nicht zu dem, was zu deinem
Heile dient, noch dazu, dafs du Herr deiner selbst bist, da
du, obgleich [in Wahrheit] einen begierdelosen Atman habend,
das Joch eben immerdar zu tragen hast.
7. (6568.) Wenn du als besitzlos umherstreichst, so wirst
du es dir mit Behagen schmecken lassen; der Besitzlose
schläft behaglich und steht ebenso wieder auf.
8. (6569.) Besitzlosigkeit ist ein Glück in der Welt, sie
ist förderlich, heilsam und vor Krankheiten schützend; sie
ist der wahre Weg, um keine Feinde zu haben, der so schwer
und doch wieder so leicht zu finden ist.
9. (65.0.) Dem Besitzlosen, Reinen, in jeder Hinsicht Wohl-
gewappneten, — wenn ich auf alle drei Welten blicke, so finde
ich nichts in ihnen, was dem gleichkäme.
10. (6571.) Die Besitzlosigkeit und die Königsherrschaft
habe ich auf einer Wage gegeneinander abgewogen : die Ar-
mut hatte das Übergewicht und war auch der Königsherr-
schaft an Trefflichkeit überlegen.
11. (6572.) Zwischen Besitzlosigkeit und Königsherrschaft
besteht dieser sehr grofse Unterschied, dafs der Reiche immer-
fort in Angst lebt, als hätte ihn schon der Tod im Rachen.
12. (6573.) Über den haben nicht das Feuer, nicht wovor
man unversehrt zu bleiben wünscht, nicht der Tod, nicht die
Dämonen Gewalt, wer durch Verzicht auf Besitz sich frei-
gemacht hat und ohne Wünsche lebt.
13. (6574.) Wahrlich, wer immer nach Belieben herum-
streicht, ohne Streu schläft, mit den Armen als Kopfkissen
und ohne Sorge, den preisen die Himmelsbewohner glücklich.
14. (6575.) Der Reiche, besessen von Zorn und Habgier,
von Sinnen gebracht, mit spähendem Seitenblick, vertrock-
neten Mundes, bösartig die Brauen zusammenziehend,
15. (6576.) sich auf die Lippen beifsend, zornmütig, von
barscher Rede, — wer mochte dem gern seine Aufwartung
machen, auch wenn er einem die ganze Erde schenken wollte.
Digitized by Google
124
III. Mokshadharraa.
16. (6577.) Das fortwährende Zusammenwohnen mit dem
Glück verblendet einen unverständigen Menschen ; das Glück
fegt seine Besonnenheit hinweg, wie der Wind die Wolke im
Herbste.
17. (6578.) Dann packt ihn der Schönheitsdünkel und der
Reichtumsdünkel : „ich bin hochgeboren, ich bin vollkommen,
ich bin ein Übermensch" (näsmi kevalamänushahj.
18. (6579.) Durch die genannten drei Ursachen wird sein
Denken in Verwirrung gebracht, und trotz seinem Haften
[am Irdischen] verschleudert er die von den Vorfahren auf-
gehäuften Genufsmittel, (6580.) und, heruntergekommen, hält
er es für recht, andern das Ihre zu rauben.
19. Und nachdem er das Mafs überschritten hat und
von überallher raubt, (gssi.) verjagen ihn die Könige, wie die
Jäger mit ihren Pfeilen ein wildes Tier.
20. So geschieht es, dafs diese Leiden, bald diese, bald
jene, hienieden den Menschen (6582.) in mannigfacher Werse
anfallen, wie auch die, welche aus der Antastung seines Leibes
entspringen.
21. Aus Einsicht in diese überaus grofsen Leiden möge
man sich dem Bettelstande ergeben, (6583.) indem man ver-
achtet, was in der Welt Brauch ist bei den S icherstehenden
und bei denen, die in unsicherer Lage sind.
22. Wer nicht entsagt hat, kommt nicht zum Glück,
wer nicht entsagt hat, kommt nicht zum Höchsten, (6584.) wer
nicht entsagt hat. schläft nicht in sicherer Ruhe, entsage
allem und sei glücklich.
23. So wurde dies ehedem in Hästinapuram mir dar-
gelegt von dem Brahmanen (6585.) (>mpäka, darum halte ich
die Entsagung für das Höchste.
So lautet im Mokahadbarma der Gesang des Campaka
(famjxika-ffttd).
Digitized by Google
Adbyäya 177 (B. 177).
125
Adhyaya 177 (B. 177).
Vers 6586-6639 (B. 1-54).
Yudhishthira sprach:
1. (6586.) Wenn einer, nach grofsen Dingen strebend, den
Reichtum nicht erlangt und doch von Durst nach Reichtum
beherrscht wird, was mufs der tun, um glücklich zu werden?
Bhishma sprach:
2. (6r»87.) Wenn einer in allen Lagen Gleichmut, unauf-
geregtes Wesen und Wahrhaftigkeit, o Bhärata, dazu Welt-
verdrossenheit und Unternehmungslosigkeit besitzt, der ist
ein glücklicher Mann.
3. (6588.) Die erwähnten fünf Worte wurden von den Alten
zur Beruhigung des Gemütes mitgeteilt; das ist der Himmel
und die Gerechtigkeit, das wird für das allerhöchste Glück
gehalten.
4. (6589.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich was aus Weltüberdrufs Manki vor-
getragen- hat. Das vernimm, o Yudhishthira.
5. (6590.) Manki strebte nach Reichtum und war in diesem
Streben ein Mal ums andere Mal gescheitert. Da kaufte er
mit einem geringen Reste seines Vermögens ein Paar junge
Ochsen.
f). (6591.) Diese beiden jungen Ochsen waren, fest mit-
einander verbunden, ins Freie gebracht worden, um ein-
gefahren zu werden; da rannten sie plötzlich auf ein Kamel
zu, welches gerade kniete, und nahmen es in die Mitte.
7. (6592.) Als sie sich nun an die Sehultergegend des Ka-
mels herandrängten, wurde dieses ungeduldig, sprang auf,
rifs die beiden Öchslein in die Höhe und lief mit grofser
Geschwindigkeit davon.
S. (6593.) Da nun Manki sah, wie seine beiden Ochslein
von dem wütenden Kamel fortgeschleppt wurden und den
Erstickungstod starben, da sprach er folgendes Wort:
1>. (6594.) Es hilft nichts, nach Reichtum zu streben, der
einem vom Schicksal nicht gegönnt wird, selbst wenn man
Digitized by Google
126
III. Mok.sluulharma.
tüchtig ist und mit Glauben ausgerüstet und sein Streben
mit aller Macht verfolgt.
10. (6695.) Durch die Kettung an das Unheil meiner Werke
in einem frühern Dasein habe ich, obgleich mich bemühend,
doch, wie ihr seht, da es mich einmal treffen sollte, das vom
Schicksal verhängte Unglück erlitten.
11. (6596.) Dafs es [das Kamel] auf unglücklichem Wege
dahingeht, indem es meine Ochslein immerfort würgt, dafs
es sie in die Höhe rifs und auf einem Abwege davonlief, das
ist ein Verhängnis, wie die Erschlagung der Krähe durch
die Palmfrucht.
12. (6597.) Wie zwei Schmuckstücke des Kamels baumeln
meine lieben Öchslein; es ist eine Fügung des Schicksals;
wenn das Gewalt braucht, ist die Menschen tat für nichts.
13. (6598.) Aber selbst wenn irgend einmal das, was man
Menschen tat nennt, in Frage kommen sollte, so wird sich
auch das, wenn man weiter nachforscht, als Schicksal heraus-
stellen.
14. (6599.) Darum mufs einer, der hier auf der Welt glück-
lich zu werden wünscht, sich der Weltentsagung zuwenden;
der schläft ruhig, wer entsagt und die Hoffnung auf Zwecke
und Mittel aufgibt.
15. (66oo.) Ach, wie richtig ist das von Quka gesagt
worden, als er sich von allem losmachte und aus dem Hause
seines Vaters in den grofsen Wald hinauszog!
16. (6C01.) Gesetzt, einer erlangte alle seine Wünsche,
und gesetzt, einer verzichtete auf sie ganz und gar, so ist
der Erlangung aller Wünsche der Verzicht auf dieselben vor-
zuziehen.
17. (C602.) Noch nie ist irgend jemand vordem gelangt
bis zum Ziel seiner Unternehmungsgolüste; im Leibe und
während des Lebens ist bei einem Toren der Durst (Irishruij
beständig im Wachsen.
18. (6603.) Wende dich ab von den Unternehraungs-
gelüsten, beruhige dich, indem du entsagst, o Begehrlicher;
mehr als einmal bist du schon angeführt worden, und willst
trotzdem nicht entsagen?
Digitized by Google
Adhyäya 177 (B. 177).
127
19. (6604.) Wenn ich [die Begierde] auch nicht bei dir
auszurotten bin, und wenn du auch in dieser Meise an mir
dich ergötzest, so mache mich doch nicht törichterweise aus
Habsucht zu deinem Bundesgenossen, du nach Reichtum Be-
gehrender.
20. (6605.) Immer aufs neue häufst du Schätze auf und
verlierst sie immer wieder und wieder. Schliefslich mufst
du Tor doch einmal das Streben nach Reichtum von dir ab-
tun, o du nach Reichtum Begehrender.
21. (6606.) O weh über meine [des Begehrenden] Torheit,
der ich [o Begierde] dein Spielzeug gewesen bin. Möchte
denn wohl jemals in dieser Weise ein Mensch sich in die
Sklaverei von anderen begeben?
22. (6607.) Noch niemals haben früher oder später Lebende
die Grenze der Begierden erreicht; aber nachdem ich alle
Unternehmungsgelüste habe fahren lassen, bin ich erweckt
worden und bin jetzt wach.
23. (6oo8.) Gewifs ist dein Herz, o Käma (Begierde), von
diamantener Härte, da es, von hundert Unglücksfällen ge-
troffen, nicht in hundert Stücke zerspringt.
24. (6609) Ich kenne dich sehr wohl, o Käma, und alles,
was dir lieb ist; solange ich danach trachte, was dir lieb
ist, finde ich nicht in mir selbst das Glück.
25. (66io) O Käma, ich kenne deine Wurzel, du ent-
springst aus dem Verlangen; ich werde nach dir kein Ver-
langen haben, und du wirst keine Wurzeln bei mir schlagen.
2t>. (66U.) Das Trachten nach Reichtum ist nicht be-
glückend, und hat man ihn erlangt, so ist die Sorge nur um
so gröfser geworden ; das Entbehren des erlangten ist [bitter]
wie der Tod, mag man ihn verloren oder gar nicht gehabt
haben.
27. (66ij.) Entgeht er uns [paritijdgc mit B.], so erreichen
wir nicht, was wir wünschen, und was könnte schmerzlicher
als das sein! Haben wir ihn aber erlangt, so sind wir doch
nicht zufrieden und begehren immer weiter.
28. (6613.) Besitz ist nur dursterregend, suis wie das Wasser
der Ganga, aber dies fuhrt zu meinem Verderben ; ich bin er-
wacht; — entsage!
Digitized by Google
128
III. Moksbadhainiu.
29. (e«u.) Die Schar von Wesen, welche diesen meinen
Leib umdrängt, die möge sich fortscheren, wohin sie will,
und bleiben, wo es ihr beliebt.
30. (Gtfiö.) Ich habe hier keine Freude mehr an euch, die
ihr mich mit Begierde und Verlangen beschleicht; darum
streife ich alle Begierden von mir ab und nehme raeine Zu-
flucht zur Wahrheit.
31. (6010.) Alle Wesen in meinem Leibe sehend und in
dem Herzen meiner selbst, und die Erkenntnis im Yoga,
die Wahrheit in der Schrift, das Herz im B rahm an fest-
haltend,
32. (üüi7.) werde ich meine Zeit hinbringen ohne Anhäng-
lichkeit, glücklich, nicht mehr an der Welt krankend, so dafs
du [o Begierde] mich nicht mehr so wie früher in Schmerzen
versenken wirst.
33. (üci8.) Für mich, der ich von dir herumgestofsen
wurde, gibt es keinen andern Ausweg, denn du, o Käma,
bist allezeit die Quelle von Durst, Kummer und Mühsal.
34. (6619.) Verliert man sein Vermögen, so kommt ein
noch ärgeres Leid dazu, schlimmer, wie ich glaube, als alles
andere, indem die Verwandten und Freunde den, der sein
Vermögen verloren hat, verachten.
35. (6620.) Aber schlimmer noch als tausend Verachtungen
sind die dem Reichtum anhaftenden Übel, und das bifschen
Glück, was im Reichtum steckt, auch das wird nur unter
Leiden gespendet.
30. (6621.) Er hat Geld, so denkend von einem Menschen,
erschlagen ihn mit Vorliebe die Räuber; sie quälen ihn mit
mancherlei Martern und halten ihn immerfort in Angst.
37. (6622.) Die Begehrlichkeit nach Reichtum ist ein Leiden,
davon habe ich mich schon lange überzeugt; was du auch
immer vornehmen magst, es sei was es wolle, darin stöfst
du auf Hindernisse.
38. (6623.) Du kennst das wahre Wesen nicht und bist
ein Tor, schwer zu befriedigen, ein unersättliches Feuer; du
weifst nicht mehr zu unterscheiden, was leicht zu erlangen
und was schwer zu erlangen ist.
39. (6624.) O Käma, wie eine schwer zu sättigende Hölle
Digitized by Google
Adhyäya 177 (B. 177). 129
willst du mich in Leiden verstricken, aber jetzt kann ich
nicht nochmals ein von dir Besessener werden.
40. (6625.) Zur Weltentsagung habe ich mich gewendet,
weil ich durch Zufall verlor, was mein war; nachdem ich
vollkommene Enthaltung von allem Tun erlangt habe, brauche
ich nicht mehr Begierden nachzutrachten.
41. (6626.) Übergrofse Plagen überwinde ich dadurch; ich
denke nicht mehr wie ein Unverständiger, sondern herunter-
gebracht durch den Verlust meines Besitzes, ruhe ich, am
ganzen Leibe ohne Beschwerde.
42. (6627.) Ich gebe dich auf, o Käma, indem ich alle
Herzenswünsche fahren lasse, weiterhin wirst du, o Käma,
keine Wohnung in mir, keine Freude an mir finden.
43. (66.18.) Wenn sie mich schmähen, werde ich geduldig
sein, werde nicht wieder verletzen, wenn ich verletzt werde;
bin ich bei Feinden, so werde ich Freundliches reden und
ihrer Unfreundlichkeit keine Beachtung schenken.
44. (6621».) Zufrieden, mit gefesteten Sinnen und immer
lebend als hätte ich erreicht, was ich wollte, so seiend, werde
ich nicht tun, was du wünschest, o Käma, der du mein
Feind bist.
4o. (6630.) Weltentsagung, Heiterkeit des Gemüts, Zu-
friedenheit, Ruhe, Wahrhaftigkeit, Bezähmung, Geduld und
Mitleid mit allen Wesen, die, wisse, habe ich erreicht.
46. ro63i.) Darum sollen Wunsch, Begierde, Durst und
Jammer von mir weichen, der ich Grund gefunden habe, denn
jetzt habe ich mich gegründet auf die Wahrheit.
47. (6632.) Aufgebend Wunsch und Begierde, habe ich
nunmehr das Glück gefunden; von nun an werde ich nicht
mehr unter der Herrschaft der Begierde stehen und Schmerz
erleiden als Nicht-Herr meiner selbst.
48. (6633.) Soweit einer mit den Begierden aufräumt, so-
weit füllt sich ihr Platz mit Glück; wer unter der Herrschaft
der Begierde steht, der gerät immerfort in Leiden.
4Ü. (6634.) Alle mit Begierde verknüpfte Leidenschaft
(rajasji die ein Mensch von sich abstöfst, ist aus Begierde
und Zorn entspringendes Leiden, ist Schamlosigkeit und
Freudlosigkeit.
Dsoe», Mababharatam. 9
Digitized by Google
130 III- Mokshadharma.
50. (6635.) Ich habe in Brahman meinen Grund gefunden,
bin wie ein kühles Wasser mitten in der Sommerhitze, ich
bin beruhigt, völlig ausgelöscht fparinirväüiij , lauter Glück
umfängt mich.
51. (6636.) Was in der Welt vorhanden ist an Glück, das
aus der Lust entspringt, und was an grofsem himmlischem
Glücke vorhanden ist, diese wiegen alle beide nicht den sech-
zehnten Teil auf von dem Glück, welches aus Vernichtung
des Durstes (Irishna) entspringt.
52. (6637.) Den Käma als selbsiebenten und ärgsten Feind
niedergeworfen habend, werde ich die unbezwingliche Burg
des Brahman erobern und glücklich wie ein König in ihr sein.
53. (6638.) Zu dieser Erkenntnis gelangend, erreichte Manki
die Weltentsagung, indem er auf alle Begierden verzichtete
und das Brahman als grofses Glück erreichte.
54. (6639.) Weil ihm seine Ochslein verloren gingen, ge-
langte damals Manki zur Unsterblichkeit ; er schnitt die Wurzel
der Begierde durch, damit erlangte er grofses Glück.
So lautet im Mok»hadharma der Qeaang dei Maükl
(Manki - 9 itd).
Adbyaya 178 (B. 178).
Vers 6640-6652 (B. 1-13).
Bhishma sprach:
1. (6640.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, welche vorgetragen wurde von Janaka, dem König
der Videha's, da er zur Ruhe gelangt war.
2. (6641.) Unendlich fürwahr ist mein Reichtum, dieweil
ich gar nichts besitze; selbst wenn Mithilä in Flammen auf-
geht, gibt es nichts mehr, was mir verbrennen könnte.
3. (6642.) Hierbei führt man auch die Sammlung von Merk-
wörtern des Bodhya an, welche zum Zwecke der Entsagung
vorgebracht worden war; diese vernimm, o Yudhishthira.
4. (6643.) Der König Nähusha befragte den zur Ruhe ge-
langten Weisen Bodhya, der aus Cberdrufs an der Welt zur
Digitized by Google
Adhyäya 178 (B. 178).
13t
Ruhe gekommen war und die Erkenntnis der Lehrbücher
satt hatte:
5. (6644.) Belehre mich, o grofser Weiser, über die Unter-
weisung der Beruhigung, und welcher Erkenntnis du nach-
gesonnen hast, durch die du so ruhig und heiter dahingehst.
Bodhya sprach:
6. (6645.) Mit Unterweisung befasse ich mich nicht und
belehre auch niemand hienieden, aber ein Merkwort für die-
selbe will ich dir sagen, das möge von dir selbst weiter über-
dacht werden.
7. (6646.) Die Piögalä, der Seeadler, die Schlange, das
Weiden der Antilopen im Walde, der Pfeilschnitzer , das
Mädchen, diese sechs sind meine Lehrer.
Bhtshma sprach:
8. (6647.) Die Hoffnung, o König, tut uns Gewalt an, Frei-
heit von Hoffnung ist das höchste Glück; die Hoffnung zur
Nichthoffnung gemacht habend, schläft Pingalä sanft [vgl.
Sänkhya-Sütra 4,11].
9. (6618.) Als ein Seeadler einen andern Seeadler sah, der
sich eines Fleischstückes bemächtigt hatte und von solchen,
die ohne Beute waren, getötet wurde, da verzichtete er auf
die Beute und lebte glücklich weiter [ähnlich, aber anders
ib. 4,5 und Bhägavata-Puränam 11,9,2].
10. (6649.) Das Bauen eines Hauses macht Not und nie-
mals Freude; die Schlange schlüpfte in das von einem andern
gebaute Haus und lebt glücklich [vgl. Sankhya-Sütra 4,12].
11. (6650.) Glücklich leben die Einsiedler, welche sich an
die Ernährung durch Erbetteltes halten, ohne dafs sie irgend-
einem Wesen ein Leid antun, wie die Antilopen, wie die Vögel.
[Der Kommentar denkt bei saranga an Bienen, vielleicht mit
Rücksicht auf ib. 4,13, Böhtlingk an eine Vogelart.]
12. (6651.) Ein Mann, der einen Pfeil schnitzte, hatte seinen
Geist so sehr auf den Pfeil gerichtet, dafs er sogar den König,
der nahe an ihm vorbeiging, nicht bemerkte [ib. 4,14 und
(,'ankara zu Vedänta-Sütra 3,2,10, unsere Übersetzung S. 517].
9»
Digitized by Google
132
HI. Mokshadhanua.
13. (665-2.) Wo viele sind, da entsteht immer Streit, wo
zwei sind, ist die Unterredung gesichert; ich werde mich für
mich allein halten, wie die kleine Muschel des Mädchens
[welches ihr Muschelarmband bis auf eine Muschel entfernte,
damit ihre Gäste, für welche sie Reis zerstampfte, nicht durch
das Geklapper gestört würden; vgl. Sänkhya-Sütra ib. 4,9
und Nilakantha zu unserer Stelle, der schon die Geschichte
ähnlich erzählt, wie sie Garbe laut seiner deutschen Über-
setzung der Sänkhya-Sütra's p. 254 aus dem Kreise der
Benares -Pandit's mündlich sich berichten liefs].
So lautet im Mokahadhanna der Gesang des Bodhya
(Bodhya-gttd).
AdhyAya 179 (B. 179).
Vers 6653-6689 (B. 1-37).
Yudhishthira sprach:
1. (6653.) Durch welchen Wandel, o du des Wandels
Kundiger, kann einer frei von Kummer auf der Erde leben,
und was mufs ein Mann in der Welt tun, damit er zu dem
höchsten Wege gelange?
Bhishma sprach:
2. (6654.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Prahräda und des
Einsiedlers Ajagara.
3. (6655.) Einen gewissen umherpilgernden Brahmanen,
von tüchtigen Gedanken und frei von Ungemach, befragte
der König Prahräda, er, der Verständige, den um seines Ver-
standes Willen Geschätzten.
Prahräda sprach:
4. (6656.) Auf dich selbst gegründet, kräftig [C. und NU.
reinj, milde, bezähmt, ohne Neuerungssucht und ohne Müs
gunst, wohlberedt, selbstbewufst und verständig, so ziehs
du, weiser Mann, dahin, einem Kinde gleich.
Digitized by Googl
Adhyaya 179 (B. 17J>).
133
5. (6657.) Du verlangst nach Geschenken und bist auch
nicht bekümmert, wenn man dir nichts schenkt, und, allezeit
zufrieden, o Brahmane, verachtest du nichts favamamjasej.
6. (6658.) Und während die Geschöpfe durch den Strom
des Lebens fortgerissen werden, erscheinst du wie einer, der
sich keine Gedanken darüber macht, und der über das
Streben nach dem Guten, Angenehmen und Nützlichen er-
haben ist.
7. (6t!5y.) Nicht bist du her hinter dem Guten und Nütz-
lichen, und nicht bewegst du dich im Angenehmen; unbe-
kümmert um die Sinnendinge gehst du dahin, frei wie ein
blofser Zuschauer (sakshinj,
8. (666o.) Welches ist deine Weisheit, deine Schriftgelehr-
samkeit, dein Lebenswandel, o Einsiedler? Das sage mir
geschwind, o Brahmane, und was du hienieden für das
Heil hältst.
Bbtsbma sprach:
9. (6661.) Nachdem der auf die Gesetzmäfsigkeit in der
Welt sich verstehende Weise also befragt worden war, sprach
er zu Prahräda mit geschmeidiger, zielbewufster Rede wie folgt :
10. (666-.».) Siehe, o Prahräda! über die Entstehung der
esen, wie sie zwecklos erfolgt, über ihr Schwinden, Wachsen
und Vergehen empfinde ich weder Freude noch Aufregung.
11. (666:i.) Als aus Naturnotwendigkeit hervorgehend mufs
man alle Entstehungen betrachten, und aus Naturnotwendig-
keit gehen sie alle zugrunde, ich empfinde keine Freude über
irgend etwas.
12. (6664.) Siehe, o Prahräda, die Verbindungen, wie sie
auf Trennungen hinauslaufen, und die Sammlungen, wie sie
mit Verlorengehen endigen! Ich hänge mein Herz nicht an
irgend etwas.
13. (6665.) Wenn einer sieht, wie die trefflich ausgestatteten
Wesen zugrunde gehen, wenn einer das Entstehen und Ver-
gehen beobachtet, was bleibt ihm da übrig, was er wohl tun
möchte ?
14. (6666.) Auch bemerke ich, wie nacheinander auch die
Wassertiere zugrunde gehen, die grofsen sowohl wie die kleinen
Leiber in dem grofsen Ozean.
Digitized by Google
III. Mnkshadharma.
i
15. (0667.) Für die beweglichen und unbeweglichen Wesen,
o Gebieter der Dämonen, welche auf der Erde leben, sehe ich
deutlich den Tod, der ihnen von allen Seiten droht.
16. (6668.) Und auch den die Luft durchstreifenden Vögeln,
o Bester der Dänava's, steht, wenn die Zeit kommt, der Tod
bevor, wenn sie auch noch so stark sind.
17. (6669.) Und auch die am Himmel hinwandelnden Lichter,
die kleinen wie die grofsen, sehe ich herabstürzen, wenn die Zeit
gekommen ist (vgl. Maitr.Up.1,4. Sechzig Upanishad's S. 317).
18. (6670.) Indem ich sah, wie die Wesen von dem Tode
verfolgt werden, gelangte ich als Wissender, der das Ziel
erreicht hat, zur Erkenntnis von der Gleichheit aller Wesen
und schlafe nun ruhig.
19. (6671.) Auch einen grofsen Schmaus, wenn ich ihn
zufällig erlange, lasse ich mir schmecken, und wiederum liege
ich viele Tage da, ohne etwas zu essen.
20. (6672.) Man bietet mir manchmal vortreffliche und
reichliche Nahrung an, manchmal mäfsige, manchmal spär-
liche, und manchmal kommt es überhaupt nicht dazu.
21. (6673.) Manchmal kaue ich an Körnern, oder ich esse
Ölkuchen oder verzehre Reis und Fleisch, vornehme und ge-
ringe Nahrung, wie es kommt.
22. (6674.) Manchmal liege ich auf einem Polster, und
dann wieder schlafe ich auf der Erde, manchmal wird mir
auch ein Bett in einem Palaste zuteil.
23. (6675.) Ich kleide mich in Lumpen, in hänfene oder
leinene Kleider oder in Tierfelle, und gelegentlich trage ich
sehr kostbare Gewänder.
24. (6676.) Wenn mir ein erlaubter Genufs zufällig sich
bietet, so verschmähe ich ihn nicht, trachte ihm aber auch
nicht nach, wenn er schwer zu erlangen ist.
25. (6677.) Den Unerschütterlichen, Unvergänglichen,
Seligen, Kummerlosen, Reinen, Unvergleichlichen, im
Geiste der Weisen Weilenden, von den Toren nicht Ge-
liebten und nicht Gesuchten , — dieser Losung des Aja-
gara folge ich in Reinheit.
26. (6678.) Der in seinem Denken Unentwegte, Un-
erschütterliche, nach eigener Satzung seinen Wandel
Digitized by Google
A.lhyÄya 179 (B. 179).
135
Kesselnde, das Höchste und Tiefste Kennende, von Furcht,
Leidenschaft, Begierde und Verblendung Freie, — dieser
Losung des Ajagara folge ich in Reinheit
27. (6619.) Ihn, welcher nicht [wie die individuellen
Wesen] den Genufs einer bestimmten Frucht [der Werke]
zu essen und zu trinken hat, ihn, der nur vermöge der
Umwandlung durch die Schöpfung in Raum und Zeit
zerteilt wird, den Herzerfreuenden, von Unedeln nicht
Verehrten, — dieser Losung des Ajagara folge ich in
Reinheit.
2*. u*so.) Den Menschen, welcher von der Begierde
ftrishnäj bald nach diesem, bald nach jenem überwältigt
wird, und welcher, wenn er nicht zu Reichtum kommt,
verzweifelt, wenn man einen solchen durch Erkenntnis
der wahren Wesenheit weise sich vor Augen führt, —
dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.
20. Wenn man vielfach beobachtet, wie auf
dieser Welt um des Geldes willen in jämmerlicher Weise
der edle Mensch sich an den unedeln hängt, und wenn
man sodann im Lichte der Seelenruhe seiner selbst sich
bautet und ruhig bleibt, — dieser Losung des Ajagara
fol^e ich in Reinheit.
.'H t^i.) Lust und Leid, Verlust und Gewinn des
Vermögens, Vergnügen und Mifs vergnügen, Sterben und
Leben, all das erkenne ich in Wahrheit als vom Schick-
sal verhängt, — dieser Losung des Ajagara folge ich in
Reinheit.
31. (66W.) JYenn ich frei von Furcht, Leidenschaft,
Verblendung und Stolz, begabt mit Festigkeit, Einsicht
und Verstand, beruhigt beobachte, wie die Menschen die
zur Reife gekommene Werkfruoht geniefsen, — dieser
Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.
32. (6**i ) Indem ich ohne festes Lager und festen Sitz,
durch Naturanlage schon mit Bezähmung, Selbstüber-
windung, Gelübde, Wahrheit und Reinheit begabt und
von der Anhäufung der Werkfrucht befreit, mich dessen
freue, — dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.
Digitized by Google
III. Mokshadharma.
33. (6085.) Wenn ich sehe, wie einer sich hinreifsen
läfst, um dem Leiden zu entgehen, von Gegenständen
des Strebens, während ich die Erkenntnis erlangt habe
und in mir selbst feststehe (lies: dtmasamsthah), während
jener von Durst erfüllt ist und ohne die Macht, sein
Manas zu zügeln, — dieser Losung des Äjagara folge
ich in Reinheit.
34. (6<&6.) Als ich, meinem Herzen nebst Rede und
Verstand nicht nachgebend, die Schwererreichbarkeit von
Liebem und Lust und ihre Vergänglichkeit, dieses beides
überschaute, — dieser Losung des Ajagara folge ich in
Reinheit.
35. (6687.) Jenes von den Verständigen vielfach Be-
sprochene und auch von den Dichtern, die den Ruhm
des Atman verkündigen, die das Tiefe erforschen durch
eigenes und fremdes Denken und erkennen, wie das eine
hier und das andere dort ist,
36. (6688.) indem ich dieses überblickte und zugleich
den Abgrund, welchem unverständige Menschen auf dieser
Welt zueilen, so freue ich mich unter den Menschen über
das Unendliche, welches das jenseitige Ufer endloser
Sünde ist, ich, der ich Sünde und Begierde im Zaume
halte.
Bhishma sprach:
37. (6689.) Wer hier als ein hochsinniger Mann die
von Ajagara befolgte Losung sich zur Richtschnur nimmt,
indem er seine Leidenschaft zügelt, der fürwahr wird,
frei von Furcht, Begierde, Verblendung und Zorn, im
Glück diesen Wandel befolgen.
So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Äjagara mit Trahrada
(Ajagara - Vrahr&da - tatntdda).
Digitized by Google
Adhyäya 180 (B. 180).
137
Adhyftya 180 (B. 180).
Vers 6690-6744 (B. 1-54).
Yudhishthira sprach:
1. (6690.) Verwandte, Tätigkeit, Reichtum oder Wissen,
welches von diesen dient hienieden dem Menschen als Stütze,
o Grofsvater? Das sollst du mir, dem Fragenden, beantworten.
Bhishma sprach:
2. (6691.) Das Wissen ist die Stütze der Wesen, das Wissen
gilt als höchster Gewinn, das Wissen ist das Allerbeste auf
der Welt, das Wissen gilt den Guten als Himmel.
3. (669-j.) Durch Wissen gelangte ja auch Bali zu Reich-
tum, als seine Herrlichkeit zertrümmert war, und ebenso
Prahräda, Namuci und Manki; was gibt es Höheres als das
Wissen ?
4. (6693.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen Indra und
Käcyapa. Diese vernimm, o Yudhishthira.
5. (6694.) Ein gewisser Vaicya hatte mit seinem Wagen
den Käcyapa, der ein scharfes Gelübde beobachtete, den Sohn
eines Rishi, zu Fall gebracht, er, der Reiche und Stolze den
Asketen.
6. (6695.) Dieser, gequält, da er hingefallen war, sprach
darauf, im Zorne sich selbst vergessend: „Ich will sterben,
für einen Armen hat das Leben auf dieser Welt keinen Zweck."
7. (6696.) Als er nun so, zu sterben verlangend, dasafs,
lautlos und ohne Gedanken, da nahte ihm Indra in Schakal-
gestalt und redete den in seinem Geiste Erschütterten (kshubdha
mit C.) an.
8. (6697.) Alle Wesen allerwärts trachten danach, als Men-
schen geboren zu werden, und wenn sie das Menschensein
erlangt haben, so freuen sich alle darauf, Brahmanen zu
werden.
9. (6698.) Du bist ein Mensch und ein Brahmane, bist so-
gar ein Schriftgelehrter, o Käcyapa; nachdem du dieses schwer
Digitized by Google
I
138 IU- Mokshadharma.
zu Erlangende erreicht hast, darfst du dich nicht versündigen
und sterben wollen.
10. (6699.) Aller Reichtum verleitet zur Geringschätzung,
das ist ein wahres Schriftwort; du hast eine Daseinsform,
mit der man sich wohl zufrieden geben könnte, während du
sie aus Begehrlichkeit geringschätzt.
11. (6700.) 0 über das Glück derer, welchen in diesem
Dasein Hände beschieden sind, ich beneide über die Mafsen
die, welche Hände haben.
12. (67oi.) Wir Schakale beneiden die, welche Hände haben,
so wie du den Reichtum. Hände zu erhalten, darüber hinaus
gibt es kein gröfseres Glück.
13. (670*) Weil wir keine Hände haben, o Brahmane,
können wir uns keinen Dorn ausziehen, und auch die Tierchen,
die uns oben und unten am Leibe beifsen, möchten wir lieber
nicht durch Wegjucken schädigen.
14. (6703.) Hingegen die, welchen die Götter Hände mit
zehn Fingern gegeben haben, können die beifsenden Insekten
von ihrem Körper ablesen und durch Kratzen verscheuchen.
15. (6704.) Sie können sich auch gegen Regen, Winter
und Hitze schützen und erfreuen sich der Kleidung und Nah-
rung, eines angenehmen Lagers und windgeschützten Obdachs.
16. (6705.) Und die Erde beherrschend, leben sie froh in
der Welt und lassen andere für sich arbeiten, und mit vielen
Mitteln machen sie dieselben sich untertänig.
17. (6706.) Diese freilich, welche keine Sprache besitzen,
bemitleidenswert, von kurzer Lebensdauer und ohne Hände
sind, müssen diese Leiden erdulden ; zum Glück steht es nicht
so mit dir, o Muni.
18. (6707.) Du bist zum Glück kein Schakal, kein Wurm,
keine Maus, keine Schlange, kein Frosch oder sonst ein aus
schlechtem Mutterschofs Entsprossener.
19. (6708.) Schon um dieses Vorzugs willen mufst du froh
sein, o Kacyapa, um wieviel mehr, da du unter allen Ge-
schöpfen als Brahmane am höchsten stehst.
20. (6709.) Mich beifsen diese Insekten, zu deren Beseitigung
ich nicht die Macht habe, weil mir die Hände fehlen. Sieh
doch diesen meinen Zustand an!
Digitized by Google
J
Adhy&ya 180 (B. 180).
139
21. (67io.) Und doch behaupte ich nicht, dafs es nicht
auszuhalten sei, und ich gebe diesen meinen Leib nicht auf,
denn ich möchte nicht aus ihm einem noch schlechtem Mutter-
schofse verfallen.
22. (67ii.) In einen mittlem unter den schlechten Mutter-
schöfsen bin ich gelangt, indem ich in den einer Schakalin
einging. Es gibt aber noch viel mehr andere schlechtere
unter den schlechten Mutterschöfsen.
23. (6712.) Freilich gibt es einige, welche durch ihre Ge-
burt glücklicher sind, aber auch andere, die um vieles un-
glücklicher sind; ich sehe aber nicht, dafs irgendeinem
irgendwo auf der Welt ein absolutes Glück zuteil geworden
wäre.
24. (6713.) Sind die Menschen erst reich geworden, so
wünschen sie weiterhin Könige zu sein; aus Königen wollen
sie Götter werden, und sind sie erst Götter, so möchten sie
gar Indra sein.
25. (67H.) Gesetzt, du wärest reich, so wärest du doch
noch nicht König, noch nicht eine Gottheit, und hättest du
das Gottsein, ja selbst das Indrasein erlangt, so würdest du
auch dann noch nicht zufrieden sein.
20. (6715.) Durch Erlangung von Wünschen ist keine
Sättigung zu finden, der Durst (trishnd) ist durch kein Wasser
zu stillen, er wird nur um so brennender, wie das Feuer durch
Holzscheite.
27. (6716.) Freilich, wohl hast du auch Kummer, aber
ebensosehr hast du auch Freude, und so hast du beides,
Lust und Leid, was ist da zu bejammern?
28. (6717.) Hat man sie einmal abgeschnitten, die Wurzel
aller Begierden und Bemühungen, die Schar der Erkenntnis-
organe, [und hält sie gefangen] wie Vögel in einem Käfig,
29. (6718.) so haben wir doch dann keinen zweiten Kopf,
um ihn abzuschneiden, und keine dritte Hand ; was nicht ist,
das haben wir auch nicht mehr zu fürchten.
30. (6719.) Ein Verlangen kann nicht irgendwo mehr ent-
stehen, wenn man seinen Geschmack nicht mehr kennt, denn
nur aus dem Berühren, Sehen oder Hören entsteht das Ver-
langen.
Digitized by Google
140
III. Mokshadhanna.
31. (6720.) Du [als Brabmane] denkst nicht mehr daran,
den Palmwein zu trinken und die Latvavögel zu schmausen,
und doch gibt es keinen Leckerbissen, der diese beiden
überträfe.
32. (6721.) Und was es auch sonst noch geben mag, das
sich für irgendeines unter den Wesen zur Speise eignet, was
auch immer du früher niemals geschmeckt hast, daran hast
du auch keine Erinnerung.
33. (6722.) Nichts zu essen, nichts anzufassen und nichts
anzuschauen, darin besteht die Bezähmung eines Menschen,
so meine ich, und sein Heil, daran ist kein Zweifel.
34. (6723.) Freilich sind die, welche Hände haben, dadurch
mächtig und reich; aber durch die Menschen selbst werden
die Menschen in Knechtschaft gebracht
35. (6724.) und werden immer wieder aufs neue mit den
Qualen des Todes und der Gefangenschaft bedrängt; freilich
freuen sie sich auch anderseits und jubeln und lachen.
36. (6725.) Andere wiederum, die durch ihre Arme mächtig
sind, Wissensehaft erworben haben und Verstand besitzen,
führen einen elenden, schlechten Lebenswandel, dessen sie
sich schämen sollten.
37. (6726.) Auch gewinnen sie es wohl über sich, einen
andern Lebenswandel zu führen, doch nur soweit es durch
ihre eigenen Werke [in einer frühern Geburt] bedingt ist ; —
aber dem ist so, weil es einmal sein mufs.
38. (6727.) Kein Pulkasa und kein Cändäla [obgleich den
niedrigsten Kasten angehörig] wünscht seinen Leib zu ver-
lassen; vielmehr freut er sich dieser seiner Geburt; so grofs,
siehst du, ist ihre Verblendung fmaydj.
39. (67>8.) Wenn du die Menschen siehst, wie sie ge-
brechlich und lendenlahm und krank sind, so bist du doch
mit vollständigen Gliedern ausgestattet und schon durch deine
Geburt ein reicher Mann, o Käcyapa.
40. (6729.) Wenn doch, o Brahmane, dein Körper ohne
Leiden und ohne Krankheit ist, und deine Glieder vollständig
sind, und du auch nicht unter den Leuten beschimpft wirst,
41. (6730.) nicht durch irgendeine Nachrede, die Grund
hat und dir Abbruch tut, so ermanne dich zu deiner Pflicht,
Digitized by Google
Adhyäya 180 (B. 180).
141
o brahmanischer Weiser, und wolle nicht deinen Leib auf-
geben.
42. (6731.) Wenn du, o Brahmane, dieses hörst und meinen
Worten Glauben schenkst, so wirst du für den im Veda be-
fohlenen Pflichtwandel einen vorzüglichen Lohn erlangen.
43. (6732,) Das Vedastudium und die Pflege der Feuer
mögest du sorgfältig beobachten, dazu Wahrhaftigkeit, Be-
zähmung, Freigebigkeit, dann brauchst du keinen zu beneiden.
44. (6733.) Alle solche, welche das Vedastudium betreiben
und zum Opfern und Opfernlassen gelangt sind, wie könnten
die es dir wohl nachmachen und sich härmen oder an Un-
edles denken!
45. (6734.) Sie mögen ja, sobald sie es wünschen, zu ihrer
Erholung grofse Lust erlangen, und geboren unter einem
glücklichen Sterne, an einem glücklichen Tage und zur glück-
lichen Stunde, (6735.) beeifern sie sich in dem Streben nach
Opfer, Freigebigkeit und Nachkommenschaft, je nachdem
ihnen die Möglichkeit dazu gegeben ist.
46. Andere freilich, die unter einem dämonischen Sterne,
an einem schlimmen Tage und zur schlimmen Stunde ge-
boren sind, (0736.) geraten in einen dämonischen Mutterschofs,
wo sie des Opferns und der Nachkommenschaft entbehren.
47. Ich war so ein kleiner Pandit, ein Grübler und Veda-
tadler, (6737.) ein Anhänger der argumentierenden Dialektik,
die nichts taugt.
48. Ich argumentierte mit Gründen, und trat in den Ver-
sammlungen als Redner auf in räsonierender Weise, (6738.) ein
lauter Schreier war ich und einer, der in den Reden über
Brahman die Z wiegeborenen niederredete,
49. ein Nihilist, ein Allbezweifler, ein Narr, der sich für
einen Gelehrten hielt. (6739.) Dafür ist mir dies als Frucht
erwachsen, dafs ich ein Schakal bin, o Z wiegeborener.
50. Und geschieht es je, so kann es doch nur in Hun-
derten von Tagen und Nächten von jetzt an erfolgen, (r.74o.) dafs
ich, der ich ein Schakal bin, wieder in einen menschlichen
Mutterschofs gelange.
51. Dann würde ich zufrieden sein und sorgsam und
mich an Opfern, Geben und Askese erfreuen, (6741.) würde
Digitized by Google
142
III. Mokshadharma.
nur erforschen, was man erforschen darf, und würde meiden,
was zu meiden ist.
52. Darauf erhob sich der Einsiedler Käcyapa und sprach
zu jenem : (6742.) „0, wie bist du erfahren und voll Weisheit",
so sprach er mit Bewunderung.
53. Dann betrachtete der Brahmane ihn mit seinem durch
Erkenntnis weitsehenden Auge (6743.) und sah, dafs er unter
den Göttern der Gott Indra und der Gemahl der £aci war.
54. Da verehrte Käcyapa den mit Falben Fahrenden
(6744.) und, von ihm entlassen, begab er sich in seine Wohnung.
So lautet im Mokahadharm» die Unterredung des Schakals mit K4c.yjtpa
(»rigdla - Kdfyapa - $atntdda).
Adhyftya 181 (B. 181).
Vers 6745-6764 (B. 1-20).
Yudhishthira sprach:
1. (6745.) Wenn Almosen gespendet und geopfert und
Askese geübt worden ist, oder auch Gehorsam gegen die
Lehrer, das sage mir, o Grofsvater [was daraus folgt].
Bhishma sprach:
2. (6746.) Vermöge des in das Unglück verstrickten Atman
gerät das Marias in Sünde, und indem es seine Aufgabe in
unreiner Weise vollbringt, wird es einer elenden Welt zu-
gewiesen.
3. (6747.) Aus Mifswachs in Mifswachs, aus Not in Not,
aus Gefahr in Gefahr, aus Gestorbensein in weiteres Sterben
geraten die armseligen Übeltäter.
4. (6748.) Hingegen von Fest zu Fest, von Himmel zu
Himmel, von Lust zu Lust gelangen die Gläubigen, Bezähm-
ten, Reichbeglückten, Wohltuenden.
5. (6749.) Mitten unter wilden Tieren, unter Elefanten und
auf ungangbaren Wegen, unter Schlangen, Dieben und Ge-
fahren mit gebundenen Händen gehen dahin die Ungläubigen,
was könnte schlimmer sein!
Digitized by Google
» Adhyiya 181 (B. 181).
143
6. J6750.) Hingegen die, welche Gastfreundschaft an Freun-
den und Göttern üben, freigebig sind und ihren Freunden
wohlgesinnt, die wandeln auf dem friedevollen Wege der
Atmanhaften mit tüchtigen Händen.
7. (675i.) Wie die Spreu unter dem Weizen, wie die
Puppen unter den Schmetterlingen, so sind unter den Men-
schen diejenigen, welche sich nicht von der Pflicht antreiben
lassen.
8. (6752.) Auch wenn einer sehr schnell läuft, holt ihn
sein Schicksal ein, es liegt neben ihm, wenn er schläft, wer
er auch sei, entsprechend seinen Taten.
9. (6753.) Es steht neben ihm, wenn er steht, und wenn
er geht, so geht es ihm nach, es vollbringt das Werk des
Wirkenden, wie sein Schatten begleitet es ihn.
10. (6754.) W r as für ein Werk und wie es irgend jemand
vordem betrieben hat, das hat er einzig und allein jedesmal
zu büfsen als seinem Atman auferlegt.
11. (6755.) Diese Schar der Wesen, welche die Frucht
ihrer eigenen Werke [als zurückzuzahlendes Pfand] hinter-
legt haben und von ihrem eigenen Schicksal bewacht werden
[wie Gefangene], wird von überallher durch die Zeit fort-
geschleppt.
12. (6756.) So wie Blüten und Früchte, auch ohne ange-
trieben zu werden, ihre Zeit im Jahre einhalten, so auch die
vordem begangene Tat.
13. (6757.) Hochschätzung und Geringschätzung, Gewinn
und Verlust, Schwinden und Wachsen, wie sie sich begeben
haben, so kehren sie wieder, jedesmal wenn die Schicksals-
frist zu Ende geht.
14. (6758.) Durch das eigene Selbst wird das Leid ver-
hängt, durch das eigene Selbst wird die Lust verhängt ; nach
Einbettung in einem Muttorleibe wird die Frucht der frühern
Verkörperung genossen.
15. (6759.) Was einer Gutes oder Böses tut, sei es als
Rind, als Jüngling oder als Greis, dafür erlangt er in eben-
demselben Zustande die Vergeltung.
ir>. (67«o.) Wie unter tausend Kühen das Kalb seine Mutter
herausfindet, so verfolgt die früher begangene Tat ihren Täter.
Digitized by Google
144
III. Moksliadliarma.
17. (67gi.) Ein Kleid, welches an seinem Saume nafs wurde,
wird nachmals rein durch die Wasch tätigkeit; so wird auch
denen, welche sich [zu ihrer Läuterung] mit Fasten abquälen,
dafür ein langes, ein unendliches Glück zuteil.
18. (6762.) Denjenigen, welche durch langwierige, in einem
Büfserhain geübte Askese die Sünde durch dieses Wohlver-
halten abwerfen, gehen ihre Wünsche in Erfüllung.
19. (6763.) Wie der Zug der Vögel in der Luft und der
Fische im Wasser nicht mit den Augen verfolgt werden kann,
so auoh der Weg derer, welche die Erkenntnis besitzen.
20. (6764.) Fort mit weiteren Zurechtweisungen und mit
der Aufzählung von Übertretungen ; man vollbringe in schöner
und angemessener Weise, was zum Heile der Seele dient.
8o lautot im Mokahadbarma der hunderteinundacbUigeto Adhyaya.
Adhyftya 182 (B. 182).
Vers 6765-6803 (B. 1-38).
Yudhishthira sprach:
1. (6765.) Woraus ist diese ganze Lebewelt des Unbeweg-
lichen und Beweglichen geschaffen, und in wen geht sie beim
Weltuntergange ein? Das sage mir, o Grofsvater.
2. (6766.) Von wem ist diese Welt mit Ozeanen, Himmels-
zelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und Wind geschaffen worden ?
3. (6767.) Auf welche Weise wurden die Wesen geschaffen,
auf welche Weise die Einteilungen in Kasten, wie kam deren
Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz über
Gutes und Böses?
4. (6769.) Von welcher Art ist die Seele der lebenden
Wesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn sie ge-
storben sind, aus dieser Welt in jene Welt? Das alles mögest
du, o Herr, uns verkünden.
Bhishma sprach:
5. (6769.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Belehrung, welche von Bhrigu dem
ihn befragenden Bharadväja erteilt wurde.
Digitized by Google
Adlivaya 182 (B. 182).
145
6. (6770.) Als Bharadvaja den grofsen Weisen Bhrigu strah-
lend und von grofser Kraft auf dem Gipfel des Kailäsa sitzen
sah, da befragte er ihn wie folgt:
7. (6771.) Von wem ist diese Welt mit Ozeanen, Himmels-
zelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und Wind geschaffen
worden ?
8. (6772.) Auf welche Weise wurden die Wesen geschaffen,
auf welche Weise die Einteilungen der Kasten, wie kam deren
Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz über
Gutes und Böses?
9. (6773.) Von welcher Art ist die Seele der lebenden
Wesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn sie gestorben
sind, in die andere Welt und [zurück] in diese? Das alles
mögest du uns verkündigen.
10. (6774.) Als der Heilige in dieser Weise von Bharadvaja
nach diesem Problem befragt wurde, da erklärte der brahman-
ähnliche Brahmanweise ihm alles.
Bhrigu 6prach:
11. (6775.) Der Ursprüngliche, der da heifset Mänasa (der
Geistige), dessen Offenbarung von den grofsen Weisen ver-
nommen wurde, der anfanglose und endlose Gott, der unteil-
bare, nicht alternde und nicht sterbende,
12. (6776.) der da genannt wird der Unoffenbare (avydkta),
der Ewige, Unzerstörbare, Unvergängliche, von welchem ge-
schaffen die Wesen geboren werden und sterben,
13. («777.) dieser Gott schuf zuerst den mit Namen Mahän
(der Grofse) Genannten ; der Mahän schuf den Ahankara und
dieser wiederum, der Heilige, darauf
14. (6778.) ihn, der da Äther fäkäram) genannt wird, er,
der Herr, der alle W r esen trägt; aus dem Äther entstand
das Wasser, aus dem flüssigen Elemente Feuer und Wind,
und (677f>.) aus der Verbindung von Feuer und Wind entstand
dann weiter die Erde.
15. Darauf wurde von dem durch sich selbst Seienden
eine aus Kraft bestehende himmlische Lotosblume geschaffen;
(6780.) aus dieser Lotosblume entstand der Gott Brahmän, der
aus den Veden bestehende, der Umfasser,
Dinui, M*hAbbfcratam. 10
Digitized by Google
146
III. Mokshadbarma.
16. der, welcher Ahankära genannt wird, der als die Seele
von allen Wesen die Wesen schuf, (678i.) er in der Tat ist
jener kraftvolle Brahmän, von welchem diese fünf Elemente
herstammen.
17. Die Berge heifsen seine Knochen, sein Fett und
Fleisch ist die Erde, (6782.) die Ozeane sind sein Blut und
der Äther (äkaqam) ist sein Bauch,
18. der Wind ist sein Odem, seine Körperwärme das
Feuer, die Ströme sind seine Adern, (6783.) Agni und Sorna,
die Sonne und der Mond, werden als seine Augen gepriesen ;
19. der Himmel droben ist sein Haupt, die Erde seine
Füfse, die Himmelsgegenden seine Arme. (6784.) Schwer er-
kennbar ist dieser unausdenkbare Atman, sogar für die
Seligen, daran ist kein Zweifel.
20. Er wird als der heilige Vishnu gepriesen, als der
Unendliche ; (6785.) als das Selbst aller Wesen weilt er in den
Wesen, schwer erkennbar für die, deren Selbst nicht be-
reitet ist,
21. er, der den Aliankdra erschuf zum Zweck der Ent-
stehung aller Wesen, (6786.) er, aus dem alles das geworden
ist, wonach ich hier von dir gefragt wurde.
Bharadvaja sprach :
22. (6787.) Von dem Himmelszelte und von den Himmels-
gegenden, von dem Erdboden und von dem Feuer, welches
sind die Mafse von diesen? Diesen Zweifel löse mir der
Wahrheit gcmäfs.
Bhrigu sprach:
23. (6788.) Unendlich ist jener Raum fdkä^amj, bewohnt
von Seligen und Gottheiten, erfreulich, mit mancherlei Wohn-
stätten übersät, dessen Grenze unerreichbar ist.
24. (6789.) Oberhalb ihres Machtbereiches und unterhalb
werden Mond und Sonne nicht mehr gesehen, dort sind die
Götter ihr eigenes Licht, glänzend wie die Sonne und strah-
lend wie das Feuer.
25. (6790.) Und auch sie sehen nicht die Grenze des
mächtig ausgebreiteten Himmelszeltes, weil dieselbe schwer
Digitized by Google
Adhyäya 182 (B. 182).
147
erreichbar, weil sie endlos ist, das lerne von mir, der du mir
die Ehre gibst.
26. (67yi.) Nach oben aber und immer weiter nach oben
hin wird von flammenden, selbstleuchtenden Wesen jener
Weltraum angefüllt, der auch von Göttern nicht ausmefsbar ist.
27. (6792.) An der Grenze der Erde aber sind die Meere,
an der Grenze der Meere herrscht Finsternis, wie es heifst,
an der Grenze der Finsternis ist das Wasser, wie sie sagen,
und an der Grenze des Wassers ist Feuer.
28. f6?93.) An der Grenze der Unterwelt ist Wasser, an
der Grenze des Wassers wohnen die Schlangenfursten , an
ihrer Grenze kommt wieder der Weltraum und an der Grenze
des Weltraums wiederum Wasser.
29. (6794.) Dieses als Grenze habend ist der Umfang des
Heiligen und des Wassers, schwer zu erkennen auch von
den Göttern des Feuers, des Windes und des Wassers.
30. (6795.) Die Erscheinungen des Feuers, Windes, Was-
sers und der Erde werden gegen den Äther [nur darum]
abgegrenzt und von ihm unterschieden, weil man die Wahr-
heit [die Einheit des Seienden] nicht erkennt (Utattvadar^anätJ.
31. (6796.) Und auch die Weisen lehren in den verschie-
denen Lehrbüchern, in dem Ozean der drei Welten, die Di-
mensionen, wie sie eben dargelegt worden sind.
32. (67»7.) Aber wer könnte für das Unsichtbare, Unbetret-
bare einen Mafsstab ausfindig machen! Wenn doch sogar
der Machtbereich der Seligen und der Götter ein begrenzter
ist, (6798.) dann ist der Name des Unendlichen nur bildlich
zu verstehen, wo das Wort „unendlich" gebraucht wird
33. von dem diesem Namen entsprechenden hoch-
sinnigen Mänasa [vgl. oben Vers 677ö].
34. (6799.) Wenn aber auch eine göttliche Gestalt abnimmt
und wieder zunimmt, welcher andere [aufser den Göttern]
kann das wissen, und wäre dieser andere auch ein den Göttern
Gleicher.
35. (68oo.) Aus jener Lotosblume wurde er geschaffen, der
allwissende, körperlich gewordene hehre Gott Brahman, der
aus Gerechtigkeit bestehende, anfängliche, höchste Prajäpati.
10*
Digitized by Google
1
148 MI- Mokshadhanna.
Bharadvaja sprach:
3ß. (6801.) Wenn er aus der Lotosblume entsprungen ist,
so ist doch die Lotosblume das Alteste, und doch sagst du ?
o Herr, dafs der Gott Brahmän der Anfängliche ist, das ist
mein Bedenken.
Bhrigu sprach:
37. (C802.) Es ist die Gestalt des Mättasa, welche in das
Sein als der Gott Brahmän eingegangen ist, und, um ihm
einen Sitz zu bereiten, wird die Erde Lotosblume genannt.
38. (6803.) Von dieser zu einer Samenkapsel sich zu-
spitzenden Lotosblume streckt sich der Götterberg Meru in
den Himmel hinauf und, mitten darauf stehend, schafft der
Herr der Wesen die Welten.
So lautet im Mokehadbarma die Unterredung zwischen Bhrigu und Bharadvaja
(Bhriyu - Bharadcdja- iwntdda).
Adhyaya 183 (B. 183).
Vers 6804-6820 (B. 1-17).
Bharadvaja sprach:
1. (6804.) Wie hat der Herr jene mannigfaltige Schöpfung
der Wesen geschaffen, der Gott Brahmän, als er mitten auf
dem Meru stand? Das sage, o Bester der Zwiegeborenen.
Bhrigu sprach:
2. (6805.) Der Mänasa (der Geistige) schuf durch seinen
Geist die mannigfache Schöpfung der Kreaturen, und zwar
wurde zum Zwecke der Erhaltung der Wesen zuerst geschaffen
das Wasser.
3. (6806.) Dieses, welches das Leben aller Wesen ist, durch
welches die Geschöpfe gedeihen und von welchem verlassen
sie zugrunde gehen, von ihm ist dieses Weltall umgeben.
4. (C807.) Die Erde, die Berge, die Wolken und was sonst
noch an festen Gestalten vorhanden ist, alles das ist, dies
soll man wissen, von Wasserart, weil das Wasser ihm als
Träger dient.
Digitized by Google
Adhyaya 183 (B. 183).
140
Bharadvaja sprach:
5. (68i>8.) Wie ist das Wasser entstanden? Und wie das
Feuer und die Luft? Und wie wurde die Erde geschaffen?
Darüber bin ich in grofsem Zweifel.
Bhrigu sprach:
6. (6809.) In einem Weltalter des Brahman hatten sich
einstmals, o Brahmane, die Brahmanweisen versammelt; da
entstand unter den Hochsinnigen ein Zweifel über die Ent-
stehung der Welt.
7. (6810.) Da standen sie, in Meditation versenkt, schweigend
und unbeweglich, ohne Nahrung, den Wind trinkend, so stan-
den die Zwiegeborenen hundert göttliche Jahre da.
8. (68ii.) Da traf ihr aller Ohr eine von Brahman kom-
mende Stimme, die göttliche Sarasvati (Rede) entstand da
vom Himmel her.
9. (i;sr.\) Vordem stand es so, dafs der unbewegliche,
unendliche, einem Berge vergleichbare Äther (äkäcam), in
welchem Mond, Sonne und Wind untergegangen waren, gleich-
sam wie eingeschlafen aufglänzte.
10. (Y,8i3.) Aus ihm entstand das W r asser, wie in einer
Finsternis eine zweite Finsternis, und sodann durch Aus-
quetschung des Wassers entstand der Wind.
11. (68U.) So wie ein Gefäfs, solange es ungestört bleibt,
dasteht ohne einen Ton von sich zu geben, wird es aber mit
Wasser gelullt, so macht der [entweichende] W r ind es ertönen,
12. (6815.) ebenso geschah es, dafs an dem unmittelbar
vom Wasser umschlossenen Himmelsende der Wind, indem
er die Fläche des Wassers durchbrach, mit Geräusch nach
oben entwich.
13. (6816.) Dieser Wind also, der durch die Ausquetschung
des Wassers entstanden war, streicht dahin, und, indem er
zu der Stätte des Äthers gelangt ist, kommt er doch nicht
zur Ruhe.
14. (6817.) Bei dieser Reibung zwischen Wind und Wasser
wurde das entzündete Glut habende, sehr gewaltige, mit Spitz-
flammen nach oben strebende [Feuer] offenbar und befreite
den Himraelsraum von der Dunkelheit.
Digitized by Google
150
III. Mokshadharma.
15. (0818.) Dann verbündete sich das Feuer mit dem Wind
und trieb das Wasser in den Weltraum hinauf [als Wolken],
das Feuer aber durch seine Verbindung mit dem Winde ver-
dichtete sich [zum Sonnenfeuer].
16. (6819.) Was von dem in den Weltraum emporgedrunge-
nen (lies : nipatatah) Wasser an weiterer Feuchtigkeit zurück-
blieb, die gelangte zur Verdichtung und wurde zur Erde.
17. (6820.) Diese Erde ist für die Säfte, für alle Gerüche,
für die Feuchtigkeiten, sowie auch für die lebenden Wesen
anzusehen als der Mutterschofs, in welchem alles erzeugt wird.
So lautet iui Mok»badharm* die Unterredoog zwischen Bhrigu und Bharadv&ja
C Bhrigu - BharadrAja - samtdda).
Adhyftya 184 (B. 184).
Vers 6821-6865 (B. 1-44).
Hharadvaja sprach:
1. (682i.) Es gibt diese fünf Elemente, welche der Gott
Brahmän ehedem schuf, von welchen diese Welten erfüllt sind
und welche als die grofsen Elemente (mahäbhutäni) bezeichnet
werden.
2. (6822.) Da jener Hochweise doch Tausende von Ge-
schöpfen erschaffen hat, wie ist es zu verstehen, dafs es dabei
nur fünf Elemente gibt?
Bhrigu sprach:
3. (6823.) Nur auf jene unmefsbar grofsen bezieht sich
das Wort „grofs"; die übrigen W r esen (bhütänij gelangen
[durch die Mahäbhutäni] zur Entstehung, darum ist nur für
jene [fünf] das Wort „Mahäbhüta" zutreffend.
4. (6824.) Bewegung ist der Wind, Weite der Äther, Hitze
das Feuer, Flüssigkeit das Wasser, Kompaktheit die Erde;
der Leib besteht aus allen fünf Elementen.
5. (6825.) So ist aus diesen fünf Elementen zusammen-
gefügt das Unbewegliche (Pflanzen) und das Bewegliche (Tiere
und Menschen) ; das Gehör, der Geruch, der Geschmack, das
Gefühl und das Gesicht heifsen die Sinne.
Digitized by Google
Adhyäya 184 (B. 181).
151
Bharadväja sprach:
6. (6826.) Aber wenn wirklich sowohl das Unbewegliche
als das Bewegliche aus den fünf Elementen zusammengesetzt
ist, wie kommt es, dafs in dem Körper der Unbeweglichen
(der Pflanzen) die fünf Elemente nicht zum Vorschein kommen?
7. (6827.) Denn bei den Bäumen, da sie weder Wärme noch
Bewegung, sondern in Wahrheit nur Festigkeit haben, sind
doch in ihrem Körper nicht alle fünf Elemente nachweisbar.
8. (6828.) Sie hören nicht, sie sehen nicht, sie haben kein
Bewufstsein von Geruch und Geschmack und ebenso kein
Gefühl; wie können sie also aus den fünf Elementen bestehen?
9. (6S29.) Da die Bäume weder flüssig noch feurig, noch
erdig, noch auch windhaft sind, noch auch den Raum [den
sie einnehmen] ausmessen können, so können sie doch nicht
aus den Elementen gebildet sein.
Bhrigu sprach:
10. fr.830.) Wenn auch die Bäume fest sind, so haben sie
doch ohne Zweifel Äkäca [Raum, d. h. eine Beziehung zum
Weltraum], denn sie haben immerfort die Möglichkeit, ihre
Blüten und Früchte [in den Raum] hinaus zu entfalten.
11. (6S3i.) Vermöge der Wärme verwelkt das Blatt (lies:
parnam), die Rinde, die Frucht und die Blüte; sie verwelkt
und fällt ab, folglich ist im Baume Gefühl fspargaj vorhanden.
12. re832.) Durch den Lärm, welchen der Wind, das Feuer
[beim Waldbrande] und der Donner machen, werden Früchte
und Blüten zerstört; der Lärm wird durch das Gehör wahr-
genommen, folglich hören die Bäume.
13. (6833.) Die Schlingpflanze umwindet den Baum und
kriecht nach allen Seiten; ohne Gesicht aber kann man seinen
Weg nicht finden, folglich sehen die Pflanzen.
14. (6834.) Ferner, durch gute und schlechte Gerüche und
durch mancherlei Ausräucherung werden die Pflanzen gesund
und blühend, folglich haben sie Geruchssinn.
15. (6835.) Da er mit seinen Wurzeln das Wasser trinkt,
da er [durch unmäfsigen Genufs] krank wird und in der
Krankheit [durch Arznei] geheilt wird, so mufs der Baum
auch Geschmacksvermögen besitzen.
Digitized by Google
152
III. Mokshadbarma.
16. (68ug.) Da die Pflanze [z. B.] durch den Stengel der
Lotosblume als Mund das Wasser in die Höhe zieht, so mufs
sie mit Luft versehen sein, um es mittels der Wurzeln empor-
zusaugen.
17. (6837.) Da sie für Lust und Schmerz empfänglich sind
und, wenn abgeschnitten, wieder ausschlagen, so erkenne ich
daran, dafs die Bäume eine Seele (jivaj besitzen, ein un-
beseeltes Wesen (acaitanyam) gibt es nicht.
18. (6838.) Wenn dadurch das Wasser aufgesogen worden
ist, so verdauen es Feuer und Wind, und vermöge der Assimi-
lation der Nahrung bildet sich klebriger Saft und Wachstum.
19. (6839.) Was weiter die beweglichen Wesen betrifft,
so enthalten sie alle in ihrem Körper die fünf Elemente, und
sie lassen sich alle einzeln unterscheiden, sofern durch sie
der Körper sich bewegt.
20. (6S40.) Die Haut, das Fleisch, die Knochen, das Mark
und die Sehnen als Fünftes, der Komplex dieser Bestandteile
macht am Körper das Erdige aus.
21. (6841.) Der Glanz [des Körpers] ist Feuer, ebenso der
Zorn, das Auge und die Körperwärme, und da das Feuer
auch die Verdauung bewirkt, so sind die körperlichen Weesen
im Besitze von fünf Feuern.
22. (684*2.) Das Ohr, die Nase, der Mund, das Herz und
die Eingeweide, diese fünf Bestandteile im Körper der lebenden
Wesen rühren [vermöge ihrer Hohlräume] vom Akäca her.
23. (6843.) Als Schleim, als Galle, als Schweifs, als Fett
und als Blut sind in fünffacher Form die Wasser allezeit in
dem Leibe der Lebenden vorhanden.
24. (6844.) Durch den Präna wird der Lebende in Bewegung
gesetzt fpraniyatrj, durch den Vyäna strengt er sich an (vyä-
yacchutej, der Apäua geht nach unten, der Samäna hat seinen
Sitz im Herzen.
2ö. (6845.) Durch den Udäna haucht er seine Seele aus
und durch Verteilung [des Präna auf die Stimmorgane] redet
er; in dieser Weise veranlassen diese fünf Winde die Lebens-
tätigkeiten der Verkörperten.
20. (6846.) An der Erde nimmt der Verkörperte die Quali-
tät des Geruchs wahr, an den Wassern die des Geschmacks,
Digitized by Google
Adhyaya 184 (B. 184).
153
durch Licht und Auge nimmt er die Gestalt wahr und durch
den Wind das Gefühl.
27. (6847.) Als Geruch, Gefühl, Geschmack, Gesicht und
Gehör werden die Qualitäten der fünf Elemente bezeichnet.
Zunächst werde ich die Eigenschaften des Geruches in aus-
führlicher Darlegung mitteilen.
28. i6$i$.) Als angenehm und unangenehm, als süfs, als
stechend, muffig, stickig, ölig, kratzend und rein,
21). (6849.) in dieser Weise ist als neunfach zu erkennen
die der Erde angehörige Vielheit der Gerüche. Das Licht
sieht man mit den Augen, des Gefühls wird man sich be-
wufst durch den Wind.
30. (6850.) Aufser dem [Gerüche] gelten als Qualitäten Hör-
barkeit, Fühlbarkeit, Sichtbarkeit und Schmeckbarkeit. Ich
will dir jetzt die Kenntnis der Geschmäcke mitteilen; ver-
nimm sie, wie ich sie dir sage.
31. (6SM.) Der Geschmack wird von den berühmten W r eisen
als vielfach gelehrt, als süfs, salzig, bitter, herb, sauer und
stechend.
32. (6852.) Dies ist die sechsfache Einteilung des Ge-
schmacks, er gilt als Qualität des Wassers. — Das Feuer
hat die drei Qualitäten der Hörbarkeit, Fühlbarkeit und Sicht-
barkeit.
33. (6853.) Das Licht [als Sehkraft] sieht die Gestalten,
die Gestalten aber sind von vielerlei Art: kurz und lang,
dick, viereckig und rund (lies: anuvrittavänj,
34. (6851 > weifs und schwarz, rot, gelb und dunkelrot,
fest, glatt, geschmeidig, schlüpfrig, weich und hart.
35. (6855a.) In dieser Weise hat die Gestalt als Qualität
des Lichts sechzehn Unterarten. — (<;857a.) Der Wind hat die
zwei Qualitäten der Hörbarkeit und Fühlbarkeit.
30. (6855k) Die Qualität des Windes ist die Fühlbarkeit,
diese ist von vielerlei Art: («85«.) Warm, kalt, angenehm und
unangenehm, feucht, rein,
37. ferner hart, weich, rauh, leicht, schwer und durch-
dringend (laraj, («8&7b.) in dieser Weise wird die Fühlbarkeit
als Qualität des Windes zwölffach gerechnet.
Digitized by Google
154 HL Mokshadharma.
38. (6858.) Weiter wird gelehrt, dafs der Äther nur eine
Qualität, nämlich die der Hörbarkeit, besitzt. Die Einteilung
des Tons, welche eine mannigfaltige ist, will ich dir sagen.
39. (6859.) Shadja, Rishabha, Gandhara, Madhyama und
Dhaivata, ferner Paficama und endlich Nishädavän [die sieben
Töne der indischen Tonleiter];
40. (6860.) so wird als siebenfach die aus dem Äther ent-
springende Qualität erklärt. Er befindet sich mit seiner
Herrschermacht überall und so auch in Pauken und anderen
Instrumenten.
41. (6861.) Von Tamburins, von Pauken und von Muscheln,
vom Donner und vom Wagen, und auch sonst von jedem
Tone, der gehört wird, sei es von einem lebenden oder leb-
losen Wesen, (686.;.) von diesen allen gilt, dafs sie in seinen
[des Äthers] Bereich gehören.
42. So ist denn von mannigfacher Art der aus dem Äther
entspringende Ton. (68<>,s.) Von dem aus dem Äther geborenen
Tone gilt, dafs man ihn neben den Qualitäten des Windes,
43. und auch wenn diese nicht in Bewegung gebracht
sind, wahrnimmt, jedoch ihn nicht wahrnimmt, wenn sie ihm
feindlich entgegenstehen. (6864.) Immer aber gilt, dafs die
Elemente sich durch die andern Elemente in ihrer Wirkung
verstärken.
44. Von ihnen sind Wasser, Feuer und Wind in dem
Verkörperten immer wach, (6865.) denn sie sind die Wurzel
des Körpers und befinden sich in ihm, indem sie die Lebens-
hauche durchdringen.
So lautet im Moktbadbarma die Unterredung zwischen Bhrigu und BharadiAja
(bhri 9tt - Bharculrdja - sameMa).
Adhyftya 185 (B. 185).
Vers 6866-6882 (B. 1-17).
Bharadvaja sprach :
1. (6866.) Wie kann, o Herr, auf der Grundlage des erdigen
Elements das im Körper befindliche Feuer bestehen und wie
kann sich in ihm der W T ind durch eine besondere Art von
Hohlräumen bewegen?
Digitized by Google
Adhyäya 1*5 (B. !*:>).
155
Bhrigu sprach:
2. (6867.) Ich will dir, o Brahmane, den Weg des Windes
erklären, o Untadeliger, und wie dieser Wind die Leiber der
Lebenden mit Macht in Bewegung setzt.
3. (6868.) Das Feuer hat seinen Sitz im Kopfe, von wo
aus es den Körper beschützt, der Präna aber bewegt sich,
indem er im Kopfe und im Feuer sich befindet.
4. (6869.) Er ist das Geschöpf, die Seele aller Wesen, ist
der ewige Purusha, er ist Manas, Buddhi und Ahankära, ist
die Wesen und auch das Objekt.
5. (6870.) Da dem so ist, so wird der Lebende nach allen
Richtungen hin von dem Präna [als allgemeinem Lebens-
prinzip] in Bewegung gesetzt; hinterher aber [d. h. nach der
Geburt] verfolgt jeder [der fünf Präna's] vermöge des Sa-
mäna den ihm eigentümlichen Weg.
6. (6871.) Indem er sich stützt auf die Blasenöffnung und
den Darm und sich anschliefst an das Verdauungsfeuer, be-
wegt er sich, auch sofern er Harn und Kot abführt, als der Apäna.
7. (6872.) Denjenigen aber, welcher sich bei Anstrengung,
Tätigkeit und Kraft in diesen dreien als einer betätigt, den
nennen die des innern Selbstes kundigen Menschen den Udäna.
8. (6873.) Derjenige Wind hingegen, welcher in alle Ge-
lenke eingegangen ist in den Leibern der Menschen, der wird
bezeichnet als Vyäna.
9. (6874.) Wiederum wird das in den Körperstoffen ver-
breitete Feuer angefacht durch den Samäna; darin, dafs er
die Säfte, die Körperstoffe und die Flüssigkeiten (doahaj in
Bewegung versetzt, hat er seine Aufgabe.
10. (6875.) Hingegen zwischen Apäna und Präna und an-
gefacht von Präna und Apäna vollbringt, auf seinen Standort
[den Xabelkreis] konzentriert, das Feuer die vollständige Ver-
dauung.
1 1. (6876.) Vom Munde anfangend [lies: äsyäili] und am
Ende im After auslaufend, erstreckt sich der Gtula (Ein-
geweide) genannte Kanal; aus diesem entspringen alle übrigen
Kanäle in den Lebewesen.
12. (6877.) Aus dem Zusammentreffen der Präna's entstellt
ein Zusammentreffen [mit dem Verdauungsfeuer]; und die
Digitized by Google
1
156 III. Mokshadharma.
Körperwärme ist, so soll man wissen, das Feuer, welches die
Speise der lebenden Wesen verdaut.
13. (6878.) Durch die Gewalt des Feuers dahinfahrend,
wird der Präna am Ende des Darms zurückgetrieben, und
indem er wiederum nach oben strebt, schürt er [seinerseits]
das Feuer an.
14. (6879.) Unterhalb des Nabels befindet sich der Pakvä-
caya (Sitz der verdauten Nahrung), oberhalb der Ämäcaya
(Sitz der unverdauten Nahrung) ; in dem Nabel als Mitte des
Körpers haben alle Präna's ihren Sitz.
15. (6880.) Auslaufend von der Mitte des Herzens, fuhren
alle (lies: sarväh) Adern in die Quere, nach oben und nach
unten die aus der Nahrung gewonnenen Säfte, wobei sie von
den zehn Präna's [den fünf erwähnten nebst Näga, Kürma,
Krikarä, Devadatta, Dhanafijaya (Vedäntasära § 99 Böhtl.)]
angetrieben werden.
IG. (688i.) Dies ist auch der Weg der Yogabeflissenen,
auf welchem sie zu jenem Orte [der Erlösung] aufsteigen,
sie, welche die menschliche Schwäche überwunden haben,
gleichmütig und beständig sind, nachdem sie ihren Ätman
im Haupte gesammelt haben (adadhanl).
17. (688-j.) Das in dieser Weise über alle Präna's und
Apäna's verteilte Feuer wird [vorher] jedesmal in jenem [dem
Kopfe] zur Entflammung gebracht, in welchem es wie in einem
Feuertopfe angelegt wurde.
So laufet im Mokshadharma die Unterredung «wischen Blirigu und BharadvAja
(Bhrigu - Maradedja - aame&da).
Adhyftya 180 (B. 186).
Vers (5883-Ö897 (B. 1-15).
Bharadvaja sprach:
1. (G883.) Wenn der Wind dasjenige ist, was belebt
fpränayatej , so ist es auch der Wind, welcher bewegt und
atmet und redet, somit ist die Annahme eines Jiva (einer
individuellen Seele) unnötig.
Digitized by Google
Adhy&ya l*f> (B. 18ß).
157
2. (6884.) Wenn das Vorhandensein der Körperwärme vom
Feuer herrührt, und wenn mittels des Feuers verdaut wird,
so ist es auch das Feuer, welches die Verdauung vollendet;
somit ist die Annahme eines Jiva unnötig.
3. (t?ss5.) Wenn ein Mensch sich auflöst, so ist von einem
Jiva nichts zu bemerken, sondern es ist nur der Wind, der
ihn verläfst, und das Vorhandensein der Körperwärme, welches
verloren geht.
4. (6*86.) Wenn der Jiva windartig wäre oder wenn eine
Verbindung desselben mit dem Winde stattfände, dann müfste
er, anzusehen wie ein Windwirbel, im Verein mit den Scharen
der Winde dahinfahren.
5. (68S7.) Und wenn eine Verbindung mit dem Winde
statthätte, und wenn er darum [durch Lösung der Verbindung]
zugrunde gehen soll, [so ist dagegen daran zu erinnern, dafs]
ein Gefäfs mit Wasser, weil es von dem grofsen Meere ab-
getrennt worden ist, [darum doch nicht vergeht, sondern fort-
besteht] als ein anderes.
6. (G8S8.) Und würde man wohl Wasser in einen Brunnen
oder eine Fackel in ein Feuer hineinwerfen? So wie diese,
hineingelangt, schnell zunichte werden würden, so würde auch
er, der Jiva, zunichte werden, [wenn er als eine Art Wind
den Körperwinden beigemischt worden sein sollte].
7. (6889.) Wozu braucht man bei diesem Körper, da er
von den fünf [Elementen] erhalten wird, noch [aufser ihnen
als sechstes] ein Leben anzunehmen, da doch, wenn das eine
oder andere von diesen fünfen fehlt, bei den vier übrigen das
ganze Aggregat (lies: sangraha) nicht mehr bestehen kann.
8. (68öo.) Das Wasser im Körper verschwindet, wenn man
keine Nahrung zu sich nimmt, der Wind, wenn man das
Atmen hemmt, der Äther, wenn man die Hohlräume [im
Körper] zerstört, das Feuer schwindet, wenn man nicht ifst;
9. («891.) wenn man von Krankheit und Blässe gequält
wird, so geht das erdige Element in die Brüche; kurzum,
wenn das eine oder andere von ihnen Not leidet, so geht das
Aggregat in die fünf auseinander.
10. (6892.) Und wenn der Körper in die Fünfheit der Ele-
mente zerlällt, welchem von diesen läuft der Jiva nach? Wo-
Digitized by Google
158
III. Mokshadharma.
durch macht sich überhaupt der Jiva bemerklich? Hört er
vielleicht, oder spricht er? —
11. (6893.) Wenn einer sagt: diese [den Brahmanen ge-
schenkte] Kuh wird mir in der andern Welt zur Rettung
dienen, und wenn der, welcher die Kuh geschenkt hat, ge-
storben ist, wem soll denn da die Kuh zur Rettung dienen?
12. (6894.) Wenn doch sowohl die Kuh als auch der,
welcher sie annahm (lies: pratigrahitä) und der, welcher sie
gab, alle zusammen schon hier der Vernichtung anheimfallen,
wie sollen sie sich da [im Jenseits] wieder begegnen?
13. (6895.) Wenn einer von Vögeln verzehrt wurde oder
von einem Berge abstürzte oder vom Feuer verzehrt wurde,
woher soll der zu neuem Leben kommen?
14. (6896.) Wenn von einem abgehauenen Baume die Wur-
zel nicht wieder ausschlägt, sondern nur sein Same sich fort-
pflanzt, wie sollte da ein Toter wiederkommen?
15. (6897.) Nur der Same, der einst sich ergofs, ist es,
der hier seinen Kreislauf vollendet; die Toten sind tot und
dahin; nur aus Samen entwickelt sich neuer Samen.
So lautet im Mokihedharme, der Angriff gegen die Natur der Seele
(jtra - naripa - dkthepa).
Adhyftya 187 (B. 187).
Vers 6898-6929 (B. 1-31).
Bhrigu sprach:
1. (6898.) Es gibt keinen Vergang des Jiva (der indivi-
duellen Seele), noch auch des Geschenkten oder des Voll-
brachten. Der Lebende geht in einen andern Leib ein, und
nur der Körper zerfällt.
2. (6899.) Nicht vergeht der in einen Leib eingegangene
Jiva, wenn der Leib vergeht, sondern er ist wie ein Feuer,
nachdem das Brennholz verbrannt ist.
Bharadvaja sprach:
3. (i>900.) Wenn seine Vernichtung nur insofern nicht zu-
gegeben wird, wie die eines solchen Feuers, so ist zu erwidern,
Digitized by Google
Adhyaya 1*7 (B. 187). 159
dafs ja auch das Feuer nach Verzehrung des Brennholzes
nicht mehr wahrzunehmen ist.
4. (.6901.) Er wird zunichte, sage ich und betrachte ihn
wie das ohne Brennholz erlöschende Feuer, von dem man
nicht sagen kann, wohin es gehe, welch ein Beweis dafür
vorhanden sei und welches sein Aufenthaltsort sein möge.
Bbrigu sprach:
5. im*.) So wie, wenn man ihm kein Brennholz mehr
nifuhrt, das Feuer nicht mehr wahrnehmbar, sondern wegen
seines Übergegangenseins in den Äther schwer zu erfassen,
weil ohne feste Stätte, ist,
(«903.) ebenso befindet sich der Jiva, wenn er den Leib
TerUssen hat, in einem dem Äther ähnlichen Zustande, wird
iber wegen seiner Feinheit nicht wahrgenommen, wie der
Schein jenes Feuers, daran ist nicht zu zweifeln.
7. (cmm.) Nämlich das im Körper befindliche Feuerelement
hat die Aufgabe, die Präna's zu stützen, denn der Jiva mufs
unterstützt werden ; dieses die Winde im Körper unterstützende
IVuer erstickt, wenn der Atmungsprozefs gehemmt wird.
*\ <«tw4.) Ist aber dieses Feuer im Körper erloschen, so
wird der Leib bewufstlos, und niederstürzend geht er in das
Enlelement über, denn sein gewiesener Gang ist die Erde.
i«»ß.> Denn von allen Kreaturen, mögen sie beweglich
(al* Manschen und Tiere] oder unbeweglich [als Pflanzen]
s*in, geht der Wind über in den Äther, und das Feuer folgt
ihm nach. <«9o;.) Während die genannten drei eine Einheit bil-
den, »o nehmen die beiden übrigen ihren Standort in der Erde.
ki. Wo der Äther ist, da ist auch der Wind, und wo
der Wind ist, da ist auch das Feuer; (mos.) diese drei mufs
min als gestaltlos wissen, obwohl sie die Gestalt der Ver-
^•rperteu ausmachen [helfen].
Bharadvaja sprach:
11. ivw.j Wenn Feuer, Wind, Erde, Äther und Wasser
iß den Verkörperten wahrgenommen werden , welches Merk-
mal ia ihm läfst auf den Jiva sehliefsen? Das sage mir,
o tntadeliger.
Digitized by Google
160 III. Mokshadliarma.
12. (69io.) Während der Leib aus jenen funfen besteht,
durch jene fünf sich erfreut und durch die Erkenntniskraft
jener fünf zu einem bewufsten wird, so möchte ich wohl
wissen, welcher Art da noch die Funktion des Jiva sein soll.
13. (69ii.) Wenn der Leib, der ein Aggregat von Fleisch
und Blut, eine Anhäufung von Fett, Sehnen und Knochen
ist, in seine Teile zerlegt wird, so wird dabei von einem Jiva
doch nichts wahrgenommen.
14. (6912.) Ist aber der Leib ohne Jiva nur aus den fünf
Elementen zusammengesetzt, wer ist es dann, so könnte man
einwenden, der bei körperlichem oder geistigem Schmerze sich
des Leides bewufst wird?
15. (6913.) Nun, ist es etwa der Jiva, der das Gesprochene
hört? Hört man es nicht vielmehr mit den Ohren, o grofser
Rishi, und sogar dann noch, wenn das Manas unaufmerksam
ist? Der Jiva ist also doch überflüssig.
16. (69U.) Alles, was überhaupt zu sehen ist, sieht man
durch das mit dem Manas verbundene Auge; und freilich,
wenn das Manas verwirrt ist, so sieht das Auge und sieht
doch nicht.
■
17. (6915.) Man sieht nicht und man riecht nicht, man
hört nicht und redet nicht, man empfindet keine Berührung und
keinen Geschmack, sobald man vom Schlafe überkommen ist.
18. (6916.) Wer ist es, [etwa der Jiva?] der dann sich
freut und zürnt und sich bekümmert und fürchtet und wünscht
und denkt und hafst und redet?
Bhrigu sprach:
19. (6917.) Bei dem allen vermag der aus den fünf
Elementen zusammengefügte Leib nichts, und nur der
innere Atman regiert ihn ; er empfindet die Gerüche, Ge-
schmäcke, Geräusche, die Berührung, die Gestalt und was
sonst noch für Qualitäten vorhanden sein mögen.
20. (6918.) Wer in dem aus den fünf Elementen be-
stehenden Körper die fünf Qualitäten wahrnimmt, das ist
der alle Glieder durchwaltende innere Atman; er empfindet
Leid und Lust im Leibe, und hat er sich losgetrennt,
so empfindet der Körper nicht mehr.
Digitized by Google
Adhyäya 187 <R 187). 161
21. (<>9i9.) Wenn keine Sichtbarkeit, Fühlbarkeit und keine
Wärme des Körperfeuers mehr vorhanden ist, dann, nach
Erlöschen des Körperfeuers, verläfst der Ätman den Leib, aber
er vergeht nicht.
22. (69-20.) Diese ganze Welt ist aus den [Ur-] Wassern
gebildet, und die Wasser sind die Gestalt der Verkörperten;
in ihnen, in allen Wesen weilt der Ätman, der Mänasa, der
Gott Brahmän, der Weltschöpfer.
23. («•»!« i.) Der Ätman, sofern er mit den aus der Prakrit
stammenden Guna's verbunden ist, wird der Kshetrajha (Orts-
kenner) genannt; sofern er aber von diesen befreit ist, wird
er als Paramätman bezeichnet.
24. (»;92_») Ihn erkenne als den Ätman, der seiner Natur
nach das Heil aller W T elten fördert [vgl. Piatons Idee des
Guten], und der sich in diesem Leibe niedergelassen hat wie
ein Wassertropfen auf der Lotosblume.
2ö. (69-.»3.) Ihn, der seiner Natur nach immerfort das Heil
der Welt fördert, erkenne als den Kshetrajfta, aber Tamas,
Kajas und Sattvam, diese wisse als seine, des Jiva, Guna's.
26. (G!»_»4.) Sofern er [der Ätman] mit Geistigkeit aus-
gestattet ist, bezeichnet man den Jiva als seine Wesens-
beschaffenheit ; er ist es, der sich bewegt und alles sich
bewegen macht, höher als diesen [den Jiva] bezeichnen
ihn die Kenner der Leiblichkeit als den, welcher alle
sieben Welten fbhür, bhnvah, svar, mahar, Janas, tapas,
saiyamj in Gang gebracht hat.
27. Nicht wird der Jiva zunichte, wenn er sich
von dem Leibe trennt, falsch ist es, was die Toren sagen :
„er ist tot", sondern der im Körper verborgene Jiva zieht
aus ihm aus, und der Zerfall in die Halbzehnheit [der
Elemente] ist nur seine Lostrennung vom Leibe.
28. («»sc.) So weilt in allen Wesen er versteckt und wan-
delt in der Verhüllung; dem schärfsten Denken nur sichtbar,
dem feinsten derer, die die Wahrheit sehen [frei nach Käth.
Lp. 3,12].
21*. ywn.) Ihm gibt sich in früheren und späteren Nächten
(d. h. Zeiten) der Weise immerfort im Yoga hin; mäfsig sich
Dkm», Mah4bh4r»tani. 11
Digitized by Google
162 III. Mokshailharma.
nährend und reinen Herzens schaut er alsdann den Atman
in sich selbst.
30. (6928.) Nach Klärung seines Denkens steht er von
guten und bösen Werken ab und beruhigten Selbstes im
Selbste weilend erlangt er selige Ewigkeit.
31. (6929.) Der Mänasa Agni (das geistige Feuer) in den
Leibern wird Jiva genannt ; er ist eine Schöpfung des Prajä-
pati, der ihn zum innern Selbst der Wesen bestimmte.
So lautet im Moktbadharma die Darlegung der Katar der Seele
(jiea-trar&pa-nirüpanam).
Adhy&ya 188 (B. 188).
Vers 6930-6949 (B. 1-20).
Bhrigu sprach:
1. (6930.) Zuerst also erschuf der Gott Brahmän Brah-
manen als Prajäpati's, welche sich aus eigener Kraft ent-
wickelten und an Glanz dem Sonnenfeuer gleichkamen.
2. (6931.) Darauf bestimmte der Herr Wahrheit, Gerechtig-
keit, Askese und das ewige Brahman (die religiöse Andacht),
sowie den guten Wandel und die Reinheit für den Himmel
[d. h. als zum Himmel führend].
3. (6932.) Darauf wurden die Götter, die Dänava' 8 (götter-
feindliche Wesen), die Gandharva's (himmlische Genien), die
Daitya's (böse Geister), die Asura's (Dämonen) und die
grofsen Schlangen, die Yaksha's (Halbgötter), die Räkshasa's
(Kobolde), die Schlangen, die Picäca's (Unholde) und die
Menschen,
4. (6933.) nämlich Brahmanen, Kshatriya's, Vaicya's und
(^üdra's, o Bester der Zwiegeborenen, sowie die übrigen Klassen
der Wesenscharen von ihm geschaffen.
5. (6934.) Die Farbe (varna, auch Kaste) der Brahmanen
ist weifs, die der Kshatriya's rot, die der Vaicya's gelb und
die Farbe der Qüdra's schwarz.
Bharadväja sprach:
6. (6935.) Wenn bei den vier Kasten der [moralische]
Kastencharakter (varmt) nach der Farbe fvarnaj eingeteilt
Digitized by Google
Adhy&ya 188 (B. 188).
103
werden soll, so folgt doch daraus, dafs bei allen Kasten schon
eine Vermengung der Rasten [und ihres moralischen Charak-
ters] eingetreten sein mufs.
7. (693ö.) Denn Liebe, Zorn, Furcht, Habgier, Kummer,
Sorge, Hunger und Ermüdung, das kommt doch bei uns allen
vor, wozu also die Einteilung in Kasten?
8. (6937.) Schweifs, Harn und Kot, Schleim, Galle und
Blut, alles dies, der ganze Körper ist bei allen fortwährendem
Wechsel unterworfen, wozu also die Einteilung in Kasten?
9. (6938.) Von beweglichen Wesen und ebenso von den
unbeweglichen gibt es unzählige Arten, welche alle von ver-
schiedenem Aussehen sind, wie kann man da die Kasten
(gerade als vier] bestimmen?
ßlirigu sprach :-
10. (6939.) Ursprünglich besteht keine Verschiedenheit der
Kasten, brahmisch ist die ganze Welt der Lebenden, aber
das, was ursprünglich von Gott Brahmän geschaffen war, das
ist infolge der Werke in das Kastenwesen auseinandergegangen.
11. (6940.) Sie, welche Lust und Genufs lieben, scharf,
zornmütig und Freunde von Gewalttat sind, ihre ursprüng-
liche Pflicht vergessen und ihre Glieder mit Blut befleckt
haben, das sind Brahmanen, welche in das Kshatriyatum
herabgesunken sind.
12. (69U.) Jene anderen, welche aus der Viehzucht ihren
Unterhalt gewinnen, von gelber Farbe, vom Ackerbau lebend,
auch sie betreiben nicht mehr ihre ursprüngliche Obliegen-
heit, sondern sind Brahmanen, welche in das Vaicvatum herab-
gesunken sind.
13. («942.) Und endlich jene, welche an Schädigung und
Lüge sich freuen, habgierig sind und alle Geschäfte zu ihrem
Unterhalt betreiben, die Schwarzen, von der Reinheit Ab-
gefallenen, das sind Brahmanen, welche in das (,\\dratum
herabgesunken sind.
14. (6943.) In dieser Weise geschah es, dafs Brahmanen,
durch derartige Werke getrennt, in die anderen Kasten ge-
raten sind, und nicht immer ist ihnen Frömmigkeit und Opfer-
werk benommen gewesen.
11*
Digitized by Google
III. Moksliadhüi ina.
15. (6944.) So sind alle diese vier fcaturo für catväroj Kasten
solche, denen das göttliche Vedawort anvertraut worden war,
die ursprünglich als Brahmanen erschaffen waren, aber aus
Habgier in das Nichtwissen herabgesunken sind.
16. (VMb.) Die Brahmanen aber sind die, welche der hei-
ligen Lehre treugeblieben sind; ihre Askese ist unvergäng-
lich, indem sie immerfort das heilige Wort hochhalten so-
wie die Gelübde und die Selbstbezähmungen.
17. («946.) Sie, welche das Vedawort, das höchste, ge-
schaffene, nicht kennen, das sind die Nicht-Brahmanen , von
ihnen aber gibt es mannigfache, voneinander verschiedene
Arten hier und dort.
18. (6947.) Da gibt es Picäca's (Unholde), Räkshasa s (Ko-
bolde), Gespenster und mancherlei barbarische Geschlechter,
die Erkenntnis und Wissen verloren haben und einen Wandel
nach eigenem Gelüste fuhren.
19. (6948.) So wurden die Geschöpfe derartig, dafs sie die
Weise der Brahmanen und die Bestimmung gemäfs ihren
eigenen Werken [in einer früheren Weltperiode] an sich
trugen, von den Rishi's kraft der ihnen einwohnenden Askese
geschaffen, die einen von diesen, die anderen von jenen.
20. (6949.) Das ist die aus dem Anfangsgotte entsprungene,
in Gott Brahmän wurzelnde, unvergängliche und ewige Schöp-
fung, welche die geistige (mänasi) genannt wird und das Ver-
knüpftsein mit der heiligen Pflicht als Höchstes hat.
So lautet im Mokshadharma die Darlegung der Kasteneinteilung
(rarna - ribhdya - knthanam).
AtlhyAya 189 (B. 189).
Vers 6950-8967 (B. 1-18).
Bharadvaja sprach:
1. (6950.) Wodurch wird einer ein Brahmane oder ein
Kshatriya, o Bester der Zwiegeborenen , oder ein Vai<jya
oder Cüdra, o Brahmanen weiser? Das erkläre, o Bester der
Redner.
Digitized by Google
Adhyäya ISO (R ist»).
1G5
Hhrigu sprach :
i\ (6951.) Wer durch die Geburtszeremonie und die übrigen
Weihen geheiligt und rein ist, mit dem Vedastudium begabt
und in den sechs täglichen Werken feststehend,
3. <ßs»r,2.) wer in reinem Wandel durchaus beharrt, von
Resten sich nährt (vigham^hi) und dem Lehrer lieb ist, alle-
zeit seine Gelübde hält und die Wahrheit über alles schätzt,
der wird ein Brahmane genannt.
4. ftwr»».) Der, bei welchem Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit,
Treue, Wohlwollen, Schamhaftigkeit , Barmherzigkeit und
Askese gesehen werden, der gilt für einen Brahmanen.
ö. (iwm.i Wer hingegen die der Zerstörung dienenden
Werke übt, am Vedastudium teilnimmt, am Geben [den Brah-
manen] und am Nehmen [von den Untertanen] Freude hat,
der wird ein Kshatriya genannt.
6. («war».) Wer hingegen an Handel, Viehzucht, Ackerbau
und Geben [an die Brahmanen] sich freut und rein ist, auch
mit dem Vedastudium begabt, der wird als ein Vaieya bezeichnet.
7. (6950.) Wer endlich sich damit zufrieden gibt, alles zu
essen, alle Handlungen verrichtet und unrein ist, des Veda
entbehrt und ohne guten Wandel ist, der heifst ein (,'üdra.
H. (6957.) Dies ist die Charakteristik des Cudra, und sie
trifft auf einen Zwiegeborenen nicht zu; [ohne sie] würde der
Cüdra nicht (,'üdra und der Brahmane nicht Brahmane sein.
!>. (695s.) Durch alle Mittel sich der Begierde und des
Zornes zu enthalten, das ist das Läuterungsmittel alles Wis-
sens, sowie auch dafs man sein Selbst im Zaume hält.
10. (6959.) Diese beiden [Begierde und Zorn], welche,
wenn sie aufkommen, das Heil vernichten, soll man mit der
ganzen Kraft seines W'esens fernhalten,
11. soll allezeit sein Wohlbefinden vor Zorn und seine
Askese vor Selbstsucht bewahren, (696»».) sowie seine Wissen-
schaft vor Hochmut und Verachtung und sich selbst vor Un-
besonnenheit.
12. Der, dessen Bestrebungen alle ohne Verbindung mit
Wünschen erfolgen, o Z wiegeborener, (owi.) dessen ganzes
Opfer im Entsagen besteht, der ist ein Entsagender, der ist
ein Weiser
Digitized by Google
I
1T>6 III. Mokshadharma.
13. Ohne irgendein Wesen zu schädigen, möge er dahin-
gehen, indem er den Weg der Freundlichkeit wandelt, (6962.) und
indem er allen Anhang von sich abtut, möge er durch seine
Erkenntnis die Sinne besiegen; dann wird er eine von Kum- .
mer freie Stellung hienieden erreichen und Furchtlosigkeit
im Jenseits.
14. (6963.) Beharrlich in der Askese, sich bezähmend, ein
Muni, das eigene Seihst beherrschend, das Unüberwundene
zu überwinden trachtend, so soll man sein, und ohne An-
hänglichkeit an alles, woran das Herz hängt.
15. (6964.) Alles, was von den Sinnen erfafst werden kann,
das gehört zum Vyaktam (zur entfalteten Natur), das ist ge-
wifs; das Avyaktam (die unentfaltete Natur), das soll man
wissen, läfst sich nur aus Anzeichen erkennen, da sie über-
sinnlich ist.
16. (6966.) Nicht soll man im Mifstrauen [gegen Veda und
Lehrer] dahingehen, sondern sein Manas im Vertrauen fest-
machen, das Manas aber halte man nieder in dem Präna, und
den Präna mache man fest in Brahman.
17. (6966.) Aus Weltverdrossenheit wende man sich dem
Nirvänam zu, und nicht sorge man sich über irgend etwas,
denn als ein Glück erlangt der Brahmane durch die Welt-
verdrossenheit das Brahman.
18. (6967.) Dann ist er allezeit mit Reinheit verbunden,
mit gutem Wandel begabt und voll Mitgefühl für die Wesen.
Das ist das Merkmal des wahren Z wiegeborenen.
So lautet im Mokahadharma die Darlegung d«T Natur der Kasten
(tarna - star&pa - kathanam).
*
Adhyaya 190 (B. 190).
Vers 6968-6983. (B. 1-16.)
Bhripu sprach:
1. (6968.) Das Satyam (die Wahrheit) ist Brahman, das
Satyam ist Askese, das Satyam schafft die Geschöpfe, durch
das Satyam wird die Welt getragen, durch das Satyam geht
man zum Himmel ein.
Digitized by Google
Adhyaya 190 (B. 190).
107
2. (6969.) Die Unwahrheit ist von der Art des Tamas
(Finsternis), durch das Tamas wird man nach unten geführt,
von dem Tamas verschlungen sieht man nicht das Licht,
weil man von Tamas umhüllt ist.
3. (6970.) Der Himmel ist Licht, so sagt man, und die
Hölle ist Finsternis ; Wahrheit und Unwahrheit, beide werden
von den auf der Erde Wandelnden ergriffen.
4. (6971.) Dementsprechend ist auch der Lauf der Welt
Wahrheit und Unwahrheit, Recht und Unrecht, Licht und
Finsternis, Leid und Lust.
5. (6972. Pro»a.) Dabei steht es so: die Wahrheit ist das
Recht, das Recht ist das Licht, das Licht ist die Lust; hin-
gegen: die Unwahrheit ist das Unrecht, das Unrecht ist die
Finsternis, die Finsternis ist das Leid.
6. (6973.) Hierbei wird bemerkt: Aus körperlichem und
geistigem Leid und aus Lust, die aus dem Leide hervorgeht,
besteht die Weltschöpfung, das sehen die Weisen und lassen
sich nicht betören.
7. (6974.) Darum strebt der Weise nur danach, sich vom
Leid zu befreien, denn die Lust der Wesen ist etwas Hin-
fälliges, sowohl in dieser Welt als auch in der andern.
8. (6975.) Wie das Licht des vom Rahu verschlungenen
Mondes [bei der Mondfinsternis] nicht leuchtet, so geht die Lust
der von der Finsternis (tamas) überwältigten Wesen zugrunde.
9. (6976. Prosa.) Was nun die Lust betrifft, so wird ge-
lehrt, dafs sie zweifach sei, nämlich körperlich und geistig.
Ks geschehen aber sowohl in dieser als in jener Welt die
Entwicklungen der Dinge, wie überliefert wird, um der Lust
willen, denn über diese hinaus gibt es keine vorzüglichere
Frucht der Dreiheit von Bestrebungen [nach dem Angenehmen,
Nützlichen und Guten]; dabei aber dient die spezielle Quali-
tät des Angenehmen den Qualitäten des Guten und Nütz-
lichen zum Antrieb. Diese beiden sind die Ursachen, aus
denen jenes [das Angenehme] hervorgeht, und sie werden in
Angriff genommen um der Lust willen als Zweck.
Bharadvaja sprach:
10. (6977. Proaa.) Wenn du, o Herr, behauptest, dafs die
Lüste am höchsten stehen, so nehmen wir das nicht an. Denn
Digitized by Google
H38
III. Mokshadhnrma.
jenen Weisen, welche im Mediän feststanden, wäre jene be-
sondere Qualität des Angenehmen nicht unerreichbar gewesen,
und doch trugen sie nach ihr kein Verlangen. Ferner, was
den Schöpfer der drei Welten, den Gott Brahmän, den Herrn,
betrifft, so lehrt die Schrift, dafs er ganz allein im Tapas
sich hielt. Auch ist zu bemerken, dafs der Brahmacärin
sich keineswegs dem Angenehmen und der Lust hingibt.
Endlich erinnere ich daran, dafs der heilige Herr des Welt-
alls, der Gatte der Umä, den Käma (Liebesgott), als er ihm
zu nahen wagte, durch die an ihm vollzogene Körpervernich-
tung zur Ruhe bettete. Darum sage ich: Von jenen Hoch-
sinnigen ist diese Qualität [des Angenehmen] nicht ergriffen
worden, und wenn du behaupten solltest, dafs sie eine so
ausgezeichnete Art von Qualität nicht hätten haben können,
so nehme ich dies von dir, o Ehrwürdiger, nicht an. Wenn
du aber behauptest, dafs es nichts Höheres gäbe als die Lust,
so ist zu bemerken, dafs nach allgemeiner Annahme das Ent-
stehen der Frucht von zweifacher Art ist, sofern durch gute
Werke Lust und durch böse Leid erlangt wird.
Bhrigu sprach:
11. (6978. Prosa.) Dagegen ist zu bemerken: Aus der Un-
wahrheit ist die Finsternis (tamasj hervorgegangen, und von
der Finsternis verschlungen wenden sich die Menschen dem
Bösen zu und nicht dem Guten, und in Zorn, Habgier, Grau-
samkeit, Unwahrheit usw. versunken, können sie natürlich
weder in dieser Welt noch im Jenseits zur Lust gelangen;
vielmehr worden sie, mit mancherlei Krankheit, Gebrechen
und Qualen überschüttet, von Tötung, Fesselung und anderen
Nöten, sowie von den durch Hunger, Durst und Ermüdung
verursachten Qualen gequält. Auch werden sie von den aus
Regen, Wind, übergrofser Hitze und übergrofser Kälte ent-
springenden Befürchtungen und von körperlichen Schmerzen
heimgesucht, und nicht weniger werden sie von den aus Unter-
gang von Verwandten und Reichtum und aus der Trennung
von ihnen entsprungenen geistigen Schmerzen überkommen,
sowie von anderen, welche Alter und Tod ihnen bereiten.
12. (GW. Prosa.) Nur der aber, welcher von diesen körper-
Digitized by Google
Adhy&ya IM (B. 190).
169
liehen und geistigen Leiden nicht berührt wird, kann die Lust
geniefsen ; im Himmel aber kommen dergleichen Mängel nicht
vor, und dort befinden sie [die Guten] sich eben.
13. f698o.) Ein angenehmer Wind weht im Himmel und
ein lieblicher Geruch begleitet ihn. Dort gibt es nicht Hunger,
nicht Durst, nicht Qualen, nicht Alter und nicht Schlechtigkeit.
14. dvjHi.) Im Himmel herrscht ewige Lust, auf Erden
beides, Lust und Leid; in der Hölle, so heifst es, ist nur
Leid. Lust hingegen ist jenes höchste Gefilde der Seligen.
lö. (ta**z.) Die Erde ist die Gebärerin aller Wesen, und
ihr ähnlich sind die Frauen, der Mann hingegen ist für sie
Prajäpati, und sein Same ist von Feuerart.
Iß. So ist diese Weltschöpfung vor Zeiten von
Gott Rrahmän geordnet worden; die Geschöpfe leben ihr nach,
ein jeder von seinen früheren Werken umhüllt.
So lautet im Mokshadharina.die Unterredung den lihrigu mit Bbara.lväja
(Hhri'jH ■ BhartfiraUt - »<n>tedJa).
Adhyftya 11)1 (B. 191).
Vers 6984-7001 (B. l-18i.
Bharadväja sprach.
1. (t>9K4.) Welcher Lohn wird in Aussicht gestellt für Frei-
gebigkeit, Pflichterfüllung und guten Wandel, für wohldurch-
gefuhrte Askese, für Vedastudium und für Opfer?
Bhrigu sprach:
2. <«»ss.) Durch Opfer wird das Böse beschwichtigt, durch
Vedastudium der höchste Frieden erreicht, durch Almosen-
geben erlangt man Freuden, wie es heifst, und durch Askese
den Himmel.
3. («986) Das Almosengeben aber ist, wie gelehrt wird,
von zweifacher Art, je nachdem es um des Jenseits willen
oder für das Diesseits geschieht; alles, was von Guten ge-
spendet wird, das erwartet sie im Jenseits.
Digitized by Google
170
III. Mokshiulhanua.
4. (6987.) Aber was von Nichtguten gespendet wird, diese
Gabe wird schon hier vergolten. In welcher Gesinnung einer
die Gabe gibt, dementsprechend erlangt er die Frucht.
Bharadväja sprach:
5. (6988.) Worin besteht für jeden der Wandel in der
Pflicht und was ist das Kennzeichen der Pflicht? W r ie viel-
fach ist ferner die Pflicht ? Das mögest du, o Herr, mir sagen.
Bhrigu sprach:
6. (6989.) Weise Menschen geben sich dem Wandel in der
ihnen obliegenden Pflicht .hin und erlangen als Lohn den
Himmel; wer es anders macht, der ist ein Tor.
Bharadväja sprach:
7. (6990.) Das System der vier Lebensstadien ist vor Zei-
ten von Brahmanweisen eingerichtet worden. Jedes derselben
hat einen ihm eigentümlichen Wandel; den sollst du mir er-
klären.
Bhrigu sprach:
8. (6991. proan.) Vor Zeiten wurden von dem erhabenen
Gotte Brahmän, da er das Heil der Welt im Auge hatte, um
der Erhaltung der Pflicht willen die vier Lebensstadien vor-
gezeichnet Hierbei bezeichnet man als das erste Lebens-
stadium das Wohnen in der Familie eines Lehrers. Es be-
steht darin, dafs man sein Selbst vollständig durch Reinheit,.
W eihen, Bezähmung und Gelübde bändigt, beide Dämmerungen
und in ihnen die Gottheiten der Sonne und des Feuers ver-
ehrt, Trägheit und Schlaffheit fahren läfst, durch Begrüfsung
des Lehrers, sowie durch Studieren und Hören des Veda sein
inneres Wesen läutert, die drei täglichen Waschungen be-
treibt, durch Pflege des Brahmacarya-Feuers, durch Gehorsam
gegen den Lehrer und durch beharrliches Betteln und Er-
nährung durch Erbetteltes vollständig zum Bewufstsein seiner
innern Seele gekommen ist, ohne Widerstreben Wort und Be-
fehl des Lehrers befolgt und das dafür durch die Gnade des
Lehrers empfangene Vedawissen als das Höchste schätzt.
Digitized by Google
Adhyäya 191 (B. 191).
171
9. (6992.) Darüber ist auch dieser Vers:
Der Z wiegeborene, welcher den Lehrer sich freundlich
stimmt und von ihm den Veda erlangt, der erlangt als Frucht
den Himmel, und sein geistiges Wesen kommt zur Voll-
endung.
10. («993. Proaa.) Den Stand des Hausvaters nun weiter
bezeichnet man als das zweite Lebensstadium, die Merkmale
des richtigen Wandels in diesem wollen wir nunmehr voll-
ständig auseinandersetzen. Für solche, welche aus der Schüler-
schaft zurückkehren, sich eines guten Lebenswandels be-
fleifsigen und nach der Frucht eines gemeinschaftlichen Wan-
dels in der [Ehe-] Pflicht verlangen, wird der Wandel als
Hausvater vorgeschrieben. Denn in ihm wird das Gute, Nütz-
liche und Angenehme erlangt. Indem man mit Rücksicht auf
die Erlangung dieser Dreiheit in vorwurfsfreier Tätigkeit zu
Reichtum gelangt, soll man mittels dieses Reichtums — mag
er vorwiegend durch Unterricht im Veda gewonnen sein oder
durch einen Brahmanweisen erzaubert, oder aus den Schätzen
der Berge erworben, oder infolge Opferns an Götter und Manen
und Betreibens der Bezähmung durch die Gnade der Götter
verliehen sein — als Hausvater den Hausvaterstand antreten.
Denn diesen erklärt man für die Wurzel aller Lebensstadien.
Denn auch für diejenigen, welche in der Familie des Lehrers
wohnen bleiben, und für die anderen, welche als Pilger
umherziehen und der zwangsmäfsigen Pflicht eines unter-
nommenen Gelübdes obliegen, auch für diese werden die Zu-
teilungen von Almosen und Spenden aus dem Hausvater-
stände bestritten.
11. (6994. ProBa.) Und auch für die Waldeinsiedler ist eine
Beisteuer von Sachen [durch den Hausvater] angebracht, denn
so wenigstens pflegen meist diese Guten, mit guter Wege-
kost versehen und nur mit Vedastudium beschäftigt, zum
Besuche von heiligen Badeplätzen und zur Besichtigung der
Gegenden die Erde zu durchstreifen, und ihnen gebührt gast-
liche Aufnahme durch Aufstehen, Entgegengehen, Begrüfsen,
nichtverdriefsliches Spenden von W'orten und Anbieten eines
angenehmen stärkenden Sitzes und eines angenehmen Lagers
nebst Verpflegung.
Digitized by Google
172 IH. Mokshadharma.
12. (6995.) Darüber ist auch der Vers:
Wenn ein Gast mit getäuschter Iloffnung vor einem Hause
umkehrt, so überträgt er seine bösen Werke auf dessen Be-
sitzer ( vgl. Ev. Matth. 10,14] und nimmt dessen gute Werke
mit sich fort.
13. (6996. Prosa.) Auch werden in diesem Stande [des Haus-
vaters] die Götter durch Opferwerke erfreut, die Väter durch
Vorsetzen [des Manenopfers], die Rishfs durch Betreiben, An-
hören und Behalten der Wissenschaft und Prajäpati durch
Erzeugung von Nachkommen.
14. (6»97.) Und darüber sind zwei Verse:
Aus Zartgefühl für alle Wesen sollen die Reden für das
Ohr lieblich klingen; Quälen, Schlagen und hartes Anfahren
ist das dabei zu Tadelnde.
15. (6998.) Hochmut, Selbstsucht und Falschheit wird ge-
tadelt, hingegen ist Nicht -Schädigung, Wahrhaftigkeit und
Enthaltung von Zorn eine Askese, die allen Lebensstadien
geziemt.
16. (6999. Pro«a.) Auch ist dabei [in Betracht zu ziehen]
das Trachten nach Schmückung mit Kränzen und nach be-
ständiger Freude an Kleidern und Salben, nach Tanz, nach
Ergötzung des Ohres durch Gesang und Musik und Erfreuung
des Auges durch liebliche Anblicke, ferner der Genufs mannig-
facher Gaumenfreuden, wie Essen, Schmausen, Schlecken,
Trinken und Schlürfen, Freude an eigenen Belustigungen
und Streben nach Geschlechtsgenufs.
17. (7000.) In wessen Hausvaterstande eine beständige Ent-
wicklung von tüchtigen Leistungen in der Dreischar [des
Guten, Nützlichen und Angenehmen] statthat, der kann die
Freuden der Erde geniefsen und doch den Gang der Meister
gehen.
18. (7001.) Wenn ein Hausvater, auch ein solcher, der auf
Ährenlesen angewiesen ist, an dem Wandel in der eigenen
Pflicht seine Freude hat und das Streben nach Lust und Ge-
nufs von sich abtut, für den ist der Himmel nicht schwer zu
erlangen.
So lautet im Mokshadharma die Unterredung de* Bbrigu mit Bharadvaja
( BhriyH - Hharaihdja ■ *<nnrd<ia).
Digitized by Google
Adhyäya 192 (B. 192).
Adhyftya 192 (B.
Vers 7002 -7031 (B. 1-27).
Bhrigu sprach:
1. (7<m»« Prosa.) Die Waldeinsiedler (vänaprasthdhj nun aber
sind diejenigen, welche ihre Pflicht dadurch betreiben, dafs
sie heilige Badeplätze und Flufsmündungen besuchen, wäh-
rend sie in abgelegenen, von Antilopen, Büffeln, Ebern, Tigern
und Waldelefanten belebten Wäldern Askese üben, und in-
dem sie den Genufs der im Dorfe üblichen Nahrung und
Kleidung aufgeben, auf wildwachsende Kräuter, Früchte,
Wurzeln und Blätter beschränkt, mancherlei kärgliche Nah-
rung finden, hingegen, an einem Orte weilend, auf Erde,
Steinen, Kies, Geröll, Sand und Asche sich lagern, ihren
Körper in Gräser, Binsen, Felle und Baumbast kleiden, Kopf-
haare, Bart, Nägel und Körperhaare wachsen lassen, zu be-
stimmter Zeit die Abwaschungen vornehmen, in nicht zu ver-
säumenden Zeiten Spenden und Opfer darbringen, übrigens
vor Brennholz, vor Darbringung von Kugagras und Blumen,
sowie vor Abwaschung der Opfergeräte Ruhe haben, durch
den Widerstand gegen Kälte, Hitze, Rogen und Wind die
ganze Haut voll Risse haben, durch die mannigfachen Askesen,
Observanzen, Wanderungen, Befolgungen und Obliegenheiten
ganz ausgetrocknet an Fleisch, Blut, Haut und Knochen sind
und, die Standhaftigkeit über alles schätzend, der ewigen Reali-
tät ergeben, ihren Körper dahinschleppen.
2. (7003.) Wer aber mit Strenge diesen von den Brahman-
weisen vorgeschriebenen Wandel einhält, der verbrennt wie
ein Feuer seine Sünden und erobert schwer zu erobernde
Welten.
3. (nx»4. Prosa.) Was nun endlich den Lebenswandel der
Parivrajaka's (Heimatlosen) betrifft, so steht es damit folgender-
mafsen : Indem sie Opferfeuer, Habe, Weib und Anhang
im Stich lassen und in Anhänglichkeit an den Atman die
Fesseln der Neigung abschütteln, wandern sie heimatlos um-
her, <7«tf>5.» und während sie Erdschollen, Steine und Gold für
gleich achten, ihren Geist nicht mehr an die Produkte der
Digitized by Google
174
III. Mokslmdliarwa.
Dreiheit [des Guten, Nützlichen, Angenehmen] hängen, mit
gleicher Gesinnung auf Feinde, Freunde und Gleichgültige
blicken, gegen Pflanzen, Lebendgeborenes, Eigeborenes,
Schweifsgeborenes und Keimgeborenes , gegen alle diese
Wesen in Gedanken, Worten und Werken ohne Falsch sind
und ohne eigene Behausung Berge, Sandbänke, Baumwurzeln
oder Göttertempel als Aufenthalt wählen, so mögen sie um
des Unterkommens willen zwar eine Stadt oder ein Dorf auf-
suchen , so jedoch, dafs sie in einer Stadt nur fünf Nächte,
in einem Dorfe nur eine Nacht verweilen, und wenn sie, um
ihr Leben zu fristen, einkehren, so sollen sie nur die Häuser
von unbescholtenen Zwiegeborenen besuchen, um von dem
in die Almosenschale gelegten, nichtgeforderten Almosen zu
leben, abstehend von Liebe, Zorn, Stolz, Habgier, Verblen-
dung, Lamentieren, Trug, Nachrede, Hochmut und Schädigung.
4. (7oo6.) Auch sind darüber folgende Verse:
Wer als Muni so lebt, dafs er allen Wesen Furchtlosig-
keit einflöfst, für den entsteht keine Furcht vor irgendeinem
Wesen.
5. (7007.) Indem er das Agnihotram in seinem eigenen
Leibe aufnimmt, opfert er dem Feuer seines Leibes in
dem eigenen Munde, und als Brahmane durchstreift er
die Welt mittels der als Almosen ihm übergebenen Opfer-
spenden für die [in ihm] geschichteten Feuer.
t>. (7008.) Wer in der genannten Weise das Lebens-
stadium der Erlösung betreibt, indem er rein und wohl-
bereiteten und befreiten Geistes ist, der Mensch gelangt
zur Brahmanwelt, wie ein Feuer, welches aus Mangel an
Brennholz erloschen ist [d. h. er gelangt zum Nirvänam].
Bharadvaja sprach:
7. (.700».) Uber diese Welt hinaus gibt es eine höhere
Welt, so lehrt die Schriftoflenbarung, aber nicht die Wahr-
nehmung; diese Welt möchte ich kennen lernen, das mögest
du, o Herr, mir erklären.
Bhrigu sprach:
8. (7oio.) Auf der nördlichen Seite des Himalaya, der
heiligen, mit allen Trefflichkeiten ausgestatteten, befindet
Digitized by Google
Adhjr&ya 192 (B. 192).
175
sich, wie gelehrt wird, jene heilige, friedvolle und freudvolle
höhere Welt.
9. (7oii.) Dort nämlich sind die Menschen, welche frei
von bösen Werken, rein, völlig makellos, ohne Begierde und
Verblendung sind, ohne dafs ihnen ein Übel zustöfst.
10. (7012.) Das ist das dem Himmel gleiche Land, dort
sind, wie gelehrt wird, die schönen Vorzüge zu finden; zur
Zeit, wo man dort ist, hat der Nicht-Tod die Oberhand, und
keine Krankheiten kommen einem mehr zu nahe.
11. (7oi3.) Dort besteht keine Begierde mehr nach frem-
den Weibern, der Mann begnügt sich mit seinem eigenen
Weibe, dort wird nicht mehr gegenseitig gemordet, und es
besteht kein Stolz auf Reichtum mehr; (70H.) die Ungerechtig-
keit hat nicht mehr die Oberhand, und ein Zweifel ficht keinen
mehr an.
12. Dort tritt die Frucht der guten Werke augenschein-
lich zutage; (7015.) man ist wohlversehen mit Speise, Trank
und Sitz und wohnt in Palästen als Wohnungen.
13. [Anders ist es hienieden :] Einige sind von allen Lüsten
umgeben und mit Goldgeschmeide geschmückt, (70 ig.) während
es anderen nur eben gelingt, ihr Leben zu fristen,
14. und manche können nur mit grofser Anstrengung
ihren Lebensunterhalt finden. (7017.) Einige freilich halten
schon hienieden die Pflicht als Höchstes, andere aber er-
niedrigen [ihre Mitmenschen]; einige sind glücklich, andere
unglücklich, die einen reich, die anderen arm.
15. (701s.) Hienieden herrschen Mühe, Furcht, Torheit,
scharfer Hunger und Habgier, in den Menschen durch die
Güter entfacht, durch welche die Unweisen sich betören
lassen.
16. (7019.) Hienieden gibt es manche Arten des Erwerbs,
je nachdem einer des Guten oder des Bösen beflissen ist; der
Weise, der dies beides unterscheidet, wird nicht vom Übel
befleckt.
17. (7020.) Betrügerei, Gemeinheit, Dieberei, üble Nach-
rede, mürrisches Wesen, Verletzung und Schädigung der Mit-
menschen, Zwischenträgern und Lüge,
18. rzosi.) wer derartiges betreibt, dessen asketisches Wr-
Digitized by Google
176
III. Moksharikarma.
dienst ist verloren, aber dem Weisen, der sich nicht mit der-
gleichen befafst, gedeiht dadurch die Askese.
19. (7o-2t».) In dieser Welt ist vielfache Sorge um pflicht-
mäfsiges und pflichtwidriges Tun; hier ist die Stätte der
Werke, wer in dieser Welt hier das Gute oder Böse tut,
(70i'3.) der erlangt durch das Gute Gutes, und Böses erlangt,
wer es anders treibt.
20. Prajäpati und die Götter nebst der Schar der Rishis
haben hier vor Zeiten (iou.) geopfert. Nachdem sie Askese
zum Opfer gebracht, sind sie geläutert zur Brahmanwelt empor-
gestiegen.
21. Der nördliche Teil der Erde ist von allen der hei-
ligste und schön; (7025.) dort werden die hier lebenden Men-
schen wiedergeboren, soweit sie heilige Werke vollbracht
haben,
22. nachdem man ihnen die letzte Ehre erwiesen hat;
andere hingegen [werden wiedergeboren] in Tierleibern,
(7026.) wenn ihr Leben dahin ist; und noch andere gehen auf
der Erde zugrunde,
23. die sich gegenseitig aufzufressen geneigt sind, die,
in Habgier und Verblendung befangen, (7027.) auf dieser Erde
sich herumtreiben, solche gehen nicht in die nördliche Gegend.
24. Aber die, welche als sich selbst bezähmende Brah-
manschüler ihre Lehrer verehren, (7028.) die kennen als Weise
den Weg zu allen Welten.
25. Damit ist jene von Gott Brahman eingesetzte Welt-
ordnung in der Kürze von mir dargelegt worden. (7029.) Für-
wahr, wer weifs, was in der Welt Recht und Unrecht ist,
der ist ein W r eiser.
Bhishma sprach:
2ti. (703o.) Als in dieser Weise, o König, der askesereiche
Bharadvaja von Bhrigu belehrt worden war, da verehrte er,
der höchst Rechtschaffene, den Bhrigu mit Bewunderung.
27. (7031.) Damit ist dir, o König, die Schöpfung der Welt
verkündigt worden ganz und gar, o du Hochweiser. W 7 as
wünschest du weiter zu hören?
So lautet im Moksbadharma die Unterredung de» Bhrigu mit Bharadväja
(Bhri 9 H - nh<u a<lc<ija-»amrdda).
Digitized by Google
Adhyäya 193 (B. 193).
177
Adhyftya 193 (B. 193).
Vers 7032-7065 (B. 1-33).
Yudhishthira sprach:
1. (7033.) Die Regel des guten Wandels (äcäraj, o Väterchen,
von dir erklärt, o Untadeliger, die möchte ich hören, o Pflicht-
kundiger, denn ich schätze dich als einen, der alles weifs.
Bhishma sprach:
2. (7033.) Diejenigen, welche einen schlechten Wandel
fuhren, sich schlecht benehmen, schlechte Einsicht haben und
Gewalttätigkeiten lieben, die werden die Nichtguten genannt,
die Guten hingegen sind die, welche sich durch einen guten
Wandel (äcära) auszeichnen.
3. (7034.) Diejenigen Menschen, welche auf offener Strafse,
umgeben von Kühen oder umgeben von Getreide ihren Kot
oder Urin nicht entleeren, die sind anständig.
4. (7035.) Wenn man die vorgeschriebene Reinigung voll-
zieht und die Spendung an die Götter, das nennt man die
Pflicht der Menschen; man soll keinen Flufs durchschreiten,
ohne sich zu waschen;
5. (7036.) man soll allezeit die Sonne verehren, auch nicht
mehr bei Sonnenaufgang schlafen ; man soll abends und mor-
gens stehend das Dämmerungsgebet murmeln, das frühe und
das andere;
6. (7037.) man soll erst essen, nachdem man die Fünf
[Hände, Füfse, Mund] benetzt hat, nach Osten gerichtet und
Schweigen beobachtend ; man soll die zum Essen vorgesetzte
Speise nicht bemängeln und das Schmackhafte als schmack-
haft geniefsen.
7. (7038.) Man soll die Hände waschen, wenn man von
Tische aufsteht, man soll nicht mit nassen Füfsen in der
Nacht schlafen, so hat es der Götter- RisKi Närada als Merk-
mal eines guten Wandels verkündigt.
8. (7039.) Eine heilige Gegend, einen Ochsen, eine Götter-
wohnung, einen Kreuzweg, einen Brahmanen, einen Heiligen
Dbcmsw, M»hibhir»tam. 12
Digitized by Google
178
III. Mokshadharma.
und einen geweihten Baum soll man beim Vorbeigehen immer
zur Rechten haben.
9. (7040.) Wenn ein Mann mit allen Gästen, mit Boten,
mit seiner Familie dasselbe Essen teilt, so wird er von seinen
Leuten gepriesen.
10. (7041.) Es ist dem Menschen vom Veda gesetzt, dafs er
abends und morgens seine Mahlzeit nimmt, ein Essen in der
Zwischenzeit ist nicht vorgesehen, und so lange soll man nüch-
tern bleiben.
11. (7042.) Wer zur Zeit des Opferns das Opfer bringt,
zur Zeit der Empfänglichkeit beiwohnt und keine fremde Frau
besucht, der Mann ist weise .und heiligen Wandels.
12. (7043.) Als Ambrosia gilt gemeiniglich, als das Herz
der Mutter, was von einem Brahmanen übrig gelassen ist;
als solches verehren es die Leute, die guten Menschen aber
scharen sich um das wahrhaft Gute.
13. (7044.) Ein Mensch, der [zum Zwecke des Opfers] die
Erde zertritt und das Gras ausrauft, ein Mensch, der an den
Nägeln kaut [das mit den Nägeln zerrissene Opferfleisch kaut,
Nil.], der ist ein Ewigunreiner [wörtlich: einer, der sich nie
nach dem Essen den Mund ausspült], ist wie ein angepflöck-
ter Papagei und kommt auch hienieden nicht zu langem Leben.
14. (704ö.) Wer vom Fleischessen sich losgesagt hat, der
soll auch kein durch das Opfer geweihtes Fleisch essen;
ebensosehr wie beliebiges Fleisch, wie Rückenfleisch [sprich-
wörtlich für üble Nachrede] soll er es vermeiden.
15. (7046.) Sei es im eigenen Lande, sei es im fremden,
den Gast soll man nicht hungern lassen; hat man die Frucht
eines zu bestimmten Zwecken veranstalteten Opfers erlangt,
so soll man sie als den Lehrern gehörig diesen zukommen
lassen.
IG. (7047.) Den Lehrern soll man einen Sitz bieten und
die Begrüfsung gewähren; wer die Lehrer ehrt, der wird mit
langem Leben, mit Ruhm und Schönheit beglückt.
17. (7048.) Man soll weder die aufgehende Sonne, noch
auch ein fremdes Weib, wenn es nackt ist, ansehen ; die ge-
setzliche Begattung soll man immer, und zwar im Verborgenen,
ausüben.
-
Digitized by Google
Adhy&ya 193 (B. 193).
179
18. (7049.) Das Herz von allem, was heilig ist, ist die
heilige Person, das Herz von allem, was rein ist, ist das
reine Feuer; rein ist alles, was ein echter Arya tut, sogar
das Berühren von Haaren.
19. (7050.) Jedesmal, wenn man sich wiedersieht, soll man
die Frage nach dem Wohlbefinden stellen; morgens und
abends die Brahmanen zu begrüfsen ist Vorschrift.
20. (7051.) Bei einem Gotteshause, unter Kühen und bei
ärztlicher Behandlung von Brahmanen, beim Vedastudium
und beim Essen soll man die rechte Hand gebrauchen.
21. (7052.) Die Verehrung der Brahmanen am Abend und
am Morgen der Vorschrift gemäfs, das glänzt als die Ware
aller Waren, das wird gerühmt als der Acker aller Äcker,
(7053.) als das, was die Feldfrucht verviellältigt, das gilt unter
allem Fahren als das Fahren mit Kühen,
22. das soll man immer als erlangte Sättigung beim
Essen und Trinken, (7054.) das soll man ansehen als die gute
Zubereitung bei Milchspeisen, Reissuppen und Sesambrei.
23. Wenn einer beim Bartscheren begriffen ist, oder beim
Niesen, Baden oder Essen, so soll man ihm, (7055.) wie auch
allen Kranken, ein langes Leben wünschen.
24. Man soll nicht gegen die Sonne gewendet harnen
oder seinen eigenen Kot beschauen; (7056.) man soll es ver-
meiden, neben einem Weibe zu liegen oder mit ihr zusammen
zu essen.
2f). Das Duzen und das Nennen beim Namen soll man
bei Respektspersonen vermeiden, (7057.) Geringeren und Gleich-
stehenden gegenüber ist es nicht tadelnswert.
20. Das äufsere Gebaren schon verrät das böse Ge-
wissen der Übeltäter, (7058.) sofern sie sich ihres Bösen be-
wufst sind , und sie sind verloren, auch wenn sie sich unter
der Menge zu verbergen suchen.
27. Das mit Bewufstsein begangene Böse sucht der des
Veda Unkundige zu verheimlichen, (7050.) aber wenn ihn auch
die Menschen nicht sehen, so sehen ihn doch die droben im
Himmel.
28. Das von dem bösen Menschen verheimlichte Böse
schlägt aus zum Bösen ; (70go.) das aus Rechtschaffenheit ver-
12*
Digitized by Google
180
III. Mokshadliarma.
heimlichte Gute schlägt aus zum Guten; das von dem Recht-
schaffenen begangene Gute schlägt aus zum Guten.
29. (70«i.) Wohl mag der Tor hier sich nicht an das
Böse erinnern, welches er getan hat, und doch folgt es
ihm, auch wenn der Täter sich wandelt. Wie Rahu
den Mond verfolgt, so verfolgt den Toren sein böses Werk.
30. (7062.) Die Werkmasse, welche in der Hoffnung [auf
Lohn] aufgehäuft wurde, wird [im Jenseits] nicht ohne Leiden
[über ihr Schwinden] genossen ; darum rühmen es die Weisen
nicht und brauchen nicht [wie jene] auf den Tod zu warten.
31. (7063.) Die Weisen erklären, dafs das Gute aller Wesen
auf Gesinnung beruhend fmänasa) sei, darum soll man bei
allen Wesen der Gesinnung nach Wohlwollen walten lassen.
32. (7064.) Die Pflicht mufs jeder allein üben, in der Pflicht-
erfüllung gibt es keine Gemeinschaft, [man übt sie,] indem
man sich nur an das Gesetz hält, was kann dabei ein Ge-
fährte tun?
33. (7065.) Das Gesetz ist die Lebensquelle für die Men-
schen, wie für die Götter im Himmel das Amritam, durch
die Gesetzeserfiillung erlangt man nach dem Tode den Genufs
ewiger Wonne.
8o lautet im MokshadbaTma die Vorschrift fttr den guten Lebenswandel
(dedra-tidhi).
Adhyftya 194 (B. 194).
Vera 7066-7128 (B. 1-63).
Yudhishthira sprach:
1. (7066.) Das, was an dem Menschen hier bemerkt und
mit dem Namen des innern Selbstes belegt wird, was und
wie dieses innere Selbst, ist, das erkläre mir, o Grofsvater.
2. (7067.) Woher ist ferner dieses Weltall mit Unbeweg-
lichem und Beweglichem geschaffen worden, und wie ver-
schwindet es beim Weltuntergange ? Das sollst du mir jetzt
sagen, o Brahmane.
Digitized by Google
Adbyftya 194 (B. 194).
181
Bhlshma gprach:
3. aoet.) Das, was man das innere Selbst nennt, nach
dem du mich fragst, o Prithasohn, das will ich erklären,
o Freund, als das allerbeseligendste Glück.
4. i7o«».> Als mit Schöpfung und Vergang behaftet wird
« von den Lehrern geschildert; der Mensch, welcher es er-
kannt hat, findet in der Welt Freude und Glückseligkeit,
«w<M und auch eine Frucht desselben gibt es, und das ist
das Wohlwollen gegen alle Geschöpfe.
f>. Die Erde, der Wind, der Äther, das Wasser und das
Licht als fünftes, (7071.) dies sind die grofsen Elemente (mahä-
hkwt«ni), welche der Ursprung und der Vergang aller Wesen
«in<t
ß. In das, woraus sie [die Wesen] geschaffen sind, da-
hinein kehren sie auch immer wieder und wieder zurück,
.) nämlich in die grofsen Elemente [aus ihrer vorübergehen-
den Gestaltung] als Wesen, wie die Wellen des Ozeans.
7. Wie eine Schildkröte ihre Glieder aus sich heraus-
rückt und wieder in sich hereinzieht, (7073.) so schafft der
Bhütatman(Element-Atman) die Wesen und zieht sie wieder ein.
Er, der Wesensschöpfer, ist es, welcher die in allen
Uesen vorhandenen fünf grofsen Elemente (7074.) geschaffen
hat. aber seine Wesensverschiedenheit von diesen erkennt
d*r Jiva (die individuelle Seele) nicht.
9. Der Ton, das Gehör und die Ohröffnungen, diese drei
sind aus dem Äther als ihrem Ursprung entstanden. (7o;5.) Aus
*m Winde aber sind das Gefühl, die Bewegung und die
Haut, diese drei, entsprungen.
10. Die Gestalt, das Auge und das Brennen, das ist das
dreifache Feuer. (7076.) Der Geschmack, die Feuchtigkeit und
die Zunge, diese werden als die drei Qualitäten des W f assers
bezeichnet.
11. Der Geruch, die Nase und der Leib, das sind die
drei Qualitäten der Erde; (7077.) das sind die fünf grofsen
Elemente und als sechstes gilt das Manas.
12. Die Sinne und das Manas sind für einen die Er-
kfnntnisorgane, oBharata; (7078.J als siebente gilt die Buddhi
oad der Kshetrajnu ist der achte.
Digitized by Google
182
III. Mokshadhanoa.
13. Das Auge dient dem Sehen, das Manas erhebt die
zweifelnde Überlegung, (7079.) die Buddhi hat als Aufgabe die
Entscheidung, der Kshetrajfia steht als Zuschauer da.
14. Er schaut alles, was oberhalb der Fufssohlen, was
hierher zu und was nach oben ist, (7080.) von ihm, das sollst
du wissen, ist diese ganze Welt innerlich durchdrungen.
15. Die Aufgabe der Menschen ist es, die Sinnesorgane
vollständig kennen zu lernen, (7081.) denn auch Tamas, Kajas
und Sattvam, diese Wesenheiten, beruhen darauf [auf Er-
kenntnis der Sinne].
IG. Der Mensch, welcher sie durch seine Erkenntnis er-
kannt hat und dazu das Kommen und Gehen der Wesen
(7082.) erwägt, der gelangt nach und nach zur höchsten Ruhe.
17. Die Buddhi führt die Eigenschaften [gunän mit
Vers 8989 zu lesen] an, und sie führt auch die Sinnesorgane
(7083.) sämtlich mit dem Manas als sechstem an ; gäbe es keine
Buddhi, wie könnten die Eigenschaften bestehen!
18. Somit ist diese ganze Welt des Unbeweglichen und
Beweglichen aus ihr [der Buddhi] bestehend ; (7084.) [mit ihr]
vergeht sie und entsteht, somit erweist sie sich als so [durch
die Buddhi bedingt].
19. Dasjenige, wodurch sie [die Buddhi] sieht, das ist
das Auge, wodurch sie hört, das wird das Ohr genannt,
(7085.) wodurch sie riecht, das ist die Nase, und den Geschmack
erkennt sie durch die Zunge.
20. Durch die Haut empfindet sie die Gefühle, die Buddhi
ist es, welche sich jedem einzelnen Falle anpafst, (7086.) sofern
sie irgend etwas begehrt, wird sie zum Manas.
21. Nämlich fünffach sind die Stützpunkte der Buddhi,
je nach dem besondern Zwecke, (7087.) und diese nennt man
die Sinnesorgane; über ihnen thront der Unsichtbare [der
Kshetrajfia].
22. Die Buddhi, wenn sie im Menschen wohnt, befindet
sich in drei Zuständen; (7088.) manchmal empfängt sie Lust
[durch das Sattvam], manchmal wird sie in Leid versetzt
[durch das Rajas],
23. manchmal befindet sie sich so, dafs sie weder von
Lust noch von Unlust berührt wird [vermöge des Tamas];
Digitized by Google
Adhy&ya 194 (B. 194).
183
(7089.) und so geschieht es, dafs die Buddhi im Geiste der
Menschen sich in drei Zuständen befindet.
24. Sie ist es, welche diesen Zuständen verwandt diese
drei Zustände überwindet, (7090.) wie der wellenreiche Ozean
als Herr der Flüsse deren grofsen Zustrom.
25. Nachdem die Buddhi über die Zustände hinausgelangt
ist, verweilt sie in dem Manas als ihrem Zustande. (7091.) Dann
aber regt sich das Rajas und überkommt diesen Zustand.
26. Dann setzt sie alle Sinnesorgane in Tätigkeit; [der
folgende Halbvers fehlt in C] und weiterhin überkommt die
Wesenheit des Tamas das Sattvam, indem es sich an dessen
Lust heranmacht.
27. (7093.) Das Sattvam ist Lust, das Rajas ist Leid, das
Tamas ist Dumpfheit, so sind diese drei; alle in der Welt
herrschenden Zustände bestehen aus diesen dreien im Verein.
28. (7093.) Damit habe ich dir, o Bhärata, das ganze Wesen
der Buddhi erklärt; es ist aber Aufgabe des Weisen, alle
Sinne zu überwinden.
29. (7094.) Sattvam, Rajas und Tamas sind bei den Leben-
den allezeit zusammenhängend, und dementsprechend ist in
den Wesen eine dreifache Empfindung [von Lust, Leid und
Gleichgültigkeit] vorhanden,
30. (7095.) nämlich die auf das Sattvam, die auf das
Rajas und die auf das Tamas bezügliche, o Bhärata; als Lust
empfunden wird der Guna des Sattvam, als Schmerz der des
Rajas; (7096.) beide kommen mit dem Guna des Tamas ver-
bunden zur Verwirklichung.
31. Wenn nun etwas als angenehm im Körper oder im
Geiste sich kundgibt, (7097.) so mufs man dies daraus erklären,
dafs die Empfindung für das Sattvam sich geltend macht.
32. Wenn hingegen etwas als unangenehm uns berührt,
indem es Unlust erregt, (7098.) so soll man denken, das Rajas
macht sich geltend, und es nicht beachten oder sich darum
kümmern.
33. Und endlich wenn etwas als Dumpfheit undeutlich
in das Bewufstsein tritt, (7099.) ohne recht erschlossen oder
erkannt werden zu können, das soll man als Tamas auffassen.
34. Freude, Befriedigung, Wonne und Freiheit von Sorgen,
Digitized by Google
184
III. Moksluidharma.
(7100.) wo diese auftreten, da sagt man, dafs die Qualitäten
des Sattvam sich so oder so betätigen.
35. Unbefriedigung, Qual, Rummer, Begierde und Un-
geduld, (7ioi.) diese, mag man ihre Gründe keimen oder nicht,
werden angesehen als Merkmale des Kajas.
36. Als Dünkel, Verblendung, Unbesonnenheit, Schlaf
und Trägheit, (7102.) als eines oder das andere von diesen,
machen sich die verschiedenen Eigenschaften des Tamas
geltend.
37. Wer das weitschweifende, viel herumstreifende, Ver-
langen und Zweifel hegende (7103.) Manas gut in der Zucht
hält, der ist glücklich im Diesseits und im Jenseits.
38. Zwischen dem Sattvam [als Hauptvertreter der Pra-
kriti] und dem Kshetrajfia [dem Purusha], zwischen diesen
beiden schwer erkennbaren besteht der Unterschied, (7104.) dafs
ersteres die Qualitäten aus sich hervorgehen läfst, letzterer
aber nicht.
39. Gleichwie die Mücke und der Feigenbaum [auf dem
sie sitzt] immerfort verbunden (7106.) zu sein scheinen, so ist
auch die Verbindung von Sattvam und Kshetrajfia;
40. denn wiewohl sie ihrer Natur nach verschieden sind,
so sind sie doch allezeit verbunden; (7106.) wie der Fisch und
das Wasser, so sind auch diese beiden verbunden.
41. Die Guna's kennen nicht den Atman, aber er kennt
die Guna's allesamt, (7107.) jedoch als der Erkenner der Guna's
glaubt er, dafs sie mit ihm vermengt sind.
42. Aber um seine Schritte zu beleuchten, tut mit den
Sinnesorganen und der Buddhi als siebentem , (7108.) obwolü
diese unbeweglich und unbewufst sind, der Ätman seine
Schritte {padamj, wie mit einer Leuchte.
43. Das Sattvam nämlich läfst die Qualitäten aus sich
hervorgehen, und der Kshetrajfia schaut sie an, (7109.) das ist
die beständige Verbindung dieser beiden, des Sattvam und
des Kshetrajfia.
44. Das Sattvam und der Kshetrajfia haben keine ge-
meinschaftliche Basis, (7110.) der letztere vermischt sich nie-
mals mit Sattvam, Manas und allen Qualitäten.
45. Wenn er mittels des Manas die Zügel der Qualitäten
Digitized by Google
Adhyfcya 194 CB. 194).
185
regiert, (Tin.) dann leuchtet sein eigenes Wesen durch, wie
ein brennendes Licht in einem Topfe.
46. Wer nun die aus der Prakriti stammende Tätigkeit
aufgibt und als Einsiedler allezeit am Atman seine Freude
hat [Chänd. Up. 7,25,2], (7112.) der wird zum Atman aller
Wesen, darum geht er den höchsten Gang.
47. Wie ein Wasservogel durch das Wasser nicht be-
netzt wird, (7ii3.) in ähnlicher Weise lebt unter den Wesen
der, welcher die Erkenntnis erlangt hat.
48. Also möge der Mensch durch seine Einsicht in dieser
W'eise sich von seiner eigenen Natur lossagen, (7iu.) nicht
mehr jammernd, nicht mehr sich freuend, gleichmütig und
frei von Selbstsucht.
49. Wer aber durch die Verbindung mit seiner eigenen
Natur gefesselt bleibt, der läfst immer wieder die Guna's aus
sich hervorgehen, (7ii5.) wie die Spinne den Faden; die Guna's
sind als der Faden anzusehen.
50. Sind sie [im Tode] zerfallen, so werden sie doch nicht
zunichte, denn ihre Vernichtung wird nicht wahrgenommen
(•116.) durch Sinneswahrnehmung; freilich ist die Sache über-
sinnlich, es wird aber durch Folgerung fanumdnamj bewiesen
[dafs sie fortbestehen].
51. So entscheiden sich die einen, während die anderen
behaupten, dafs sie vernichtet werden. (7in.) Man möge
beides überlegen und sich entscheiden, wie man will.
52. Jedenfalls möge man diesen festen, aus den Ver-
zweigungen der Buddhi bestehenden Herzensknoten (7ii8.) lösen
und heiter dasitzen und keinen Kummer mehr empfinden, da
der Zweifel gelöst ist.
53. Obgleich sie befleckt sind, erlangen sie die Voll-
endung, wie Männer einen vollen Flufs erlangen (7iii>.) und
in ihm eintauchen, wohl wissend [dafs sie dadurch rein
werden], und du mufst wissen, dafs es die Erkenntnis ist,
welche dies vollbringt.
54. Durch einen grofsen Flufs wird einer auch dann ge-
quält, wenn er das [zu erreichende] Ufer sieht, das ist nicht
anders, (7i«o.) hingegen [in unserm Falle] wird einer nicht
Digitized by Google
1*6
III. Mokshadharma.
gequält, weil er die Wahrheit kennt, sondern die Frucht im
Auge habend schwimmt er hinüber.
♦
55. So ist es mit denen, welche den innern Atman er-
kennen als reine und höchste Erkenntnis.
56. (7i2i.) Der Mann, welcher das hier stattfindende all-
gemeine Hingehen und Wiederkommen der Wesen erkennt
und erwägt, der erlangt aus dieser Erkenntnis sodann nach
und nach die Beruhigung.
57. (7122.) Wer die Dreiheit [von Angenehmem, Nützlichem
und Gutem] erkannt hat und mit Bewufstsein sich von ihr
lossagt und immer sucht mit hingegebenem Geiste, der schaut
die Wesenheit und wird frei von Verlangen.
58. (7123.) Der Atman kann nicht geschaut werden mittels
der Sinne, welche zersplittert hierhin und dorthin sich zer-
streuen und schwer zu bändigen sind von solchen, deren
Atman nicht bereitet ist.
59. (7124.) Wer dieses weifs, der ist weise, welches andere
Kennzeichen gäbe es; denn dieses erkannt habend sind sich
die Weisen bewufst, ihre Aufgabe erfüllt zu haben.
60. (7125.) Wer dieses weifs, für den gibt es keine
Furcht mehr, während die Nichtwissenden in grofser
Furcht verharren. Einen höhern Weg gibt es für keinen,
nach erreichter Tüchtigkeit preisen sie seine Unvergleich-
lichkeit.
61. (7126.) Wer da handelt ohne vorangehende Ab-
sicht und zugleich abstöfst, was er vordem getan hat,
für den besteht beides nicht mehr, die Unlust und noch
weniger die Lust. Das bewirkt an einem hienieden voll-
ständig [die Erkenntnis].
62. (7127.) Dann ist der Mensch dieser kranken Welt
überdrüssig; das bewirkt an einem hienieden vollständig
[die Erkenntnis].
63. Siehe in der Welt, indem du dich aus ihr zurück-
ziehst, wie in ihr die kranken Menschen bald dies, bald
jenes vielfach bejammern; (7128.) siehe in ihr auch Ge-
sunde, welche es nicht bejammern, es sind die, welche
Digitized by Google
Adhyaya 195 (B. 195).
187
jenen zweifachen Weg der Guten kennen [die Stufen-
erlösung auf dem Devayäna und die volle Erkenntnis],
So lautet im Mokebadharma die Lehre vom Innern Selbste
(adhydtma - kathanam).
Adhy&ya 195 (B. 195).
Vers 7129-7150 (B. 1-22).
Bhlshma sprach:
1. (7129.) Wohlan, ich will ihn dir verkünden, o Prithä-
sohn, den vierfachen Meditationsyoga, welchen erkannt habend
schon hienieden die grofsen Weisen zur ewigen Vollendung
gelangen.
2. (7130.) In der Weise betreiben die Yogin's die Medita-
tion, wie sie richtig betrieben werden mufs, die grofsen Wei-
sen, welche an Erkenntnis sich sättigen und ihren Geist auf
das Nirvänam richten.
3. (7i3i.) Sie kehren nicht zurück, o Sohn der Pritha,
wenn sie erlöst sind von der Schuld des Samsära. Getilgt
ist die Schuld ihrer Geburt, fest stehen sie in ihrer eigenen
Wesenheit.
4. (7132.) Ohne Zweiheit sind sie, beständig in der Reali-
tät beharrend, befreit, in der Bezähmung ausharrend. Was
ohne Anhänglichkeit ist, unwidersprechlich und dem Herzen
Ruhe gewährend,
5. (7133.) darin soll der Muni durch Meditation das ihn
umklammernde Manas auf einen Punkt konzentrieren und
fesseln, indem er zugleich die Schar der Sinnesorgane zu-
sammenrollt und dasitzt wie ein Stück Holz.
6. (7134.) Nicht mehr soll er den Ton mit dem Ohr er-
fassen, nicht mehr die Gefühle mit der Haut empfinden
oder die Gestalten mit dem Auge oder die Geschmäcke mit
der Zunge erkennen.
7. (7135.) Und auch von allen Empfindungen des Geruchs
soll abstehen durch die Meditation der Yogawissende; alles
dies, was die Fünfschar [der Sinne] in Aufregung bringt, soll
er tapfer von sich ablehnen.
Digitized by Google
188
III. Mokshadharma.
8. (7is6.) Sodann soll er mit Geschick die Fünfschar in
«lern Manas beschlief sen und das umherschweifende Manas
mitsamt den fünf Sinnen zur Ruhe bringen.
9. (7137.) Das Manas, das zerfahrene, haltlose, fünftorige,
immer bewegliche, soll zuerst der Weise auf dem Wege der
Meditation in sich zur Ruhe bringen.
10. (7138.) W r enn er die Sinne mitsamt dem Manas zu-
sammengerollt hat, das wird als erste Stufe der Meditation
von mir bezeichnet.
11. (7139.) Dann wird ihm das sechste, schon innerlich in
ihm eingeschlossene [Manas] noch zucken, wie der gezückte
Blitz in der Wolke.
12. (7140.) Wie ein beweglicher Wassertropfen auf dem
Blatte nach allen Seiten hin und her rollt, so ist dann auch
sein Manas, wenn er auf dem Wege der Meditation wandelt.
13. (7141.) Auch wenn es, für einen Augenblick einiger-
mafsen zur Ruhe gebracht, auf dem Wege der Meditation
zum Stillstand kommt, wird das Manas wieder auf den Pfad
des Windes hinausschweifen, dem Winde vergleichbar.
14. (7H2.) Unverdrossen und unbekümmert, frei von Schlaff-
heit und Selbstsucht, soll er das Manas wiederum zur Ruhe
bringen durch die Meditation, er, der Meditationskundige.
15. (7U3.) Dann entstehen Bedenken, Erwägen und Zweifel
in dem Muni, wenn er zum ersten Male die Meditation von
Anfang an in Gang bringt.
16. (7144.) Aber auch wenn er durch sein Manas belästigt
wird, soll er die Andacht durchführen ; nicht möge der Muni
verdrossen werden, sondern das Heil seiner Seele schaffen.
17. (7145.) Wie Haufen, die aus Staub, Asche oder Schutt
geschichtet sind, wenn man sie plötzlich mit Wasser be-
giefst, nicht sogleich zusammenbacken,
18. (7146.) oder wie trockenes Mehl, wenn es etwas feucht
geworden ist, doch noch nicht zusammenklumpt, aber nach
und nach doch dieses alles allmählich eine feste Masse bildet,
19. (7147.) so wird er auch nur nach und nach die Schar
4er Sinnesorgane zusammenknäulen und sie allmählich zu-
sammenhalten, — dann wird er völlig zur Ruhe kommen.
20. (7148.) Nachdem er aus freien Stücken sein Manas
Digitized by Google
Atlhyäya 195 (B. 195).
189
und die Fünfschar in dieser Weise, o Bhärata, zunächst auf
dem Wege der Meditation zum Stillstande gebracht hat, dann
kommt er durch fortgesetzten Yoga zur Ruhe.
21. (7U9.) Nicht kann durch Menschenwerk, nicht kann
durch irgendeine Göttergabe jemand zu der Seligkeit ge-
langen, die der besitzt, welcher so sein Selbst überwältigt hat.
22. (7150.) In dieser Seligkeit begriffen, wird er die Aus-
übung der Meditation geniefsen, und so gehen die Yogin* &
ein in das von Krankheit freie Nirvänam.
So lautet Im Mokehadhanna die Beschreibung de« Yoga
(yoya-kathaiutm).
Adhyäya 196 (B. 196).
Vers 7151-7173 (B. 1-23).
Yudhishthira sprach:
1. (7151.) Das Wesen der vier Lebensstadien ist von dir
erklärt worden, sowie auch die Königspflichten ; auch hast du
viele, auf mancherlei bezügliche Erzählungen im einzelnen
mitgeteilt.
2. (7162.) Ich habe die von dir mitgeteilten Geschichten
und die an sie geknüpften Belehrungen vernommen, o Hoch-
weiser. Aber ein gewisser Zweifel kommt mir, den mögest
du, o Herr, mir lösen.
3. (7153.) Ich möchte, o Bhärata, belehrt werden über die
Frucht, welche die Murmler der Gebete erlangen; welche
Frucht wird für die Gebetsmurmler verheifsen und wo haben
sie ihren Platz?
4. (7154.) Auch die ganze Regel des Gebetsmurmeins mögest
du mir erklären, o Untadeliger, und ob unter dem Worte
Gebetsmurmler etwa eine Vorschrift der Tätigkeit der Re-
flexion fsänkhyamj oder der Hingebung fyoga) zu verstehen ist,
5. (7155.) oder ob es eine Vorschrift des Opferns bedeutet;
was ist unter dem Gebetsmurmeln zu verstehen? Das alles
mögest du mir erklären, denn ich erachte dich für einen, der
alles weifs.
Digitized by Google
190
III. Mokshartharma.
Bhishma sprach:
6. (7156.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich was sich ehemals begeben hat zwischen
Yama, Kala und einem Brahmanen [vgl. Adhy. 199].
7. (7157.) Was aber die Reflexion (särikhyamj und die Hin-
gebung fyogaj betrifft, welche von den die Erlösung kennenden
Weisen erwähnt werden, so liegt im Vedanta nur die Ent-
sagung vor, und gegen das Gebetsmurmeln (7158.) wenden
sich die Vedaworte; nur die, welche die Beruhigung gefunden
haben, stehen im Brahman fest.
8. Was aber die Reflexion und die Hingebung betrifft,
von dem die Weisen, überall dasselbe Sehenden reden, (7159.) so
sind auch diese beiden zwei Wege, welche gangbar sind, aber
nicht von der Schrift gelehrt werden.
9. Für das, was in der Schrift gelehrt wird, o König,
kann auch eine Begründung durch jene beiden gegeben wer-
den, (7160.) auch in ihnen wird die Versenkung des Geistes
und ebenso die Bekämpfung der Sinne gelehrt.
10. Wahrhaftigkeit, Pflege der Feuer, Aufsuchen ent-
legener Orte, (7161.) Meditation, Askese, Bezähmung, Geduld,
Nichtmurren, mäfsige Ernährung,
11. Zurückziehung von den Sinnendingen, mäfsiges Reden
und Beruhigung, (tw>.) das ist das Opfer, welches fordert.
Nun höre auch das, welches hemmt,
12. und inwiefern das Werk des Gebete murmelnden
Brahmacärin hemmt, (7163.) das alles möge man vollständig,
so wie es gesagt ist, reiflich überlegen.
13. Wer den hemmenden Weg betritt, mag er ihm klar
oder unklar sein, den Weg, der keine feste Stütze gewährt,
14. (7164.) der wird, wenn auch auf einem Haufen von
Kucagras sitzend, Kucagras in der Hand haltend, mit Kuca-
gras auf dem Kopfe, von Kucagras umgeben und in dieser
Umgebung auch noch von Kucagras bedeckt,
15. (7165.) dennoch den Sinnendingen fröhnen, — die Sinnen-
dinge aber soll man nicht ehren, sondern, Gleichmütigkeit
durch das Manas gewinnend, im Manas das Mauas bergen.
IG. (7166.) Dann meditiert man im Denken das Brahman,
wobei man immerhin einen guten Samhitaspruch murmeln
Digitized by Google
Adhy4ya 196 (B. 196).
mag. Oder einer verzichtet auch auf diesen und verharrt in
der Absorption.
17. (7167.) Dann fördert er die Meditation, indem er sich
dabei auf die Meditation des Samhitaspruches stützt, und mit
reinem Herzen, durch Askese gezähmt, Hafs und Liebe in
sich vernichtet.
18. (7168.) Dann wird er, ohne Leidenschaft, Verblendung
und Zweiheitlichkeit, nicht trauern und nicht anhängen, und
nicht mehr Täter sein von Ursachen oder von Wirkungen,
das steht fest.
19. (7169.) Dann wird er nicht mehr das Manas in Ver-
bindung mit dem Ahankara irgendwohin aussenden, nicht
mehr beschäftigt sein mit dem Greifen von Dingen, nicht
hochmütig und doch nicht untätig.
20. (7170.) Die Tätigkeit der Meditation als Höchstes
schätzend, hingegeben, meditationsreich, die Meditation mit
Entschlossenheit betreibend, so wird er in der Meditation die
Absorption erzeugen und dann auch jene [Meditation] nach
und nach aufgeben.
21. (7i7i.) Wenn er in diesem Zustande mit Freudigkeit
jede Entsagung vollbracht hat, dann läfst er wunschlos seine
Lebenshauche fahren und geht ein in einen brahmischen Leib.
22. (7172.) Oder auch, falls er alsdann nicht wünschen
sollte, einen Brahmanleib zu bewohnen, so steigt er empor
und weilt auf dem Wege [dem Devayana], aber geboren wird
er nicht wieder.
23. (7173.) Und in der Erkenntnis des Atman beharrend,
beruhigt geworden und frei von Krankheit, geht er leiden-
schaftslos in den unsterblichen reinen Atman ein.
So UuUt im Mokahadharm» die Erörterung Ober dou Gebettmurmler
(j&pakn - updkhyAnam).
Digitized by Google
192 III. Mokshadharma.
Adhyftya 197 (B. 197).
Vers 7174-7186 (B.l-13).
Yudhishthira sprach:
1. (in*.) Du hast davon gesprochen, inwieweit die Er-
langung des höchsten der Wege auch für die Gebet smurmler
möglich ist; aber das ist doch nur der eine Weg, den sie gehen
können; gehen sie wohl auch einen andern?
Bhishma sprach:
2. (7175.) Vernimm mit Aufmerksamkeit, o König, einen
Weg der Gebetsmurmler, o Herr, auf dem sie in mancherlei
Höllen fahren, o Männerstier.
3. (7176.) Derjenige Gebetsmurmler, der nicht vorher be-
treibt, was wir soeben besprochen haben, der ist einseitig
dem Opferwerke zugewendet und fährt in die Hölle.
4. (7177.) Wenn er aus Hochmut das Werk betreibt, nicht
erfreuend und nicht erfreut, ein solcher Gebetsmurmler fahrt
zur Hölle, daran ist kein Zweifel.
5. (7178.) Alle, welche aus Selbstsucht handeln, fahren
zur Hölle; ein Mensch, der die andern verachtet; wird der
Hölle verfallen.
6. (7179.) Wer hingegen in seiner Torheit unter vorher-
gehender Absicht das Gebetsmurmeln vollzieht, der wird da-
für jedesmal in den Leib eingehen, auf den sein leidenschaft-
liches Verlangen gerichtet ist.
7. (7180.) Und auch wenn bei den Veranstaltungen zur
Erlangung von übernatürlichen Kräften der Gebetsmurmler
sich in diese vergafft, so gereicht ihm das zur Hölle, und
er kann nicht von ihr freikommen.
8. (7i8i.) Ein solcher Gebetsmurmler vollzieht in seiner
Torheit das Gebetsmurmeln aus leidenschaftlichem Verlangen,
und er wird dafür jedesmal in den Leib eingehen, auf den
sein leidenschaftliches Verlangen gerichtet ist.
9. (718:».) Unverständig und ohne erlangte Einsicht ist er
in seinem unsteten Manas; einen unsteten Weg wandelt er
oder gerät in die Hölle.
i
Digitized by Google
Adhyaya 197 (B. 197).
193
10. (7183.) Ohne erlangte Einsicht als ein Tor gerät der
Gebetsmurmler in Verblendung, und aus der Verblendung
fahrt er in die Hölle; ist er dort, dann wird er jammern.
11. (7184.) Ich weifs, was ich will, so denkt der Gebets-
murmler und murmelt sein Gebet; er ist nicht voll von seiner
Sache, ist ihr nicht hingegeben und fährt in die Hölle.
Yudhishthira sprach:
12. (7186.) Unvergänglich ist jenes Höchste, Unoffenbare,
in Brahman Ruhende [der Ätman]; wenn ein Gebetsmurmler
zu diesem wird, warum mufs auch ein solcher hienieden wieder
in einen Körper eingehen?
Bhlshma sprach:
13. (7186.) Viele HöDen werden für mangelhafte Erkennt-
nis in Aussicht gestellt. Selbst wenn die Gebete in löblicher
Weise gemurmelt werden, so haften diesem Tun doch immer-
hin derartige Fehler an.
So laufet im Moktbadharma die Erörterung aber den Gebetamurmler
(jdpaka • updlhydnam).
Adhyaya 198 (B. 198).
Vers 7187-7197 (B. 1-11).
Yudhishthira sprach:
1. (7187.) Was ist das für eine Hölle, in welche der Ge-
betsmurmler fährt? Das schildere mir; Wifsbegierde erfüllt
mich, o König, darum sollst du es mir sagen.
Bhlshma sprach:
2. (7188.) Du bist erzeugt als ein Sprofs des Gottes der
Gerechtigkeit {DharmaJ, du bist von Natur überaus gerecht,
so vernimm denn mit Aufmerksamkeit, o Untadeliger, die
Rede, welche sich gründet auf die Wurzel der Gerechtigkeit.
3. (7189.) Jene Orte der Götter von höchster Wesenheit
Dkl»»*. MababtaAraUra. 13
Digitized by Google
11)4
III. Mokshariharma.
mit mancherlei Standorten und Farben, mit mancherlei Ge-
stalten und Früchten,
4. (7190.) jene himmlischen, nach Belieben zu durch-
wandelnden Paläste und Hallen, jene mannigfachen Spiel-
plätze, o König, und goldenen Lotosteiche
5. (7i9i.) der vier Welthüter, des Venusplaneten und des
Jupiter, der Winde und der Gesamtgötter, der Vollendeten
und der Acvin's,
6. (7192.) der Rudra's, Aditya's, Vasu's und der anderen
Himmelsbewohner, das sind eben, o Freund, die Höllen, die
Verhüllungen des Ortes des höchsten Ätman.
7. (7193.) Dieser Ort aber ist furchtlos, kausalitätlos,
nicht von Plagen erfüllt, frei von den zweien [Lust und Un-
lust], frei von den dreien [Guna's], frei von den achten
[Sinne, Manas, Buddhi, Avidyä] und den anderen dreien [Ob-
jekt, Subjekt und Tätigkeit des Erkennens],
8. (7194.) frei von den vier Merkmalen [der Sichtbarkeit,
Hörbarkeit, Denkbarkeit, Erkennbarkeit], frei von den vier
Ursachen, frei von den vier Erkenntnisgründen [Wahrneh-
mung, Folgerung, Tradition und Vergleich], ohne Freude,
ohne Wonne, ohne Kummer und ohne Ermüdung.
9. (7195.) Eine Zeit gibt es dort, und doch ist die Zeit
nicht Herr, sondern Er ist der Herr über die Zeit, o König,
und der Gebieter des Himmels.
10. (7196.) Wer die Absolutheit des Atman erlangt hat,
der geht dorthin und trauert nicht. Von dieser Art ist die
höchste Stätte, und die Höllen sind von jener Art.«
11. (7197.) Damit habe ich dir alle Höllen nach ihrem
Wesen erklärt ; weil sie jenen höchsten Ort verhüllen, werden
eie die Höllen genannt.
So lautet im Mokthidherm» die Erörterung Uber den Oebeteranrmler
Digitized by Google
Adhy&ya 199 (B. 199).
195
Adhyftya 199 (B. 199).
Vers 7198-7329 (B. 1-128).
Yudhisbthira sprach :
1. ni99.) Es wurde dir einstmals die zwischen Kala,
Mrityu und Yama mit Ikshväku und einem Brahmanen ge-
pflogene Unterredung erzählt; die mögest du, o Herr, mir
mitteilen.
Bhishma sprach:
2. (7199.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich was sich zwischen Ikshväku, dem Sohne
des Sürya (Sonne) und einem Brahmanen begeben hat,
3. (7200.) sowie auch, was sich zwischen Kala und Mrityu
begeben hat; das vernimm von mir, wie zwischen ihnen allen
und an welchem Orte die folgende Unterredung statt-
gefunden hat.
4. (7-ioi.) Es war einmal ein Brahmane, ein Gebets-
murmler, in der Pflicht bewandert und von grofsem Ruhme,
die sechs Vedänga's [Lautlehre, Kultus, Grammatik, Wort-
schatz, Metrik, Astronomie; Mund. Up. 1,1,5] kennend, von
grofsem Wissen, ein Sohn des Pippaläda und Abkömmling
<lcs Kucika.
:">. (7202.) Ihm war über dem Studium der sechs Vedänga's
eine übernatürliche Erkenntnis zuteil geworden ; und auch in
den Veden war er beschlagen, am Fufse des Himälaya
wohnend.
6. (7203.) Er übte eine mit Reden verbundene fsodya),
heilige Askese, indem er mit Selbstzwang die Samhitä
murmelte, und unter dieser Kasteiung gingen ihm tausend
Jahre dahin.
7. (7204.) Da liefs sich die Göttin vor ihm leibhaftig sehen
und sprach: „ich bin mit dir zufrieden"; er aber, da er be-
schäftigt war, sein Murmelgebet in Drehung zu erhalten,
schwieg still und erwiderte ihr nichts.
8. (7205.) Aus Mitleid mit ihm erwies sich die Göttin
13*
Digitized by Google
196
III. Mokshadharma.
ihm freundlich, und sie, die Mutter des Veda, ehrte sein
Murmelgebet.
9. (7206.) Als er aber mit Murmeln fertig und aufgestanden
war, warf er sich mit dem Kopfe zu den Füfsen der Göttin
nieder, und er, der Pflichttreue, sprach zu der Göttin dieses
Wort:
10. (7207.) Zur glücklichen Stunde, o Göttin, bist du mir
gnädig und bist mir sichtbar erschienen; wenn du mir aber
gnädig bist, so möge sich dein Geist an meiner Murmelung
erfreuen.
Savitri sprach:
11. (7208.) Was verlangst du, o Brahmanenweiser, und
was wünschest du, das ich dir tun soll? Sprich es aus, o
Bester der Murmler, es soll dir alles zuteil werden.
12. (7209.) So von der Göttin angeredet, sprach der pflicht-
kundige Brahmane: Auf mein Murmeln bezieht sich der
Wunsch, den ich hege, nämlich dafs es gedeihen möge fort
und fort,
13. (7210.) und dafs die Absorption meines Geistes, o
Schöne, zunehmen möge Tag für Tag. Da sprach die Göttin
milde: So sei es!
14. (72ii.) Und weiter sprach noch dieses die Göttin aus
Wohlwollen zu ihm: Du sollst nicht in die Hölle fahren,
wohin die Gewaltigsten der Brahmanen gegangen sind.
15. (7212.) Du sollst gelangen zu der Stätte des Brahman,
der ursachlosen, tadellosen; das vollbringe ich, und du sollst
zu dem werden, um was ich heute von dir gebeten wor-
den bin.
16. (7213.) Mit Selbstzwang murmele, der Sache ganz hin-
gegeben, und [der Gott des Rechtes] Dharma wird zu dir
treten, und Kala [der Gott der Zeit] und Mrityu und Yama
[die Götter des Todes] werden sich bei dir einfinden.
17. (7214.) Und es wird eine Unterredung stattfinden hier-
selbst zwischen dir und ihnen, heiliger Pflicht gemäfs.
Bhlsliuia (der Erzähler) sprach:
(7215.) So sprach die heilige Göttin und ging in ihre Be-
hausung zurück.
Digitized by Google
Adhyäya 199 (B. 199).
197
18. Und wieder sitzt der Brahmane murmelnd da hundert
göttliche Jahre lang, (72iü.) immer bezähmt, den Zorn über-
windend, mit Wahrheit vereint und ohne Neid.
19. Und als diese Selbstbezwingung vollbracht war, da
geschah es, dafs vor des weisen Brahmanen (7217.) Augen er-
freut der Gott Dharma diesem Zwiegeborenen erschien.
Dharma sprach:
20. (7218.) O Z wiegeborener, erkenne mich als den Gott
Dharma; dich zu besuchen bin ich gekommen, und was als
Lohn dieses deines Murmeins erlangt worden ist, das ver-
nimm von mir.
21. (7219.) Alle Welten sind von dir erobert worden, die
göttlichen sowohl als die menschlichen, und zu allen Be-
hausungen der Götter wirst du, o Guter, emporsteigend ge-
langen.
22. (7220.) Lasse dein Leben fahren, o Muni, und gehe
ein in die von dir gewünschten Welten; sobald du deinen
Leib aufgegeben hast, wirst du diese Welten erlangen.
Der Brahmane sprach:
23. (7221.) Was sollen mir diese Welten, o Dharma? Geh
du nur hin, wohin es dir beliebt! Meinen Leib, den viel Leid
und Lust enthaltenden, will ich nicht aufgeben, o Herr.
Dharma sprach:
24. (7222.) Notwendigerweise freilich mufst du deinen Leib
aufgeben, o Stier unter den Muni's, steige doch auf zum
Himmel, o Brahmane; oder was möchtest du denn sonst, o
Untadeliger?
Der Brahmane sprach:
25. (7223.) Ich finde keinen Gefallen daran, ohne meinen
Leib im Himmel zu wohnen, o Herr; geh nur, o Dharma,
ich trage kein Verlangen danach, ohne Leib in den Himmel
einzugehen.
Digitized by Google
198
III. Mnkshadharuia.
Dharina sprach:
■
2*>. (7224.) Höre auf, deinen Sinn auf den Körper zu
richten, gib deinen Leib auf und werde glücklich. Gehe ein
in die staubfreien Welten, wohin gelangt du nicht mehr
trauerst.
Der Brahmane sprach:
27. (7225.) Ich habe meine Freude am Gebetsmurmeln, o
Herrlicher, was sollen mir die ewigen Welten! mit meinem
Leibe will ich in den Himmel gehen oder gar nicht, o Herr.
Dharina sprach:
28. (7236.1 Wenn du deinen Leib nicht aufgeben willst,
dann sieh einmal, o Zwiegoborener, da kommen Kala und
Mrityu und Yama, um dich zu besuchen.
Rhi&hma (der Erzähler) sprach:
2 ( J. (7227.) Da kamen Vaivasvata (Yama), Kala und Mrityu
zu dreien, o Herr, zu diesem herrlichen ßrahmanen und
sprachen folgendermafsen.
Yama sprach:
'MX (7228.) Für diese wohldurchgeführte Askese und für
deinen guten Lebenswandel wird dir Erlangung der schönsten
Frucht zuteil, ich, der Gott Yama, spreche dich an.
Kala sprach :
31. (722*.) Entsprechend diesem Gebctsniurmeln ist als
höchste Frucht dir zuteil geworden, dafs dir die Zeit fkäla.t
gekommen ist, zum Himmel aufzusteigen. Ich, Kala [der
Gott der Zeit], bin zu dir gekommen.
Mrityu sprach:
1)2. (72*m Wisse mich, o Pflichtkundiger, als Mrityu (Tod)
leibhaftig hier erschienen, um, von Kala (Zeit) aufgefordert,
dich, o brahmane, heute von hier abzuholen.
Digitized by Google
Adhyaya 199 (B. 199). 199
Der Brahmane sprach:
33. (7231.) Willkommen heifse ich den Sohn der Sonne
und den hochherzigen Kala, den Mrityu und den Dharma!
Was ist es, das ich für euch ausrichten soll?
Bhlshma (der Erzähler) sprach:
34. (7232.) Nachdem er ihnen sodann dort bei der Zu-
sammenkunft die Ehrengabe und das Fufswasser dargeboten
hatte, sprach er hocherfreut: Was kann ich mit meinen
Kräften für euch tun?
35. (7233.) Zu derselben Zeit geschah es, dafs der auf der
W T allfahrt zu einem heiligen Badeplatze begriffene Ikshväku
dorthin kam, wo jene, o Herr, sich versammelt hatten.
36. (7234.) Nachdem der Königsweise sie alle geehrt und
sich vor ihnen verneigt hatte, richtete er, der Beste der
Könige, an alle die Frage nach ihrem Wohlbefinden.
37. (7236.) Ihm bot sodann der Brahmane einen Sitz nebst
Fufswasser und Ehrengabe, und nachdem er sich nach seinem
Wohlbefinden erkundigt, sprach er zu ihm das Wort:
38. (7236.) Sei willkommen, o grofser König, sage, was
du hier wünschen magst! Was kann ich aus eigener Kraft
für dich tun? Das mögest du, o Herr, mir mitteilen.
Der König sprach :
39. (7237.) Ich bin ein König und du ein Brahmane, und
dieweil du ausdauernd bist in den sechs Werken [Opfern
für sich und für andere, Lernen und Lehren, Geben und
Empfangen], so möchte ich dir irgend etwas Rühmliches
schenken; sage mir, was es sein soll.
Der Brahmane sprach :
40. (7238.) Von zweierlei Art sind die Brahmanen, o König,
und von zweierlei Art ist auch die Pflicht, wie gelehrt wird.
Es gibt Zugewandte und Abgewandte, ich bin vom Geschenk-
empfangen abgewandt.
41. (7239.) Gib du die Geschenke denen, die ihnen zu-
gewandt sind, o Männerherr. Ich nehme keine Geschenke
an, aber was wünschest du, was kann ich dir geben?
Digitized by Google
200 III. Mokshadharma.
(7240.) Sage du, o Bester der Fürsten, was kann ich durch
meine Askese für dich erwirken?
Der König sprach:
42. (7241.) Ich bin ein Kshatriya, und das Wort „gib"
kenne ich nicht. Wir, o Bester der Brahmanen, sagen nur:
Gib uns einen Kampf!
Der Brahmaoe sprach:
43. (7242.) Du freust dich an deiner Pflicht und wir an
der unserigen, o Fürst; darin ist zwischen uns kein Unter-
schied, so betreibe denn, was dir erwünscht ist.
Der König sprach:
44. (7243.) Du hast vorher gesagt, dafs du mir nach
eigener Kraft etwas geben wollest. Nun, so bitte ich dich,
gib mir, o Brahmane, die Frucht deines Gebetsmurmeins.
Der Brahmane sprach:
45. (7244.) Du sagst ja selbst, dafs deine Rede immer nur
verlangt nach Kampf; mit mir gibt es nichts zu kämpfen;
warum forderst du nun doch wieder etwas?
Der König sprach:
46. (724/>.) Es heifst von den Brahmanen, dafs sie die
Rede als Donnerkeil führen, während die Kshatriya' s von
der Stärke ihres Armes leben; und hier hat sich, o Brah-
mane, ein scharfer Redekampf zwischen mir und dir ent-
sponnen.
Der Brahmane sprach:
47. (724G.) Das war soeben mein Versprechen, so sage,
was soll ich dir geben nach meinen Kräften; ich will es dir
geben, o Fürst der Könige, wofern es in meiner Macht steht,
ohne Verzug.
Der König sprach:
48. (7217.) Was jenes durch volle hundert Jahre von dir,
dem Murmelnden, vollbrachte Murmeln ist, die Frucht, die
Digitized by Google
Adhyaya 199 (B. 199).
201
dir dafür zukommt, die gib mir, wofern du anders willens
bist, zu geben.
Der Brahmane sprach:
49. (7248.) So nimm von mir entgegen die höchste Frucht,
die von mir ermurmelt worden ist, und empfange die Hälfte
der Frucht desselben ohne Bedenken.
50. (72*9.) Oder du magst auch allenfalls, o König, die
ganze Frucht meines Murmeins hinnehmen, wenn du sie
ganz zu haben wünschest.
Der König sprach:
51. (7250.) Es handelt sich um das Ganze mit Verlaub,
als ich das Ermurmelte erbat. Lebewohl! ich gehe nun,
aber säge mir, was ist die Frucht dessen, was du mir ge-
schenkt hast?
Der Brahmane sprach:
52. (725i.) Welche Frucht dafür erlangt wird, das weifs
ich nicht, aber ich habe dir gegeben, was ich ermurmelt
habe; hier Dharma, Kala, Yama und Mrityu sind des Zeugen.
Der König sprach:
53. (7252.) Wenn ich die Frucht dieser Observanz nicht
kenne, was kann sie mir dann helfen. Wenn du mir nicht
die Frucht deiner Observanz, die du im Murmeln übtest,
nennen kannst, (7253.) dann soll der Brahmane die Frucht be-
halten, ich mag nicht, was zweifelhaft ist.
Der Brahmane sprach:
54. (7254.) Ich nehme kein weiteres Reden an; ich habe
die Frucht davon verschenkt, und mein Wort ist entscheidend,
o Königsweiser, für das, was heute zwischen mir und dir
abgemacht worden ist.
55. (7255.) Bei meinem Murmeln habe ich niemals eine
vorgefafste Absicht gehabt; wie sollte ich also, o Tiger unter
den Königen, die Frucht meines Mürmelns kennen?
56. (725H.) Du hast nur gesagt: „gib mir", und ich habe
gesagt: „ich will es dir geben"; mein Wort will ich nicht
Digitized by Google
202
III. Mokshadharuia.
verleugnen, so bleibe auch du bei der Wahrheit und sei be-
ständig.
57. (7257.) Oder willst du das Wort, welches ich heute
gesprochen habe, nicht wahr machen, dann würde es ein
grofses Unrecht sein, welches du, o König, fahrlässiger-
weise begehst.
58. (7258.) Es ziemt sich aber nicht für dich, eine fahr-
lässige Rede zu führen, o Feindbezwinger, und andererseits
ist es auch mir unmöglich, meine Zusage Lügen zu strafen.
59. (7259.) Auch ist von mir ohne Bedenken versprochen
worden, es zu geben; so nimm denn auch du es ohne Be-
denken an, wenn du anders bei der Wahrheit bleiben willst.
60. (7260.) Du kamst ja doch hierher, o König, und er-
batest die Frucht meines Murmeins; ich habe sie dir über-
lassen; so nimm sie denn an, bleibe auch du standhaft bei
der Wahrheit.
61. (7261.) Für den ist nicht diese Welt und nicht die
andere, der rettet nicht seine Vorfahren [vom Verderben]
und noch weniger seine Nachkommen, welcher einer fahr-
lässigen Rede huldigt.
62. (7262.) Ihn retten nicht die Früchte des Opfers und
nicht Gaben, noch auch Selbstbezähmung; so gewifs, wie
das in der andern Welt gilt, so gilt es auch hier, o Männerstier.
63. (7263.) Mag einer Askesen betrieben haben, mag einer
noch weiter Askesen betreiben wollen, durch diese, und wären
es hundert oder hunderttausend, steht er nicht höher als
durch die Wahrheit.
64. (7264.) Die Wahrheit ist das eine unvergängliche
Brahman, die Wahrheit ist die eine unvergängliche Askese,
die Wahrheit ist das eine unvergängliche Opfer, die Wahr-
heit ist die eine unvergängliche Schriftoffenbarung.
65. (7266.) Die Wahrheit hält Wache in den Veden, die
Wahrheit bringt nach der Uberlieferung den höchsten Lohn,
aus Wahrheit entspringen Gerechtigkeit und Bezähmung, in
der Wahrheit ist das Weltall gegründet.
66. (7266.) Wahrheit sind die Veden und Vedänga's, Wahr-
heit sind die Upanishadlehren und die Ritual Vorschriften,
Digitized by Google
Adhyäya 199 (B. 199).
Wahrheit ist der Wandel im Gelübde, und Wahrheit ist der
heilige Laut Om.
67. (7267.) Wahrheit ist die Erzeugung der Lebewesen,
Wahrheit ist ihre Fortpflanzung, durch Wahrheit braust der
Wind heran, durch Wahrheit glüht die Sonne.
68. (7268.) Durch Wahrheit brennt das Feuer, auf Wahr-
heit ist der Himmel gegründet, Wahrheit sind Opfer, Askese,
Veden, Singlaute, Sprüche und heilige Rede.
69. (7269.) Auf die Wage wurden gelegt die Gerechtigkeit
und die Wahrheit, so ist uns erzählt worden; sie halten sich
das Gleichgewicht, aber auf Seiten der Wahrheit ist das
Übergewicht.
70. (7270.) Woraus die Gerechtigkeit entspringt, daraus
entspringt auch die Wahrheit, alles gedeiht durch die Wahr-
heit; warum, o König, willst du unwahres Werk tun?
71. (7271.) Mache dein Gemüt fest in der Wahrheit, o
König, tue nicht, was unwahr ist; warum willst du unedel
sein und dein Wort „gib" unwahr machen?
72. (7272.) Wenn du die von mir geschenkte Frucht der
Murmelung nicht annehmen wirst, o Fürst, dann wirst du
deinen Pflichten abtrünnig werden und so von Welt zu Welt
umherirren.
73. (7273.) Wer verspricht und dann nicht geben will,
und wer bittet und dann nicht annehmen will, diese sind
beide unaufrichtig, wolle du nicht fahrlässig handeln.
Der König sprach:
74. (7274.) Man mufs kämpfen und beschützen, darin be-
steht ja doch die Pflicht des Kshatriya, o Brahmane; „Ge-
bende" heifsen die Kshatriya's, wie kann ich von dir etwas
annehmen !
Der Brahmane sprach:
75. (7275.) Ich verlange nicht dich günstig zu stimmen,
o König, ich habe nicht dein Haus aufgesucht, sondern du
bist hierher gekommen und hast mich um etwas gebeten;
wie kannst du es nun jetzt nicht annehmen wollen?
Digitized by Google
204
III. Mokshadharma.
Dhanna sprach:
70. (7276.) Kein Streit sei zwischen euch; wisset mich
hierher gekommen als den Gott der Gerechtigkeit ; der Brah-
mane ist gehunden durch das Geben und seine Früchte, der
König durch die Wahrheit und ihre Frucht.
Der Himmel sprach:
77. (7277.) Ich, der Himmel, bin leibhaftig hierher ge-
kommen, das sollst du wissen, o Fürst der Könige, kein
Streit sei zwischen euch, ihr habt beide gleiche Früchte [zu
erwarten].
Der König sprach:
78. (7278.) Ich habe mit dem Himmel nichts zu schaffen,
gehe hin, o Himmel, wie du gekommen bist; will aber der
Brahmane [in den Himmel] gehen, so kann er von der von
mir erworbenen Frucht Gebrauch machen.
Der Brahmane sprach:
>
79. (7279.) Wenn auch in der Kindheit von mir aus Un-
wissenheit die Hand ausgestreckt wurde [um zu nehmen], so
betreibe ich doch jetzt, wenn ich meine Samhitä murmle,
eine Pflicht, bei der dies Merkmal [der Hoffnung auf Lohn]
wegfällt,
80. (7280.) und mich, der ich schon seit lange [von der
Hoffnung auf Lohn] abgewandt bin, wie kannst du, o König,
mich wiederum zu einem Begehrlichen machen wollen! Aus
eigenem Antriebe werde ich tun, was ich zu tun habe, ich
mag nicht eine Frucht von dir übernehmen, o König.
81. (728i.) Ich befleifsige mich der Askese und des Stu-
diums und bin dem Nehmen von Geschenken abgeneigt.
Der König sprach :
(7282.) Wenn doch einmal die höchste Frucht der Murme-
lung von dir weggegeben ist, so schlage ich vor, dafs alles,
was an Frucht uns beiden angehört, uns beiden gemein-
schaftlich gehören soll.
82. (7283.) Die Brahmanen haben ja den Beruf, Geschenke
Digitized by Google
Adhyäya 199 (B. 199). 205
anzunehmen, aber, wer aus einer Königsfamilie stammt, der
ist ein Gebender. Wenn du, o Brahmane, im Veda gelernt
hast, was Recht ist, so sei damit einverstanden, dafs die
Frucht uns beiden gemeinschaftlich gehört.
83. (7284.) Oder wenn du nicht willst, dafs wir sie beide
gemeinschaftlich geniefsen, so nimm du meine Frucht an
und eigne dir das von mir verdiente Gute an, wenn du mir
eine Gunst erweisen willst.
Bhishma (der Erzähler) sprach:
84. (7285.) Da geschah es, dafs zwei Männer von mifs-
gestaltetem Aussehen herankamen, sich anfassend und in
schlechte Lumpen gehüllt, und zueinander sprachen.
85. (7286.) Der eine sprach : Du bist es mir nicht schuldig ;
der andere sprach: Ich bin es dir doch schuldig; darüber
streiten wir uns, aber hier der König soll Schiedsrichter sein.
8G. (7287.) Ich sage die Wahrheit, du schuldest mir nichts,
o Herr. — Du sagst nicht die Wahrheit, ich bin es dir wohl
schuldig.
87. (7288.) So erhitzten sich beide sehr und sprachen zum
Könige: Entscheide du (lies pariksha), damit wir nicht hier
als zwei Bescholtene dastehen (lies syävä).
Der Unförmige sprach:
88. (7289.) Ich bin dem Mifsgestalteten hier, o Tiger unter
den Männern, den Lohn für eine Kuh schuldig, ich will ihn
ihm geben, und der Mifsgestaltete will ihn nicht von mir
annehmen, o Erdeherr.
Der Mifsgestaltete sprach:
89. (7290.) Der Unförmige hier ist mir durchaus nichts
schuldig, o Männerherr, er redet zu dir, was falsch ist und
nur den Schein der Wahrheit hat, o Männerherr.
Der König sprach:
90. (7291.) Unförmiger! was schuldest du ihm denn? das
mögest du mir sagen. Nachdem ich es gehört habe, werde
ich dementsprechend entscheiden, das ist bei mir beschlossen.
Digitized by Google
L>Of>
III. Mokshadharma.
Der Unförmige sprach :
91. (7292.) Höre es mit Aufmerksamkeit, o König, wie ich
-es dem Mifsgestalteten da schuldig geworden bin, o Königs-
weiser, höre es ausführlich, o Männerherr.
92. (7293.) Um von diesem das Gesetz zu erlernen, hatte
ich, o Untadeliger, eine schöne Milchkuh ihm, dem Brah-
manen, geschenkt, o Königsweiser, ihm, welcher der Askese
und des Vedastudiums beflissen war.
93. (7294.) Und auch das durch ihre Schenkung erworbene
religiöse Verdienst erhält er von mir, freilich ohne gefragt
zu sein [ob er es annehmen wolle]. Und der Mifsgestaltete
hat doch mir [die Belehrung] gegeben aus reinem Herzen!
94. (7295.) Darum habe ich, um auch meinerseits rein da-
zustehen, eine weitere gute Tat getan ; ich habe nämlich zwei
rotbraune, ihre Kälber liebende, reichlich milchende Kühe
gekauft,
95. (7296.) und die sind von mir diesem Ährenleser (armen
Schlucker) überlassen worden. Da nämlich von ihm jenes
[die Belehrung] vorschriftsmäfsig und glaubenstreu [geleistet
worden war], so will ich hingegen, o Herr,
96. (7297.) der ich sie angenommen habe, dafür heute ihm
eine zweifache Frucht schenken. So mufs es doch sein, o
Tiger unter den Männern ! Wer ist hier nun unschuldig und
wer ist schuldig?
97. (7298.) Um diese Sache sind wir in Streit und haben
uns zu dir hierher begeben; du magst nun in deiner Ent-
scheidung gerecht oder ungerecht verfahren, jedenfalls bringe
uns in Ordnung.
98. (7299.) Und wenn er meine Gabe nicht annehmen
will, wie sie von dem hier [von mir] gegeben worden ist,
so wirst du, o Herr, hier, der du charakterfest bist, uns
beide auf den richtigen Weg leiten.
Der König sprach:
99. (7300.) Warum willst du, Mifsgestal teter , nicht an-
nehmen, was dir gegeben und geschuldet wurde; da es dir
zuerkannt worden ist, so nimm es an und ohne Zögern.
Digitized by Google
Adhyäya 199 (B.
207
Der MifBgestaltete sprach:
100. (730i.) Jener behauptet mir etwas schuldig zu sein,
ich aber habe gesagt, ich wolle es [die Belehrung | ihm geben,
folglich ist er mir jetzt nichts schuldig und mag gehen, wo-
hin er will.
Der König sprach :
101. (7302.) Wenn jener dir etwas gibt und du es nicht
annimmst, so scheint mir das unbillig; für strafbar halte ich
dich, darüber ist gar kein Zweifel.
Der Mifsgestaltete sprach:
102. (7303.) Was ich ihm, o König, gegeben habe, wie
kann ich das wieder annehmen? Gesetzt aber ich bin im Un-
rechte, so magst du, o Herr, eine Strafe gegen mich erkennen.
Der Unförmige sprach:
HC (7304.) Wenn du auf keine Weise dazu zu bringen
bist, anzunehmen, was ich dir gebe, so wird dich der König
hier dazu zwingen, welcher ein Schiedsrichter ist über das
Recht.
Der Mifsgestaltete sprach:
104. (7305.) Wie kann ich das Gut, welches ich, darum
gebeten, gab, wieder an mich nehmen? Gehe hin, Unförmi-
ger, ich beurlaube dich.
Der Brahmane sprach:
105. (7306.) Du hast gehört, o König, was diese beiden
gesprochen haben, darum mufst auch du das, was ich dir
versprochen habe [die Frucht der Murmelung], ohne Bedenken
annehmen.
Der König sprach:
106. (7307.) Da die erwähnte grofse Streitsache dieser
beiden schwer zu ergründen ist, wie kann für dich als
Murmler eine Bestätigung daraus entnommen werden?
107. (7808.) Wenn ich freilich nicht annehmen will, was
ein Brahmane mir gibt, so werde ich nicht umhin können,
mich mit einem grofsen Unrecht zu beflecken.
Digitized by Google
208
III. Moksluulliarma.
108. (7309.) Sodann sprach der Königsweise zu jenen
beiden : Ihr werdet weggehen, nachdem euer Streit entschieden
ist. Da ihr mich hier jetzt angegangen habt, so darf die
Königspflicht nicht vernachlässigt werden.
109. (73io.) Die Könige müssen die ihnen obliegende Pflicht
wahrnehmen, daran ist kein Zweifel. Ich war nicht bei mir
selbst, als die schwer zu verstehende Pflicht der ßrahmanen
mich überkam [so dafs ich ein Geschenk annahm].
m
Der Brahmane sprach:
110. (73ii.) Nimm es an, ich bin es dir schuldig; du hast
es erbeten und ich habe es dir zugesprochen, und wenn du
es nicht annimmst, o König, so werde ich dich verfluchen,
das steht fest.
Der König sprach:
111. (7312.) Wehe über die Königspflicht, welcher diese
Entscheidung des Rechtshandels hier obliegt, und die ich um
dieser Sache willen ausüben mufs, indem ich mich frage, wie
kann es etwas gleich Schweres geben?
112. (7313.) Noch nie habe ich früher diese meine Hand
ausgestreckt, um etwas hineinzulegen, aber nunmehr gebe
ich zu, o Brahmane, dafs du mir das, was du mir schuldig
bist, geben magst.
Der Brahmane sprach:
113. (73H.) Alle Tugend, soviel ihrer ist, die von mir
durch das Murmeln der Samhitä erworben wurde, das alles
nimm von mir an, wenn ich überhaupt irgend etwas habe.
Der König sprach:
114. (7315.) Genug (lies alam), dies ist, o Brahmane, in
meine Hand gelangt, so möge es billig sein, dafs es uns ge-
meinschaftlich gehöre, das kannst du, o Herr, annehmen.
Der Unförmige sprach:
115. (7316.) Wisse, dafs wir beiden Begierde und Zorn
sind, die wir dich in Aufregung versetzt haben; da du aber
Digitized by Google
Adhyaya 199 (B. 199).
209
das Wort „gemeinschaftlich" ausgesprochen hast, so sollen
die gleichen Welten dir und ihm gehören.
IIB. (7317.) Jener ist dir nichts schuldig, sondern du bist
nur auf die Probe gestellt worden. Hier sind Kala, Dharma
und Mrityu, ferner Begierde und Zorn, und endlich ihr beiden
fzu diesem Zwecke versammelt].
117. (7318.) Dir, der du alles nach seinem gegenseitigen
inneren Wesen geprüft hast, [kommen sie zu,] so gehe denn
ein in die Welten, die du durch dein Tun verdient hast, so-
fern du willst.
Bhtshma (der Erzähler) sprach:
118. (7319.) Die Frucht, welche die Murmler erlangen, die
habe ich dir aufgezeigt und das Ziel, den Ort und die Welten,
wie sie von dem Murmler errungen werden.
119. (7320.) Wer die Samhitä studiert, der geht ein zu
dem höchsten Gott Brahman, oder er gelangt zu Agni, oder
auch er geht ein in die Sonne.
120. (7321.) Und wenn er sich bei ihnen einer lichtartigen
Natur erfreut, so erwirbt er sich ihre Quali täten, von Liebe
zu ihnen geblendet.
121. (7322.) Und ebenso wenn er im Monde und im Winde-
in einen erdigen oder ätherischen Leib eingeht, wohnt er bei
ihnen voll Liebe und bewegt sich in ihren Qualitäten.
122. (7323.) Oder wenn er bei ihnen von Liebe sich be-
freiend ins Zweifeln kommt und nach dem Höchsten, Unver-
gänglichen verlangt, so geht er weiter zu diesem ein.
123. (7S-J4.) Und von Unsterblichkeit zu Unsterblichkeit
gelangend, beruhigt geworden und selbstlos, zu Brahman ge-
worden und frei von Zweiheit ist er selig, beruhigt und
ohne Leid.
124. (7325.) Dann geht er ein zu der Brahmanstätte, von der
keine Wiederkehr ist, zu der einen, die das Unvergängliche
heifst, zu dem schmerzlosen, alterlosen und beruhigten Orte.
125. (7326.) Zu dem von den vier Merkmalen [den vier
Erkenntnisnormen] freien, sowie von den sechs [Schwächen]
und von den sechzehn (Sechzig Upanishad's S. f)71) freien
Purusha emporsteigend (lies adhikramya) , gelangt er in den
Äther.
Dicimx, IfababbAraUm. 14
Digitized by Google
210
III. Mokshadharina.
126. (7327.) Oder wenn er von Liebe erfüllt, es nicht will,
60 wird er Herrscher über dieses Weltall, und was er be-
gehrt, das erlangt er durch seinen Willen.
127. (7328.) Oder wenn er hinblickt auf die Welten alle,
welche Höllen heifsen, so kann er sich auch in ihnen frei
von Verlangen und von allem losgebunden erfreuen.
128. (7329.) Damit habe ich dir, o grofser König, das Ziel
des Murmlers, wie es ist, vollständig erklärt; was wünschest
du noch weiter zu hören?
So lautet im Mokshadharma die Erzählung vom Muraler
(jdpaka - updkhy&nam).
Atlhyftya 200 (B. 200).
Vers 7330-7364 (B. 1-34).
Yudhishthira sprach:
1. (73so.) Was taten damals weiter nach der Beendigung
dieser Unterredung die beiden, der Brahmane und auch der
König? Das sage mir, o Grofsvater.
2. (7331.) Oder, nachdem jene beiden dort zusammen-
gekommen waren, wie du erzählt hast, was folgte darauf
etwa für eine Unterredung dieser beiden, oder was haben sie
sonst getan?
Bhishma sprach:
3. (7332.) Nachdem er mit dem Worte: „so sei es" zu-
gestimmt [Vers 7318] und den Dharma, sowie auch, o
Herr, den Yama, Kala, Mrityu und Svarga, diese Würdigen,
verehrt hatte,
4. (7383.) nachdem er auch die andern Brahmanenstiere,
welche dort zusammengekommen waren, vorher alle durch
Neigen des Hauptes verehrt hatte, sprach dieser Zwiegeborene
zu dem Könige wie folgt:
5. (783t.) 0 Königsweiser, nunmehr mit jener Frucht aus-
gestattet, gehe du ein in die Höchstheit, ich aber, von dir
entlassen, will weiter fortmurmeln.
6. (7335.) Denn schon vordem wurde mir dieser Wunsch
Digitized by Google
Adhyäya 200 (B. 200).
211
von der Göttin gewährt [oben Vers 7208 fg.], o Hochmäch-
tiger, indem sie, o Herr des Volkes, sprach: „Möge der
Glauben an dein Murmeln dir immer treu bleiben."
Der König sprach:
7. (7336.) Wenn auch in dieser Weise [durch Übertragung
der Frucht an mich] deine Vollendung der Frucht beraubt
wurde und der Glaube an das Murmeln in dir fortbesteht,
so komme, o Priester, und erlange mit mir die Frucht für
dein Murmeln.
Der Brahmane sprach:
8. (7337.) Grofse Anstrengung ist [von uns beiden] ge-
macht w r orden in Gegenwart von jenen allen; zusammen,
gleichen Teil an der Frucht habend, gehen wir beiden nun-
mehr dahin, wohin unser Weg uns fuhrt.
[Bhlshma sprach:]
9. (7338.) Als der Herr der dreifsig [Götter] den Ent-
schlufs dieser beiden erkannte, da kam er mit den welt-
hütenden Göttern herbei, sowie ferner auch
10. (7339.) die Seligen, die Vicve Deväh, die Marut's und
mächtig grofse Musikinstrumente, sowie die Flüsse, die Berge,
die Meere und mancherlei heilige Orte,
11. (7340.) ferner die Askesen und die Lehre der Verbin-
dung [von Gott und Seele], die Veden, die Lobgesänge, die
Savasvati [Göttin der Rede], Närada und Parvata, [die
Gandharven] Vicvävasu, Haha und Huhu,
12. (7341.) sowie der Gandharva Citrasena nebst den
Scharen seiner Umgebung, auch die Schlangen, die Vollende-
ten, die Munfs, der Göttergott, Prajapati,
13. (7342.) Vishnu und der unausdenkbare, tausendköpfige
Gott [der Purusha, Rigveda 10,90] kam herbei. Dabei liefsen
sich hören im Lufträume Pauken und sonstige Musikinstru-
mente, o Herr.
14. (7343.) Es erfolgten daselbst himmlische Blumenregen
von diesen Hochherzigen her, es tanzten Scharen von Apsaras
hier und dort überall.
14*
Digitized by Google
212
III. Mokshudharma.
15. (7344.) Da sprach in körperlicher Gestalt Svarga (der
Himmel) zu dem Brahmanen das folgende Wort: du bist ein
Allvollendeter, Hochbeglückter, und auch du, o König, bist
ebenso ein Vollendeter.
16. (7846.) Darauf, o König, bewirkten jene beiden in einer
sich einander unterstützenden Weise das Abtun der Sinnen-
dinge von sich beiderseits.
17. (7346.) Und nachdem die beiden ihren Präna, Apana,
Udäna, Samäna und Vyäna in dieser Weise in ihrem Manas
zum Stillstand gebracht hatten, versenkten sie ihr Manas in
ihren beiderseitigen [zentralen] Lebenshauch [den Mukhya-
präna].
18. (7347.) Und nachdem sie diesen zur Fixierung gebracht
hatten an der Nasenwurzel unterhalb der Augenbrauen, hielten
sie ihn durch Zusammenziehung der Augenbrauen mitsamt
dem Manas daselbst fest.
19. (7348.) Mit unbeweglichen Körpern und festem Blicke
in Meditation versunken und sich selbst überwunden habend,
verlegten die beiden ihren Atman in das Haupt.
20. (7349.) Da spaltete er [der Ätman] die Gaumengegend
des hochsinnigen Brahmanen und ging als eine mächtige
Lichtflamme zum Himmel empor.
21. (7350.) Ringsumher aber erhob sich ein allgemeiner
Ausruf der Bewunderung „hähä"!, und jenes Licht, von Lob-
gesängen begleitet, ging ein zum Gotte Brahmän.
22. (7351.) Da sprach der Urvater zu jenem Lichte: sei
willkommen!, indem er ihm, dem spannegrofsen Purusha
[Sechzig Upanishad's S. 144 fg.], entgegen ging, o Völkerherr.
23. (7352.) Und weiter sprach er noch das liebliche Wort :
Gleiche Frucht haben die Gebetsmurmler mit den Yoga-
übenden, daran ist kein Zweifel.
24. (7353.) Was den Yoga betrifft, so liegt vor aller Augen
die Erkenntnis der Frucht für jene, die ihn üben; den Ge-
betsmurmlern aber sei noch als eine besondere Auszeichnung
das Emporsteigen [zu mir] beschieden.
25. (7354.) So nimm denn in mir Wohnung! So sprach
er und belehrte ihn des weiteren fort und fort Da ging in
seinen Mund hinein der von Leid befreite Brahmane.
Digitized by Google
I
Adhy&ya 200 (B. 200). 213
2t>. Und auch der König ging auf diese Weise
••»»nso wie der Brahmanentiger in den heiligen Urvater ein.
27. 17356.) Darauf begrüfsten die Götter den durch sich
^ibsi Seienden und sprachen : Den Gebetsmurmlern aber sei
noch als eine besondere Auszeichnung das Emporsteigen [zu
<tir] beschieden.
28. (7357.) Um der Gebetsmurmler willen geschah diese
Kemiihung, dafs wir hierher gekommen sind; beide [die
Murmler und die Yogin's] verehren dich gleichmafsig, beide
empfangen von dir die gleiche Frucht.
2t». <735s.) Heute fürwahr tritt es zutage, dafs der Yoga-
l tende und der Gebetsmurmler eine grofse Frucht ernten :
all* Wehen überschreitend dürfen sie wandern, wo es ihnen
Miebt.
I>er Gott Brahman sprach:
(7359.) Auch der, welcher die Mahäsmriti, und der,
»elcher die schöne Anusmriti studiert [nach Nil. die Samhita
und die sechs Vedafiga's, vielleicht ist die Rezitation und
künftige Rezitation unserer Stelle gemeint], auch diese beiden
m«>ßen zu der Weltgemcinschaft mit mir eingehen.
31. f7J«o.i Und wer dem Yoga ergeben ist, auch von dem
eilt es, daran ist kein Zweifel; auf dieselbe Weise wird auch
♦f nach dem Ende des Leibes meine Welten erlangen. (73ki )
Ich breche auf, und auch ihr möget hingehen an euren Ort
mm glücklichen Gelingen.
32. «TM*.» So sprach der Gott und verschwand, und auch die
<nkt**r grüfsten sich und gingen ein jeder in seine Wohnstätte.
<73«3 ) Und auch alle die anderen Hochherzigen, nach-
dem *e ihrer Pflicht ehrenvoll genügt hatten, gingen hinter
ihiiffj her. o König, alle mit hocherfreutem Geiste.
M. (7S«4.) So steht es mit der Frucht der Gebetsmurmler
und das ist der Weg, der ihnen verkündigt worden ist der
Schrift gemäfs, o grofser König! — Was wünschest du nun
»«ter zu hören?
Sq luUt im Mok«h»4b»rm» dl« Kriithlun* >oin Murmirr
(jdftala-updlhyd tarn ) .
Digitized by Google
214 in. Mokshadharma.
■
Adhy&ya 201 (B. 201).
Vera 7365-7393 (B. 1-27).
Yudhishthira Bprach:
1. (7365.) Was ist die Frucht der Hingebung an die Er-
kenntnis, der Veden und der Bezähmung, und wie ist der
Bhütatman (die empirische Seele) erkennbar? Das sage mir,
o Grofsvater.
Bhishma sprach:
2. (7366.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen Manu, dem
Vater der Geschöpfe, und dem grofsen Rishi Brihaspati.
3. (7367.) Dem Prajäpati, dem Oberherrn der Geschöpfe,
stellte der Vorzüglichste in der Schar der Götterweisen,
der grofse Weise Brihaspati, folgende Frage in der Vor-
zeit, indem er sich als Schüler vor ihm als Lehrer ver-
neigte.
4. (7368.) Was die Weltursache ist, von wo die Opfer-
satzung ausging, und welche Frucht die Weisen der Er-
kenntnis zuschreiben, sowie was durch den Wortlaut der
Hymnen nicht zum Verständnis gebracht worden ist, das
sage mir, o Heiliger, wie es ist.
5. (7369.) Was von den Kennern der Klugheitsregeln,
der heiligen Überlieferung und der Mantra's als die durch
mancherlei Opfer und Schenken von Kühen zu erlangende
Frucht [verheifsen], und was als solche von jenen Grofsen
geschätzt wird, was ist das und wie wird es oder wo
sich verwirklichen?
6. (7370.) Woher entstanden sind die Erde, die Erd-
geborenen, der Wind, der Luftraum, die Wasserbewohner
und das Wasser, sowie der Himmel und die Himmels-
bewohner? Diese alte Lehre teile mir mit, o Heiliger.
7. (7371.) Die Quelle, aus der der Mensch das Wissen
zu gewinnen sucht, aus dieser entspringt auch die auf
den Zweck des Wissens gerichtete Betätigung. Ich aber
kenne dieses höchste Ursprüngliche nicht und weifs nicht,
ob ich einen irrtümlichen Weg der Betätigung einschlage.
Digitized by Google
Adhyaya 201 (B. 201).
■
215
8. (7372.) Obgleich ich die Sammlung der Ric's und
Säman's, sowie die Yajus, die Metren, den Gang der Ge-
stirne und die Worterklärung studiert habe, nebst Gram-
matik, Ritual und Lautlehre, so kenne ich doch nicht
den Ursprung der Wesen.
9. (7373.) Das alles mögest du mir, o Herr, erklären
mit allgemeinen Worten und in seinen Besonderheiten,
das also mögest du mir, o Herr, darlegen, und welche
Frucht aus der Erkenntnis oder aus den Werken ent-
springt,
10. (7374.) und wie die Seele aus dem Körper heraus-
fährt, und wie sie wieder in einen neuen Körper eingeht.
Manu sprach:
(7376.) Alles, was einem lieb ist, das nennt man Lust,
und Schmerz wird das Unerwünschte benannt;
11. und „das Erwünschte möge mir zuteil werden,
das andere möge mir fern bleiben", diesem Wunsche
zuliebe ist die Werkvorschrift gegeben worden. (737«.)
Aber „das Erwünschte und das Unerwünschte möge mir
beides nicht zuteil werden", wer so denkt, dem zuliebe
ist die Erkenntnisvorschrift gegeben worden.
12. Die wunschbehafteten Hingebungen an das Werk
werden im Veda gelehrt; nur wer von ihnen sich frei
gemacht hat, erlangt das Höchste; (7377.) aber der Mensch,
der nach Lust begehrend auf dem mannigfaltigen Pfad
der Werke dahin wandelt, der fährt zur Hölle.
Brihaspati sprach:
(7378.) Also Erwünschtes und Unerwünschtes, Lust
und Schmerz, der auf diese gerichtete Wunsch schwebt
dem Menschen vor, wenn er Werke vollbringt?
Manu sprach:
13. (7379.) Nur wer von ihnen sich frei gemacht hat,
ist in das Höchste eingegangen; um jener willen aber
ist die Werkvorschrift gegeben worden; den Wunsch-
haften gefällt die Hingebung an die Werke; wer von
Digitized by Google
III. Moksbadharraa.
ihnen sich frei gemacht hat, der ergreift damit das
Höchste.
14. (7880.) Entflammt durch Werke, die ihn selbst und
anderes zum Ziele haben, bewegt sich der nach Lust
Strebende glänzend in der Pflicht ; aber als ein von dem
Pfade der Werke Fernliegendes erlangt man das wunsch-
lose höchste Brahman.
15. (7381.) Die Wesen sind erschaffen durch den
Wunsch (manas) und durch das Werk, und diese beiden
sind als die guten Wege bei den Leuten beliebt; das
Werk scheint ihnen teils ewig, teils vergänglich zu sein,
aber nur das Aufgeben der Wünsche ist die Ursache
zur [Erreichung des Ewigen], und eine andere gibt
es nicht
16. (7382.) Vermöge seines eigenen Atman [sieht er],
wenn sein Atman nicht mehr von Finsternis umhüllt ist,
so wie das Auge der Führer ist, wenn die Nacht weicht;
sein Wissen aber ist mit der Tugend des Erkennens aus-
gestattet, und er sieht, dafs das Werk unschön und zu
vermeiden ist.
17. (7383.) Schlangen, scharfe Grasspitzen und Brunnen-
löcher meiden die Menschen, wenn sie sie erkannt haben;
aber aus Unkenntnis geraten manche in sie hinein; siehe,
welch ausgezeichnete Frucht in dem Erkennen liegt!
18. (7384.) Aber der vollständige und vorschriftsmäfsig
verwendete Hymnus, ferner die vorgeschriebenen Opfer
und der dabei gespendete Opferlohn, das Spenden von
Nahrung und die Meditation des Geistes, — fünffach, so
sagen sie, ist das Werk und seine Frucht.
19. (7385.) Tugendhaft ist das Werk, wie die Veden
sagen, um seinetwillen ist der Hymnus da, den das Werk
voraussetzt, ist die Vorschrift da, das Vorgeschriebene
und seine Erfassung mit dem Verstände, aber bei allem
dem ist der verkörperte Atman der, welcher die Frucht
geniefst.
20. (7386.) Töne, Gestalten und schöne Geschmacks-
empfindungen, schöne Berührungen und Gerüche, über
Digitized by Google
Adhy&ya SOI (B. 201).
217
diese ist ein Mensch Herr, auch ehe er zum Orte [der
Vergeltung] gelangt ist, denn eine derartige Frucht wird
ihm sicher zuteil in der durch seine Werke verdienten
Welt.
21. (73*7.) Alle Werke, die einer mit seinem Körper
vollbringt, deren Frucht erlangt er, indem er wieder mit
einem Körper verbunden wird; nur der Körper ist der
Tummelplatz der Lust, und auch des Schmerzes Tummel-
platz ist nur der Körper.
22. c:\8s.) Alle Werke, die einer mit seiner Rede voll-
bringt, deren Frucht erlangt er durch die Rede; und alle
Werke, die einer durch sein Manas vollbringt, deren
Frucht erlangt einer, indem er mit einem Manas ver-
bunden ist.
23. (7589.) Je nachdem einer die Qualität der Werke
betreibt, nach ihrer Frucht begehrend und auf die Frucht
der \\ erke versessen, dementsprechend wird er mit dieser
Oualität verknüpft und geniefst die gute oder schlechte
Frucht seines Werkes.
24. (7390 ) Wie ein Fisch der Strömung nachfolgt, so
folgt der Mensch dem von ihm vorher begangenen Werke
nach; aber nur an dem guten Werke erlebt er Freude,
aber keine Freude erlebt an der Übeltat die erhabene
Seele.
25. (7391.) Nachdem du erfahren hast, woher diese
Kauze liebeweit entsprungen ist, und woran Selbst-
bewufste vorbeigehen, so mögest du auch das, was durch
den Wortlaut der Hymnen nicht zum Verständnis ge-
bracht worden ist, dieses, was das Höchste ist, ver-
nehmen von mir, der ich es dir sage.
2t>. (7392.) Das von Geschmack und den mancherlei
Gerüchen Freie, das Tonlose, Unberührbare, Unsichtbare,
l'ngreifbare, Unoffenbare, Farblose, Kine, dieses hat die
fünf Arten der Geschöpfe erschaffen.
27. (73»3.) Was nicht Weib, noch Mann, noch auch
ein Neutrum ist, nicht seiend, noch auch nichtseiend
und auch nicht seiend und nichtseiend zugleich, was die
Digitized by Google
218
III. Mokshadhanna
brahmanwissenden Menschen schauen, dieses Unvergäng-
liche vergeht nicht, das sollst du merken.
So lautet im Mokahaduarma die Unterredung zwischen Mann and Brlhaspati
(Mann - Rrihaspati • »amrdda).
Aclhyftya 202 (B. 202).
Vera 7394-741G (B. 1-23).
Manu sprach:
1. (73D4.) Aus dem Unvergänglichen ist der Äther ent-
standen, aus diesem der Wind, aus diesem das Feuer, aus
diesem das Wasser, aus dem Wasser die Erde, auf der Erde
entsteht die Welt der Lebenden.
2. (7395.) Aus diesen Leibern in das Wasser über-
gehend und aus dem Wasser zu Feuer, Wind, Äther ge-
worden, kehren jene, welche das [wahre] Wesen besitzen,
nicht aus dem Äther zurück, sondern erlangen die höchste
Erlösung.
3. (7396.) Nicht warm ist es und nicht kalt, nicht
weich, noch hart, nicht sauer, herb, süfs oder bitter,
nicht hörbar, nicht riechbar und nicht sichtbar ist jene
höchste Wesenheit.
4. (7397.) Es kennt der Leib das Gefühl, die Zunge
den Geschmack, die Nase die Gerüche, es kennen die
Ohren die Töne und das Auge die Gestalten, nicht aber
erfassen jenes Höchste die Menschen, welche nicht den
höchsten Atman kennen.
5. (7398.) Abkehrend den Geschmackssinn von den Ge-
schmäcken, die Nase vom Geruch, die Ohren von dem
Tone, die Haut von der Berührung und das Auge von
der Eigenschaft der Sichtbarkeit, schaut man das Höchste,
die eigene Selbstwesenheit.
6. (7399.) Dasjenige aber, durch welches ergreifend
man etwas tut, dasjenige, in welchem man diese Tätig-
keit anhebt, dasjenige, in welchem und durch welches
einer zum Täter von etwas wird, was die Ursache ist, das
erkennen jene Weisen als ein [blofses] Aggregat.
Digitized by Google
AdhyAya 202 (B. 202).
219
7. (7*00.) Aber dasjenige, was alldurchdringend und
allvollbringend ist, was von Liedern [wie Brahmabindu-
l'p. 12, nach Nil.] gefeiert in der Welt bestehen bleibt,
was die Allursache ist und als höchste Seele wirkend,
das ist es, was verschieden ist von dem, was Ursache
und Wirkung heifst.
8. fTioi.) Denn so wie ein Mensch durch seine eigenen
[lies sva] Werke Gutes und Schlimmes unfehlbar er-
langt, so wird in guten und schlimmen Verkörperungen
vermöge der aus den eigenen Werken entspringenden
Frucht die Wissenschaft [von dem Höchsten] gebunden
(latent).
i*. Wie eine vorher angezündete Fackel, indem
?ie leuchtet, dem, was sie nicht ist, Sichtbarkeit verleiht, •
so streben hier die in den Fackeln der fünf Sinne sich
verzweigenden Bäume, wenn sie von der Erkenntnis ent-
zündet werden, nach dem Höchsten hin.
10. r74(i3.) Und wie von einem Könige beauftragt die
vielen Minister seine Autorität im einzelnen zum Aus-
druck bringen, so sind in den Leibern fünf einzelne
Richtungen der Erkenntnis vorhanden, aber Er ist ihr
Oberherr.
11. (7404.) Wie die Flammen des Feuers, wie die Stöfse
des Windes, wie die Strahlen der Sonne und die Wasser
der Ströme hin und her wogend gehen und kommen, so
steht es auch mit den Körpern der Verkörperten.
12. (7405 ) Und wie einer, der die Axt ergriffen hat,
nicht den Rauch und das Feuer sieht, die in dem [zu
spaltenden] Holze verborgen schlummern, so kann einer
den Leib mit Bauch, Händen und Füfsen zerschneiden
und sieht doch nicht das, was von dem allem verschie-
den ist.
13. (740« ) Wie aber einer, der eben jene Holzscheite
aneinander reibt, durch ihre Verbindung den Rauch und
dm* Feuer zu sehen bekommt, so sieht der Verständige,
zugleich mit Sinnen und Geist Behaftete, als ein Er-
weckter [lies budhah mit C] das Höchste, nämlich jene
seine eigene Wesenheit.
Digitized by Google
III. Mokshadharma.
14. (7407.) Und wie man etwa im Traume den eigenen
Leib auf die Erde herabgestürzt sieht als verschieden
von dem, was man in Wirklichkeit ist, so geht der mit
den Sinnesorganen, mit Manas und mit Buddhi Behaftete
[beim Tode] aus dem einen Lingam (hier gleich Körper)
in ein anderes Lingam über.
15. (740R.) Durch die Zufälligkeiten, Entstehen, Wachs-
tum und Vergehen wird jener höchste Verkörperte nicht
betroffen, sondern wandert unsichtbar aus einem Lingam
in ein anderes Lingam vermöge der Behaftung mit der
Frucht der Werke.
16. (7409.) Nicht mit dem Auge sieht man die Gestalt
des Atman, und nicht gelangt man irgendwie dazu, ihn
zu berühren, auch ist er es nicht, der durch jene [Organe]
eine Wirkung vollbringt; sie können ihn nicht sehen,
wohl aber sieht er sie.
17. (74io.) So wie in der Nähe eines flammenden Feuers
irgendeiner [z. B. ein Eisenklumpen nach Nil.] die aus
der Glut herrührende Erscheinungsform annimmt, aber
aufser ihr keine andere Beschaffenheit der Gestalt zu-
gleich mit übernimmt, so wird an einem Menschen nur die
eine Erscheinungsform [nämlich die Geistigkeit, caitanyam]
desselben [des Ätman] sichtbar [nicht aber Allwissen-
heit, Allgegenwart usw., vgl. auch Maitr. Up. 3,3; Sechzig
Upanishad's S. 324].
18. (74ii.) Und so geht auch der Mensch, nachdem
er den Leib verlassen hat, unsichtbar in eine andere
Körperlichkeit ein; und indem er seinen Leib in den
grofsen Elementen zurückläfst, so übernimmt er dann
eine [neue] auf jenen [den grofsen Elementen] beruhende
Erscheinungsform.
19. (7412.) Sodann geht der Leibträger (die Seele) ein
in die von allen Seiten zusammengebrachten Äther, Wind,
Feuer, Wasser und Erde, und die Sinnesorgane wie
Ohren usw., mit ihrer betreffenden Aufgabe sich be-
fassend, von vielen Seiten unterstützt, nehmen ihre fünf
Qualitäten an.
20. (7413.) Das Ohr übernimmt sie aus dem Äther, der
Digitized by Google
Adhyüya 202 (B. 21)2).
221
Geruchsinn aus der Erde, feuerartig ist sodann die Sicht-
barkeit wie auch die Verdauung; die auf das Wasser
sich stützende Energie wird sodann Geschmack [lies
rasah mit C] genannt, und windartig ist die Qualität,
die sich zum Gefühl gestaltet.
21. (7414.) In den grofsen Elementen wohnen die fünf
[Qualitäten] und ebenso wohnen sie als die Zwecke der
fünf Sinnesorgane in den Sinnesorganen. Diese alle aber
folgen dem Manas nach, das Manas wiederum der Buddhi
und die Mati (Buddhi) der Selbstnatur (svabhdvaj.
22. (7415.) Was an guten oder bösen Werken oder
sonstwie getan worden ist, das nimmt er auf in seinen
Leib; dem Manas folgen nach die hohen und die niedri-
gen Taten, wie die Wassertiere dem Strome in seinem
Laufe.
23. (7416.) So wie das flüchtig Vorübergehende in den
Gesichtskreis des Blickes eintritt, und wie ein Grofs-
gestal teter als klein erscheint, und wie man seine eigene
Wesenheit [im Spiegel] als Gestalt erschaut, so geht das
Höchste in den Gesichtskreis der Buddhi ein.
So lautet im Mokabadbarma die Unterredung zwischen Mann und Brihaspat
(Manu ' Brihatpati - lamedda).
Adhy&ya 203 (B. 203).
Vers 7417-7439 (B. 1-23).
Manu sprach :
1. (7417.) Aber dasjenige, was, zunächst von den Sinnes-
organen umhüllt, die ihm angehefteten Gunas lange Zeit
in der Erinnerung nicht los werden kann, dieses, näm-
lich die höchste Selbstwesenheit, erscheint weiterhin,
nachdem die Sinnesorgane gehemmt sind, in der Gestalt
der Buddhi.
2. (7418.) Solange einer nicht imstande ist, die gleich-
zeitig und zu verschiedenen Zeiten von allen Seiten her
auf ihn eindringenden Sinnendinge völlig zu verachten»
Digitized by Google
222
III. Mokshailliartua.
solange bewegt er, der Weise, sich in der veränderlichen
Welt; darum ist er, der Eine, Höchste, ein Verkörperter.
3. (7419.) In das Kajas, das Tamas und in das Sattvam
als drittes, in diese verschiedenen, seinen Standort bilden-
den Guna's geht er ein; so geschieht es, dafs der Ver-
körperte in die Sinnesorgane hineinfährt, wie der Wind
in das im Brennholze lodernde Feuer.
4. (7420.) Nicht durch das Auge kann man die Gestalt
des Atman schauen, nicht schaut ihn der Tastsinn, ein
Sinn nach dem andern [schaut ihn nicht], auch ist kein
Wahrnehmen desselben, welches das Ohr als Kennzeichen
hat, durch das Gehör möglich; er schaut, was in dieser
Weise [durch das Sinnesorgan] getan wird, das Organ
aber fällt dahin [wird als nichtig erkannt].
5. (7421.) Das Ohr und die übrigen Organe sehen nicht,
sondern jeder sieht seinen Ätman durch den Atman; er als
allwissend und allschauend, er als allwissend schaut jene.
6. (7422.) Wie die andere Seite des Himälaya, wie die
Bückseite des Mondes, so ist es nie von Menschen vorher
gesehen worden, aber darum ist es doch nicht nicht.
7. (7423.) Ebenso ist in den Wesen jener subtile Bhüt-
ätman (Element-Atman), der den Erkenntnis -Atman in sich
enthält, nie mit Augen vorher gesehen worden, aber darum
ist er doch nicht nicht.
8. (7424.) So wie die Leute die Zeichnung im Monde, ob-
gleich sie sie sehen, doch nicht herausfinden, ebenso ist jenes
zwar vorhanden, aber nicht hervortretend; doch kann man
nicht sagen, dafs es nicht das Höchste sei.
0. (7425.) Die Weisen, auf den Gang der Sonne merkend,
sehen mit dem Auge des Geistes die gestalthafte Sonne, auch
wo sie vor dem Aufgang oder nach dem Untergang keine
Gestalt zeigt.
10. (7426.) Ebenso suchen mit der Leuchte des Verstandes
die sehr Weisen das Entfernte sich nahe zu bringen, so dafs
es erkennbar wird und die Erkenntnis sich darauf richten kann.
11. (7427.) Denn es kann ja doch ohne das richtige Mittel
kein Zweck erreicht werden, wie ja auch die am Wasser Leben-
den nur mittels gestrickter Netze die Fische fangen können.
Digitized by Google
Adhy&ya 203 (B. 203).
223
12. (7428.) So wie der Fang von Wild durch W^ild , von
Vögeln durch Vögel, von Elefanten durch Elefanten bewerk-
stelligt wird, so wird das zu Erkennende durch die Erkennt-
nis ergriffen.
13. (7429.) Nur die Schlange ist ja auch imstande, die
FuXsspuren fpädänj der Schlange zu sehen, wie wir hören;
ebenso sieht man in den Gestalten durch die Erkenntnis den
in den Gestalten weilenden zu Erkennenden.
14. (7430.) Wie die Sinnesorgane nicht imstande sind, die
Sinnesorgane wahrzunehmen, so ist auch hier der höchste
Verstand nicht imstande, das Höchste, zu Verstehende zu
sehen.
15. (7431.) So wie der Mond in der Neumondsnacht nicht
gesehen wird, weil ein Merkmal fehlt, er aber darum nicht
vernichtet ist, so, wisse, ist es mit dem Verkörperten.
16. (7432.) Denn in der Neumondsnacht ist der Mond nicht
sichtbar, weil seine Behausung verschwunden ist; ebenso ist
jener Verkörperte nicht wahrnehmbar, wenn er von der Kör-
perlichkeit befreit ist.
17. (7433.) Und so wie, einen andern Raum erlangt habend,
der Mond wieder glänzt, so glänzt der Verkörperte wieder,
nachdem er einen andern Körper (Ungarn) erlangt hat.
18. (7434.) Entstehen, Wachsen und Schwinden desselben
wird durch den Augenschein wahrgenommen, aber dies ist
nur der Fall beim Monde, nicht aber bei jenem Verkörperten.
19. (7435.) Wie durch die Kraft seines Entstehens und
Wachsens der Mond als solcher auch in der Neumondsnacht
erschlossen wird, so steht es auch mit dem Gestalteten.
20. (7436.) Wie die Finsternis, wenn sie den Mond be-
schleicht und wieder freigibt, nicht gesehen wird, siehe, so
ist es mit dem Verkörperten, wenn er [den Körper] losläfst
und wieder in ihn hineinschleicht.
21. (7437.) Wie die Finsternis nur vermöge ihrer Verbin-
dung mit Mond und Sonne sichtbar ist, so wird vermöge
seiner Verbindung mit dem Körper der Verkörperte als solcher
erkannt.
22. (7438.) Wie Rahu, nachdem er von Sonne und Mond
[die er verschlungen hatte] losgekommen ist, nicht wahr-
Digitized by Google
224 III. Mokshadhanna.
genommen wird, so wird, nachdem er vom Körper losgekommen
ist, der Verkörperte nicht wahrgenommen.
23. (7439.) Und wie der Mond, nachdem er in der Neu-
mondsnacht geweilt hatte, wieder mit den Mondhäusern ver-
bunden wird, so wird [der Verkörperte], nachdem er vom
Körper befreit ist, mit den Früchten seines Werkes verbunden.
So lautet im Mokihadbanna die Unterredung zwischen Manu and Brihaapati
(Manu- Briha*pati - $ain*dda).
Adhy&ya 204 (B. 204).
Vers 7440-7459 (B. 1-20).
Manu sprach:
1. (7440.) So wie im Traume dieser sichtbare Leib daliegt
und das Geistige, das mit den Sinnesorganen verbundene Be-
wufstsein, umherschweift [vgl. Brih. Up. 4,3,13], ebenso ist
es auch nach dem Tode mit dem, was entsteht, und dem,
was vergeht.
2. (7441.) Wie einer in ruhigem Wasser mit dem Auge
seine Gestalt sieht, so sieht man, weil die Sinne zur Ruhe
gebracht sind, mit der Erkenntnis das zu Erkennende.
3. (7442.) Und wie ebenderselbe, wenn jenes Wasser be-
wegt ist, seine Gestalt nicht mehr sieht, ebensowenig (lafliä)
kann man im aufgeregten Zustande der Sinnesorgane das zu
Erkennende durch die Erkenntnis schauen.
4. (7443.) Durch Nichtwissen wird Buddhilosigkeit bewirkt,
durch Buddhilosigkeit wird das Manas mitfortgerissen, wird
aber das Manas verdorben, so werden seine fünf Abkömm-
linge [die Indriya's] mitverdorben.
5. (7444.) Wer sich am Nichtwissen erfreute und in die
Sinnendinge versenkt war, der wird [nach dem Tode] nicht
erfreut, sondern in einer mit der unsichtbaren Werkfrucht
behafteten Weise kehrt sein Bhütätman zu den Sinnendingen
zurück.
6. (7446.) Eine Abscheidung von dem Durste (tarsha)
findet hienieden nicht statt für den Menschen (purushaj wegen
Digitized by Google
Adhy&ya 204 (B. 204).
225
seines Beschmutztseins. Erst dann erlischt der Durst, wenn
die Sünde zu Ende gegangen ist.
7. (7446.) Aher wegen der Befangenheit und des Zuflucht-
suchens des Ewigen in den Sinnendingen und weil einer mit
dem Manas anderes [als er sollte] verlangt, gelangt er nicht
zu dem Höchsten.
8. (7447.) Die Erkenntnis geht dem Menschen auf, wenn
das böse Werk vernichtet wird, dann schaut er wie in einer
klaren Spiegelfläche sich selbst in sich selbst.
9. (7448.) Wer den Sinnesorganen die Zügel schiefsen läfst,
der leidet; wer ebendieselben bändigt, dem ist es wohl; darum
soll man von den Objekten der Sinnesorgane sich selbst durch
sich selbst zügelnd zurückhalten.
10. (7449.) Den Sinnesorganen steht das Manas voran, und
höher als dieses ist die Buddhi; höher als die Buddhi ist das
Bewufstsein (jnänam), höher als das Bewufstsein steht das
grofse Prinzip [mahnt sc. tattvam, d. h. der Mahan].
11. (7450.) Aus dem Unentfalteten [d. h. der PrakritiJ geht
hervor das Bewufstsein, aus diesem die Buddhi, aus dieser
das Manas [wie Käth. Up. 3,10-11, mit Einschiebung von
jnänam]; das Manas, mit Ohr usw. sich verbindend, erkennt
richtig die Töne usw.
12. (7451.) Wer diese, die Töne usw., aufgibt und mit
ihnen alle übrigen Entfaltungen [vyaMayah als Akkusativ!],
nämlich die aus der Prakriti entspringenden Scharen, fahren
läfst, der, indem er diese losläfst, erlangt Unsterblichkeit.
13. (7452.) So wie der Sonnengott, wenn er aufgeht, den
Kranz der Strahlen aus sich ausbreitet, und wenn er unter-
geht, das alles wieder in sich selbst hereinzieht,
14. ("453.) ebenso geschieht es, dafs das innere Selbst, in
den Körper eingehend, nachdem es mit den Strahlen der
Sinnesorgane die fünf Qualitäten der Sinnesorgane erreicht
hat, zurückkehrend wieder untergeht.
15. (7454.) Den durch das Werk gewiesenen Weg wird
einer immer wieder und wieder geführt und erlangt die Frucht
der Werke, nachdem er die aus ihnen hervorgehende Be-
schaffenheit erlangt hat.
16. (7455.) Die Sinnendinge kehren sich ab von der Seele,
Dil iim, MftbAbh&rftUm. lf»
Digitized by Google
226
DJ. Mokshadharma.
die sich nicht mehr an ihnen nährt, und indem sie nicht melur
geschmeckt werden, geht auch der Geschmack an ihnen ver-
loren für einen, der das Höchste geschaut hat.
17. (7456.) Wenn die Buddhi, von den Qualitäten ihres
Wirkens befreit, im Manas weilt, dann geht dieses ein in das
Brahman, indem es in eben demselben untergeht.
18. (7457.) Dann geht man ein in die nicht-fiihlende, nicht-
hörende, nicht-schmeckende, nicht-sehende, nicht-riechende
und nicht-denkende höchste Wesenheit.
19. (7458.) In dem Manas versinken die Gestalten, das
Manas aber geht ein in die Mati (Buddhi), die Mati geht
ein in das Bewufstsein fjnänamj^ das Bewufstsein in das
Höchste.
20. (7459.) Nur durch die Sinnesorgane kann das Manas
sich betätigen, nicht kann das Manas die Buddhi erkennen,
nicht die Buddhi das Unentfaltete, aber das Feine [der Atman]
schaut sie alle.
8o lautet im Mnkshadharme die Unterredung zwischen Mann und Brihaepati
(Mann - Brihatpoti - $amedda).
Adhyftya 205 (B. 305).
Vers 7460-7485 (B. 1-26).
Manu sprach .
1. (7460.) Wenn ein Schmerzanfall, sei es ein körperlicher
oder geistiger, sich einstellt, gegen den eine Anstrengung
nichts ausrichten kann, so soll man sich nicht weiter um ihn
kümmern.
2. (7461.) Das ist das Heilmittel des Schmerzes, dafs man
sich nicht um ihn kümmert, denn wenn man über ihn grübelt,
so drängt er sich auf und wächst nur noch mehr an.
3. (7462.) Durch Denken soll man den geistigen Schmerz
bekämpfen, wie den körperlichen durch Arzneimittel, denn
dazu ist die Erkenntnis fähig ; man soll es den Rindern nicht
gleichtun.
4. (7463.) Vergänglich ist Jugend, Schönheit, Leben, Be-
Digitized by Google
Adhyftya 205 (B. 205).
sitzanhäufung, Gesundheit und Zusammensein mit Freunden;
der Weise soll nicht danach trachten.
b. (7*64.) Man soll nicht als einzelner klagen über das
Lrid, das das ganze Land betrifft, sondern ohne zu klagen
soll man ihm abhelfen, wenn man ein Heilmittel ersieht.
»i. (74«.) Im Leben überwiegt das Leid die Lust, daran
ist kein Zweifel, und für einen, der noch an den Sinnen-
dingen klebt, ist vermöge seiner Verblendung der Tod un-
erwünscht.
(. (7466.) Der Mensch, welcher beides, Leid und Lust,
aufgibt, der erlangt das unendliche Brahman; solche Weisen
klagen nicht.
(74«7.) Mit Schmerz werden die Schätze erworben, und
auch ihre Bewahrung macht keine Freude; mit Schmerz werden
s* erlangt, um ihren Verlust soll man sich nicht kümmern.
1*. <74**u Die Erkenntnis entspringt aus dem Erkenntnis-
ohjekte, das wisse, und das Manas besitzt die Qualität des
Erkennens, es ist mit dem Organ der Erkenntnis ausgerüstet,
und nach ihm tritt die Buddhi in Tätigkeit.
10. i74ö.) Wenn die mit der Qualität ihrer Tätigkeit aus-
hustete Buddhi im Manas sich betätigt, dann wird durch
Erkenntnis, Hingebung und Versenkung das Brahman erkannt.
1 1. (747o.) Solange diese Buddhi mit den Qualitäten be-
haftet ist, beschäftigt sie sich auch nur mit den Qualitäten
und gleitet von dem andern [dem Brahman] ab, wie Wasser
von einem Berggipfel.
12. tun.) Aber wenn sie die qualitätlose Meditation, die
•chon vorher da war, im Manas [weilend] erlangt, dann wird
4at Brahman erkannt, wie der Goldstrich auf dem Probierstein.
13. (7472.) Aber wenn das Manas, nachdem es vorher sich
fcrtreifsen liefs durch den Anblick der Sinnendinge, nicht
m#hr achtet auf die Qualitäten des vor Augen Liegenden, dann
Etnnnt es einen Einblick in das Qualitätlose.
14. I747S.) Alle jene Pforten verschliefsend, gelangt man,
na Mana.« stehend und im Manas die Konzentration bewirkend,
m jenem Höchsten.
15. (7474) Wenn die grofsen Elemente durch Aufhebung
15*
Digitized by Google
228
III. Mokshadhanna.
ihrer Qualitäten zunichte werden, dann nimmt die Buddhi die
Sinnesorgane in sich auf und verharrt im Manas.
16. (7475.) Wenn diese Buddhi im Manas verharrt und
sich im Innern desselben hält und dabei mit der Qualität der
Entschliefsung begabt ist, dann bemächtigt sie sich des Manas.
17. (7476.) Und wenn das vorher mit den Qualitäten des
Qualitäthaften belastete Manas zur Qualität der Meditation
gelangt, dann läfst es alle jene Qualitäten fahren und er-
langt das Qualitätlose.
18. (7477.) Aber was die Erkenntnis des Unentfalteten be-
trifft, so ist ein entsprechendes Schauen desselben nicht mög-
lich. Denn wo kein Abdruck einer Fufsspur vorhanden ist,
wer kann da eines Gegenstandes habhaft werden?
19. (7478.) Durch Askese, durch Schlufsfolgerung, durch
Tugenden, durch edle Geburt und durch Schriftgelehrtheit
soll man dem höchsten Brahman nachstreben mit reinem
innern Geiste.
20. (7479.) Von Qualitäten frei geht man aufserhalb der-
selben dem guten Wege nach zu dem, was zwar wogen Er-
mangelung der Qualitäten oder seiner Natur nach unerforsch-
lich ist, aber doch dem Erkennbaren sich ähnlich macht.
21. (7480.) Dann erlangt die Buddhi, die sich bisher in
den Qualitäten bewegt hatte, wegen ihrer Qualitätlosigkeit
das Brahman und kehrt zurück von ihrem Behaftetsein mit
den Qualitäten [die dann in ihr schlummern] wie das Feuer
im Brennholze.
22. (74^1.) So wie die fünf Sinne [etwa im Schlafe] von
ihren Tätigkeiten frei werden, so wird auch das höchste
Brahman frei, welches höher ist als die Prakriti.
23. (7482.) In dieser Weise treten alle Verkörperten aus
der Prakriti hervor, und bei ihrer Abkehr von derselben kehren
sie zurück und gehen in den Himmel ein.
24. (7483.) Der Purusha, die Prakriti, die Buddhi, die
Sinnesobjekte (vishayähj und die Sinnesorgane (indriyäni),
der Ahankära und (!) das Ichbewufstsein (abhimana), das ist
der Komplex, welcher ein W r esen fbhutamj genannt wird.
25. (7484.) Die ursprüngliche Entstehung dieses Komplexes
geht hervor aus der Prakriti (pradhänainj, die sekundäre hält
Digitized by Google
Adhyäya 205 (B. 205).
229
sich an die gegenseitige Paarung, durcheinander ohne Unter-
schied.
26. (7485.) Dann wird aus gutem Verhalten Glückseligkeit
gewonnen und aus bösem Unseligkeit ; der mit Leidenschaften
Behaftete geht ein in die Prakriti , aber leidenschaftlos soll
der sein, welcher das Wissen besitzt.
8o lautet im Ifokihadbarma die Unterredung zwischen Manu und ßribaspati
(Manu - Rnhaspati - *<nnrdda).
AdhyAya 206 (B. 20Ü).
Vers 7486-7517 (B. 1-32).
Manu sprach:
1. (7486.) Solange die fünf [Indriya's] samt dem Manas
mit jenen fünfen [den Qualitäten] verbunden sind, wird jenes
Brahman gesehen werden, wie ein Faden, der sich durch einen
Edelsteinschmuck durchzieht.
2. (7487.) Und wie es dann wieder derselbe Faden ist, der
ein Goldgeschmeide durchzieht oder in Perlen, Korallen oder
in einem tönernen Schmuck erscheint,
3. (7488.) so erscheint in Ochsen, Pferden und Menschen
oder in Elefanten und Antilopen, ja auch in Würmern und
Schmetterlingen der durch seine eigenen Werke in sie ge-
bannte Ätman.
4. (7489.) Und je nach dem Körper, in welchem er lebt,
und je nach dem Werke, welches er in ihm vollbringt, dem-
entsprechend erlangt er durch diese oder jene Verkörperung
die eine oder die andere Frucht.
5. (7490.) Wie die Erde, die doch nur einen Geschmack
hat, sich den Zwecken der verschiedenen Pflanzen anpafst,
so bringt die Buddhi den jeweiligen innern Ätman zur Er-
scheinung, indem sie sich dabei nach seinen Werken richtet
[oder: so richtet sich die den innern Ätman zur Erscheinung
bringende Buddhi nach den jeweiligen inneren Werken].
6. (7491.) Nach der Erkenntnis richtet sich das Verlangen,
Digitized by Google
230
III. Mokshadhai nia.
nach dem Verlangen die Absicht, nach der Absicht das Werk,
das Werk als Wurzel habend ist sodann die Frucht.
7. (7492.) Die Frucht geht zurück auf das Werk, das Werk
auf das Erkennbare, das Erkennbare auf die Erkenntnis, die
Erkenntnis auf das, was ist und nicht ist.
8. (7493.) Wenn die Erkenntnisse und ihre Früchte, wenn
die Erkenntnisobjekte und auch die Werke zugrunde gegangen
sind, dann bleibt als Frucht das Wissen als eine Erkenntnis,
die auf das Erkenntnisobjekt sich gründet.
9. (7494.) Dieses ist das grofse höchste Wesen, welches
die Yogin's schauen ; ihn, der im Atman weüt, schauen nicht
die Unverständigen, deren Verständnis in den Guna's be-
fangen ist.
10. (7495.) Gröfser als die Erscheinungsform der Erde ist
die der Wasser ; gröfser als die Wasser ist das Feuer, gröfser
als das Feuer der Wind,
11. (7496.) gröfser als der Wind ist der Äther, höher als
dieser steht das Manas, gröfser als das Manas ist die Buddhi,
gröfser als die Buddhi wird die Zeit genannt;
12. (7497.) gröfser als die Zeit ist jener heilige Vishnu,
der diese ganze Welt beherrscht; nicht Anfang, nicht Mitte,
nicht Ende gibt es dieses Gottes.
13. (7498.) Weil er ohne Anfang, ohne Mitte und ohne
Ende ist, ist er der Unvergängliche; er ist erhaben über alle
Leiden, denn das Leiden ist etwas Endliches.
14. (7499.) Er ist das höchste Brahman, ist die Heimat,
die höchste Stätte; die, welche zu ihm gelangen, werden er-
löst von dem Reiche der Zeit und gehen in die Erlösung ein.
15. (7500.) Sie leuchten hervor unter [den Guna's; weil
gunalos, ist darüber erhaben das Höchste ;~die wahre Pflicht
hat als Merkmal Einkehr in sich, dadurch wird man reif für
die Unendlichkeit.
16. (7501.) Die Hymnen, Opfersprüche und Lieder des Veda
stützen sich auf den Körper, schweben auf der Zungenspitze,
sindjmühsam zu gebrauchen und vergi'tn glich.
17. (7602.) Nicht aber gilt von Brahman, dafs es auf den
Körper sich stützend entstehe, nicht gilt von ihm, dafs es
Digitized by Googl
Adhyäya 20« (B. 206).
231
mühsam zu gebrauchen sei, auch hat es weder Anfang, Mitte,
noch Ende.
18. (7503.) Einen Anfang haben die Hymnen, einen An-
fang die vedischen Lieder und Opfersprüche, und was einen
Anfang hat, das nimmt auch ein Ende; von dem ßrahman
aber gibt es keinen Anfang.
19. (7504.) Und weil es anfanglos und endlos ist, ist es
ohne Ende und unvergänglich, und weil es unvergänglich
ist, ist es frei von Leiden, keine Gegensätze enthaltend und
daher das Höchste.
20. (7505.) Vermöge ihres Verhängnisses, ihrer Ratlosig-
keit und ihrer Kettung an die Werke sehen die Menschen
nicht, wodurch sie zu seiner Stätte gelangen können.
21. (7506.) Denn weil der Mensch mit den Sinnendingen
behaftet ist und in ihnen etwas ewig [auch in der Brahman-
welt] Fortdauerndes sieht und somit in seinem Herzen nach
etwas anderm trachtet, darum gelangt er nicht zum Höchsten.
22. (7507.) Was sie hier als Guna's [der Prakriti] sehen,
danach trachten die niedrigen Menschen und verlangen nicht
nach dem Höchsten, weil es gunalos ist, sie aber nach den
Guna's begehren.
23. (7608.) Wer aber in die niederen Guna's (Qualitäten)
verstrickt ist, wie sollte der auch nur höhere Guna's er-
kennen, — nur durch Folgerung ist es ja zu erkennen — wie
sollte er durch die Guna's als seine Glieder das Höchste erlangen?
24. (7500.) Durch feines Denken erkennen wir es, durch
die Rede können wir es nicht ausdrücken; denn der Geist
mufs durch den Geist erfafst werden und das Sichtbare durch
das Sehen.
25. (75io.) Durch die Erkenntnis läutert man die Buddhi,
durch die Buddhi das Manas und durch das Manas die Schar
der Organe, so erlangt man das Höchste.
2fi. (76ii.) Wer durch die Buddhi freigemacht und
durch das Manas gekräftigt worden ist, der kann zu dem
Wunschlosen, Gunalosen gelangen, aber hienieden in ihrer
Verstörung bleiben die Menschen von dem Höchsten aus-
geschlossen, wie der Wind von dem Feuer, welches im
Brennholze schlummert.
Digitized by Google
ITT. Mokshadharma.
27. (7512.) Wenn die Guna's zertrümmert und Trennung
von ihnen erreicht ist, dann richtet sich der Geist (nianas)
immerfort auf das, was für die Buddhi zu hoch und zu
tief ist; auf diese Weise vorgehend, gelangt man beim
Abstreifen der Guna's zum Brahmanleibe.
28. (7518.) Der Purusha, unentfalteten Wesens, nach-
dem er die Werke entfaltet hat, geht zur Zeit des Endes
wieder in die Unentfaltetheit ein, zusammen mit den Or-
ganen, welche wachsen und wieder hinwelken, entwickelt
auch er sich, nach Belieben sich gestaltend.
29. (7614.) Mit allen Sinnesorganen verbunden und
einen Körper erlangt habend, stützt er sich auf die fünf
Elemente; weil er dazu nicht imstande ist vermöge des
Werks, geht er hienieden nicht zu Ihm, von Ihm ver-
lassen, der das Höchste, Ewige ist.
30. (7515.) Der Mensch sieht nicht das Ende dieser
Erde, und doch wird ihr Ende kommen, das sollst du
wissen; sie [wohl: die Werke] verschlagen ihn, den in
Verwirrung geratenen Höchsten, wie der Wind ein Schiff
auf dem Meere.
31. (7516.) Wie die Sonne, nachdem sie sich mit einer
Beschaffenheit versehen hat, frei von dieser Beschaffen-
heit wird, indem ihr Strahlenkranz schwindet, so geht
ein Muni, wenn er hienieden das Unterschiedlose erlangt
hat, zu dem qualitätlosen, unvergänglichen Brahman ein.
32. (7517.) Den nicht [in den Samsära] Eingegangenen,
der das höchste Ziel der Wohlgesinnten ist, den durch
sich selbst Seienden, den Hort alles Entstehens, den Un-
vergänglichen, dieses Ewige, Unsterbliche, Unvergäng-
liche, Beständige, wer dieses erkennt, der erlangt die
höchste Unsterblichkeit.
So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Mann und firlhatpati
(Manu - Brihaspati - samrMa).
Digitized by Google
■
Adhyaya 207 (B. 207).
233
Adhy&ya 207 (B. 201).
Vers 7518-7566 (B. 1-49).
Yudhishthira sprach:
1.17518.) O hochweiser ürofsvater! Von dem lotosaugigen,
unerschütterlichen Weltschöpfer, dem unerschaffenen Vishnu,
rsprung und Vergange der Wesen,
2. (7519.) von dem Närayana, dem Struppigen, dem Kuh-
gewinner, dem Unüberwindlichen, von diesem, dem Voll-
haarigen, wünsche ich, o Bester der Bharata's, der Wahrheit
g^mäfs zu hören.
BMshma sprach:
3. Mitgeteilt wurde diese Sache von Rama, dem
Sohn des Jamadagni, der sie erzählte, und von dem Götter-
*H*en Narada und von Krishna und von Dvaipäyana (Vyäsa).
4. 1.7581 .j Asita und Devala, o Freund, und der bufsereiche
Välmiki und Markandeya erzählen von dem Kuhgewinner ein
zrofees Wunder.
5. <7588.) Der Vollhaarige (Krishna), o Bester der Bharata's,
wird mit vielen Namen bezeichnet als der Heilige, der Gott,
der Herr, der Purusha, das All, der Alldurchdringende.
6. (7543.) Was aber die Brahmanen in der Welt wissen
von dem Träger des hörnernen Bogens (Vishnu- Krishna), von
dem Hochherzigen, das vernimm, o Yudhishthira, du mit den
langen Armen.
7. (7524.1 Und was, o Fürst der Menschen, die Kenner
d« Altertums an Taten betreffend den Kuhgewinner erzählen,
die will ich dir berichten.
k. /7585.) Er, das Selbst der Wesen, das grofse Selbst
und der höchste Purusha, hat die grofsen Elemente, Wind
|Im*: c4yt<rw|, Feuer, Wasser, Äther und Erde, nacheinander
rwsc.) t'nd er, der Herr und Meister aller Wesen, nach-
d«n er die Erde geschaffen hatte, schuf sich eine Behausung
n den Wassern, er, der hochherzige, höchste Purusha.
10. (7587.1 Der alle Kräfte in sich befassende, höchste
uigmzea Dy Vjüü
234
ITT. Mokßhadharraa.
Purusha , in dieser Behausung liegend , schuf als Erst-
geborenen aller Wesen den Sankarshana [nach Nil. gleich
Ahankara] ;
11. (7528.) ihn hat er als Träger aller Wesen mittels seines
Manas geschaffen, so haben wir vernommen, und dieser trägt
die Wesen, beide, die vergangenen und die zukünftigen.
12. (7529.) Darauf entstand in diesem Grofsarmigen, Hoch-
herzigen, nachdem er in die Erscheinung getreten war, in
seinem Nabel eine sonnengleiche, himmlische Lotosblume.
13. (7530.) In dieser Lotosblume entstand, die Himmels-
gegenden bestrahlend, der heilige Gott Brahmän, o Freund,
der Urvater aller Wesen.
14. (7531.) Und weiter entstand in diesem Grofsarmigen,
Hochherzigen, nachdem er in die Erscheinung getreten war,
mittels des Tamas ein grofser Dämon mit Namen Madhu.
15. (7532.) Diesen Gewaltigen, Gewalttätigen, gewaltige
Werke Unternehmenden erschlug der höchste Purusha, dem
Gotte Brahmän Genugtuung verschaffend.
16. (7533.) Und weil er, o Freund, diesen erschlagen hatte,
so nannten ihn alle Götter, Dänava's und Menschen den
Madhusudana (Madhutöter), ihn, den Stier unter dem Volke
der Sätvanfs.
17. (7534.) Weiterhin schuf der Gott Brahmän als seine
geistigen Söhne die den Daksha als Siebenten Habenden,
Marici, Atri, Angiras, Pulastya, Pulaha und Kratu.
18. (7535.) Marici als Erstgeborener zeugte, o Freund, als
Erstgeborenen den Käcyapa, als seinen geistigen Sohn, den
kraftvollen Brahmankundigsten.
19. (7536.) Und noch vor Marici hatte Gott Brahmän aus
seiner Zehe einen erschaffen, und der war, o Bester der ßha-
rata's, der Daksha genannte Schöpfer der Wesen.
20. (7537.) Ihm wurden zunächst , o Bhärata, als dem
Schöpfer der Wesen dreizehn Töchter geboren, von diesen
war die Älteste die Diti.
21. (7538.) Und der die Unterschiede aller Pflichten ken-
nende, unbefleckte Ehre habende, hochberühmte Sohn des
Marici, der Käcyapa, o Freund, wurde ihrer aller Gatte.
22. (7539 ) Und nachdem der sehr Glückliche mit ihnen
Digitized by Google
Adhy&va 207 (B. 207).
1'35
zehn weitere Töchter gezeugt hatte, gab er, der Daksha, der
Schöpfer der Wesen, sie dem Dharma, er, der Dharmakundige.
23. (7540.) Die Sohne des Dharma waren die Vasu's, die
unermefslich kräftigen Rudra's, die Vicve Deväh, die Sädhya's
und die Marutvant's, o Bhärata.
24. (7541.) Auch waren da noch siebenundzwanzig weitere,
von jenen verschiedene, jüngere Töchter [des Daksha], und
zum Gatten von ihnen allen wurde der sehr glückliche Sorna.
25. (7542.) Aber jene anderen [dreizehn Frauen des Kagyapa]
gebaren Gandharva's, Rosse, Vögel, Kühe, Kimpurusha's,
Fische, Pflanzen und Bäume.
26. (7543.) Aditi gebar die Aditya's als die Besten der
Götter von grofser Kraft; unter ihnen war es Vishnu, der
als Zwerg entstand und auch als der Herr, Govinda, geboren
wurde.
27. (7544.) Durch das Ausschreiten des Vishnu wurde das
Glück der Götter vermehrt, und die Danava's wurden besiegt,
wie auch die dämonische Nachkommenschaft der Diti.
28. (7545.) Nämlich Danu hatte die Danava's mit Vipra-
citti als Oberstem erzeugt, Diti aber hatte alle die Dämonen
von grofser Macht geboren.
29. (754»;.) Madhusüdana schuf Tag und Nacht, die Zeit
den Jahreszeiten entsprechend, den Vormittag und den Nach-
mittag, dies alles bildete er.
30. (7547.) Nachdem er meditiert hatte, schuf er die Wolken,
sowie das Unbewegliche und Bewegliche, und auch die ganze
Erde mit ihrem Inhalt schuf er durch seine grofse Kraft.
31. (7548.) Dann weiter schuf der sehr glückliche Krishna,
o Yudhishthira, als Beste ein Hundert Brahmanen, aus seinem
Munde schuf sie der Herr,
32. (7549.) und aus seinen Armen hundert Kshatriya's,
aus seinen Schenkeln hundert Vaicya's und aus seinen Füfsen
hundert Rudra's schuf der Vollhaarige, o Stier der Bharata's.
33. (7550.) Und nachdem er, der Askesereiche, in dieser
Weise die vier Kasten hervorgebracht hatte, bildete er als
Aufseher aller Wesen den Schöpfer selbst,
34. (755i.) den Verleiher des Vedawissens, den unermefs-
lich glänzenden Gott Brahmän. Und als Aufseher der Gcister-
Digitized by Google
236
III. Moksliadhanna.
und Mütterscharen schuf er den Gott mit den seltsamen Augen
[virüpaksha, d. h. (^iva].
35. (7652.) Ferner schuf der alle Wesen Beseelende den
Züchtiger der Bösen und Beherrscher der Väter, den Gerechtig-
keit Übenden [Yama], sowie auch den schatzhütenden Herrn
des Reichtums [Kubera].
36. (7553.) Auch schuf der Herr als Beschützer der See-
tiere den Varuna, den Herrn der Wasser, und als Aufseher
aller Götter bildete er den Väsava [Indra].
37. (7554.) Solange jedesmal bei den Menschen die Lust
bestand, einen Körper zu tragen, solange lebten sie damals,
und es bestand keine Furcht vor Yama [dem Todesgotte],
38. (7555.) Auch bestand für sie, o Stier der Bharata's,
noch nicht der Brauch der Begattung, sondern auf ihren
blofsen Wunsch hin entstand ihnen Nachkommenschaft.
39. (7556.) Dann aber in der Zeit des Weltalters TretÄ
entstand die Nachkommenschaft durch blofse Berührung, und
auch für die damals Lebenden bestand noch nicht der Brauch
der Begattung, o Männerfürst.
40. (7557.) Aber in dem Zeitalter Dväpara entstand unter
den Menschen der Brauch der Begattung, o Herr, und in dem
Zeitalter Kali, o König, gerieten die Menschen in Zwietracht.
41. (7558.) Jener (Krishna) wird der Herr der Wesen,
o Freund, und der gute Aufseher [von den Frommen] ge-
nannt. Nun aber will ich dir, o Kuntisohn, diejenigen nennen,
welche sich nicht um ihn kümmern; das vernimm.
42. (755y.) Es sind als Bewohner des Südens, o Bester
der Männer, alle Andhrakas, die Guha's, Pulinda's, Qabara's,
Cücuka's und Madraka's.
43. (7560.) Es sind aber auch Bewohner des Nordens, auch
diese will ich dir nennen : die Yauna's, Kämboja's, Gändhära's,
Kirata's und Barbara's.
44. (7561.) Diese, o Freund, leben als Übeltäter auf dieser
Erde und haben Gebräuche, o Männerherr, wie die Hunde-
kocher, Krähen und Geier.
45. (7562.) Diese, o Freund, lebten noch nicht im Welt-
alter Kritam auf dieser Erde, sondern erst vom Weltalter
Treta an entstanden diese Völker, o Stier der Bharata's.
Digitized by Google
Adhyaya 207 (B. 207).
237
46. (7663.) Nun aber, nachdem diese furchtbare Welt-
periode der Dämmerung angebrochen war, gerieten die Könige
aneinander und griffen sich gegenseitig an.
47. (7564.) In dieser Weise hat, o Bester der Kuru's, jener
von dem Hochsinnigen ans Licht gebrachte Götterweise Närada,
der alle Welten Schauende, den Gott verkündigt.
48. (7566.) Und Närada war es auch, welcher die Höchst-
heit des Krishna erkannte, o Männerherr, und seine Ewig-
keit, o Grofsarmiger, der Wahrheit nach, o Stier der Bharata's.
49. (7666.) Und darum ist jener grofsarmige, wahrhaft
tapfere Vollhaarige, der Unausdenkbare, Lotosaugige; nicht
ist er ein blofser Mensch.
So lautet im Mokshadhanna die Entstehung aller Wesen
Charta - bhäta - utpatti).
Adhyftya 208 (B. 208).
Vers 7567-7603 (B. 1-37).
Yudhishthira sprich:
1. (7567.) Welche Herren der Geschöpfe sind vordem ge-
wesen, o Stier der Bharata's, und welche hochbeglückten
Rishi's werden je nach den einzelnen Himmelsgegenden über-
liefert?
Bhlshma sprach:
2. (7568.) Vernimm, o Bester der Bharata's, das, wonach
du mich fragst, welche Herren in dieser Welt gewesen sind,
und welche Rishi's für die einzelnen Himmelsgegenden er-
wähnt werden.
3. (7569.) Als erster war der eine Heilige, durch sich selbst
Seiende, der ewige Gott Brahmän, von Brahmän aber stammen
sieben hochherzige, durch sich selbst seiende Söhne:
4. (767o.) Marici, Atri, Angiras, Pulastya, Pulaha, Kratu
und [an Stelle des oben Vers 7634 erwähnten Daksha] der
hochbeglückte Vacishtha, vergleichbar dem durch sich selbst
Seienden.
6. (757i.) Als sieben Brahmän's werden diese in dem
Digitized by Google
238
III. MokBhadharma.
Puränam mit Gewifsheit bezeugt. Weiter will ich dir nun
alle Herren der Geschöpfe mitteilen.
6. (7572.) Aus dem Geschlechte des Atri entsprang, dem
Stamme des Gottes Brahmän angehörig, der ewige, heilige
Präcinabarhis; von ihm stammen die zehn Präcetas.
7. (757a.) Diese zehn hatten einen Sohn, den Daksha ge-
nannten Herrn der Geschöpfe, welcher in der Welt zwei
Namen fuhrt, indem er Daksha und auch Ka genannt wird.
8. (7674 ) Von Marici stammt sein Sohn Kacyapa, und
auch er hat zwei Namen; die einen kennen ihn als Arishtanerai,
die andern als Kacyapa.
9. (7R75.) Von Atri stammte als leiblicher Sohn der herr-
liche König Sorna, der Held, welcher zehn göttliche W elt-
alter durch Verehrung übte.
10. (7676.) Auch Aryaman, der heilige, und seine Söhne,
o Herr; diese werden als Gesetzgeber und als Weltschöpfer
genannt.
11. (7577.) Qacabindu aber hatte zehntausend Gattinnen,
o Unerschütterlicher, und von jeder einzelnen von ihnen
wurden tausend Söhne geboren.
12. (7578.) In dieser Weise entsprangen von diesem Hoch-
sinnigen zehnmal hunderttausend Söhne; diese alle erkennen
keinen andern Herrn der Geschöpfe [als ihren Stammvater] an.
13. (7579.) Diese Nachkommenschaft des Qacabindu be-
zeugen die alten Weisen, und dieses grofse Geschlecht des
Herrn der Geschöpfe war der Ursprung des Vrishnistammes.
14. (7580.) Damit sind die berühmten Herren der Geschöpfe
dargelegt. Weiter will ich dir von den Göttern reden, w r elche
die Drei weit regieren.
15. (758i.) Bhaga, Anca und Aryaman, Mitra, sowie auch
Varuna und Savitar, Dhätar und der grofsmächtige Vivasvant,
16. (7582.) Tvashtar, Püshan und Indra und als zwölfter
wird Vishnu genannt, diese zwölf Aditya's sind Söhne des
Kacyapa.
17. (7688.) Näsatya und Dasra werden überliefert als die
beiden Acvin's, diese sind Söhne des Märtanda, des hoch-
sinnigen achten [Aditya, d. h. des Vivasvant].
18. (7684.) Diese wurden vordem als Götter und als die
Digitized by LaOOQle
Adhy&ya 208 (B. 20*).
239
zwei Arten der Väter bezeichnet [die Prajäpatfs als Väter
der Welt und die Söhne der Götter, welche von den durch
sie belehrten Göttern Väter genannt wurden]. Der Sohn des
Tvashtar war der herrliche, hochberühmte Vigvarüpa;
19. (7685.) ferner Aja Ekapät, Ahi, Bradhna, Virupäksha
und Raivata, Hara, Bahurüpa und Tryambaka, der Herr der
Götter,
20. (7686.) Sävitra und Jayanta und der unbesiegbare
Pinäkin. Schon oben wurden die hochbeglückten acht Vasu's
genannt.
21. (7587.) Diese so gearteten Götter stammen von Manu,
dem Herrn der Geschöpfe. Diese wurden vordem als Götter
und als die zwei Arten der Väter bezeichnet.
22. (7588.) An Charakter und Jugend verschieden war die
Schar der Siddha's, und von ihr verschieden die der Sädhya's;
Ribhu's und hinwiederum Marut's wird eine Schar von Göttern
genannt.
23. (7589.) Als solche werden auch jene Vicve Deväh er-
wähnt, sowie die Acvin's. Die Aditya's sind die Kshatriya's
unter diesen [Göttern], die Marut's die Vaicya's.
24. (7590.) Die Acvin's hingegen gelten für (^üdra's, haben
aber ungeheure Askese betrieben ; und endlich die von Angiras
stammenden Götter sind die Brahmanen unter ihnen, das ist
gewifs.
25. (7&9i.) In dieser Weise wird das Vierkastensystem
auch in betreff der Götter gelehrt. Wer nun, nachdem er
morgens aufgestanden, diese Götter preiset,
26. (75»2.) der wird von allem Bösen, mag es von ihm
selbst stammen, oder von anderen herrühren, befreit. Yava-
krita, Raibhya, Arvävasu und Parävasu,
27. (7593.) Kakshivant, der Sohn der Ucij, und Bala, der
Sohn des Angiras, der Rishi Kanva, der Sohn des Medhätithi,
sowie Barhishada,
28. (7594.) diese Schöpfer der Dreiwelt, wohnen, sowie
auch die sieben Rishi's, im Osten. Unmuca und Vimuca
und der heldenmütige Svastyatreya,
29. (7695.) Pramuca, Idhmaväha und der heilige Dridhavrata,
ferner Agastya, der askesereiche Sohn des Mitra und Varuna,
Digitized by Google
240 III. Mokshadharma.
30. (7596.) diese Brahmanweisen halten sich allezeit auf
in der südlichen Gegend. Ushangu, Kavasha, Dhaumya,
Parivyädha, der Held,
31. (7597.) auch Ekata, Dvita und Trita, die grofsen
Weisen, und der heihge Sohn des Atri, der mächtige Särasvata,
32. (7598.) alle diese Hochherzigen wohnen in der west-
lichen Himmelsgegend. Atreya, Vasishtha und der grofse
Weise Kacyapa,
33. (7599.) ferner Gautama, Bharadväja und Vicvamitra,
der Sohn des Kucika, sowie des hochherzigen Ricika heiliger
Sohn,
34. (76oo.) Jamadagni, diese sieben wohnen in der nörd-
lichen Himmelsgegend. Damit sind alle die kraftvoll Kräf-
tigen nach ihrer Himmelsgegend aufgezählt,
35. (7601.) die hochherzigen Zeugen [der Weltschöpfung]
und Schöpfer der Welten. In dieser Weise wohnen diese
Hochherzigen, ein jeder in seiner Himmelsgegend.
36. (7602.) Wer sie anruft, der wird von allem Bösen er-
löst, indem er sich daduroh unter den Schutz derjenigen
Himmelsgegend stellt, welcher jeder einzelne von ihnen an-
gehört.
37. (7603.) Er wird erlöst von allem Bösen und geht be-
glückt nach Hause.
So lautet im Mokftharfharma die Glückeformel der llimuielsKogeutlen
(di\dm noMtikam).
Adhyftya 209 (B. 209).
Vers 7604-7640 (B. 1-36).
Yudhiahthira sprach :
1. (7604.) 0 weiser Grofsvater, du wahrhaft Tapferer im
Kampfe, ich wünsche in Vollständigkeit zu hören von Krishna,
dem ewigen Gotte,
2. (7605.) und welches seine überaus grofse Kraft und
welches sein vordem vollbrachtes Werk ist. Das alles sage
mir der Wahrheit gemäfs, o du Stier unter den Männern.
Digitized by LaOOQle
Adhyaya 209 (B. 209).
241
3. (;«o6.) Sage mir, wie der Herr, in einen Tierschofs
eingegangen, sich zur Erscheinung brachte, und duroh welche
Grofstat- Gewährung dies geschah, das verkündige mir, o
Grofsmächtiger.
Bhishma sprach:
4. (7607.) Einstmals auf die Jagd gegangen weilte ich in
der Einsiedelei des Märkandeya; daselbst sah ich Scharen
von Muni's. welche zu Tausenden umhersafsen.
5. (7608.) Diese erwiesen mir Ehre durch eine Honigs pende,
ich aber nahm die Ehrenerweisung entgegen und sprach den
Rishi's meinen Dank aus.
fi. (7«09 > Daselbst wurde von dem grofsen Weisen Kacyapa
folgende Geschichte erzählt Diese herzerquickende, himm-
lische Erzählung vernimm mit aufmerksamem Geiste.
7. 17610.) Einstmals geschah es, dafs die Obersten der
Danava's. von Zorn und Begierde erfüllt, von Kraft trunken,
m Hunderten mit Naraka an der Spitze, dafs diese grofsen
Ffcmonen
8. (7«n.) und noch viele andere Dänava's von arger Wild-
heit im Kampfe es nicht ertrugen, das höchste Gedeihen der
(bitter zu sehen.
1*. r;*i2.> Die Götter aber und die Götterweisen, von den
bänava's bedrängt, fanden keinen Schutz, o König, indem
«j- hierhin und dorthin flüchteten.
10. (reis > Da sahen die Bewohner des Himmels die Erde
id bedrängter Lage, wie sie von den Dänava's, den furcht-
►•r halteten, grofsmächtigen, ganz überdeckt war
IL (76u.) und, von dieser Last gedrückt, freudlos und
-chmerzgequält versank. Da sprachen die geängstigten Söhne
4er Aditi zum Gotte Brahmän folgendermafsen :
12. (76ts> Wie werden wir, o Brahmän, der Vergewalti-
ge durch die Danava' s Meister werden? Da sprach der
durch «oh selbst Seiende: Ich habe hierfür schon einen Aus-
»n: vorbereitet.
i:>. Ganz erfüllt von ihrem Werte, ihrer Gewalt
uad ihr*r Tollheit bemerken sie nicht, die Toren, den Vishnu,
Erscheinung noch verborgen ist,
242
III. Mokshadhanna.
14. (Ten.) den, wenn er die Gestalt eines Ebers annehmen
wird, auch von Unsterblichen unbezwingbaren Gott. Der
wird im Sturm dorthin eilen, wo jene gemeinen Dänava's
15. (7618.) in die Erde eingedrungen, die Furchtbaren, zu
Tausenden weilen, und wird sie zur Ruhe bringen. Als dies
die vortrefflichen Götter hörten, freuten sie sich.
16. (7619.) Darauf nahm der sehr kräftige Vishnu die Ge-
stalt eines Ebers an, drang in die Erde ein und ging auf die
Söhne der Diti los.
17. (7620.) Als nun die Ditisöhne allesamt dieses nicht-
menschliche Wesen sahen, da erhoben sie sich alle mit Ge-
walt und Ungestüm, vom Todesgotte (Käla) verblendet.
18. (7621.) Darauf stürmten sie alle im Verein auf den
Eber los und packten ihn ; und voll Zorn zerrten sie den Eber
von allen Seiten.
19. (7622.) Aber die Dänava-Fürsten, obgleich mit grofsen
Leibern und von grofser Tapferkeit und hochfahrend vermöge
ihrer Kraft, vermochten ihm nichts anzutun, o Herr.
20. (7623.) Da gerieten die Dänava- Fürsten in Staunen
und in Furcht und begriffen zu Tausenden, dafs ihr eigenes
Selbst Gefahr zu laufen drohte.
21. (7624.) Da geschah es, dafs der Obergott der Götter,
von Yoga erfüllt und als Lenker der Yoga- Anschirrung zum
Yoga greifend, o ßester der Bharata's, dafs er, der Heilige,
damals
22. (7625.) ein grofses Gebrüll ausstiefs und dadurch die
Daitya's und Dänava's in Verwirrung brachte, ein Gebrüll,
von welchem die Welten und alle zehn Himmelsgegenden
widerhallten.
23. (7626.) Durch diesen widerhallenden Ton entstand eine
Erschütterung der Welten, die Götter mit Indra an der Spitze
gerieten in der Welt in grofsen Schrecken,
24. (7627.) und die Lebewelt war ganz starr damals, die
unbewegliche und die bewegliche, durch dieses Gebrüll in
Bestürzung geratend,
25. (7628.) und alle die Dänava's, durch dieses Gebrüll in
Furcht versetzt, stürzten leblos nieder, betäubt duroh die
Kraft des Vishnu.
Digitized by Googl
Adhyaya 209 (B. 209).
1>43
26. (762«».) Und auch in die Unterwelt stieg der Eber hinab
und zerrifs mit seinen Klauen das Gefiige von Fleisch, Fett
und Knochen der Götterhasser.
27. (763o.) Aber wegen jenes grofsen Gebrülls fnädaj
wurde er Sanätana (der Ewige) genannt, er, der lotos-
entsprossene, grofse Yogin, der Lehrer und Fürst der Wesen.
28. (7631.) Da liefen alle die Götterscharen zum Urvater
und, bei ihm angelangt, sprachen die Hochherzigen zum Herrn
der Welt:
29. (7632.) Was ist das für ein Gebrüll, o Gott, wir kennen
es nicht, o Herr? Was ist es mit ihm, und von wem kommt
das Gebrüll, durch welches die Welt ins Wanken ge-
bracht wird
30. (7633.) und Götter und Dänava' s in Verwirrung ge-
raten vermöge seiner durchdringenden Macht? In diesem
Augenblicke erhob sich in der Gestalt des Ebers Vishnu,
(7634.) o Grofsarmiger, er, der von grofsen Weisen Gepriesene.
Der Allvater sprach:
31. (7635.) Der die Dänava-Herren niedergeworfen hat, der
sehr erhabene, sehr kräftige, dieser Gott, der grofse Yogin,
der Beseeler und Bildner der Wesen,
32. (7636.) der Herr aller Wesen, der Yogin, der Muni,
das Selbst des Selbstes, — bleibt getrost ! — es ist Krishna,
der Vernichter aller Hindernisse.
33. (7637.) Er ist es, der dieses überaus wohltätige, un-
mögliche Werk vollbracht hat, der unermefslich Glänzende,
nunmehr in seine Wesenheit Zurückgekehrte, der sehr Glück-
liche, sehr Leuchtende,
34. (7638.) der Lotosnablige, der grofse Y r ogin, der hoch-
herzige Bildner der Wesen. Keine Qual, keine Furcht, kein
Kummer überkomme euch, o Beste der Götter!
35. (7639.) Er ist der Schöpfer, ist die Majestät und ist
auch die Vernichtung bewirkende Zeit. Von ihm, der die
Welten erhält, von dem Hochherzigen ist jenes Gebrüll aus-
ffestofsen worden.
36. (7640.) Und er, der Grofsarmige, wird in allen W'elten
16*
Digitized by Google
244 HI. Mokshadharma.
verehrt, der Unerschütterliche, Lotosaugige, der Ursprung
aller Wesen, der Gottherr.
So lautet im Mokshadharma das Spiel in der Erde
(anlas- bhtoni- vikridanam).
Adhyftya 210 (B. 210).
Vers 7641-7688 (B. 1-46).
Yudhishthira sprach:
1. (7641.) Den höchsten Yoga der Erlösung, o Freund, er-
mir, o Bhärata; ihn wünsche ich der Wahrheit gemäfs
zu erkennen, o Bester der Redenden.
Bhlshma sprach:
2. (7642.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung eines Schülers mit seinem
Lehrer in betreff der Erlösung.
3. (7643.) Einem Brahmanen, der dasafs als Lehrer, als vor-
züglicher Weiser, als eine Fülle von Glanz, hochherzig, sein
Wort haltend, seine Sinne bezähmend,
4. (7644.) diesem nahte ein überaus verständiger, heils-
bedürftiger, sehr aufmerksamer Schüler, umfafste seine Füfse
und sprach, indem er mit zusammengelegten Händen vor
ihm stand:
ö. (7645.) Wenn du zufolge meiner Verehrung mir gnädig
bist, o Heiliger, so mögest du mir einen grofsen Zweifel, den
ich hege, aufklären: (7646.) Woher bin ich und woher bist
du? Diese wichtigste Frage mögest du mir vollständig be-
antworten.
6. Und wie kommt es, o Bester der Z wiegeborenen , da
doch alle Wesen unter den gleichen Bedingungen stehen,
(7647.) dafs ihr regelrecht verlaufendes Vergehen und Wieder-
geborenwerden in so entgegengesetzter Weise stattfindet?
7. Und auch was der Veda darüber sagt, und was die
weltliche, für alle verbindliche Tradition [der Smriti] davon
uigmzea oy t^c
Adhyaya 210 (B. 210).
245
lehrt, (7648.) das, o Weiser, mögest du mir alles der Wahr-
heit gemäfs erklären.
Der Lehrer sprach:
8. (764$>.) Vernimm, o hochverständiger Schüler, dieses
höchste Brahmangeheimnis , und was das Gute ist an allen
Wissenschaften und heiligen Uberlieferungen, sofern es das
innere Selbst betrifft.
9. (7650.) Der Sohn des Vasudeva (Krishna) ist jenes
Höchste, ist der Mund der ganzen Brahmanoffenbarung; er ist
Wahrheit und Wissen, ist Opfer, Ausharren, Bezähmung und
Redlichkeit.
10. (7651.) Er ist es, den die Vedakenner als den Purusha,
den ewigen Vishnu wissen, als den Urheber von Schöpfung
(sarga mit C.) und Vergang, als das unoffenbare, ewige
Brahman.
11. (7652.) So vernimm dieses heilige Wort, die Erzäh-
lung betreffend den Vrishnisprofs (Krishna). Ein Brahmane
mufs von Brahmanen gehört werden, ein Krieger von Kriegern,
12. (7653.) ein Vaicya mufs von Vaicya' s gehört werden
und ein (^üdra, wenn er hochsinnig ist, von (^udra's. Du
sollst die Majestät des Göttergottes, des Vishnu von unermefs-
licher Kraft, —
13. (7654.) würdig dessen bist du — du sollst den schönen,
höchsten Vrishnisprofs kennen lernen, der das Rad der Zeit
ist, den Anfanglosen, Endlosen, der Sein und Nichtsein als
Merkmale an sich trägt.
14. (7655.) In ihm, dem Herrn aller Wesen, dreht sich
die Dreiwelt wie ein Rad. Jenes unvergängliche, unoffenbare,
unsterbliche, ewige Brahman (765« ) bezeichnen sie, o Männer-
tiger, als den Vollhaarigen, den Stier unter den Männern.
15. Er hat die Väter, Götter und Rishi's und ebenso die
Halbgötter und Kobolde, (7657.) die Schlangen, Dämonen und
Menschen geschaffen, er, der Höchste, Unvergängliche.
16. Und er hat auch die Vedavorschriften und die ewigen
Weltgesetze, (7658.) nachdem er Vergang und Neuschöpfung
bewirkt, zu Anfang der Weltalter wiederum geschaffen.
17. So wie in einer Jahreszeit die mannigfachen Attribute
Digitized by Google
246
III. Mukshadhariua.
der Jahreszeit im Umlaufe der Zeit (7659.) zur Erscheinung
kommen, bald die einen, bald die andern, so ist es mit den
Zuständen (bhävaj am Anfange der Weltalter.
18. Und was immer irgendwann durch Fügung der Zeit
zu Anfang der Weltalter zum Vorschein kommt (7660.) an
Wissen, das gelangt zur Entstehung, indem es nach Ordnung
des Weltganges geboren wird.
19. Was am Ende eines Weltalters an Veden und epi-
schen Gedichten latent geworden war, (7661.) das haben grofse
Weise [im neuen Weltalter] vor Zeiten kraft ihrer Askese
empfangen, begnadet damit durch den durch sich selbst
Seienden.
20. Als Vedakenner weifs [den Veda] der Heilige, die
Vedänga's weifs Brihaspati, (7662.) und der Bhrigusohn hat
das Lehrbuch der Lebensführung zum Heile der Welt ver-
• kündet.
21. Die Musikwissenschaft weifs Närada, die Kriegs-
wissenschaft Bharadväja, (7663.) den Lebenslauf der Gotter-
weisen Gärgya, die Heilkunde Krishnätreya.
22. Die mannigfachen Lehrbücher der Logik wurden von
diesen und jenen Lehrern gelehrt, (7664.) und alles, was an
Argumenten, heiligen Uberlieferungen und gutem Lebens-
wandel gelehrt worden ist, das soll man verehren.
23. Jenes anfanglose höchste Brahman wissen nicht
Götter und nicht Weise, (7ggb.) nur einer weifs es, der heilige
Schöpfer, Näräyana, der Herr.
24. Von Närayana stammen die Scharen der RishTs so-
wie die obersten Götter und Dämonen, (7666.) auch die alten
Königsweisen und das höchste Heilmittel der Schmerzen.
25. Wenn nun die Prakriti die vom Purusha (Närayana)
verwalteten Zustände fbhävaj gebiert, (7667.) dann entwickelt
sich die durch sie vorher mit den Ursachen ihrer Entstehung
ausgestattete Welt.
26. Wie an einer Fackel andere Fackeln tausendfach
sich entzünden, (7668.) so gebiert die Prakriti und wird doch
wegen ihrer Unerschöpflichkeit nicht vermindert.
27. Aus dem Unentfalteten (der Prakriti) entsteht die
werkbedingte Buddhi, und sie erzeugt den Ahankara; (7669.) aus
uigmzea Dy Liüü
Adhyaya 210 (B. *210).
247
dem Ahankära [entspringt] der Äther, aus dem Äther ent-
steht der Wind,
28. aus dem Wind das Feuer, aus diesem das Wasser,
und aus dem Wasser geht die Erde hervor; (7»;7o.) diese acht
sind die Grundnaturen und in ihnen ist die Welt gegründet.
29. Der Erkenntnisorgane sind fünf, sowie auch fünf
Tatorgane, (7671.) ferner fünf Objekte fvishayaj und das eine
Manas als Sechzehntes, im Bereiche des [aus den Grund-
naturen] Umgewandelten.
30. Auge, Ohr, Haut, Augen, Zunge und Nase sind die
Erkenntnisorgane; (7672.) Füfse, Entleerungs- und Zeugungs-
organ, Hände und Rede sind die Tatorgane (harmani, im
Dual !)
31. Ferner sind da Ton, Gefühl, Gestalt, Geschmack und
Geruch, (7673.) und als das sie alle durchdringende Geistes-
organ soll man das Manas wissen.
32. Zur Erkenntnis des Geschmacks dient die Zunge,
zum Sprechen die Rede; (7674.) vermöge seiner Verbindung
mit den mannigfachen Organen ist das Manas die ganze
[funfzehnfach] entfaltete Natur.
33. Von diesen sechzehn soll man wissen, dafs sie, ein
jedes an seinem Teil, Gottheiten sind, (7675.) welche den in
den Leibern weilenden Urheber der Erkenntnis verehren.
34. Demnach ist der Geschmack die Qualität des Wassers,
der Geruch die Qualität der Erde, (7«76.) das Gehör die Quali-
tät des Äthers und das Gesicht die Qualität des Feuers ; das
Gefühl soll man wissen als Qualität des Windes in allen
Wesen jederzeit.
35. (7677.) Das Manas gilt für eine Qualität des Sattvam,
das Sattvam aber ist aus dem Unentfalteten geboren; darum
soll der Weise dieses [das Sattvam] erkennen als das, was
zu ihrem Selbste geworden in allen Wesen weilt.
36. (7678.) Diese Wesenheiten fbhävaj tragen die ganze
Welt mit allem Beweglichen und Unbeweglichen; sie aber
gründen sich auf den von Leidenschaft frajnsj freien Gott,
den man noch höher stellt als die Prakriti.
37. (7679.) Die heilige Stadt mit den neun Toren [der
Leib] ist von diesen Wesenheiten erfüllt; in ihr liegt, sie
Digitized by Google
248
III. Mokshadhanna.
durchdringend, das grofse Selbst (mahän ätmaj; darum wird
es der Purusha genannt.
38. (7680.) Nicht alternd und unsterblich ist dieser, als
Entfaltetes und Unentfaltetes wird er bezeichnet; alldurch-
dringend ist er, gunabehaftet und unerkennbar, er ist die
Grundlage der Guna's in allen Wesen.
39. (7681.) So wie eine Fackel, mag sie klein oder grofs
sein, ihrem Wesen nach Licht ist, so soll man das Erkennt-
nisselbst (jhäna-ätman) als den Purusha in allen Geschöpfen
erkennen.
40. (7682.) Er ist es, der für das Ohr das zu Erkennende
erkennbar macht, er ist es, der da hört und der da sieht;
Ursache dieses Tuns ist dieser Leib, er aber ist der Bewirker
aller Werke.
41. (7683.) Wie das im Holz latente Feuer, auch wenn
man das Holz spaltet, nicht zu sehen ist, so wird dieser im
Körper weilende Atman nur durch den Yoga gesehen.
42. (7084.) Wie nämlich das Feuer, wenn man das Holz
durch eine Vorrichtung reibt, sichtbar wird, so wird dieser
im Körper weilende Atman nur durch den Yoga gesehen.
43. (7085.) Wie das Wasser an den Flufs gebunden ist,
wie die Strahlen an die Sonne, wie diese, weil an sie ge-
knüpft, sie begleiten, so verhalten sich die Körper zu den
Verkörperten.
44. (7686.) Daran, dafs bei der Versenkung in den Schlaf
der Atman mit den fünf Sinnen verbunden, den Körper ver-
lassend, umherschweift, daran wird er als der Atman erkannt.
45. (7687.) Durch das Werk [wenn seine Frucht abgelaufen
ist] wird die Erscheinung verdrängt, und durch das Werk
wird sie [ im neuen Lebenslauf] wieder wahrgenommen, durch
das Werk wird sie in einen neuen Zustand versetzt, durch
das selbstbegangene, überaus mächtige Werk.
46. (7688.) Wie aber die Seele aus einem Leibe, nachdem
sie ihn verlassen, in einen andern eingeht, demgemäfs will
ich dir diesen andern erklären, nämlich die durch ihre eigenen
Werke wiedergeborene Schar der Wesen.
So lautet im Mokghadharraa Vanhneya alt das inner« Selbst
( Vdrthntya - adhydtmam).
Digitized by Google
i
Adhyaya 211 (B. 211).
i>49
Adliyftya 211 (B. 211).
Vers 7689-7706 (B. 1-17).
Bhishma sprach:
1. (7689.) Die vier Arten der unbeweglichen und beweg-
lichen Wesen haben aus dem Unentfalteten ihre Entstehung,
und in das Unentfaltete gehen sie wieder unter. (7690.) Das
l nentfaltete als Merkmal habend, von Natur an das Un-
entfaltete als Wesen habend ist das Manas.
2. Wie der grofse Baum in dem Samenkorn des Feigen-
baumes verborgen liegt (7691.) und, nachdem er sich daraus
entwickelt hat, sichtbar wird, so ist die Entstehung des Ent-
falteten aus dem Unentfalteten.
3. Wie das ungeistige Eisen auf den Magnetstein zu-
eilt, (7692.) und wie die aus ihrer eigenen Natur als Ursache
entsprungenen Wesenheiten zu etwas anderm derartigen
[magnetartigen hinstreben],
4. so werden die aus dem Unentfalteten als Bewirker
geborenen Wesenheiten fbhävaj, welche das Merkmal ihrer
Ursache an sich tragen (7693.) und ohne Bewufstsein sind,-*
durch das Beseelende als Ursache zu einem Komplexe ver-
bunden.
5. Damals war nicht die Erde, nicht Äther, Himmel und
Wesen, nicht dieRishi's, nicht Götter und Dämonen, (7ü94> nichts
anderes war, ausgenommen die Seele; jene [genannten] aber
hatten sich noch nicht der [später] mit ihnen aggregierten
Seele genaht,
t>. der ursprünglichen, ewigen, allgegenwärtigen, das
Manas erzeugenden, merkmallosen, amb.) noch nicht durch
Erkennen und Wirken charakterisierten, — dieses ist das
Merkmal der [Seele als] Weltursache.
7. Diese [Weltursache] verband sich nämlich mit den
[materiellen] Ursachen und bewirkte ein Aggregat ihrer Wir-
kungen; (7696.) wodurch dieses anfang- und endlose grofse
Weltrad sich in Umdrehung belind et.
8. Seine Nabe ist das Unentfaltete, seine Speichen sind
das Entfaltete, sein Radkranz sind die Umwandlungen,
Digitized by Google
250
III. Mokshadharitia.
(7697.) regiert wird dieses Rad von der Seele fkshctrajnaj, mit
öliger Achse dreht es sich um ohne Fehl.
\). Weil seine Achse geölt ist, darum wird in diesem
Rade die ganze Welt der Lebenden zermalmt wie Sesam-
körner (7698.) von den aus dem Nichtwissen entspringenden
Genüssen, wie von Ölmüllern, die dazu angestellt sind.
10. Dieses Werk vollbringt sie [die Welt der Lebenden]
wegen der Begierde flarsha) und wegen ihres Umschlungen-
seins vom Ahankära. (7699.) In der Verknüpfung von Ursache
und Wirkung wird dieses [die Begierde und das Umschlungen-
sein] als der Grund erklärt.
11. Nicht erkennt die Ursache die Wirkung, und die
Wirkung erkennt nicht die Ursache, (7700.) sondern es ist die
Zeit, welche bei diesem Tun mittels Entfaltung der Wirkung
die bewirkende Ursache bildet.
12. Durch diese Ursache sind miteinander verbunden die
schaffenden Potenzen und ihre Umwandlungen; (7701.) beide
stehen in Beziehung zueinander, indem sie immerfort vom
Purusha regiert werden.
13. Und [nach dem Tode ist es die individuelle Seele,
welche] von rajasartigen und tamasartigen Beschaffenheiten
(bhävaj herabgezogen und, von der Gewalt der Ursache ge-
trieben, (7702.) der höchsten Seele fkshctrajnaj nachfolgt, wie
der Staub, der vom Winde aufgewirbelt wird.
14. Sie aber wird von jenen Beschaffenheiten nicht be-
rührt, noch auch diese von ihr, der Hohen; (7703.) wie ja
auch der an sich staublose Wind nicht staubartig werden
kann.
15. So soll der Weise diesen Unterschied erfassen zwischen
dem Sattvam [als Vertreter der Prakriti] und dem Kshetrajfia;
(7704.) wenn er mit Fleifs sich dieser Sache hingibt, wird er
er nicht wieder in die Prakriti verfallen.
ir>. Diesen aufgetauchten Zweifel löste der heilige Rishi,
(7705.) und so soll man nach einer Kunde ausschauen, welche
den von ihm gegebenen Andeutungen entsprechend ist.
17. Gleichwie die vom Feuer gerösteten Samenkörner
nicht wieder keimen können, (7706.) so wird der Atman mit
Adhyaya 211 (B. 211).
den durch die Erkenntnis verbrannten Ü beiständen
nicht mehr behaftet.
251
ßlt<±a)
So lautet im Mokshadharma Varahneja als da« innere Selbst
( Vdrshntya - adkydtmam).
Adby&ya 212 (B. 212).
Vers 7707-7741 (B. 1-33).
Bhishma sprach :
1. (7707.) So wie die auf Tätigkeit zielende Lebensregel
[von den gewöhnlichen Menschen] vollständig begriffen wird,
ebenso haben die, welche in der Erkenntnis fest gegründet
sind, kein Wohlgefallen an irgendeinem andern Prinzip.
2. (7708.) Schwer zu finden sind Vedakenner, die in den
Vedaworten vollständig bewandert sind ; aber wegen der Gröfse
des Ansporns (prayojanamahattvät mit C.) streben sie dem
vielgepriesenen Wege nach.
3. (7709.) Hingegen ist dieses [kontemplative] Verhalten,
weil es von edlen Menschen befolgt wurde, untadelig; dieses
ist die Erkenntnis, durch welche man, nachdem man sie er-
griffen hat, den höchsten Gang geht.
4. (77io.) Die verkörperte Seele nimmt aus Verblendung
allerlei Anhängsel an und verbindet sich mit Zuständen (bhäva),
wie Zorn und Begierde, welche aus dem Kajas und Tamas
entspringen.
5. (77ii.) Darum soll man in dem Streben, seinen Leib
zu erhalten, nichts Unlauteres begehen, denn wer durch sein
Werk sich eine Blöfse gibt, der wird die schönen Welten
nicht erlangen.
6. (7712.) Wie das mit Erz vermischte Gold, solange es
noch nicht ausgeschmolzen ist, nicht erglänzt, so leuchtet
auch das Wissen nicht auf, solange es noch erscheint als
nicht aus der Unreinheit ausgeschmolzen.
7. (7713.) Und wer noch am Unrecht festhält und aus
Begierde von Lust und Zorn sich treiben läfst, der, auch
wenn er den rechten Weg betreten hat, geht doch mitsamt
seinem Anhange zugrunde.
Digitized by Google
252
III. Mokßliadhanna.
8. (7714.) Darum möge einer nicht aus leidenschaftlicher
Lust den Sinnendingen, wie Tönen usw., nachhängen; denn
Zorn, Freude und Verzweiflung werden eines aus dem andern
geboren.
9. (7715.) Da dieser Leib aus fünf Elementen besteht und
aus Sattvam, Kajas und Tamas gebildet ist, was kann einer
dabei sagen, wen kann er mit Lobpreis erheben, wen kann
er tadelnd anfahren?
10. (77 ic.) Törichte Menschen geraten in eine Abhängig-
keit von Berührung, Gestalt, Geschmack usw., und weil
sie nur dieses Wissen besitzen, begreifen sie nicht, dafs ihr
leibliches Selbst eine erdartige Qualität ist.
11. (7717.) So wie ein Lehmhaus nur mit Lehm überschmiert
wird, ebenso schützt sich dieser aus Erde gebildete Leib vor
dem Untergange nur durch erdentstammende Produkte.
12. (7718.) Honig, Ol, Milch, Butter, Fleisch, Salz und
Melasse, Getreidekörner, Früchte und Wurzeln, sowie auch
das Wasser sind erdentstammende Produkte.
13. (7719.) Wie einer, der in der Wildnis wohnt, seinem
Verlangen nachgibt und von den Dorfbewohnern Speise an-
nimmt, auch wenn sie nicht wohlschmeckend ist, um nur
sein Leben zu fristen,
14. (7720.) so möge der, welcher in der Wildnis des Sam-
sära wohnt und Kasteiungen mit Eifer betreibt, um der Fristung
des Lebens willen Nahrung einnehmen, wie der Kranke die
Arznei.
15. (7721.) Mit Wahrhaftigkeit, Reinheit, Geradheit, Ent-
sagung, Hoheit und Mut, mit Geduld und Festigkeit, mit
Einsicht, Verstand und Enthaltsamkeit
16. (7722.) soll man alle Gemütszustände fbhava) betrach-
ten als von aufsen herandringend und zur Sinnenwelt gehörig
und nach Frieden suchend mit heiterem Geiste seine Sinne
bezähmen.
17. (7723.) Aber verwirrt durch Sattvam, Kajas und Tamas,
werden die Menschen wie Räder gewaltsam im Kreise um-
gewirbelt infolge ihres Nichtwissens.
18. (7724.) Darum möge man die Fehler, welche aus dem
Nichtwissen entspringen, gründlich prüfen und das aus dem
Digitized by LaOOQle
Adhya-ya 212 (B. 212).
Nichtwissen hervorgehende Übel, nämlich den Egoismus
(ahankära) meiden.
19. (7725.) Die grofsen Elemente, die Sinnesorgane und
die Guna's, Sattvam, Kajas und Tamas, ja die ganze Drei-
welt mitsamt dem Icvara, das alles gründet sich auf den
Egoismus (ahankära).
20. (7726.) So wie hienieden die regelmäfsig verlaufende
Zeit die Eigenschaften der Jahreszeiten zur Erscheinung bringt,
so, wisse man, bringt der Egoismus an den Wesen ihre Werke
hervor.
21. (7727.) Das Tamas soll man begreifen als verblendend,
schwarz, aus Nichtwissen entspringend, und ebenso [das Satt-
vam und Rajas] als mit Lust und Schmerz verknüpft; als
solche soll man alle die drei Guna's wissen.
22. (7728.) Nun vernimm folgendes als die Qualitäten des
Sattvam, des Rajas und des Tamas. Heiterkeit, Zufriedenheit,
welche aus der Freudigkeit entspringt, Zweifelsfreiheit, Festig-
keit und Erinnerung, (7729.) diese wisse als die Qualitäten des
Sattvam, und die folgenden als die des Rajas und Tamas.
23. Sie sind Begierde, Zorn, Unbesonnenheit, Lüstern-
heit, Verblendung, Furcht und Schlaffheit, (7730.) sowie Ver-
zagtheit, Kummer, Unlust, Hochmut, Stolz und unedle Ge-
sinnung.
24. Indem man von diesen und anderen Fehlern die
Schwere oder Leichtigkeit in Betracht zieht, (7731.) prüfe man
daraufhin seinen eigenen Zustand im einzelnen fort und fort.
Yudhishthira sprach :
25. (7732.) Welche Fehler werden durcli das Manas ab-
gestreift, und welche werden durch die Buddhi gelockert,
welche stellen sich immer wieder und wieder ein, und gegen
welche ist zufolge der Verblendung das Ankämpfen nahezu
fruchtlos ?
26. (7733.) Und welches sind die Eigenschaften, deren
Stärke oder Schwäche man durch Vernunft und Gründe ab-
wägen soll? Darüber, o Freund, besteht bei mir Zweifel,
den löse mir, o Grofsvater.
Digitized by Google
254 UT. Mokshadharma.
Bhishma sprach:
27. (7734.) Indem er die Fehler mit der Wurzel ausrottet,
wird einer gereinigten Selbstes von ihnen erlöst; er vernichtet
das ihm Angeborene, wie Eisen das aus Eisen Bestehende
vernichtet, (7736.) und indem er so sein Selbst bereitet hat,
geht [das ihm Anhaftende] mitsamt den angeborenen Fehlern
zugrunde.
28. Das Rajashafte und Tamashafte, sowie auch das
sündlose, dem reinen Selbste Angehörige, (7736.) das alles
bildet den Samen der Verkörperten; das Sattvam hat der
Atmanhafte mit ihnen gemeinsam.
29. Darum soll der Atmanhafte das Kajas und das Tamas
abstreifen; (7737.) dann gelangt sein Sattvam, von Rajas und
Tamas befreit, zur fleckenlosen Reinheit.
30. Hingegen dürfte man sagen, dafs das Vedahafte zur
Erlangung des Atman ein schlechter Weg ist, (7738.) vielmehr
ist es die Ursache dafür, dafs man ihn nioht erlangt und ein
unreines Gesetz [durch Tieropfer usw.] beobachtet.
31. Das Rajas ist es, durch welches man die mit Un-
recht behafteten Werke ergreift (7739.) und auf Zwecke Ge-
richtetes über die Mafsen verfolgt und alle Begierden.
32. Durch das Tamas hingegen pflegt das, was mit Ge-
lüsten verbunden ist und aus Zorn entspringt, derjenige,
<774o.) der an Schädigung und Zerstreuung sich ergötzt, träge
und dem Schlafe ergeben.
33. Und endlich, wer im Sattvam feststeht, der schaut
die sattvahaften, reinen Gemütszustände (bhävaj und gründet
sich auf sie; (7741.) dieser ist der fleckenlose, glückselige Ver-
körperte, begabt mit Glauben und Wissenschaft.
80 lautet im Mokshadharma Varrtmoya alt daa innere Seibit
( Vdrshneya - adhydtmam).
Digitized by Google
Adhyaya 213 (B. 213).
255
Adhyaya 213 (B. 213).
Vers 7742-7763 (B. 1-21).
Bhlsbma sprach:
1. ) Durch Kajas wird die Verblendung bewirkt und
durch Tamas, o Stier der Bharata's; [aus ihr folgen] Zorn,
Habgier, Furcht und Hochmut, wer diese zur Ruhe bringt,
der ist rein.
2. (77*3.) Den obersten, höchsten Atman, den unvergäng-
lichen, ewigen Gott Vishnu, der im Unentfalteten seinen Stand-
ort hat. den wissen sie als den besten Gott.
3. (7744.) In die von ihm ausgehende Illusion ftnäyäj ver-
strickt, der Erkenntnis beraubt und ohne Besonnenheit sind
die Menschen; wegen dieser Verblendung ihrer Erkenntnis
verfallen sie in Zorn.
4. (7745.) Durch den Zorn geraten sodann in Begierde, in
Habsucht und Verblendung die Menschen, in Stolz, Hochmut
und Egoismus und durch den Egoismus zu Werken;
5. (774«.) durch die Werke in die Fesseln der Weltliebe,
durch die Weltliche sodann in Kummer, und indem sie von
Lust und Schmerz zum Tun angetrieben werden, verstreichen
ihnen die Augenblicke des Daseins in Geburt und Ungeburt
(Tod).
*i. (7747 1 Von der Zeugung an das Wohnen im Mutter-
labe, die Entstehung aus Samen und Blut, welche von Kot
nnd Urin benetzt und durch die Entstehung aus dem Blute
UttsauW ist,
7. (-"4S.I das sind die Dinge, durch welche der von Be-
gierde ftrishndj Uberwältigte gebunden wird, und indem er
di«e bei sich herumgehen läfst, wird er begreifen : die Weiber
ond es, welche das Gewebe des Samsara fortsetzen.
h. (7-49.) Sie sind von Natur (prakrityä mit C.) das Acker-
land (Iskdram)^ die Männer sind ihrem Wesen nach die
Kfihetrajfia's (Kenner des Ackerlandes, auch Seelen). Darum
•otl der Mann sie ohne Unterschied ganz besonders meiden.
r J. (77M.) Denn verschmitzt sind sie und von schreck-
licher Art und betören den Unkundigen; sie sind ganz in
uigmzea Dy Vjüü
256 III. Mokshadharma.
Rajas versunken und eine ewige Verkörperung der Sinnlich- .
keit (indriyänumj.
10. (775i.) Aus dieser in ihnen verkörperten Leidenschaft
als Samen entstehen die Kinder, und wie man die aus dem
eigenen Leibe geborenen und doch nicht als das eigene Selbst
zu bezeichnenden Würmer aus dem Leibe entfernt, (7752.) so
soll man die als eigenes Selbst bezeichneten und doch nicht
dieses Selbst seienden, Kinder genannten Würmer von sich
fernhalten.
11. Aus dem Samen und dem Blutsafte entstehen aus
dem Körper die Nachkommen, (7753.) sei es durch Naturnot-
wendigkeit oder durch den Zusammenhang mit Werken in
einer früheren Geburt; der Weise wird ihnen keine Beachtung
schenken.
12. Das Rajas ist dem Tamas eingefügt und das Sattvam
gründet sich auf das Rajas; (7754.) das [aus allen dreien be-
stehende] Unentfaltete ist der Standort des Bewufstseins und hat
[potentiell] als Merkmale in sich die Buddhi und den Ahankara.
13. Dieses Unentfaltete nennt man den Samen der Ver-
körperten, und dieser Same heifst individuelle Seele (jivaj;
(7755.) durch die Werke [in einer früheren Geburt] im Verein
mit der Zeit erhält sich der Samsära in Umdrehung.
14. So wie die Seele im Traume sich nur mittels des
Manas ergötzt, als hätte sie einen Leib, (7756.) so wird sie nur
durch die die Werke als Keim habenden Qualitäten in einem
Mutterleibe empfangen.
15. Jedes Organ, welches aus dem Werke als Samen zum
Aufkeimen gebracht wird, (7757.) das wird aus dem Egoismus
(ahankara) durch den von Geschlechtstrieb (räga) erfüllten
Willen geboren.
16. Aus dem Verlangen frdgaj nach dem Tone entsteht»
das Ohr bei der sich gestaltenden Seele (7768.) und aus den*
Verlangen nach Gestalten das Auge, aus dem Wunsch zu
riechen das Geruchsorgan;
17. und ebenso verhält sich zum Berühren die Haut.
Der Wind nimmt seinen Standort in Präna und Apäna, (7759.)
[diese nebst] Vyuna, Udäna und Samäna bewirken zu funfen
die Erhaltung des Leibes.
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 213 (B. 213).
257
18. Mit den zugleich entstehenden, aus den Werken ent-
spriefsenden Gliedern wird der Mensch von der Körperlulle
umhüllt geboren, (7760.) mit den Gliedern, welche Schmerz,
körperlichen und geistigen Schmerz, als Anfang, Mitte und
Ende haben.
19. Der Schmerz entspringt aus der Anklammerung an
das Dasein, und er wird durch den Eigendünkel gesteigert;
(7761.) durch Entsagung wird Befreiung von dem allem er-
reicht, und wer die Befreiung erkennt, der wird erlöst.
20. Im Rajas nur haben die Organe beides, ihren Ur-
sprung und Vergang; (7762.) umsichtig möge der Weise ein-
herwandeln, wie es sich gebührt, mit der Lehre als Auge.
21. Dann werden die Erkenntnisorgane frei von Begierde
nicht mehr nach den Sinnendingen streben, (7763.) und indem
sie ihre < )rgane dahinten läfst, wird die Seele nicht wiederum
einen Körper anzunehmen brauchen.
So lautet im Mnk«badbarioa VAiabneya als (lau innere Selbst
(VAnhn'ya - adfiijntmain).
Adhyftya 214 (B. 214).
Vers 7764-7792 (B. 1-29).
Bhlshma sprach:
1. (77«4.) Nun will ich dir das Mittel verkünden der Wahr-
heit gemäfs; wer mit der Lehre als Auge die Prinzipien er-
kennend dahin wandelt, o König, der wird das höchste Ziel
erlangen.
2. (7765.) Unter allen Wesen gilt für das höchste der
Mensch, unter den Menschen stehen am höchsten die Zwie-
geborenen, unter den Zwiegeborenen die Kenner des Veda.
3. (7766.) Sie sind zum Selbste aller Wesen geworden,
sind allwissend und allschauend; die Brahmanen, welche die
Lehre des Veda kennen, sind über den Sinn der Wesenheit
zur Gewifsheit gelangt.
4. (7767.) Wie einer, dem das Auge fehlt, auf seiner Wan-
derung in Not gerät, so ist in dieser Welt einer, dem das Wissen
fehlt. Darum sind die Wissenden den anderen überlegen.
Dec»u*, Xababbaratara 17
Digitized by Google
258
III. Mokshadliarnia.
5. (7768.) Die Freunde der Satzungen verehren der heiligen
Überlieferung gemäfs diese oder jene Satzungen; ihr Ziel ist
nicht das gleiche [wie das der Wissenden], aufser dafs sie
folgende Tugenden erlangen:
6. (7769.) Reinheit in Rede, Leib und Gedanken, Geduld,
Wahrhaftigkeit, Festigkeit und Erinnerung [sind ihnen eigen];
und die aller Satzungen Kundigen weisen schöne Tugen-
den auf.
7. (7770.) Aber jene Verkörperung des Brahman, welche
Brahmanwandel genannt wird, steht höher als alle Satzungen,
und nur durch diesen geht man den höchsten Gang
8. (7771.) zu demjenigen, welches von der Verknüpfung
mit Merkmalen frei und des Tones sowie der Berührung er-
mangelnd ist, welches durch das Ohr zum Hören und durch
das Auge zum Sehen wird,
9. (7772.) welches im Sprechen der Rede sich betätigt,
aber dem Verstände entrückt ist. Mit Einsicht soll man sich
entschliefsen zu dem sündlosen Brahmanwandel;
10. (7773.) wer ihn vollkommen verwirklicht, der gelangt
zur Brahman weit, der mittelmäfsig Strebende hingegen ge-
langt zu den Göttern, und wer nur ein geringes Streben betätigt,
der wird als Bester der Zwiegeborenen, als Weiser geboren.
11. (7774.) Schwer zu verwirklichen ist der Brahman-
wandel, vernimm das Mittel, welches dazu dient Wenn das
Rajas sich entflammt und mächtig emporstrebt, soll der Zwie-
geborene es dämpfen.
12. (7776.) Einem Gespräche über die Weiber soll er nicht
zuhören, sie auch nicht ansehen, wenn sie unbekleidet sind;
beim zufälligen Anblicke solcher überkommt (durbaldn äviget
mit C.) schwache Menschen das Rajas.
13. (7776.) Gerät er in Leidenschaft, so soll er sich der
Fastenbufse (kricchra, vgl. Manu XI, 213) unterziehen; wird
er sehr von ihr befallen, so soll er sich ins Wasser setzen;
geschieht es, während er in Schlaf versunken ist, so soll er in
Gedanken dreimal das Sündentilgungsgebet (aghamarshanam,
angeblich Rigveda X, 190, vgl. jedoch Brih. Up. 6,4,4-^5)
murmeln.
14. (7777.) Auf diese Weise wird er die aus dem innern
Digitized by LaOOQle
Adhyfcya 214 (B. 214).
259
Kajas entsprungene Sünde verbrennen als ein Verständiger
mittels des mit Erkenntnis begabten angespannten Geistes.
15. (7778.) Wie an eine an Leichen und Unreines schmie-
dende, unzerreifsbare Fessel, so soll er sich selbst, der in den
Leib eingegangen ist, wissen als an die Fessel des Leibes
geschmiedet.
16. (.779.) Den Wind, die Galle, den Schleim, das Blut,
die Haut, das Fleisch, die Sehne und den Knochen, das Mark
und den ganzen Körper ernähren die Säfte der Menschen ver-
mittelst des Adernetzes.
17. (7780.) Man mufs wissen, dafs es im Körper zehn Ge-
fäfsleitungen gibt, welche den fünf Sinnen ihre Qualitäten
zufuhren; von diesen aus verbreiten sich andere feine Kanäle
tausendfach.
18. (778i.) So geschieht es, dafs diese Aderflüsse, indem
sie die Säfte spenden (wohl rasadä zu lesen), den Ozean des
Körpers zu ihrer Zeit ernähren wie die Flüsse den Ozean.
V.). (7782.) Von ihnen befindet sich eine Ader mitten im
Herzen, welche die Wunschleitende fmanovahäj heifst; diese
löst bei den Männern den aus dem Willen entsprungenen
Samen aus allen Gliedern heraus.
20. (7783.) Von ihr abhängend verbreiten sich die Gefafse
in allen Gliedern, indem sie [z. B.] in die Augen gelangen
und ihnen die Lichtqualität zuführen.
21. (7784.) Gleichwie die in der Milch enthaltene Butter
mittels der Quirlstäbe herausgequirlt wird, so wird im Körper
mittels der aus dem Willen gebildeten Quirlstäbe der Same
herausgequirlt.
22. (7785.) Und so wie das aus dem Willen entspringende
Kajas auch im Schlafe das Manas überkommt, ergiefst beim
Manne die wunschleitende fmanovahd) Ader aus dem Körper
den aus dem Willen erzeugten Samen.
23. (7786.) Der heilige Atri, der grofse Weise hat dieses
als den Ursprung des Samens erkannt. Weil der Same aus
drei Quellen [dem Saft rasa, der Ader manovahä und dem
Willen samkalpa nach Nil.] entspringt und dabei Indra als
Schutzgott hat, darum wird er auch [hier und Vers 8377] In-
driyam genannt.
17-
Digitized by Google
260
III. Mokshmlliarniu.
24. (7787.) Wer so die Natur des Samens, der die Ver-
mischung der Wesen bewirkt, begriffen hat, der wird befreit
von Leidenschaft, verbrennt seine Sünden und braucht nicht
einen neuen Leib anzunehmen.
25. (7788.) Er erlangt den Gleichgewichtszustand der
Guna's [in dem sie zur Ruhe kommen], und indem er, nur den
Gang des Leibes unterhaltend, die Lebenshauche in die wunsch-
leitende Ader fmanovahä) mittels des Mauas hineinstöfst,
wird er zur Zeit des Endes erlöst.
2iS. (7789.) Es bildet sich das Wissen des Manas und das
Manas selbst wird lichtvoll, leidenschaftslos und ewig, nach-
dem es in den Hochherzigen durch den Mantra [den Laut otn
nach Nil.] zur Vollendung gelangt ist.
27. (77»o.) Darum soll man, um jenes [Kajas] nieder-
zuwerfen, nur fleckenlose Werke tun, dann läfst man Rajas
und Tamas hienieden zurück und wandelt den erwünschten
Weg.
28. (7791.) Dann geht das vom Jüngling erworbene Wissen
in die Kraftlosigkeit des Greisenalters ein, und gereift an Ein-
sicht erlangt man mit der Zeit geistige Kraft.
29. (7792.) So wie einer auf die Bindung durch die Guna's
wie auf einen beschwerlichen Weg, den er hinter sich hat,
zurückblickt, so hat er die Fehler hinter sich gebracht und
erlangt die Unsterblichkeit.
So lautet im Moksbadbaruta VArahneya als das innere Selbst
(VArthncja-adhydtmam).
Aclhyftya 215 (B. 215).
Vers 7793-7820 (B. 1-27).
Bbishma sprach:
1. (779».) Die Menschen, welche den übel endigenden
Sinnendingen anhängen, sinken herab, aber die Hochherzigen,
welche nicht an ihnen hängen, gehen den höchsten Gang.
2. (7794.) Von Geburt, Tod, Älter und Schmerzen, von
Digitized by LaOOQle
Adhyaya 215 (B. 215).
1>61
Krankheiten und geistigen Schwächen die Welt durchdrungen
sehend, möge der Weise nach Erlösung streben.
3. (7795.) An Rede, Gedanken und an Leib rein möge er
sein, und ohne Selbstsucht, beruhigt, erkenntnisreich, als
Bettler und unbekümmert wird er glücklich dahinwandeln.
4. (7796.) Und wenn er sich auf einer Anhänglichkeit
seines Geistes betrifft aus Mitleid mit den Geschöpfen, so
möge er auch hierauf keine Rücksicht nehmen, indem er be-
greift, dafs die Welt der Lebenden die Frucht ihrer eigenen
Werke büfst.
5. (7797.) Was an guten Werken getan worden ist oder
je nach Umständen an bösen, das erntet der Mensch; darum
soll man gute Werke vollbringen in Reden (vag mit C), Ge-
danken und Taten.
(>. (7798.) Nicht -Schädigung, Wahrhaftigkeit und Recht-
schaffenheit gegen alle Wesen, Geduld und Behutsamkeit,
wer diese übt, der wird glücklich.
7. (7799.) Darum soll man einen durch Einsicht in Samm-
lung gehaltenen Verstand unter den Wesen betätigen; wer
diese höchste, alle W r esen erfreuende Pflicht
8. (780<».) als den Ausweg aus dem Leiden erkannt hat,
der ist allweise und glücklich; darum soll man einen durch
Einsicht in Sammlung gehaltenen Verstand unter den Wesen
betätigen.
(78oi.) Man soll nicht verachten und nicht begehren,
nichts Zügelloses, Ungehöriges denken, dann wird man mit
erfolgreicher Anstrengung seinen Geist in der Erkenntnis zur
Ruhe bringen, (7802.) dann wird er sich nicht vergeblich mit
Reden abmühen, dann entwickelt sich in lieblicher Weise
10. die Freude am Reden, die heilsame Rede und die
Rücksicht auf das verborgene Gesetz; (78ua.) dann wird er
wahre und heilsame Rede führen, welche nicht absprechend ist,
11. welche frei von Schmutz ist, nicht rauh, nicht feind-
selig und nicht verleumderisch; (78<>4.) derartiges und Spär-
liches soll man sprechen mit nicht zerfahrenem Geiste.
12. An Reden gekettet ist der Samsura, und wenn er in
leidenschaftlichen Reden sich ergeht, (78<>r») so wird er, ob-
Digitized by Google
262
III. Mokshadharma.
gleich sein Manas durch Einsicht gefördert ist, dennoch
tamas-artige Werke
13. vermöge seiner Organe, die ja aus dem Kajas ent-
sprungen sind, in seinem Tun vollbringen. (7806.) Dann gerät
er in Leid in dieser Welt und verfällt der Hölle; darum soll
man mit Denken, Rede und Leib die Festigkeit seines Atman
betätigen.
14. (7807.) Als eine mannigfach zusammengesetzte Last
trägt man [den Samsära] — wie wenn sie von Räubern fort-
geschleppt wird in einer Gegend, die sie als gefährlich er-
kennen — so tragen unweise Menschen den Samsära.
15. (7808.) Und wie der Räuber ebendiese Last von sich
wirft und in eine ungefährliche Gegend gelangt, so wirft
einer die Werke des Rajas und Tamas von sich ab und ge-
langt zum Heile.
16. (7809.) In zweifelsfreier Weise, des Strebens ledig und
von allem Anhang erlöst, abgesondert lebend, wenig essend,
Askese übend und die Sinne bezähmend,
17. (78io.) durch Erkenntnis die Beschwerden verbrannt
habend, seines Unternehmens sich freuend und seines Atman
sich bewufst, so erlangt man mit nicht abschweifendem Geiste
jenes Höchste.
18. (78ii.) Voll Festigkeit und seines Selbstes sich be-
wufst, soll man frei von Zweifel seine Buddhi zügeln, soll
man das Manas durch die Buddhi zügeln und die Sinne
wiederum durch sein Manas.
19. (7812.) Wenn einer so seine Sinne zügelt und - sie der
Herrschaft des Manas unterwirft, dann leuchten die Gott-
heiten [der Sinnesorgane] hervor und gehen freudig ein zu
ihrem Herrn [dem Manas].
20. (7813.) Und aus dem mit ihnen verbundenen Manas
leuchtet sodann das Brahman hervor, und indem auch das
Sattvam nach und nach schwindet, wird man tauglich zur
Brahmanwerdung.
21. (78U.) Oder sie kommt nicht zur Entwicklung, — dann
möge man es durch Fortwebung des Yoga versuchen und
das, wodurch dem das Gewebe Fortwebenden ein Erfolg zu-
teil wird, betreiben.
Adhyäya 215 (B. 215).
263
22. (7815.) Auch sind da Körner, Fruchtschleim, Ölkuchen,
Gemüse und Gerstengrütze, sowie Wurzeln, Fruchte und Er-
betteltes, das möge er abwechselnd geniefsen.
23. (7816.) Auch eine sattva-artige Beschränkung der Nah-
rung nach Ort und Zeit möge man dabei wohlbedächtig be-
folgen, dies ist der Entwicklung förderlich.
24. (7817.) Was sich entwickelt, das möge man nicht
hemmen; nach und nach wie ein Feuer möge man zum Brennen
bringen dies von dem Wissen Begleitete ; dann wird der Sonne
gleich das Wissen aufleuchten.
25. (7818.) Das Wissen wird überwältigt von dem Nicht-
wissen, alle drei Welten werden von ihm überwältigt und
das durch Erkenntnis gewonnene Wissen wird durch das
Nicht. -Wissen herabgezogen.
26. (7819.) Durch Isolierung und Hingebung ohne Murren
erkennt man das Ewige, und die Befreiung von jenen beiden
[empirischem Wissen und Nicht- Wissen] erkennend, wird man
frei von Leidenschaft und der Erlösung teühaft.
27. (7820.) Uber das Leben hinauskommend und Alter und
Tod überwindend, erlangt er jenes ewige, unsterbliche Brah-
man, welches jenes Unzerstörbare und Unvergängliche ist.
So lautet im Mokthadbarma VArthneyu als da« innere Selbst
( \ drthnrya • adhydtmam).
Adhyaya 216 (B. 210).
Vera 7821-7841 (B. l-20>.
Bhishma sprach:
1. (7821.) Von dem, welcher einen fleckenlosen Brahman-
wandel beständig zu beobachten wünscht, mufs mit aller
Kraft der Schlaf gemieden werden in Anbetracht der im
Traume möglichen Sünden.
2. (7822.) Denn im Traume wird die Seele von Kajas und
Tamas überwältigt, und auch einem, der sonst frei von Be-
gehren ist, ergeht es, als wäre er in einen andern Leib hinein-
gefahren.
Digitized by Google
1
264 Hl. Mokshadharm».
3. (7823.) Weil das Wachen sich um das Wissen bemüht,
findet es um der Forschung willen ununterbrochen statt,
und wegen seiner Versessenheit auf die Erkenntnis wacht
einer nachtlos immerfort.
4. (7824.) Hier könnte einer fragen: W r as ist das doch
für ein Zustand, der im Traume gleichsam Objekte schafft,
und wo die Seele trotz des Schwindens der Sinne sich bewegt,
als geschähe es mit einem Körper.
5. (7825.) Hierauf dient zur Antwort: Wie Hari (Vishnu).
der Herr des Yoga, dieses auffafst, dementsprechend schil-
dern es zutreffenderweise die grofsen Rishi's.
G. (7826.) Obgleich die Sinnesorgane ermattet sind, schweift
doch der Traum überall hin, so sagen die W eisen; denn da
das Mauas nicht auch geschwunden ist, so hat es, wie sie
sagen, dieses oder jenes Traumgesicht.
7. (7827.) Auch bei dem Wachenden entsteht in dem durch
Tätigkeit in Anspruch genommenen Manas die Vorstellung,
und je nachdem nun ein Vorwiegen der Wünsche stattfindet,
dementsprechend ergeht sich das Manas im Traume.
8. (7828.) Der von Verlangen beseelte Geist erlangt dabei
aus den unzähligen Lebensläufen im Samsära jenes Ge-
wünschte, denn der oberste Purusha ist sich alles dessen
bewufst, was im Manas verborgen liegt.
9. (7821») Oder wenn es von den Guna's herrühren und
durch Werke bedingt sein sollte, alles legen die W r esen an
den Tag, was und wie es als Manas gestaltet worden ist.
10. (7830.) Dann überkommen die aus dem Kajas, Tamas
oder auch Sattvam stammenden Qualitäten je nach dem Zu-
sammenhang mit ihnen den Menschen, in welchem die Frucht
des unmittelbar vorhergehenden Lebens zur Erscheinung kommt.
11. (7831.) Dann sehen die Menschen wegen ilires Nicht-
wissens die aus Wind, Galle und Schleim aufsteigenden
[Erscheinungen] vermöge ihrer aus Kajas und Tamas hervor-
gegangenen Zustände, und auch derartiges gilt für unver-
meidlich.
12. (7832.) Alles, was einer als Erzeugnis des Manas vor-
stellt, das sieht bei Beruhigung der Sinnesorgane, wenn sich
ein Traumbild einstellt, das erregte Manas.
Digitized by LaOOQle
Adhy&ya 216 (B. *21»>).
265
IS. (7833.) Uberall hin dringend, bewegt sich in allen Wesen
ohne Hindernis das Manas vermöge der Macht des Atman;
den soll man wissen [als den eigentlichen Urheber], denn
alle Sinnengötter sind im Atman.
14. (78:u.) In dem Manas ist eine verborgene Pforte, und
in ihm schlummert, in den Menschenleib eingehend, alles
Seiende, Nicht- Seiende und Unentfaltete als Traumgesicht;
I.7S35.) aber den, welcher als Selbst aller Wesen in den Wesen
weilt, diesen weifs man als die Naturbeschaffenheit des innern
Selbstes.
15. Und wenn einer mit seinem Manas vermöge seines
Wunsches eine göttliche Beschaffenheit zu erlangen wünscht,
f:*36.) so wisse er, dafs eine solche auf der Gnade des Atman
beruht, denn alle Götter sind im Atman enthalten.
lt>. Und so ist das wie eine Sonne jenseits der Finsternis
(Tamas) Leuchtende durch Tapas bedingt, rrxar.) Es ist die
alle drei Welten erschaffende Seele, es ist, wenn die Finsternis
gewichen ist, der grofse Herr [der Gott Brahman].
17. Denn das Tapas steht unter dem Schutz der Götter
und das tapas -schädigende Tamas unter dem der Dämonen.
(7*38.) Das ist es, was die Götter und was die Dämonen be-
hüten, und seine Kenntnis gilt als das Merkmal des wahren
Wissens.
18. Sattvam, Kajas und Tamas weifs man als die Quali-
täten der Götter und Dämonen; (7839.) das Sattvam soll man
wissen als die Qualität der Götter, die beiden anderen als
Qualitäten der Dämonen.
VJ. Jenes Brahman ist das höchste Wissen, das unsterb-
liche, unvergängliche Licht; (7S40.) die, welche es mit be-
reitetem Geiste erkennen, gehen den höchsten Weg.
20. Soviel kann man argumentierend mit dem Auge des
Wissens erschauen [durch Sänkhyam], (7s4i.) oder aucli läfst
sich das unvergängliche Brahman erkennen mittels Einziehung
der Sinnesorgane [im Yoga].
So tautet im .M(.k*)i»(llmrm;i YArMiricya al» .la> innere Selbst
\ SWr'hnf'in ■ tiilhmUiium,).
Digitized by Google
266
-
III. Mokßliadharma.
Adhyftya 317 (B. 211).
Vers 7842-7880 (B. 1-38).
Bhishma sprach:
1. (7842.) Der kennt das höchste Brahman nicht, der nicht
die Vierheit [Traum, Tiefschlaf, attributhaftes und attribut-
loses Brahman nach Nil.] kennt und das , was -als entfaltete
und unentfaltete Wesenheit von dem höchsten Weisen ver-
kündet worden ist.
2. (7843.) Das Entfaltete hat als Endpunkt den Tod, das
soll man wissen, das Unentfaltete ist die unsterbliche Stätte.
Die Satzung, welche als Merkmal die Tätigkeit hat, ist von
dem Weisen Näräyana erklärt worden.
3. (7844.) In ihr sei das All gegründet, die Dreiwelt mit
Beweglichem und Unbeweglichem; hingegen sei die Satzung,
welche die Nichttätigkeit als Merkmal habe, das unentfaltete,
ewige Brahman.
4. (7845.) Und auch Prajäpati hat die Satzung der Tätig-
keit erklärt: Tätigkeit fuhrt zur Wiederkehr, Untätigkeit
fährt den höchsten Weg.
5. (7846.) Diesen höchsten Gang weifs der Einsame, welcher
die Untätigkeit als Höchstes schätzt, dem die Erkenntnis alle-
zeit als höchstes Prinzip gilt, der das Gute und das Böse
überschaut.
6. (7847.) Darum soll man diese beiden erkennen, das Un-
entfaltete [die Prakriti] und den Purusha, aber auch das-
jenige, was vom Unentfalteten und Purusha verschieden und
im
7. (7848.) Diesen Unterschied soll der Weise ganz be-
sonders im Auge behalten; jene beiden sind beide ohne An-
fang und Ende und beide ohne Merkmale.
8. (7849.) Beide sind ewig und unwandelbar und gröfser
als alles, was grofs ist; hierin sind beide gleich, ebenso aber
gibt es weiter einen Unterschied zwischen beiden.
9. (7850.) Nämlich der Prakriti, welche ihrer Natur nach
schöpferisch ist und als Wesen die drei Gunas hat, entgegen-
IllZCQ uy VjUU
gle
Adhyäya 217 (B. 217).
267
gesetzt ist die Charakteristik des Kshetrajna (Purusha), das
soll man wissen.
10. (78öi.) Ihn wisse man als den, welcher die Entfaltungen
der Prakriti anschaut und frei von den Guna's ist. t'nfafs-
bar sind jene beiden Purusha's [der Purusha und das höchste
Brahman], weil sie keine Merkmale haben, und beide sind
unzusammengesetzt [kein Aggregat].
11. (7852.) Hingegen hat die Geburt als Merkmal die Zu-
sammensetzung, und wie sie durch die Werke [einer frühern
Geburt] ergriffen wird, so geschieht auch mittels der Organe
die Fortentwicklung der Werke und alles dessen, worin der
Täter sich betätigt; (7863.) dabei wird er durch Worte und
Namen bezeichnet, indem man [unterscheidend] fragt: wer
bin ich und wer ist jener dort?
12. Gleichwie einer, der einen Turban trägt, sein Haupt
mit drei Tuchstreifen umwickelt, (7*54.) so ist auch die ver-
körperte Seele umwickelt mit Sattvam, Rajas und Tamas.
13. Darum soll man wissen, dafs die Vierheit [die Seele
in ihren vier Zuständen, oben Vers 7842] von den genannten
Ursachen [den Guna's] umschlungen ist. (ihm.) Je nachdem
einer sich dessen richtig bewufst wird, verfällt er zur End-
zeit nicht der Verblendung.
14. Nach himmlischer Seligkeit verlangend, möge er mit
Hoheit und rein an Geist (785«.) in furchtbaren körperlichen
Übungen ein sündloses Tapas betreiben.
15. Die Dreiwelt ist von Tapas durchdrungen vermöge
des in ihr enthaltenen Lichtelements, (7857.) und die Sonne
wie der Mond glänzen am Himmel vermöge des Tapas.
lt>. Dieses Licht des Tapas ist das Wissen, es wird in
der Welt als Tapas gerühmt; (7858.) denn diejenige Tätigkeit,
welche das Rajas und Tamas niederschlägt, macht das Wesen
des Tapas aus.
17. Der Brahmanwandel und die Nicht-Schädigung heifst
das körperliche Tapas, (785») die Bezähmung von Rede und
Gedanke wird zutreffend das geistige Tapas genannt.
18. Die Nahrung, welche den der Sitte kundigen Zwie-
geborenen zu sich zu nehmen erlaubt ist, ist eine besondere,
Digitized by Google
III. Moksliailharma.
(78co.) und durch Einschränkung der Ernährung kommt das
rajas-artige Böse im Menschen zur Ruhe.
19. Seine Organe gelangen zur Abwendung von der
Sinnenwelt, (im.) darum soll man nur soviel [zur Ernährung]
annehmen, wie zu diesem Zwecke erforderlich ist.
20. Dann wird er zur Zeit des Endes vermöge allmäh-
licher Steigerung seiner Kraft rüstig (7862.) mit so zuberei-
tetem Geiste das Wissen erwerben, welches hinreicht [zur
Erlösung].
21. Von Kajas sich befreiend wird dann der Verkörperte,
obgleich noch mit dem Körper behaftet, wie ein Ton [im
Äther] dahin wandeln, (7863.) und mit einem durch Geschäfte
nicht mehr gestörten Sinn wird er, leidenschaftslos, wenn
auch noch in der Prakriti stehend,
22. vom Körper aus behutsam wandelnd, von dem letzten
Reste der Körperlichkeit frei. (7864.) Durch Ursachen bedingt
ist jederzeit die Schöpfung der Wesen wie auch ihr Vergang.
23. Wenn aber die Erkenntnis des Höchsten eingetreten
ist, kehrt die Notwendigkeit [von Geburt und Tod] nicht
mehr wieder (7865.) für diejenigen, welche Ende und Anfang
des Daseins erkennen und unentwegt faviparyayamj [im Yoga]
dasitzen.
24. Andere hingegen klammern sich hartnäckig an ihre
Leiber fest, schränken ihre Gedanken auf ihren eigenen Ver-
stand ein, (7866.) und von dem schon erreichten Standpunkte
herabfallend verehren sie jene [Götter der Sinnesorgane]
wegen deren Feinheit.
25. Und so gehen sie hin, wie sie gekommen sind; in
solchem Falle wird die Erkenntnis nur mit dem eigenen Ver-
stände [statt durch den Yoga] erstrebt. (7867.) Mancher hin-
gegen überdenkt wohlbereiteten Geistes das Ende des Leibes,
ohne sich auf ihn zu verlassen;
2fi. andere wiederum sind mit Hingebung und Festig-
keit, wie es sich gebührt, Verehrer des Realen [des attribut-
haften ßrahman nach Nil.], (7868.) oder sie beschäftigen sich
mit der höchsten Gottheit, mit dem Unvergänglichen, das da
heifset der Blitz (Väj. Samh. 32,2 und Kena-Up. 3,29),
27. dieses verehren sie zur Zeit des Endes, nachdem sie
uigitizea Dy VjUü
Adhyäya 217 (B. 217).
269
ihre Sünde durch Tapas verbrannt haben. (78»;i».) Alle diese
Hochherzigen gehen den höchsten Gang.
28. Die feine Verschiedenheit derselben möge man prüfen
mit dem Auge der Lehre. (7870.) Einen solchen, wenn er das
Ende des Leibes erreicht hat, soll man wissen als Höchsten,
Erlösten, Anhanglosen,
29. als vom Luftraum noch verschieden [an Gröfse], als
festhaltend mit seinem Geiste an der Beharrlichkeit. (787 1.)
Solche also werden von der Welt der Sterblichen erlöst, da
sie mit ihrem Denken am Wissen festhalten.
30. Zu Brahman geworden und frei von Rajas gehen sie
sodann den höchsten Gang. (7872.) So beschreiben das Gesetz als
den einzigen Weg die Menschen, welche des Veda kundig sind.
31. Indem sie ihrem Wissen entsprechend die Verehrung
üben, gehen sie alle den höchsten Gang, (7873.) und die, wel-
chen das von Trübung freie, unerschütterliche Wissen zuteil
wird, auch diese gehen zu den höchsten Welten; sie werden
erlöst entsprechend ihrer Kraft.
32. (7874.) Zu dem heiligen, unentstandenen himmlischen
Vishnu, der da das Unentfaltete heifst, gehen mit Liebe die,
welche rein an Erkenntnis, gesättigt und frei von Wün-
schen sind.
33. (7876.) Und da sie den Hari (Vishnu) als in ihnen
selbst weilend erkannt haben, kehren sie nicht zurück, son-
dern sind unvergänglich, und jenen höchsten Ort, den un-
zerstörbaren, unvergänglichen erlangt habend, freuen sie sich.
34. (7876.) Darin besteht diese Erkenntnis, dafs jenes
über Sein und Nicht -Sein erhaben ist , und dafs die ganze
Welt in den Banden des Durstes (trishnaj befangen sich wie
ein Rad im Kreise dreht.
35. (7877.) Wie das Fadengewebe der Lotosknollen von
einem Ende zum andern den Knollen allenthalben durchzieht,
so durchzieht das anfang- und endlose Fadengewebe des
Durstes den Körper allezeit.
36. (7878.) Wie ein Nähender mit der Nadel den Faden
durch das Gewand hindurch fädelt {samsaruyatij, so wird das
Fadengewebe des Samsära von der Nadel des Durstes durch-
zogen.
Digitized by Google
270
III. Mokshadhanun.
37. (7879.) W er die erschaffene Welt und die Prakriti und
auch den ewigen Purusha in richtiger Weise unterscheidet,
der ist frei vom Durst und wird erlöst
38. (7880.) Dieses Erleuchtende, Unsterbliche hat der
heilige, weise Näräyana aus Mitleid mit den Wesen verkün-
digt, er, der das Ziel der Welt ist.
So lautet im Mokshadharma Vanboeja ala das innere Seibit
( Vnixhnfna - mlli iiätimtnA
Adhyäya 218 (B. 218).
Vers 7881-7929 (B. 1-49).
Yudhiahthira sprach:
1. (7881.) Auf welchem Wege, o Kenner der Wege, ist
Janaka, der König von Mithilä, der erlösungskundige, in die
Erlösung eingegangen, indem er die Genüsse der Menschen
von sich warf?
Bhishma sprach:
2. (7882.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich auf welchem Wege jener des Rechten
Kundige zu grofser Glückseligkeit gelangt ist.
3. (7883.) Der König Janaka [nach Nil. ein Nachkomme
des Janaka mit Namen Janadeva], der Oberherr des Volkes
in Mithilä, war dem Nachdenken über die Pflichten hin-
gegeben, welche über die Körperlichkeit hinausfuhren.
4. (7884.) In seinem Hause wohnten beständig hundert
Lehrer, welche, in den verschiedenen Lebensstadien stehend,
über deren besondere Pflichten Belehrung erteilten.
5. (7886.) Aber mit ihrer Erklärung in betreff des Zu-
standes nach dem Tode und der Wiedergeburt nach dem
Tode war er, der an der heiligen Überlieferung Festhaltende,
namentlich sofern es sich um das Wesen des Ätman han-
delte, nicht zufrieden.
6. (7886.) Da geschah es, dafs ein Anhänger des Kapila,
ein grofser W eiser, mit Namen Paficacikha, indem er die ganze
Erde durchstreifte, auch nach Mithilä kam.
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 218 (B. 218).
271
7. (7887.) Dieser war in der Erklärung, welche die Er-
kenntnis des Wesens aller Satzungen des Weltverzichts
(sannyäsa) betrifft, von sehr entschlossener Sinnesart, über
die Gegensätze erhaben und frei von Zweifeln.
8. (7888.) Er war der, welchen sie als einzig unter den
Weisen, als nicht überwältigt von Begierde unter den Men-
schen rühmen und welcher dem ewigen Heile, dem unend-
lichen, schwer zu erreichenden, nachforschte.
(7889.) Und wenn die Sänkhya's den Kapila als den
höchsten Weisen und Schöpferherrn preisen, so glaube ich,
dafs jener [Paficacikha] leibhaftig fsvayamj in dessen [Ka-
pila' s] Gestalt die Welt in Erstaunen setzt.
10. (7890.) Er war der, welchen sie als den ersten Schüler
des Asuri, als den Langlebenden rühmen; der, welcher in
dem Lande der fünf Ströme ein tausendjähriges Somaopfer
abgehalten hatte.
11. (789i.) Als er dieses dort abhielt und zu üim, dem
Kapilasprofs, ein grofser Kreis sich scharte, da geschah es,
dafs er, der fünf Ströme der Sinne (Ovet. Up. 1,5) Kundige
und in dem fünftägigen Somaopfer Erfahrene,
12. (7892.) der Fünf kundige, fünffach Tätige, Fünftugend-
hafte, Paficacikha (Fünfflammige) Genannte, ihnen verkündigte
das im höchsten Sinne reale Unentfaltete, welches dem
Purusha als Standort dient.
13. (789S.) Hatte doch auch schon [sein Lehrer] Asuri,
als er wegen seiner Abhaltung einer langen Somafeier und
noch mehr wegen seiner Askese befragt worden war, die Ent-
faltung von Seele (hshetrajnaj und Leib (kshetramj als ein
Gottschauender erkannt.
14. (7894.) Denn was als jenes eine, unvergängliche Brah-
man in seinen mannigfachen Erscheinungsformen geschaut
wird, dieses Ewige hatte schon Asuri auf diesem Erdkreise
ergriffen.
15. (7895.) Und dessen Schüler war Paficacikha geworden,
seitdem er mit der Milch eines Menschenweibes aufgezogen
worden war. Denn zu der Familie [des Asuri] gehörte eine
Brahmanin mit Namen Kapilä,
16. (7896.) und indem er (Paficacikha] zu ihr in das Vor-
Digitized by Google
272
111. Mokshadhanna.
hältnis eines Sohnes trat, trank er an den Brüsten dieses
Weibes; auf diese Weise wurde er der Abstammung von
Kapila teilhaft und der unvergänglichen Erkenntnis.
17. (7897.) So hat mir der Heilige die Entstehung des
Kapilasprosses [Paficacikha] , seine Abstammung von Kapila
und seine unübertreffliche Allwissenheit erklärt.
18. (7898.) Zu dem billig denkenden König Janaka also
war der rechtskundige [Paficacikha], nachdem er die höchste
Erkenntnis erkannt hatte, getreten und hatte dessen hundert
I^ehrer durch seine Argumente in Verlegenheit gebracht.
19. (7899.) Janaka aber, von der Darlegung des Kapila-
sprosses ganz entzückt, entliefs seine hundert Lehrer und
folgte ihm nach.
20. (79oo.) Diesem nun, der aufs beste vorbereitet war
und sich pflichtmäfsig verneigt hatte, erklärte er [Paficacikha]
die höchste Erlösung, wie sie im Sänkhyam dargelegt wird.
21. (7901.) Und nachdem er das Abstehen von den Kasten
besprochen hatte, erklärte er das Abstehen von den Werken ;
und nachdem er das Abstehen von den Werken besprochen
hatte, erklärte er das Abstehen vom Weltall.
22. (7902.) Und auch sie lehrte er, um deren Willen die
Befassung mit Pflichten und das Reifen der Frucht der Werke
ist, jene kein Vertrauen verdienende, vergänglich-schwankende,
haltlose Verblendung.
23. (7903.) Nämlich: da die Vernichtung in unmittelbarer
Wahrnehmung gesehen und von aller Welt bezeugt wird, so
ist damit auch der, welcher auf Grund der Schrift behauptet,
dafs es ein Höheres gäbe, widerlegt.
24. (7904.) Denn der Xicht-Ätman [zu dem man sterbend
wird] ist der Tod des Ätman, ja schon die Beschwerde, die
als Greisenalter auftritt, ist Tod. Und wenn einer aus Ver-
blendung an einen Ätman glaubt, so ist diese gegnerische
Meinung ungereimt.
25. (7905.) Und wenn dem so wäre, dann kann auch etwas
sein, was nach dem Weltlaufe unmöglich ist, wie wenn einer
z. B. behaupten wollte, der König hier werde niemals altem
und nie sterben.
26. (7906.) Oder behauptet man, dafs es möglicherweise
Digitized by LaOOQle
Adbyäya 218 (B. 218).
273
so sei oder nicht so sei, indem ein dafür entscheidendes Merk-
mal nicht vorliege, so frage ich, ob man wohl so etwas be-
haupten kann, wenn man sich nur an den sichern Gang des
Weltlaufs hält?
27. (7907.) Die Wahrnehmung ist denn doch wohl die Wurzel
für beide, für die Argumentation und auch für die Überlieferung,
und eine heilige Überlieferung, die mit der Wahrnehmung in
Widerspruch steht, sowie auch eine derartige Argumentation
sind gar nichts.
28. (7908.) Überall wo es sich um eine solche Folgerung
handelt, sagen wir, fort mit ihr (kritam) und auch mit dem,
der sich die Dinge so zurecht legt! Nein, die Seele ist nichts
anderes als der Körper und als solche nach der Meinung der
Nihilisten (nästika) festgestellt,
29. (7909.) Dafür sprechen : die Samenkraft in dem Feigen-
baumkerne, das Vorhandensein der Butter schon in der ver-
dauten Nahrung, das Geborenwerden [durch materielle Ur-
sachen], die Erinnerung [an materielle Vorgänge], der Magnet-
stein, der [das Sonnenlicht einsaugende] Süryakäntastein und
das Verdampfen des Wassers.
30. (79io.) [Auf diese Behauptung des Materialisten er-
widert der Idealist:] Sowolil das Verlassen des Leibes [durch
die Seele], nachdem der Tod eingetreten ist, als auch, dafs
man die [immateriellen] Götter anruft, dafs die Werke beim
Tode zunichte werden müfsten [was durch die Frucht , die
sie bringen, widerlegt wird], sind sichere Beweise [für die
Existenz einer Seele].
31. (79ii.) Alle jene Gründe des Gegners gründen sich
auf materielle Vorgänge; es ist aber nicht statthaft, das Im-
materielle mit dem Materiellen auf gleiche Stufe zu stellen.
32. (7912.) Andere wiederum [nach Nil. die Buddhisten]
sagen : Es ist vielmehr das Nichtwissen, welches bei der Neu-
geburt die Ursache der Betätigung in Werken ist, es ist viel-
mehr Begierde und Verblendung, es ist vielmehr die Knech-
tung unter die Sünden.
33. (7913.) Das Nichtwissen, so sagen sie weiter, ist das
Ackerland, und das Werk wird dabei als der Same betrachtet,
Pect IKK, Msbibfa Arfttain. 18
Digitized by Google
274 III. Mokshadharma.
der Durst ßrishnäj ist die Zeugung und das Zusammenkleben
dieser [drei] ist die Wiedergeburt.
34. (7»u.) Und wenn einer verschwunden oder verbrannt
oder zerstückelt ist und dem Tode verfallen, dann entsteht
aus jenem [Zusammenkleben] ein neuer Leib; dieses nennen
sie, die Wesensvernichtung.
35. (7»iß.) Und wenn [der Neuentstandene] nach seiner
Natur, Geburt, seinen guten Werken und Zwecken ein anderer
ist, kann man wohl von einem sagen, er ist derselbe [wie
in einer früheren Geburt], oder soll man annehmen, dafs alles
durcheinander geht?
3«. (7i>iü.) Und ferner, wenn dem so wäre, welches Inter-
esse kann man an den Anstrengungen des Schenkens, der
Wissenschaft und der Askese haben, wenn das von einem
vollbrachte Werk in alles mögliche andere übergehen kann?
37. (7917.) Auch würde folgen, dafs einer hienieden in-
folge des von andern früher Begangenen (präkkritaih mit C.)
Leiden zu erdulden hätte. Nein! mag einer im Glück oder
im Unglück leben, mafsgebend für das Unwahrnehmbare mufs
doch das Wahrnehmbare sein [wo jeder seines Glückes
Schmied ist].
38. (7918.) Wenn dem so wäre [könnte der Gegner sagen],
dann könnte man auch den Körper mit Mörserstösseln zer-
stampfen und erwarten, dafs er darauf neu entstünde. Nein!
das Bewufstsein, welches ein anderes ist, mufs auch ein ver-
schiedenes sein, da so etwas [die Fortdauer des vernichteten
Bewufstseins in der neuen Geburt] nicht möglich ist.
39. (7919.) Und wie der Augenschein lehrt, dafs Jahres-
zeiten, Jahre, ein ganzes Weltalter, dafs Kälte und Wärme,
Erwünschtes und Unerwünschtes dahinschwinden, so ist es
auch mit der Wesensvernichtung.
40. (7920.) Wenn einer vom Greisenalter überkommen wird
und dem vernichtenden Tode verfällt, dann stürzt nach und
nach alles, was schwach geworden ist, wie bei einem Hause
zusammen.
41. (7921.) Sinnesorgane, Manas, Lebenshauch, Blut, Fleisch
und Knochen, alles geht nach und nach zugrunde und kehrt
in sein Element zurück.
Digitized by LaOOQle
Adhyaya 218 <B. 218). 275
■
42. (7»82.) Auch würde es eine Unterbrechung des Welt-
laufes sein, wenn Schenken und Opferpflicht einen [jenseiti-
gen] Lohn brächten, und auf einen Lohn zielen doch die
Vedaworte hin, ebensogut wie die weltlichen Bestrebungen.
43. (7»s3.) So stellen sich bei einem richtigen Denken
die vielfachen Gründe ein, und hat man erkannt, dafs dieses
so ist und jenes so ist, so gibt es keine Wahrnehmung, die
dem widerspräche.
44. (7!»24.) Aber jene [Gegner], welche hin und her über- '
legen und dieser oder jener Meinung zulaufen, werden es ja
erleben, dafs einmal ihr Verstand still steht und wie ein
Baum hinfällig wird.
4;">. (7jw6.) So werden denn alle Menschen durch ihre
Zwecke und auch durch Zweckloses gequält ; durch die Veda-
Lehren werden sie [von der Wahrheit] abgelenkt wie Ele-
fanten durch ihre Treiber.
46. (7926.) So geschieht es, dafs viele hier, indem sie
lechzenden Mundes nach Zwecken trachten, welche ihnen
ewige Seligkeit schaffen sollen, sich damit nur in noch
gröfseres Leid stürzen ; denn wenn sie auch allem Locken-
den entsagen, verfallen sie doch der Herrschaft des Todes.
47. (7927.) Was sollen dem vergänglichen Menschen,
dessen Leben so unsicher ist, Verwandte nützen, was ein
Anhang, von dem er sich trennen mufs! Ihm, der, alles
dieses verlassend, dahingeht und, wenn er dahingegangen
ist, nicht wiederkommt!
48. (79>8.) Erde, Äther, Wasser, Feuer und Wind er-
halten den Körper in seinem Bestände fort und fort. Wer
dies bedenkt, wie sollte der sich freuen; dagegen, dafs
er vergänglich ist, gibt es keinen Schutz.
49. (7929.) Indem der Männerfürst [Janaka] dieses un-
fehlbare Wort, das untrügliche, höchst heilsame, dessen
Zeuge er geworden war, mit Erstaunen prüfend be-
trachtete, ging er dazu über wiederum in folgender Weise
zu fragen.
So lautet im Moluhadharma
in der Bede de« Paucavikha die Bekämpfung der Ketter
(Piihni^itha • räkyt pd$han>ia - Ihaniianatn).
18*
Digitized by Google
276
III. Mokshadharma.
Adhy&ya 219 (B, 219).
Vers 7930-7983 (B. 1-52).
Bhishma sprach:
1. (7930.) Der König Janaka aber, in dieser Weise von
dem höchst Weisen belehrt, befragte ihn abermals über das
Sein oder Nichtsein nach dem Tode.
Janaka sprach :
2. (793i.) 0 Heiliger, wenn keiner nach dem Tode ein
Bewufstsein behält [wie schon Yajfiavalkya Brih. Up. 2,4,12
lehrt], was kann, wenn dem so ist, Nichtwissen oder Wissen
für eine Bedeutung haben?
3. (7932.) Dann steht es doch fest, dafs alles vernichtet
wird, und bedenke auch dieses, o Bester der Zwiegeborenen,
welchen Unterschied es dann begründen kann, wenn einer
unbesonnen oder besonnen war.
4. (7933.) Wenn nur bei denen, welche entstanden sind,
Nichtvermengung, und bei denen, welche zugrunde gehen,
Vermengung [der Individualität] stattfindet, für wen arbeitet
man dann und hofft man dann? Welchen Bescheid kann
man der Wahrheit gemäfs darauf geben?
Bhishma sprach :
5. (793*. j Zu ihm, der von Finsternis umgeben, verwirrt
und gleichsam krank war, sprach, um ihn durch seine Worte
wieder zu beruhigen, der Weise Paficacikha folgendermafsen :
6. (7935.) Es steht nicht fest, dafs hienieden alles ver-
nichtet wird, und es steht auch nicht fest, dafs es fortbesteht;
jedenfalls ist der Mensch eine Zusammenraffung von Körper,
Sinnesorganen und Manas, (7936.) welche gesondert besteht,
wenn man sich auch bei den Handlungen wechselseitig auf-
einander stützt.
7. Die Elemente sind [das Folgende nach C] fünffach:
Wassel, Äther, Wind, Lichtelement (jyotishoj und Erde;
(7937.) diese bestehen durch ihre eigene Natur und werden
vermöge ihrer eigenen Natur getrennt.
Digitized by LaOOQle
Adhyaya 219 (B. 219).
277
8. Äther, Wind und Hitze, das flüssige und das erdige
Element, (7938.) die Zusammenraffung dieser fünf bildet den
Körper und er ist nicht einheitlich.
9. Das Bewufstsein, die Körperwärme und der Körper-
wind, diese bilden die dreifache Summe ihrer Produkte;
m39.) die Sinnesorgane und die Sinnendinge, ihre Eigenart,
die Wahrnehmung und das Manas, Aushauch und Einhauch
und was aus dem allem hervorgeht, das sind die Bestand-
teile, welche sich auf jene drei stützen.
10. r?94o.) Das Hören und Fühlen, Zunge, Gesicht und
Nase, diese fünf Sinnesorgane sind ihre [der Elemente], das
Manas fcittam) als Führer habende Qualitäten.
1 1. (794i.) Dabei ist ein mit Bewufstsein verbundenes,
dreifaches, beharrliches Geistiges (ceianä) tätig, welches man
bezeichnet als [1] Lust empfindend, [2] Schmerz empfindend,
sowie [3] als schmerzlos und lustlos.
12. (7942.) Ton und Berührung, Gestalt, Geschmack und
Geruch, diese Wesenheiten dienen bis zum Tode hin als fünf
oder [mit Einschlufs der Funktion des Manas] als sechs
Qualitäten dem Vollbringen der Erkenntnis.
13. (7943.) Neben ihnen steht die Ausbreitung der Werke
[durch die Karmendriya's] und die Feststellung der Bedeutung
aller Wesenheiten [durch die Buddhi]; diese nennt man das
höchste Reine, auch Buddhi, und das grofse Unvergängliche.
14. (7944.) Wer dieses Aggregat der Guna's [Sattvam,
Kajas, Tamas] als das Wesen des Atman ansieht, für den
kommt, weil er die Dinge unrichtig sieht, unendliches Leiden
nicht zum Aufhören.
15. (7945.) Wer sie hingegen als das Nichtselbst erkennt
und spricht: sie sind nicht ich und sind nicht mein, auf
welchen Grund sich stützend könnte dann die Fortsetzung
des Leidens von statten gehen?
lrt. (7946.) Nunmehr sollst du die allerhöchste Kntsagungs-
lehre, welche den Namen „die alles zermalmende" führt, vor-
nehmen, welche ausgesprochen zu deiner Erlösung dienen wird.
17. (7947.) Diese Entsagung in bezug auf alle, auch auf
die [als Pflicht] auferlegten Werke, gilt jederzeit unter den
Irregeleiteten für eine schmerzvolle Plage.
Digitized by Google
278
III. Mokshadharma.
18. (7048.) Im Verzicht auf die Opfersubstanzen bestehen
die Werke, im Verzicht auf das Geniefsen die Gelübde, im
Verzicht auf Lust besteht Askese und Hingebung, im Ver-
zicht auf alles die höchste Erringung.
19. (7949.) Zu diesem Verzichten auf alles wird dieser und
kein zweiter Weg gelehrt, der zum Aufgeben des Leidens
führt, auf anderm Wege dürfte es schwer erreichbar sein.
20. (7950.) Nachdem ich die fünf Erkenntnisorgane ge-
nannt habe, zu welchen sich im Bewufstsein Manas als sechstes
gesellt, so will ich nunmehr die fünf Tatorgane aufzählen, zu
welchen sich die Kraft (halam) als sechstes gesellt
21. (7951.) Die Hände sind das Organ des Handelns, die
Füfse das Organ des Gehens, der Penis das der Zeugung
und Wollust, der Anus ist das Organ der Entleerung.
22. (7952.) Die Rede endlich dient zur Artikulierung der
Töne, so wird sie [die Tat] von den fünf Organen geleitet
Das also sind die elf Organe. Man soll das Manas alsbald
mitsamt der Buddhi von sich loslösen.
23. (7953.) Die Ohren, der Ton und der Verstand (cütam
= manas), diese drei [wirken zusammen] beim AufTassen
durch das Gehör; entsprechend ist es beim Fühlen, ent-
sprechend beim Sehen, entsprechend beim Schmecken und
Riechen.
24. (7954.) So sind diese fünf Qualitäten dreifach zum
Zwecke ihrer Auffassung, weil sich dieses dreifache Zusammen-
wirken der Reihe nach bei ihnen einstellt.
25. (7955.) Als sattva-artig, rajas-artig und tamas-artig,
als diese drei treten hervor, indem sie alles zustande bringen,
[jene Wesenheiten ] in welchen somit ein dreifaches Empfinden
herrscht.
26. (7956.) Als Freude, Befriedigung, Wonne, Lust und
beruhigtes geistiges Verhalten, mögen sie nirgendwoher oder
irgendwoher stammen, als diese wird der sattva-artige Guna
gedacht.
27. (7957.) Unbefriedigtheit, Qual, Kummer, Begierde und
Unduldsamkeit, diese treten hervor als Merkmale des Kajas,
mögen sie einen [äufsern] Grund haben oder nicht.
28. (7958.) Nichtunterscheidung, Verblendung, Unbesonnen-
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 219 (B. 219).
279
heit, Schlaf und Schlaffheit, wie sie auch immer [entstanden]
sein mögen, sind die mannigfachen Qualitäten des Tamas.
29. (7959.) Was nun mit Befriedigung verknüpft ist, sei
es im Körper, sei es im Geiste, das ist der sattva-artige Zu-
stand, dementsprechend hat man dieses zu berücksichtigen.
30. (7960.) Was aber mit Nichtbefriedigung verbunden
ist und einem Unlust bereitet, in diesem tritt das Kajas her-
vor; da dem so ist, möge man auch dies bedenken.
31. (7961.) Was aber mit Verblendung verbunden ist, sei
es im Körper, sei es im Geiste, was des Nachdenkens und
des Bewufstseins entbehrt, das soll man als das Tamas be-
trachten.
32. (7962.) Das Gehör stützt sich auf den Äther und der
Ton stützt sich auf das Gehör; jene beiden [Äther und Gehör)
werden bei Erkenntnis des Tones nicht bewufst, mag dabei
das Bewufstsein [manas] tätig sein oder das Gegenteil statt-
finden.
33. (7963.) Ebenso [nämlich dafs nur die Empfindung,
nicht aber das Element und die ihm entsprechende Tätig-
keit in das Bewufstsein treten] steht es mit Haut, Augen,
Zunge und Nase als fünftem bei dem Fühlen, Sehen, Schmecken
und Riechen; sie alle sind Bewufstsein, das Bewufstsein aber
ist Manas.
34. (7964.) Bei diesen Zehnen findet ein mit ihrer Tätig-
keit gemeinsames Wirken [des Manas] statt. Dieses, das
Erkenntnisorgan fcittam = manas) soll man wissen als elftes,
und die Buddhi ist das zwölfte.
3f>. (7965.) Wenn diese [Buddhi, Manas und Sinne] nicht
zusammenwirken, so liegt es daran, dafs das Tamas-artige
nicht beseitigt worden war; besteht aber ihr gemeinsames
Wirken, so ist das die normale Betätigung.
36. (7966.) Aber auch der, welcher die schwer erkenn-
baren Sinnesorgane infolge vorheriger Belehrung durch den
Veda wahrnimmt und überdenkt, kommt zu keiner voll-
ständigen Erfassung, solange er mit den drei Guna's be-
haftet ist.
37. (7967.) Dasjenige Manas (cittamj nämlich, welches vom
Tamas behindert, [vor-] schnell zusammenfassend und un-
Digitized by Google
280
III. Mokshadhariua.
sicher, ein Aufhören [des Zusammenwirkens] im Körper ver-
schuldet, das nennen die Weisen ein tamas-behaftetes.
38. (7968.) Und auch jenes Manas, welches auf Grund der
heiligen Überlieferungen nicht das Elend [des irdischen Da-
seins] überblickt, nimmt auch hier [wie bei Betrachtung der
irdischen Realität] nur gleichsam das durch Tamas sich ent-
faltende Unwahre [der vedischen Theologie] wahr.
39. (7969.) Der hiermit dargelegte, auf den eigenen Werken
[einer frühern Geburt] sich gründende Guna [das Tamas]
bleibt zuweilen vollständig herrschend, während er bei einigen
schwindet.
40. (7970.) Somit bezeichnen die nach der innern Seele
Forschenden das [körperliche] Aggregat als den Ort (hsetramjx
hingegen wird die im Geiste ruhende Wesenheit [des Purusha]
der Ortskenner (kshetrajna) genannt.
41. (7971.) Aber da dem so ist, worin besteht die Los-
lösung, und wie kann sie ewig sein, da doch alle Geschöpfe
aus ihrer eigenen Natur heraus und infolge von Gründen
[ihrer Werke in einer frühern Geburt] sich betätigen müssen?
42. (7972.) Wie die zum Ozean eilenden Flüsse ihre Formen
und Namen aufgeben [Mund. Up. 3,2,8], und die Strömungen
des Ozeans dieselben in sich aufnehmen, so ist die Wesens-
vernichtung zu denken.
43. (7973.) Da dem so ist, woher kann dann aber im Zu-
stande nach dem Tode wiederum ein [individuelles] Bewufst-
sein entstehen, da die Seele doch [mit dem All] verfliefst und
vollständig [von dem All] umschlungen wird.
44. (7974.) Wer diese Erkenntnis von der Erlösung
besitzt und frei von Unbesonnenheit nach dem Atman
forscht, der wird nicht mehr von den unerwünschten
Früchten der Werke befleckt, dem Blatte der Lotospflanze
vergleichbar, wenn es mit Wasser benetzt wird.
45. (7975.) Wenn der Mensch befreit von den starken
Fesseln, geschmiedet durch die Familie und den Gottes-
dienst, Lust und Schmerz hinter sich läfst, dann geht
er, erlöst und frei von Charaktereigenschaften, den
höchsten Gang.
46. (7976.) Gestützt auf die Autorität der Schrift und
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 219 (B. 219).
281
die Verheifsungen der heiligen Lehre bleibt er ruhig und
läfst sich durch die Furcht vor Alter und Tod nicht mehr
schrecken. Sein gutes Werk schwindet, sein böses hat
ihn verlassen und die dadurch bedingte Frucht ist ver-
nichtet. (7977.) Und so geht er ein zu dem fleckenlosen,
merkmalfreien Äther, und in ihm weilend verharrt er in dem
Grofsen als ein Schauender und frei von Anhänglichkeit.
47. Wie eine sich hin und her wendende Spinne,
wenn ihr der Faden bricht, herabgefallen in Ruhe ver-
weilt, (7978.) so läfst der Erlöste das Leid fahren und zer-
stiebt wie ein Erdklofs, wenn er auf einen Stein trifft
[Brih. Up. 1,3,7].
48. Wie der Hirsch, wenn er sein altes Geweih ab-
wirft, wie die Schlange, wenn sie ihre Haut (7979.) ab-
streift, fortgeht, ohne zurückzublicken, so wirft der Er-
löste das Leid von sich.
49. Wie der Vogel einen ins Wasser stürzenden Baum
verläfst und herabfliegt, ohne sich an ihn zu halten,
(7980.) so verläfst jener [Erlöste] Lust und Leid und geht
von ihnen befreit ohne Charaktereigenschaften den höch-
sten, allerhöchsten Gang.
50. (7981.) Auch gibt es ein Lied, welches von einem
Fürsten von Mithilä gesungen wurde, als er sah, wie
seine Stadt vom Feuer verzehrt wurde: „Fürwahr, da
brennt nichts von dem Meinigen ! i4 Dieses sprach der Fürst
des Landes selbst.
51. (7982.) Als der König diese nektargleiche Rede ge-
hört hatte, welche von Paficacikha selbst zu ihm ge-
sprochen worden war, da prüfte er alles und wurde sich
klar über seinen Zweck und wandelte hin, hochbeglückt
und frei von Kummer.
52. (7983.) Wer diese Darlegung über die Erlösung
rezitiert, o Yudishthira, und sie ebenso wie jener immer-
fort im Sinne hat, der erfährt keine Widerwärtigkeiten,
keine Leiden und wird erlöst wie der König von Mithüä,
als er sich an den Kapilasprofs gewandt hatte.
So Uutet im MoWthadharro» die Rede de» l'aiu a^iklüt
Digitized by Google
282
HI. Mokshadharma.
Adhyftya *ÄO (B. 220).
Vers 7984-8003 (B. 1-20).
Yudhishthira sprach:
1. (7y84.) Durch welches Tun erlangt man Lust, durch
welches Tun erlangt man Leid, durch welches Tun wandelt
der Vollkommene furchtlos in der Welt, o Bharata?
Bhlshma sprach:
2. (7»85.) Die Selbstzucht ist es, welche die dem Schrift-
wort nachdenkenden Alten anempfehlen sowohl allen Kasten
als auch besonders den Brahmanen.
3. (7986) Wer keine Selbstzucht besitzt, dem geht das
Gedeihen [diesem Mangel] entsprechend nicht vonstatten;
W r erk, Askese und Wahrhaftigkeit, das alles ist in der Selbst-
zucht begründet.
4. (7987.) Die Selbstzucht steigert die Energie, die Selbst
zucht wird ein Läuterungsmittel genannt ; frei von Sünde und
Furcht findet der Selbstzucht übende Mensch das Grofse.
5. (7988.) Mit Lust schläft ein, wer die Selbstzucht be-
sitzt und mit Lust wacht er wieder auf; mit Lust verkehrt
er in der Welt und sein Gemüt ist in Ruhe.
f>. (7989.) Die Energie wird durch Selbstzucht aufrecht
erhalten, und wer durch sie energisch geworden, kommt zu
Gelingen; in sich selbst sieht er allezeit viele und mannig-
fache Feinde.
7. (7990.) Wie vor Raubtieren fürchten sich die Wesen
stets vor denen, die keine Selbstzucht besitzen, und um sie
zu zügeln, ist der König von dem Schöpfer erschaffen worden.
8. (7991.) Höher als alle [vier] Lebensstadien steht die
Selbstzucht, und die Frucht, welche an die Pflichterfüllung
in ihnen sich knüpft, wird in noch höherem Mafse dem Selbst-
zucht Übenden zuerkannt.
1). (7992.) Ich will die Merkmale derjenigen verkündigen,
die in der Selbstzucht Erfolg haben ; sie sind Nichtkleinmütig-
keit, Nichtungestüm, Zufriedenheit und gläubige Gesinnung,
10. (7993.) Freiheit von Zorn, beständige Geradheit, ohne
Adhyäya 220 (R 22u).
283
Grofssprecherei und Hochmut, Ehrung des Lehrers, Nicht-
nörgeln, Mitgefühl mit den Wesen und Freiheit von Hinterlist,
11. (7994.) Enthaltung von Klatscherei, Lüge, Lob und
Tadel. Nur nach dem Guten begehrend sei sein Trachten,
nicht [richte er) sein Verlangen auf erhoffte Dinge.
12. (79«J5.) Sein Umgang sei mit solchen, die keine Feind-
schaft hegen, gleichmütig bleibe er bei Tadel und Lob, von
gutem Wandel, charaktervoll, beruhigten Geistes, seiner selbst
gewifs und sich beherrschend.
13. (7996.) Dann wird er freundliche Behandlung erfahren
und nach dem Tode in den Himmel eingehen; er hilft allen
Wesen bei dem, was ihnen Schwierigkeiten macht, und ist
voll Freudigkeit und beglückt.
14. (7997.) Wer, so bedacht auf das Wohl aller Wesen,
keinen Menschen hafst, der wird, wie ein grofser See von
Wellen nicht bewegt, an Erkenntnis sich sättigend in Ruhe
verharren.
15. (7998.) Wer sich nicht mehr vor den Wesen fürchtet,
und vor welchem alle Wesen sich nicht mehr fürchten, der
wird von ihnen allen geehrt, der ist selbstzuchtbesitzend
und weise.
16. (799D.) Er freut sich nicht, wenn er Grofses erreicht
hat, er klagt nicht, wenn ihn ein Unglück trifft, so ist er
mit seinem Wissen sich bescheidend, so wird er ein Selbst-
zucht übender Brahmane genannt.
17. ohh>o.) Mit Schriftwissen begabt, von guten Werken
umgeben und rein und allezeit in Zucht sich haltend, ge-
niefst er ihre grofse Frucht.
18. (8001.) Nicht -Nörgeln, Nachsicht, Gemütsruhe, Zu-
friedenheit und freundliches Reden, Wahrhaftigkeit, Frei-
gebigkeit und Kummerlosigkeit, das ist der Weg, den Übel-
gesinnte nicht zu finden wissen.
VX «koos.) Begierde und Zorn, Habsucht, Neid gegen
andere, Prahlerei, Begierde und Zorn bemeistert er, keusch
und die Sinne bezähmend,
20. (8003.) so schreitet mutig dahin in der furchtbaren
Finsternis der Brahmane mit scharfem Gelübde; seine Stunde
l>84
III. Mokshadharma.
ersehnend möge er in der Welt wallen, ohne Mifserfolg,
seines Atman gewifs.
Su lautet im Mokshadharma der Preis der Selbstzucht
(dama>pra<<nH*d)>
Adhyftya 221 (B. 221).
Vera 8004-8020 (B. 1-17).
Yudhishthira sprach:
1. f8O04.) Dafs die in einem Gelübde begriffenen Z wie-
geborenen in der bekannten Weise die Opferspeise geniefsen
als Nahrung, dem Brahmanenbrauche zuliebe, wie ist das zu
beurteilen, o Grofsvater?
Bhlshma sprach :
2. (8005.) Sowohl diejenigen, welche die im Veda be-
fohlenen Gelübde nicht betreiben und essen, indem sie ihren
Geschäften nachgehen, als auch diejenigen, welche den Veda-
worten entsprechend essen, beide sind ihrem Gelübde ab-
trünnig geworden (lies mit C: luptah), o Yudhishthira.
■
Yudhishthira sprach:
3. (8006.) Das Fasten, was das gemeine Volk so mit dem
Namen des Tapas (Askese) bezeichnet, ist dieses das Tapas,
o grofser König, oder wenn nicht, was ist denn Tapas?
Bhishma sprach:
4. (8007.) Was die Leute für Tapas halten, indem man
einen Halbmonat durch fastet, das ist vielmehr nur eine
Schädigung des Leibesbestandes und wird von guten Men-
schen nicht als Tapas angesehen.
5. (8008.) Entsagung und Demut, diese gelten als höchstes
Tapas; [wer sie hat] der hat das fortwährende Fasten, der
hat die beständige Keuschheit.
6. (sooö.) Ein Einsamer sei allezeit der Brahmane, eine
Gottheit sei er allezeit, für seine Familie sorgend, seine Pflicht
liebend allezeit und ohne Schläfrigkeit, o Bhärata.
7. (80io.) Allezeit enthalte er sich der Fleischnahrung,
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 221 (B. 221).
285
allezeit wirke er läuternd, allezeit labe er sich an Amritam,
indem er Götter und Gäste ehrt.
8. (soll.) Allezeit nähre er sich von Restspeise, allezeit
erfülle er das Gastgelübde; gläubig sei er allezeit, voll Ehr-
erbietung gegen Götter und Brahmanen.
Yudhishthira sprach:
9. (8012.) Wie kann er das fortwährende Fasten, wie kann
er die beständige Keuschheit haben, wie kann er allezeit
Restspeise essen und das Gastgelübde erfüllen?
Bbishma sprach:
10. (8013.) Wer zwischen der Morgenmahlzeit und der
Abendmahlzeit zwischendurch nicht nochmals ifst, der hat
das fortwährende Fasten.
1 1. (80U-.) Wenn er zur gesetzten Zeit die Gattin besucht,
dann hat der Brahmane die beständige Keuschheit, der Mann,
welcher immerdar die Wahrheit redet und immer der Er-
kenntnis obliegt.
12. (8oi5.) Er soll nicht ohne Not Fleisch essen oder auch
der Fleischnahrung sich ganz enthalten, immerfort spendend
und läuternd, nicht schläfrig und nicht bei Tage schlafend.
13. (8016.) Wer immerfort nur dann ifst, nachdem seine
Leute und seine Gäste gesättigt sind, der labt sich an reinem
Amritam, das wisse, o Yudhishthira.
14. (8017.) Der Z wiegeborene, welcher allezeit nicht ifst,
bevor jene gegessen haben, der hat durch dieses Nichtessen
sich den Himmel erworben.
15. (8018.) Wer das von Göttern, Vätern, Angehörigen und
Gästen Übriggelassene ifst, der heifst ein Restspeise-Esser.
16. (8oi9.) Die so leben, denen gehören die unendlichen
Welten, und mit Gott Brahmän denselben Sitz teilend, wan-
deln sie, von Apsaras bedient, als Himmelsbewohner umher.
17. (8020.) Sie, welche in Gemeinschaft mit den Göttern
und Vätern geniefsen, die freuen sich an Kindern und Kindes-
kindern und ihrer ist der höchste Gang.
So lautet im Mokabadüaruia die Krage nach dem Amritam
(amfita • prA$nikam).
•J86
III. Mokshadliarma.
Adhyftva (B. 222).
Vers 8021-8057. (B. 1-37.)
Yudhishthira sprach:
1. Das in dieser Welt begangene Werk, sei es
gut oder böse, welches den Purusha (Mensch, Seele) bindet
durch Bindung an die Frucht, o Bharata,
2. (W22.) ist dessen Täter der Purusha oder nicht? Dar-
über besteht Zweifel; dieses wünsche ich der Wahrheit ge-
mäfs von dir, o Grofsvater, zu vernehmen.
Bhlshma sprach:
3. (8o*3.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich, o Yudhishthira, die Unterredung zwischen
Prahrada und Indra.
4. (8024.) Den nicht anhänglichen, von Bösem befreiten
aus guter Familie geborenen, der Schrift sehr kundigen, an-
spruchslosen, selbstlosen, in der Wahrheit festen, sich an
Verpflichtung freuenden,
5. <8025.) Tadel und Lob gleichachtenden, bezähmten, in
einem einsamen Hause wohnenden, Ursprung und Vergang
der beweglichen und unbeweglichen Wesen kennenden,
6. (8026.) nicht zürnenden und nicht sich freuenden über
Liebes und Unliebes, auf beides, mochte es Gold oder Erd-
klumpen sein, gleichmäfsig blickenden,
7. (8027.) in der Erkenntnis des Seelenheils festen, Klar-
heit errungen habenden, das Höchste und Tiefste unter den
Wesen kennenden, alles wissenden, auf alles gleichmütig
blickenden,
8. (8028.) diesen Prahrada, wie er einsam und mit be-
zähmten Sinnen dasafs, suchte, um seine Erkenntnis zu er-
lernen, der Gott Qakra (Indra) auf und sprach zu ihm:
9. (8029.) Alle Tugenden, um deren willen ein Mann in
der Welt geehrt wird, o König (nripa mit C), alle diese
Tugenden sehen wir unverlierbar, o Herr, verwirklicht in dir.
10. (soso.) Und auch dein Bewufstsein erscheint [so rein],
Adliyäva 222 (B. 222).
wie das der Kinder zu sein pflegt. Der du den Atman über-
denkst, was hältst du hienieden für das Heil?
11. (So.Hi.) Mit Stricken gebunden, aus deiner Stellung
verstofsen, in die Hand deiner Feinde gegeben und vom
Glück verlassen, o Prahrada, bist du in einer beklagens-
werten Lage und klagst doch nicht.
12. (mos*.) Kommt es daher, weil du die Erkenntnis ge-
wonnen hast, o Daityafürst, oder wegen der Festigkeit deines
Charakters, dafs du, o Prahrada, wohlgemut bleibst, obgleich
du dich selbst im Unglück siehst?
13.. (8033.) Als der Weise, zur Klarheit Gekommene mit
diesen Worten von jenem [Indra] angespornt worden war,
da antwortete er mit sanfter Stimme, indem er seine Er-
kenntnis an den Tag legte.
Prahrada sprach:
14. (8034.) Wer das Entstehen und Vergehen der Wesen
nicht begreift, der mag wegen seiner Torheit darüber staunen,
wer sie begreift , der wird nicht staunen.
lf>. (8035.) Vermöge der Natur (svubhäva = prakrüi) ent-
steht und vergeht alles, was ist und nicht ist; für den Purusha
aber gibt es keinen Zweck.
16. (8036.) Und da es keinen Zweck des Purusha gibt, so
ist kein Purusha je ein Täter, aber obgleich er selbst nie-
mals ein Täter ist, so besteht doch hienieden der Wahn,
als wenn er es sei.
17. (8037.) Wer nun seinen Atman für den Täter hält des
Guten oder Bösen, dessen Bewufstsein ist mangelhaft und
erkennt die Wahrheit nicht, so meine ich.
18. (8038.) Wäre, o Qakra, der Purusha der Täter, dann
würden unfehlbar die von ihm zu seinem Glücke gemachten
Anstrengungen zum Ziele fuhren, und er würde niemals dies
Ziel verfehlen.
19. (8039.) Abwendung des Unerwünschten und Nicht-
Abwendung des Gewünschten zeigt sich ja als Ziel bei allen
Strebenden; wie sollte also der Purusha ein Ziel verfolgen!
20. (8040.) Ein Zustandekommen des Unerwünschten und
ebenso ein Gelingen des Erwünschten sehen wir bei manchen
288
III. Mukshadharma.
ohne Anstrengung eintreten; dies geschieht durch die Natur
(svabhävaj.
21. (8041.) Manche, die wohlgestalteter und verständiger
sind, müssen, wie die Erfahrung zeigt, von Mifsgestalteten
und weniger Verständigen die Erlangung von Gütern erbitten.
22. (8042.) Wo nun alle Eigenschaften, die guten wie die
schlechten, nur in die Erscheinung treten, indem sie durch
die Natur in Gang gebracht werden, wie könnte da irgend
jemand Grund haben, auf etwas stolz zu sein!
23. (8043.) Alles dies wird durch die Natur bewirkt, dies
ist meine feste Uberzeugung, welche sich auf den Atman
gründet, und für mich gibt es keine andere Erkenntnis
als diese.
24. (8044.) Andrerseits besteht die Ansicht, dafs das Er-
langen einer guten oder bösen Frucht durch [frühere] Werke
bedingt sei; darum will ich dir die ganze Tragweite der
Werke erklären, vernimm sie von mir.
25. (8045.) So wie eine Krähe, indem sie ifst, das Vor-
handensein von Nahrung [den anderen Krähen] kundmacht,
so bekunden alle Werke nur die Natur [aus der sie hervor-
gehen].
26. (8046.) Wer nur die Entfaltungen erkennt und nicht
die höchste Prakriti, der mag wegen seiner Torheit darüber
staunen, wer sie begreift, der wird nicht staunen.
27. (8047.) Für einen, der mit Sicherheit begreift, dafs
alles Sei^nfte auf der Welt nur aus der Natur hervorgehe,
was kann dem noch Stolz oder Hochmut anhaben?
28. (8048.) Ich kenne alle Pflichtvorschriften und auch die
Vergänglichkeit der Wesen, darum, o (>kra, trauere ich
nicht, denn alles, was auf dieser Welt existiert, geht einmal
zu Ende.
29. (8049.) Frei von Selbstsucht und Ichbewufstsein, ohne
Wünsche, von Banden frei, in mir selbst gegründet und los-
gelöst, schaue ich hin auf Entstehen und Vergehen der Wesen.
30. (soso.) Wem die Erkenntnis geworden ist, wer be-
zähmt, frei vom Durst (trishnaj und frei von Wünschen ist,
für den, o <>kra, gibt es kein Bemühen mehr, indem er die
unvergängliche Stätte schaut.
Adhyaya 222 (B. 222).
2M
31. (8051.) In der Prakriti und in dem, was aus ihr ent-
standen ist, ist nichts, das ich liebte oder hafste, ist nie-
mand, den ich für einen Feind hielte oder der auf mich An-
sprüche erheben könnte (mamäyate).
32. (8052.) Nicht in der Höhe, nicht in der Tiefe, noch in
der Mitte irgendwo ist etwas, das ich begehrte, o C ft kra,
nichts habe ich zu tun mit den Gegenständen der Erkenntnis,
nichts mit der Erkenntnis und dem Wissen.
£akra sprach:
33. (8053.) Wodurch diese Erkenntnis gewonnen, wodurch
diese Ruhe erlangt wird, das Mittel sage mir an, der ich
dich geziemend frage, o Prahräda.
Prahräda sprach:
34. (8054.) Durch Geradheit, durch Besonnenheit, durch
Heiterkeit, durch Selbsthaftigkeit und durch Beachtung dessen,
was die Alten lehrten, o (^akra, erlangt der Mensch das Grofse.
35. (8055.) Durch die Natur fsvabhavaj erlangt man die
Erkenntnis, durch die Natur gelangt man zur Beruhigung,
durch die Natur nur besteht diese ganze Welt und alles,
was du erblickst.
36. (8056.) Als der Fürst der Daitya's so gesprochen hatte,
geriet £akra in Erstaunen, und voll Freude, o König, zollte
er dieser Rede Verehrung.
37. (8057.) Und nachdem er den Daityafürsten gepriesen
hatte, nahm er, der Herr und Gebieter der drei Welten, von
dem Fürsten der Dämonen Abschied und begab sich in seine
Behausung.
So lautet im Mokthedbanna «Ii« Unterredung zwischen «,akra und Prahrada
($+kra- Frahrdda-$atncdda).
Dsrp»K*, Mauipuaratam
19
2<X)
III. Mokshadharma.
AdhyAya T4A (B. 223).
Vers 8058-8087 (Ii. l-30>.
Yudhishthira sprach:
1 . (8058.) Wie beschaffen ist das Bewufstsein, mit welchem
ein Fürst, der aus seiner glücklichen Lage gestürzt wurde,
auf der Erde lebt, nachdem er durch die Schläge des Kala
(der Zeit) zermalmt ist? Das sage mir. o Grofsvater.
r
Bliishma sprach :
2. (soso.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Väsava (Indra) mit
Bali, dem Sohne des Virocana.
3. (806o.) Dem Urvater sich nahend und vor ihm mit zu-
sammengelegten Händen niederfallend, befragte ihn Väsava,
nachdem er schon alle Dämonen besiegt hatte, nach dem Bali.
4. (8061.) Ihn, dem sein Reichtum, obwohl er ihn abgab,
niemals verloren ging, diesen Bali finde ich nicht, o Gott
Brahmän; sage mir, wo Bali weilt.
5. (8062.) Er ist der Windgott und ist Varuna, ist die
Sonne und ist der Mond, er wärmt als Agni die Wesen und
er ist auch das W'asser.
tt. (8063.) Diesen Bali finde ich nicht, o Gott Brahmän:
sage mir, wo Bali weilt. Er geht [als Sonne] unter und er
erhellt die Weltgegenden.
7. (8064.) Er läfst den Regen regnen je nach der Zeit un-
ermüdlich. Diesen Bali finde ich nicht, o Gott Brahmän:
sage mir, wo Bali weilt.
Der Gott Brahman sprach:
8. (8066.) Es ist dir nicht gut, o Mächtiger, dafs du nach
ihm fragst; aber wenn man gefragt wird, soll man nicht
die Unwahrheit sagen, darum will ich dir sagen, wo Bali
weilt.
9. (8066.) Mag er unter den Kamelen zu finden sein oder
unter den Rindern, den Eseln oder den Pferden, er wird als
der Beste seiner Art in einem leeren Hause [als Einsiedler]
weilen, o Gemahl der (."aci.
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 223 (B. 223).
291
(,'akra (Indra) sprach:
10. (S(h'ü.) Wenn ich, o Gott Brahmän, mit dem Bali in
einem leeren Hause zusammentreffe, soll ich ihn dann töten,
oder soll ich ihn nicht töten? Darüber, o Brahmän, be-
lehre mich.
Der Gott Brahmäu Spruch:
11. fKous.) Nicht mögest du, o (,'akra, den Bali töten, nicht
verdient Bali getötet zu werden, vielmehr nach seiner Lebens-
regel, o (,akra, magst du ihn, soviel es dir beliebt, fragen,
o Vasava.
Bhlshma (der Erzähler) sprach:
12. (8069.) Nachdem der Heilige so zu ihm gesprochen
hatte, durchstreifte der grofse Indra auf dem Rücken seines
Elefanten Airävata die Erde, von Herrlichkeit umgeben.
13. (807<>.) Da sah er den Bali, in che Gestalt eines Esels
gehüllt, so, wie es ihm von dem Heiligen beschrieben worden
war, in einem leeren Hause wohnend.
C'akra sprach :
14. (Sozi.) Der du in den Mutterschafs einer Eselin ge-
raten bist und Getreidehülsen verzehrst, o Dänava, wird diese
deine ganz niedrige Geburt von dir beklagt oder nicht?
15. (8072.) Unansehnlich, ach! sehe ich dich, in die Ge-
walt deiner Feinde geraten, von Glück und Freunden ver-
lassen, deiner Mannhaftigkeit und Tapferkeit verlustig.
MS. (8073.) Dafs du so mit tausend Wagen und von An-
gehörigen umgeben, alle Welten erwärmend, dahinzogst, ohne
dich um uns zu kümmern,
17. (8074.) und dafs die Daitya's, von dir angeführt, sich
unter deiner Herrschaft ausbreiteten, und dafs die Erde un-
gepflügt zu ernten erlaubte, das alles geschah univv deiner
Oberherrschaft.
18. (8*»75.) Und heute, wo dich dieses Mifsgeschick ge-
troffen hat, beklagst du es da oder beklagst du es nicht?
Als du noch dastandest am östlichen Ufer des Ozeans mit
[übermütigem] Züngeln,
10. fHn76.) wie war dir damals, wenn du Keichtum an
Ii»*
292
III. Mokshadliarma.
deine Angehörigen verteiltest, zumute? Als vor dir zu Tau-
senden geschart göttliche Frauen tanzten,
20. (8077.) indem du viele Jahresreihen hindurch lust-
wandelnd vor Glück strahltest, Frauen, alle mit Lotos bekränzt,
alle von goldgleichem Glänze,
21. (8078.) wie war dir damals und wie ist dir heute zu-
mute, o Fürst der Dänava's? Du hattest einen sehr grofsen
Sonnenschirm aus Gold und mit Edelsteinen geschmückt,
22. (8079.) und vor dir tanzten siebenmal sechstausend
Gandharven; einen mächtig grofsen Opferpfosten hattest du,
ganz aus Gold, wenn du opfertest
23. (8080.) und aus diesem Anlafs zehntausend Myriaden
von Kühen verschenktest, je tausend mit einem Male; wie
war dir damals, o Daitya, zumute?
24. (8o8i.) Und als du als Opferherr die ganze Erde durch-
wandeltest, indem du deinen Mafstab über sie ausstrecktest,
wie sah es damals in deinem Herzen aus?
2.5. (8082.) Ich sehe nicht mehr deinen goldenen Trink-
becher, nicht mehr den Sonnenschirm und die beiden Fächer,
ich sehe nicht mehr, o Fürst der Dämonen, den Kranz, welchen
dir Gott Brahmän schenkte.
Bali sprach:
26. (8083.) Nicht siehst du mehr meinen goldenen Trink-
becher, nicht mehr den Sonnenschirm und die beiden Fächer,
nicht wirst du mehr sehen, o Väsava, den Kranz, welchen
mir Gott Brahman schenkte.
27. (8084.) Du fragst nach meinen Kleinodien, die in der
Höhle verborgen sind. Wenn meine Zeit da sein wird, dann
wirst du sie sehen.
28. (8086.) Aber es geziemt deinem Ruhme und deiner
hohen Abkunft nicht, dafs du, der du im Glücke bist, mir,
der ich nicht im Glücke bin, dies prahlend in Erinnerung
bringen willst.
29. (8086.) Denn nicht trauern im Leid und nicht freuen
sich im Glück diejenigen, welche Erkenntnis erlangt und am
Wissen sich gesättigt haben, die Weisen, welche gelernt
haben geduldig zu sein.
VjUU
gle
Adhyäya 223 (B. 223).
30. (8087.) Du aber prahlst, o Städtezerstörer, mit ge-
meinem Verstände; wenn du erst sein wirst wie ich, dann
wirst du nicht mehr so sprechen.
So lautet im Mokshaduarma die Unterredung zwischen Bali und Indra
(BaU - Vätat*- tatnedda).
Adhyftya 224 (B. 224).
Vers 8088-8147 (B. 1-G0).
Bhishma sprach:
1. (8088.) Wiederum sprach (,'akra lächelnd dieses Wort
zu ihm, der wie eine Schlange zischte, und setzte die Rede
fort, o Bhärata.
Cakra sprach:
2. (8089.) Dafs du so mit tausend Wagen und von An-
gehörigen umgeben, alle Welten erwärmend, dahinzogst, ohne
dich um uns zu kümmern,
3. (8090.) und dafs du jetzt diesen deinen so kläglichen
Zustand siehst, o Bali, wo du von Angehörigen und Freunden
verlassen bist, beklagst du das oder beklagst du es nicht?
4. i8<m.) Nachdem du vordem unvergleichliche Freude
hattest und die Welten in deiner Gewalt standen, beklagst
du da diesen Zusammenbruch deiner äufsern Macht oder be-
klagst du ihn nicht?
Bali sprach:
5. (8092.) Weil ich in dieser Welt nur Vergängliches sehe
infolge des Gesetzes des Umschwungs der Zeit ßälu), darum,
o £akra, klage ich nicht, denn alles hienieden ist endlich.
t>. (8093.) Endlich sind diese unsere Leiber und die der
übrigen W r esen, o Herr der Götter, darum, o (,'akra, beklage
ich nicht, was ohne meine Schuld herbeigeführt ist.
7. (so94.) Das Leben und der Leib werden bei der Geburt
zusammen geboren, wachsen beide zusammen und gehen zu-
sammen wieder beide zugrunde.
8. (8095.) Denn keinerlei Beunruhigung, da ich einen der-
artigen entblöfsten Zustand gegen meinen W illen erlangt
III. Mokshadharma.
habe und mir dessen bewufst bleibe — welcherlei Beunruhigung
könnte mir werden, da ich dies weifs!
9. (soso.) Der Tod ist das Endziel der Wesen, wie der
Ozean das Endziel der Flüsse; die Menschen, welche dies
nicht vollständig begreifen, gehen in der Irre, o Donnerkeil-
bewaffneter.
10. (8097.) Die nun, welche dies nicht erkennen und der
Leidenschaft und Verblendung huldigen, verzagen, wenn sie
ins Elend geraten, denn ihr Verstand läfst sie im Stiche.
11. (8098.) Wen aber sein Verstand nicht verläfst, der
stöfst alle Sünde von sich ab und frei vom Bösen ergreift
er das Gute (sattvam) und kommt im Guten beharrend zur
Ruhe.
12. (8099.) Diejenigen hingegen, welche sich vom Guten
abwenden und immer wieder und wieder geboren werden,
werden jämmerlich gequält, indem sie durch diese Zwecke
hier sich angetrieben fühlen.
13. (8100.) Glückerlangung und Unglück, Leben und Tod,
die Früchte der Lust und des Leides verabscheue ich nicht
und begehre sie auch nicht.
14. (8ioi.) Ein Toter tötet einen Toten, wenn ein Mensch
den andern tötet, „irr gehen dieser wie jener 4 ' (Käth. Up. 2,19),
der, welcher tötet, und der, welcher getötet wird.
15. (8102.) Wenn einer tötend und siegend mannhafte
Taten vollbringt, so ist nicht er der Täter, sondern ein
[anderer] Täter ist es, der die Tat vollbringt.
16. (8103.) Wer ist es denn, der beides, Vergang und
Neuentstehung der Welt, macht? Von einem Gemachten
wird jenes [menschliche Werk] gemacht, und sein eigent-
licher Täter ist ein anderer.
17. (8ioi.) Aus Erde, Feuer, Äther, Wasser und Wind
als iunftem, aus diesen sind die Wesen entsprungen, was
wäre da zu beklagen!
18. (8105.) Der sehr Weise und der Unweise, der Starke
und der Schwache, der Ansehnliche und der Unansehnliche,
der Glückliche und der Unglückliche, —
19. (8106.) alles verleiht ihnen Kala (die Zeit), welcher
tief gegründet ist in ihrer eigenen Kraft; und da dies alles
Digitized by LaOOQle
Adhyuya 224 (R 224).
295
unter der Herrschaft des Kala steht, wie sollte ich mich be-
unruhigen, da ich dieses weifs.
20. (8io7.) Der Mensch verbrennt nochmals, was schon
verbrannt war, getötet wird von ihm, was schon getötet war,
vernichtet wird das schon vorher Vernichtete und ergriffen
das, was zu ergreifen vorher bestimmt war.
21. (8io8.) Keine Insel ist hier zu sehen, kein jenseitiges
L'fer und kein diesseitiges, keine Grenze erblicke ich dieser
göttlichen Ordnung, so sehr ich darüber nachdenke.
22. (8109.) Ja, wenn es nicht der Fall wäre, dafs Kala
(die Zeit) vor meinen Augen vernichtete, dann könnte ich
vielleicht, o Gemahl der Taci, Freude und Stolz und Zorn
hegen.
23. (8iio.) Du aber, da du mich Hülsen kauen, in einem
menschenleeren Hause wohnen und Eselsgestalt tragen siehst,
kommst zu mir und beschimpfst mich!
24. (8iii.) Wollte ich es, so könnte ich ja meine Gestalten
noch vielfach umwandeln und so furchtbar machen, dafs du
bei ihrem Anblicke vor mir fliehen würdest.
25. (8U2.) Kala (die Zeit) ist es, der alles nimmt, Kala,
welcher alles gibt, durch Kala wird alles verhängt; tue dir
nichts auf deine Mannhaftigkeit zugute.
2<>. (8ii3.) Ehemals zitterte alles, wenn ich zürnte, o Städte-
zerstörer, jetzt aber erkenne ich, o (>kra, dafs ein ewiges
Gesetz diese Welt regiert.
27. (8iu.) Sieh auch du es so an und verfalle nicht in
Bewunderung deiner selbst; Entstehung und Macht stehen
nimmermehr bei uns selbst.
28. (8ii5.) Kindisch ist dein Geist, heute noch ebenso wie
vordem. Besinne dich, o Mächtiger, und komme zu einer
verständigen Auffassung.
29. (8116.) Götter und Menschen, Väter, Gandharven,
Schlangen und Kobolde standen alle unter meiner Herrschaft,
das alles weifst du, o Vasava.
30. (8U7.) „Verehrung sei der Himmelsgegend, in welcher
Bali, der Sohn des Virocana, weilt!" mit solchen Worten
kamen sie auf mich zu, in ihrem Geiste durch Selbstsucht
verblendet.
296
III. Mukshadharma.
31. (8ii8.) Ich bin darüber nicht betrübt, nicht über
nieinen Sturz, o Gemahl der Qaci. Denn mir ist das sichere
Bewufstsein geworden, dafs ich unter der Gewalt eines
[andern] Herrn stehe.
32. (8ii9.) Die Erfahrung zeigt, wie ein Hochgeborener,
an Ansehen und Majestät Reicher mitsamt seinen Angehörigen
oft im Leiden lebt, denn es mufste so sein.
33. (8120.) Und wiederum zeigt die Erfahrung, wie ein
niedrig Geborener, der noch dazu törichten Sinnes und von
schlechter Art war, o fakra, mitsamt seinen Angehörigen
oft in Freuden dahinlebt, denn es mufste so sein.
34. (8i2i.) Ein schönes, edelgestaltetes Weib lebt oft im
Unglück, o Qakra, und eine andere, die unansehnlich und
mifsgestaltet ist, lebt im Glück.
35. (8122.) Es ist nicht unser Werk, o £akra, und ist,
o Cakra, nicht dein Werk, dafs es dir so ergeht, o Blitz-
schleuderer, und dafs es uns so ergangen ist.
36. (8123.) Nicht ist dieses Werk von dir (bhavatä mit C.)
gewirkt worden, oder meines; sei es Glück oder sei es Un-
glück, es wird gewirkt durch den Umschwung [der Zeit].
37. (8124.) Ich sehe dich als Herrscher und Götterkönig
feststehend, im Glücke und im Glänze donnernd über mir.
38. (8125.) nätte nicht Kala mich in dieser Weise über-
mannt, so würde ich dich heute mitsamt deinem Donnerkeil
mit meiner Faust niederstrecken.
39. (8126.) Aber es ist jetzt keine Zeit zu tapferen Taten,
die Zeit der Beruhigung ist gekommen. Kala ist es, der
alles ordnet, Kala, der alles zur Reife bringt.
40. (8127.) Wenn mich Kala überkommen hat, der ich als
Fürst der Dänava's geehrt war, welchen andern, der da
donnert und leuchtet, wird er nicht überkommen?
41. (8128.) Ich war es, der ich als nur einer die Kräfte
von euch zwölf hochmächtigen Äditya's allen gestützt habe,
o Götterkönig.
42. (8129.) Ich ziehe die Wasser empor (äpah Acc!) und
schütte sie herab, o Väsava, ich erwärme die drei Welten,
und ich allein erleuchte sie.
Digitized by LaOOQle
Adhyaya 224 (B. 224). 297
•
43. (8130.) Ich erhalte und ich zerstöre, ich gebe und ich
nehme, ich umfasse und ich bändige als Herr und Gebieter
in den Welten.
44. (8i3i.) Diese Herrschermacht ist mir jetzt benommen,
o Herr der Götter, von der Heeresmacht des Kala bin ich
gestürzt worden, und das alles erglänzt mir nicht mehr.
45. (8132.) Nicht ich bin der Täter und nicht du bist es,
und auch kein anderer ist der Täter, o Gemahl der Qaci;
durch den Zeitumschwung werden die Welten beherrscht, o
(,'akra, wie es der Zufall fügt.
46. (8133.) Ihn, dessen Wohnung Monate und Halbmonate,
dessen Gewand Tag und Nacht, dessen Pforten die Jahres-
zeiten, dessen Giebel das Jahr ist (varsha mit C), soll man,
wie die der Lebens Wissenschaft kundigen Menschen
47. (8134.) sagen, als dieses Weltall betrachten, wie einige
Menschen ihn ihrer Weisheit [lehren], und die fünf Seiten
dieser Betrachtung könnte ich [nach Taitt. Up. 2, wo jede
der fünf Hüllen des Brahman fünffach zergliedert wird] noch
fünffach umschreiben.
48. (8133.) Aber tief und unergründlich ist das Brahman
wie ein grofser Wasserozean, als anfanglos und endlos schildern
sie es, als das Unwandelbare und das Wandelbare.
4y. (8136.) Als eingehend in das Lingam [den die Seele
umhüllenden psychischen Apparat] und doch als jenes an
sich Lingalose, als den Unwandelbaren betrachten ihn die
Menschen, welche die Wahrheit schauen.
50. fsi37.) Wenn sie aber behaupten, dafs er, der Heilige,
die Umwandlung der Wesen bewirke [die Weltursache sei],
so darf doch nicht soweit gegangen werden [das Kausalitäts-
gesetz findet auf Brahman keine Anwendung], noch auch
[bis zu der Frage], woraus er wiederum entstanden sei.
51. (8138.) Er ist das Ziel aller Wesen, wohin könnte
einer gehen, wenn nicht zu ihm, der auch von einem Laufen-
den nicht zu überholen ist, ja, der, auch wenn er still steht,
nicht überholt werden kann (vgl. Ica Up. 4).
52. (813».) Ihn nehmen alle Sinne, fünffach wie sie sind,
nicht wahr, ihn nennen einige Agni, einige Prajapati,
53. (8uo.) ihn bezeichnen andere als Jahreszeiten, Monate
298
III. Mokshadliarma.
und Halbmonate, als Tage und Momente, als Vormittag, Nach-
mittag oder Mittag,
54. (8ui.) oder auch als Stunde, indem sie ihn den einen
in vielfacher Weise benennen, du aber wisse ihn als Kala
(die Zeit), in dessen Gewalt die ganze Welt ist.
55. (8U2.) Viele tausend Indra's, o Vasava, die mit Kraft
und Mannheit ausgestattet waren, wie du, o Gatte der (,'aci,
sind schon vorübergegangen.
56. (8U3.) Und auch dich, o (,'akra, den Ubermächtigen,
den Götterkönig, den Kraftstrotzenden, wird, wenn die Zeit
da ist, der grofsmächtige Kala zur Ruhe bringen,
57. (8144.) der diese ganze Welt verschlingt; darum, o
(,'akra, bleibe ruhig; nicht von mir, noch von dir oder von
den früheren ist es möglich, ihn abzuwehren.
58. (8145.) Diese höchste königliche Herrlichkeit, von der
du dir bewufst bist, sie erlangt zu haben, wenn du glaubst,
dafs die in deiner Gewalt stehe, so irrst du dich; sie steht
in niemandes Gewalt.
51). (8146.) Denn sie stand in der Hand von tausend Indra's,
welche weit vortrefflicher waren als du; mich hat die un-
stete verlassen und ist auf dich übergegangen, o Herr der
Götter.
(30. (8147.) Betrage dich nicht wieder, wie du es getan
hast, o (^akra, beruhigt solltest du werden; denn auch von
dir, wenn sie dich in deinem Stolze sieht, wird die Herrlich-
keit bald auf einen andern übergehen.
So lautet im Moksbadharma die Unterredung zwischen Bali und Indra
(Hali- Vdtara- xamedda).
Ailhyftya 225 (B. 225).
Vers 8148-8186 (B. 1-38).
Bhishma sprach:
1. (8H8.) Da sah der hundertkräftige Gott, wie aus dem
hochherzigen Bali mit Glanz die leibhaftige (,'ri (Glücksgöttin)
aus seinem Leibe herauszog.
Digitized by Google
Adhyava 225 (K. 225).
29<)
2. (suy.) Als der erhabene Dämonenzüchtiger diese von
Glanz flammend erblickte, da richtete er, der Vasava, mit
vor Erstaunen weit geöffneten Augen an den Bali die Frage.
(,'akra sprach :
(8i5u.) O Bali, wer ist diese Glänzende, Federbusch-
geschmückte, welche soeben aus dir auszog, aus dir, in dem
sie mit Armspangen geziert und mit eigenem Glänze strah-
lend geweilt hatte?
Bali sprach:
4. (8151.) Weder als eine Dämonin noch als eine Göttin
oder als ein Menschen weib erkenne ich sie; frage sie selbst
oder frage sie nicht, mache es, o Vasava, wie du willst.
Takra sprach:
5. (sifta.) Wer bist du, die du glänzend und federbusch-
geschmückt aus dem Bali ausgezogen bist? Sage mir, der
ich ihn nicht kenne, deinen Namen, o heiter Lächelnde.
6. (8153.) Wer bist du, die du in dieser Weise in eigenem
Glänze strahlend an mich herantrittst, nachdem du den Besten
der Daitya's verlassen hast, o Schönbrauige ? Das beantworte
mir auf meine Frage.
Die Tri (Glücksgöttin) sprach:
7. (8154.) Mich kennt nicht Virocana und nicht dieser von
Virocana stammende Bali; sie nennen mich die Schwerzu-
ertragende und auch als die Tatendurstige kennen sie mich.
8. (8155.) Auch als die Fülle fbhiitij und die Schönheit
(lakshmi) bezeichnen sie mich, oder auch als das Glück (rrij %
o Vitsava. Du kennst mich nicht, o (Jakra, alle Götter wissen
nicht, wer ich bin.
(,'akra sprach :
9. (8i5G.) Geschieht es um meinetwillen oder um des Bali
willen, dafs du, o Schwerzuertragende, ihn in dieser Weise
verläfst, nachdem du lange in ihm geweilt hattest?
300
III. Moksiuulharnia.
Die £ri sprach:
10. (8157.) Kein Schöpfer ist es und kein Ordner, der
mich irgendwie verordnet, sondern Kala (Zeit) ist es, welcher
kreist, den mögest du, o (Jäkra, nicht gering achten.
£akra sprach:
11. (8158.) Wie kommt es, dafs Bali von dir verlassen
wurde, oder warum geschah es, o Federbuschgeschmückte,
und wie mache ich es, dafs du mich nicht verlassest; das
sage mir, o heiter Lächelnde.
Die £rt sprach:
12. (8159.) Ich weile, wo Wahrheit, Freigebigkeit, Ge-
lübde, Askese, Mannhaftigkeit und Pflicht sind, von ihnen
allen hat sich Bali abgewandt.
13. (8160.) Ehedem war er brahmanenfreundlich, die Wahr-
heit redend und die Sinne bezähmend, dann aber zeigte er
Übelwollen fabhyasityat) gegen die Brahmanen und berührte
mit ungewaschenen Händen die Opferbutter.
14. (8i6i.) Er war stets opfereifrig gewesen und hatte
selbst die Opfer mir dargebracht; aber er nahm die Welten
in Anspruch, törichten Sinnes und von Kala heimgesucht.
15. (8162.) Von ihm mich loslösend, o £akra, werde ich
in dir wohnen, o Väsava; durch Besonnenheit mufst du mich
festhalten, durch Askese und Tapferkeit.
£akra sprach:
16. (8163.) Nicht unter Göttern und Menschen, nicht unter
allen Wesen gibt es einen Mann, der dich als einziger in
seine Gewalt bringen könnte, o Lotosbewohnende !
Die Tri sprach:
17. (8164.) Allerdings gibt es keinen Gott, Gandharva,
Dämon oder Kobold, der mich als einziger in seine Gewalt
bringen könnte, o Städtezerstörer.
(>kra sprach:
18. (8165.) Wie du für immer in mir weilen kannst, das
sage mir, o Schöne, und was du mir sagst, das werde ich
tun, dies mögest du mir wahrheitsgemäfs sagen.
Adhyaya 225 (B. 225).
301
Die Tri sprach:
19. (8166.) Wie ich für immer in dir weilen kann, o Götter-
fürst, das vernimm : Nach der im Veda enthaltenen Vorschrift
zerlege mich in vier Teile.
(„'akra sprach:
20. (8167.) Gewifs, ich werde dich unterbringen, wo Kraft
und Macht, dich zu tragen, ist, nur möge mir, o Lakshmi,
kein Vergehen dir gegenüber jemals begegnen.
21. (8168.) Die Erde gilt unter den Menschen als die
Trägerin und Wesenbildnerin, sie wird ein Viertel von dir
tragen können, denn sie ist dazu imstande, so meine ich.
Die £ri sprach:
22. (8169.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen,
welches auf der Erde ruht; nun, o (,'akra, sorge daher, dafs
auch mein zweites Viertel wohlgeborgen sei.
Takra sprach:
23. (8i7ü.) Die Wasser gelten unter den Menschen als die
Fliefsenden und Umschliefsenden (paricärinih Nom. PL); die
mögen ein Viertel von dir tragen, denn die Wasser sind im-
stande, es zu tragen.
Die (,'rl sprach :
24. (8i7i.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen,
welches in den Wassern ruht; nun, o (,'akra, sorge daher,
dafs auch mein drittes Viertel wohlgeborgen sei.
(,'akra sprach:
25. (8172.) Das, worauf die Veden und die Opfer, worauf
die Götter gegründet sind, das Feuer wird dein drittes Viertel
tragen, so wird es wohlgetragen sein.
Die £rt sprach :
26. (8173.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen,
welches im Feuer ruht; nun, o (,'akra, sorge daher, dafs auch
mein viertes Viertel wohl geborgen sei.
302
III. Mokshadharma.
(,'akra sprach:
27. (H174.) Diejenigen unter den Menschen, welche gut
und fromm und Wahrheit redend sind, die mögen ein Viertel
von dir tragen, die Guten sind imstande, es zu tragen.
Die <;ri sprach:
28. (8175.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen,
welches in den Guten ruht; in dieser Weise also, o (^akra,
mache mich wohlgeborgen in den W esen.
(>kra sprach:
29. (8176.) Wer unter den Wesen dich, nachdem ich dich
in ihnen wohlgeborgen habe, verletzen will, der ist von mir
zu bekämpfen; mögen sie dieses mein Wort vernehmen! —
(8177.) Da sprach der von der Qfi verlassene Bali, der König
der Daitya's.
Bali sprach :
30. (si 7s.) Solange das Tagesgestirn im Osten leuchtet,
solange erleuchtet es auch die südliche und westliche, so-
lange auch die nördliche Himmelsgegend.
31. (8179.) Wenn aber die Sonne ebenso [leuchtend] im
Mittag [stehend] nicht [mehr] untergeht, dann soll der Kampf
zwischen Göttern und Dämonen wieder entbrennen, dann
werde ich euch besiegen.
32. (8180.) Ja, wenn die Sonne an dem einen Punkte fest-
stehend alle Welten bestrahlen wird (vgl. Chänd. Up. 3,11,1),
dann werde ich in dem Kampfe zwischen Göttern und Dä-
monen dich besiegen, o Hundertkräftiger!
Cakra sprach :
33. (8i8i.) Von Gott Brahmän bin ich angewiesen worden,
dich nicht zu töten (oben Vers 80«8), darum schleudere ich,
o Bali, den Donnerkeil nicht auf dein Haupt.
34. (8182.) Gehe, wohin es dir beliebt, o Fürst der Daitya's,
möge es dir wohl ergehen, o grofser Dämon; denn niemals
wird die Sonne so leuchten, dafs sie in der Mitte feststeht.
9 V
Digitized by Google
Adhyäya 225 (B. 22:»..
äf>. (8is:j.) Denn ihre Satzung ist ehedem von dem durch
«ich selbst Seienden bestimmt worden, unermüdlich wandelt
sie um in Treue, die Geschöpfe erwärmend.
3(>. (8184.) Ihr Gang geht sechs Monate nach Norden und
ebenso nach Süden, auf dem sie in den Welten wandelt, die
Sonne, Kälte und Wärme verbreitend.
Bhishma sprach:
:>T. (Hins.) Nachdem zu Bali, dem Fürsten der Daitya's.
von Indra so gesprochen worden war, o Bhärata, ging jener in
die südliche Gegend und der Städtezerstörer in die nördliche.
38. (si86.) Nachdem er dieses von Bali vorgetragene,
durcli Freiheit und Selbstsucht gekennzeichnete Wort ver-
nommen hatte, stieg der Tausendäugige zum Äther empor.
So lautet im Mokaliadharma die Verteilung der Glücksgöttin
AcUivAya 220 (B. 226).
Vers 8187-8211 (B. l-23i.
Bhishma sprach:
1. (8187.) Darüber erzählt man sich auch folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen dem Hundert-
kräftigen (Indra) und Namuci, o Yudhishthira.
2. (8188.) Zu ihm, der vom Glück verlassen dasafs, still
wie ein unbewegtes Meer, und das Entstehen und Vergehen
der Wesen kannte, sprach folgendermafsen der Städte-
zerstörer :
3. (8189.) Mit Stricken gebunden, aus deiner Stellung ver-
stofsen, in die Hand deiner Feinde gegeben und vom Glück
verlassen, o Namuci, beklagst du dich oder beklagst du dich
nicht? (vgl. Vers 803i).
Namuci sprach:
4. (8iim.) Durch unabwendbares Leid wird der Körper
gequält und die Feinde freuen sich, im Leid hat man keine
Genossen.
Hl. Mokshadharma.
5. (8i9i.) Darum, o C ft kra, klage ich nicht, denn alles
auf dieser Welt ist vergänglich, durch das Leiden wird die
Gestalt hinfällig, durch das Leiden wird man hinfällig von
seinem Glück.
6. (8192.) Durch Leiden wird das Leben hinfällig und auch
die Pflicht, o Herr der Götter; wer aber den Schmerz dar-
über von sich fern hält, in dessen Geist tritt das Ewige
hervor.
7. (8193.) Dann soll man mit bewufstem Geiste das im
Herzen befindliche Schöne überdenken, und so oft ein Mensch
seinen Geist auf dieses Schöne richtet, (8194.) so oft gehen
ihm alle seine Wünsche in Erfüllung (Chänd. Up. 8,3,2), daran
ist kein Zweifel.
8. (8195.) Ein Gebieter ist, es gibt keinen zweiten, ihm
gleichen Gebieter; dem Menschen, schon wenn er noch
im Mutterleibe liegt, gebietet dieser Gebieter; von ihm
getrieben ströme ich wie Wasser den Abhang herab, je
nachdem er mich antreibt.
9. (8196.) Indem ich Entstehen und Vergehen erkenne
und aus dieser Erkenntnis heraus mir des Wertvolleren,
Besseren bewufst bin, bin ich es doch nicht, der das-
selbe verwirklicht, sondern, wenn ich für pflichtmäfsige
oder für pflichtwidrige Hoffnungen tätig bin, ströme ich,
so wie ich von ihm getrieben werde.
10. (8197.) Je nachdem einer dazu bestimmt ist, etwas
zu erlangen, dementsprechend erlangt er es, und wie etwas
bestimmt ist, zu geschehen, dementsprechend geschieht
es auch.
11. (8198.) Und wozu immer einer vom Schöpfer schon
im Mutterleibe immer wieder [bei jeder neuen Geburt] be-
stimmt ist, darin verharrt er, und nicht in dem, was er
selbst wünscht.
12. (8199.) Dieser Standpunkt, zu dem ich herabgekommen
bin, zu dem war es mir bestimmt zu kommen; wer allezeit
einen solchen Standpunkt [der Welt gegenüber] einnimmt,
der wird nie in Verwirrung geraten.
13. (8200.) Durch die Zeitläufte werden die Menschen
herumgestofsen und keiner ist, der sie beschuldigen könnte;
Digitized by LaOOQle
Adliy&ya L>2»", ( B. 226).
305
aber darin besteht das Leid, dafs der Unzufriedene wähnt,
er selbst sei der Täter.
14. (8201.) Mögen es Weise sein oder Götter, oder
grofse Dämonen, Kenner der drei Veden oder Einsiedler
im Walde, wer ist nicht [besser wäre nu „wohl"], den
in der Welt das Unglück nicht beugte! Die aber, welche
das Höchst-und -Tiefste (Mund. Up. 2,2,8) erkannt haben,
werden dadurch nicht erschüttert.
lö. <82<>2.) Der Weise zürnt nicht mehr und strebt
nicht mehr, er ist nicht verzagt und freut sich nicht;
auch in überaus (ati mit Nil.) schlimmen Notlagen ist
er nicht bekümmert, sondern steht seiner Natur nach
unerschütterlich wie der Himalaya.
1(5. (H2U3.) Wen das höchste Gelingen seines Vorhabens
nicht verwirrt macht und wen ebenso eine zeitweilige
Notlage nicht verwirrt macht, wer vielmehr Lust und
Leid sowie den mittlem Zustand ruhig hinnimmt, der
Mann ist ein Führender.
17. (8204.) In welchen Zustand auch immer ein Mensch
geraten mag, mit dem gebe er sich zufrieden und härme
sich nicht, indem er auf diese Weise jede erwachsende,
im Herzen aufkeimende, Kummer bereitende Pein von
seinem Leibe fernhält.
18. (8205.) Es gibt keine Sitzung, keine Zusammen-
kunft der Guten, keine Ratsversammlung, in welche ein-
tretend er nicht jederzeit Furcht einflöfst; er, der Ver-
ständige, welcher das Wesen des Gesetzes ergründet hat
und versteht, der Mann ist ein Führender.
19. (8jo6.) Die Werke des Weisen sind schwer zu voll-
bringen; der Weise wird nicht verwirrt zur Zeit der Ver-
wirrung, und auch wenn er, der Beste, von seiner Stelle
herabgestofsen ist, gerät er nicht in Verwirrung, er, der
Erfahrene, wenn er ein so elendes Mifsgesehick er-
litten hat.
20. (8207.) Nicht durch Zaubersprüche, Kraft oder Tapfer-
keit, Weisheit und Mannhaftigkeit, nicht durch Charakter-
festigkeit, nicht durch sein Verhalten noch auch durch Glück
in seinen Unternehmungen, (8*08.) kann der Sterbliche er-
Dtr«tr.*. Mab4t>b&ratani. 20
306
III. Mokshmlluirma.
langen, was ihm zu erlangen versagt ist — was hilft es da
zu klagen!
21. Was in dieser Weise dem Spätergeborenen die Welt-
ordner vorher bestimmt haben, (sm.) dem werde ich nach-
kommen, was kann mir der Tod anhaben!
22. Man empfängt nur, was man empfangen sollte, man
geht nur, wohin man gehen sollte, (asio.) man kommt nur zu
dem, wozu man kommen sollte, mag es Leid oder Lust sein.
23. Der Mann, welcher dieses vollständig erkannt hat
und nicht in Verwirrung gerät, (821 1.) sondern in allen Leiden
gefafst bleibt, das ist ein alles besitzender Mann.
So lautet im Mokshadbarroa die Uoterrodung zwisohen (>kra und Katnuci
((,'akra - Namuci - smptdda).
*
Adhyfiya 227 (B. 227).
Vers 8212-8332 (B. 1-119).
Yudhishthira sprach:
1. (8212.) Was ist für einen Mann, der in jämmerlichen
Zustand herabgesunken ist, das Beste, o Erdeherr, wenn er
seine Verwandten verloren oder auch sein Königreich ver-
loren hat?
2. (8213.) Du bist ja für uns der beste Erklärer in dieser
Welt, o Stier der Bharata's: dich befrage ich darüber, das
mögest du mir erklären.
Bhishma sprach :
3. (82H.) Wenn einer von Kindern und Gattinnen, von
Freuden und Reichtum entblöfst und in einen jämmerlichen
Zustand herabgesunken ist, dann ist, o Fürst, dasjenige, was
sein Bestes fördert, Standhaftigkeit.
4. (8215.) Der Leib, welcher immerfort durch Standhaftig-
keit aufrecht erhalten wird, gerät nicht in Verfall; Freiheit
von Gram gewährt Behagen und gewährt gröfste Gesundheit.
5. (8216.) Durch Gesundheit des Leibes aber kommt wieder
zu Glück ein Mann, der verständig ist und an einem sattva-
artigen Verhalten festhält.
Digitized by LaOOQle
Adhyftya 227 (B. 227).
307
♦5. (sau.) Ein solcher besitzt Herrschaft und Festigkeit
und Entsclüossenheit im Handeln. Gerade darüber erzählt
man sich folgende alte Geschichte,
7. (8*218.) nämlich die abermalige Unterredung zwischen
Bali und dem Väsava (Indra), o Yudhishthira. Als in dem
Kampfe zwischen Göttern und Dämonen die Vernichtung der
Daitya's und Dänava' s vollendet war,
8. (8219.) als Vishnu die Welten durchschritt, der Hundert-
kräftige (Indra) als Götterkönig thronte, die Götter verehrt
wurden und das Vierkastensystem festgestellt worden war,
9. («220.) als die drei Welten nur Glück kannten und der
Durch-sich-selbst- seiende von Freude erfüllt war, da geschah
es, dafs, von Rudra's, Vasu's, den Aditya's, den AcvüYs, so-
wie von Rishi's,
10. (8221.) Gandharva's, Schlangenfürsten und sonstigen
seligen Wesen umgeben, der Herr seinen viergezähnten, wohl-
gezähmten, von Schönheit umgebenen Elefantenfiirsten, (8222.)
seinen Airavana, er, der <>kra, bestieg und die drei Welten
durchzog.
11. Da geschah es, dafs der Donnerkeilträger einstmals
am Rande des Meeres in einer Berghöhle (8223.) den Bali, den
Sohn des Virocana, erblickte und sich ihm näherte.
12. Aber obgleich Bali ihn auf dem Haupte des Airaväta
thronend und von Götterscharen umgeben sah, (8224.) ihn, den
Götterfürsten Indra, er, der Daityafürst, so klagte er doch
nicht und kam nicht aus der Fassung.
13. Als er nun ihn, den Bali, so sah, wie er dastand
ohne seine Haltung zu verändern und furchtlos, (8220.) da
sprach zu ihm der auf dem Besten der Elefanten reitende
hundertkräftige Gott:
14. 0 Daitya, dafs du unerschütterlich bleibst, sei es
aus Heldenmut, sei es weil du durch Verehrung der alten
Weisen (8226.) und Askese gefafsten Geistes bist, jedenfalls
mufs das sehr schwer zu vollbringen sein.
15. Da du von deinen Feinden unterjocht worden und
der höchsten Stellung verlustig gegangen bist, (8227.) worauf,
o Sohn des Virocana, stützest du dich, wenn du über das
Beklagenswerte nicht klagst?
20*
508
III. Mokshadharoia.
16. Du, der du unter den Deinigen die höchste Stelle
einnahmst und grofser, unvergleichlicher Genüsse teilhaft
warst, (8228.) und der du jetzt deines Besitzes, deiner Kleinodien
und deines Reiches beraubt bist, sage mir, wie es kommt,
dafs du nicht klagst.
17. Einstmals warst du der Herr auf dem Throne deines
Vaters und Grofsvaters, (829«.) heute mutet du zusehen, wie er
dir von deinen Widersachern entrissen ist; wie kommt es,
dafs du nicht klagst?
18. Du, mit den Fesseln des Varuna gebunden und von
dem Donnerkeile getroffen, (8230.) der Gattin beraubt und der
Güter beraubt, sage mir, warum du nicht klagst.
19. Da du dein Glück verloren hast und aus deiner Macht
herabgestürzt bist, mufs es dir doch schwer fallen, nicht zu
klagen; (8231.) welcher andere würde wohl nach Verlust der
Herrschaft über die drei Welten es ertragen, noch weiter zu
leben !
20. Ihn (den Indra), der dieses und anderes Rauhe
sprach, mit Geringschätzung (K232.) und behaglich ohne Er-
regung angehört habend, erwiderte Bali, der Sohn des
Virocana.
Bali sprach:
21. (S233.) Nachdem ich so schwer gedemütigt bin, o (>kra,
was soll da dein Gerede ! Ich sehe dich jetzt mit gezücktem
Donnerkeile vor mir stehen, o Städtezerstörer.
22. (8234.) Und vordem warst du machtlos und bist mit
knapper Not zur Macht gelangt! Wer aufser dir vermöchte
wohl solch eine rohe Rede zu fuhren!
23. (8235.) Nur den, welcher imstande ist, für den unter-
worfenen Feind, den er in der Gewalt hat, Mitleid zu fühlen,
für ihn, der als ein Held in seine Hände gelangt ist, nur
einen solchen kann man für einen Mann halten.
24. (8236.) Wenn zwei in Kämpfen gegeneinander streiten,
so besteht doch Unentschiedenheit, einer nur kann siegen
und einer mufs unterliegen.
25. (8237.) Es hätte auch geschehen können, dafs diese
Stellung dir nicht zuteil wurde, o Götterstier, und dafs du,
Adliyäya 227 (B. 227).
309
der du jetzt der Herr über alle Wesen bist, durch Tapferkeit
mit Gewalt besiegt worden wärest.
20. (82»8.) Es ist nicht mein Werk, o (^akra, und es ist,
o (^akra, auch nicht dein Werk, dafs es dir so ergangen ist,
o Donnerer, und dafs es mir so ergangen ist.
27. (823ig Ich war einst, was du heute bist und du kannst
einst werden, was ich bin; verachte nicht, was ich geleistet
habe, mag es mifslungen sein oder nicht.
28. (8240.) Lust und Leid erlangt der Mensch durch den
Zeitlauf; durch den Zeitlauf bist du zum (>krasein gelangt,
o Takra, und nicht durch dein Werk.
21». (8»4i.) Kala (der Gott der Zeit) führt mich im Lauf
der Zeit, aber ebenso führt Käla auch dich. Darum stehe
ich heute nicht da, wo du stehst, und du nicht, wo ich stehe.
30. (8242.) Nicht Gehorsam gegen Mutter und Vater, nicht
Verehrung der Götter, nicht andere Betreibung einer Tugend
führt den Menschen zum Glück.
31. (8243.) Nicht das Wissen, nicht Askese und Freigebig-
keit, nicht Freunde und Verwandte sind imstande, einen
Menschen zu retten, wenn er von Käla bezwungen wird.
32. (8244.) Ein herankommendes Unheil können die Men-
schen nicht durch hundert Vorkehrungen abwenden unge-
achtet der Kraft ihrer Einsicht.
33. (8245.) Für die, welche durch die Zeitläufte getroffen
werden, gibt es keinen Retter, aber das schmerzt, dafs du,
o (,'akra, wähnst, du seiest der Täter.
34. (8246.) Wäre der Täter wirklich der Täter, so könnte
er niemals erschaffen worden sein; weil aber der Täter er-
schaffen worden ist, darum ist er, obgleich Täter, doch nicht
Herr seiner Tat.
35. (H247.) Durch Käla habe ich dich besiegt und durch
Käla bin ich von dir besiegt worden; Käla ist der Gehende
in denen, die da gehen, Käla ist es, der die Geschöpfe an-
treibt fhdayatij.
3t>. (8248.) (.) Indra, wegen deiner niedrigen Einsicht wirst
du dir der Vergänglichkeit nicht bewufst, und auch manche
andere schätzen dich hoch, gleich als hättest du durch eigene
Tat die Oberherrlichkeit erlangt.
310
III. Moksliadliarnia.
37. (8849.) Aber wie könnte wohl einer wie ich, der den
Lauf {jpravrittayah als Akk.) der Welt kjennt, wenn er von
Kala getroffen wird, klagen, oder verwirrt oder auch nur er-
schüttert werden.
38. (8250.) Sollte wohl je in mir oder meinesgleichen,
wenn die Zeit uns übermannt, unser Verstand, wenn wir in
Not geraten, wie ein leckes Schiff versinken?
39. (8261.) Ich und du und alle anderen Götterherren, die
da kommen werden, sie alle, o Cakra, werden den Weg gehen,
den hundert Indra's vor ihnen gegangen sind.
40. (8252.) Auch dich, der du so schwer zu bewältigen
bist und im höchsten Glücke strahlst, wird, wenn die Zeit
herum ist, der Zeitgott forttreiben wie mich.
41. (8253.) Viele tausend Indra's und [andere] Gottheiten
sind im Laufe der Weltperioden von Kala überholt worden,
denn Kala (die Zeit) ist schwer zu überholen.
42. (8254.) Du aber, nachdem du diese Stellung erlangt
hast, dünkest dich etwas Grofses zu sein, als wärest du der
Urgrund aller Wesen, der ewige Gott Brahmän.
43. (8255.) Und doch ist diese Stellung nicht unerschütter-
lich, noch ewig, wer sie auch immer einnehmen mag; du
aber wähnst mit kindischem Verstände: dieses ist mein.
44. (8266.) Du vertraust auf das, worauf nicht zu vertrauen
ist, und wähnest an dem Vergänglichen ein Unvergängliches
zu haben, und dem ist so, o Herr der Götter, obgleich dein
Wesen immerdar von Kala überwältigt wird.
45. (8257.) In deiner Verblendung bist du bestrebt, die
Königsherrlichkeit dir zu erhalten, indem du glaubst, sie sei
dein ; sie ist aber weder dein noch mein, noch irgendwelchen
andern beständig zu eigen.
40. (8268.) Denn sie ist über viele andere hinweggegangen
und endlich zu dir gelangt; und nachdem sie einige Zeit dir
treu geblieben ist, wird sie, o Väsava, ihre Wankelmütig-
keit zeigen.
47. (8259.) Wie eine Kuh, die ihre Behausung verläfst,
wird sie wieder zu einem andern gehen; Königswelten sind
schon vor ihr übergangen worden, mehr als ich aufzuzählen
vermag.
Adhyaya 227 (B. 227).
311
4>i (82üo.) Und viele andere werden nach dir kommen,
u Städtezerstörer; diese Erde mitsamt ihren Bäumen, Kräu-
tern und Edelsteinen, mitsamt ihren Geschöpfen, Wäldern
und Fundgruben,
4!). (8»6i.) sie ist ehemals von denen genossen worden,
welche ich jetzt nicht mehr sehe: Prithu, Ailomaya, Bhima,
Naraka und Qambara,
50. (8262.) Acvagriva und Puloman, Svarbhänu, Amita-
dhvaja, Prahräda, Namuci, Daksha, Vipracitti, Virocana,
51. (8263.) Hrinisheva und Suhotra, Bhürihan, Pushpavän,
Vrisha, Satyeshu, Rishabha, Bähu, Kapiläksha, Virüpaka,
52. (8264.) Bäna, Kärtasvara, Vahni, Vicvadanshtra, Xair-
riti, Sankoca, Varitaksha, Varähäcva, Ruciprabha,
53. (8265.) Vicvajit und Pratirupa, Vrishända, Vishkara,
Madhu, Hiranyakacipu und der Danava Kaitabha,
54. (8266.) die Daiteya's und die Dänava's, diese alle mit-
samt den Nairrita's, diese und viele andere frühere und noch
frühere,
55. (8267.) die Daityafürsten und Danavafürsten, und von
welchen anderen wir noch gehört haben, viele vormalige
Daityafürsten, — sie haben die Erde verlassen und sind dahin-
gegangen.
5<>. (8268.) Diese alle sind von Kala niedergeworfen, denn
Kala ist stärker als sie alle; und doch wurde von ihnen allen
mit hundert Opfern geopfert, nicht du allein bist der Hundert-
opferhafte.
57. (8269.) Auch sie alle achteten die Opferpflicht als das
Höchste, auch sie alle vollbrachten immerfort grofse Soma-
opfer, auch sie alle durchwandelten den Luftraum, auch sie
alle kämpften Angesicht gegen Angesicht.
58. (827o.) Sie alle waren mit Körperkraft begabt, hatten
alle Arme wie Torbalken, besafsen alle hundert Zauberkräfte,
vermochten alle beliebige Gestalten anzunehmen.
59. (8271.) Sie alle gingen in den Kampf, und man hört
nicht, dafs sie je besiegt worden seien, sie alle schätzten es
als Höchstes, dem Gelübde treu zu bleiben, sie alle ergingen
sich nach Belieben.
HO. (8272.) Sie alle achteten das vedische Gelübde als das
312
III. Mokshadharma.
Höchste, waren alle sehr bewandert in der heiligen Schrift
und hatten alle als Gottherren die erwünschte Gottherrlich-
keit erlangt.
Gl. (8273.) Und alle diese Hochherzigen hatten ehemals
keinen Hochmut wegen ihrer Gottherrlichkeit, sondern alle
spendeten, wie es sich gebührt, und waren alle von Selbst-
sucht frei.
02. (8274.) Sie alle gingen mit allen Wesen in geziemender
Weise um, waren alle Söhne der Dakshatochter und mäch-
tige Nachkommen des Prajäpati.
<>3. (8275.) Aber obgleich sie leuchteten und funkelten,
wurden sie doch von Kala fortgerissen, und auch du, wenn
du diese Erde genossen habend sie wieder verlassen mufst,
CA. (8276.) wirst, o (,'akra, alsdann nicht imstande sein,
den Kummer deines Herzens zu überwinden. Lafs fahren
den Wunsch nach Gelüsten und Genüssen, lafs faliren den
aus deinem Glück entspringenden Hochmut.
65. (8277.) Dann wirst du beim Verluste deiner Selbst-
herrschaft den Schmerz zu ertragen vermögen; zur Zeit des
Kummers mögest du nicht bekümmert, zur Zeit der Freude
nicht freudig sein.
()b\ (8278.) Lafs das Vergangene und das Zukünftige auf
sich beruhen und befasse dich mit dem, was dir gegenwärtig
zuteil geworden ist, indem du unverdrossen bleibst, wenn die
Zeit wieder für mich kommen wird, der ich stets darauf ge-
fafst bin.
f>7. (8279.) Halte an dich, o Indra, bald wird [Kala] auch
dich überkommen; wenn du mich hier bedrohst, o Fürst der
Götter, so zerhaust du mich gleichsam mit blofsen Worten.
(>8. (82so.) Jetzt freilich, wo ich niedergehalten bin, dünkst
du dich grofs; aber Kala hat mich zuerst heimgesucht, und
später holt er dich ein.
(>t>. (828i.) Darum donnerst du jetzt, o Fürst der Götter,
weil ich vorher durch Kala niedergeworfen bin; denn wer
könnte sonst in der Welt standhalten im Kampfe gegen mich,
wenn ich zürne!
70. (8282.) Aber Kala, der Mächtige, ist für dich ge-
kommen, darum stehst du hoch, o Väsava; doch das, was
Adhyäya 227 (B. 227).
313
nach tausend Jahren geschehen wird, das wird schnell ein-
treffen.
71. (äs»».) Während mir, dem Hochmächtigen, alle meine
Glieder in unziemlicher Verfassung sind und ich von der
fürstlichen Stellung herabgestürzt bin, stehst du als Fürst
im Himmel obenan.
72. (8284.) Aber nur durch den Umschwung des Kala bist
du in dieser bunten Lebewelt zu verehren, denn was hast du
getan, dafs du jetzt Indra bist, und was haben wir getan,
warum wir herabgestürzt sind?
73. (8285.) Kala ist Bewirker und Umgestalte^ alles andere
ist wirkungslos, [nur er bewirkt] Vergang und Untergang,
Gottherrlichkeit, Lust und Leid, Entstehen und Zugrunde-
gehen.
74. (8286.) Der Weise, dem es so ergangen ist, soll sich
nicht über die Mafsen freuen, noch auch verzagen; du kennst
mich ja, o Indra, und ich kenne dich, o Vasava.
75. (8287.) Was brüstest du dich gegen mich und was
bist du, du durch Kala schamlos Gewordener! Du weifst ja
doch von lange her, welche Mannhaftigkeit mir damals zu
eigen war,
7*>. (S28s) und wie ich tapfer war in Kämpfen, dafür ist
der Beweis geliefert worden; sind doch die Ädityas und
Rudra's, die Sädhya's mitsamt den Vasus
77. (8289.) von mir vordem völlig besiegt worden mitsamt
den Marut's, o Gemahl der Caci, in dem Kampfe zwischen
Göttern und Dämonen, wie du wohl weifst, o (,'akra.
78. i82i»o.) Alle die weisen Götter sind von mir mit Un-
gestüm im Kampfe zerschmettert und die Berge mehr als
einmal umgestürzt worden mitsamt ihren Wäldern und Wald-
bewohnern,
7t>. I82M.) mitsamt ihren Klippen und Gipfeln von mir im
Kampfe auf deinem Haupte zerschlagen worden! Und was
kann ich jetzt ausrichten? Ja, Kala ist schwer zu überwinden.
SO. (82!»s.) Denn es ist mir keineswegs unmöglich, dich
zu töten mit meiner Faust, dich, der du den Donnerkeil
schwingst; aber jetzt ist nicht die Zeit für tapfere Taten,
jetzt ist die Zeit gekommen, Geduld zu üben.
314
III. Mokshadharma.
81. (8293.) Darum ertrage ich dich, o (,'akra, der ich von
dir wohl schwieriger zu ertragen sein würde. Du aber unter-
nimmst es gegen mich, der ich, da der Umschwung der Zeit
gekommen ist, vom Zeitfeuer überkommen worden bin,
82. (8294) gegen mich, der ich gehemmt und durch den
Strick der Zeit gebunden bin, zu prahlen, o (,'akra, aber
dieser schwarze Genius der Welt [die Zeit] ist schwer zu
überwinden.
83. (8295.) Er, der Rudrasohn, hat mich gebunden wie ein
Stück Vieh mit einer Kette und steht neben mir; Gewinn
und Verlust, Lust und Leid, Begierde und Zorn, Entstehen
und Vergehen,
84. (8296.) Bindung und Lösung der Waffen, das alles
wird von der Zeit empfangen; nicht ich bin Täter und nicht
du bist Täter, sondern Täter ist er, Kala, der allezeit unser
Herr ist.
85. («297.) Kala bringt mich zur Reife wie eine Frucht,
die am Baume gewachsen ist; alles vom Menschen Voll-
brachte wird von Kala mit Lust verbunden,
86. (8298.) und ebendieses Vollbrachte wird von Kala auch
mit Schmerz verbunden; darum soll der Kalakenner, wenn
er von Kala heimgesucht wird, nicht klagen.
87. (8299.) Darum, o Cakra, klage ich nicht, mache nicht
die Klage zu meinem Gefährten, denn wenn ein Klagender
sich der Klage hingibt, so vermag er nicht das Unheil zu
heben.
88. (83oo.) Wer klagt, der hat keine Tatkraft, darum klage
ich jetzt nicht ftocimij. — Nachdem dieses zu dem tausend-
augigen, heiligen Züchtiger des Päka gesprochen worden war,
89. (83oi.) da zügelte der Hundertopferhafte sein Un-
gestüm und sprach folgendermafsen : Wer möchte, wenn er
den mit dem Donnerkeil bewehrten ausgestreckten Arm und
die Fesseln des Varuna ^ 1 fr* \\ t> *
IM). (8302.) nicht in seinem Geiste erzittern, und wäre er
der Tod, der zum Schlage ausholt! Dein Geist aber erzittert
nicht, sondern bleibt unerschütterlich, indem er die Wahr-
heit schaut.
91. (8303.) Gewifs zitterst du heute nicht, o du durch
Adhy&ya 227 (B. 227).
315
Festigkeit wahre Tapferkeit Habender; wer, der einen Körper
besitzt, möchte wohl Vertrauen in die Dinge oder in seinen
Körper setzen!
92. (K304.) Erträgt es wohl einer in der Welt, zu handeln,
wenn er sieht, wie die Welt eingerichtet ist? Auch ich er-
kenne ebenso, dafs diese Welt vergänglich ist.
93. (8305.) Sie ist beschlossen in dem furchtbaren, ver-
borgenen, unermüdlich tätigen, unvergänglichen Kälafeuer,
und keiner, wer es auch sei, kann sich, wenn er von Kala
heimgesucht wird, ihm entziehen,
94. (8306.) weder die subtilen, noch die grofsen Elemente,
wenn sie in ihm zur Reife kommen. Wer in dem keinen
Herrn über sich habenden, nicht unbesonnenen und die Ele-
mente immerfort zur Reife bringenden,
95. (8307.) nie aufhörenden Kala zur Vernichtung gelangt
ist, der wird nicht von ihm erlöst. Besonnen unter den Un-
besonnenen, wacht Kala unter den Menschen.
9ti. (8308.) Auch durch Bemühung kann er, solange er
fern ist, von niemandem vorausgesehen werden, er, der eine
alte, ewige Satzung ist, welcher alles Lebende gleichmäfsig
unterhegt.
97. (8309.) Käla ist nicht zu umgehen und läfst sich nicht
überspringen ; die Tage und Nächte und die Monate, die Mi-
nuten, Sekunden, Terzen und Quarten,
98. (8310.) Käla ist es, welcher sie zusammenhäuft, wie
ein Wucherer die Zinsen. Und wenn einer spricht: Heute
werde ich dieses tun und morgen gedenke ich jenes zu tun,
99. (83ii.) so packt ihn Käla und reifst ihn fort, wie der
Ansturm des Stromes den Baum. Jetzt eben noch habe ich
ihn gesehen, wie kann er tot sein?
100. (8312.) So hört man die Menschen jammern, während
sie von der Zeit fortgerissen werden. Es vergehen die Güter
und die Genüsse, die Stellung und die Gottherrlichkeit.
101. (8313.) Das Leben der Lebewesen wird von Käla,
wenn er herankommt, fortgeführt; die Erhebungen endigen
mit Herabstürzen, das Sein und das Nicht -Sein, das alles
ist nur er.
102. (8314.) Alles ist vergänglich und unbeständig, und
316 HI. Mokshadharma.
eine sichere Erkenntnis ist schwer zu gewinnen, aber dein
Verstand schwankt nicht, sondern ist unerschütterlich, die
Wahrheit schauend.
103. (8315.) Ich bin einstmals etwas gewesen, so nimmst
du auch nicht einmal in Gedanken an (budhyase mit C), in
dieser Welt, welche von Kala, dem Übermächtigen, wenn er
herankommt, zur Reife gebracht wird.
104. (8316.) Dafs es nichts Höchstes und nichts Niedrigstes
gibt, bemerkt die Welt nicht, indem sie hin und her ge-
worfen wird in Neid, Hochmut, Begierde, Liebe, Zorn und
Furcht ;
105. (8317.) sondern befangen in Verlangen, Verblendung
und Hochmut, geht die Welt in der Irre. Du aber erkennst
die Wahrheit des Daseins als ein Wissender, begabt mit Ein-
sicht und Askese;
100. (8318.) ganz deutlich siehst du den Kala, wie die
Myrobalanenfrucht in der Hand, der du bekannt mit dem
Wesen des Kalalaufes und aller Lehrbücher kundig bist.
107. (8319.) In der Unterscheidung hast du deine Seele
befestigt und bist von den Erkennenden zu beneiden, denn
ich glaube, dafs diese ganze Welt von dir an Einsicht über-
troffen wird.
108. (8320.) Indem du nach allen Seiten hin frei wandelst,
bleibst du nirgendwo hängen, denn Kajas und Tamas be-
rühren dich nicht.
100. (8321.) Du verehrst den Atman, der ohne Freude und
ohne Qual ist, den Freund aller Wesen, den Feindschaft-
freien, in seinem Geiste Beruhigten.
110. (8322.) Wenn ich dich ansehe, so empfindet der mir
eingeborene Sinn Mitleid mit dir; einen so grofsen Weisen
möchte ich nicht im Waffengange töten.
111. (8323.) Wohlwollen und Mitleid mit dir ist iur mich
das höchste Gesetz, diese Stricke des Varuna werden von
dir gelöst werden durch den Umschwung der Zeit.
112. (8324.) Dann möge dir, o grofser Asura, Wohlsein
zuteil werden, indem deine Untertanen dir huldigen, während
die Schwiegertochter (lies: snushä) zu ihrer Bedienung die
betagte Schwiegermutter antreiben wird;
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 227 (B. 227).
317
113. (8325.) dann wird ein Sohn seinen Vater aus Ver-
blendung beim Opferwerke wegschicken, und gemeine Men-
schen werden sich durch Brahmanen die Füfse waschen lassen ;
-
114. (8326j und (.üdra's werden ohne Scheu sich der
Gattin eines Brahmanen nahen, während die Menschen den
Samen in ungeziemende Mutterschöfse niederlegen,
llf>. (8327.) und somit in messingenen Gefäfsen eine un-
reine Mischung und in schlechten Behältern ihre Spende
niederlegen, während die ganze Ordnung der vier Kasten ihre
bestimmenden Schranken verlieren wird.
110. (8328.) Dann wird sich nach und nach ein Strick
nach dem andern von dir lösen. Von mir hast du nichts zu
fürchten, bleibe nur deiner Bestimmung getreu; (8329.) lebe
glücklich, frei von Anfechtung, gefafsten Geistes und ohne Leid.
117. (8330.) Nachdem der heilige Hundertopferige also
gesprochen hatte, zog er von dannen, getragen von dem
Elefantenfürsten, und als Herr der Götter alle Dämonen
überwunden habend, ergötzte er sich in Freude und war
der Alleinherrscher.
1 18. (8331.) Und grofse Weise priesen ihn ohne Unter-
lafs als den Mannaffen und Herrn über alles Beweg-
liche und Unbewegliche. Und der Kältewehrer führte
ihm beim Opfer die Opferspeise zu, und auch das Am-
ritam wurde ihm dargebracht, denn auch darüber ist er
der Herr.
119. (8332.) Indem er von den allerwärts verbreiteten
Höchsten der Zwiegeborenen gepriesen wurde, gelangte
er, der Väsava, voll feuriger Kraft, frei von Groll und
als Gottherr beruhigten Geistes und freudig zu seiner
Wohnung im Indrahimmel und genofs seines Glückes.
So lautet im Mnkfthadhartna die l'nterredung b wischen Bali und Vamiv»
C Halt • V (i*aca ■ »atiicädaj.
III. Moksliadhartiui
Adhyftya 228 (B. 239
Vers 8333-8428 (B. 1-96).
Yudhishthira sprach:
1. (8»33.) Die früheren Daseinsformen eines Menschen, der
im Begriff ist, zu entstehen, o König, und sodann wieder zu
vergehen, die erkläre mir, o Grofsvater.
Bhishma sprach:
2. (8334.) Die Gesinnung ist es, welche die früheren Da-
seinsformen eines Menschen zu erkennen gibt, welcher im
Begriff ist, zu entstehen — Heil sei dir! — und wieder zu
vergehen.
3. (8335.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Qakra (Indra) mit
der Qrl (der Glücksgöttin); diese vernimm, o Yudhishthira.
4. (8336.) Indem er durch den Glanz grofser Askese beide
Welten, die obere und die untere, schaute und mit den die
Brahmanwelt bewohnenden Rishi's zu gleicher Würde ge-
langt war,
5. (8337.) wandelte, wie Gott Brahmän unermefsliche ent-
flammte Kraft habend, sündlos und askesereich nach Belieben
in den drei Welten Närada.
6. (8338.) Einstmals stand er des Morgens auf, und da er
reines Wasser berühren wollte, ging er zu der aus dem Felsen-
tor hervorbrechenden Gangä und stieg zu ihr herab.
7. (8339.) Da geschah es, dafs auch der tausendaugige.
donnerkeilbewehrte Töter des (^ambara und Päka zu ihrem
von Götterweisen besuchten Ufer gelangte.
8. (8340.) Beide mit bezähmtem Selbste nach vollbrachter
Murmelung fuhren in Gemeinschaft auf einem Schiffe, ge-
langten zu einer mit feinem Goldsande bedeckten Sandbank
des Flusses,
* Durch einen Fehler in der Zählung ist 228 in B. übersprungen.
Adhyuya 228 (B. 229).
319
9. (8S4i.) und, auf ilir niedersitzend, erzählten sie sich durch
heilige Werke berühmte und von Götterweisen berichtete, von
grofsen Weisen wiedererzählte Geschichten.
10. (834*) Indem sie nun das vormals Geschehene und
Vergangene sich mit ruhigem Geiste erzählten und die mit
einem Strahlennetze umgebene aufgehende Sonne
11. (8343.) in ihrer vollen Scheibe erblickten und, sich er-
hebend, die vor ihren Augen aufgehende Sonne verehrten,
da — vergleichbar einer zweiten Sonne —
12. (8344.) wurde im Äther ein Licht erblickt, welches an
Glanz der strahlenden Sonne ähnlich war; dieses, indem es
in ihrer Nähe war, wurde von ihnen erblickt, o Bhärata.
13. (8345.) Dieses Licht, von den Strahlen der Sonne um-
geben und emporgestiegen zu der Stätte des Vishnu, erglänzte
an Lichtfülle unvergleichbar, indem es die Dreiwelt er-
leuchtete.
14. (8346.) Da geschah es, dafs die beiden die von schön-
glänzenden Apsaras gefolgte, grofse, dem strahlenden Monde
ähnliche, der Sonne vergleichbare,
15. (8347.) sternenähnliches Geschmeide habende, einen
perlschmuckgleichen Kranz tragende Qri, die da heifset Padmä,
auf einem Lotosblatte vor sich stehen sahen.
16. («348.) Und herabsteigend von der Höhe ihres Wagens,
näherte sich die herrlichste der Frauen dem Herrn der drei
Welten und dem Götterweisen Närada.
17. (8349.) Da ging, von Närada gefolgt, der Mächtige
geradezu auf sie los mit hohl zusammengelegten Händen und,
sich der Göttin durch sich selbst vorstellend,
18. (8350.) vollzog die höchste Ehrenerweisung ihr gegen-
über der allwissende Götterkönig und redete zu der (,'ri,
o König, das folgende Wort.
Cakra sprach:
19. (*35i.) Wer bist du, und zu welchem Zwecke bist du
hergekommen, o du Schönlächelnde, und woher des Weges,
o Schönbrauige, und wohin willst du gehen, o Holde?
320
III. Mokshadharma.
Die <>i sprach :
20. (8352.) In den drei heiligen Welten erstreben alle be-
weglichen und unbeweglichen Wesen sehnsuchtsvoll meine
Wesenheit als das an sich Höchste.
21. (8»M.) Ich bin die in der von den Sonnenstrahlen ge-
weckten Lotosblume zum Heil aller Wesen geborene Padmä
(,'ri, die Lotosbekränzte.
22. (8364.) Ich bin die Glücksgöttin, bin die Fülle, ich
bin die (.Yi, o Balatöter, ich bin der Glaube und die Ein-
sicht, die Zuneigung, Sieg und Beständigkeit.
23. (8355.) Ich bin die Festigkeit, bin die Vollkommen-
heit, ich bin auch dein Gedeihen, ich bin der Sväharuf und
die Labung, die Zuneigung, die Schickung, das Gedenken.
24. (8356.) An der Spitze der Heere siegreicher Könige
und an ihren Bannern, in der Behausung der Pflichttreuen
und in den höchsten Sinnesobjekten,
25. (8357.) in dem siegprangenden, im Kampfe nicht
weichenden Helden, in dem Fürsten der Männer weile ich
allezeit, o Balatöter.
26. (8358.) In dem gesetzestreuen, sehr verständigen, brah-
manhaften, Wahrheit redenden, fügsamen und freigebigen
Manne weile ich allezeit.
27. (8359.) Vormals weilte ich bei den Dämonen, gebunden
an sie durch Wahrheit und Recht; nachdem ich sie aber als
abgekehrt davon erkannte, hat es mir gefallen, in dir zu
wohnen.
^akra sprach:
28. (8360.) Wie benahmen sich die Daitya's, dafs du bei
ihnen Wohnung nahmst, o hold Erscheinende ? Und was hast
du dort gesehen, dafs du hierher gekommen bist, die Daitya's
und Dänava' s verlassend?
Die Tri sprach:
29. (8361.) Solange sie Wesen waren, welche ihre Pflicht
befolgten und in ihrer Beharrlichkeit nicht wankten, sondern
an dem Himmelswege ihre Freude hatten, hatte ich mein
Wohlgefallen an ihnen.
Digitized by LaOOQle
Adhy&ya 228 (B. 229).
31» 1
30. (836*2.) Damals herrschte unter ihnen in Wahrheit
Almosengeben, Vedastudium, Darbringung von Opfern, Ver-
ehrung der Ahnen und der Götter, sowie der Lehrer und
der Gäste.
31. (8363.) Sie hielten ihre Herzen rein, bezähmten das
Verlangen nach Weibern, hatten Opfergaben und Feuer, waren
den Lehrern gehorsam, bezähmt, brahmanhaft und die Wahr-
heit redend,
32. (8364.) gläubig, den Zorn überwindend, fleifsig im
Geben und ohne Murren, unterhielten ihre Kinder, ihre Haus-
genossen, ihre Frauen und waren frei von Neid.
33. (836ö.) Niemals waren sie mit Unduldsamkeit aufein-
ander eifersüchtig, und als Weise ärgerten sie sich nie über
fremdes Gedeihen.
34. (8366.) Sie waren freigebig und ordnunghaltend, edel-
mütig, mitleidempfindend, sehr gnädig, geradsinnig, in der
Verehrung fest und die Sinne bezähmend,
35. (8367.) von zufriedenen Dienern umgeben, dankbar,
freundlich redend, wie es sich gebührt Ehre erweisend und
Zwecke fördernd, der Schamhaftigkeit beflissen und streng
in ihren Gelübden,
3(>. (8368.) allezeit an den Mondfesten wohlgebadet, wohl-
gesalbt und wohlgeschmückt, fleifsig in Fasten und Askese,
zufrieden und heilige Worte redend.
37. (8369.) Niemals überraschte sie der Sonnenaufgang,
noch auch schliefen sie in den Morgen hinein, und jederzeit
enthielten sie sich in der Nacht der sauren Milch und der
Grütze.
38. (8370.) Und des Morgens früh beschauten sie die ge-
schmolzene Butter, hingegeben und heilige Gespräche führend,
beachteten glückliche Vorzeichen und ehrten die Brahmanen.
31». (8371.) Immer zu denen gehörig, welche das Rechte
reden, immer zu denen, welche keine Geschenke annehmen,
welche nur die halbe Nacht schlafen und bei Tage nicht
schlafen,
40. (8372.) welche sich allezeit an Mitleid und Wohltun
gegen Elende, Schutzlose und Alte, Schwache, Kranke und
Weiber erfreuten (anumodatäm mit C),
Dii -mk, MahAbh&ratfttn 21
322
III. Mokshadharma.
41. (8373.) waren sie immer bestrebt, den Zitternden, Ver-
zagenden, Erschrockenen, Furchtgequälten, Leidenden, Dürfti-
gen, Beraubten, von Unglück Heimgesuchten durch Trost
wieder aufzurichten.
42. (8374.) Nur der Pflicht folgten sie, schädigten sich nicht
gegenseitig, ihren Obliegenheiten nachgehend, gegen Lehrer
und Alte dienstfertig.
43. (8375.) Sie ehrten Manen, Götter und Gäste, wie es
sich gebührt, afsen, was diese übrig liefsen und waren alle-
zeit fest in Wahrheit und Askese.
44. (837«.) Wenn ihnen etwas Gutes zufiel, genossen sie
es nicht allein, gingen nicht zu fremden Frauen und benahmen
sich aus Mitleid gegen alle Wesen wie gegen sich selbst.
45. (8377.) Nicht im Freien, nicht bei Tieren, nicht in
schlechten Schöfsen, nicht an Feiertagen erlaubten sie sich
jemals Befriedigung der Sinnlichkeit.
46. (8378.) Beständiges Geben, Tüchtigkeit und beharr-
liche Geradheit, Anstrengung, Selbstlosigkeit und höchste
Freundschaft,
47. (8379.) Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, Askese, Mitleid
und milde Rede und keine Hinterlist gegen Freunde, das alles
war bei ihnen zu finden, o Herr.
48. (8380.) Schlaf, Trägheit, Unzufriedenheit, mürrisches
Wesen und Rücksichtslosigkeit, Unlust, Verzagtheit und Be-
gehrlichkeit waren bei ihnen nicht heimisch.
49. (8381.) Von solcher Art waren die Tugenden der Da-
na va's, bei welchen ich vordem wohnte, von der Schöpfung
der Wesen an, länger als den Umlauf eines Weltalters hin-
durch.
50. (8382.) Aber im Umschwung der Zeiten mufste ich
sehen, wie ihre Tugenden ins Gegenteil umschlugen, wie die
Gerechtigkeit von ihnen wich, wie sie sich der Lust und dem
Zorne in Knechtschaft gaben.
51. (8383.) Sie verlachten die Reden der in der Versamm-
lung sitzenden Alten und Guten, wenn sie zu ihnen sprachen,
und murrten gegen alle Alten, obgleich sie ihnen in der
Tugend nachstanden.
Adhyäya 22* (B. 229».
323
52. (83S4.) Die jungen Leute, wenn sie zusammensafsen
und die Alten zu ihnen hereintraten, versäumten es, sie, wie
vordem, durch Aufstehen und Begrüfsen zu ehren.
53. (sssa.) Auch wo der Vater noch vorhanden war, rifs
der Sohn die Macht an sich, und Fremde, die man zu Haus-
genossen gemacht hatte, verrieten Geheimes ohne Scham.
54. (8.W6.) Und wenn irgendwelche durch ein pflicht-
widriges und tadelnswertes Werk zu grofsem Reichtum ge-
langt waren, so suchten sie diesen nachzueifern.
55. (8387.) Gehoben war nachts ihre Stimme, gesunken
glomm dabei das Opferfeuer, die Söhne erhoben sich über
ihre Väter, die Weiber über ihre Gatten.
50. (8388.) Mütter, Väter. Greise, Lehrer, Gäste und Meister
wurden nicht als Höherstehende gegrüfst, und die Kinder
nicht überwacht.
57. (8389.) Ohne Almosen und Spende dargebracht zu
haben, genossen sie selbst die Nahrung, ohne vorher geopfert
und mitgeteilt zu haben, weder an Manen und Götter, noch
an Gäste und Lehrer.
5*. iH3iH>.) Die Leute, welche ihnen als Köche dienten,
beobachteten nicht die Reinheitsvorschriften; nicht durch Ge-
danken, Werke und Worte war beschränkt, was zu essen war.
59. (8391.) Selbst verstreute Körner, wie sie Krähen und
Mäusen zum Futter dienen [waren nicht ausgeschlossen] ; un-
zugedeckt stand die Milch, ungesäubert von Speiseresten be-
rührten sie die Opferbutter.
HÜ. (839.'.) Die Hausfrau kümmerte sich nicht darum, dafs
Spaten und Sichel, Korb und Messinggeschirr, Sachen und
Geräte, alles zerstreut umherlag.
61. (8393.) Dem Verfall der Mauern und Häuser halfen
sie nicht ab, sie banden die Tiere an und versorgten sie nicht
mit Futter und Wasser.
02. (8.W4.) Das Essen ihrer Kinder afsen sie, während diese
zusahen, selbst, und so sättigten sie auch nicht all ihr Diener-
volk, diese Dänava's.
63. (839:».) Milchreis und Fleisch, Kuchen und Hackwerk
liefsen sie für sich selbst kochen und afsen nach Belieben
Fleisch.
21*
324
III. Mokshadharina.
64. (8396.) Nach Sonnenaufgang schliefen sie noch und
machten alle die Morgenfrühe zur Nacht, und dann gab es
Gezänk bei Tag und Nacht von Haus zu Haus.
65. (8897.) Die von Geburt Unedlen versagten den da-
sitzenden Edlen und die Gesetzlosen dem die Lebensstadien
Beobachtenden die Ehrenerweisung, ja sie hafsten sich gegen-
seitig.
66. (8398.) Kasten mischungen waren an der Tagesordnung
und Reinheit bestand bei ihnen nicht, mochten sie nun veda-
kundige Brahmanen oder eingestandenermafsen Vedalose sein.
67. (8399.) Sie machten keinen Unterschied in dem Gegen-
satze von Hochschätzung und Verachtung, und nur darauf
sahen sie, ob Perlenschnur und Schmucksachen bei einem
fehlten oder von ihm getragen wurden.
68. (84oo.) Ihre Arbeitsmädchen huldigten der von schlech-
ten Menschen befolgten Sitte, die Weiber erschienen in
Miinnerkleidung vor Männern, welche Weiberkleidung trugen.
69. (8401.) An Spiel, Geschlechtslust und Vergnügungen
fanden sie ihre höchste Lust, hingegen die vordem von autori-
tativen Edlen überkommenen [geistigen] Erbschaften
70. (8402.) beachteten sie aus Nihilismus nicht, und ebenso-
wenig [beachtete es], auch wenn er in der Lage war, der
Freund, wenn er von dem Freunde in Geldverlegenheit ge-
legentlich angegangen wurde.
71. (8403.) Hingegen wenn ihr eigenes Interesse auch nur
um eine kleine äufserste Spitze auf dem Spiele stand, ver-
nichteten sie seinen [des Freundes] Besitz, indem sie ihre
Lust daran hatten, fremdes Gut sich anzueignen, und sich
auf Handelsgeschäfte einliefsen.
72. (8404.) Unter den Kasten der Arier wurden sogar
askesereiche (jidra's erblickt; einige studierten den Veda
ohne Gelübde, andere mit falschem Gelübde.
73. (8405.) Der Schüler war seinem Lehrer ungehorsam,
mitunter war der Lehrer des Schülers Liebhaber, Vater und
Mutter waren so schlaff, als hätten sie einen Feiertag hinter
sich, (8406.) und wenn sie alt waren, verloren sie ihr Ansehen
und mufsten ihre Kinder um Nahrung bitten.
Digitized by Googl
Adhyäya 228 (B. 229).
325
74. Dabei waren die gelehrten Vedakenner an Tiefe
(Dunkelheit) dem Ozean vergleichbar.
75. (8407.» Sie verwandten ihre Zeit auf Ackerbau und
dergleichen, blieben unwissend, verzehrten die Opfer für die
Manen selber und allmorgendlich machten sie sich wichtig
mit Fragen nach dem Wohlbefinden und Schicken von Bot-
schaft.
76. (S408.) Ihre Lehrer gewannen, aus eigenem Antrieb
und ohne aufgefordert zu sein, Schüler; die Ehefrau gab in
Gegenwart des Schwiegervaters und der Schwiegermutter
den Dienstboten Befehle,
77. T8409.) auch kommandierte sie ihren Gatten und gab
ihm Widerworte, um ihn herauszufordern ; ja der Vater hütete
sich sorgfältig vor den Absichten des eigenen Sohnes.
78. (8*io.) Er verteilte aus unbesonnenem Eifer sein Ver-
mögen und brachte sich so in eine peinliche Lage, der Be-
sitz aber wurde durch Feuersbrünste oder Diebe oder durch
die Könige geraubt.
79. (84U.) Wenn sie sich sahen, verlachten sie sich aus
Hafs. sogar wenn sie als Freund begrüfst wurden: sie waren
undankbar, ungläubig, boshaft und tasteten die Frauen ihrer
Lehrer an.
tfO. (841:!.) Sie freuten sich am Genüsse verbotener Speisen,
waren mafslos und des Ansehens beraubt. Da diese im Um-
lauf der Zeit einen derartigen Wandel führten,
81. (H4i3.) so mag ich, o Fürst der Götter, nicht mehr bei
den Dänava's wohnen, das ist mein Wille; darum magst du
mich, die ich aus freien Stücken zu dir übergegangen bin,
willkommen heifsen, o Gatte der Caci.
82. (8414.) Mich, die von dir Geehrte, o Herr der Götter,
werden die Götter hochschätzen, denn wo ich bin, da sind
auch die von mir (dem Glück) Geliebten, von mir Aus-
gezeichneten, mit mir Beschenkten.
83. (84ir>.) Sieben Gottheiten und der Sieg als achte werden
bei dir achtfach Wohnung nehmen, die Hoffnung, der Glaube,
die Festigkeit, die Nachsicht, die Eroberung, die Demut und
die Geduld.
84. (8416.) Die achte unter diesen ist die vorzüglichste,
1
326 III. Mokshadharina.
o Züchtiger des Paka. Mit mir sind diese Gottheiten, die
Asura's verlassen habend, in euren Bereich gelangt.
85. (8417.) Bei den dreifsig Göttern werden wir Wohnung
nehmen, die ihr inneres Selbst im Gesetze fest gegründet
haben. So sprach die Göttin und wurde freudig von den
beiden begrüfst,
86. (8418.) von Närada, dem Götterweisen, und von Vasava.
dem VritratÖter. Da wehte der Freund des Feuers, der Wind,
auf den Pfaden der Götter,,
87. (8419.) lieblich duftend, erquicklich anzufühlen, alle
Sinne mit Lust erfüllend, und die dreifsig Götter erwählten
eine reine Gegend zu ihrem gewöhnlichen Aufenthalt
88. (8420.) und trachteten danach, den in Gemeinschaft mit
I^akshmi thronenden mächtigen Indra anzuschauen.
89. (8421.) Da geschah es, dafs der tausendaugige, den
Himmel erlangt habend, von der Qri (mit 0.) begleitet
und von seinem Freunde, dem grofsen Weisen, auf
seinem von falben Rossen gezogenen Wagen, er, der Stier
der Götter, von ihnen verehrt, zum Wohnsitze der Götter
gelangte.
90. (8422.) Da überdachte in seinem Geiste Narada das.
was geschehen war zwischen dem Donnerkeilträger und
der Göttin (,'ri, und er pries, die Macht der Unsterblichen
erkennend, sein Zusammenkommen mit dem Gnädigen
(Indra) und den grofsen Rishfs bei der Cri.
91. (8423.) Darauf regnete der glanzreiche Himmel
Amritam nieder auf den Sitz des durch sich selbst seien-
den Urvaters, Pauken ertönten, ohne geschlagen zu
werden, und die beruhigten Himmelsgegenden erglänzten.
92. (8424.) Vasava liefs regnen auf die zur rechten
Zeit reifende Feldfrucht ; kein Mensch wich ab von dem
Wege des Gesetzes, die Erde trug als Schmuck man-
cherlei Edelsteinlager, indem sie liebliches Getön ertönen
liefs bei dem Siege der weit bewohnenden Götter.
93. (8425.) Die Menschen freuten sich am Opferwerk
und glänzten durch Einsicht, indem sie beharrten auf
dem schönen Wege der gut Handelnden ; Menschen und
Digitized by LaOOQle
Ailhyjkya •>*>« (B. 229).
327
Götter. Kinnara's, Yaksha's und RakshasaV gediehen
und waren wohlgesinnt.
K M. (842C.) Niemals fiel zur Unzeit eine Blume, ge-
schweige denn eine Frucht vom Baume, auch wenn er
vom Winde hewegt wurde. Die Kühe spendeten ihren
Saft, und man konnte jeden Wunsch aus ihnen ermelken,
und keinem Menschen entschlüpfte je ein hartes Wort.
t*5. (8427.) Diejenigen, welche diese Huldigung der (,'ri
mitsamt den alle Wünsche gewährenden und von (Jakra
angeführten Göttern studieren, nachdem sie in einer
Brahmanenwohnung zusammengekommen sind, deren
Wünsche gedeihen, und sie erlangen Tri, die Göttin des
Glücks.
IM». (8428.) 0 Bester der Kuru's, was von dir angeregt
worden war, nämlich ein höchstes Beispiel für Werden
und Vergehen zu geben, das alles ist dir heute von mir
mitgeteilt worden, du aber mögest es prüfen und die
Wahrheit dir zu eigen machen.
So lautet im Moktbariharin« die Unterredung zwischen 1,'ri und VAcava
<YW- Vdsaca-imncAda).
Aclhyftya '>29 (B. *£JO).
Vers K429-8453 (B. 1-25).
Yudhishthira sprach :
1. (842ii.) Durch welchen Charakter, welchen Wandel,
welche Wissenschaft und welche Tapferkeit erlangt man die
Stätte des Brahman, welche erhaben über die Prakriti und
beständig ist?
Bhishma sprach :
2. (8430.) Den Erlösungslehren fmnlshmlhnrmuj sich hin-
gebend, mäfsig sich nährend und die Sinne bezwingend, er-
langt man die Stätte des Brahman, sie ist erhaben über die
Prakriti und beständig.
3. (8431.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, o Bhärata, nämlich die Unterredung des Jaigi-
shavya mit Asita.
328
III. Mukshadharnia.
4. (8432.) Den Jaigishawa, den sehr weisen, dem die
Uberlieferung der Pflichten überliefert worden war, den Nicht-
Zürnenden und Xicht-sich-freuenden, sprach Asita Devala an.
Devala sprach:
5. (8433.) Du freust dich nicht, wenn du gelobt wirst, und
wenn du getadelt wirst, zürnest du nicht. Welches ist diese
deine Weisheit, woher hast du sie und was schwebt dir als
höchstes Ziel derselben vor?
Bhiahma (der Erzähler) sprach :
<i. (S434.) So von diesem angeredet, verkündete jener
Askesereiche die grofse, unbezweifelbare , Worte reichen
Sinnes enthaltende, reine Lehre.
Jaiglshavya sprach:
7. (8435.) Den Gang, das höchste Ziel, die Beruhigung der
heilige Werke Übenden, diese will ich dir erklären, die grofse
Beruhigung, o Bester der Rishi's.
8. (8436.) Diejenigen, welche, gleichgesinnt bei Tadelnden
allezeit und bei Lobenden, o Devala, es verheimlichen, wenn
sie gegen andere die Pflicht erfüllt und Wohltaten geübt
haben,
0. (S437.) welche angeredet dem Redenden auf Unfreund-
liches nicht Unfreundliches erwidern werden und als Weise
den, der sie schlug, nicht wiederzuschlagen wünschen,
10. (8438.) welche nicht beklagen, was ihnen nicht ein-
getroffen ist, und das ausfuhren, dessen Zeit da ist, nicht
klagen über Vergangenes und es doch auch nicht gut heifsen,
1 1. (8439.) welche, auch wenn man sie aus Liebe verehrt,
o Devala, doch nur so handeln, wie es bei der Sache ange-
messen ist, kraftvoll und ihrem Gelübde treu,
12. (8440.) welche, gereiften Wissens, von grofser Einsicht,
besiegten Zorn und besiegte Sinne habend, in Gedanken,
Werken und W r orten niemals sich vergehen,
13. (8441.) welche neidlos nie bestrebt sind, einander zu
schädigen, noch auch jemals als Weise Unbehagen empfinden
wegen fremder Erfolge,
Digitized by Googl
Adhyfcya 229 (B. 230).
329
14. (8442.) welche, wenn sie andere tadeln oder loben,
niemals übertreiben, und, wenn sie getadelt oder gelobt
werden, niemals ihr Betragen ändern,
lf>. (8443.) welche in jeder Lage ruhig bleiben und sich
am Wohlsein aller Wesen erfreuen, nicht zürnen, nicht jubeln,
noch auch jemals sich vergehen,
10. (8444.) welche, den Knoten des Herzens gelöst habend,
in Wohlbehagen einherwandeln, keinen Anhang haben, noch
auch Anhang von anderen sind,
17. (8445.) welche keine Feinde besitzen, noch auch feind
gegen irgend jemand sind, — die Menschen, welche so han-
deln, die leben allezeit glücklich,
18. (8446.) da sie das Gesetz befolgen als Gesetzeskundige,
o Bester der Zwiegeborenen. Die aber, welche diesen Weg
verfehlen, geben sich der Freude und der Furcht hin.
19. f8447.) Ich aber, der ich diesen Weg gefunden habe,
wie sollte ich gegen jemanden Unwillen empfinden, und
warum sollte ich mich darüber aufregen, dafs ich getadelt
oder gelobt werde?
20. (8448.) Mögen darum die Menschen dem zustreben,
was sie begehren, ich werde durch Tadel oder Lob weder
Verkleinerung noch Erhöhung erlangen.
21. (8449.) Wie an Amritam erquicke sich der Weise an
der ihm gezollten Verachtung, wie vor Gift fürchte sich der
Kundige allezeit vor Ehrenerweisung.
22. (S450.) Wer verachtet wird, der schläft ruhig, ohne
Furcht, hienieden und im Jenseits; er ist aller Schuld ledig;
aber den Verächter flieht der Schlaf.
23. (8451.) Alle diejenigen nun, welche als Weise nach
diesem höchsten Ziele streben, alle diese Menschen ergreifen
dieses Gelübde und kommen zu glücklichem Gedeihen.
24. (8452.) Ein solcher, von überallher alle Geisteskräfte
konzentrierend und die Sinne bezwingend, erlangt die Stätte
des Brahman, welche erhaben über die Prakriti und be-
ständig ist.
25. (8453.) Nicht Götter, nicht Gandharva's, nicht Pieäca's,
III. Mokshadhanna.
nicht Rakshasa's gelangen hinauf bis zu dessen Stätte, der
so das höchste Ziel erlangt hat.
So lautet im Mok»ba<lharroa die l nierredmitf /wiicben .laiirUbavj« uti.l A>it«
(Jai'/i'harytt - A uta - *u>HfAU<*, .
Aclhyftya **:*0 (B. t>:il).
Vers H4.M-S477 <B. l-24>.
Yudhishthira sprach :
1. ih454.» Geliebt von aller Welt, über alle Wesen sich
freuend und mit allen Tugenden begabt, — welchen Men-
schen gibt es auf der Welt, von dem dies gälte?
Bhlshmu sprach :
2. (K4. r i5.) In bezug darauf will ich dir auf deine Fraß»*,
0 Stier der Hharatas, die Unterredung vorführen, welche
1 grasena mit dem Kecava über den Narada gepflogen hat.
l'graseoa sprach .
3. I)«t Närada, den die Welt mit Recht rühmt»
der mufs doch wohl an Tugenden reich sein: über ihn sprich
mir, der ich dich befrage.
Väsudeva sprach:
4. (S457.) Die Tugenden des NArada, welche ich für vor-
trefflich halte, die vernimm von mir, der ich sie dir, o Fürst,
in der Kürze vorführen will.
f>. <n4.'»h) Nicht ist für ihn die körperquälende Selbstsucht
der Beweggrund seines Lebenswandels und nicht weicht v«»n
der Schriftüberlieferung sein Lebenswandel ab. darum ist **r
überall geehrt.
«». (K4.-»».» Unzufriedenheit, Zorn, Wankelmütigkeit und
Furcht linden sich nicht bei Nurada: er ist nicht *aum*eliir.
ist ein Held, darum ist er überall geehrt.
7. <s4«;o > Narada ist gar sehr zu verehren: in seiner Red*
ist keine Anmafsung, sei es aus Verlangen oder aus Hub-
gier, darum ist er überall geehrt.
Adhy&ya 230 (B. 231). 331
n
x. (H4ßi.) Er kennt das Wesen der Vorschriften über die
höchste Seele, ist geduldig, kraftvoll und Herr seiner Sinne,
geradsinnig und wahrheitsliebend, darum ist er überall geehrt.
V>. (8462.) Durch Kraft, Ruhm, Verstand, Wissen und Zucht,
durch seine Geburt und seine Askese ist er mächtig, darum
ist er überall geehrt.
10. (H463.) Er ist charaktervoll, von Glück erfüllt, edel im
Geniefsen, sorgfältig und rein, wohlredend und frei von Neid,
darum ist er überall geehrt.
11. (8464.) Er vollbringt das Schöne mit Tüchtigkeit, das
Schlechte findet bei ihm keine Stätte, er liebt nicht andere
um ihres Vermögens willen, darum ist er überall geehrt.
12. (8465.) Durch die heiligen Schriften des Veda und
durch Erzählungen sucht er seinen Unterhalt zu gewinnen,
er ist ausdauernd und nicht geringgeschätzt, darum ist er
überall geehrt.
13. (8466.) Wegen seiner Unparteilichkeit hat er keinerlei
Günstling oder Feind und redet nur, was er denkt, darum
ist er überall geehrt.
14. (8467.) Er ist schriftkundig und reich an Erzählungen,
gelehrt, nicht lüstern, nicht verschlagen, munter, von Zorn
und Begierde frei, darum ist er überall geehrt.
IT). (8468.) Nicht ist seine Individualität auf Besitz, Reich-
tum oder Lust von Natur gerichtet, und seine Fehler hat er
ausgetilgt, darum ist er überall geehrt.
16. (8469.) Von fester Frömmigkeit und tadellosem Wesen,
schriftkundig und ohne Bosheit, ist er frei von Verblendung
und Schuld, darum ist er überall geehrt.
17. (8470.) Ohne Hang zu allem Verlockenden, nur dem
Atman anhängend zeigt er sich, ohne langes Zaudern und
redekundig, darum ist er überall geehrt.
18. (K47i.) Nicht ist er versenkt in das Angenehme und
Nützliche, niemals rühmt er sich selbst, er ist neidlos und
mild in der Unterredung, darum ist er überall geehrt.
1U. (8472j Die mancherlei Meinungen der Leute betrachtet
er, ohne sie zu tadeln, er ist der Wissenschaft des Umgangs
mit Menschen kundig, darum ist er überall geehrt.
20. (8473.) Er bemängelt keine Tradition und lebt doch
332 HL Mokshadharma.
nach eigenen Grundsätzen, läfst die Zeit nicht ungenutzt und
ist Herr seiner selbst, darum ist er überall geehrt.
21. (8474.) Reich an Mühe, reich an Erkenntnis, nicht
müde werdend der Meditation, stets hingegeben und ohne
Unbesonnenheit, darum ist er überall geehrt. .
22. (8475.) Nie in Verlegenheit, eifrig bei der Sache, be-
dacht auf das Wohlsein der anderen, nicht eindringend in
fremde Geheimnisse, darum ist er überall geehrt.
23. (8476.) Er freut sich nicht über den Gewinn und ver-
zagt nicht, wenn er nicht gewinnt, ist festen Geistes, ohne
Anhänglichkeit, darum ist er überall geehrt.
24. (8477.) Ihn, der so mit allen Tugenden begabt ist,
tüchtig, rein und frei von Krankheit, die rechte Zeit er-
kennend und verstehend, was zum Besten dient, wer möchte
den nicht zu seinem Freunde machen!
So lautet im Mokahadharma die Unterredung zwischen Vaaudeva und ügravna
( V&utdtra - Ugro*ena - tamedda).
Adhy&ya 231 (B. 232).
Vers 8478-8509 (B. 1-32).
Yudhishthira sprach:
1. f8478.) Anfang und Ende aller Wesen wünsche ich zu
wissen, o Kurusprofs, sowie auch Andacht, Werke, Zeitlänge
und Lebensdauer in jedem der Weltalter,
2. (847H.) sowie auch das Wesen der Welt in seiner Voll-
ständigkeit und das Kommen und Gehen der Geschöpfe; das
Entstehen und das Vergehen, wodurch entwickelt sich dieses?
;\. (8480.) Wenn dein Geist gegen uns günstig gestimmt
ist, o Bester unter den Guten, so frage ich dich danach, du
aber sage es mir.
4. (8481.) Denn dadurch, dafs ich vordem das vorzügliche
Gespräch des ßhrigu und des Priesterweisen Bharadväja
darüber habe wiedererzählen hören [oben, S. 144 fg.], ist mir
eine vorzügliche Einsicht,
uigitizea Dy VjUü
Adhyäya 231 (B. 232).
333
5. (84*2.) eine überaus gerechtfertigte, in dem göttlichen
Lrgrund begründete, zuteil geworden. Aber nur um soviel
mehr befrage ich dich, und du, o Herr, mögest mir es sagen.
Bhishma sprach:
♦5. (8*83.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte vor-
führen, welche der heilige Vyäsa seinem Sohne, der ihn be-
fragte, vorgetragen hat.
7. (8484.) Nachdem er (Q'uka) die sämtlichen Veden mit-
samt den Vedanga's und l'panishad's durchstudiert hatte,
und da er nach vollkommenem Werke im Hinblick auf die
Totalität des Gesetzes Verlangen trug,
8. (8486.) legte (^uka, der Vyäsasohn, dem Vyäsa Krishna-
dvaipäyana diesen Zweifel vor, ihm, der alle Zweifel über
den Sinn des Gesetzes gelöst hatte. Der erhabene (,'uka
sprach :
9. (8486.) Den Schöpfer der Wesenschar, der durch die
Erkenntnis der Zeiten sicher war in seinem Tun, und die
dem Brahmanen obliegende Pflicht, die mögest du mir,
o Herr, erklären.
Bhishma (der Erzahlerl sprach:
10. (S487.) Ihm, dem fragenden Sohne, erklärte dieses alles
der Vater, der des Vergangenen und Zukünftigen Kundige,
Allwissende, alle Pflichten Kennende.
Vyäsa sprach :
11. (S488.) Das anfanglose, endlose, ungeborene, göttliche,
nicht alternde, feste, unvergängliche, unerschliefsbare und
unerkennbare Brahman regte sich am Anfang.
12. (8489.) Fünfzehn Nimesha's (etwa Terzen) machen
eine Kashthä (Sekunde), dreifsig KäshtmVs rechnet man
auf eine Kala (Minute); aus dreifsig Kalas nebst dem
zehnten Teile einer Kala besteht der Muhürta (Stunde).
13. (84»o.) Aus dreifsig Muhürta's bestehen Tag und
Nacht, eine von den Muni's überlieferte Zählung; der
Monat gilt als bestehend aus dreifsig Tag-und-Nächten,
das .Tahr enthält zwölf Monate.
334
III. Mokshadharma.
14. (*4»i.) Das Jahr aber besteht aus den beiden
Sonnengängen, wie die Zeitrechnungskenner lehren, dem
Gang nach Süden und dem nach Norden.
15. (8492.) Die Sonne teilt Tage und Nächte ein, die mensch-
lichen und die kosmischen; die Nacht dient zum Schlafe der
.Wesen, der Tag zur Tätigkeit in Werken (vgl. Manu I, 65).
16. (8493.) Ein Tag- und -Nacht der Väter ist ein Monat
und zerfällt ebenfalls in zwei Teile: die helle Monatshälfte
ist der Tag und dient zur Werktätigkeit, die dunkle, zum
Schlafe dienend, ist die Nacht (umgekehrt Manu I, 66 und
Harivamca 506).
17. (8494.) Ein Tag- und -Nacht der Götter ist ein Jahr
und zerfällt ebenfalls in zwei Teile: der Nordwärtsgang der
Sonne ist der Tag, ihr Südwärtsgang ist die Nacht (vgl.
Manu I, 67).
18. (8495.) Die Tag -und -Nächte, welche als menschliche
und kosmische vorher erwähnt wurden (Vers 8492), von diesen
die Summe der Jahre zusammenzählend, will ich dir erklären,
was ein Tag-und-Nacht des Brahman ist.
19. (8496.) Ich werde dir gesondert die Summen der Jahre
der Reihe nach angeben, wie sie im Weltalter Kritam, Treta,
Dväpara und Kali bestehen.
20. (8497.) Viertausend Jahre, so heifst es, bilden das
Weltalter Kritam, ebensoviele Hunderte seine Morgendämme-
rung und ebensogrofs ist die Abenddämmerung (vgl. Manu l.
69 und Harivamca 511).
21. (8498.) Für die drei übrigen Weltalter, sowie für ihr«*
Morgendämmerungen und Abenddämmerungen werden die
Tausende und die Hunderte jedesmal um ein Viertel ver-
mindert (vgl. Manu I, 70).
22. (8499.) Diese Weltalter tragen die beständigen, ewigen
Welten, und von ihnen, o Freund, wissen die Brahmankenner.
dafs sie das ewige Brahman sind.
23. (8500.) In dem Weltalter Kritam ist die Gerechtigkeit
vierfiifsig und vollständig und ebenso die Wahrheit; in diesem
Zeitalter gibt es keine Bereicherung durch Ungerechtigkeit,
die von der Gerechtigkeit abwiche (vgl. Manu I, 81).
Adhyäya 231 (B. 232).
24. (85oi.) In dem folgenden Weltalter wird die Gerechtig-
keit infolge der Bereicherung je um einen Fufs verringert
und die Ungerechtigkeit nimmt durch Diebstahl, Unwahrheit
und Trug zu (vgl. Manu I, 82).
25. (85oa.) Im Kritam sind die Menschen ohne Krank-
heiten, bringen alle ihre Pläne zum Gelingen und leben
vierhundert Jahre, in der Tretä und den folgenden Welt-
altern nimmt ihre Lebensdauer je um ein Viertel ab (vgl.
Manu I, 83).
2ß. (8503.) Auch das Studium des Veda nimmt den Welt-
altern entsprechend ab, so haben wir vernommen, und ebenso
steht es mit der Lebensdauer, den Segenswünschen und mit
der Frucht, welche der Veda bringt (vgl. Manu I, 84).
27. (8504.) Andere sind die Pflichten der Menschen im
Weltalter Kritam und andere in der Treta und im Dväpara,
und wieder andere sind sie im Weltalter Kali, entsprechend
der Verkürzung des Weltalters (vgl. Manu I, 85).
28. (8505.) Askese ist die höchste Aufgabe im Weltalter
Kritam, in der Treta ist die Erkenntnis das Oberste, Opfer
im Dväpara und nur das Geben im Weltalter Kali (vgl.
Manu I, 80).
21». («506.) Als diese zwölftausend Jahre umfassend wissen
die Weisen die Zeitdauer eines [göttlichen, vier menschliche
Weltalter umfassenden, vgl. Harivamca 515J Weltalters, und
ein solches tausendmal verlaufend wird ein Brahmantag ge-
nannt (vgl. Manu I, 73),
30. (8507.) und die Nacht [des Brahman wissen sie] als
ebensogrofs. Dieses Weltall war zu Anfang der Icvara; nach-
dem er beim [vorhergehenden] Weltuntergang in Meditation
versunken und eingeschlafen war, gelangt er am Ende [der
Nacht] zum Erwachen (vgl. Manu I, 73 fg., Harivamca 532 fg.).
31. (8508.) Weil sie den Tag des Brahman wissen als
tausend [göttliche] Weltalter befassend und seine Nacht als
nach tausend Weltaltern zu Ende gehend, darum sind diese
Menschen die [wahren] Kenner von Tag und Nacht.
32. (8509.) Ist der Icvara erwacht, so schafl't er am Ende
der Nacht das unvergängliche Brahman wieder um und laist
336
III. Mokshadharma.
aus ihm hervorgehen die grofse Wesenheit [den MahänJ und
aus ihm das zum Bereiche des Entfalteten (vyaktam) gehörige
Manas.
So lautet im Mokebadkarma die Frage des <>ka
((,'uka ■ anupra^na).
Adhyftya 232 (B. 233).
Vers 8510-3554 (B. 1-43).
Vyasa sprach:
1. (85io.) Das glanzreiche, reine Brahman ist es, von dem
diese ganze Welt herrührt, aus diesem einen Wesen entspringt
die zweifache Wesenheit, nämlich das Unbewegliche und das
Bewegliche.
2. (8öii.) Am Anfange des Tages erwachend, schafft er
[der levara] vermöge der Avidya (des Nichtwissens) die Welt,
und zwar zu Anfang die grofse Wesenheit [den Mahän] und
alsbald das zum Bereiche des Entfalteten (vyaktam) gehörige
Manas.
3. (8512.) Und überhandnehmend hienieden schuf das
Glanzreiche [Brahman] sieben Manas-artige [die beiden ge-
nannten Mahän und Manas einbegriffen]. Nämlich das in die
Ferne reichende, nach vielen Seiten gehende, Verlangen und
Zweifel als Wesen habende
4. (8513.) Manas entfaltet die Schöpfung, indem es vom
Verlangen zu schaffen getrieben wurde. Aus ihm entsteht
der Äther (äkaeam), als seine Qualität bezeichnet man den
Ton (vgl. Manu I, 75 fg.) ;
5. (85U.) aus dem Äther, indem er sich umwandelt, ent-
steht der alle Düfte tragende, reine, mächtige Wind, als seine
Qualität gilt die Berührung.
6. (8515.) Aus dem Winde sodann, indem er sich um-
wandelt, entsteht das glanzreiche, leuchtende, reine Feuer,
als seine Qualität wird die Sichtbarkeit genannt.
7. (8516.) Aus dem Feuer sodann, indem es sich um-
wandelt, entsteht das die Eigenschaft des Geschmacks be-
sitzende Wasser; aus dem Wasser entspringt der Geruch;
Digitized by LaOOQle
Adhyaya 232 (B. 233).
337
nebst [seinem Element] der Erde gilt er als eine Schöpfung
aller [Vorhergehenden].
8. (8517.) Die Qualitäten jedes vorhergehenden [Elements]
gehen ein in jedes nachfolgende, und die wievielte Stelle ein
jedes einnimmt, soviele Qualitäten werden ihm zugeschrieben.
9. (8518.) Wenn einige, weil sie den Geruch schon in dem
Wasser wahrnehmen, diesem ihn zuschreiben, so ist das un-
zutreffend ; nur in der Erde soll man ihn wissen als ein Pro-
dukt aus Wasser und Wind.
10. (8519.) Diese siebenfach vorhandenen Atman's, obgleich
sie jeder einzelne mannigfache Kräfte hatten, vermochten
nicht die Geschöpfe zu schaffen, wenn sie nicht zu einem
Ganzen sich vereinigten.
11. (8520.) Da vereinigten sich die Hochherzigen, indem
sie sich wechselseitig aufeinander gründeten und so den
Körper ftariramj als Grundlage f&rrayanamj erlangten ; darum
wird [das Ganze] Purusha (Mensch) genannt.
12. (8521.) Zum Körper wird es, weil dieser seine Grund-
lage ist [Wortspiel zwischen gariram und grayanam], der
gestalthafte, sechzehnwesenhafte; in ihn gehen ein die grofsen
Elemente mitsamt ihrer Funktion.
13. (8522.) Er aber, der alle Geschöpfe erwählte, um in
ihnen das Tapas zu betreiben, wurde zum Anfangsschöpfer
der Wesen; und ihn nennt man Prajäpati.
14. (8523.) Er also schafTt die Wesen, die unbeweglichen
und beweglichen; darauf schafft er, der Gott Brahmän, die
Götter, Rishfs, Väter und Menschen,
15. (8524.) die Welträume, Flüsse und Meere, die Welt-
gegenden, Berge und Bäume, die Menschen, Kinnara's und
Rakshas, die Vögel, Haustiere, Waldtiere und Schlangen,
(8525.) das In vergängliche und das Vergängliche, beides, das
Unbewegliche und das Bewegliche.
16. Und welche Werke irgendeiner von diesen vor seinem
Geschaffenwerden sich zugeeignet hatte, (h»2g.) die werden ihm
wieder zugeeignet, indem er immer wieder neu geschaffen wird.
17. Lust zu schaden und Lust zu schonen, Milde und
Härte, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Wahrheit und Un-
wahrheit (Manu I, 29), (8527.) das alles eignen sie sich an,
Pfcr*»», MabAbhArtUra. 22
Digitized by Google
338 1U- Mokshadharma.
weil sie dazu vorausbestimmt sind, darum gefällt dem einen
dies, dem andern jenes.
18. Die Mannigfaltigkeit in den grofsen Elementen, den
Sinnendingen und Gestalten (85*8.) und ihre Verteilung unter
den Wesen, — der Schöpfer ist es, welcher alles dies verleiht.
Ii). Einige Menschen nun aber behaupten, dafs die mensch-
liche Tat bei den Werken [das Wirkende] sei, (8529.) andere
Weise erklären das Schicksal, und manche Naturgrübler er-
klären die Natur [für das Wirkende].
20. Die menschliche Tat, das Schicksal und das Hervor-
gehen der Frucht von Natur aus, (sö30.) diese drei erscheinen
dabei als gesondert, während einige behaupten, dafs unter
ihnen kein Unterschied sei.
21. Es kann so sein und nicht so sein, oder beides nicht
sein, oder keines von beiden nicht sein, oder auch dieses nicht.
(8531.) so sprechen sich über den Gegenstand aus die werk-
tüchtigen, in der Wahrheit stehenden Unparteiischen.
22. Die Askese (tapas mit C.) ist das Heil der Wesen,
ihre Wurzel Beruhigung und Bezähmung, (8532.) durch sie er-
langt man alle Wünsche, die man im Herzen hegt.
23. Durch Tapas erlangt es der Schöpfer, dafs er die
gewordene Welt geschaffen hat, (8533.) und indem er zu ihr
geworden ist, wird er der Herr aller Geschöpfe.
24. Durch Tapas studierten die Rishi's die Veden Tag
und Nacht, (8534.) und durch ebendasselbe ist die anfang-
und endlose Wissenschaft als heilige Rede geschaffen worden
von dem, der durch sich selbst ist, [es folgt nur in C. :] die
von Anfang an aus dem Veda bestehende göttliche, aus der
alle Entwicklungen hervorgehen.
25. (8535.) Die Namen der Rishfs und die in den Veden
erwähnten Schöpfungen, sowie Namen und Gestalten der
Wesen und die Entwicklung der Werke,
2t>. (8536.) das alles schafft jener levara am Anfang aus
den Vedaworten, und auch die Namen der Rishi's und die in
den Veden erwähnten Schöpfungen («537.) verleiht der Un-
geborene am Ende der Weltnacht an andere unter den Edel-
geborenen.
DigitizecLby VjOOQIc
Adhyaya 232 (B. 233).
339
27. In der Verschiedenheit der Namen, in der Askese
und dem, was Werk und Opfer genannt wird, bestehen die
Ziele der Welt; (8538.) das Ziel des Atman aber wird in den
Veden auf zehnerlei (vielerlei) Arten gelehrt.
28. Das Tiefsinnige, was in den Vedaworten ausge-
sprochen wurde von denen, die den Veda geschaut hatten,
(8539 > das wird schließlich nach seiner Bedeutung durch
stufenweise zunehmende Hingebung erkannt.
29. Durch die Werke bedingt und mit den Gegensätzen
behaftet ist diese individuelle Existenz der Seele ; (8540.) diese
läfst hinter sich mit Kraft der Mensch, welcher durch die
Erkenntnis das Ziel des Atman erreicht hat.
30. Zwei Brahman's mufs der Mensch kennen, das Wort-
brahman und das höchste; (8541.) wer im Wortbrahman be-
wandert ist, erreicht auch das höchste Brahman (vgl. Maitr.
Up. K.22).
31. Das Opfer der Kshatriya's ist die Tötung, das Opfer
der Vaicya's die Darbringung, (8542.) das Opfer der (^üdra's
die Dienstleistung, das Opfer der Zwiegeborenen ist Tapas.
32. Jedoch gilt diese Vorschrift der Opfer nur für das
Tretazeitalter, nicht für das Zeitalter Kritam, (8543.) im Dvä-
parazeitalter geraten die Opfer in Verfall und ebenso im Zeit-
alter Kali.
33. Nicht gesonderte Satzungen habend sind die Menschen
in betreff des Rig-, Säma- und Yajurveda, (8544.) während sie
die auf spezielle Wünsche gerichteten Opfer als gesonderte
ansehen, sowie vermöge der asketischen Übungen das Tapas.
34. Aber in dem Tretazeitalter geschah es, dafs alle jene
hochkräftigen Dinge, welche geoffenbart worden waren (8545.)
als die Zügler des Unbeweglichen und Beweglichen allerwärts,
35. dafs diese im Tretazeitalter verkürzt wurden, nämlich
die Veden, die Opfer, die Kasten und die Lebensstadien. (8546.J
Vermöge der Beschränkung der Lebenszeit aber verfallen diese
[noch mehr] im Zeitalter Dvapara,
30. und im Kalizeitalter vollends kommen die gesamten
Veden nur noch stellenweise zum Vorschein (8547.) und schwin-
den hin mitsamt den Opfern, unterdrückt durch die völlige
Gesetzlosigkeit.
Digitized by Google
840
III. Mokshartharma.
i
37. Was im Kritazeitalter Gesetz war. das ist nur noch
zu finden als bei den Brahmanen (85*8.)' vorhanden, welche am
Atman, am Tapas und an der Schriftoffenbarung festhalten.
38. Aber von Zeitalter zu Zeitalter werden entsprechend
seinem Charakter mitsamt den Zusammenhängen der Satzungen
und Gelübde (8549.) die durch Uberlieferung überkommenen
und in ihrem eigenen Gesetze begründeten Vedareden entstellt.
39. Wie in der Regenzeit durch den Regen alle Geschöpfe
immer zahlreicher (8550.) hervorgebracht werden, die beweg-
lichen und unbeweglichen, so wuchern die Unsitten von Zeit-
alter zu Zeitalter fort.
40. Wie in den verschiedenen Jahreszeiten die mannig-
fachen Attribute derselben im Verlaufe (8551.) als diese oder
jene zum Vorschein kommen, so ist es bei den Vernichtungen
durch Brahman und [seinen Neuschöpfungen]:
41. So nämlich ist die anfanglose und endlose Mannig-
faltigkeit der Zeiten vorausbestimmt ; (8552.) dies ist dir schon
vordem verkündet worden: das Brahman erzeugt und ver-
schlingt die Geschöpfe.
42. Das Brahman schafft und ist der Ort der Wesen, es
wird angesehen als die Zeit; (8553.) sie aber entwickeln sich
ihrer Natur gemäfs, indem sie vielfach den Gegensätzen unter-
worfen sind.
43. Schöpfung, Zeit, Opferwerke und Veden, der Schöpfer
und die Frucht der Pflichterfüllung — (8554.) alles dieses ist
erklärt worden, mein Sohn, wonach du mich gefragt hast.
So lautet im Mokthadbarma die Frage de« (,'uka
C <,'uka • aimpra^na).
Aclhyftya 233 (B. '434).
Vers 8555-8574 (B. 1-19).
Vyasa sprach:
1. (8555.) Nun will ich dir reden von der Absorption der
Welt zu Anfang der Weltnacht, nachdem der Tag dahin ist,
und wie der Icvara dieses Weltall zu seinem eigenen, überaus
feinem Selbste macht.
Digitized by Google
Adhyäya 233 (B. 234).
2. (8556.) Es brennen dann am Himmel die Sonne und
sieben, mit Spitzflammen lohende Feuersgluten , und diese
ganze Welt, von ihren Gluten erfüllt, geht in Flammen auf.
3. (8657.) Die Wesen, bewegliche und unbewegliche, welche
sich auf der Erde befinden, diese gehen zunächst zugrunde
und werden wieder zur Erde.
4. (»558.1 Wenn dann alles zugrunde geht, das Unbeweg-
liche und das Bewegliche, dann erscheint die Erde baumlos
und graslos, wie der Rücken einer Schildkröte.
5. (8559.) Wenn dann das Wasser den Geruch, wiewohl
er die Qualität der Erde ist, in sich aufnimmt, dann ist die
des Geruches beraubte Erde zum Untergange reif.
(5. (8560.) Dann bestehen die wogenden, mächtig brausen-
den Wasser noch fort, und indem sie diese ganze Welt er-
füllen, stehen und gehen sie hin und her.
7. (sr>6i.) Wenn dann weiter das Feuer die Qualität des
Wassers [den Geschmack] in sich aufnimmt, dann kommen
die ihrer Qualitäten beraubten Wasser in dem Feuer zur Ruhe.
8. (8562.) Wenn dann die flammenden Gluten die in ihrer
Mitte befindliche Sonne umhüllen, dann geht der ganze von
Gluten erfüllte Himmel in Flammen auf.
I». (8563.) Wenn dann der Wind die Sichtbarkeit, wiewohl
sie die Qualität des Feuers ist, in sich aufnimmt, dann kommt
das Feuer zur Ruhe und der grofse Wind durchbraust mäch-
tig das All.
10. (8564.) Indem dabei der Wind das Getöse, aus welchem
sein Ursprung war, sich zu eigen macht, durchbraust er nach
unten, oben und in die Quere alle zehn Himmelsgegenden.
11. (8565.) Wenn dann der Äther die Berührung, wiewohl
sie die Qualität des Windes ist, verschlingt, dann kommt der
Wind zur Ruhe und nur der tonerfüllte Äther besteht noch.
12. (8566.) Ohne Sichtbarkeit, ohne Geschmack und Be-
rührung, ohne Geruch und ohne Gestalt durchtönt die ganze
Welt und besteht weiter der tonerfüllte Äther.
13. (S567.) Den Ton, obwohl er die Qualität des Äthers
ist, [verschlingt] das seiner Natur nach offenbarende Manas,
den offenbaren Teil des Manas verschlingt sein tinotfenbarer,
[so erfolgt] die Weltauflösung in Brahman.
Digitized by Google
342
III. Moksba.lhariua.
14. (8568.) Dieses Manas, indem es in seine Qualität [den
Wunsch samkalpa] eingeht, verschlingt der Mond, und während
das Manas zur Ruhe kommt, besieht es weiter in dem Monde.
15. (8669.) Diesen Wunsch (samkalpa) bringt durch lange
Zeit der Mond in seine Gewalt; nämlich der Samkalpa ver-
schlingt das Cittam (Manas), dieses aber [das Cittam in Ge-
stalt seiner Qualität des Samkalpa] wird verschlungen von
dem höchsten Bewufstsein;
16. (8570.) das Bewufstsein wird verschlungen von der
Zeit, die Zeit wieder von der Kraft, wie die Schrift lehrt
[Chänd. Up. 7,8,1]; die Kraft aber wird von der Zeit ver-
schlungen und diese wiederum wird von dem Wissen unterjocht.
17. (8571.) Dann nimmt der Wissende den Ton des Äthers
in sich auf, und das ist dann das höchste Brahman, das ist
das unübertreffliche Ewige. (8572.) So steht es mit allen W r esen,
das Brahman ist ihre Auflösung;
18. wie es dir vollständig verkündet worden ist, so steht
es damit, daran ist kein Zweifel, (8573.) wie die aus dem
Wissen stammende Belehrung geschaut wurde von den
Yogin's, die den höchsten Atman besafsen.
19. So erfolgen immer wieder und wieder Weltausbrei-
tung und W T eltvernichtung in der unoffenbaren Wesenheit
des Brahman (8574.) am Anfange der Tausende von Welt-
altern, aus denen beide bestehen, und so steht es mit dem
Tage und der Nacht [des Brahman].
So lautet im MokBhadtaarma die Frage des C.'uka
Adhy&ya 234 (B. 235).
Vers 8575-8612 (B. 1-38).
Vyäsa sprach:
1. (8575.) Was vorausbestimmt war für die Schar der
Wesen, das ist dir von mir verkündet worden. Was aber
die Pflicht eines Brahmanen ist, das will ich dir sagen, das
vernimm.
Ailhy&ya 234 (B. 235).
:-ua
2. (H576.) Von der Geburtszeremonie an soll für ihn die
Ausführung der opferlohnbringenden W erke bis zur Heim-
kehr aus der Lehre unter einem Lehrer erfolgen, der den
Veda ganz durchstudiert hat.
(8*77.) Nachdem er die gesamten Veden studiert und
an dem Gehorsam gegen den Lehrer seine Freude gehabt
hat, soll er nach Abtragung der Schuld an den Lehrer als
ein Opferkundiger heimkehren.
4. (8578.) Nachdem er von seinem Lehrer entlassen ist,
soll er eines der vier Lebensstadien bis zur Erlösung von
dem Leibe nach der Vorschrift einhalten,
5. (8579.) sei es durch Zeugung von Nachkommen und
Heirat oder durch eine [fortgesetzte] Brahmanschülerschaft
oder durch das Wohnen im Walde in der Nähe des Lehrers
oder auch durch Übernahme der Pflichten eines Yati (San-
nyasin).
f>. (85so.) Aber der Hausvater gilt für die Wurzel aller
dieser Pflichtstadien, denn wo gekochter Saft [oder doppel-
sinnig: abgetane Sünde] ist, da gedeiht überall der sich Be-
zähmende.
7. (858i.) Als kinderreich, schriftkundig und opferfleifsig
die drei Schulden abgetragen habend, mag er sodann, durch
Werke geläutert, später zu anderen Lebensstadien übergehen.
8. (85«2.) Den reinsten Ort auf der Erde, den er kennt,
soll er bewohnen, an diesem strebe er nach Vorbildlichkeit
und [beharre] in höchstem Ansehen.
9. (8583.) Durch grofse Askese oder auch durch völliges
Durchdringen der Wissenschaft oder durch Opfern oder
Almosengeben können die Brahmanen zu Berühmtheit ge-
langen.
10. (8584.) Solange einem in dieser Welt rühmliches Lob
zuteil wird, solange erlangt der Mensch die unendlichen
Welten der Vollbringer heiliger Werke (Gen. mit C).
1 1. (8585.) Er möge den Veda lehren und lernen, er möge
opfern lassen oder opfern, er möge nie Gaben empfangen
oder spenden, wo es nicht berechtigt ist.
12. (8586.) Mag es herrühren von einem Opferherrn oder
Schüler oder Mädchen, es gelte ihm als grofse Gabe; und
344
III. Moksliadlmrnia
wenn er etwas erhält oder opfert oder spendet, auf keinen
Fall soll er als einziger geniefsen.
13. (8587.) Für ihn, solange er ein Hausvater ist, gibt es
kein anderes Sühnemittel , welches dem gleichkäme, wenn
um der Götter, Väter, Rishi's oder Lehrer willen die Alten,
Kranken und Hungrigen von ihm ein Almosen erhalten.
14. (85*8.) Wenn welche sind, die von geheimen Feinden
bedrängt werden und ihr Dasein nach Kräften zu erhalten
suchen, so soll man solchen auch über seine Kraft hinaus
spenden von dem, was man aus seinen Mitteln zubereitet hat
15. (8589.) Es gibt gar nichts, was nicht an Würdige und
Achtbare zu geben wäre, denn sogar das Rofs Uccailicravasa
kann, wie man weifs, von Edlen erlangt werden.
1*5. (sr»i»o.) Einem Wunsche nachgebend hat der gelübde-
treue Satyasandha mit seinem Leben das Leben der Brah-
manen gerettet und ist zum Himmel eingegangen.
17. (8591.) Und auch Rantideva, der Sohn des Sänkriti,
nachdem er dem hochherzigen Vasishtha kaltes und warmes
Wasser gespendet hat, geniefst dafür die Herrlichkeit auf
dem Rücken des Himmels.
18. (8592.) Und auch Indradamana, der Nachkomme des
Atri, der weise Fürst, nachdem er einem Würdigen mannig-
faches Gut gespendet hatte, ging dafür in die ewigen Wel-
ten ein.
VJ. (8593.) Und Tibi, der Sohn des Ucinara, nachdem er
seine Glieder und seinen eigenen lieben Sohn [Brihadgarbha]
dem Brahmanen zuliebe hingegeben hatte, ist infolgedessen
zum Rücken des Himmels aufgestiegen.
20. (8591.) Und Pratardana, der König von Käci, der seine
eigenen Augen einem Brahmanen hingegeben hatte, erlangte
dafür unvergleichlichen Ruhm hier und im Jenseits.
21. (8595.) Nachdem Devävridha seinen göttlichen, acht-
stangigen, goldenen, höchst gedeihlichen Sonnenschirm ab-
gegeben hatte, fuhr er mitsamt seinem Königreiche zum
Himmel.
22. (859G.) Und Sänkriti, aus dem Geschlechte des Atri,
der Hochgewaltige, welcher seinen Schülern das attributlose
Brahman lehrte, ging ein in die unübertrefflichen Welten.
Adhyäya 234 (B. 235).
345
23. ($51*7.) Der glanzreiche Ambarisha schenkte den Brah-
manen elfhundert Millionen Kühe und fuhr mitsamt seinem
Königreiche zum Himmel.
24. (8ö!w.) Um eines Brahmanen willen verzichtete Savitri
auf die himmlischen Ohrringe und Janamejaya auf seinen
Leib und beide gingen dafür ein zu der höchsten Stätte.
25. (359U.) Vrishädarbhi Yuvanäcva hat alle seine Schätze,
seine lieben Frauen und seine herrliche Wohnung hingegeben
und ist dafür zur Himmelswelt gelangt.
28. (Hßoo.) Nimi, König von Videha, gab den Brahmanen
sein Reich, der Sohn des Jamadagni die Erde, Gaya die weite
Welt mit ihren Städten.
27. (8601.) Und als Parjanya nicht regnete, belebte als
Wesenschöpfer Vasishtha alle Wesen, wie Prajapati die Ge-
schöpfe.
28. (8602.) Und auch der Sohn des Karandhama, der wohl-
bereitete Maruta, gab seine Tochter dem Angiras und ge-
langte alsbald in den Himmel.
29. (8603.) Und Brahmadatta, der König der Paftcala's,
der Beste unter den W r eisen, gab seinen Schatz, die Muschel,
den Obersten der Zwiegoborenen und erlangte dafür die
Himmelswelten.
30. (8604.) Auch der König Mitrasaha gab dem hoch-
herzigen Vasishtha seine geliebte Madayanti und kam dafür
mit ihr in den Himmel.
31. (8605.) Der hochberühmte Königsweise Sahasrajit gab
um eines Brahmanen willen das liebe Leben hin und gelangte
in die unübertrefflichen Welten.
32. (8fto6.) Und der Fürst (,'atadyumna, nachdem er sein
mit allem Wünschenswerten erfülltes goldenes Haus dem
Mudgala gegeben hatte, ging in den Himmel ein.
33. (86u7.) Und der mit Namen Dyutiman genannte herr-
liche König der O'ilva's übergab sein Reich dem Ricika und
ging ein zu den höchsten Welten.
34. (86os.) Auch der mächtige Königsweise Somapäda gab
seine Tochter ( anta dem Rishvacringa und wurde dafür reic h-
lieh mit allerlei Wünschenswertem beschenkt.
Digitized by Google
346
III. Mokshadharma.
35. (8609.) Auch der Königsweise Madiräcva gab seine
schlanke Tochter dem Hiranyahasta und gelangte in die von
Göttern gepriesenen Welten.
36. (86io.) Und Prasenajit, der mächtige König, welcher
hunderttausend Kühe mitsamt ihren Kälbern verschenkt hatte,
gelangte in die höchsten Welten.
37. (seil.) Diese und viele andere Hochherzige sind durch
Gaben und Askese zum Himmel gelangt, belehrten Geistes
und mit bezähmten Sinnen.
38. (8612.) Ihr Ruhm steht fest, solange die Erde stehen
wird; sie alle erlangten durch Gaben, Opfer und Erzeugung
von Nachkommen den Himmel.
So lautet im Mokshadhanna die Krage de» (,'aka
(t^uia - anupi afta).
AdhyAya 23o <B. 236).
Vers 8613-8644 (B. 1-32).
Vyisa sprach:
1. (8613.) Die dreifache Wissenschaft, wie sie in den Veden
ausgesprochen ist, soll man sodann gliedweise betrachten
nach Worten und Silben der Kikverse und der Sämanlieder
und ebenso beim Yajur- und Atharvaveda.
2. (86U.) In ihnen lebt der Erhabene, beharrend in den
sechs Werken [des Lernens, Lehrens, Opferns, Opfernlassens,
Gebens und Nehmens]. Denn diejenigen, welche mit den
Vedaworten bekannt und mit der höchsten Seele bekannt sind,
3. (8 .15.) überschauen als Realitäthafte und Hochbeglückte
das Entstehen und Vergehen. So möge er im Gesetze leben
und das Opfer als ein Unterrichteter betreiben.
4. (8616.) Ohne die Wesen zu bedrängen, soll der Zwie-
geborene seine Aufgabe zu erfüllen suchen, von den Guten
das Wissen überkommen habend, belehrt, der Satzung kundig.
5. (S617.) Seiner Pflicht gemäfs steht in der Werkwelt, in
Opferwerken und Wahrheit wurzelnd und lebend, der Zwiege-
borene als Hausvater fest in den sechs W'erken (vgl. Vers 8614).
Digitized by Google
Adhyäya 235 (B. 236).
347
H. (8«i8.) Die fünf Opfer [an Götter, Rishi's, Väter, Men-
schen und Tiere] möge er immerfort darbringen als ein Gläu-
biger, Beharrlicher, Besonnener, Bezähmter, Pflichtkundiger,
Ätmanhafter.
7. (8619.) Frei von Freude, Übermut und Zorn wird der
Brahmane nicht lässig. Geben, Studieren, Opfer, Askese,
Schamhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Selbstbeherrschung,
8. (»<«öj das sind die Mittel, durch welche er seine Kraft
steigert und das Übel fernhält, er, der das Böse abgeschüttelt
hat, voll Weisheit, mäfsig sich nährend und bezähmter Sinne.
(8621.) Lust und Zorn bewältigt habend, möge er der
Stätte des Brahman nachspüren, möge die. Opferfeuer und
Krahmanen hochachten und die Gottheiten verehren.
10. (8G22.) Er halte fern von sich herrische Rede und
Tötung, sofern sie nicht vom Gesetze geboten ist. Dies wird
als die von den Alten eingehaltene Lebensweise des Brah-
manen vorgeschrieben.
1 1. (8623.) Indem er nach Wissen und Überlieferung die
Werke vollzieht, bringt er es in ihnen zur Vollkommenheit.
Den die fünf Sinne als Wasser habenden, furchtbaren, aus
der Begierde entspringenden, schwer zu durchschwimmenden,
12. (8624.) den Zorn als Schlamm führenden, unaufhalt-
samen Strom durchschreitet der Weise. Er schaue hin auf
die beständig lauernde, unendliches Wirrsal bringende Zeit.
UJ. «8625.) Durch die grofse, vom Schicksal ausersehene,
unwiderstehliche Gewalt, durch den Strom der Natur wird
die gewordene Welt unaufhörlich fortgerissen.
14. (8626.) Durch diesen Strom, dessen Wasser die Zeit
ist, den grofsen, dessen Strudel fort und fort die Jahre sind,
der die Monate als Wellen, die Jahreszeiten als Stromschnellen,
die Monatshälften als Buschwerk und Gräser hat,
15. (8627.) dessen Schaum die aufblitzenden Augenblicke,
dessen Wasser die Tage und Nächte sind, der furchtbar ist
durch das Krokodil der Lust, auf dem Veda und Opfer als
Schiffe dienen,
16. (8628.) auf dem das Gute die Rettungsinsel für die
Wesen bildet, dessen Wasser das Nützliche und Angenehme
sind, der die Wahrheit, das heilige Wort und die Erlösung
III. Mokshadharmu.
als Ufer hat, der die Schädigungen als Baumstämme mit
sich führt,
17. (8629.) in dessen Mitte die Weltalter die Fluten eines
Sees bilden, dessen Vergang und Entstehen aus Brahman
ist, — durch diesen Strom werden die von dem Schöpfer ge-
schaffenen Wesen fortgeführt in die Behausung des Yama»
18. (8630.) Diesen Strom überschreiten Besonnene, Weise
mit den aus Opfern bestehenden Schiffen, aber die, welche
dieses Schiff nicht haben, was werden diese Unverständigen
machen ?
19. (8631.) Was einen auch immer treffen mag, der Weise
hilft sich heraus, aber kein anderer, denn von ferne schon
überschaut der Weise allenthalben Tugend und Laster.
20. (8632.) Aber der Begierdehafte, Wankelmütige, Ein-
sich tarme, Un weise kommt nicht über den Zweifel hinaus;
denn wer stillsitzt, kommt nicht vorwärts.
21. (8633.) Aber der Schiff lose hält in seiner Verblendung
die grofse Sünde fest; wenn er von dem Krokodil der Lust
ergriffen ist, so ist ihm auch die Erkenntnis als Schiff
nichts nütze.
22. (8634.) Darum soll, wer weise ist, sich bemühen empor-
zutauchen: darin aber besteht sein Emportauchen, dafs er
ein Brähmana [prägnant wie Brih. Up. 4,4,23] wird.
23. (8635.) Darum soll, wer in einer geläuterten Familie
geboren ist, obgleich mit den drei [Guna's] zusammengeknetet,
durch Vollbringen der drei Werke [des Studiums, Opfers und
Gebens] in dem Auftauchen beharren, damit er durch Er-
kenntnis sich rette.
24. (8636.) Denn ihm, welcher geweiht, bezähmt, in sich
gefestigt, Herr seiner selbst und weise ist, wird als unmittel-
bare Folge Vollendung zuteil in dieser Welt und im Jenseits.
25. (8637.) In diesen Verhältnissen lebe der Hausvater ohne
Zorn und ohne Murren und bringe fort und fort die fünf
Opfer [vgl. Vers 86is] dar, indem er sich von den Opfer-
resten nährt.
26. (8638.) Er beharre in der Pflicht der Guten, betreibe
als ein Kundiger das Opferwerk und trachte, ohne die Mit-
menschen zu bedrängen, nach einem unbescholtenen Wandel.
Adhyaja 23ö (B. 236).
349
27. (8«3y.) Die Schrift, das Wissen und die Wahrheit
kennend, wandelnd nach der Lehre und kundig, tätig in Er-
füllung seiner Pflicht und auch in seinen Handlungen, die
Vermischung mit anderen Kasten meidend,
28. (8640.) werkeifrig, gläubig, bezähmt, weise, zufrieden
und den Unterschied von Gutem und Bösem kennend, so über-
windet er jede Schwierigkeit.
29. (8€4i.) Gläubig, beharrlich, besonnen, bezähmt, pflicht-
kundig, ätmanhaft, frei von Freude, Ubermut und Zorn wird
der ßrahmane nicht lässig [vgl. Vers 8«i8— «r.i»].
30. (8642.) Dieses wird als die althergebrachte Lebens-
führung des Brahmanen vorgeschrieben; wenn er mit dieser
Erkenntnis ausgerüstet die Werke vollbringt, kommt er aller-
wärts zum Gelingen.
31. (8643.) Der Unwissende, auch wenn er das Rechte liebt,
tut doch das Unrecht; er vollbringt das Rechte oder den
Schein des Rechten gleichsam mit Widerstreben.
32. (8644.) Er glaubt, das Rechte zu tun, und tut das
Unrechte; er strebt nach dem Unrechten und tut das
Rechte; den Unterschied beider Handlungsweisen nicht
verstehend, wird ein solcher Mensch geboren und stirbt
als ein Tor.
So lautet im Moktbadhanna die Krage dvn «.'uka
(t,uka-an»pr(u;na).
Adhy&ya 236 (B. SKtt).
Vers 8645-8687 (B. 1-4 K
Vyasa sprach :
1. (86ift.) Wenn nun einer dazu gelangt, an diesem [Ge-
sagten] Gefallen zu finden, während er von dem Strome fort-
geführt wird, so wird er emportauchend und sinkend als
Weiser nicht des Schiffes ermangeln.
2. (8646.) In der Erkenntnis gefestigt, setzen die Weisen
auf SchifTen die Unweisen über den Strom, aber die Un-
weisen sind nicht imstande, andere oder sich selbst irgend-
wie überzusetzen.
III. Mokshadharma.
3. (8C47.) Die Sünde vernichtend, möge der von ihr Be-
freite durch den Yoga die zwölf [Leib, Manas und Sinne
(,'vet. Up. 2,8] anspannen, indem er über Ort, Werk, Leiden-
schaft, Zweck, unzulängliche Mittel und ihre Beseitigung Ge-
wifsheit besitzt.
4. (8648.) Durch Einschränkung des Auges und der Er-
nährung möge mitsamt Denken und Sehen die Rede und das
Manas durch die Buddhi niederhalten, wer die höchste Er-
kenntnis zu erlangen wünscht.
5. (86*9.) Durch die Erkenntnis möge sein Selbst bändi-
gen, wer die Beruhigung seines Selbstes zu erringen wünscht.
Wenn er zum blofsen Zuschauer aller jener Dinge geworden
ist, dann wird auch der sehr Hartherzige zum Purusha.
ti. (8660.) Mag der Brahmane nun alle Veden oder mag
er keinen Vers davon kennen, mag er ein pflichttreuer
Opferer oder ein Erzbösewicht sein,
7. (8G5i.) mag er nun ein ausgezeichneter Mann oder ein
von den Beschwerden ßlc^aj überwältigter sein, — wenn er
so verfährt, so überschreitet er den schwer zu überwindenden
Ozean von Alter und Tod.
8. (8r>5'.'.) Wenn er in dieser Weise durch diesen Yoga
sich so von Grund aus bereitet, dann gelangt er, wenn er
auch noch so erkenntnisdurstig ist, über das Wortbrahman
hinaus.
9. (8G53.) Der Gerechtigkeit als Wagensitz hat, Scham-
haftigkeit als Schutzbrett, Gelingen und Mifslingen als Deichsel,
Einhauch als Achse, Aushauch als Joch, Bewufstsein, Leben
und Seele als Bänder,
10. (8654.) der Geistigkeit als Standbrett hat, der schöne,
der Ergreifung eines guten Wandels als Radkranz, Sehen
und Fühlen als Beweger, Riechen und Hören als Zugtiere hat,
11. (865s>.) dem die Erkenntnis als Nabe, alle Lehrbücher
als Stachelstock, das Wissen als Wagenlenker, der Kshe-
trajna (Atman) als Wagenfahrer dient, der feste, der Glauben
und Bezähmung als Vorläufer,
12. (8656.) Entsagung als kleinen Nachläufer hat, der
sicheren Sitz Bietende, im Reinen Dahinfahrende, dessen
Bahn die Meditation ist, — das ist der von der Seele an-
1
Digitized by LaOOQle
Adbyäya 23G (B. 237).
geschirrte, göttliche Wagen, der in der Brahmanwelt er-
glänzt.
13. (8657.) Wer ohne Verzug den Wagen in dieser Weise
zu bespannen sucht und auf ihm zu dem Unvergänglichen
zu gelangen strebt , dessen schnellen Lauf will ich dir er-
klären.
14. (s«58.) Die Stimme unterdrückend, gelangt man zu den
sieben vollständigen Fixierungen [des Manas], und andere
ebenso grofse sind nach rückwärts [auf die Kreise von Sonne,
Mond, Polarstern usw. Nil.] und nach seitwärts [auf Nasen-
spitze, Brauen, Kehlgrube usw. NU.] gerichtet; dies sind die
Fesselungen [des Manas].
15. (8669.) Dadurch geschieht es, dafs man stufenweist 1
zur Herrschaft über die Erde und die Luft — ebenso steht
es mit Äther und Wasser — zur Herrschaft über das Feuer
und ebenso über Ahankära und Buddhi, (8660.) und stufen-
weise auch zur Herrschaft über das Avyaktam gelangt.
Für den, welcher unter ihnen, die mit dem Yoga
solcher Art beschäftigt sind, diese Tüchtigkeiten besitzt, (seci.)
welcher so den Yoga übt, ihm hingegeben und die Voll-
kommenheit in sich selbst schauend,
17. für ihn, den als ein Erlöster (Nom. mrmucyamätiah!)
vermöge seiner Feinheit jene Gestalten Schauenden, (sr,»;-j.) für
ihn ist, gleichwie ein feiner winterlicher Nebel den Himmel
überzieht,
18. so, wenn er von seinem Leibe erlöst ist, seine frühere
Gestalt. (8«63.) Wenn dann der Nebel sich senkt, so folgt
das Sehen einer zweiten Erscheinung,
19. nämlich wie man so etwas wie Wasser im Äther
bemerkt, so sieht er etwas derartiges in seinem eigenen
Innern. (8664.) Und nachdem er über das Wasser hinaus-
gelangt ist, erscheint ihm eine Art Feuer.
20. Ist dies zur Ruhe gekommen, so erscheint ihm der
seine Waffen in sich tragende fpvta^astra? J Treiber (der
Wind). (8665.) Alsdann erscheint seine Gestalt wie eines, der
weifs wie Wolle ist.
21. Wenn er sodann den weifscn Pfad gegangen ist und
weiter zu dem feinen Windartigen, (8666.) dann wird ferner-
352
III. Moksliartliamia.
hin dem Brahmanen auch die nichtweifse Feinheit des Feuers
(vgl. Chänd. Up. 6,4,1) verheifsen.
22. Nachdem nun dieses alles erfolgt ist, so höre, welche
Früchte daraus entspringen. (86«;7.) Wenn er dazu geworden
ist, so wird ihm vermöge der Gottherrlichkeit über das Erd-
artige Schöpferkraft verliehen,
23. und wie der unwandelbare Prajäpati schafft er aus
seinem Leibe die Geschöpfe (8668.) nur mit seinen Fingern
und Daumen oder mit seinen Händen und Füfsen.
24. Die Erde vermag er ganz allein zu erschüttern, in-
dem er, wie die Schrift sagt, zur Qualität des Windes ge-
worden ist. (8669.) Wenn er zum Äther geworden ist, *o
erglänzt er in ihm, indem er seine Farbe annimmt, oder von
der Farbe [abstehend] macht er sich unsichtbar, oder auch
er trinkt die Behälter [Brunnen, Teiche, Seen] leer.
25. (8670.) Auch kann es geschehen, dafs seine Gestalt
nicht erst wie die von Feuern sichtbar wird und dann ver-
schwindet: Hat er erst den Ahankära überwunden, so sind
alle jene fünf [Elemente] seinem Willen Untertan.
26. (8671.) Dann gewinnt er, indem auch die Buddhi über-
wunden wurde, die Herrschaft über jene in ihm vorhandenen
sechs [die fünf seinen Körper bildenden Elemente und den
Ahankära], und es überkommt ihn der volle, fleckenlose Glanz.
27. (8672.) Und ebenso geht dann sein Entfaltetes in den
unentfalteten Ätman [die Prakriti] ein, aus welchem die Welt
ausströmt und durch welchen sie den Namen des Entfalteten
erlangt.
28. (8673.) Nunmehr vernimm von mir ausführlich die auf
das Unentfaltete bezügliche Wissenschaft, ferner lerne vor-
her von mir das, was nach der Säiikhyalehre das Entfaltete
ausmacht.
29. (8G74.) Die fünfundzwanzig Prinzipien, welche gleich-
mäfsig in beiden, dem Yoga und dem Sänkhyam, gelten,
und ebenso den Unterschied beider Lehren sollst du von
mir hören.
30. (8675.) Das Entfaltete (vyaktamj heifst dasjenige, wel-
ches entsteht, wächst, altert und stirbt, indem es mit [diesen]
vier Merkmalen behaftet ist.
i
Digitized by Google
Adhyäya 236 (B. 237).
353
31. (8676.) Hingegen dasjenige, welches ihm entgegen-
gesetzt ist, wird das Unentfaltete genannt. Ferner werden
zwei Atman's [Prakriti und Purusha] in den Veden und den
Lehrbüchern [nach Nil. : dem Vedänta] unterschieden.
32. (8677.) Aber das Ersterwähnte, welches die vier Merk-
male an sich trägt, bezeichnen sie als den Caturvarga [die
vier Klassen von Wesen: Götter, Menschen, Tiere, Pflanzen],
Das Entfaltete und das Unentfaltete [die Prakriti] wird auf-
gefafst als ein Ungeistiges, (8678.) und auch das [noch zur
Prakriti gehörige] Sattvam und der Kshetrajfia [Purusha]
werden als zwei verschiedene aufgezeigt.
33. Beide Ätman's hängen, wie die Veden lehren, den
Sinnendingen an, (8679.) aber die Zurückziehung von den
Sinnendingen sollst du als Merkzeichen der Sänkhya's [nach
NU. der Auprmishadas] wissen.
34. Dann wird man selbstlos, frei von Ichbewufstsein,
von Gegensätzen und von Zweifeln, (8680.) dann zürnt man
nicht und hafst nicht und spricht keine unwahren Worte.
35. Wird einer angeschrien oder geschlagen, so sinnt
er aus Liebe nicht auf Böses. (8681.) Rache durch Worte,
durch Taten oder in Gedanken legt er alle drei von sich ab.
36. Gleichmäfsig gegen alle Wesen, wendet er sich zu
Gott Brahmän hin, (8682.) er wünscht nichts und ist doch
nicht wunschlos, sich begnügend mit dem blofsen Unterhalte
seines Lebens.
37. Nicht begehrlich, unerschütterlich, sich bezähmend
ist er, ungekünstelt und doch nicht ohne Kunst, (8683.) seine
Sinnlichkeit ist nicht auf vielerlei gerichtet, seine Wünsche
gehen nicht nach allen Seiten.
38. In allen W r esen sieht er dasselbe, freundlich ge-
sinnt, gleichgültig auf Erdschollen und Goldklumpen blickend,
(8684.) gleichmütig bei Angenehmem und Unangenehmem, gleich-
mütig gegen Tadel und Lob.
39. Begierdelos gegenüber allen Wünschen, fest in dem
Gelübde des Brahmanwandels, (8685.) kein Wesen schädigend,
so sich verhaltend wird der Anhänger des Sankhyam der
Erlösung teilhaftig.
40. Wie sie vom Yoga aus zur Erlösung gelangen und
Diu««», MahaMiAratain. 23
354 HI. Mokshadbarma.
durch welche Ursachen, das vernimm. (8686.) Wer, die Gott-
herrlichkeit als Yoga überschreitend, über sie hinausgelangt,
der wird erlöst.
41. Damit ist dir die aus dem richtigen Verhalten ent-
springende Erkenntnis erklärt worden, daran ist kein Zweifel.
(8687.) Auf diese Weise wird man von den Gegensätzen frei
und gelangt zu Gott Brahman. [Nur in C. :] Und hingegeben
in Werken und Gedanken, wendet man sich dem Gott Brah-
man zu.
So lautet im Mokihadhanna die Frage de« Qnka
( (,'uka - anupra<;na).
Adhyftya 237 (B. 238).
Vers 8688-8712 (B. 1-25).
Vya&a sprach:
1. (8688.) Wenn der W r eise das SCftiff der Erkenntnis be-
stiegen hat, nämlich die Ruhe der Seele, soll er, emporgehoben
und niedersinkend, seine Zuflucht in dem Wissen suchen.
i
£uka sprach:
2. (8689.) Aber was soll ich unter diesem Wissen ver-
stehen, durch welches man die Zweiheit überschreitet. Hat
diese Regel als Merkmal ein Tun oder ein Ablassen vom
Tun, das sage mir.
Vyäsa sprach:
3. (8690.) Wer aber aus seiner Natur heraus die Dinge
ansieht ohne das richtige Verhalten (bhäva), der ist unver-
ständig; hingegen durch die Erkenntnis bringt man alle zum
Gedeihen, welche nach der Erlösung [mukti mit C] streben.
4. (8691.) Diejenigen, welche trotz des völlig hingebenden
Verhaltens die Ursache in ihrer eigenen Natur zu finden
glauben, die gelangen, auch wenn sie Gras oder Halm von
der Umhüllung säubern [den Ätman wie einen Halm aus dem
Schilfe herausziehen nach Käth. Up. 6,17], doch zu nichts.
5. (8692.) Diejenigen, welche, diese Richtung einschlagend,
Digitized by Google
Adhyltya 237 (B. 238).
3o5
als Törichte wiederkehren, die können, weil sie in ihrer eigenen
Natur die Ursache suchen, nicht zum Heile gelangen.
6. (8693.) Die eigene Natur, welche in Verblendung, Werken
und Wünschen wurzelt, fuhrt zum Verderben, und dieses gilt
von beiden, von der eigenen und von der sie umgebenden Natur.
7. (8694.) Die irdischen Tätigkeiten des Pflügens usw. und
des Erntens der Feldfrucht sind von Weisen hervorgebracht,
sowie auch die Wagen, Sessel und Häuser.
8. (8695.) Von Spielplätzen, Häusern und Arzneimitteln
gegen Krankheiten sind Urheber die Weisen, unterstützt
durch Verständige.
[). (8696.) Die Erkenntnis beschenkt mit Gütern, die Er-
kenntnis erlangt auch das Heil; in gleicher Weise geniefsen
die Könige ihr Königtum vermöge der Erkenntnis.
10. (8697.) Das Höchste und Tiefste wird durch die Er-
kenntnis von den Wesen erlangt, durch das Wissen, o Freund,
wird es von den Geschöpfen erlangt, das Wissen ist das
höchste Ziel.
1 1 . (8698.) Die Entstehung aller der mannigfachen Wesen
ist als vierfach, nämlich als Lebendgeborenes, Eigeborenes
Sprofsgeborenes und Schweifsgeborenes, zu betrachten.
12. (8699.) Ferner mufs man daran festhalten, dafs die
beweglichen Wesen von den unbeweglichen verschieden sind,
denn es geziemt sich, dafs die Bewegung unterschieden werde
durch Unterscheidungskunst. [Besser: von der Nicht -Be-
wegung, aviceshtayä nach Böhtlingks Konjektur.]
13. (8700.) Die beweglichen Wesen bezeichnet man als
vielfufsig, aber es gibt vielmehr zwei Arten, denn es gibt
auch viele zweifufsige, welche von den vielfüfsigen verschie-
den sind.
14. (87ox.) Die Zweifüfsler sind von zweierlei Art, erd-
bewohnende und andere [Vögel]; die erdbewohnenden sind
[von letzteren] verschieden, denn sie nähren sich von Speise.
15. (8702.) Die erdbewohnenden sind wiederum zweifach,
nämlich mittlere und höhere; die mittleren unterscheiden sich,
sofern man Geburt und Eigenschaften in Betracht zieht.
16. (8703.) Die mittleren sind wieder zweifach, die Gesetzes-
kundigen und die übrigen; die Gesetzeskundigen unterscheiden
23 *
Digitized by Google
356
III. Mokahadharma.
sich [von den letzteren], sofern man auf das Tunsollen und
Nicht -Tunsollen achtet.
17. (8704.) Die Gesetzeskundigen sind wieder zweifach, die
Vedakundigen und die übrigen; die Vedakundigen unterschei-
den sich [von letzteren] , denn sie sind der Träger des Veda.
18. (8705.) Die Vedakundigen sind wieder zweifach, Leh-
rende und die übrigen ; die Lehrenden unterscheiden sich [von
letzteren], sofern man die ganze Pflicht [Lehren und Lernen]
in Betracht zieht.
19. (8706.) Denn diejenigen, von welchen die Veden mit
allen ihren Pflichten, Werken und Früchten erkannt werden,
von diesen, als den Lehrenden, strömen die ganzen Veden
mitsamt den Pflichten aus.
20. (8707.) Die Vedalehrer sind wieder zweifach, die Atman-
kenner und die übrigen; die Atmankenner unterscheiden sich
[von letzteren], sofern man das Dazu-geboren-sein und Xicht-
dazu-geboren-sein in Betracht zieht.
21. (8708.) Nur wer die Zweiheit der Satzungen [Wissen
und Werke] kennt, der ist ein Vedawisser, ein Vedakundiger,
der ist ein Entsager, von wahrhaftem Ratschlüsse, wahrhaft,
rein und Herr.
22. (8709.) Ihn, der in der Erkenntnis des Brahman ge-
wurzelt ist, erkennen die Götter als einen Brahmanen an,
ihn, der sowohl in dem Wortbrahman bewandert, als auch
in dem höhern Brahman zur Klarheit gelangt ist.
23. (87io.) Denn das Innere und das Äufsere mit allem,
was das Opfer und die Götter betrifft, sehen die mit dem
Wissen Begabten, und sie, o Freund, sind Götter, sind wahr-
haft Zwiegeborene.
24. (87ii.) In ihnen ist alles dieses Entstandene und die
ganze Welt der Lebenden beschlossen, ihnen kommt an Hoch-
herzigkeit des Charakters nichts anderes gleich.
25. (8712.) Sie sind hinausgelangt über Entstehen und
Vergehen und über die Werke allerwärts, sind über die vier
Arten von Wesen, über das Weltall Gottherren und Durch-
sich - selbst - seiende.
So lautet im Mokihadhanna die Frag« de§ (,'uka
( (,'uka • anuprafita).
Digitized by LaOOQle
Adhväya 238 (B. 239).
357
Adliy&ya 2tt8 (B. 239).
Vers 8713-8733 (B. 1-21».
Vyasa sprach:
1. (8713.) Dieses vorher erwähnte Verhalten wird als das
eines Brahmanen anbefohlen; nur der die Erkenntnis Besitzende
kommt, indem er die Werke vollbringt, überall zum Ziele.
2. (8714.) W enn es dabei sich nicht so verhält, so wird
der Erfolg des Werks zweifelhaft. Aber nun fragt sich, ob
dabei das eigentliche Wesen des Werks in der Erkenntnis
oder vielmehr in dem Werke besteht.
3. (8715.) Hierauf dürfte die Vedavorschrift antworten : die
Erkenntnis [ist das Wesentliche], wenn es sich um den Purusha
handelt; das will ich dir durch Argumentation und Perzeption
darlegen, das vernimm.
4. (8716.) Einige Menschen behaupten, dafs bei den Werken
die Menschen tat die Ursache sei, andere preisen als solche
das Schicksal und noch andere Leute die Natur.
o. (8717.) Die menschliche Tat, das Schicksal und das
zeitliche Hervorgehen von Natur aus, diese drei erscheinen
als gesondert, während einige behaupten, dafs unter ihnen
kein Unterschied sei [vgl. oben, Vers 8520—30].
H. (8718.) Es kann so sein und nicht so sein oder beides
nicht sein oder auch keines von beiden nicht sein, so sprechen
sich über den Gegenstand aus die werktätigen, in der Wahr-
heit stehenden Unparteiischen [vgl. oben, Vers 8&30-31].
7. (8713.) In den Zeitaltern der Tretä und des Dväpara
wie auch in dem Kali sind die Menschen mit Zweifel behaftet;
hingegen askesereich, beruhigt und in der Wahrheit stehend
sind sie im Zeitalter Kritam.
X. (8720.) In ihm sind alle von gleichen Anschauungen in
betreff des Rig-, Säma- und Yajurveda beseelt, und Liebe
und Hafs von sich fernhaltend, ergeben sie sich im Krita-
zeitalter dem Tapas.
9. (8721.) Und gebunden an die Satzung des Tapas, be-
harrend im Tapas und durch dasselbe geschärft, erlangt der
Mensch durch dasselbe alle Wünsche, die er im Herzen hegt.
Digitized by Google
358
III. Mokshadharma.
10. (8722.) Durch das Tapas erlangt er das, wozu geworden
er Weltschöpfer ist. Und nachdem er dazu geworden ist,
wird er dadurch zum Herrn über alle Wesen.
11. (8723.) Dieses in den Vedaworten von den Vedasehern
dunkel Ausgesprochene und in den Vedän talehren klar Dar-
gelegte tritt zutage durch die Hingebung an das Werk.
12. (8724.) Die Kshatriya's opfern durch tapferes Vor-
dringen, die Vaicya's durch Darbringung von Opferspeise,
die füdra's durch Dienen, die Z wiegeborenen [also hier gleich
Brahmanen] durch Murmelung der Gebete.
13. (8725.) Denn der Z wiegeborene ist in seiner Pflicht
völlig bestimmt durch das Vedastudium, mag er noch sonst
etwas treiben oder nicht treiben, der Brahmane gilt dabei
immer als freundlich gesinnt [vgl. Manu II, 87].
U. (8726.) Zu Anfang des Zeitalters Tretä sind Veden,
Opfer, Rasten und Lebensstadien noch vollständig vorhanden,
aber gleichzeitig mit der Verkürzung des Lebensalters ge-
raten sie ins Schwanken im Zeitalter Dväpara.
15. (8727.) Im Dväpara geraten die Veden in Verfall und
ebenso im Zeitalter Kali, und vollends zu Ende des Kalizeit-
alters kommen sie zum Vorschein und nicht zum Vorschein.
16. (8728.) Dann, von der Ungesetzlichkeit bedrängt, sinken
die jedem obliegenden Pflichten, und ebenso ist es mit den
Kräften der Kühe, der Erde, des Wassers und der Kräuter.
17. (8729.) Dann werden durch die Ungerechtigkeit Veden,
Vedapflichten und Lebensstadien erstickt, und die unbeweg-
lichen und beweglichen Wesen, die [bis dahin] ihrer Obliegen-
heit treu waren, werden umgewandelt.
18. (8780.) Wie der Regen alle Wesen auf der Erde be-
netzt und ihre Glieder nach allen Seiten zum Wachstum
bringt, so der Veda in jedem Weltalter.
19. (8731.) Was als die anfanglose und endlose Mannig-
faltigkeit des Kala (der Zeit) vorausbestimmt ist, was die
Geschöpfe erzeugt und wieder verschlingt, das ist vordem
von mir mitgeteilt worden.
20. (8732.) Was nun dieses betrifft, nämlich Entstehen,
Bestehen, Untergehen und Regiertwerden der Wesen, so be-
wegen sie sich gemäfs ihrer eigenen Natur, obgleich sie
Digitized by LaOOQle
Adhyaya 238 (B. 239).
359
vielfach von den Gegensätzen [wie vom Regen] getroffen
werden.
21. (8733.) Schöpfung, Zeit, Bestand, Veden, Täter, Pflicht,
Werk und Frucht, das alles, wonach du mich befragt hast,
ist dir, o Freund, von mir mitgeteilt worden.
So lautet im Mokahadharraa die Frage de« (Juka
(^uka-anupraqna).
Adhyftya 239 (B. 240).
Vers 8734- 8767 (B. 1-34).
Bhishma sprach:
1. (8734.) Nachdem £uka diese Rede vernommen und die
Unterweisungen des hohen Rishi beifällig aufgenommen hatte,
ging er dazu über, die folgende, auf Erlösung, Pflicht und
Nutzen bezügliche Frage zu stellen.
^uka sprach:
2. (8736.) Wer weise, schriftgelehrt, opferfleifsig, verständig
und ohne Mifsgunst ist, wie kann ein solcher das ihm un-
bekannte und nicht verkündigte Brahman erlangen?
3. (8736.) Ob er es durch Askese, Brahmanwandel, völlige
Entsagung, Weisheit im Sänkhyam oder im Yoga [erlangt],
das sage mir auf meine Frage.
4. (8737.) Auch wie und durch welches Mittel die Kon-
zentration des Manas und der Sinnesorgane von den Menschen
erlangt wird, das sollst du mir erklären.
Vyasa sprach :
5. (8738.) Nicht ohne Wissen und Askese, nicht ohne
Zügelung der Sinne, nicht ohne völlige Entsagung kann
einer die Vollkommenheit erlangen.
6. (8739.) Alle die grofsen Elemente sind von dem durch
sich selbst Seienden einzeln zustande gebracht worden und
namentlich auch in die Schar der Lebewesen, in die Ver-
körperten eingegangen.
3<iO
III. Mokshadharma.
7. (8740.) Aus der Erde slamrat der Leib, aus dem Wasser
seine Flüssigkeit, aus dem Feuer die Augen, auf dem Winde
beruhen Aushauch und Einbauen, aus dem Weltraum besteht
der Raum in den Lebewesen.
8. (8741.) In dem Gange des Menschen findet Vishnu eine
Stätte des Geniefsens, in seiner Kraft Indra, in seinen Ein-
geweiden Agni [als Verdauungsfeuer], in den Ohren geniefsen
die Weltgegenden das Hören, in der Zunge weilt die Göttin
der Rede und Beredsamkeit (vak sarasvatij.
9. (8742.) Die Ohren, die Haut, die Augen, die Zunge und
die Nase als fünfte heifsen die Sinne der Anschauung und
sind Pforten, zum Zwecke der Ernährung dienend.
10. (8743.) Der Ton, die Berührung und die Gestalt, der
Geschmack und der Geruch als fünfter, diese sind die ein-
zelnen, den Sinnesorganen jedesmal entsprechenden Sinnes-
objekte.
1 1. (8744.) Das Manas schirrt die Sinne an wie der Wagen-
lenker die folgsamen Rosse und der im Herzen wohnende
Elementar -Ätman fbhutätmanj schirrt immerfort das Manas an.
12. (874fi.) Auch ist das Manas Herr über alle jene Sinnes-
organe beim Anziehen und Nachlassen der Zügel, und ebenso
der Elementar -Atman über das Manas.
13. (8746.) Die Sinnesorgane und die Sinnesobjekte, die
Naturbeschaffenheit (srabhavaj, der Geist feetanäj und das
Manas, Aushauch und Einhauch, sowie die individuelle Seele
(jivaj weilen immer in den Körpern der Verkörperten.
14. (8747.) Das Sattvam hat keinen Stützpunkt und die
Guna's sind ein blofses Wort, nicht aber Geist (cetanä), denn
das Tejas [die geistige Energie] läfst aus sich hervorgehen
das Sattvam, aber nimmermehr die Guna's. [Wie es scheint,
werden hier die Guna's geleugnet und das Sattvam für ein
blofses Produkt des Tejas erklärt.]
- 15. (8748.) In dieser Weise ist der Siebzehnte [der Atman]
umhüllt von den sechzehn Qualitäten [den vorerwähnten: fünf
Sinnesorganen, fünf Sinnesobjekten, der NaturbeschafTenheit,
dem Geiste, dem Manas, dem Aushauch und Einhauch und
der individuellen Seele, Vers 874c], der verständige Weise er-
schaut diesen Ätman in sich selbst.
Digitized by LaOOQle
AdhyAva 239 |B. 240).
361
16. r«74i») Dieser Atraan ist nicht durch das Auge zu
schauen, noch auch durch alle übrigen Sinnesorgane; nur
durch das Mauas als Leuchte wird der grofse Atman sichtbar.
17. (8750.) Jenes ist ohne Ton, Berührung und Gestalt,
ohne Geschmack und Geruch, unvergänglich. Man schaue
es in den Körpern, das Körperlose, Organlose.
18. (8751.) Unoffenbar hat dieses Höchste in allen sterb-
lichen Körpern Wohnsitz genommen ; wer es schaut, der wird
nach dem Tode geeignet zur Brahmanwerdung.
19. (8752.) In dem mit Wissen und edler Geburt begabten
Brahmanen, in der Kuh, in dem Elefanten, in dem Hunde
und sogar in dem Hundekocher, in allem erkennt der Weise
die gleiche Wesenheit.
20. (875».) Denn in allen Wesen, den beweglichen und
unbeweglichen, wohnt jener eine grofse Atman, durch welchen
dieses Weltall ausgespannt ist.
21. (8754.) Wenn der Elementar-Ätman sich selbst in allen
Wesen und alle W r esen in sicli selbst sieht, dann geht er in
das Brahman ein.
22. (8756.) Soweit die Seele (die Wesenheit) des Veda in
der Seele ist, soweit ist die Seele in der höchsten Seele; wer
sich dessen immerfort bewufst ist, der ist geeignet für die
Unsterblichkeit.
23. (8756.) Wer zum Selbste aller Wesen geworden und
daher gegen alle Wesen freundlich ist, dessen Pfad verbirgt
sich sogar den Göttern, wenn sie die Spur des Spurlosen
verfolgen.
24. (8757.J Wie die Spur der Vögel im Luftraum, der
Fische im Wasser nicht sichtbar ist, so ist es mit der Spur
derer, die das Wissen besitzen.
25. (8758.) Die Zeit macht durch sieh selbst in sich hie-
nieden alle Wesen mürbe, aber denjenigen, in welchem die
Zeit mürbe gemacht wird, den versteht hienieden niemand.
26. (875i>.) Dieses kann nicht oben, nicht querdurch, nicht
unten, nicht so, noch so, noch auch in der Mitte von irgend-
einem Dinge irgendwoher erfafst werden.
27. (8760.) Alle Welten sind in ihm enthalten, und aufser
ihnen ist nichts vorhanden. Wenn es unermüdlich in den
m. Mokthadharnia.
Dingen gegenwärtig ist, ist es wie eine Harfe, deren Saiten
gerührt werden.
28. (876i.) Nicht kann jemand, wenn er es noch so sehr
wünscht, bis zum Ende des l rprinzips vordringen ; so fein ist
es, dafs es nichts feineres gibt und auch nichts gröberes.
20. (8762). Nach allwärts ist es Hand, Füfse, nach all-
wärts Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hinhörend,
die Welt umfassend steht es da [= Cvet. Up. 3,16; vgl. oben,
S. 87].
30. (8763.) Dieses ist feiner als das Feine und gröfser als
das Grofse, innerlich in allen Wesen beständig weilend, wird
es nicht gesehen.
31. (8764.) Es ist das Unvergängliche und das Vergäng-
liche, das ist die Zwienatur des Atman; als vergänglich ist
es in allen Wesen, aber als das göttliche, unsterbliche ist es
unvergänglich.
32. (8765.) In die Stadt mit neun Toren eingegangen, ist
er als Wandervogel eingekerkert und doch gebietend als Herr
alles Seienden, des unbeweglichen und beweglichen.
33. (8766.) In den dem Wechsel des Schwindens und Ver-
gehens unterworfenen und durch Häufung [der Elemente]
wieder neuen Körpern erkennen den Ewigen als Wandervogel
diejenigen, welche das jenseitige Ufer schauen.
34. (8767.) Jenes als Wandervogel und als ewig bezeich-
nete Allerhöchste, Ewige, dieses Ewige als Wissender erlangt
habend, verläfst man Leben und Neugeburt.
So lautet im Moksbadbarma die Frage des (,,'aka
(i,'uka - anupi aiy tui).
Adhyftya 240 (B. 241).
Vers 87G8-SS03 (B. 1-.%).
Vyasa sprach:
1. (8768.) Auf deine Fragen, o guter Sohn, habe ich, so
wie es in Wahrheit sich verhält, mitgeteilt, was mit der
Sänkhyawissenschaft in Zusammenhang steht.
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 240 (B. 241).
363
2. (8769.) Jetzt aber will ich dir die ganze Yogapflicht
entwickeln, vernimm sie; nämlich die Konzentration von
Buddhi, Manas und den Sinnesorganen von allerwärts her.
3. (8770.) Dieses, o Freund, ist die unübertreffliche Er-
kenntnis des alldurchdringenden Atman; sie kann nur von
dem Beruhigten, Bezähmten, im innern Atman Bewanderten.
4. (8771.) des Atman Frohen, Verständigen, reine Werke
Übenden verstanden werden, sofern er die Hemmnisse des
Yoga ausrottet, deren die Weisen fünf kennen,
5. (8772.) nämlich Lust, Zorn, Begierde, Furcht und Schlaf
als fünftes. Den Zorn überwindet man durch Ruhe, die Lust
durch Fernhalten der Wünsche,
6. (8773.) den Schlaf soll der Weise durch Pflege des
Sattvam ausrotten, durch Festigkeit "soll er Geschlechtslust
und Efsgier überwachen und Hand und Fufs durch das Auge,
7. (8774.) Auge und Ohr durch das Manas, Manas und
Rede durch Tätigkeit. Durch Besonnenheit befreie er sich
von Furcht, von Hinterlist durch Verkehr mit Verständigen.
8. (8775.) In dieser Weise möge er fort und fort unermüd-
lich die Hemmnisse des Y r oga überwinden, möge die Opfer-
feuer und die Brahmanen hochachten und die Götter ehren.
9. (8776.) Er meide herrische, beleidigende, das Herz ver-
letzende Rede. Aus Brahmankraft besteht das Reine, dessen
Geschmack dieses Weltall an sich hat;
10. (8777.) aus diesem Wesen entsprungen zeigt sich das
Unbewegliche und Bewegliche. Meditation, Studium, Schen-
ken, Wahrhaftigkeit, Schamhaftigkeit, Geradheit, Geduld,
11. (8778.) Reinheit, Lauterkeit des Wandels und Zügelung
der Sinne, das sind die Mittel, durch welche er die Brahman-
kraft fördert und das Böse von sich fernhält.
12. (8779.) Dann gelingen alle seine Zwecke und seine
Erkenntnis schreitet fort; er ist gleichmütig gegen alle Wesen,
sich zufrieden gebend, mag er etwas erreichen oder nicht.
13. (8780.) Das Böse abschüttelnd, energievoll, mäfsig sich
nährend, die Sinne bezähmend, Lust und Zorn überwindend,
möge er der Stätte des Brahman nachspüren.
III. Mokshadharma.
14. (8781.) Gesammelt und die Konzentration von Manas
und Sinnen bewirkend, soll er in der ersten Nachthälfte sowie
in der zweiten das Manas in sich selbst fesseln fdhärayetj.
15. (8782.) Wenn bei einem solchen Menschen von den
fünf [von der Aufsenwelt abgesperrten] Sinnen auch nur eines
einen Rifs bekommt, dann fliefst seine Erkenntnis weg, wie
Wasser aus dem untern Ende des Schlauches.
16. (8783.) Vor allem mufs er das Manas festhalten wie
der Fische Tötende einen bösen Fisch [der entschlüpfen will],
und so auch Ohr, Auge, Zunge und Geruch, er, der den Yoga
kennt.
17. (8784.» Sodann soll der Selbstbezwinger dieselben im
Manas einzwängen und zur Ruhe bringen und ebenso das
Manas von seiner Tätigkeit des Vorstellens und Wünschens
fernhalten und im Ätman fesseln.
18. (878B.) Zusammenzwängend die fünf Sinne, soll sie der
Selbstbezwinger im Manas zur Ruhe bringen, und wenn sie
zum Stillstand gekommen sind, soll er sie mit dem Manas
als sechstem in sich einschlief sen.
19. (K786.) Und wenn sie zusammengedrängt zum Still-
stand kommen, dann leuchtet das Brahman auf wie eine
glänzende, rauchlose Flamme, wie die glanzreiche Sonne.
20. (8787.) Wie das Blitzfeuer im Räume, so erscheint dann
der Ätman in seinem Selbste, dann ist er allseiend und ver-
möge der Durchdringung allgegenwärtig.
21. (8788.) Dann schauen ihn (den Atman) die hochherzigen
weisen Brahmanen, welche charakterfest und hoch verständig
sich am Wohlsein aller Wesen freuen.
22. (878U.) Wenn er in dieser Weise mit geschärftem Ge-
lübde die vorgeschriebene Zeit einhält, dasitzend allein in der
Einsamkeit, dann geht er ein in die Gleichhheit mit dem Un-
vergänglichen.
23. (87»o.) Dann treten auf Verblendung, ' Verwirrung,
Schwindel, Gerüche, Töne und Gesichte, Wundererscheinun-
gen, Geschmäcke und Gefühle, Kaltes und Warmes und Wind-
artigkeit [schneller Gang, Unsichtbarkeit und Luftwandeln
nach Nil.].
Adhyftya '240 (B. 241).
3<)5
24. (8791.) Obgleich ihn dann vermöge des Yoga Anfalle
von übernatürlicher Rückerinnerung und Besessenheit über-
kommen, so soll der Wahrheitwisser nicht auf sie achten, .
sondern nur in den Atman sich vertiefen.
25. (8792.) Der Muni erwerbe sich Vertrautheit mit dem
Yoga, indem er sich an die drei Zeiten [Morgenstunde, erste
und zweite Xachthälfte Nil.] hält; er bringe ihn in Gang auf
einem Berggipfel, an einer geweihten Stätte oder an der
Wurzel eines Baumes.
26. (8793.) Die Schar der Sinnesorgane in dem Verschlufs
[des Herzens] haltend und das Manas gleichsam einkapselnd,
soll er sein Denken immerfort auf einen Punkt konzentrieren
und das Manas nicht vom Yoga abirren lassen.
27. (8794.) Durch welches Mittel immer er das wankel-
mütige Manas zu fesseln vermag, das soll er hingegeben zur
Anwendung bringen und nicht davon abweichen.
28. (8795.) Leere Berghöhlen, Göttertempel oder leere
Häuser soll der sich Konzentrierende aufsuchen und bewohnen.
29. (8796.) Er nehme keinen andern in seine Arme, nicht
in Worten, Werken oder Gedanken ; gleichgültig, mäfsig sich
nährend möge er gleichmütig bleiben, ob er etwas erreicht
oder nicht.
30. (8797.) Mag einer ihn freundlich begrüfsen, oder ma«;
er ihn tadeln, er sei gleichgültig gegen beidos und frage
nichts nach Angenehmem und Unangenehmem.
31. (8798.) Er freue sich nicht beim Empfangen, und be-
kümmere sich nicht beim Nicht-Empfangen, gleichmütig gegen
alle Wesen, dem Winde vergleichbar [an Nicht-Anhänglich-
keit und Heimatlosigkeit Nil.].
32. (8799.) Wer als ein Tüchtiger in dieser Weise selb-
ständigen Wesens geworden ist, überall das Gleiche sieht
und sechs Monate hindurch beständig den Yoga übt, den
gibt das Wortbrahman frei.
33. (8800.) Obgleich er die Geschöpfe von Leiden gequält
sieht, so bleibt er, der mit demselben Gleichmut auf Erd-
klumpen, Steine und Gold hinblickt, auf diesem Wege zur
Beruhigung gelangend, beruhigt und gerät nicht in Ver-
wirrung.
I
366 HI. Mokshadharma.
34. (8801.) Mag es auch ein seiner Kaste Entfremdeter,
mag es auch ein pflichtstrebendes Weib sein, selbst solche
können auf diesem Wege zum höchsten Ziele gelangen.
35. (8802.) Das Ungeborene, Alte, Nicht-Alternde, Ewige,
welches man nur bei völliger Ruhe der Sinne wahr-
nehmen kann, und welches kleiner als das Kleinste,
gröfser als das Gröfste ist, dieses Freie erschaut der
Ätmanhafte durch seinen Atman.
36. (8803.) Wenn sie diese Rede des hochherzigen
grofsen Weisen, so wie sie gesprochen wurde, mit dem
Geiste betrachten und dabei diese Identität mit dem Aller-
höchsten überdenken, dann gehen die Weisen den über
die Wesen hinausfuhrenden Weg.
So lautet im Mokshadharma die Frage dp» (,'nka
((,'uka - amtprafna).
Adhyäya 241 (B. 242).
Vers 8804-8823 (B. 1-20).
£uka sprach :
1. (8804.) Wenn es doch im Veda befohlen wird, das Werk
zu vollbringen und auch von ihm abzustehen ; welches ist die
Region, zu der man durch das Wissen, welches die, zu der
man durch das Werk gelangt?
2. (8805.) Das wünsche ich zu hören, das mögest du,
o Herr, mir erklären, beides ist ja doch voneinander ver-
schieden, da es sich sogar widerspricht.
Bhishma sprach:
3. (8806.) So angesprochen antwortete seinem Sohne der
Sohn des Paräpara folgendermafsen : Ich will dir diese beiden
im Werke und im Wissen bestehenden, vergänglichen und
unvergänglichen Wege erklären.
4. (8807.) Die Region, zu der sie durch das W r issen ge-
langen, und die, zu welcher die Werke fuhren, vernimm mit
angespanntem Geiste, o Teurer, denn ihr Unterschied ist
schwer ergründlich.
Digitized by LaOOQle
Adhyäya 241 (B. 242).
3G7
5. (8808.) Wie wenn einer sagen wollte, es gibt eine
Satzung, und dabei zugleich, es gibt keine solche, einem der-
artigen Gegensatz ähnlich ist der von mir aufgestellte.
6. (8809.) Es gibt also diese beiden Wege, in welchen die
Veden gegründet sind : die eine Satzung hat die Tätigkeit als
Merkmal, die andere, in Nicht-Tätigkeit bestehend, wird eben-
falls mit Recht gelehrt.
7. (88io.) Durch das Werk wird der Mensch gebunden,
durch das Wissen hingegen wird er erlöst, darum tun kein
W r erk die Asketen, die das jenseitige Ufer schauen.
8. (88ii.) Vermöge des Werkes wird man nach dem Tode
geboren als ein Körperhafter, Sechzehnteilhafter, durch das
Wissen wird man geboren als das Ewige, UnofTenbare, Un-
sterbliche.
9. (8812.) Manche Menschen, die sich nur geringer Ein-
sicht erfreuen, rühmen das Werk, darum schätzen sie die
Fesseln des Leibes und schmeicheln ihnen.
10. (8813.) Diejenigen aber, welche, zur höchsten Erkennt-
nis gelangend, das Gesetz durch Erfahrung schauen, die
rühmen das Werk nicht, wie der aus dem Flusse Trinkende
nicht den Brunnen.
11. (88U.) Durch das Werk erlangt man als Frucht Lust
und Leid, Entstehen und Vergehen; durch das Wissen er-
langt man jenes, zu welchem gelangt einer keinen Kummer
mehr empfindet,
12. (8815.) wohin gelangt einer nicht mehr stirbt, wohin
gelangt er nicht mehr geboren wird, wo er nicht wieder-
geboren wird, von wo er nicht mehr zurückkehrt,
13. (8816.) wo jenes höchste, unofTenbare, unwandelbare,
beständige, unentfaltete, mühelose, unsterbliche, [von der
Seele] unabtrennbare Brahman sich befindet,
14. (8817.) wo sie nicht gequält werden durch die Gegen-
sätze oder durch geistige Mühsal, wo sie in allen Lagen gleich-
mütig, freundlich und am Wohlsein aller Wesen sich er-
freuend sind.
15. (8818.) Ein anderer ist der mit Wissen behaftete, ein
anderer der mit Werken behaftete Geist, so, wisse, ist es
Digitized by Google
III. Mokßhadharma.
noch derselbe Mond, der beim Neumond als schmale Sichel
am Himmel steht.
IG. (88iy.) Diese Wahrheit [die Identität der höchsten und
individuellen Seele], wie sie vom Rishi [nach Nil. Brih. Up.
1,5,14] verkündigt wurde, wird näher auch durch Folgerung
erkannt, wenn man den Mond sieht, wie er neu geboren
gleichsam als ein krummer Faden am Himmelsgewande
fambarej steht.
17. (8820.) Der in elffacher Umwandlung [vielleicht als
Manas und Indriya's] erscheinende, aus der Zusammensetzung
von Teilen gebildete Atman, welcher der Verkörperte heifst,
den, o Freund, wisse als den mit Werken und Guna's be-
hafteten.
18. (8821.) In diesem hat sich ein Gott niedergelassen,
wie ein Wassertropfen auf der Lotosblüte; den soll man be-
greifen als den Kshetrajfia, den ewigen, der durch den Yoga
errungen wird.
19. (88-22.) Tamas, Rajas und Sattvam wisse als die Guna-
Wesenheit des Jiva (der individuellen Seele), den Jiva be-
greife man als blofsen Guna (Qualität) des Selbstes, den
Ätman als das Höchste an dem Selbste.
20. (8823.) Es gilt als Eigenschaft des Jiva, mit Geistig-
keit verbunden zu sein, dadurch vermag er sich zu bewegen
und alles zu beleben; ein Höherer als er ist der, welchen die
Kenner des Kshetrajfia verkündigen, der alle sieben Welten
geschaffen hat.
So lautet im Mokibadbarma die Frage des «;uka
((,'uka-anupra^na).
Adhyaya 242 (B. 243).
Vers 8824 -8853 (B. 1-30).
Vuka sprach :
1. (8824.) Die mit dem Vergänglichen anhebende Schöpfung
und die guna-artigen Sinnesorgane, sowie die fernere Schöpfung
der sie beherrschenden Buddhi rührt nach der Schrift von der
Prakriti und dem Atman her. .
Adhyaya 242 B. 243).
2. (8825.) Weiter aber möchte ich die durch die Zeit be-
dingte Entwicklung des Seienden in dieser Welt, durch
welche die seienden Wesen sich fortentwickeln, näher ver-
folgen.
3. (8826.) In dem Veda aber wird ausgesprochen, dafs
man das Werk vollbringen und dafs man davon abstehen soll ;
wie soll ich das verstehen? Das mögest du mir erklären.
4. (8827.) Wenn ich die Wahrheit in betreff des Welt-
treibens erkenne, durch die Belehrung des Meisters geläutert
bin, Erkenntnis gewonnen und meinen Ätman befreit habe,
werde ich dann den unvergänglichen Atman schauen?
Vyasa sprach :
5. (8828.) Der Lebenswandel, wie er vordem von Gott
Brahmän selbst vorgeschrieben wurde, ist von den vormaligen,
vorzüglichen höchsten Weisen befolgt worden.
6. (8829.) Durch den Brahmanwandel erobern die höchsten
Weisen die Himmels weiten und weiter suchten sie in sich
selbst durch den Geist das Heil ihres Selbstes.
7. (8830.) Im Walde von Wurzeln und Früchten sich
nährend, einer sehr grofsen Askese sich hingebend, einen
heiligen Bezirk bewohnend, kein Wesen schädigend,
8. (8831.) in der Zurückgezogenheit eines Vänaprastha
ohne Herdfeuer und ohne Mörsergebrauch lebend und zur an-
gemessenen Zeit den Bettelgang antretend, wird man geeignet
zum Brahmansein.
9. (8832.) Ohne zu preisen und ohne zu verehren, Schönes
und Unschönes hinter dir lassend, wandle einsam im Walde,
dich nährend, wie es eben kommt. [Vgl. Brih. Up. 3,5 Schlufs.]
(,'uka sprach:
10. (8833.) Wie kann diese Vedalehre, da sie der Ansicht
der Menschen widerspricht, mag der Widerspruch begründet
oder nicht begründet sein, als Vorschrift gelten?
11. (8834.) Das wünsche ich zu hören, welches aber sind
die Beweisgründe für beide Ansichten? Und wie kann die
Erlösung vonstatten gehen, ohne von den Werken gehindert
zu werden?
Decmb», Mahabh&raUm. 24
370
III. Moksliiulhaiwa.
Bhishma sprach:
12. (8835.) So angeredet, sprach zu seinem Sohne der Sohn
der Gandhavati (= Satyavati) folgendermafsen, der Weise,
indem er diese Rede des überaus scharfsinnigen Sohnes ehrte.
Vyasa sprach:
13. (8836.) Der Brahmanschüler, der Hausvater, der Wald-
einsiedler und der Bettler gehen alle vier, sofern sie den
vorgeschriebenen Wandel einhalten, den höchsten Gang.
14. (8887.) Wenn auch nur einer allein diese Lebensstadien
vorschriftsmäfsig betreibt und frei von Liebe und Hafs ist, so
ist er zu dem Höchsten berufen.
15. (8838.) Denn diese viersprossige Stufenleiter ist im
Brahman gegründet, und wer diese Stufenleiter erklimmt, wird
in der Brahman weit herrlich geehrt.
16. (8839.) Den vierten Teil des Lebens soll einer ohne
Murren als Brahmanschüler beim Lehrer oder beim Sohne des
Lehrers wohnen, indem er über den Inhalt des Gesetzes sich
belehrt.
17. (8840.) Als letzter gehe er zu Bette, nachdem er als
erster im Hause des Lehrers aufgestanden ist, und was von
einem Schüler oder auch einem Diener zu tun ist, das tue er.
18. (8841.) Und wenn er das alles vollbracht hat, soll er
mit der Meldung: „Es ist getan" [bescheiden] zur Seite stehen;
er sei ein Diener für alle Verrichtungen und geschickt in
allen Tätigkeiten.
19. (8842.) In der von der Arbeit übrigbleibenden Zeit
[Chänd. Up. 8,15] soll er beim Lehrer eifrig strebend studieren,
er sei wacker und enthalte sich übler Nachrede; wird er ge-
rufen, so begebe er sich zum Lehrer.
20. (8843.) Rein, tüchtig und tugendhaft, möge er in der
Zwischenzeit [von Arbeit und Studium] nur Liebliches reden;
unverwandt richte er sein Auge auf den Lehrer und bezähme
seine Sinne.
21. (8844.) Er soll nicht essen, ehe der Lehrer gegessen
hat, noch auch trinken, ehe er getrunken hat, auch nicht
sitzen bleiben, wenn er nicht bleibt und nicht einschlafen,
bevor er schläft.
Digitized by LaOOQle
Adhy&ya 242 (B. 243).
371
22. (8845.) Die Handflächen nach oben gerichtet, soll er
seine [des Lehrers] Füfse sanft berühren , mit der rechten
Hand soll er dessen rechte, mit der Linken dessen linke
Hand drücken.
23. (8846.) Nachdem er den Lehrer begrüfst hat, mag er
zu ihm sagen: „Lehre mich, o Ehrwürdiger", „ich will jetzt
dies tun t o Ehrwürdiger* 4 , oder „ich habe dies getan".
24. (8847.) „0 Brahmane, ich werde tun, was mir der Ehr-
würdige noch weiter auftragen wird", in dieser Weise soll
er vorschriftsmäfsig für alles die Erlaubnis einholen und alles
melden.
25. (8848.) Das alles soll er tun und, wenn er es getan
hat, dem Lehrer darüber wieder Bericht erstatten. Aber
solche Wohlgerüche und Leckerbissen, die dem Brahmacarin
verboten sind,
26. (8849.) die mufs er bis zu seiner Heimkehr aufschieben,
so ist es im Gesetz fest bestimmt. Alle Pflichten, wie sie
ausführlich für den Brahmacarin verkündigt sind,
27. (8850.) die soll er alle immer beobachten und dem
Lehrer nicht von der Seite gehen. In dieser Weise möge
er dem Lehrer, soweit es in seinen Kräften steht, seine Liebe
beweisen.
28. (8851.) Aus seinem Lebensstadium in die folgenden
übergehend, soll der Schüler in Tätigkeit verharren. Und
nachdem in vedischen Observanzen und Abstinenzen der vierte
Teil des Lebens hingegangen ist,
29. (8852.) soll er dem Lehrer die Dakshina (das Honorar)
darbringen und heimkehren, wie das Gesetz es vorschreibt.
30. Mit einer vorschriftsmäfsig gefreiten Gattin verbunden
und mit Fleifs die Opferfeuer pflegend, (ssris.) soll er dann
den zweiten Teil des Lebens hindurch ein pflichtgetreuer
Hausvater sein.
So lautet im Mokahadharma die Frage de« (,'uka
(\uka-anupra<;na).
24*
Digitized by Google
372
III. Mokshadharma.
Adhy&ya 243 (B. 244).
Vers 8854-8883 (B. 1-29).
Vy&sa sprach:
1. (88&4.) Den zweiten Teil seines Lebens hindurch soll
er als Hausvater in seinem Hause wohnen und mit einer vor-
schriftsmäfsig gefreiten Gattin verbunden, sich treulich der
Opferfeuer annehmen.
2. (8«55.) Für den Grihastha werden von den Weisen vier
Verhaltungsstufen überliefert : Auf der ersten bewahrt er sein
Korn in Kornkammern, auf der folgenden in einem Topfe,
3. (8866.) dann folgt der von der Hand in den Mund
Lebende und endlich der wie die Tauben [von Ährenlesen
Nil.] sich Nährende. Unter ihnen ist der jedesmal Folgende
der Höherstehende, da er durch Pflichterfüllung mehr und
mehr die Pflicht erobert [vgl. Manu IV, 7 — 8].
4. (8867.) Die sechs Werke [Opfern für sich und andere,
Lernen und Lehren, Geben und Empfangen Nil.] betreibt der
Eine, mit dreien [Opfern, Studieren, Geben Nil.] befafst sich
der Zweite, mit zweien [Geben und Studieren Nil.] der Dritte,
der Vierte beschränkt sich auf das Brahmasattvam. [Ver-
ehrung des heiligen Lautes Om Nil., anders über alle vier
die Kommentare zu Manu IV, 9.]
5. (8858.) Hierbei verkündet man als grofse Obliegenheiten
des Hausvaters, dafs er nicht nur um seiner selbst willen
Speise kochen und nicht ohne den Zweck [des Opfers] Tiere
töten läfst.
6. (8869.) Mag es sich um ein Lebendiges [Ziege usw.
Nil.] oder Nicht-Lebendiges [Feigenbaum usw. Nü.] handeln,
so soll er dessen Weihe [zum Zweck des Opferns] mittels
eines Opferspruches vollziehen; er soll niemals bei Tage
schlafen, noch auch zu Anfang und Ende der Nacht. [Vgl.
Manu IV, 55.]
7. (8860.) Nicht soll er in der Zwischenzeit [der Mahl-
zeiten] essen und nicht aufser der fruchtbaren Periode die
Gattin rufen ; nicht soll jemals in seinem Hause ein ßrahmane
ungespeist oder ungeehrt weilen.
Digitized by LaOOQle
Adhy&ya 243 (B. 244).
373
x. («sei.) So soll er seine Gäste ehren. Am Götter- und
Manenopfer sollen ihr Teil haben alle, die in der Wissen-
schaft und den Gelübden des Veda erfahren, schriftkundig,
den Veda völlig beherrschend,
9. (8862.) ihrer Pflicht lebend, bezähmt, opfertätig und
fleifsig in der Askese sind. Für diese alle ist, um sie zu
ehren, ein Anteil am Götter- und Manenopfer vorgeschrieben.
10. (8863.) Auch einem, der [als Scheinasket] mit un-
geschnittenen Nägeln einhergeht oder sich seiner Gesetzlich-
keit rühmt, der das Agnihotram vernachlässigt oder gegen
seinen Lehrer Falschheit übt,
1 1. (8864.) auch einem solchen ist, wie allen Wesen, ein
Anteil zu geben. So ist denn auch denen, welche nicht
kochen können, von dem Hausvater eine Spende zu reichen.
12. (8865.) Er soll immer die Reste essen, dann speist er
immer Amritam; denn der Opferrest ist Amritam, ein Ge-
nufs, der der Opferspeise selbst gleichkommt.
13. (8866.) Wer ifst, was seine Leute übrig lassen, den
nennt man einen Restverzehrer ; ein solcher Rest ist, was
seine Leute übrig lassen, der Opferrest aber ist Amritam.
14. (8867.) Er begnüge sich mit seiner Gattin, sei enthalt-
sam, neidlos und beherrsche seine Sinne. Mit Opferpriestern,
Hauspriestern und Lehrern, mit Oheimen, Gästen und Schutz-
befohlenen,
15. (8868.) mit Alten, Kindern und Kranken, mit Ärzten,
mit Bekannten, Angehörigen und Verwandten, mit Vater und
Mutter, mit Schwiegertöchtern, mit dem Bruder, dem Sohne,
der Gattin,
16. (8869.) mit der Tochter und mit dem Gesinde soll er
keinen Streit haben. Indem er sich vom Streit mit diesen
lossagt, sagt er sich von allem Bösen los.
17. (HS70.) Damit dafs er sich von ihnen besiegen läfst,
ersiegt er alle Welten, daran ist kein Zweifel, denn der Lehrer
ist Herr in der Brahmanwelt, der Vater Gebieter in der Pra-
jäpatiwelt,
18. (887i.) der Gast in der Indrawelt, die Opferpriester sind
es in der Götterwelt, die Schwiegertöchter in der Welt der
Apsaras, die Bekannten in der Welt der Vicve Deväfc,
374
III. Mokshadharma.
19. (887-2.) die Angehörigen und Verwandten in den Welt-
gegenden, Mutter und Oheim auf der Erde, die Alten, Kinder,
Kranken und Abgezehrten sind Herrscher im Atherraume;
20. (8873.) der älteste Bruder ist gleich dem Vater, die
Gattin und der Sohn sind gleich dem eigenen Leibe zu achten,
das Gesinde gleich dem eigenen Schatten und die Tochter
ist ein Gegenstand des höchsten Mitleides. [Vgl. Ait. Br. 7,13.]
21. (8874.) Darum, wenn er von diesen beleidigt wird, soll
es immer ohne Beschwerde tragen [Vers 88t>7— 8874 = Manu IV,
179—185] der die Pflicht des Hausvaters als Höchstes schätzende
Weise, welcher pflichteifrig und unermüdlich ist.
22. (8875.) Keiner aber, der die Pflicht hochhält, möge
aus materiellen Interessen die W erke betreiben. Es gibt drei
Verhaltungsstufen des Hausvaters [oben, Vers 8855, waren es
vier], sie fuhren zur höchsten Glückseligkeit.
23. (8876.) In dieser Weise lehrt man eine Stufenfolge,
denn eine solche gilt [auch im allgemeinen] von den vier
Lebensstadien; ihre Obliegenheiten sind [was den Grihastha
betrifft] die genannten für einen solchen, der eifrig bestrebt
ist, alle Pflichten zu erfüllen.
24. (8877.) Durch solche, die ihr Korn in einem Topfe
bewahren oder von Ährenlesen leben — es sind die wie
die Tauben sich Nährenden [oben, Vers ssse] — , das Reich,
in welchem solche Würdige wohnen, kommt zum Gedeihen.
25. (8878.) Zehn Vorfahren und zehn nachfolgende Ge-
schlechter reinigt, ja selbst fapij die Urväter, wer diese Ob-
liegenheiten des Hausvaters unentwegt betreibt.
26. (8879.) Wer das tut, der erreicht ein ähnliches Ziel,
wie es die W r elten des Vishnu sind, oder auch ihr Ziel wird
als das gleiche bezeichnet wie für die, welche ihre Sinne
überwunden haben.
27. (8880.) Für solche hochherzige Hausväter ist die Him-
melswelt bestimmt, ihnen wird die mit Palästen ausgestattete,
blumenreiche Himmelswelt vom Veda in Aussicht gestellt.
28. (8881.) Für die treubeständigen Hausväter ist die
Himmelswelt als Wohnung bestimmt, weil diese Stätte ihnen
von Gott Brahmän verheifsen wird. (8882.) Wer dieses [Lebens-
stadium] erlangt hat, wird in Brahmän's Welt verherrlicht.
Digitized by Google
Adhväya >>M (B. 244).
375
29. (8883.) Weiterhin kennt man als höchstes Lebens-
stadium ein drittes für solche, die ihren Leib nicht mehr
achten; vernimm dieses unvergleichliche Ziel «1er in den
Wald ziehenden und ihren Körper zum Schrumpfen bringen-
den Hausväter [das kurze i soll nach Xil. vedisch sein].
So lautet im Mokahadbarma die KTage des t.uka
(fuka - anuprafna).
Adhyftya 244 (B. 245).
Vers 8884-8914 (B. 1-31).
Bhishtna sprach:
1. (8884.) Das Verhalten des Hausvaters, wie es von den
Weisen verordnet wurde, ist dir mitgeteilt worden ; was nächst-
dem gesprochen wurde, das vernimm, o Yudhishthira.
2. (8885.) Nachdem nun der Hausvater nach und nach
auch jene höchste dritte Verhaltungsstufe [oben, Vers 88?:»]
von sich abgetan hat, [folgt das Lebensstadium] der des Ehe-
gelübdes Müden, im Lebensstadium der Waldeinsiedler Wei-
lenden,
3. (8886.) welche, vernimm es o Sohn zu deinem Heile,
die ganze Welt als ihre Einsiedelei betrachtend, nach vor-
heriger Überlegung an einem reinen Orte ihre? Wohnung
nehmen.
Vyäsa sprach :
4. (8887.) Wenn nun der Hausvater an sich Runzeln und
graue Haare bemerkt und die Kinder seiner Kinder sieht,
dann soll er in den Wald übersiedeln [= Manu Vf, 2].
5. (8888.) Den dritten Abschnitt seines Lebens soll er so-
dann in dem Lebensstadium des Waldeinsiedlers zubringen
und dabei ebendieselben Opferfeuer pflegen als ein Opferherr,
der schon dem Himmel angehört.
6. (8889.) Dafs er dabei sich bezwingt, seine Nahrung ein-
schränkt, nur die sechste Mahlzeit zu sich nimmt [alle drei
Tage nur einmal ifst], das ist sein Agnihotram, das sind
seine Kühe [als Opferlohn], das sind seine Opferhandlungen
insgesamt.
Digitized by Google
I
376 III. Mokshadharroa.
7. (8890.) Reis und Gerste, die nicht durch die Pflugschar
gewonnen sind, Körner von wildem Reis und Speisereste soll
er auch in dieser Lage als Opfergaben an den fünf Festen
[Agnihotra, Neu- und Vollmondsopfer, Viermonatsopfer, Tier-
opfer und Somaopfer Nil.] darbringen.
8. (8891.) Auch für das Lebensstadium des Waldeinsied-
lers werden folgende vier Verhaltungsstufen erwähnt: Einige
waschen täglich auf [reinigen die Gefafse von allen Resten],
andere sammeln Vorräte für einen Monat,
9. (8892.) andere für ein Jahr, andere für zwölf Jahre
[vgl. Manu VI , 18], sei es um die Gäste zu ehren, sei es um
den Faden des Opfers fortzuspinnen.
10. (8893.) In der Regenzeit geben sie sich dem Regen
preis, im Winter begeben sie sich ins Wasser, im Sommer
setzen sie sich den fünf Gluten [der Sonne und vier ange-
zündeten Feuern] aus, und zu jeder Zeit beschränken sie ihre
Ernährung [vgl. Manu VI, 23].
11. (8894.) Sie wälzen sich auf der Erde oder stehen auf
den Fufsspitzen, verharren im Stehen oder Sitzen und be-
netzen sich zu den drei Kelterungszeiten [vgl. Manu VI, 22].
12. (8895.) Manche benutzen ihre Zähne als Mörser, andere
zermalmen die Nahrung mit Steinen, einige trinken während
der hellen Monatshälfte Reismehlbrühe, die nur einmal auf-
gekocht ist.
13. (8896.) Andere trinken sie während der dunklen Mo-
natshälfte oder sie essen, was ihnen gerade vorkommt Bald
mit Wurzeln, bald mit Früchten, bald mit Blumen pflegen
sie, ihrem Gelübde treu,
14. (8897.) ihr Leben nach der Vorschrift zu fristen, indem
sie den Weg der Vaikhanasa's einschlagen. Diese und mancher-
lei andere Weihen bestehen für solche Weisen.
15. (8898.) Als vierte allgemeine Lebensregel gilt sodann
die in den Upanishad's gelehrte [des Sannyäsin], sie geht
hervor aus jenen des Vänaprastha und Grihastha als eine
verschiedene
16. (8899.) und wurde auch im gegenwärtigen Weltalter
von Weisen, welche die volle Wahrheit durchschauten, [geübt].
Agastya, die sieben Rishfs, Madhucchanda, Aghamarshana,
Digitized by LaOOQle
■
Adhyjkya 244 (B. 245).
377
17. (89oi.) Säökriti, Sudivätandi, Yathäväsa und Akrita-
crama [oder: Sudivätandi, der wohnte, wie es gerade kam,
und sich um nichts bekümmerte], Ahovirya, ferner Kävya,
Tandya und der weise Medhätithi,
18. (9991.) der mächtige Karnanirväka und der vielgeübte
<,ünyapala, — sie alle befolgten diese Lebensregel und gingen
dafür in den Himmel,
19. (»90«.) sie alle hatten, o Freund, die Lebensregel vor
Auj^en und so auch ganze umherschweifende Scharen von
Weisen, welche gewaltige Askese übten und das Gesetz klar
vor sich sahen.
20. (8903.) Und auch andere unzählige Brahmanen haben
sich in den Wald begeben, die Vaikhänasa's, die Välakhilya's,
die Saikata's und andere.
21. (89tn.) Diese alle, der Werke überdrüssig, in der Pflicht
beständig und mit bezähmten Sinnen, wandelten dahin, die
Lebensregel vor Augen habend, und begaben sich in den Wald.
22. (8905.) Und jetzt, obwohl sie keine Sterne sind, er-
glänzen sie unüberwindlich als leuchtende Scharen am Himmel.
Vom Greisenalter geplagt und von Krankheiten gequält,
23. (ft9oe.) soll einer in dem vierten noch übrigen Teile
des Lebens das Stadium des Waldeinsiedlers verlassen, in-
dem er als Opfer nur darbringt [lies: nirupya], was sich so-
gleich fertigstellen läfst, und als Opferlohn sein ganzes Ver-
mögen hingibt.
24. r«907.) Dem Atman opfernd, am Ätman sich freuend,
mit dem Atman spielend, auf den Atman vertrauend, soll er
die Opferfeuer in seinen Atman aufnehmen, sich von allem
Anhang losmachen
2f>. 1*908.) und stets nur sogleich fertigstellbare Opfer und
Spenden darbringen. Wenn seine Darbringung, über das ge-
wohnliche Opfer der Opfernden sich erhebend, in dem Atman
vonstatten geht,
26. (»909 ) dann mag er die drei Opferfeuer sämtlich in
Innern Atman verehren, um seinen Atman zu erlösen. Für
die I^ebenshauche soll er, mit einem Opferspruche anhebend,
fünf bis sechs [Bissen] ohne Murren verzehren.
27. f«9io.) Kopfhaare, Körperhaare und Nägel abschnei
uigmzea Dy Vjüü
378
III. Mokshadharma.
dend, soll sodann der im Walde wohnende Muni aus einem
Stadium in ein anderes heiliges Stadium, von den Werken
gereinigt, übergehen.
28. (89U.) Der Z wiegeborene , welcher so umherpilgert,
indem er allen Wesen Furchtlosigkeit gewährt, dem gehören
glanzreiche Welten und er erlangt nach dem Tode die Un-
endlichkeit.
29. (8912.) Als edler Charakter sich betätigend, von
Sünden befreit, wünscht er weder hier noch im Jenseits
Werke zu betreiben; frei von Zorn und Verblendung,
ohne Freundschaft und ohne Feindschaft, soll der ätman-
wissende Mensch dasitzen als ein Müfsiger.
30. (8913.) Wenn Pflichten des Selbstzwanges an ihn
herantreten, soll er nicht vor ihnen zurückschrecken,
sondern sich tapfer an die ihm gemäfsen Lehrbücher,
Leitfäden und [symbolisch umgedeuteten] Opfersprüche
halten; dann wird sein Weg nach Wunsch sich gestalten
und in ihm, der den Ätman kennt, die Pflicht für das
Höchste hält und die Sinne bezähmt hat, kein Zweifel
bestehen bleiben.
31. (89U.) Nun sollst du weiter von mir das durch
übermäfsige treffliche Tugenden beste, die drei anderen
übertreffende, höhere Aufgabe habende, höchste, als vier-
tes benannte, oberste Lebensstadium vernehmen, welches
als das Trefflichste, Unübertrefflichste gerühmt wird.
So Untet im Mok*hadbanna die FTage de« <,"uka
((.uka-anupra^na).
A dliy Aya 245 (B. 346).
Vers 8915-8950 (B. l-3«j.
Quka sprach:
1. (S9i5.) Wie der in dem Lebensstadium des Waldeinsied-
lers verweilende Ätman anzuschirren sei, wie ist das zu er-
fahren von einem, der mit aller Macht nach dem Höchsten
strebt?
Digitized by LaOOQle
Ailhyäya 245 (B. 216).
379
Vyäsa sprach:
2. (8916.) Nachdem einer durch die beiden vorherigen
Lebensstadien bereitet worden ist, — höre mit hingegebenem
Geiste, was er dann weiter zu tun hat, um das höchste Ziel
zu erreichen.
3. (8917.) Nachdem er in den drei gesellschaftlichen Stadien
sich alsbald von dem Sündenschmutze gereinigt hat, soll er
auf das höchste Ziel mit unvergleichlicher Pilgerschaft hin-
pilgern.
4. (8918.) Dieses mögest du in dieser Weise überdenken
und darin verharren. Vernimm also: Allein und ohne Ge-
fährten soll er weiterhin seiner Pflicht obliegen, um die Voll-
kommenheit zu erreichen.
5. (8919.) Wer als ein Sehender allein wandelt, der ver-
läfst nicht und wird nicht verlassen; ohne Feuer und ohne
Behausung, möge er das Dort' nur um der Nahrung willen
aufsuchen.
6. (8920.) Ohne Sorge für den morgenden Tag sei der
Muni, welcher der Realität ergeben ist, wenig essend, die
Nahrung beschränkend, nur einmal täglich Speise zu sich
nehmend.
7. (89-ii.) Die Almosenschale, die Baumwurzeln [als Aufent-
halt], das Lumpengewand, das l'nbegleitetsein und die Gleich-
gültigkeit gegen alle Wesen, an diesen erkennt man einen
Bhikshu (Bettler = Sannyäsin).
8. (8922.) Er, in welchem, gleichwie gescheuchte Elefanten
in einem Brunnenloch [aus dem sie nicht wieder heraus können],
die Reden einsinken und nicht wieder zu dem, der ihn an-
spricht, zurückkehren, ein solcher darf im Lebensstadium der
Erlösung weilen.
9. (8923.) Nichts Tadelnswertes soll er jemals sehen oder
hören von irgend jemandem, zumal nicht von Brahmanen,
und auch nie dergleichen sprechen.
10. (89*4.) Was einem Brahmanen heilsam ist, das allein
soll er allezeit reden; wird er getadelt, so verharre er im
Schweigen und betreibe die Heilung seiner Seele.
11. (8925.) Durch den allein der ganze W eltraum allezeit
ausgefüllt wird, und für den hinwiederum die von Menschen
;>80 III. Mokshadharma.
erfüllte Welt ein Leeres ist, den wissen die Götter als einen
Brahmanen.
12. (8926.) Wer sich bekleidet, womit es auch immer sei,
sich ernährt, wovon es auch immer sei, und schläft, wo es
auch immer sei, den wissen die Götter als einen Brahmanen.
13. (8927.) Der sich vor der Volksmenge wie vor einer
Schlange scheut, vor dem Wohlbehagen wie vor der Hölle
und vor den Weibern wie vor einem Kadaver, den wissen
die Götter als einen Brahmanen.
14. (8928.) Wer nicht zürnt, wenn er verachtet wird, nicht
sich freut, wenn er geehrt wird, und allen Wesen Furcht-
losigkeit gewährt, den wissen die Götter als einen Brahmanen.
15. (8929.) Er freue sich nicht auf den Tod, er freue sich
nicht auf das Leben, sondern warte auf seine Zeit, wie der
Diener auf den Befehl.
16. (8980.) Unbefleckt sei er in seinem Denken, unbefleckt
in seinem Reden und von allem Bösen rein; keine Feinde
hat er, vor wem sollte er sich fürchten!
17. (8931.) Er, der sich vor keinem Wesen furchtet und
vor dem sich kein Wesen fürchtet, ist von der Verblendung
erlöst und keine Angst kann ihn anwehen.
18. (8932.) Wie in dem Elefantenwege alle von anderen
angebahnten Wege verschwinden, nachdem der Elefant den
Weg gebahnt hat,
19. (8933.) so verschwindet alles andere Gute und Förder-
liche in der Ahinsä (Nicht -Schädigung). Der lebt ewig als
Unsterblicher, welcher nicht den Weg der Schädigung betritt
20. (8984.) Der Nicht- Schädigende, Gleichmütige, Wahr-
hafte, Feste, seine Sinne Beherrschende und • alle Wesen
Schützende erlangt das höchste Ziel.
21. (8935.) Wer in dieser Weise mit Erkenntnis gesättigt,
furchtlos und wunschlos ist, für den ist der Tod nicht ein
Zustand, der ihn überkommt, sondern er überkommt den Tod.
22. (8936.) Wer, von aller Anhänglichkeit frei, als Muni
dasteht [unwandelbar] wie der Weltraum, einen solchen Selbst-
losen, Einsamen, Beruhigten wissen die Götter als einen Brah-
manen.
23. (8987.) Wessen Leben der Pflicht, wessen Pflicht dem
Digitized by Google
AdhyAya 245 (B. 24t>).
381
Hari (Vishnu) und wessen Tage und Nächte der Heiligung
geweiht sind, den wissen die Götter als einen ßrahmanen.
24. (8938.) Ihn, der frei von Wünschen, frei von Streben,
frei von Verehrung und Preisung ist, der von allen Fesseln
erlöst ist, den wissen die Götter als einen Brahmanen.
25. (8939.) Alle Wesen freuen sich an der Lust und
alle schrecken heftig vor dem Schmerz zurück; wer es
müde geworden ist, ihnen Furcht einzuflößen, der wird,
des Glaubens voll , keine Werke mehr tun.
26. (8940.) Denn eine Gabe, durch welche die Furcht-
losigkeit der Wesen als Dakshinä (Opferlohn) gespendet
wird, übertrifft alle anderen irdischen Gaben. Wer erst
die schadenbringende Körperlichkeit aufgibt, der erlangt
Unendlichkeit und Ungefährdetsein von allen Kreaturen.
27. (8941.) Er opfert auch nicht mehr in seinen ge-
öffneten Mund die Opferspeise, wird zum Nabel der Welt,
zum tragenden Grund der lebenden Wesen und, wenn
Vaicvänara [das Leichenfeuer] ihn mit Haupt und Glie-
dern, mit Vollbrachtem und Nicht -Vollbrachtem verzehrt,
so verzehrt er mit ihm diese ganze Welt.
28. (8942.) Was in dem eine Spanne grofsen Herzen
wohnt, darin bringt der dem Atman Opfernde die Lebens-
hauche dar; sein Feueropfer, dargebracht in dem eigenen
Atman, ist damit in allen Welträumen mitsamt ihren
Gottheiten geopfert.
29. (8943.) Diejenigen, welche das Göttliche, Drei-Ele-
ment-hafte [vgl. Chänd. Up. 0,3,2], Dreifache, Schön-
geflügelte [den Jiva], sowie auch die oberste Wesenheit
der höchsten Seele erkennen, die werden in allen Welten
verherrlicht und Götter wie Sterbliche preisen ihr Wohl-
verhalten.
30. (8944.) Wer aber als das zu Wissende, sowohl die
Veden als auch ihre sämtlichen Vorschriften, sowie ferner
deren Erklärung und die Wesenheit der höchsten Seele,
wer dies alles schon während seiner Verkörperung er-
kennt, auf den sind sogar die Götter allezeit eifersüchtig.
31. (8946.) Ihn, der nicht an der Erde hängt und auch
im Himmel unausmefsbar ist, den goldenen, aus dem Ei
382
III. Moksbadbaruia.
geborenen, in dem Ei weilenden, den schöngeflügelten
Vogel im Lufträume, wer diesen, durch seine Strahlen
erleuchtet, schon bei Lebzeiten erkennt,
32. (8946.) ihn, der das wiederkehrende, nicht alternde,
umrollende, sechsmalige [Jahreszeiten], zwölfspeichige
[Monate], wohl gegliederte und zugleich in der Höhle des
Herzens verborgene Zeitrad ist, in dessen Rachen das
Universum hineinzieht,
33. (8947.) wer diesen als die Vollberuhigung und als
den Leib der Welt weifs, der erlangt schon hienieden
alle Welten. In ihm erquickt er zugleich alle Götter,
und sie, indem sie erquickt werden, laben seinen Mund.
34. (8948.) Aus Glanz bestehend, von jeher bestehend
und uranfänglich erlangt ein solcher Mensch die ewigen
furchtlosen Welten, und weil sich die Wesen niemals
vor ihm fürchten, darum furchtet auch er sich niemals
vor den Wesen.
35. (8949.) Er ist nicht zu schelten und schilt auch
nicht andere; ein solcher Brahmane schaut den höchsten
Atman ; befreit von Verblendung und fern von aller Sünde,
braucht er nicht hienieden und nicht im Jenseits nach
Speise zu gehen [weil er sich in allen Kreaturen weifs
und ernährt],
36. (8950.) Frei von Zorn und Verblendung, Erdklumpen
und Gold für gleich achtend, ohne Aufspeicherung [oder :
frei von den Hüllen Taitt. Up. 2], Freundschaft und Feind-
schaft hinter sich lassend, über Tadel und Lob erhaben,
nicht mehr liebend und hassend und dahinwandelnd wie
ein Müfsiger, — so lebt der Bhikshu.
So lautet in» Mokahadharma die Frage des (Juka
Digitized by Google
Adhvnya 24« (B. 247).
383
Adhyftya 246 (B. 241).
Vers 8951-8973 (B. l-23j.
Vyasa sprach:
1. (89&i.) Was nun aber die Umwandlungen der Prakriti
betrifft, so ist der Kshetrajna an ihre Spitze gestellt. Sie
erkennen ihn nicht, er aber erkennt sie.
2. («952.> Durch sie vollbringt er das Werk, nämlich
durch die Indriya's mit Mauas als sechstem, wie ein Wagen-
lenker durch wohlgebändigte, starke, vortreffliche Rosse.
3. (sn;>.;.) Höher als Sinne stehen Dinge, höher als Dinge
Mauas steht, höher als Manas steht Buddhi, höher als sie
das grofse Selbst [Käth. Up. 3,10].
4. (8954.) Höher als dies steht das Avyaktam, höher als
dies das Unsterbliche, höher als das Unsterbliche steht jiichts
mehr, es ist Endziel und höchster Gang [vgl. Käth. Up. 3,11].
;\ (9i*55.) So weilt es in allen Wesen als Ätman, unsicht-
bar, versteckt, dem schärfsten Denken nur sichtbar, dem
feinsten des, der Feines sieht [vgl. Kath. Up. 3,12].
6. (8;>56.) Einschmiegend in das innere Selbst voll Weis-
heit die Sinne mit Manas als sechstem und die Sinnesobjekte,
ohne sich um allerlei Sorgen zu kümmern [mit C. acintayan,
vgl. Vers 9012] ,
7. (8957.) und durch die Meditation Beruhigung und durch
Wissenschaft Beseitigung des Manas erreicht habend, er-
langt er sodann, keinen Höhern figvaraj über sich wissend
und beruhigten Geistes, die unsterbliche Stätte.
8. (8958.) Der [gewöhnliche] Sterbliche hingegen, mit
seinem Ätman allen Sinnen unterworfen und schwankend«»
Erinnerung habend, geht durch Verrat an seinem Selbste in
den Tod.
\). (8959.) Vielmehr möge man, alle Vorstellungen nieder-
schlagend, das Cittam (Manas) in dem Sattvam zur Ruhe
bringen, und nachdem man das Cittam im Sattvam zur Ruhe
gebracht hat, wird man [unerschütterlich wie] der Berg
Kälaßjara werden.
384
III. Mok^uulhuruia.
10. (8960.) Durch die Beruhigung seines Cittam läfst der
Asket Schönes und Unschönes hinter sich, und mit beruhig-
tem Selbste in seinem Selbst verharrend, gelangt er zu un-
endlicher Freude.
11. (8961.) Das Kennzeichen der Beruhigung aber ist so,
wie wenn man im Schlafe süfs schlummert, oder wie wenn
eine im Windstillen angezündete Flamme nicht flackert.
12. (8962.) Wenn er so früh und spät sein Selbst in das
Selbst versenkt, wird er, mäfsig sich nährend und reinen
Selbstes, das Selbst in seinem Selbste schauen.
13. (8963.) Als Geheimlehre aller Veden, frei von Legenden
und Traditionen, bildet dieser den Atman zum Bewufstsein
bringende Lehrkanon, mein Sohn, die wahre Unterweisung.
14. (8964.) Durch Ausquirlung des ganzen Reichtums der
Gesetzeslehren und Wahrheitslehren, sowie von zehntausend
Vedaversen ist dieses Amritam als Produkt gewonnen worden.
15. (8965.) Wie die Butter aus dem Rahm, wie das Feuer
aus dem Reibholze, so ist das Wissen der Weisen zum Besten
der Söhne gewonnen worden.
16. (8966.) Dieser Kanon, o Sohn, ist zu bezeichnen als
die Belehrung des Snätaka [des Schülers am Ende der Lehr-
zeit]. Man soll sie keinem mitteilen, welcher noch nicht
beruhigt, noch nicht bezähmt, noch nicht askesereich,
17. (8967.) noch nicht vedakundig, nicht ein anhänglicher
Schüler ist, keinem, der nicht frei von Mifsgunst, der nicht
geradsinnig ist, der der Unterweisung nicht folgt,
18. (8968.) keinem, der in den Lehrbüchern der Dialektik
beschlagen oder hinterlistig ist; vielmehr nur einem Rühm-
lichen, gut Beleumundeten, Beruhigten, Askesereichen,
19. (8969.) einem geliebten Sohne und anhänglichen Schüler
ist diese geheime Satzung zu überliefern, keinem andern, wer
es auch sei.
20. (8970.) Und wenn ein Mensch ihm diese mit Edel-
steinen gefüllte Erde anböte, so soll der der Wesenheit
Kundige denken: „Dies ist noch mehr wert als das alles!"
[vgl. Chand. Up. 3,11,4].
21. (8971.) Nunmehr aber will ich dir das noch Geheimnis-
vollere, auf das innere Selbst Bezügliche, Ubermenschliche,
Adhy&ya 246 (B. 217).
385
von den grofsen Weisen Geschaute und in den Vedan ta-
texten Besungene
22. (8972.) mitteilen, da du mich danach fragst.
23. (8973.) Wenn noch etwas weiteres deinen (Jeist
bewegt oder wenn dir irgendwo ein Zweifel geblieben
ist, so höre mich weiter; was soll ich dir, der du vor
mir stehst, o Sohn, noch mehr sagen?
So lautet im Mokahadharma die Kruge des ruka
({uia • anupra^na).
Adhyftya 247 (B. 248).
Vers 8974-81)1)8 (B. 1-25).
Tuka sprach :
1. (8974.1 Sage mir noch einmal ausführlich das auf das
innere Selbst Bezügliche; was ist das innere Selbst und wie
ist es, o Heiliger, Bester der Weisen?
Vyäsa sprach:
2. (8975.) Was, o Teurer, als das innere Selbst an einem
Menschen gepriesen wird, das will ich dir entwickeln, davon
vernimm diese Erklärung.
3. (S976.) Erde, Wasser, Feuer, Wind und Äther, diese
grofsen Elemente fmaJiäbhütämJ sind für die Wesen, was die
Wellen für den Ozean sind.
4. (8977.) Wie eine Schildkröte ihre Glieder ausstreckt
und wieder einzieht, so wandeln sich die grofsen Elemente
um in ihre jüngeren [Produkte].
5. (S978.) Somit ist alles dieses Unbewegliche und Be-
wegliche aus ihnen gebildet; bei seinem Entstehen wie bei
seinem Vergehen wird es erläutert an diesem [Bilde von der
Schildkröte].
G. (8979.) Fünf grofse Elemente also gibt es. und aus
ihnen stellte der Wesenschüpfer in allen Wesen, o Freund,
eine Mannigfaltigkeit her, je nachdem er diesen oder jenen
Zweck im Auge hatte.
D«t>«**, MahAbbiratam 25
386
III. Mnkshadharraa.
£uka sprach :
7. (8980.) Aber wie kann man erkennen, was er zu den
Körpern beigetragen hat; da sind Sinnesorgane und da sind
Eigenschaften, wie soll man die herauserkennen?
Vyäsa sprach:
8. (8981.) Das will ich dir der Reihe nach entwickeln,
wie es ist; vernimm du es mit ungeteilter Aufmerksamkeit,
wie es seiner Wesenheit nach sich verhält.
9. (8982.) Der Ton, das Gehör und die Hohlräume [im
Körper], diese drei entspringen aus dem Äther; der Lebens-
odem, die Bewegungen [der Glieder] und das Gefühl, das
sind die drei Eigenschaften des Windes.
10. (8983.) Die Sichtbarkeit, das Auge und die Verdauung,
in diese drei zerlegt sich das Feuer; der Geschmack, das
Schmecken und die Flüssigkeit, das sind die drei Eigen-
schaften des Wassers.
11. (8984.) Der Duft, das Riechen und die Körperlichkeit,
das sind die drei Eigenschaften der Erde; insoweit ist der
Mensch vermöge der Schar der Sinne als aus den fünf Ele-
menten bestehend erklärt.
12. (8985.) Aus dem Winde stammt die Berührung, aus
dem W asser der Geschmack, aus dem Feuer die Sichtbar-
keit; aus dem Äther entspringt der Ton, der Geruch gilt als
eine Eigenschaft der Erde.
13. (898«.) Manas, Buddhi und Svabhäva (Natur), diese
drei haben ihren eigentümlichen Ursprung; sie schlagen nicht
[wie jene fünf Elemente] zu Eigenschaften aus, da sie auf
Höheres als diese Eigenschaften gerichtet sind.
14. (8987.) Wie gleichsam eine Schildkröte ihre Glieder
herausstreckt und wieder einzieht, so schafft die Buddhi die
Schar der Sinnesorgane und zieht sie wieder in sich herein.
15. (8988.) Was man oberhalb der Fufssohlen und unter-
halb des Schädels wahrnimmt, in diesem ganzen Gemachte
herrscht die Buddhi als höchstes Prinzip.
IG. (8989.) Die Buddhi fuhrt die Eigenschaften an und
sie fuhrt auch die Sinnesorgane sämtlich mit dem Manas als
uigmzea Dy v^jC
Adhy&ya 247 (B. 248).
3S7
sechstem an (nentyate); gäbe es keine Buddhi, wie könnten
die Eigenschaften bestehen! [vgl. Vers 7082 und 10502].
17. (899o.) Der Sinne gibt es fünf im Menschen, das Marias
wird als sechstes gezählt, als siebentes gilt die Buddhi, als
achtes endlich der Kshetrajfia.
18. (8991.) Das Auge dient nur zum Sehen, das Manas
erhebt den Zweifel, die Buddhi entscheidet ihn, der Kshetrajfia
ist der Zuschauer fsäkshinj.
19. (8992.) Rajas, Tamas und Sattvam, diese drei haben
ihren eigentümlichen Ursprung, sie sind in allen Wesen die
gleichen, als die Guna's soll man sie ansehen.
20. (8993.) Alles nun, was man in sich selbst wahrnimmt
als mit der Lust fpritij verwandt, und was gleichsam beruhigt
und rein ist, das hat man als Sattvam anzusehen.
21. (8994.) Was aber mit Unlust (samtäpa) verwandt ist,
sei es körperlich oder geistig, und was das Regsame ist, das
soll man als das Rajas ansehen.
22. (8995.) Was aber der Verblendung verwandt und in
den Dingen undeutlich, unbegreiflich und unerkennbar ist,
das ist als das Tamas festzuhalten.
23. (8996.) Freude, Lust, Wonne, Herrschaft, Bewufstsein
der eigenen Selbständigkeit, mag es begründet sein oder
nicht, das bildet die Eigenschaften des Sattvam.
24. (8997.) Eigendünkel, falsche Rede, Begehrlichkeit, Ver-
blendung, Lässigkeit, das sind die Merkmale des Rajas, mögen
sie Grund haben oder nicht.
25. (8998.) Endlich : Verblendung, Unbesonnenheit, Schlaf,
Trägheit und Unverstand, wie sie auch immer einen an-
wandeln mögen, sind als Eigenschaften des Tamas anzusehen.
So lautet im Mokebadbarraa die Kruge dea ^uka
(\'nka-annpra<;na).
25*
388
III. Mokshadharma.
Adhyftya 248 (B. 248 bto ).
Vers 8999-9023 (B. 1-24).
Vyäsa sprach:
1. (89J»{*-.) Das Manas schafft aus sich die Existenz [der
Aufsendinge], die Buddhi stellt [ihre Beschaffenheit] fest, das
Uerz empfindet das Angenehme und Unangenehme; so ist
der Antrieb zu den Werken dreifach.
2. (öooo.) Höher als Sinne stehen Dinge, höher als Dinge
Manas steht, höher als Manas steht Buddhi, höher als sie
der Atman steht [vgl. Käth. Up. 3,10].
3. (9001.) Die Buddhi ist das Selbst des Menschen, die
Buddhi ist durch das Selbst in dem Selbste; wenn sie sich
zur Existenz entfaltet, so wird sie [zunächst] zum Manas.
4. (9002.) Weiter wird dann die Buddhi wegen der Einzel-
existenz der Sinnesorgane zerlegt: sofern sie hört, wird sie
zum Ohr, sofern sie fühlt, wird sie zum Gefühl,
5. (9003.) sofern sie sieht, wird sie zum Auge, sofern sie
schmeckt, wird sie zum Geschmackssinn, sofern sie riecht,
zum Geruchsinn, so zerlegt sich die Buddhi im einzelnen.
6. (9004.) Diese werden Sinnesorgane genannt, und über
ihnen thront der unsichtbare [Atman]. Die Buddhi, sofern
sie im Menschen wohnt, bewegt sich in drei Zuständen fbhdvaj.
7. (9005.) Manchmal empfindet sie Freude frritij, manch-
mal Schmerz und manchmal ist sie weder von Lust noch
von Leid berührt.
8. (900«;.) Sie, deren Wesen in diesen Zuständen besteht,
entwickelt sich zu den drei Zuständen, wie der wellenreiche
Herr der Flüsse, der Ozean, zu den grofsen Fluten.
9. (9007.) Wenn sie irgend etwas begehrt, dann wird sie
zum Manas, aber jene [die Sinnesorgane] sind als die be-
sonderen Sitze in der Buddhi zu betrachten, (aoos.) Die mit
Intelligenz ausgestatteten Sinnesorgane müssen vollständig
unterjocht werden,
10. alle nacheinander, je nachdem die Reihe an eines
kommt. (9009.) Soweit die Buddhi in der Existenz [der Sinne
und Aufsendinge] zur Zerlegung kommt, weilt sie im Manas.
Digitized by Google
Adhyftya 248 (B. 248^").
389
11. Alle Verhältnisse, die sich entwickeln, sind in jenen
drei [Zuständen, d. i. Guna's] beschlossen; (ooio.) sie setzen
sich zu den entsprechenden Aufsendingen fort, wie die Rad-
speichen zum Radkranze.
12. Um zu erleuchten, ist das Manas tätig mittels der
von der Buddhi regierten Sinne, (itou.) welche je nach ihrer
Verwendung ausschwärmen oder, wie es sich trifft, müfsig
bleiben.
13. Von solcher Natur ist dies alles, wer das weifs, geht
nicht irre, (yui.\) er klagt nicht und freut sich nicht, da er
stets frei von Selbstsucht ist.
14. Aber der Atman kann nicht gesehen werden von
den ihrer Begierde nachgehenden Sinnen, (9013.) mögen sie
schuldlos sich betätigen oder zur Übeltat neigen, wenn ihr
Wesen nicht gebändigt ist.
lf>. Wenn man aber ihre Zügel durch das Manas straff-
hält. (!»ow.) dann leuchtet in einem der Ätman auf wie eine
Gestalt, die von der Lampe erhellt wird.
Iii. Wie in allen Wesen, wenn das Dunkel verscheucht
ist. (!*ii5.) alles seine Beleuchtung empfängt, so ist dieses
aufzufassen.
17. Wie ein Wasservogel nicht benetzt wird, wenn er
im Wasser schwimmt, (jm>i6.) so wird der Yogin, dessen Atman
erlöst ist, nicht von den Sünden befleckt.
18. So wird einer, dem die Erkenntnis geworden ist
und der nicht mit Sünde sich in die Sinnendinge verliert,
<;hu7.) ohne an irgend etwas zu kleben, in keiner Weise befleckt.
19. Wer das früher begangene Werk abstreift und alle-
zeit seine Lust nur am Atman hat, (:»oi8.) wer, zum Selbste
aller Wesen geworden, nicht mehr an der Schar der Guna's
hängt,
20. dessen Atman vertieft sich nur in das Sattvam und
niemals mehr in die [übrigen] Guna's. (ww.) Die Guna's
kennen nicht den Atman, aber er kennt immerdar die Guna's.
21. Er ist der Allschauer der Guna's und ist ihr All-
schöpfer, je nachdem es kommt, (1*020.) darin liegt der Unter-
schied zwischen den beiden schwer Erkennbaren, dem Sattvam
und dem Kshetrajna.
Digitized by Google
390
III. Mokshadharma.
22. Der eine [Purusha] schafft die Guna's, der andere
[erlöste] schafft sie nicht. (9021.) Beide [Purusha und die
Guna's] sind ihrer Natur nach verschieden und doch immer-
dar miteinander verbunden.
23. So wie der Fisch vom Wasser verschieden ist und
doch beide verbunden sind, (»022.) oder wie die Fliege und
das Feigenblatt miteinander verbunden sind,
24. oder wie der Halm und das Schilfrohr verschieden
und doch vereinigt sind, (9023.) in ähnlicher Weise sind jene
beiden [Purusha und Guna's] verbunden und aufeinander sich
stützend.
80 lautet im Mokehadhanna die Frage des (,'uka
(\,uka-anupra<;na).
Adhyfiya 249 (B. 249).
Vers 9024-9037 (B. 1-14).
Vy&sa sprach:
1. (9024.) Das Sattvam schafft die Guna's, der Kshetrajßa
steht über ihnen, über allen sich umwandelnden Guna's als
müfsiger Herrscher (i^varaj.
2. (9026.) Alles dies ist an den Svabhäva [die Prakriti)
gebunden. Wenn er die Guna's aus sich hervorgehen läfst,
dann läfst er so, wie die Spinne den Faden, die Guna's aus
sich heraus.
3. (9026.) Sind diese abgeschüttelt [durch die Erkenntnis],
so sind sie damit nicht vernichtet, aber es wird keine Tätig-
keit derselben mehr wahrgenommen, so entscheiden einige
die Frage, während andere lehren, dafs sie zunichte werden.
4. (9027.) Beide Möglichkeiten halte man sich vor und
entscheide nach bestem Wissen; ist dies so vollbracht, so
bleibt der Mahän als Keim bestehen. [Nach C. : so geht der
Mahän in den Atman ein.]
5. (9028.) Denn der Atman ist ohne Entstehen und Ver-
gang, ihn soll der Mensch erkennen und danach leben, ohne
Zorn und ohne Freude, allezeit von Selbstsucht frei.
Digitized by Google
Adby&ya 249 (B. 249).
391
♦'». (9v«9.) Nachdem man in dieser Weise den von Sorgen
der Buddhi erfüllten, starken, vergänglichen Knoten des Her-
zens [gespalten hat, vgl. Mund. Up. 2,2,8] , möge man nach
Lösung aller Zweifel friedlich und ohne Kummer verharren.
7. <9u3o.) Wie Menschen sich abmühen, wenn sie unver-
merkt vom l'fer in einen geschwollenen Strom stürzend unter-
tauchen, so, wisse, ist diese Welt.
*. (9031.) Aber nicht so braucht sich der Wissende ab-
zumühen, sondern er wandelt, die Wahrheit erkennend, auf
festem Boden, wenn er in dieser Weise den Atman, wenn er
die lautere Erkenntnis seiner selbst erlangt.
9. (9038.) Dann erkennt der Mensch das Ganze, das Ent-
stehen und Vergehen der Kreaturen, überblickt ihre Mannig-
faltigkeit und gelangt zur höchsten Beruhigung.
\0. (9033.) Dieses ist die Bestimmung des Daseins, nament-
lich bei einem Brahmanen : den Atman zu erkennen und die
Beruhigung zu erlangen, damit ist das Höchste erreicht.
11. (9034) Wer dieses erkannt hat, der ist rein, kein
anderes Kennzeichen gibt es des Weisen; dieses erkennend
haben die Weisen ihr Ziel erreicht und sind erlöst.
12. (9035.) Grofse Angst besteht nicht mehr für den
Wissenden, die grofse Angst, welcher der Nicht-Wissende
vor dem Jenseits hat; ein höheres Ziel gibt es für keinen,
denn das des Wissenden ist ein ewiges.
13. (9036.) Der Mensch murrt über diese kranke Welt
und sie betrachtend jammert er, aber betrachte die Kun-
digen, die frei von Leid sind, sie, welche beides wissen,
das Krwirkbare und das Tnerwirkbare.
14. (W37.) Was er noch tut, geschieht ohne vorher-
gehende Absicht, und was er vordem getan hat, das stöfst
er von sich ab, und wenn er hienieden noch handelt, so
bereitet es ihm beides nicht mehr, weder Lust noch
l'nlust.
Mo l«at«t im Mok*b*Ubarma die Krag« «1«« <,uk«
Digitized by Google
392
III. Mokslijxlharnia.
Adhvfiva 250 (B. 250).
Vars 9038-9063 (B. 1-25).
ruka sprach:
1. (9038.) Diejenige Pflicht, höher als welche es keine
andere hienieden gibt, und welche sich vor allen anderen
Pflichten auszeichnet, die mögest du, o Herr, mir mitteilen.
Vyäsa sprach:
2. (9039.) Ich werde dir die alte Pflicht erklären, welche
von den Weisen festgesetzt wurde, und welche sich vor allen
anderen Pflichten auszeichnet; vernimm sie mit ungeteilter
Aufmerksamkeit.
3. (9040.) Wenn man die wankelmütigen Sinnesorgane,
welche nach allen Seiten auseinanderflattern möchten, durch
die Buddhi streng im Zaume hält wie ein Vater seine eigenen
Söhne,
4. (9o4i.) so ist eine solche Konzentration des Manas und
der Sinne die höchste Askese. Dies ist wichtiger als alle
anderen Pflichten, dieses wird die höchste Pflicht genannt
5. (9042.) Sie alle mit dem Manas als sechstem mit Weis-
heit in seine Gewalt bringend, möge er dasitzen, an dem
Atman sich gleichsam ersättigend und ohne sich um allerlei
Sorgen zu kümmern.
<>. (9043.) Wenn sie von ihren Weideplätzen heimgetrieben
und in ihrer Behausung festgehalten werden, dann wirst du
durch deinen Ätman den höchsten, ewigen Atman schauen.
7. (9044.) Den All -Atman, den grofsen Atman, gleichwie
eine rauchlose Flamme, ihn schauen dann die hochherzigen,
weisen Brahmanen.
8. (9045.) Wie ein grofser, weitverzweigter, mit Blumen
und Früchten beladener Baum von sich selbst nicht weife,
wo seine Blüten, wo seine Früchte sind,
9. (9046.) so weifs auch der Ätman nicht, wohin er geht
und woher er kommt. Denn in ihm ist ein anderer innerer
Atman, der [frei von individueller Erkenntnis] alles überschaut.
i
Digitized by Google
Adhyaya 250 (B. 250).
3<)3
10. (9047.) Dann schaut man mit der durch die Erkenntnis
entzündeten Fackel durch seinen Atman den Atman, und
wenn du den Atman durch deinen Atman erkannt hast, so
werde ätmanlos und allwissend,
11. (9018.) frei von allem Übel, wie eine von der Haut
befreite Schlange [vgl. Brih. Up. 4,4,7], die höchste Erkenntnis
schon hienieden erlangt habend, vom Übel erlöst und frei
von Krankheit.
12. (9049.) Den furchtbaren Flufs, welcher mit allen Strömen
die Welt überflutet, in dem die fünf Sinne als Krokodile
wohnen, dessen Ufer Manas und Sankalpa (Wunsch) sind,
13. (9050.) der mit dem Schilfgras der Begierde und Ver-
blendung überwuchert ist und Lust und Zorn als schleichende
Tiere birgt, dessen Furt die Wahrheit, dessen Wellenschlag
die Lüge und dessen Schlamm der Zorn ist, diesen mäch-
tigen Flufs,
14. (9or,i.) dessen Ursprung im UnofFenbarcn ist, den
reifsenden, schwer überschreitbaren von solchen, die un-
bereiteten Geistes sind, diesen von den I ngeheuern der Lust
erfüllten Strom sollst du durch die Erkenntnis überschreiten.
15. (9052.) Ihn, der in den Ozean des Sansara mündet,
dessen Quellen und unterirdische Höhlungen schwer zu er-
gründen sind, der mit deiner Geburt, o Freund, anhebt, dessen
vStrudel die Reden sind, dem nicht gut zu nahen ist,
16. (90W.) ihn, welchen nur die erkenntnisreichen, cha-
raktervollen Weisen zu überschreiten vermögen, wenn du
den, von allem befreit, festen Sinnes, des Atman kundig und
rein überschritten
17. (9054.) und die höchste Erkenntnis erreicht hast, dann
wirst du ein zu Brahman Gewordener sein. Dem ganzen
Sansara entflohen, beruhigten Geistes und unbefleckt,
18. (9055.) magst du dann wie von einem Berge aus die
irdischen Wesen überschauen, ohne Zorn und ohne Freude,
frei von Übelwollen gegen irgendwen.
19. (9056.) Dann wirst du Ursprung und Vergang aller
Wesen überschauen. Das ist die von den Weisen als erhaben
über alle Wesen erklärte <9057.) Pflicht, von den Wahrheit
schauenden Muni's, von den vorzüglichsten Erfüllen! der Pflicht.
Digitized by Google
I
394 HI. Mokshadharuia.
20. Diese Erkenntnis des alldurchdringenden Atman ist,
o Sohn, als Regel (9058.) anzubefehlen einem Hingegebenen»
Freundlichen und Folgsamen.
21. Dies ist das geheimnisvolle Wissen vom Atman, das
grofse, allergeheimnisvollste, (9059.) welches ich dir, o Freund,
vor deinem Atman als unmittelbarem Zeugen mitgeteilt habe.
22. Nicht weiblich, noch männlich, noch auch sächlich
ist dieses (9060.) schmerzlose und lustlose Brahman, welches
seinem Wesen nach das Vergangene, Zukünftige und Gegen-
wärtige ist.
23. Wer dieses erkannt hat, sei es Weib oder Mann,
braucht nicht wiedergeboren zu werden; (9061.) zur Erlangung
dieses Nicht-Geboren Werdens ist diese Pflicht verordnet.
24. Wie dies alles zu verstehen ist und wie es seinem
W r esen nach ist, (9062.) so ist es, o Sohn, von mir erklärt
worden, das Seiende und das Nicht-Seiende.
25. (9063.) Wenn einer, o guter Sohn, von einem lieben-
den, tugendhaften, selbstbeherrschenden Sohne gefragt
wird, so soll er freudigen Sinnes diesem Sohne dieses
von mir Gesagte wahrheitsgemäfs mitteilen.
So lautet im Mok»badhanna die Fra«e de« <;uka
(\uka-anuprafna).
Adhyftya 251 (B. 251).
Vers 90G4-9087 (B. 1-24).
Vyasa sprach:
1. (9064.) Man gebe den Gerüchen, den Gcschmäcken,
gebe der Lust keine Folge und nehme keine Schmuck-
sachen an von dem oder jenem ; man trachte auch nicht
nach Ehre, Ruf oder Ruhm; das ist das Verhalten eines
sehenden Brahmanen.
2. (90C5.) Man mag alle Veden studieren und keusch sein,
aber damit, dafs man den Rigveda, Yajurveda und Sämaveda
kennt, ist man noch kein wahrer Zwiegeborener.
Digitized by Google
Adhy&ya 251 (B. 251).
395
3. (9066.) Wer aber sich allen Wesen verwandt fühlt, all-
wissend und alle Veden kennend und frei von Verlangen ist,
der stirbt nie und von ihm kann man nicht sagen, dafs er
kein wahrer Zwiegeborener sei.
4. (9067.) Auch wenn einer mancherlei Opfer aufzuweisen
hat und heilige, mit Opfergaben verbundene Werke, so er-
langt er dadurch noch keineswegs die wahre Brahmanschat't .
weil er noch nicht in sich gesetzt ist.
5. (9068.) Aber wenn ebenderselbe nicht mehr fürchtet,
und wenn man sich vor ihm nicht mehr fürchtet, wenn er
nicht mehr wünscht und nicht mehr hafst, dann erlangt er
das Brahman.
6. (9069.) Wenn er gegen alle Wesen keine böse Ge-
sinnung betätigt in Werken, Gedanken oder Worten, dann
geht er in das Brahman ein.
7. (90<o.) Die Bindung durch die Lust ist die einzige,
keine andere Bindung gibt es auf der Welt; wer von der
Bindung durch die Lust frei wird, der ist zur Brahmanwerdung
tauglich.
8. (9071.) Von der Lust erlöst gleichwie der Mond von
Dunst und Wolken, wünscht er ohne Leidenschaft die Zeit
des Endes herbei und verharrt fest in seiner Beständigkeit.
9. (907-2.) Derjenige, in welchem alle Lüste verschwinden,
wie in dem vollen, unerschütterlich gegründeten Ozean
die Wasser verschwinden, der erlangt die Beruhigung,
nicht der nach Lüsten Lüsterne.
10. (9073.) Er wird von den Lüsten geliebt, aber er
liebt die Lüste nicht: ein solcher Mensch steigt von
der Lust zum Himmel auf.
1 1. (9074.) Des Veda geheimer Sinn fupmüshndj ist die
Wahrheit, der Wahrheit geheimer Sinn ist die Bezähmung,
der Bezähmung geheimer Sinn ist das Geben, des Gebens
geheimer Sinn ist die Askese.
12. (9075.) Der Askese geheimer Sinn ist die Entsagung,
der Entsagung geheimer Sinn ist das Glück, des Glückes ge-
heimer Sinn ist der Himmel, des Himmels geheimer Sinn ist
die Beruhigung.
Digitized by Google
III. Mokshodharnia.
13. (iH»7f>.) Die Benetzung des Kummers und Wunsches
ausglühend fsantäpamj mitsamt der Begierde, trachtest du
durch Zufriedenheit nach dem wahren Wesen, welches Be-
ruhigung mit sich Dringt und das Höchste ist.
14. («J077.) [Diese Zufriedenheit besitzend,] frei von Kummer
und Selbstsucht, beruhigt, gesetzten Geistes und ohne Eifer-
sucht, wer diese sechs Merkmale an sich trägt, der wird als
ein Vollendeter zurückkehren.
15. (s*078.) Diejenigen, welche bei ihrem Hinscheiden ver-
möge der [genannten] sechs, mit der Eigenschaft des Sattvara
ausgestatteten, geistigen [Tugenden] erkannt haben, dafs der
Atman [nur] hienieden mit den drei [Guna's] behaftet ist, die
verstehen jene Eigenschaft [die Beruhigung].
1(>. (»07».) Wer zu dem ungekünstelten, unbestechlichen,
ursprünglichen, ungeschminkten, edlen, innern Selbste ge-
langt ist, der erlangt unvergängliches Glück.
17. o»o8o.) Wenn man das Manas vom Umherschweifen
abhält und es von allen Seiten her zum Stillstand bringt, so"
erlangt man dadurch eine Befriedigung seiner selbst, welche
auf keine andere Weise zu erreichen ist.
18. (»o8i.) Durch ihn wird man satt, ohne zu essen, durch
ihn wird man satt, ohne reich zu sein, durch ihn gewinnt
man Stärke ohne Fettleibigkeit, wer ihn kennt, der kennt
den Veda.
19. (9082.) Denn der gelehrte Brahmane, welcher die ver-
borgenen Pforten seines Atman sorgsam verschliefst, der wird
ein am Atman sich Freuender genannt. [Vgl. Chänd. Up.
7,25,2.]
20. (»osa.) Ihn, welcher konzentriert in der höchsten
Wesenheit nach Vernichtung der Begierden dasteht, über-
kommt von allen Seiten her Glück, [anwachsend] wie die
Gestalt des Mondes.
21. (»o84.) Bei dem Weisen, welcher die Wesen ohne
Unterschied und die Guna's hinter sich läfst, wird durch
sein Glück das Leiden verscheucht wie durch die Sonne die
Finsternis.
22. (9085.) Ihm, der die Werke überwunden, der die über-
wundenen Guna's vernichtet hat, dem Brahmanen, der nicht
Digitized by Google
Adhyäya 251 (B. 251).
397
mehr mit den Sinnendingen verflochten ist, können Alter und
Tod nichts mehr anhaben.
23. (9086.) Wenn er dann nach allen Seiten frei, gleich-
mütig und fest dasteht, dann ist er, schon im Leibe weilend,
über die Sinnesorgane und Sinnendinge hinausgelangt.
24. (9(>87.) Für ihn, der nach Ergreifung der höchsten Ur-
sache aufgehört hat, ein Produkt zu sein, gibt es keine
Wiederkehr mehr, nachdem er zur höchsten Stätte gelangt ist.
So lautet im MokBbadharma die Frage des ruka
((,'uka - aHupra^na).
Adhyftya 252 (B. *>.V>).
Vers 9088-9100 (B. 1-12).
Yytaa sprach:
1. (9088.) Wer, nach der Erlösung forschend, sich mit den
Gegensätzen, mit dem Guten und Nützlichen beschäftigt, der
soll als Schüler von einem tüchtigen Lehrer zunächst unter-
richtet werden in folgender grofser Sache.
2. (9<>89.) Äther, W ind, Feuer, Wasser und als fünftes die
Erde nebst Entstehen und Vergehen und der Zeit sind in
allen fünf Elementen [vermöge des Paficikaranam vgl. Wdän-
tasara § 124] enthalten.
3. (9<>9o.) Der Äther ist im Innern des Körpers, der aus
ihm gebildete Sinn ist das Gehör; als seine Qualität erkennt
den Ton an, wer mit den Lehren der über den Körper han-
delnden Jahrbücher vertraut ist.
4. (9091.) Das Hinstreichen ist das Wesen des Windes,
aus ihm sind Aushauch und Einhauch gebildet, als seinen
Sinn wisse man das Gefühl und als auf ihm berulu-nd die
Berührung.
5. (9092.) Hitze, Kochung, Erhellung, Licht und Gesichts-
sinn als fünftes [machen das Element des Feuers aus]; als
seine Qualität wisse man die Gestalt, welche ihrem Wesen
nach rot, weifs und schwarz ist.
6. (9093.) Benetzung, Verschiebbarkeit und Anhaftung,
diese werden dem Wasser zugeschrieben; Blut, Mark und
Digitized by Google
398 III. Mokshadharma.
was sonst noch klebrig ist, wisse man als zu seiner Natur
gehörig.
7. (9094.) Das Schmecken, die Zunge als Organ und der
Geschmack gelten als Qualität des Wassers. Festigkeit ist
dem erdigen Element eigen, Knochen, Zähne und Nägel,
8. (9095.) Bart, Körper- und Haupthaare, Adern, Sehnen
und Haut. Das Sinnesorgan heifst Geruchsinn und wird auch
Nase genannt;
9. (9096.) der Geruch ist das diesem Sinne entsprechende
Objekt, und man mufs begreifen, dafs er aus der Erde be-
steht. Alle höheren Wesen besitzen auch höhere Eigen-
schaften.
10. (9097.) Die Weisen kennen die Verbreitung der fünf
elementaren Komplexe [bestehend aus dem Element, seinem
Organ und dessen Objekt]. Das Manas gehört zu den ge-
nannten [fünf Elemente, Entstehen, Vergehen und Zeit, oben,
Vers 9089] als neuntes, die Buddhi wird als zehntes gezählt.
11. (9098.) Der elfte ist der unendliche Atman, er wird
als der Allseiende und Höchste bezeichnet. Die Buddhi hat
als Wesen das Entscheiden, das Manas das Zerlegen. (9099.) Aus
der Tätigkeit zu erschliefsen ist der Jiva (die individuelle
Seele), welcher von der Körperlichkeit seinen Namen hat.
12. Wer auf dieses mit den genannten, die Zeit als Wesen
habenden Zuständen behaftete Ganze selbst (9100.) unbefleckt
hinblickt, der verfällt nicht in das mit Verblendung ver-
knüpfte Werk.
So lautet im Mukshadbarma die Frage det Quka
(fuka - amtprafita).
Adhyftya 253 (B. 253).
Vers 9101-9115 (B. 1-15).
Vyasa sprach:
1. (9ioi.) Die vom Leibe losgelöste, in feiner Gestalt fort-
bestehende, verkörperte Seele schauen mittels ihres im Kanon
vorgeschriebenen Tuns die Kenner des [Yoga-] Kanons.
Digitized by Google
Adhy&ya 253 (B. *2ö3).
399
2. (9102.) Wie die Strahlen miteinander ausströmen
und überall sich verbreitend gesehen werden, so durch-
streifen die von den Körpern losgelösten übermensch-
lichen Wesenheiten die Welträume.
3. (9io:i.) So wie der Glanz der Sonne als Abbild im
W asser gesehen wird, so schaut er [der des Yoga kundig
ist] das Sattvam als Abbild in den von diesem Sattvam Be-
seelten.
4. (9104.) Und nachdem diese feinen Wesenheiten (Sattva)
vom Leibe sich losgelöst haben, schauen die Wahrheits-
kundigen, Sinnebezähmten mittels ihres eigenen Sattvam diese
[Sattvas].
5. (9io5.) Was immer von allen gedacht werden mag im
Schlafe oder auch [mit C. caiva] im Wachen, oder wenn
sie, von der Verbindung mit der Materie losgelöst, die aus
den Werken entspringende Leidenschaftlichkeit hinter sich
lassen, —
t». (9io6.) allezeit bei Tage wie bei Nacht, bei Nacht wie
bei Tage steht ihr Sattva selbst unter der Herrschaft der
Yoga übenden Yogin's.
7. (9io7.) Ihr Elementatman (bhutätmäj ist immer und alle-
zeit unaufhörlich behaftet mit sieben feinen Qualitäten [an-
geblich Mahän, Ahankära und die fünf Tanmütra s nach Nil. J,
er, der regsame, nicht alternde, nicht sterbende.
8. (9108.) Dem Manas und der Buddhi unterworfen, den
eigenen Leib und fremde Leiber kennend, wird die individuelle
Seele auch im Traume zum Erkenner von Lust und Leid.
9. (9109.) In ihm empfindet sie bald Schmerz, bald Lust,
und wenn sie sich dem Zorn und der Begierde hingibt, gerät
sie ins Unglück.
10. (9110.) Oder auch sie glaubt sich beglückt, wenn sie
grofse Zwecke erreicht, sie vollbringt in ihm [dem Traume)
gute Werke und ist sehend wie im wirklichen Leben.
11. (9iii.) Ja selbst in die Hitze gelangt und zum Embryo
geworden und zehn Monate lang in der Bauchhöhle verweilend,
wird sie doch nicht wie die Nahrung verdaut.
12. (9i is.) Diesen Bhütatman, welcher als ein Teil der
höchsten Kraft [der Allseele] im Herzen wohnt, können die
Digitized by Google
400 III. Mokshadharma.
von Tamas und Kajas beherrschten Menschen nicht in den
Körpern sehen.
13. (9ii3.) Sie, welche den Yogakanon hochschätzen und
dadurch von Verlangen nach jenem Ätman erfüllt sind,
[schauen, nach Nil. überschreiten] jene nicht mitsterbenden,
nicht grobmateriellen Wesenheiten, welche unzerstörbar wie
Diamanten sind.
14. (9ii4.) Als die Einzelwesen geschaffen wurden, um
die Werke des vierten Lebensstadiums zu üben, da hat Qän-
dilya im Zustande der Versenkung in dieser Weise den Yoga
für die Beruhigung erklärt. [Vgl. Chänd. Up. 3,14,1 fttwfa*
upäsila.]
15. (9ii5.) Wer die sieben feinen Wesenheiten [vgl. Vers 9107]
und den sechsgliedrigen [Allwissenheit, Allgenügsamkeit,
Geistigkeit, Freiheit, ununterbrochenes Schauen und Allmacht
besitzenden, Nil.] höchsten Gott erkannt hat, der schaut das
in die Materie unverstrickt bestehende höchste Brahman.
So lautet im Mokshadhnmia die Frage des (,'uka
ftuka - anupra<;nu).
AdhyAya 254 (B. 254).
Vers 91KJ-9130 (B. 1—14).
Vyasa sprach:
1. (9ii6.) Im Herzen wächst der bunte Baum der Begierde,
aus dem Wust der Verblendung entspringend, Zorn und Hoch-
mut sind seine mächtigen Äste und von Absichten wird er
bewässert.
2. (»117.) Sein tragender Grund ist das Xicht-Wissen.
seine Bewässerung geschieht durch die Unbesonnenheit, Übel-
wollen bildet seine Zweige, vormalige Übeltaten sind sein
Kernholz.
3. (9ii8.) Verblendung und Sorge sind seine Ranken, der
Kummer bildet sein Astwerk, die Furcht seine Spröfslinge;
er ist umwuchert von verwirrenden Durstgelüsten als Schling-
pflanzen.
Digitized by Google ■
Adhy&ya 254 (B. 254).
401
4. (9ii9.) Diesen grofsen Baum verehren die sehr Begehr-
lichen, nach seinen Früchten Verlangenden, von Aufregungen
wie von Stricken gebunden, um seiner Früchte willen ihn
umschlingend.
5. (9120.) Wer dieser Stricke Meister wird und den Baum
ausreifst, der gelangt ans Ende beider Leiden [der Lust und
des Schmerzes] und wird von beiden befreit.
6. (9i2i.) Weil der Unverständige allezeit den Baum ge-
deihen macht fsamrohati l), darum tötet dieser ihn, wie das
Giftgeschwür den Kranken.
7. (9122.) Aber dieses weiterwurzelnden Baumes Wurzel
wird mit Macht losgetrennt mittels der Gleichmütigkeit als
vorzüglichem Messer von dem, der durch die Beruhigung des
Yoga bereitet ist.
8. (9123.) Wer in dieser Weise es versteht, alle Begierde
zu vernichten, der gelangt über die Knechtschaft unter dem
Gesetz der Begierde und über die Leiden hinaus.
9. (9124.) Den Körper betrachtet man als die Stadt, als
Herrscherin in ihr gilt die Buddhi, und das Manas ist es,
welches die Zwecke der auf das Wesen gerichteten Buddhi
besorgt.
10. (9125.) Die Sinnesorgane sind die dem Manas unter-
stellten Bürger und ihren Zwecken zu dienen ist seine Haupt-
aufgabe. In der Stadt herrschen zwei furchtbare Seuchen,
sie heifsen Tamas und Rajas. (9126.) Von jenen Zwecken leben
die Bürger mitsamt den Stadtherren.
11. Unberechtigterweise leben von jenen Zwecken auch
die beiden Seuchen. (9127.) Hierbei sinkt die schwer zu über-
wältigende Buddhi auf die gleiche Stufe wie das Manas
herab.
12. Die Bürger aber zittern vor dem Manas, und so
wird auch ihre Stellung eine unsichere (9128.) und die Zwecke,
welche die Buddhi verfolgt, sinken zur Zwecklosigkeit herab.
13. Wenn nun die Buddhi einen gesonderten Zweck
verfolgt, so leidet das Manas darunter, (9129.) denn von der
Buddhi abgesondert bleibt das Manas isoliert.
14. Dann bemächtigt sich des von jenem entblöfst ge-
lassenen Menschen das Rajas, (9iso.) ja, das Manas schliefst
Dti'MKw. Mababhuratam. 20
Digitized by Google
402
III. Moksliadhanua.
sogar mit dem Rajas Freundschaft und verbündet sich ihm,
nimmt den in der Stadt wohnenden Bürger gefangen und
liefert ihn dem Rajas aus.
So lautet im Mokaliadharma dir Frage dos (Jnka
(<,ula-anupra<na).
Adhyftya 255 (B. 255).
Vers 9131-9143 (B. 1-13).
tthishma sprach:
1. (9131.) Vernimm, o Sohn, weiter die Aufzählung der
Elemente, wie sie, o Untadeliger, in höchst rühmlicher Weise
dem Munde des Dvaipäyana (Vyäsa) entströmte.
2. (9132.) Einem flammenden Feuer ähnlich sprach der
Heilige zu ihm, der an Aussehen dem Rauche glich, und
nunmehr will ich dir, o Sohn, wieder die Erklärung mit-
teilen.
3. (9133.) Der Erde kommen zu: Unerschütterlichkeit,
Schwere, Festigkeit, Produktivität, Geruch, [nochmals)
Schwere, Kraft, Kompaktheit, Fähigkeit zu stützen und Aus-
dauer.
4. (9134.) Dem Wasser kommen zu: Kälte, Geschmack.
Nässe, Flüssigkeit, Anhaftung und Geschmeidigkeit, Ge-
schmacksorgan, Tropfbarkeit und Garmachung fester Stoffe.
5. (9135.) Dem Feuer sind eigen: Schwerbezwinglichkeit,
Licht, Hitze, Kochung, Helle, Glut, leichte Erregbarkeit, Hef-
tigkeit und beständiges Nach-oben-flammen.
b\ (9136.) Dem Winde kommen zu: unbestimmtes Gefühl
[nicht warm noch kalt Nil.], Tragen der Rede, Freiheit, Stärke.
Geschwindigkeit, Bewirken der Entleerung, Fälligkeit zu be-
wegen und Sich-erheben.
7. (9137.) Die Qualität des Äthers ist der Ton, Alldurch-
dringung, Widerstandslosigkeit, ohne Träger und Stütze zu
sein, Un wahrnehmbarkeit, Unwandelbarkeit,
8. (9138.) sowie Durchlässigkeit. Die Elemente selbst
und ihre Umwandlungen werden als fünfzig Qualitäten ge-
Digitized by Google
Adhyäya 255 (B. 255).
403
rechnet welche sich aus dem Wesen der fünf Elemente ent-
wickeln.
it. (9139.) Festigkeit und Überlegen, Verdeutlichung, Aus-
breitung, Vorstellung und Nachgiebigkeit, Güte und Nicht-
Güte, sowie Schnelligkeit, das sind die neun Qualitäten des
Manas.
10. (9H0.) Vergessen machen des Erwünschten und Un-
erwünschten, Entscheidung, Vertiefung, Zweifel und Zustim-
mung, diese gelten als die fünf Qualitäten der Buddhi.
Yudhishthira sprach :
11. (sin.) Wie kann die Buddhi fünf Qualitäten und wie
können diese Qualitäten die fünf Sinne zu ihrer Verfügung
haben ? Diese ganze subtile Wissenschaft erkläre mir, o Grofs-
vater !
Bliishraa sprach :
12. (9H2.) Man lehrt, dafs es sechzig Qualitäten der
Buddhi gibt, welche von den Elementen verschiedene und
immer von ihnen getrennte Entfaltungen der Elemente
sind; von dem Unvergänglichen (dksharaj sind sie er-
schaffen worden; das übrige, o Sohn, hienieden nennt
man das Nichtbeständige.
13. (9143.) Das alles ist mit Sorgen erfüllt. Ich habe
es dir jetzt mitgeteilt, obwohl es nicht auf heiliger Über-
lieferung beruht fanägatanij. Nachdem du aber die ganze
Bedeutung der Elemente erfahren hast, mögest du von
der Herrschaft der Elemente her zur Beruhigung deiner
Buddhi gelangen.
$o lautet im Mokühailharma die Kruge des Tuk:i
(£uka-ani4prat;na).
Digitized by Google
404
III. Mokshariharma.
Adhyäya «57* (B. 256).
Vers 9144-9164 (B. 1-21).
Yudhishthira sprach :
1. (91M.) Siehe diese Erdeherren, welche auf dem Boden
daliegen, die Grofsmächtigen , welche im Kampfgewühl das
Bewufstsein verloren haben.
2. (9i4ö.) Obgleich sie Mann für Mann von furchtbarer
Kraft und auch noch durch die Kraft ihrer Elefanten ver-
stärkt waren, sind sie doch im Kampfe niedergemacht worden
von Männern, welche ebenso grofse Energie und Stärke hatten.
3. (9146.) Ich sehe ihn nicht, der ihr eigentlicher Töter
im Kampfe war. Mit Tapferkeit waren sie begabt, mit Energie
und Stärke ausgerüstet,
4. (9147.) und nun liegen die sehr weisen Helden leblos
da und auf sie, wie sie leblos daliegen, findet der Ausdruck
Anwendung, dafs sie tot seien.
5. (9148.) Denn tot sind sie, diese Fürsten, die doch sonst
eine furchtbare Tapferkeit besafsen, und mich erfafst dabei
ein Zweifel, woher die Bezeichnung komme, dafs sie tot seien.
6. (9149.) Was am Menschen unterliegt dem Tode, woher
kommt der Tod und wie kommt es, dafs der Tod hienieden
die Menschen wegrafft, o du Gottähnlicher? Erkläre mir
das, o Grofsvater!
Bhlshma sprach:
7. (9150.) Einstmals im Weltalter Kritam, o Freund, gab
es einen König mit Namen Akampana (C. Anukampaka), der
geriet in die Gewalt seiner Feinde, nachdem im Kampfe sein
Wagen zerstört worden war.
8. (9151.) Dieser hatte einen Sohn mit Namen Hari, der
dem Näräyana (Vishnu) auch an Kraft ähnlich war; dieser
wurde mitsamt seinem Heere und seinem Gefolge im Kampfe
von den Feinden getötet.
9. (9152.) Da geschah es, dafs jener von den Feinden ge-
• Durch einen Fehler in der Zählung ist 256 in C übersprungen
(Tgl. oben, S. 318).
Digitized by Google
Adhyaya 257 (B. 256).
405
f&ngene und vom Kummer über seinen Sohn erfüllte König,
nach Beruhigung verlangend, zufällig den Närada vor sich
auf dem Boden stehen sah.
10. (9153.) Ihm erzählte der König alles, wie es sich be-
geben hatte, wie er im Kampfe von den Feinden gefangen
genommen und wie sein Sohn getötet worden war.
11. (»ibi.) Als der askesereiche Närada seine Rede an-
gehört hatte, da erzählte er ihm, um den Kummer über den
Sohn zu verscheuchen, folgende Geschichte.
Narada sprach:
12. ii»i55.) 0 König, vernimm nun folgende ausfuhrliche
«»eschichte, wie sie sich begeben hat und von mir gehört
worden ist, o Herr der Erde.
13. i9iis.) Als der mächtige Urvater bei der Schöpfung
der Kreaturen die Geschöpfe geschaffen hatte, da wollte er
es nicht dulden, dafs die Geschöpfe übermäfsig wuchsen und
«ich mehrten.
14. Öls;.) Denn durch die Geschöpfe wurde nirgendwo
ein freier Zwischenraum gelassen, o Unerschütterlicher, und
alle drei Welten waren so vollgepfropft, o König, dafs man
heinahe nicht atmen konnte.
1T>. i»i5s.) Da richtete sich seine Absicht darauf, sie
wieder zu vernichten, o König, und indem er darüber nach-
dachte, fand er kein geeignetes Mittel , diese Vernichtung zu
bewirken.
)<>. <9i59.) Da brach infolge seines Zornes aus seinen
KörperöfThungen Feuer hervor, o GrofskÖnig ; damit ver-
brannte der Urvater alle Weltgegenden.
17. (9i0u Da wurde der Himmel, die Erde, der Zwischen-
raum, sowie die Welt der Lebenden mitsamt Beweglichem
und Unbeweglichem von dem Feuer verbrannt, welches aus
d*m Zorn des Heiligen entsprungen war.
1*. i9i«i.> Da wurden alle Wesen, die gehenden und
»teilenden, verbrannt durch den grofsen Ansturm des Zornes,
welchen der Urvater hegte.
V.K im**.) Da geschah es, dafs [der bei seinen asketischen
l'bungen] baumstammähnliche, die Opferlocke tragende Herr
Digitized by Google
40f>
III. Mokshadhanua.
der Vedaopfer, Gott (?\\&, den Gott Brahmän um Hilfe an-
ging, er, der Töter der feindlichen Helden.
20. (öiea.; Als dieser Baumstammähnliche aus Wohlwollen
für die Kreaturen sich genaht hatte, da sprach der höchste
Gott gleichsam lodernd zu (^iva:
21. (i»it>4.) Welche Gunst soll ich dir heute erweisen?
Du bist von mir einer Gnadengabe für würdig erachtet, denn
ich will den Wunsch erfüllen, welchen du, o Heilbringer, im
Herzen hegst.
So lautet im Mokthadbarma die Unterredung zwiichen Mritjro und Prajap&ti
(Mrifju ■ Praj&pati-uonedda).
Adhydya 258 (B. 257).
Vers <U6f>-9186 (B. 1-22).
Der Baumstammahnliche sprach :
1 (9165.) Um die Schöpfung der Geschöpfe handelt es
sich bei meinem Anliegen, das wisse, o Herr; sie sind doch
von dir geschaffen worden, so zürne ihnen denn auch nicht,
o Urvater.
2. (9166.) Durch das Feuer deiner Energie, o Gott, werden
die Geschöpfe allenthalben verbrannt: ihr Anblick erweckte
mein Mitleid, so zürne denn auch du ihnen nicht, o Herr
der Welt.
Prajapati (der Herr der Welt) sprach:
3. (9167.) Ich zürne nicht und mein Verlangen ist nicht
darauf gerichtet, dafs die Geschöpfe nicht bestehen sollen,
aber um die Last der Erde zu erleichtern, ist ihre Vernichtung
erwünscht.
4. (9168.) Denn diese Erdgöttin hat mich, da sie durch
ihre Last gequält wurde, dazu angetrieben, die Geschöpfe zu
vernichten, o Mahädeva, denn schon beginnt sie, wegen ihrer
Last im Wasser zu versinken.
5. (9169.) Als ich mit meinem Verstände trotz vielfachen
Überlegens nicht herausbringen konnte, wie sie, nachdem
Digitized by Google
Adhyaya 258 (B. 257).
407
sie so gewachsen sind, vernichtet werden können, da über-
kam mich der Zorn.
Der Baumstain mahn liehe sprach:
ti. (9170.) Wegen ihrer Vernichtung beruhige dich und
zürne nicht, o Herr der Götter, damit [dein Zürnen] nicht
die Geschöpfe und mit ihnen alles Bewegliche und Unbeweg-
liche vernichte (mä vyamna^at !J,
7. (9i7i.) nebst allen Gewässern und allen Gräsern und
Sträuchern, dem Beweglichen und dem Unbeweglichen und
der vierfachen Schar der Wesen.
8. (9172.) Darum, bevor alles dies zu Asche geworden
und die ganze Welt der Lebenden zugrunde gegangen ist,
sei gnädig, du Heiliger, du Guter, das ist die Gunst, die ich
mir erbitte.
9. (9173.) Werden erst diese Geschöpfe vernichtet worden
sein, so können sie in keiner Weise wieder hervorkommen,
darum möge dieses ungeschehen bleiben vermöge der dir
eigenen Machtvollkommenheit.
10. (9174.) Ersinne ein anderes Mittel aus Wohlwollen
gegen die Wesen, so dafs alle diese Geschöpfe nicht zu ver-
brennen brauchen, o Urvater,
11. (9175.) damit die Geschöpfe nicht zugleich mit Aus-
rottung ihrer Nachkommenschaft der Vernichtung anheim-
fallen. Ich bin ja von dir, o Herr der Götter, mit der gött-
lichen Fürsorge betraut worden.
12. (9176.) Aus dir ist ja, o Weltenherr, alles dieses Be-
wegliche und Unbewegliche entsprungen; indem ich dich
besänftige, o grofser Gott, erbitte ich von dir, dafs die Ge-
schöpfe wiederkehren können.
Narada sprach:
13. (9177.) Als der Gott dieses Wort des Baumstamm-
gleichen gehört hatte, zügelte er Rede und Gedanken und
zog jene Glut wieder in sein inneres Selbst zurück.
14. (9178.) Nachdem nun der von den Welten verehrte
Heilige das Feuer in sich zurückgezogen hatte, ordnete er,
der Herr, das Entstehen und Vergehen der Wesen.
Digitized by Google
I
408 Iii. Mokshadharma.
15. (9i7i*.) Indem er nun jenes durch seinen Zorn ent-
standene Feuer in sich zurückzog, kam aus allen Körper-
Öffnungen des Hochsinnigen ein "Weib hervor,
16. (9i8o.) bekleidet mit schwarz und rotem Gewände,
mit schwarzen Augen und schwarzen inneren Handflächen,
mit göttlichen Ohrringen ausgestattet und mit himmlischem
Schmuck geziert.
17. (9181.) Nachdem diese aus seinen Körperöffnungen
hervorgegangen war, wandte sie sich der südlichen Himmels-
gegend zu, und beide göttlichen Beherrscher des Weltalls
schauten das Mädchen.
18. (9182.) Da rief sie der göttliche Schöpfer und Herr
der Welt heran, o Fürst, und sprach zu ihr : 0 Mrityu (Tod),
töte diese Geschöpfe!
19. (9183.) Denn du bist durch mein Denken an die Ver-
nichtung und durch mein Zürnen erdacht worden, darum ver-
nichte du alle Geschöpfe, die unbeseelten und die beseelten.
20. (9184.) Alle Geschöpfe ohne Unterschied raffe hin, du
Holde, denn durch Erfüllung dieses meines Auftrags wirst
du das höchste Glück erlangen.
21. (9185.) So angesprochen, sann die lotosbekränzte Göttin
Mrityu dem nach, die Jungfrau, von Schmerz erfüllt und unter
einem Strom von Tränen.
22. (9186.) Ihre Tränen hemmte sie mit beiden Händen,
o Völkerfürst, und sprach aus Wohlwollen für die Menschen
weiterhin eine Bitte aus.
So Uutet im Mokthndbnnna die Unterredung zwischen Mrityu und Prajipati
(Mrityu - Projdpati - tamvdda).
Adliyaya 259 (B. 258).
Vera 9187-9228 (B. 1-42).
Närada sprach:
1. (9187.) Indem die langaugige Jungfrau ihren Schmerz
durch sich selbst zügelte, sprach sie mit zusammengelegten
Händen und vorgeneigtem Körper zu jenem:
Digitized by Google j
Adhyäya 259 (B. 258)
409
• 2. o 18ä.) Wie kann ein von dir, o Bester der Redenden,
geschaffenes Weib wie ich zu einem so grausamen Werke
geboren worden sein, durch welches sie allem Lebenden Furcht
einfiofst?
3. (9188.) Ich furchte mich vor dem Unrecht, weise mir
ein gerechtes Werk an. Nimm Rücksicht auf mein Fürchten,
siehe mich mit gnädigem Blicke an.
4. (.9190.) Ich will nicht Kinder, Greise und in der Voll-
kraft Stehende, will nicht unschuldige Lebende hinwegraffen,
o Herr der Lebenden, Verehrung sei dir, sei mir gnädig!
.">. (9i9i.) Nicht wegraffen will ich liebe Söhne, blühende
Brüder, Mütter und Väter. Sie werden mich verwünschen,
wenn sie so gestorben sind, ich fürchte mich vor ihnen.
«. (9i9*.) Ihre Benetzung durch Tränen des Jammers wird
mich ewige Jahre durch brennen; ich fürchte mich gewaltig
vor ihnen, zu dir nehme ich meine Zuflucht.
7. (9193.) Nur Übeltäter, o Gott, werden hinabgestürzt in
die Behausung des Yama. Ich bitte dich um Gnade, o Gaben-
verleiher, erweise mir deine Gunst, o Herr.
8. (9194.) Das ist der Wunsch, den ich von dir erbitte,
o Urvater der Welt, ich will gern, um dich zu begütigen,
Askese üben, o grofser Gott.
' Der l'rvater sprach :
i». 1*195.) Ö Mrityu, du bist von mir geschaffen worden,
um die Geschöpfe wegzuraffen. Gehe hin und raffe alle Ge-
schöpfe weg, besinne dich nicht.
iu. (9i»6.) Es mufs notwendig so geschehen und kann
nicht anders sein; führe mein Wort aus, o Sehöngliedrige,
»ie ich es gesprochen habe, o Untadelige.
11. m»197.) Nachdem, o Grofsarmiger , die Mrityu diese
Antwort vernommen hatte, o Eroberer feindlicher Burgen,
gab sie keine Antwort, sondern stand gebeugt und zu dem
Heiligen emporblickend da.
VJ. m9A.) Wieder und wieder wurde die Glanzvolle auf-
gefordert, einer Geistesabwesenden gleichend. Da schwieg
der Gott, welcher Herr ist über die Götterherren.
13. w.o Und er, der Gott Brahmän, besänftigte sieh
Digitized by Google
410
III. Mokshailhanna
durch sich selbst und lächelnd blickte er, der Herr der Welten,
auf alle Welten herab.
14. (920<).) Als der Zorn des Heiligen, Unüberwindlichen
verraucht war, da ging die Jungfrau weg von ihm, so ist es
uns überliefert.
15. (9Soi.) Und weggehend, ohne der Vernichtung der
Geschöpfe zugestimmt zu haben, gelangte eilig, o Fürst der
Könige, die Mrityu nach Dhenukam [einem heiligen Bade-
platz Nil.].
Mi. (9202.) Dort übte die Göttin gewaltige, schwer zu voll-
bringende Askese, denn sie stand fünfzehn tausend Millionen
Jahre auf einem Fufse.
17. (9203.) Zu ihr, welche dort in dieser Weise gewaltige,
schwer zu vollbringende Askese übte, sprach wiederum der
grofsmächtige Gott Brahmän das folgende Wort:
18. (9204.) Führe meinen Befehl aus, o Mrityu! — Sie
aber beachtete das Wort nicht und stand flugs noch einmal
weitere sieben
Hl. (9205.) und sechs und fünf und zwei Tausende von
Millionen Jahren auf einem Fufse, o Ehrenspender, und lebte
dann noch weitere zehntausend mal tausend Millionen mit
den Tieren des Waldes zusammen, o Freund.
20. (9206.) Und nachdem sie sodann, o Bester der Männer,
noch zwei Myriaden Jahre nur vom W r ind sich genährt hatte,
o Hochweiser, so beobachtete sie dann weiter das tiefste
Schweigen,
21. (9207.) während sie siebentausend und tausend Jahre
im Wasser stand, o Erdeherr. Dann ging die Jungfrau zum
Flusse Kauciki, o Bester der Fürsten.
22. (92o8.) Dort lebte sie, von Wind und Wasser sich
nährend, noch weiter in Selbstbezähmung. Darauf ging die
Vortreffliche nur noch zur Gangä und zum Berge Meru.
23. (9209.) Dann stand sie aus Wohlwollen für die Ge-
schöpfe unbeweglich wie ein Stück Holz auf dem Gipfel des
Himalaya, wo die Götter gemeinschaftlich geopfert haben,
24. (92to.) auf einer Fufszehe, o Fürst der Könige, noch-
mals wieder hunderttausend Millionen Jahre. So stand sie
da und erfreute durch ihre Bemühung den Urvater.
Digitized by Google
Adliyäya 2.">9 (B. 25* ).
411
25. (92ii.) Da sprach zu ihr er, der Ursprung und Ver-
gang der Welt ist: Was soll das heifsen, o Tochter, erfülle
doch den Befehl, den ich dir gegeben liabe.
26. (i»2i2.) Da sprach die Mrityu zu dem heiligen Urvater:
Ich mag die Geschöpfe nicht wegraffen, ich bitte dich noch-
mals um Gnade.
27. (9213.) Zu ihr, welche sich fürchtete, Unrecht zu tun,
und ihn nochmals anflehte, sprach wiederum der Gott der
Götter, ihr Einhalt gebietend, dieses Wort:
28. (9214.) Du begehst damit kein Unrecht, o Mrityu,
bringe diese Kreaturen in deine Gewalt, o Schöne, denn was
ich einmal gesagt habe, o Holde, das darf nimmermehr un-
wahr werden.
29. (9215.) Als ewige Verpflichtung wird es dir hier auf-
erlegt ; ich und die Götter werden uns jmmer an deinem Wohl-
sein erfreuen.
30. (y2i6 ) Ich erfülle diesen und jeden andern Wunsch,
den du im Herzen hegst; die Geschöpfe sollen nicht durch
deine Schuld, sondern von Krankheit befallen zu dir kommen.
31. (9217.) Für die Männer sollst du ihrer Natur ent-
sprechend ein Mann sein, bei Frauen sollst du die Gestalt
einer Frau annehmen und bei den übrigen wirst du säch-
lichen Geschlechts sein.
32. (9218.) Nachdem sie so angeredet war, o grofser König,
da sprach sie mit zusammengelegten Händen abermals zu dem
hochherzigen, ewigen Herrn der Götter: Es kann nicht sein.
33. (9219.) Da sprach der Gott zu ihr: 0 Mrityu, raffe
die Menschen weg. Es soll dir nicht als Unrecht angerechnet
werden, so werde ich es auffassen, o Schöne.
34. (9220.) Die Tränentropfen, die ich dir ehedem her-
vorbrechen sah und die du mit deinen Händen zurück-
hieltest, die sollen als furchtbare Krankheiten den Men-
schen, wenn ihr Ende herannaht, ein Ende bereiten.
35. (»221.) Hei allen lebenden Wesen, wenn es mit
ihnen zu Ende geht, sollst du Begierde und Zorn im
Verein gegen sie entfesseln. So wirst du unermefslicher
Gerechtigkeit teilhaftig sein und bei solchem Verfahren
kein Unrecht verüben.
Digitized by Google
412
III. Mokshadharma.
36. (9222.) In dieser Weise wirst du die Gerechtigkeit
wahren und wirst dich nicht in Ungerechtigkeit stürzen.
Darum heifse die Begierde willkommen, wenn sie sich
dir naht, verhinde dich mit Dir und raffe die Ge-
schöpfe weg.
37. (»223.) Da sprach die Mrityu Genannte, welche sich
vor dem Befehl wegen des darauf lastenden Fluches ge-
fürchtet hatte, zu ihm : Nun wohl, ! — Daher kommt
es, dafs sie das Lehen der Lebendigen, nachdem sie die-
selben mittels Begierde und Zorn verblendet hat, ver-
nichtet.
38. (9224.) Tränenströme der Mrityu sind sie, diese
Krankheiten, durch welche der Leib der Sterblichen ge-
brochen wird; darum sollst du beim Lebensende aller
Lebenden keinem Rummer Raum geben, mit Überlegung
es überlegend.
39. (9225.) Alle Seelen der lebenden Wesen gehen weg
am Ende des Lebens, kehren wieder und verschwinden
aufs neue [Nil. denkt an Schlaf und Wachen, wohl mit
Unrecht]; so müssen auch alle Menschen so gut wie
die Götter [als Schutzgottheiten der Organe] am Ende
des Lebens weggehen und wiederkehren, o Löwe unter
den Königen.
40. (9226.) Furchtbar mit furchtbarem Sausen und ge-
waltiger Kraft fährt Väyu [der Windgott] dahin, und
er, als der Lebenshauch in allen lebenden Wesen, führt
sie bei der Trennung der Seelen von ihrem Leibe auf
verschiedenen Wegen, darum gilt Väyu als Gott über
den Göttern [den Schutzgottheiten der Organe].
41. (9227.) Alle Götter tragen das Merkmal der Sterb-
lichkeit an sich, alle Sterblichen tragen das Merkmal
der Göttlichkeit an sich, darum, o Löwe unter den Königen,
beklage deinen Sohn nicht, dein Sohn ist zum Himmel
gelangt und freut sich dort.
42. (9228.) So ist es denn wahr, dafs die Mrityu, von
den Göttern geschaffen, wenn die Zeit der Lebenden ge-
kommen ist, sie dahinrafft, wie es sich gebührt; die
Digitized by Google
Adhyäya 259 (B. 258). 413
Krankheiten, jene von ihr vergossenen Tränen, raffen
die Wesen hienieden dahin, wenn ihre Zeit gekommen ist.
So lautet im Mokahadharma die Unterredung zwischen Mrityu und Prajapati
(ilrityu • frajipati - uminUaj.
Adhyäya 260 (B. 259).
Vera 9229-9256 (B. 1-27).
Yudhishthira sprach :
1. (»2^9.) Alle die Menschen sind in betreff der Pflicht
in Ungewifsheit; was ist die Pflicht, woher stammt die Pflicht?
Das, o Grofsvater, sage mir.
2. (9230.) Ist die Pflicht nur für das Diesseits Zweck oder
auch für das Jenseits, oder ist sie Zweck für beide? Das,
o Grofsvater, sage mir.
Bhlshma sprach:
3. (923i.) Gute Sitte, Rechtsüberlieferung und Vedaglaube
ist das dreifache Kennzeichen der Pflicht; als viertes Kenn-
zeichen der Pflicht gilt bei den Weisen der gewollte Zweck.
4. (9232.) Auch haben sie die von ihnen verkündigten
Pflichten eingeteilt in höhere und niedere. Damit die Welt
hienieden ihren richtigen Gang gehe, ist die Auferlegung der
Pflicht erfolgt.
5. (9233.) Aber das Resultat der Pflicht ist beide Male
Glück, sowohl hienieden als auch im Jenseits, während der-
jenige, welcher die genaue und richtige Pflicht sich nicht
zu eigen macht, als Übeltäter mit Übel behaftet sein wird.
6. (9234.) Und auch wenn sie ins Unglück geraten, werden
die Übeltäter dadurch nicht von ihrem Übel frei. Wer aber
nichts Übles redet, der steht dem gleich, welcher die Pflicht
erfüllt. (9235.) Der tragende Grund der Pflicht ist ein guter
Wandel, dessen dich befleifsigend wirst du erkennen, was
Pflicht ist.
7. Von Ungerechtigkeit erfüllt, bemächtigt sich der Räuber
des Gutes; (9236.) und indem der Dieb fremdes Gut raubt, freut
er sich einer bestehenden Anarchie.
Digitized by Google
414 III- Mokshadbariua.
s. Wenn aber andere ihn berauben wollen, dann ver-
langt er nach einem Könige (t»i»37.) und beneidet diejenigen,
welche sich ruhig ihres Besitzes erfreuen.
1». Wer hingegen rein ist, der naht sich [jederzeit] ohne
Furcht und Bedenken der Pforte des Königs, (9238.) denn er
ist sich in seinem Herzen keiner Übeltat bewufst.
10. Die Rede der W r ahrheit ist gut, es gibt nichts Höheres
als die Wahrheit. (9239.) Durch die Wahrheit wird alles aus-
einandergehalten, auf die Wahrheit ist alles gegründet.
11. Auch schreckliche Bösewichter halten unter beson-
deren Umständen zur W'ahrheit (9240.) und, auf sie sich stützend,
bewahren sie [unter sich] Treue und Eintracht.
12. Würden sie in ihre Vereinigung Zwiespalt tragen,
so müfsten sie ohne Zweifel zugrunde gehen. (9241.) Aber
es ist ein ewiges Gesetz, dafs man fremdes Gut nicht
rauben darf.
13. Die Starken freilich halten es für ein Gesetz, welches
von den Schwachen aufgestellt sei. (9242.) Wenn aber auch
sie durch das Verhängnis in Schwäche geraten, dann leuchtet
auch ihnen das Gesetz ein.
14. Denn sie bleiben nicht ewig stark und glücklich.
(9243.) darum sollst du deinen Sinn niemals auf Ungeradheit
richten.
15. Ein solcher braucht sich nicht vor dem Bösen zu
furchten, nicht vor Dieben und nicht vor dem König:
(9244.) keinem irgend etwas tuend, wird er ohne Furcht und
rein leben.
1(>. Der Dieb furchtet sich nach allen Seiten hin, wie
eine Gazelle, die in ein Dorf geraten ist, (9246.) das vielfach
von ihm verübte Böse erwartet er auch von den anderen.
17. Der Reine hingegen geht fröhlich dahin, allezeit ohn<*
Furcht irgendwoher, (9246.) denn er hat nichts Böses getan,
dessen er sich auch bei anderen zu versehen hätte.
18. Man soll freigebig sein, diese Forderung ist auf-
gestellt worden von solchen, die sich am W r ohlsein der Ge-
schöpfe freuten, (9247.) aber die Reichen glauben, dafs dieses
Gesetz von den Bedürftigen aufgebracht worden sei.
Digitized by Google
Adhyäya 2<iO (B. lT>0).
415
Ii*. Wenn aber auch sie durch das Verhängnis in Dürftig-
keit geraten, dann leuchtet auch ihnen das Gesetz ein,
(i>248.) denn sie bleiben nicht ewig reich und glücklich.
20. Was ein Mensch sich nicht von anderen angetan
wünscht, (9249.) das füge er auch nicht anderen zu, da er an
sich selbst erfahren hat, was unangenehm ist.
21. Wer mit eines andern Weih buhlt, wie kann der
irgend jemandem Vorwürfe machen, (;»25o.) aber ich denke,
was er dem andern antut, das würde er sich nicht von ihm
gefallen lassen.
22. Wer selbst das Leben liebt, wie mag der einen an-
dern ermorden ! (9251.) Was er für sich selbst wünscht, dafür
sorgt; er auch bei den anderen.
23. An der übermäfsigen Fülle soll man andere, die nichts
besitzen, teilnehmen lassen; (9252.) wer aus diesen Gründen
sein Geld anlegt, dem kommt es mit Wucher heim.
24. Zu der Zeit, wo er des Heistandes der Götter noch
bedarf, möge er sich so verhalten, (9253.) aber auch zur Zeit,
wo er erlangt hat, was er wünscht, steht es ihm wohl an,
in der Pflicht zu verharren.
25. Alle Pflicht wird erfüllt durch Wohltun, so lehren
die Weisen, (9»54.) beachte, o Yudhishthira, dieses als den
Nachweis des Merkmals für Gutes und Böses.
20. Das Bestehen der Welt zu befördern, ist vordem vom
Schöpfer verordnet worden (9255.) der vollkommene, durch
feine Gesetze und Zwecke geregelte Wandel der Guten.
27. Dieses ist dir als Kennzeichen der Pflicht erklärt
worden, o Bester der Kuru's, (925c) darum sollst du deinen
Sinn niemals auf l'ngeradheit richten.
So lautet im Mukslmdharmu da» Kennzeichen der l'Hicht
(ilhanua - laksltanam).
Digitized by Google
416
III. Mokshadharma.
AdhyAya 261 (B. 260).
Vers 9257-9276 (B. 1-20).
Yudhishthira sprach:
1. (9257.) Subtil und von guten Menschen erwiesen ist
die im heiligen Schriftwort gelehrte Pflicht. Es fällt mir aber
dabei etwas ein, was auf Argumentation beruht, das möchte
ich aussprechen.
2. (9258.) Die meisten Fragen, die ich auf dem Herzen
hatte, die hast du mir gelöst; ich mufs aber hier noch etwas
weiteres vorbringen, nicht aus blofser Lust am Disputieren,
o König.
3. (9259.) Diese [Elemente] erhalten unser Leben und
schaffen es und lassen es entfliehen; was recht ist, das läfst
sich nicht so summarisch ausmachen.
4. (9260.) Anders ist die Pflicht für den, dem es gut geht,
und anders für den, dem es schlecht geht; wie kann man
alle schlimmen Eventualitäten so summarisch voraussehen.
5. (9261.) Der Wandel der Guten gilt als Gesetz, wer aber
gut ist, darüber entscheidet wieder der Wandel; wie kann
man also wissen, was zu tun und zu lassen ist, da der Wandel
der Guten kein sicheres Merkmal bietet?
G. (9262.) Aus dem, was recht ist, wird erkannt, dafs der
schlechte Mensch Unrecht tut, und aus dem, was Unrecht
ist, wird erkannt, dafs der edle Mensch recht tut.
7. (9263.) Ferner: die Autorität des Gesetzes beruht auf
dem, was die Kenner des Veda aus ihm vorbringen, aber die
Worte des Veda schwinden im Verlaufe der Weltalter, wie
die Schrift selbst uns lehrt.
8. (9264.) Anders sind die Satzungen im Weltalter Kritam
und anders in dem der Treta und des Dväpara, und wieder
anders sind die Satzungen im Weltalter Kali, indem sie nur
nach der jeweiligen Leistungskraft erfüllt werden können.
9. (9265.) Das Wort der heiligen Uberlieferung ist die
Wahrheit, das ist die allgemeine Ansicht; und aus der hei-
ligen Uberlieferung hervorgehend, haben sich die Veden nach
allen Seiten verbreitet.
Digitized by Google
Adhy&ya 261 (B. 260).
417
10. (9266.) Wären sie nun die einzige Autorität für alles,
so wäre eine unbedingte Autorität auf der Welt vorhanden.
Aber wenn diese Autorität nun in Widerspruch steht mit
dem. was nicht unbedingte Autorität ist [z. B. der Smriti],
wo bleibt dann ihr kanonisches Ansehen?
11. (9267.) Wenn irgendeine rituelle Pflicht ausgeführt
wird und dabei mächtige Übelwollende irgend etwas an dem
Schema modifizieren, so ist damit auch das Ganze nichtig
geworden.
12. (9268.) Wir wissen eine Sache oder wir wissen sie
nicht, es ist möglich sie zu wissen oder es ist nicht mög-
lich , mag sie feiner als die Schneide eines Schermessers
oder mag sie massiger als ein Gebirge sein.
13. (9269.) Aber sie [die Pflicht] hat zuerst das Aussehen
einer Fata Morgana, und wenn sie von den Weisen näher
geprüft wird, so verschwindet sie wieder ins Nichts.
14. (9270.) Wie Trinkgruben für die Kühe oder ein auf
das Feld geleitetes Bächlein [mit C. kuh/eva], o Bhärata
[schnell austrocknen], so schwindet, wie die Überlieferung
lehrt, das ewige Gesetz hin und wird nicht mehr gesehen.
15. (9271.) Auch kommt es vor, dafs aus Begierde oder
Verlangen nach Veränderung oder aus anderen Ursachen
viele andere Menschen, obwohl sie nicht rechtschaffen sind,
sich ihres lockern Lebenswandels [ungestraft] freuen.
16. (927*.) Oder ihnen gilt die Pflicht als ein billiges Ge-
rede bei den Guten oder sie erklären dieselben fiir verrückt
oder lachen sie auch aus.
17. (9273.) Und auch hochsinnige Menschen wenden sich
von der Pflicht ab und erkennen nur noch das Staatsgesetz
an; es gibt eben keinen Lebenswandel, der fiir alle verbind-
lich wäre.
18. (9274.) Durch seinen Lebenswandel kommt der eine
in die Höhe und bringt dadurch einen andern herunter, und
dieser, je nachdem es sich trifft, zeigt sich wiederum ähnlich
[als Unterdrücker anderer].
19. (9275.) Derselbe Wandel, durch den der eine in die Höhe
kommt, bringt dadurch andere herunter; man sieht daran, dafs
nicht alle Lebensführungen auf dasselbe Ziel hinstreben.
Dkcmkx, M&babbaratam. 27
Digitized by Google
III. Mnkshndharma.
20. (9276.) Vor Zeiten wurde ein von langher überkommener
Wandel für die Pflicht erklärt, und min ist sie durch jenen
frühern Wandel zu einer ewigen Norm geworden.
So lautet im Mokibadharm» der Angriff auf die Autorität der Pflicht
(Hhanua - prdmdnya - dkthepa).
AflhyAya 262 (B. 261).
Vers 9277-9328 (B. 1-51).
Bhlshma sprach:
1. (9277.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Tulädhära mit dem
Jäjali über die Pflicht.
2. (9278.) Ein gewisser Brahmane mit Namen Jäjali, der
im Walde als Waldbewohner lebte, wandte sich zum Meere
hin und übte als grofser Asket daselbst Askese,
3. (9279.) indem er als ein weiser Einsiedler lange Reihen
von Jahren hindurch sich kasteite, seine Nahrung einschränkte,
Lumpengewand, Antilopenfell und Haarschopf trug und sich
mit Schmutz und Schlamm bestrich.
4. (9280.) Einstmals geschah es, dafs dieser gewaltige
Brahmanenweise, während er [mit seinem Leibe] im Wasser
weilte, o Fürst, schnell wie der Gedanke [durch Yogakraft]
die Welten schauend durcheilte.
5. (9281.) Da bedachte dieser Muni, während er im Wasser
weilte und auf die meerumgürtete Erde mit ihren Wäldern
und Hainen hinblickte:
6. (9282.) Es gibt doch in dieser ganzen Welt des Be-
weglichen und Unbeweglichen keinen, der mir gleichkäme,
der zugleich mit mir im Wasser weilend den Luftraum durch-
messen könnte.
7. (9283.) Während er im Wasser und von den Rakshas
ungesehen so redete, sprachen die Picäca's zu ihm: Es ge-
ziemt dir nicht also zu reden.
8. (9284.) Selbst der hochberühmte Tuladhara, seines
Zeichens ein Kaufmann, der in Benares wohnt, selbst dieser
darf nicht so sprechen wie du, o Bester der Z wiegeborenen.
Digitized by Google
. . I
Adhyaya 262 (B. 2»>1).
419
9. (9285.) So von den Kobolden angeredet, erwiderte der
askesereiche Jäjali : Diesen weisen und berühmten Tulädhära
möchte ich sehen.
10. (9286.) Als der Rishi so gesprochen hatte, holten ihn
die Rakshas aus dem Meere und sprachen: Diesen Weg
schlage ein und gehe ihn, o Bester der Brahmanen.
1 1 . (9287.) Nachdem Jajali von den Kobolden so angeredet
worden war, ging er bestürzten Geistes nach Benares zum
Tulädhära, und ihm nahend, sprach er folgendermafsen.
Yudhishthira sprach:
12. (9288.) Was hatte doch der Jäjali vorher für ein
schwieriges Werk vollbracht, o Freund, wodurch er jene
höchste Vollkommenheit erlangte, das mögest du mir er-
klären.
Bhlshma sprach :
lft. (9289.) Er hatte sich gar sehr mit furchtbarer Askese
beschäftigt. Abends und morgens hatte der gewaltige Asket
seine Freude am Baden und Mundausspülen.
14. (9290.) Er pflegte pünktlich seine Feuer und schätzte
als Zwiegeborener das Studium über alles, und indem er so
die Regel der Waldeinsiedler beobachtete, strahlte er von
Schönheit.
15. (929i.) Im Walde beharrte er bei der Askese und
achtete keine Satzung gering; in der Regenzeit lag er im
Freien, im Winter steckte er im Wasser.
1(>. (9292.) Im Sommer ertrug er Wind und Sonnenglut
und fand immer noch nicht die wahre Pflichterfüllung. Er
ertrug manche beschwerlichen Lagerungen und wälzte sich
auf der Erde.
17. (9293.) Manchmal geschah es, dafs dieser Muni, wäh-
rend der Regenzeit im Freien verweilend, fort und fort aus
der Luft das Wasser mit seinem Kopfe aufling.
18. (9294.) Dabei wurden seine zusammengeflochtenen Haar-
büschel nafs, o Herr, und von dem fortwährenden Herum-
streifen im Walde wurde er schmutzig, der so fleckenlosen
AVesens war.
27*
Digitized by Google
A'20
III. Mokshadharnia.
19. (9295.) Manchmal stand er, der Askesereiche, ohne
Nahrung nur vom Winde zehrend, da wie ein Stück Holz,
ohne sich umzusehen und ohne sich irgendwie zu bewegen.
20. (9296.) Wie er nun so einem Baustamm gleich un-
beweglich dastand, o Bharata, bauten zwei Kulingavögel auf
seinem Haupte ihr Nest.
21. (9297.) Der Brahman weise duldete es aus Mitleid, dafs
das Ehepärchen sein Nestchen aus Grashalmen und Fäden in
seinem Haarschopf machte.
22. (9298.) Da der grofse Asket sich wie ein Baustamm
nicht rührte, so fafsten die beiden Vögel gern Vertrauen und
wohnten beglückt auf ihm.
23. (9299.) Als nun die Regenzeit vorüber war und der
Herbst sich einstellte, geschah es, dafs nach den Satzungen
des Schöpfers, von Liebe verfuhrt, vertrauensvoll
24. (93oo.) das Vogel pärchen Eier auf seinem Haupte legte,
o König. Sie bemerkte der mächtige, sein Gelübde scharf
beobachtende Brahma ne.
25. (93oi.) Und obwohl es der gewaltige Jäjali bemerkte,
rührte er sich doch nicht, denn er richtete seinen Geist be-
ständig auf die Pflicht und fand kein Wohlgefallen an dem,
was der Pflicht zuwider war.
26. (9302.) Tag für Tag flogen die beiden Vöglein auf
seinen Kopf zurück und wohnten daselbst vertrauensvoll und
fröhlich, o Herr.
27. (9303.) Weiter aber wurden aus den bebrüteten Eiern
kleine Vögelchen geboren und wuchsen daselbst heran, Jäjali
aber rührte sich nicht.
28. (9304.) Und der Gelübdetreue beschützte die Eier der
Kulingavögel und stand dabei ebenso weiter unbeweglich,
der Pflichttreue, und in Meditation vertieft.
29. (9305.) Darauf, im Verlaufe der Zeit, wurden die Jungen
flügge, und der Muni merkte, dafs die Kulingavöglein ihre
Federn bekommen hatten.
30. (93oö.) Und als der Gelübdefeste einstmals diese Vögel
ansah, da wurde er, der Weiseste der Weisen, von grofser
Freude erfüllt.
Digitized by Google
Adhyaya 262 (B. 261).
421
31. (9307.) Während er sie so heranwachsen und die Freude
der Gedeihenden sah, wohnten die heiden Vögel mitsamt ihren
Jungen furchtlos auf ihm.
32. (9308.) Er beobachtete die Vögel, wie sie, flügge ge-
worden, ausflogen und allabendlich wieder zurückkehrten, und
er rührte sich nicht, der weise Jäjali.
33. (9309.) Und auch nachdem sie von Vater und Mutter
verlassen worden waren, flogen sie manchmal herzu und flogen
immer wieder weg, Jäjali aber rührte sich nicht.
34. (9310.) In dieser Weise gingen die Vögel am Tage weg
und kehrten am Abend, o Fürst, zurück, um auf ihm zu über-
nachten.
35. (93ii.) Manchmal flogen die Vögel für fünf Tage weg
und kamen erst am sechsten Tage wieder, Jäjali aber rührte
sich nicht.
36. (9312.) Nach und nach aber pflegten die Vögel alle,
nachdem ihre Lebenskraft erstarkt war, viele Tage lang nicht
heimzukehren.
37. (9313.) Einstmals aber flogen die Vögel davon und
kehrten einen ganzen Monat nicht zurück, da machte sich
auch Jäjali auf den Weg, o König.
38. (9314.) Als sie nun davongeflogen waren, da über-
kam den Jäjali Bewunderung, und er bildete sich ein,
die Vollendung erreicht zu haben, da beschlich ihn der
Hochmut.
39. (9316.) Als nun der Gelübdestrenge erkannte, dafs die
Vögel ihn verlassen hatten, bewunderte er sich selbst, und in-
dem er sich bewunderte, wurde er von grofser Freude erfüllt.
40. (9316.) Nachdem er sich im Flusse gebadet und ge-
spült und das Feuer genährt hatte, zollte der Askesereiche
der aufgehenden Sonne seine Verehrung.
41. (9317.) Als der Beste der Murmler so auf seinem Kopfe
die Spatzen gepflegt hatte, da brach er laut in den Ruf aus:
Wahrlich, die Pflicht ist von mir erfüllt!
42. (9318.) Da kam aus dem Luftraum eine Stimme und
Jäjali hörte sie sagen: 0 Jäjali, du bist an Pflichterfüllung
doch noch nicht dem Tulädhära gleichgekommen.
43. (9319.) In Benares wohnt der hochweise Tulädhära,
Digitized by Google
-
422 Hl. Mokshadharma.
und selbst der darf nicht so sprechen, wie du, o Brahmane,
redest.
44. (9320.) Da wurde er von Unmut übermannt, und be-
gierig, den Tulädhära kennen zu lernen, wanderte er, der
Muni, in die Welt hinaus, indem er sein Haus da hatte, wo
ihn der Abend überkam.
45. (9321.) Lange Zeit wanderte er bis zur Stadt Benares;
da sah er den Tulädhära, wie er seine Waren feilhielt.
46. (9322.) Als der vom Verkauf seiner Waren Lebende
den Brahmanen herankommen sah, erhob er sich voll Freude
und ehrte ihn durch den Willkommensgrufs.
Tulädhära sprach:
47. (9323.) 0 Brahmane, schon wie du herbeikamst, habe
ich dich unzweifelhaft erkannt, aber vernimm, o Bester der
Zwiegeborenen, das Wort, welches ich dir zu sagen habe.
48. (9324.) Du bist zum Gestade des Ozeans gegangen und
hast gewaltige Askese geübt, und doch weifst du noch lange
nicht, was Pflicht heifst.
49. (9325.) Weiter wurden, als du in der Askese dich ver-
vollkommnet hattest, o Brahmane, alsbald Vögel auf deinem
Kopfe geboren und von dir grofsgezogen.
50. (9326.) Und als diese flügge geworden und sich überall
hin auf Wanderung begeben hatten, da wähntest du, o Brah-
mane, dafs die Pflichterfüllung im Grofsziehen von Spatzen
bestünde.
51. (9327.) Da hörtest du in der Luft eine Rede, die auf
mich hinwies, o Bester der Zwiegeborenen, und von Unmut
übermannt, bist du sodann hierher gekommen. (9328.) Was
kann ich dir zuliebe tun? Das sage mir, o Bester der Zwie-
geborenen.
So lautet im Mokthadharma die Unterredung xwiicLtu Tuladbara und Jajali
( Tulddhdra - Jdjati ■ tumeddu).
Digitized by Google
AdhyAya 263 (B. 262).
4 23
AdhyAya 263 (B. 262).
Vers 9339*- 9395 (B. 1-55).
Bhishma sprach:
1. (9339.) In dieser Weise von dem verständigen Tuladhara
angeredet, sprach der verständige Jajali, der Beste der
Murmler, das folgende Wort.
Jajali sprach:
2. (9340.) Obwohl als Kaufmannssohn von einem [ab-
stammend], der allerlei Essenzen und Wohlgerüche , Baum-
holz und Kräuter nebst ihren Wurzeln und Früchten verkauft,
3. (9341.) bist du zu einer festen Erkenntnis gelangt.
Woher ist dir das gekommen? Das alles berichte mir voll-
ständig, o Hochsinniger.
Bhishma sprach :
4. (9342.) So angeredet von dem berühmten Brahmanen,
erklärte Tuladhara, der, obgleich ein Vaicya, Zweck und Wesen
der Pflicht erkannt hatte, die Feinheiten der Pflichterfüllung
(9343. fehlt in b ) dem schwere Askese übenden Jajali, er, o König,
der sich an der Erkenntnis gesättigt hatte.
Tuladhara sprach:
5. (9344.) Ich kenne, o Jajali, die ewige, geheimnisvolle
Pflicht, die allen Wesen heilsame und wohlwollende, welche
als eine uralte unter den Menschen gilt.
6. (934&.) Das Verhalten, welches ohne Falsch oder mög-
lichst ohne Falsch gegen die Wesen ist, das ist die höchste
Pflicht, und ihr lebe ich nach, o Jajali.
7. (9346.) Aus abgeschnittenem Holz und Stroh habe ich
mir diese Hütte gebaut. Roten Lack, Padmakaholz, Tunga-
holz, feine und geringere Wohlgerüche
8. (9347.) und vielerlei Essenz mit Ausschlufs berauschen-
der Getränke kaufe ich aus anderer Hand und verkaufe sie
wieder mit Ehrlichkeit.
• Die Zählung der Verse springt von 9o28 auf 9339 über.
Digitized by Google
424
III. Mokshadhanna.
9. (9848.) Wer stets ein Freund aller Menschen ist und
wer das Wohlsein aller Menschen in Werken, Gedanken und
Worten fördert, der kennt die Pflicht, o Jäjali.
10. (9349.) Ich begünstige nicht und übervorteile nicht,
ich hasse nicht und liebe nicht und bin unparteiisch allen
Wesen gegenüber, da siehst du, o Jäjali, meinen Wahlspruch.
(9350.) Meine Wage wägt für alle Wesen gleichmäfsig, o
Jäjali.
11. Was andere tun, lobe ich nicht und tadle ich nicht
(9351.) und blicke auf das bunte Treiben der Welt, o Fürst
der Brahmanen, wie [auf die Wolkenspiele] im Himmels-
räume.
12. Als einen solchen wisse mich, o Jäjali, als gegen
alle Welt (9352.) unparteiisch, o Bester der Weisen, als gleich-
mütig blickend auf Erdklumpen, Steine und Gold.
13. Wie Blinde, Taube und Verrückte den Tod immer-
fort herbeisehnen, (9353.) weil die Pforten [der Sinne] ihnen
von den Göttern verschlossen sind, ähnlich ergeht es mir,
obgleich ich sehend bin.
14. Wie Alte, Kranke und Schwächliche in bezug auf
die Sinnendinge ohne Begierde sind, (9354.) so ist auch mir
das Verlangen nach Nutzen, Lust und Genufs vergangen.
15. Wenn einer sich nicht mehr fürchtet und wenn man
sich vor ihm nicht mehr fürchtet, (9300.) wenn er nicht mehr
wünscht und nicht mehr hafst, dann erlangt er das Brahman.
16. Wenn einer keine böse Gesinnung mehr gegen alle
Wesen betätigt (9356.) in Werken, Gedanken und Worten,
dann erlangt er das Brahman.
17. Es gab, wird geben und gibt keine andere Pflicht
als diese. (9357.) Wer in bezug auf alle Wesen keine Furcht
hegt oder einflöfst, der erlangt die Stätte, wo es keine Furcht
mehr gibt.
18. Vor wem aber alle Welt wie vor dem Rachen des
Todes zittert, (9358.) wer in seinen Reden hart, in seinen
Strafen grausam ist, der erlangt die Stätte der grofsen Furcht.
19. Den Alten, mitsamt Söhnen und Enkeln, recht-
schaffen ^Wandelnden (9359.) folgen wir in ihrer Lebensführung,
den Hochherzigen, welche kein Wesen kränkten.
Digitized by Google
Adhyftya 263 (B. 262).
425
20. Die ewige Verpflichtung [des Wohlwollens] ist ver-
loren gegangen und durch den guten [asketischen] Wandel
verdunkelt worden; (9300.) durch diesen wurden Vedakundige,
Asketen und Gewaltige verwirrt.
21. Allerdings mag durch den guten Wandel ein ver-
ständiger Mensch leicht zur Pflichterfüllung gefuhrt werden,
<936i.) aber nachdem er durch die Guten [und ihr Vorbild]
zur Selbstbezähmung gelangt ist, mufs er truglosen Geistes
wandeln.
22. Wie in der Welt ein Stück Holz im Flusse zufällig
fortgeschwemmt wird (9362.) und zufällig mit irgendeinem
andern Holze sich zusammenfindet.
23. und .wie sich dann an diese wechselseitig andere
Baumstämme festklammern (9363.) mit Stroh und Holz und
allerlei Abfall, blindlings und beliebig, [so ist es mit der
Tradition des guten Wandels bestellt].
24. Vor wem niemals und in keiner Weise irgendein
Wesen zittert, (9364.) der erlangt für alle Zeit, o Muni, Furcht-
losigkeit vor allen Wesen.
25. Vor wem sich aber alle Welt fürchtet wie vor einem
Wolfe (9365.) oder wie vor einem Gebrüll alle Wassertiere,
wenn sie dem Ufer nahen, [der erlangt auch für sich keine
Furchtlosigkeit].
26. Somit ist nur jene Lebensführung [der Schonung
aller Wesen], mag sie herrühren, wovon sie will, (93<;e.) die-
jenige, welche Freunde erwirbt, Reichtum erwirbt, glück-
bringend und die höchste ist.
27. Darum werden sie [die dieser Lebensführung huldi-
gen] in den Lehrbüchern gepriesen von den Weisen, (»sei.) um
des Ruhmes willen von ihnen, welche wenig vom Zweifel ge-
quält werden, scharfsinnig und vollkommen klar denkend sind.
28. Durch alle Askese, Opfer und Gaben und weisheits-
volle Reden (9368.) erreicht man hienieden nicht mehr, als
was man als Frucht der Furchtlosigkeitsgewährung erlangt.
29. Wer in der Welt allen Wesen die Opfergabe der
Furchtlosigkeit spendet, (9369.) der ist so gut, als wenn er
alle Opfer darbrächte, und der erlangt als Opfergabe die Furcht-
losigkeit.
Digitized by Google
426
III. Moksbadharina.
30. Es gibt keine edlere Pflicht als die Schonung fdhiiisä)
der Wesen. (»370.) Vor wem niemals und in keiner Weise
irgendein Wesen zittert, der erlangt Furchtlosigkeit vor allen
Wesen, o grofser Muni.
31. (9371.) Vor wem alle Welt zittert wie vor einer ins
Haus geschlüpften Schlange, der erlangt nicht die Pflicht-
erfüllung, weder hienieden noch im Jenseits.
32. (Ü372.) Wer als einer, dem alle Wesen zum eigenen
Selbste geworden sind, auf alle Wesen hinblickt, an dessen
Weg werden auch die Götter irre, verfolgend des Spur-
losen Spur.
33. (9373.) Die Gabe der Furchtlosigkeit der Wesen er-
klären sie unter allen Gaben als die höchste,, das sage ich
dir als die Wahrheit, glaube es mir, o Jajali.
34. («374.) Einundderselbe, der zum Glück gelangt ist,
kann auch wieder unglücklich werden, und wenn die Leute
den Verfall seiner Verhältnisse sehen, dann wenden sie sich
jedesmal von ihm ab.
35. (»37&.) Allerdings ist die Pflicht nicht ohne Grund,
aber sie ist schwer zu verstehen, o Jajali ; um des Gewordenen
und Künftigen [Irdischen und Himmlischen] willen erfolgte
hienieden die Verkündigung der Pflicht.
36. (»376.) Wegen ihrer Schwerverständlichkeit kann die
vielfach widerspruchsvolle Pflicht nicht erkannt werden, und
nur, indem man zwischendurch [während ihres Studiums]
andere Lebensführungen ins Auge fafst, wird sie [durch den
Gegensatz] erkannt.
37. (9377.) Die, welche [jungen Stieren] die Hoden aus-
schneiden und die Nasenwände durchbohren [um sie zu
lenken], mit ihnen grofse Lasten fahren, sie ihnen aufbinden
und sie zähmen
38. (9378.) und lebende Wesen töten und verspeisen, wie
solltest du die nicht tadeln? Ja sogar den Menschen macht
der Mensch zum Sklaven und nutzt ihn aus
39. (9379.) und zwingt ihn durch Schläge, Fesseln und Ge-
fangenschaft, Tag und Nacht zu arbeiten! Und durch sich
selbst weifs er doch, wie schmerzlich Schläge und Fesseln sind.
40. (9380.) In den mit fünf Sinnesorganen ausgestatteten
Digitized by Google
Adhyaya 263 (B. 2«2).
427
Wesen wohnt jede Gottheit : die Sonne [im Auge], der Mond
[im Mauas], der Wind [im Tastsinn], Brahman, Präna, Kratu
und Yama [in anderen Organen].
41. (9381.) Wenn man diese noch bei Lebzeiten verkauft,
wie sollte man Umstände mit ihnen machen, wenn sie tot
sind ! Der Ziegenbock ist Agni, der Widder ist Varuna, das
Pferd ist Sürya, die Erde als Viräj
42. (9382.) ist die Kuh und ihr Kalb ist der Sorna; wer so
etwas verkauft, kann nicht glücklich werden. Aber welches
[Bedenken] könnte bestehen beim Verkauf von Sesamöl und
zerlassener Butter, o Brahmane, von Honig und Kräuter-
säften V
43. (9383.) Da wachsen die Tiere fröhlich auf in einer
Gegend, wo es keine Bremsen und Fliegen gibt, und ob-
gleich der Mensch weifs, wie lieb sie ihren Müttern sind,
kommt er oft
44. (9384.) und führt sie fort in Gegenden voll Bremsen
und Schmutz, und andere wieder schmachten als Jochtiere,
gegen die göttliche Ordnung durch Ziehen gequält.
45. (9385.) Ich sollte denken, sogar die Embryotötung ist
nicht schlimmer als so etwas. Das Pflügen des Ackers hält
man für etwas Gutes, und doch ist auch das ein grausames
Geschäft.
46. (9386.) Denn das Pflugholz mit eiserner Spitze vorletzt
die Erde und was in ihr lebt. Und dann denke auch an die
angespannten Ochsen, o Jäjali!
47. (9387.) Aghmjä (die Nicht-zu-Tötende) wird ja die Kuh
genannt, wer darf sie also töten ? Ja, eine grofse Unbill ver-
übt, wer einen Stier oder eine Kuh opfert.
48. (9388.) Das war es ja auch, was die Weisen und
Büfser dem Nahusha vorhielten: Du hast eine Kuh und so-
gar eine Mutterkuh getötet und einen Stier, eine Verkörperung
des Prajapati.
49. (9389.) Eine Untat hast du verübt, o Nahusha, wir
werden durch dich zu leiden haben. Hundert und eine Krank-
heit haben sie über die Wesen gebracht.
50. (9390.) Diese unter den Untertanen hochbedeutenden
Rishi's, o Jäjali, nannten den Nahusha einen Embryo-
Digitized by Google
f
428 III. Mokshadharma.
töter und erklärten, dafs sie seinen Opfertrank nicht opfern
könnten.
51. (9391.) So sprachen sich alle jene hochherzigen, das
Wesen der Dinge erkennenden, durch Askese beruhigten
Weisen und Büfser aus und hielten es ihm vor.
62. (9392.) Diese unseligen, greulichen Bräuche, wie sie
auf dieser Welt geübt werden, o Jäjali, verurteilst du nur
darum nicht, weil sie als guter Wandel überliefert sind.
53. (9393.) Vom Grunde aus soll man die Pflicht erforschen
und nicht dem überlieferten Wandel der Leute folgen. Und
auch das merke dir, o Jajali: Mag einer mich schlagen oder
mag er mich loben,
54. (9394.) beides gilt mir gleich, es gibt für mich nichts
Liebes und Unliebes. Das ist die Pflichterfüllung, welche
-die Weisen rühmen.
55. (9396.) Denn sie beruht auf gutem Grunde und wird
von den Selbstbezwingern hochgehalten, welche immerfort in
-der Pflichterfüllung sich übten, und von dem Verständigen
wird sie beobachtet.
So lautet Im Mokibadharma die Unterredung zw liehen Tuladhara und Jajali
( TulMhdra - J^ali ■ $a,nr4H<t).
Adhy&ya 264 (B. 263).
Vers 9396-0441 (B. 1-42).
Jäjali sprach :
1. (9396.) Diese Pflichterfüllung, wie du sie mit der Krämer-
wage in der Hand empfiehlst, würde den Eingang zum Himmel
und auch das Leben der Geschöpfe unmöglich machen.
2. (93»7.) Durch das Pflügen des Ackers wird Nahrung
-erzeugt, und von der lebst auch du ; von Viehzucht und Kräu-
tern leben die Menschen, o Krämersohn.
3. (9398.) Und da durch das Genannte erst das Opfer mög-
lich wird, so redest du sogar der Ungläubigkeit das Wort,
und auch diese Welt könnte nicht bestehen, wenn sie auf
den Erwerb ganz und gar verzichtete.
i
Digitized by Google
Adhyaya 264 (B. '263).
Tuladhara sprach:
4. (9399.) Ich will dir sagen, wie die Geschöpfe leben
können, und von Ungläubigkeit kann bei mir keine Rede
sein, o Brahmane. Ich tadle das Opfer auch gar nicht, aber
einer, der sich auf das Opfer versteht, ist schwer zu linden.
f>. (9400.) Ich verehre, o Brahmane, das Opfer und die,
welche sich auf das Opfer verstehen, aber die Brahmanen
haben das ihnen geziemende Opfer aufgegeben und haben
sich dem Kshatriya- Opfer ergeben,
(5. (9401.) einem Opfer, o Brahmane, welches von Hab-
gierigen und nur auf den Gewinn sehenden Ungläubigen auf-
gebracht wurde, welches aus Unkenntnis der Vedaworte nur
scheinbar wahr, in Wirklichkeit unwahr ist.
7. (9402.) Dies mufs man geben und das mufs man geben,,
so heifst es, und ein solches Opfer wird gelobt; darum artet
es zur Dieberei und zur Unart aus, o Jüjali.
8. (9403.) Die Götter haben ihre Freude nur an einem
Opfer, welches in rechter Weise dargebracht wird, nämlich
mit Verehrung als Opferspeise und mit Vedastudium als
Kräutersäften. (9404.) Denn man soll die Götter so verehren*
wie es der Schriftkanon vorschreibt.
9. Durch Opfer und fromme Werke schlechter Menschen
wird nur eine untüchtige Nachkommenschaft erzielt, (9405.) von
Habgierigen wird nur ein Habgieriger erzeugt, von Billig-
denkenden nur ein Billigdenkender.
10. Wie die Opferherren und die Priester selbst sind
[doch wohl ätmanah zu lesen], so sind auch ihre Nachkommen ;
(9406.) aus dem Opfer entspringt die Nachkommenschaft, wie
reines Wasser aus der \Y r olke.
11. Der in das Feuer gegossene Opfertrank, o Brahmane,
geht hinauf zur Sonne, (9407.) aus der Sonne stammt der
Regen, aus dem Regen die Nahrung, aus ihr die Nach-
kommenschaft.
12. Darum haben die festgegründeten Altvorderen alle
ihre Wünsche erlangt, (9408.) ungepflügt liefs die Erde ihre
Früchte reifen, durch die blofsen Gebete gediehen die Pflanzen r
13. aber damals fafsten sie weder für das Opfer noch
für sich selbst einen Uohn ins Auge. (9409) Diejenigen hin-
Digitized by Google
III. Mokshadharina.
gegen, welche ihr Opfer mit Besorgnis um die Frucht dar-
bringen,
14. werden als schlechte Menschen, als Bösewichter, Hab-
gierige, nach Reichtum Trachtende geboren. (9410.) Der geht
wegen seines schlechten Werks in die Welten der Übel-
täter ein,
15. welcher aus Mangel an einer Richtschnur sich eine
schlechte Richtschnur schafft; (ein.) und er ist allezeit hie-
nieden von schlechtem Charakter und mangelhafter Erkennt-
nis, 0 Bester der Brahmanen.
16. Wenn von Gebotenem die Rede ist, so ist sich der
Brahmane ohne Scheu bewufst, dafs es nur Gebotenes ist:
(9412.) als Brahmane verharrt er in der Welt und wendet sich
nicht wieder der Befolgung von Gebotenem zu.
17. Freilich haben wir [im Veda] vernommen, dafs ein
untugendhaftes Werk höher stehe, (9413.) nämlich eine Tötung
aller möglichen Wesen und die Erzwingung einer Frucht der
Werke.
18. Das Opfer der Wahrheit, das Opfer der Selbst-
bezähmung, das ist das Opfer, welches alle der Habgierigen
und der Habe satten, (»414.) auf das Gewordene verzichtenden,
selbstlosen Menschen darbringen.
19. Das Wesen von Leib und Seele fishctrajna) er-
kennend und bei dem ihnen geziemenden Opfer verharrend,
(9415.) studieren sie den über das Brahman belehrenden Veda
und erfreuen dadurch auch die anderen.
20. Alle Gottheit ohne Ausnahme ist Brahman und ruht
in Brahman, (94ie.) und wenn einer, o Jäjali, [im Pranagni-
hotram, vgl. Chänd. Up. 5,19 fg.] sich sättigt, mag er dabei
satt werden oder nicht, so haben die Götter an ihm ihre Freude.
21. Wie einer, der an allem Wohlgeschmack satt ge-
worden ist, nach nichts mehr verlangt, (9417.) so wird dem,
welcher sich an der Erkenntnis gesättigt hat, eine beglückende,
ewige Sättigung zuteil [vgl. Ev. Joh. 4,14].
22. Solche sind Träger der Pflicht, freuen sich der Pflicht
und sind über alles zur Entschiedenheit gelangt. (9416.) Uns
ist in Wahrheit das Gröfsere eigen, so sprechend blickt der
Weise auf die Welt.
Digitized by Google
Adhyäya 2f>4 (B. 263).
431
23. Manche, das Wissen erkennend und das jenseitige
Ufer erstrebend, (9419.) das vollkommene Heiligkeit verleihende,
heilige, von heiligen Geschlechtern bewohnte,
24. wohin gelangt, sie nicht mehr trauern, nicht mehr
wanken und unerschüttert bleiben, (tuao.) solche Sattvahaften
erlangen schon hienieden jene Stätte des Brahman.
25. Sie verlangen nicht nach dem Himmel, sie bringen
nicht Prunk und Reichtum zum Opfer dar, (9421.) sondern sie
wandeln den Pfad der Guten und bringen als Opfer die
Schonung aller Wesen.
2*i. Sie wissen Bescheid mit Bäumen und Kräutern, mit
Früchten und Wurzeln (9422.) und lassen nicht gierig und
nach Lohn verlangend durch diese Opferpriester opfern.
27. Indem sie die ihnen geziemende Sache betreiben,
vollbringen sie wieder als rechte Zwiegeborene das Opfer,
(9*23.) in ihren Werken fest bestimmt durch den Wunsch,
den Kreaturen Wohlwollen zu erweisen.
28. Darum sind es nur die Gierigen, welche durch die
Opferpriester, diese häfslichcn Menschen, opfern lassen;
(9424.) wer aber die ihm geziemende Pflicht beobachtet, der
sichert sogar seinen Nachkommen [einen Platz] im Himmel.
Das ist meine Meinung, o Jujali, die ich unabänderlich überall
vertrete.
21). (9425.) Dasjenige, was hienieden in den Opfern dar-
gebracht wird, [durch das] steigen allezeit die weisen Besten
der Zwiegeborenen auf jenem Götterpfade empor, o grofser
Muni,
30. (942»;.) und der eine kehrt auf diesem wieder zurück
[was freilich nach den Upanishad's unmöglich ist], aber für
den Weisen gibt es auf ihm keine Rückkehr.
31. (9427.) Für solche [Weise] schirren sich die Ochsen
\anaduhuh als Nominativ] von selbst an und ziehen den Wagen,
die Kühe geben ihre Milch von selbst durch die Zauberkraft
des im Manas gehegten Wunsches,
32. (9428.) und ebenso erlangen sie von selbst den Opfer-
pfosten und opfern, indem der Opferlohn sich von selbst ein-
stellt; wer in dieser Weise seinen Atman bereitet hat, der
mag sogar eine [nur gedachte] Kuh opfern.
Digitized by Google
432
III. Mokshadharnia.
33. (9429.) Darum mögen, o Brahmane, solche Menschen
in dieser Weise nur Pflanzen opfern, nachdem sie vorher zur
Entsagung gelangt sind. Einen solchen will ich dir ver-
kündigen :
34. (9430.) Wer ohne Wunsch und ohne Vorhaben, ohne
Verehrung und Preisung ist, fortlebend, ohne dafs sein Werk
fortlebt, den erkennen die Götter als einen Brahmanen an.
35. (9431.) Wenn er, nicht den Veda lehrend, nicht opfernd
und nicht einmal den Brahmanen spendend, die von ihm er-
wünschte Verhaltungsweise anstrebt, welchen Weg geht er
dann, o Jäjali ? (9432.) Er wird, dieses Verhalten zur Gottheit
einschlagend, das seinem Opfer Entsprechende erlangen.
Jäjali sprach:
36. (9433.) Von den W eisen vernehmen wir nicht die
Wahrheit, dich frage ich nach ihr, o Krämersohn, eine
schwierige Sache ist es. Die alten Rishi's haben sich
nicht darum gekümmert, und auch in der Folgezeit haben
die Weisen diese Sache nicht festgestellt.
37. (9434.) Wenn bei einem aus freien Stücken die Opfer-
tiere sich zum Opferfeste einstellen, welches ist denn dabei
sein Verdienst, wodurch er das Glück erlangen soll? (9435.) Das
sage mir, o Weiser, ich schenke dir vollen Glauben.
Tulädhara sprach:
38. (9436.) Mag man es Opfer oder nicht Opfer nennen,
jene Tiere verdienen es nicht, geopfert zu werden ; nur durch
ihre Butter, Milch und saure Milch, namentlich wenn sie in
vollem Gusse gespendet werden, (9437.) sowie durch Haare,
Horn und Hufe bringt die Kuh [auch ohne geschlachtet zu
werden] das Opfer zustande.
30. Und wenn er so verfährt, so zieht er dadurch die
Gattin [auch wenn keine solche vorhanden ist] heran und
stellt sie an. (9433.) Indem er das wünschenswerte Verhalten
zur Gottheit einschlägt, wird er das seinem Opfer Entsprechende
erlangen (vgl. Vers 9432).
40. Denn von dem Opferkuchen heifst es ja, dafs er vor
Digitized by Google
Adhyäya 264 (B. 263).
433
allen Tieren opferwürdig sei. (H43!<.) Alle Flüsse sind [ebenso
heilig wie] Sarasvati und alle Berge sind heilig,
41. und der Atman ist der geweihte Boden, o Jajali,
andere Gegenden brauchst du nicht zu besuchen. (i»44o.) Wer
diese so beschaffenen Pflichten befolgt, o Jajali, und die Pflicht
von Grund aus erforscht, der erlangt schöne Welten.
Bhishnia sprach:
42. (9*41.) Diese so beschaffenen Pflichten empfiehlt Tula-
dhära an, sie, welche durch Gründe gestützt allezeit von den
Guten befolgt werden.
So lautet Im Moktbadharma die Unterredung zwischen Tuladhara und .lajali
(Tutätlhdra - Jtijali - »cnntdHa)
AcUiyftya 265 (B. 264).
Vers 9442-9466 (B. 1-23).
Tuladhara sprach:
1. is»442.) Diesen Weg, mag er nun von Guten oder Nicht-
Guten eingeschlagen sein — es soll dir recht anschaulich
gemacht werden — den wirst du erkennen nach seinem Wesen.
2. (0443.) Du siehst diese Vögel, wie sie überall umher-
fliegen, es sind die auf deinem Haupte geborenen, sowie
Falken und andere Arten.
3. (»444.) Rufe sie herbei, o grofser Brahmane, wie sie
hier und dort sich niedersetzen; siehe, wie sie dabei Flügel
und Füfse von allen Seiten an ihren Leib anschmiegen.
4. (»445.) Von dir wurden sie grofsgezogen und nun be-
grüfsen sie dich als Vater, denn du bist doch unzweifelhaft
ihr Vater, da du sie als deine Kinder herbeirufst, o Jajali.
Bhishnia sprach:
f>. (»446.) Da geschah es, dafs die von diesem Jajali her-
beigerufenen Vögel in Worte ausbrachen, um die Pflicht zu
erklären.
Data»*», Mahabbaralara. 28
Digitized by Google
434
III. Mokshadharma.
6. (9447.) Das ohne Nicht -Tötung [lies: anahiitsd] unter-
nommene Werk tötet hienieden und im Jenseits den Glauben
ftraddhä), o Brahmane, und dieser, wenn getötet, tötet den
Menschen.
7. (9448. ) Wenn Billigdenkende, Gläubige, Bezähmte, Wohl-
verständige opfern, das heifst ein wahres Opfer; dies Opfer
ist nie unerwünscht.
8. (9449. ) Diese QYaddhä (der Glaube), von Vivasvant
stammend, ist die Tochter der Sonne, o Z wiegeborener, sie
ist fördernd und nachkommen verleihend, ist erhaben (bahis)
über Worte und Gedanken.
9. (9450.) Die (/raddhä schützt, was aus der Rede ent-
springt und was aus dem Manas entspringt, o Bharata; was
aus der C,Yaddha entspringt, schützt Rede und Manas, das
Werke kann beide nicht schützen.
10. (9451.) Darüber sagen die Weisen der Vorzeit in Lie-
dern, die von Brahmanen gesungen wurden : W T enn einer rein
und ungläubig war, oder gläubig und unrein,
1 1. (9462.) so erachteten die Götter die Darbringung beider
beim Opfer für gleichwertig. Wenn einer schriftkundig und
knauserig oder freigebig und ein Wucherer war,
12. (9453.) so legten die Götter, nachdem sie beides er-
wogen, beider Opferspeisen gleichen Wert bei. Da aber
sprach Prajapati zu ihnen: Das heifst nicht recht verfahren.
13. (9454.) Durch Glauben geläutert ist die Gabe des
Freigebigen und die des andern ist verwerflich, weil ihm
der Glaube fehlt; darum mögt ihr die Opferspeise des Frei-
gebigen entgegennehmen, die Opferspeise des Knauserigen
und Wucherers aber nicht.
14. (9465.) Denn dieser ist in Wahrheit ungläubig und
nicht würdig, den Göttern Opfer zu bringen; seine Opfer-
gabe dürft ihr nicht annehmen, wie es auch die Kenner der
Pflicht erkannt haben.
15. (9456.) Der Unglaube ist das höchste Übel, der Glaube
erlöst vom Übel, der Gläubige streift das Übel ab, wie eine
Schlange ihre alte Haut.
16. (9457.) Die Abkehr [vom Übel], verbunden mit dem
Digitized by Google
Adhyäva 205 (B. 2G4).
435
Glauben, ist das vornehmste Sühnemittel; wer seine Charak-
terfehler abgelegt hat und dabei gläubig ist , der ist ge-
läutert.
17. (!U58.) Wozu braucht er Askese, wozu den guten
Lebenswandel, wozu den Atman : Aus Glaube besteht der
Mensch, wie einer glaubt, so ist er (vgl. oben, S. 97).
18. (0459.) Damit ist, was Pflicht ist, erklärt von Guten,
den Sinn der Pflicht Erkennenden, und wir, die wir danach
forschten, sind zum Ziele gelangt und haben die Pflicht
erkannt.
19. mm.) Erwirb Glauben, o grofser Weiser, und du wirst
dadurch das Höchste erlangen ; der Gläubige ist vom Glauben
beseelt und ist die [verkörperte] Pflicht, o Jajali, (9461.) und
auf seinem Wege beharrend, ist er von höchster Würde,
o Jajali.
Bhishma sprach :
20. mc2.) Darauf sind nach geraumer Zeit Tulädhära und
auch der andere als grofse Weise zum Himmel emporgestiegen
und werden dort sich der Seligkeit erfreuen,
21. (9463.) nachdem sie den jedem von ihnen zukommen-
den, durch ihre Werke erworbenen Ort erreicht haben. So
also war die inhaltreiche Rede des Tulädhära.
22. (9464.) Damit ist die ewige Pflicht vollständig erkannt
und ausgesprochen worden, und jener Brahmane, nachdem
er die Reden dieses durch seine Tüchtigkeit berühmten
23. (946:,.) Tulädhära gehört hatte, ist, o Kuntisohn, zum
Frieden eingegangen. So also geschah die gedankenreiche
Rede des Tulädhära, (9466. i vermittels einer gleichnisweisen
Belehrung. Was willst du nun weiter hören?
So lautet im Mokshadharma <li« Unterredung zwischen TulAdhara und Jajali
(Tulädhära ■ Jdjctli - »<jv,ed-ta,.
Digitized by Google
436
III. Mokßhadhanna.
Adhyäya 266 (B. 265).
Vers 9467-9480 (B. 1-14).
Bhlsbma sprach:
1. (9*67.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich das, was aus Mitleid mit den Kreaturen
von dem König Vicakhyu (mit C; B. Vicakhnu) gesungen
wurde.
2. (9468.) Als dieser König gesehen hatte, wie dem Stiere
die Gebeine zerschlagen wurden und die Kühe laut jammerten,
und wie der Fürst wahrnahm, dafs bei der Stierschlachtung
auf dem Opferplatze
3. (9469.) sodann der Ruf laut wurde : „Heil sei den Kühen
in aller Welt" — denn wenn die Schlachtung vor sich geht,
ist dieser Segenswunsch vorgeschrieben — , [da sprach er:]
4. (947o.) Nur von mafslosen, betörten, ungläubigen, zweifel-
behafteten und obskuren Menschen ist die Tiertötung verherr-
licht worden.
5. (9471.) Denn der von Pflichtbewufstsein erfüllte Manu
hat befohlen, bei allen Werken nicht zu töten. Nur aus
eigenem Gelüste töten die Menschen auf dem Vorplatze der
Vedi die Tiere.
6. (9472.) Aus diesem Grunde mufs von dem Kundigen
die schwer erkennbare Pflicht befolgt werden; die Schonung
aller Wesen steht höher als alle anderen Pflichten.
7. (9473.) Wer durch Fasten sein Gelübde geschärft hat,
der geht ab von den im Veda gegebenen Vorschriften [und
sagt:] der Brauch ist ein Mifsbrauch, erbärmlich sind, die
sich von der HofTnung auf Lohn treiben lassen.
8. (9474.) Wenn die Menschen in Hinblick auf Opfer, hei-
lige Bäume und Opferpfosten nur beliebiges [nicht vom Opfer
herrührendes] Fleisch zu essen vermeiden, so ist dieser Brauch
nicht zu loben.
9. (9475.) Branntwein, Fische, Honig, Fleisch, Rum und
Sesamreis [zu geniefsen], das ist von Nichtswürdigen ein-
geführt worden und nicht in den Veden zugelassen.
Digitized by Google
i
Adhväya 266 (B. 265).
437
10. (9476.) Aus Hochmut, Verblendung und Begierde ist
das Gelüste nach solchen Dingen aufgekommen. Aber Brah-
manen sehen in allen Opfern nur den einen Vishnu,
11. (9477.) und dessen Opfer geschieht nach der Über-
lieferung nur mit Milchspenden und Blumen, und wenn etwa
noch opferwürdige Bäume dafür im Veda vorgesehen sind,
12. (9478.) oder was sonst noch an wohlgeweihten Dingen
von Lauteren, sehr Tüchtigen mit reinem Herzen dargebracht
werden mag, alles das ist des Gottes würdig.
Yudhishthira sprach:
13. (9479.) Das leibliche Bedürfnis und Notfälle erheben
Einspruch gegen die, welche nicht töten wollen; wie kann,
ohne dafs man dergleichen unternimmt, der Unterhalt des
Körpers vonstatten gehen?
Bhishma sprach:
14. (9480.) Damit der Körper nicht hinwelke und damit
er nicht der Gewalt des Todes anheimfalle, mag man sich
in seinem Tun dementsprechend verhalten und nach Kräften
die Pflicht erfüllen.
S<> lautet im Mokohadharma der Sang det Yicakhyu
(Y,cakh V u. u itd).
Adhyftya 207 (B. S6G).
Vers 9481-1)558 (B. 1-78).
Yudhishthira sprach:
1. (9481.) Wie soll man ein vorliegendes Werk prüfen,
schnell oder langsam? Allezeit in unserer schwierigen Auf-
gabe warst du ja unser bester Lehrmeister.
Bhishma sprach:
2. (9482j Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich was ehemals dem Cirakäri[n] aus dem
Stamme des Angiras begegnet ist.
Digitized by Google
438 i III- Mokshadharma.
3. (9483.) 0 Saumseliger fcirakärika) , Heil sei dir, Heil
sei dir, o Saumseliger, denn Cirakärin (der Saumselige), der
Verständige, versündigt sich nicht in seinem Tun.
4. (9484.) Der sehr verständige Cirakärin war ein Sohn
des Gautama und ging bei allen Geschälten erst zu Werke,
nachdem er die Sachen lange überlegt hatte.
5. (9485.) Er pflegte die Sachen lange zu überlegen, lange
im Wachen und lange im Schlafe, lange, wenn ihm ein Auf-
trag gegeben wurde, darum nannte man ihn Cirakärin.
6. (9486.) Weil er träge war beim Angreifen einer Sache,
wurde er auch beschränkt genannt von einem leichtsinnigen,
kurzsichtigen Menschen.
7. (9487.) Mit Übergebung der anderen Söhne wurde er
von seinem erzürnten Vater beauftragt, seine Mutter infolge
eines bestimmten Fehltrittes zu töten.
8. (9488.) Und nachdem der weise Gautama, der Beste
der Murmler, ihm diesen Befehl erteilt hatte, ging der Mäch-
tige ohne weitere Überlegung in den Wald.
9. (9489.) „So sei es", antwortete langsam, wie es seine
Art war, der langsam handelnde Sohn, und indem er seiner
Langsamkeit entsprechend die Sache überdachte, verfiel er
darüber in langes Sinnen:
10. (9490.) Wie kann ich den Befehl des Vaters ausführen?
Wie kann ich es vermeiden, die Mutter zu töten ? Wie kann
ich es verhindern, dafs ich dabei als schlechter Mensch in
eine Pflichtübertretung verfalle?
11. (9491.) Der Befehl des Vaters ist höchste Pflicht, aber
Naturpflicht ist es, die Mutter zu schützen, ein Sohn ist nicht
frei in seinem Handeln, wie mache ich es, dafs mich nicht
hinterher die Reue quält.
12. (9492.) Wer ein W r eib und noch dazu seine Mutter
getötet hat, wie kann der je wieder froh werden! Und wer
seinen Vater mifsachtet, wie kann der zu Ansehen ge-
langen !
13. (9493.) Den Vater nicht zu mif sachten geziemt sich,
und die Mutter zu beschützen ist Gesetz ; beide Pflichten sind
als auferlegte berechtigt, wie ist es möglich, dafs die Sache
mich nicht in Verlegenheit bringt?
Digitized by Google
Adhyäya 2G7 (B. 260).
439
14. (9*94.) Der Vater legt bei der Zeugung sein Selbst in
die Gattin, so heifst es (Ait. Up. 2, 1-2), um Charakter, guten
Wandel und Geschlecht und seine Familie fortzuführen.
15. (9495.) Ich selbst bin als Sohn vom Vater und auch
wiederum von der Mutter geschaffen worden, wie sollte ich
mir dessen nicht bewufst sein! Erkenne ich doch beide als
meinen Ursprung an.
IG. (949C.) Was der Vater bei der Geburtszeremonie und
beim Upakarman [Zeremonie nach der Heimkehr vom Lehrer
NU.] gesprochen hat, dessen Bestätigung besteht in der Ge-
wifsheit der väterlichen Autorität.
17. (9497.) [Was] der Lehrer [sagt] ist die oberste und
höchste Pflicht, weil er sich mit Pflege und Belehrung be-
fafst, und was der Vater sagt, ist ebenfalls Pflicht, welche
auch in den Veden eingeschärft wird.
18. (9498.) Der Sohn ist für den Vater eitel Freude, und
der Vater ist für den Sohn alles, denn der Vater allein ver-
leiht ihm den Leib und alles, dessen er bedarf.
19. (9499.) Darum ist das Wort des Vaters auszuführen
und niemals dabei zu zaudern; auch von Sünden wird ge-
reinigt, wer die Gebote des Vaters erfüllt.
20. (9500.) Beim Geniefsen, beim Essen, beim Studium,
bei Belehrung über weltliche Dinge, sowie beim Verkehr mit
dem Gatten und bei der Scheitelziehungszeremonie [gewöhn-
lich im vierten Monat der Schwangerschaft]
21. (9501.) ist der Vater das Gesetz, ist der Vater der
Himmel, ist der Vater die höchste Askese; wenn der Vater
Freude hat, dann freuen sich alle Gottheiten.
22. (9502.) Alle jene [bei den Zeremonien gesprochenen]
Segenswünsche beglücken einen Menschen, wenn sie der
Vater spricht, und eine Befreiung von allen Sünden ist es,
wenn der Vater seine Zufriedenheit äufsert.
23. (9603.) Die Blume wird vom Stengel fahren gelassen und
die Frucht vom Baume, der Vater aber, auch wenn er den Sohn
aus Liebe züchtigen mufs, so läfst er ihn doch niemals fahren.
24. (9504.") Damit wäre also die Autorität d»»s Vaters über
den Sohn durchgedacht, der Vater ist kein geringes Moment,
nun aber mufs ich auch an die Mutter denken.
Digitized by Google
440
III. Mokshailharma.
25. (9506.) Dieses mir gehörige Körperaggregat, welches
seinem sterblichen Teile nach aus den fünf Elementen be-
steht, hat als Ursache meine Mutter, wie das Feuer als Ur-
sache das Reibholz hat.
26. (9506.) Die Mutter ist das Reibholz für den Leib des
Menschen und ist ein Glück für jeden in seiner Not. Wer
eine Mutter hat, der hat eine Beschützerin, und ohne Be-
schützerin ist, wer sie nicht hat.
27. (U607.) Der braucht nicht zu klagen, den bringt das
Alter nicht herunter, wer, auch vom Glück verlassen, wenn
er nach Hause kommt „Mutter!" sagen kann.
28. (9608.) Wenn einer auch Söhne und Enkel hat und
zu seiner Mutter kommt, der, und wäre er hundert Jahre alt,
naht ihr wie ein zweijähriges Kind.
29. (9500.) Mag einer tüchtig sein oder untüchtig, mag er
kränklich sein oder gesund, die Mutter ist es immer, welche
den Sohn behütet, keinen andern Pfleger hat er nach der
Naturordnung.
30. (95io.) Dann ist er alt geworden, dann ist er elend
geworden, dann ist die W r elt für ihn leer, wenn er die Mutter
verloren hat.
31. (95ii.) Der Mutter kommt kein kühlender Schatten
gleich, der Mutter kommt keine Zuflucht gleich, der Mutter
kommt kein Schutz gleich, der Mutter kommt keine an Liebe
gleich.
32. (9512.) Wegen des Tragens im Mutterleib heifst sie
dhätri (die Tragende), wegen des Gebärens heifst sie janani
(die Gebärende), wegen der Pflege der Glieder heift sie atnbd
[ein Lallwort wie Mama], weil sie Helden hervorbringt, heifst
sie virasü (Heldenmutter).
33. (9613.) Weil ihr die Kinder gehorchen, heifst die Mutter
fttrr« (etwa: der man gehorcht). Und ihren Leib sollte ohne
weiteres ein verständiger Mann, der kein Hohlkopf ist, töten ?
34. (9514.) Die Absicht, welche bei Verschlingung der
Lebenshauche der Eltern bestand, die [teilen] Vater und
Mutter; der erreichte Zweck fällt der Mutter zur Last.
35. (9615.) Die Mutter weifs, aus welchem Geschlechte, die
Mutter weifs, von wem einer ist; aus dem blofsen Tragen
Digitized by Google
AdhyAya 2H7 (B. 266).
441
im Leibe entspringt schon die Liebe der Mutter, dem Vater
liegt nur an der Nachkommenschaft.
36. (t»5i6.) Wenn die Männer aus freien Stücken die Ver-
bindung der Hände geschlungen und die gemeinsame Ehe-
pflicht eingegangen haben und dann davonlaufen, so haben
die Frauen nicht nötig, ihnen gute Worte zu geben.
37. (9517.) Weil er die Frau ernährt, heifst er der Er-
nährer, weil er über sie herrscht, heifst er der Herr, wenn
seine Tugend zunichte wird, dann ist er nicht mehr Ernährer
und auch nicht mehr Herr.
38. (9618.) In einem solchen Falle ist das Weib schuldlos
und nur der Mann schuldig, und auch wenn er die grofse
Sünde des Ehebruchs begeht, ist nur der Mann schuldig.
WX (9519.) Freilich steht für eine Frau ihr Gatte am
höchsten, er gilt für ihre höchste Gottheit, aber sie hat doch
einem seinem Selbste ähnlichen, gleichfalls höchsten Selbste
das Leben gegeben [anders Nil.].
40. (9520.) Die Frauen versündigen sich nicht, der Mann
ist es, der sich versündigt, denn weil bei allen derartigen
Händeln an ihnen gesündigt wird, sind die Frauen nicht der
sündigende Teil.
41. (9521.) Er, an den keine Aufforderung von Seiten des
Weibes zum Geschlechtsgenusse erging, der vielmehr seiner-
seits offen darauf die Rede brachte, er ist der schuldige Teil,
daran ist kein Zweifel.
42. (9522J Dafs ein Weib, und besonders eine Mutter, der
eine so hohe Würde zukommt, nicht getötet werden darf, das
dürften sogar die unvernünftigen Tiere begreifen.
43. (952a.) Man weifs. dafs der Vater für sich allein ein
Inbegriff von Göttern ist, der Mutter aber naht man als einer
solchen, die vermöge ihrer Liebe ein Inbegriff von Sterblichen
und Göttern ist.
44. (9524.) Während der Sohn in dieser Weise vermöge
seiner Saumseligkeit hin und her überlegte, war eine gar
lange Zeit verstrichen; — da kam sein Vater zurück.
45. (9525.) Der weise Medhatithi, der askesefeste Gautania T
hatte sich während dieser Zeit die Übertretung der Ordnung
durch die Gattin überlegt
Digitized by Google
442
III. Mokshadliarma.
46. (3526.) und sprach nun sehr bekümmert, indem er aus
Schmerz Tränen vergofs, da er dank seinem Vedastudium
und festen Charakter Reue empfand:
47. (9527.) Der Herr der drei W elten, der Städtezerstörer
(Indra) war zu meiner Einsiedelei gekommen und hatte, als
Gast auftretend, die Gestalt eines ßrahmanen angenommen.
48. (9528.) Ich gewann ihn durch freundliche Worte, ehrte
ihn durch den Willkommensgrufs und verhalf ihm vorschrifts-
raäfsig zur Gastspende und zum Fufswasser.
49. (9523.) Ich stehe ganz zu Diensten, so sprach ich, und
[erwartete], er werde sich infolgedessen freundlich zeigen,
und wenn dann etwas Unpassendes sich ereignet hat, so fällt
meinem Weibe der Fehltritt nicht zur Last.
50. (9530.) So trifft weder mein Weib noch mich, noch
den Wanderer, den Herrn der dreifsig Götter, ein Vorwurf
<ier Pflichtverletzung, sondern ein Vorwurf trifft nur meine
Unbesonnenheit.
51. (9531.) Darum sagen die das Keuschheitsgelübde Be-
folgenden, dafs Eifersucht zu Unheil führt, von Eifersucht aber
war ich befallen und in einem Ozean von Übeltat versunken.
52. (9532.) Ich habe sie getötet, die gute Frau, die leiden-
schaftlich geliebte, die ich als Gattin hätte schützen müssen,
wer hilft mir nun aus der Not!
53. (9533.) In einer Anwandlung von Schwäche habe ich
dem hochherzigen Cirakärin den Befehl erteilt; sollte er dies-
mal wirklich ein Cirakärin (Saumseliger) gewesen sein, so
könnte er mich vor dem Verbrechen bewahrt haben.
54. (9584.) 0 Saumseliger, Heil sei dir, Heil sei dir, o
Saumseliger, wenn du diesmal saumselig gewesen bist, so
trägst du deinen Namen Cirakärika mit Recht.
55. (9535.) Rette mich und die Mutter und den von mir
aufgesammelten Schatz von Askese und dich selbst vor Ver-
sündigungen, sei diesmal ein Cirakärika.
56. (9536.) Die Saumseligkeit ist dir vermöge deiner grofsen
Verständigkeit angeboren, so möge sie von Erfolg gewesen
sein, sei diesmal ein Cirakärika.
57. (9537.) Lange (ciram) wurdest du von deiner Mutter
ersehnt, lange in ihrem Leibe getragen, mache diesmal deine
Digitized by Google
I
Adhy&ya 207 (B. 26(5).
443
Langsamkeit erfolgreich als der Langsamhandelnde (Cira-
kärika).
58. (9538.) Mag er langsam handeln aus Kummer, mag
er lange über dem gewordenen Auftrage schlafen, wegen des
uns beide treffenden langen Kummers bedachtsam, o du Cira-
•kärika! [Dieser Vers ist in B. in Paranthesen eingeschlossen.]
59. (9539.) In dieser Weise von Schmerz erfüllt, o König,
sah der grofse Rishi Gautama seinen Sohn Cirakäri[n] sich
gegenüberstehen.
60. (9540.) Als aber Cirakarin, von tiefem Schmerze er-
füllt, seinen Vater erblickte, da warf er seine Waffe von sich
und näherte sich dem Vater gebeugten Hauptes, um ihn
gnädig zu stimmen.
61. (9541.) Als Gautama sah, wie sein Sohn sich mit dem
Haupte zur Erde neigte, und wie auch seine Gattin dastand
ohne Fassung [vor Scham versteinert, nach Nil.], geriet er
in grofse Freude.
62. (9542.) Fortan blieb diese Gattin nicht mehr von dem
nochherzigen geschieden, selbst wenn er in der Einsamkeit
seine Einsiedelei bewohnte, und ebenso sein besonnener Sohn.
63. (9543.) Töte sie, so hatte der Befehl gelautet, während
der Sohn mit der Waffe in der Hand gehorsam dagestanden
hatte, indes die Sache drängte und [der Vater] sich davon
machte, obwohl es doch seine Sache war.
64. (9544.) Und als er jetzt seinen Sohn sah, wie er sich
zu den Füfsen des Vaters neigte, da kam ihm die Einsicht:
Meinen Leichtsinn, zur Waffe zu greifen, macht er wieder
gut durch seine Furcht [vor den Folgen].
65. (9545.) Lange lobte ihn darauf der Vater, lange küfste
er ihn auf das Haupt, lange hielt er ihn in seinen Armen
und rief ihm zu: Mögest du lange leben.
66. (9&46.) So geschah es, dafs der hochweise Gautama,
von Liebe und Freude erfüllt, zum Grufse folgendes Wort
sprach :
67. (9547.) Heil sei dir, o saumseliger Cirakarin, bleibe
lange ein Saumseliger, weil ich dir als Saumseligem, o Trauter,
langezeit ein vor Schmerz Bewahrter sein werde.
Digitized by Google
444 HL Mokshadharma.
68. (itr»*8.) Und der weise Gautama, der Beste der Muni s,
sang Lobhymnen, welche die Tugend der Langsamhandeln-
den, Besonnenen feierten:
69. (9UB.) Langsam möge er den Freund an sich fesseln
und nur langsam den Gewonnenen aufgeben, denn der lang-
sam gewonnene Freund ist wert, lange festgehalten zu werden.
70. (9&5o.) Wer bei Liebe, Stolz, Hochmut, Betrug, Übeltat
und bei unangenehmen Aufträgen langsam handelt, der ist
zu loben.
71. (955i.) Wenn bei Verwandten, Freunden, Dienern und
Weibervolk ein Vergehen nicht klar zutage liegt, so ist es
löblich, langsam zu handeln.
72. (9552.) So wurde, o Bharata, dieser Gautama durch
diese Handlungsweise seines Sohnes, o Kurusprofs, dank
seiner Saumseligkeit erfreut.
73. (9. r >53.) So wird ein Mensch, wenn er in allen An-
gelegenheiten überlegt und nur langsam seinen Entschlufs
fafst, vor langer Reue bewahrt.
74. (9554.) Lange hält er mit dem Zorn an sich, lange
hält er mit der Tat zurück; dann wird kein Werk von ihm
vollbracht, das Reue nach sich ziehen kann.
75. (9655.) Lange sitze er zu Füfsen der Alten, lange ihnen
huldigend ehre er sie, lange betreibe er die Pflicht, lange
beschäftige er sich mit der Forschung.
76. (9566.) W T enn er lange den Weisen huldigt, lange die
Gelehrten besucht und lange sich selbst zügelt, so wird er
zu langdauernder Achtung gelangen.
77. (9557.) Und [so wie diese Rede] soll man auch die
Rede eines andern, wenn sie sich mit der Pflichterfüllung be-
schäftigt, nur langsam mitteilen, auch wenn man danach ge-
fragt wurde; dann wird man keine lange Reue erleiden.
78. (9558.) Nachdem der askesereiche Brahmane in jener
Einsiedelei noch viele Jahre lang seine Verehrung fortgesetzt
hatte, ist er zugleich mit seinem Sohne in den Himmel ein-
gegangen.
So lautet im Mokfhadbitrma die Geschichte von dem Saumseligen
(r,rakär,Ui-updU„jdnam)
Digitized by Google
Adhyäya 268 (B. 267).
44f>
AclhyAya 268 (B. 267).
Vers 9559-9595 (B. 1-36).
Yudhiahthira sprach:
1. Wie vermag ein König seine Untertanen zu
schützen, ohne dafs er irgendwie einmal [jemanden] hin-
richten läfst? Darnach frage ich dich, o Bester der Guten,
das erkläre mir, o Grofsvater.
Bhisbma sprach:
2. Obm.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Dyumatsena mit
dem Könige Satyavant.
3. (9561.) Noch nicht Ausgesprochenes sprach Satyavant
aus, so wird erzählt, als einige auf Befehl seines Vaters ab-
geführt wurden, um hingerichtet zu werden:
4. f»562.) Das Recht wird zum Unrecht und das Unrecht
zum Recht! Mag auch die Hinrichtung ein Recht sein, so
sollte doch dergleichen nicht geschehen.
Dyumatsena sprach:
5. iim:\.) Wenn die Hinrichtung ein Unrecht ist, wie kann
dann die Gerechtigkeit jemals bestehen? Wenn die Räuber
nicht getötet werden dürfen, o Satyavant, so würde Anarchie
die Folge sein.
(>. (9564.) „Dieses ist mein und jenes gehört ihm 4 *, [dies**
Scheidung] könnte im Kali -Zeitalter nicht bestehen, und
Handel und Wandel wäre unmöglich. Wenn du da Rat
weifst, so sage es uns.
Satyavant sprach:
7. (9565.) Alle die drei übrigen Kasten müssen der Brah-
manenkaste unterworfen sein, dann wird auch jeder andere,
der nicht den Fesseln des Gesetzes unterworfen ist, ebenso
wie sie handeln.
8. (9566.) Und wenn einer von ihnen sich vergehen sollte,
dann soll ihm ein Zwiegeborener zureden, und wenn dieser
Digitized by Google
44G
III. Mokühsulliurma.
sagt: der Mensch will nicht auf mich hören, so mag der
König strafend einschreiten.
9. (»567.) Was der Gesetzeskanon vorschreibt, ohne da/s
einer der Existenz beraubt wird, das mufs eingehalten und
nicht anders, nicht ohne Prüfung der Tat und der entsprechen-
den Gesetzesvorschrift verfahren werden.
10. (9668.) Der König tötet den Räuber, aber zugleich
mit ihm viele Unschuldige, denn zugleich mit dem Ver-
brecher werden Gattin, Mutter, Vater und Sohn mitbetroffen,
(9569.) darum möge der König, wenn sich einer gegen ihn
vergeht, die Sache sorgfältig überlegen.
11. Auch ein nichtguter Mensch kann mitunter einen
guten Charakter sich aneignen. (9570.) Von einem Guten, aber
auch von Nicht-Guten kann eine edle Nachkommenschaft er-
zeugt werden.
12. Man braucht nicht die ganze W urzel auszurotten,
das befiehJt kein ewiges Gesetz; (9571.) auch wenn man sehr
wenig von der Tötung Gebrauch macht, kann eine Sühnung
des Verbrechens erreicht werden.
13. Durch Einschüchterung, Gefangenschaft, Verstümme-
lung, (9572.) und Todesstrafe soll man sie nicht vor dem Ge-
richtshofe des Purohita quälen,
14. sondern wenn sie den Purohita angehen und um
Schutz bitten und sagen: (9573.) Wir wollen das Verbrechen
nicht wieder begehen, o Priester,
15. dann verdienen sie wohl losgelassen zu werden, das
ist das Gesetz des Schöpfers. (9574.) Aber sogar ein mit Stab
und Fell daherkommender kahlköpfiger Brahmane mufs [unter
Umständen] seine Züchtigung erhalten.
ltf. Ja, je höher einer steht, um so höher mufs die Strafe
sein. (9575. j Vergeht sich einer zu wiederholten Malen, so
darf er nicht freigesprochen werden, wie beim ersten Male.
Dyumatsena sprach:
17. (9576.) Soweit nur immer zu irgendeiner Zeit die
Untertanen [ohne Strafe] im Zaume gehalten werden können,
braucht das Gesetz nur in Erinnerung gebracht zu werden,
solange es nicht übertreten wird.
Digitized by Google
Adhyäya 268 (B. 267).
447
18. (i*577.) Soll aber die Todesstrafe gar nicht mehr ver-
hängt werden, so gerät alles in Verfall; freilich die früheren
und noch früheren Geschlechter waren noch leicht zu regieren ;
19. (9578.) sie waren milde, wahrheitsliebend, selten be-
trügend und selten zornig. Zuerst war schon das „Pfui!"
eine Strafe, ihm folgte als Strafe der Vorwurf.
20. (»579.) Oder es genügte auch eine Vermögens-
schmälerung als Strafe, heute aber herrscht die Todesstrafe,
und nicht einmal durch sie ist es möglich, niedrige Menschen
im Zaume zu halten.
21. (»580.) Ein Räuber hat keine Gemeinschaft mit den
Menschen, keine Gemeinschaft mit Göttern, Gandharven und
Manen : mit wem hätte er sie ? Er ist überhaupt kein Mensch
mehr.
22. (9581.) Er raubt die Lotosblume vom Leichenacker
und ist noch ein schlimmerer Dämon als ein Picäca; wer
möchte mit diesen Unwissenden und Geistbetörten Gemein-
schaft machen? [mit C]
Satyavant sprach:
23. (9582.) Wenn du durch Enthaltung vom Töten die
Guten nicht hinreichend schützen kannst, so mache ein Ende
[statuiere ein Exempel], indem du irgendeinen früher oder
später dingfest machst.
24. (9583.) Die Könige legen sich ja, um die Welt in Ord-
nung zu halten, die gröfste Askese auf, sie schämen sieh
solcher Übeltäter und darum benehmen sie sich so.
25. (9584.) Aus Angst und nicht zu ihrem Vergnügen töten
sie als Wohltäter [der Menschheit] die Bösewichter, denn
um ihnen wohlzutun regieren doch die Könige zumeist ihre
Untertanen.
26. (»585.) Und so folgt die Welt dem Beispiel des jedes-
mal Bessern, denn die Menschen richten sich immer nach
dem Vorbilde eines Lehrers.
27. (9586.) Wer sich selbst nicht im Zaume hält und andere
im Zaume halten will, wer den Dingen gegenüber ein Knecht
seiner Sinnlichkeit ist, den verlachen die Menschen.
28. (9587.J Wer aus Trug oder Torheit jte,j:en den König
Digitized by Google
44*
III. Moksliailliarma.
etwas Unangemessenes begeht, der ist durch alle Mittel in
seine Schranken zu weisen, dann läfst er vom Bösen ab.
29. (s»588.) Seiner selbst mufs zuerst Herr werden, wer
des Bösen Herr werden will, dann mag er weiterhin selbst
die nächsten Verwandten mit schweren Strafen belegen.
30. (9ö8jm Denn wo den gemeinen Übeltäter nicht grofses
Leiden trifft, da nehmen die bösen Taten überhand und die
Gerechtigkeit geht unfehlbar in die Brüche.
31. (9590.) So hat es ein mitleidvoller, weiser Brahmane
befohlen, und in diesem Sinne bin auch ich, o Freund, von
früheren Vorfahren belehrt worden,
32. (9691.) welche aus Mitleid [ihrem Volke] festes Vertrauen
«inzuflöfsen suchten, indem sie folgendermafsen sprachen:
Diese Welt möge ein König im Krita-Zeitalter durch das erst-
genannte [gelindeste, oben, Vers 957s] Mittel beherrschen.
33. (9592.) Im Treta-Zeitalter möge er vorgehen mit dem
um ein Viertel verminderten Gesetze [vgl. oben, Vers 85oo f* ],
im Dväpara nur mit zwei Vierteln und mit einem Viertel
in dem letzten Zeitalter.
34. (9593.) Aber nachdem dieses Kali-Zeitalter eingetreten
ist, bleibt wegen der schlechten Führung des Königs und
vermöge der Verschiedenheit der Zeit [schlief slich] nur noch
ein Sechzehntel des Gesetzes bestehen.
35. (9594.) Dann würde durch das erstgenannte Mittel,
o Satyavant, Anarchie entstehen, daher mufs er in Anbetracht
des Lebensalters, der Fähigkeit und der Zeit Bufsen auf-
erlegen.
3*5. (9595.) Damit für die Erlangung des Wahren die grofse
Frucht der Gerechtigkeit hienieden nicht unzulänglich werde,
hat aus Mitleid mit den Geschöpfen Manu Svayambhuva dieses
verkündigt.
So Uutet im Mukahadharraa
die Unterredung zwischen Dyumatscna und Satyavant
(ltijHmat*fna - Satyarant - »amrdda).
Digitized by Google
Adhyäya 2G9 (B. 268).
449
Adhyftya 269 (B. 268).
Vers 9596-9635 (B. 1-40).
Yudhishthira sprach:
1. (9596.) Der Yoga freilich vermag es, ohne Beeinträch-
tigung der Kreaturen seine sechs Vorzüge [Gottherrlichkeit,
Wissen, Ruhm, Schönheit, Entsagung und Pflichterfüllung,
Nil.] hervorzubringen; aber nun sage mir, o Grofsvater, die-
jenige der beiden Pflichten, welche beider Frucht in sich befafst,
2. (9597.) die der Hausvaterpflicht und die der Yogapflicht,
der einen wie der andern; beide stehen ja nicht weit von-
einander ab, was ist nun vorzuziehen, o Grofsvater?
Blitshma sprach:
3. (9598.) Beide Pflichten sind sehr hervorragend, beide
sind überaus schwer zu erfüllen, beide bringen grofse Frucht
und beide werden von Guten betrieben.
4. (9599.) Ich werde dir jetzt die autoritative Geltung der
beiden entwickeln; so höre, o Prithäsohn, mit ungeteilter
Aufmerksamkeit mich an, der ich den Zweifel über den Sinn
des Gesetzes überwunden habe.
5. (96<x>.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen Kapila und
einer Kuh, die vernimm, o Yudhisbthira.
6. (9601.) Eingedenk des alten, ewigen, unverbrüchhchen
Brauches wollte Nahusha einstmals [zu Ehren] des Tvashtar
eine Kuh schlachten, so wird erzählt.
7. (9602.) Als sie schon an dem Pfosten angebunden war,
erblickte sie heiteren Geistes der wahrheitfeste, askesefrohe,
erkenntnisreiche, mäfsige Kapila,
8. (9603.) und er, welcher zum höchsten, festgegründeten,
furchtlosen, edlen, nicht wankenden, wahrhaften Bewufstsein
durchgedrungen war, sprach nur das Wort : „O diese Veden !"
9. (9604.) Da geschah es, dafs ein Rishi mit Namen Syü-
maracmi in die Kuh hineinfuhr und aus ihr heraus folgender-
mafsen zu dem Asketen sprach: Ei, ei! wenn du sagen
kannst: o diese Veden! so möchte ich wissen, von wem sind
denn andere [bessere] Satzungen erdacht worden?
DzcsfliK, Mafa&bbAraUm. 29
Digitized by Google
450
III. Mokshadharma.
10. (9605.) Askesereiche, Charakterfeste, in der Schrift-
wissenschaft Gelehrte sind doch der Meinung, dafs alles,
was im Veda vorkommt, von dem Wesenskenner uns offen-
bart worden ist.
U. (»bog.) Und wenn er, der Durstfreie, Leidlose, Wunsch-
lose, völlig Werkfreie in dieser Weise in den Veden sich ge-
äufsert hat, wie kann da einer noch etwas sagen wollen!
Kapila sprach:
12. (!)6o7.) Ich tadle die Veden nicht und gedenke nichts
gegen sie zu sagen, aber in der Schrift wird gelehrt, dafs
die Werke der Menschen in den verschiedenen Lebensstadien
alle dasselbe Ziel haben.
13. (yoos.) Auf dieses strebt der Entsagende [Sannyasin]
hin, auf dieses der Waldeinsiedler, auf dieses streben beide
hin, der Hausvater und der Brahmanschüler.
14. (ycoö.) Denn es gibt vier ewige zu den Göttern führende
(divayanäh) Wege, und ihr gröfserer oder geringerer Wert,
ihre Stärke und Schwäche liegt in ihrer Frucht.
1C>. (i»6io.) Dieses wissend, soll man alle Dinge in Angriff
nehmen, das ist Vedalehre, und nicht anders soll man sie in
Angriff nehmen, das lehrt die unverbrüchliche Schriftüber-
lieferung.
lt). (seil.) Wer sie nicht [anders] in Angriff nimmt, den
trifft keine Schuld, wer sie aber [anders, d. h. ohne Kenntnis
der Vedavorschrift] in Angriff nimmt, der versündigt sich
schwer. So steht es mit dem Kanon, und doch ist aus ihm
die Stärke und Schwäche [der zu den Göttern führenden
Wege] schwer zu erkennen.
17. (»Gl--'.) Wenn es nun in der Welt irgend etwas gibt,
von dem die Erfahrung, abgesehen von der Schrift Überliefe-
rung, lehrt, dafs es höher als die Nichtschädigung stehe, so
nenne mir das, wenn du kannst.
Syiimara^mi sprach :
18. (9613.) Immer wieder [z. B. Pancav. Br. U>,3,3] heifst
es in der Schrift: „wer nach dem Himmel begehrt, soll
[dies oder das] opfern"; erst nachdem man die Frucht in
Digitized by Google
AdhyAya 2GS> (B. 2t»8).
45 t
Aussicht genommen hat, wird sodann das Opfer bewerk-
stelligt.
19. (j»6U.) Ziegenbock, Rofs, Widder, Kuh und alle Vogel-
arten und die zahmen und wilden Kräuter dienen dem Präna
zur Nahrung, so lehrt die Schrift [vgl. Brill. Up. «»,1,14].
20. (t«6i5.) Und dasselbe wird vorgeschrieben in bezug auf
die tägliche Mahlzeit abends und morgens, und auch Haus-
tiere und Getreidekörner bilden einen Teil des Opfers, wie
die Schrift lehrt.
21. (oGie.) Alles dies hat Prajapati zugleich mit dem Opfer
erschaffen, und dieses Opfer hat Prajapati, der Herr, den
Göttern dargebracht.
22. (9617.) Und so sind alle die siebenmal sieben Klassen
lebender Wesen, eines immer höher stehend als das andere,
ja diese ganze Welt zum Opfer bestimmt bis hinauf zu dem,
was den höchsten Namen führt [dem Purusha), wie die Veden
lehren (Rigveda 10,90,10).
23. (iMiis.) Das ist für zulässig erklärt worden von den
Alten und den noch Älteren; wer, der dies weifs, möchte
nicht immer nach seiner Leistungsfähigkeit [das Beste zum
< )pfer J aussondern.
24. (;»6iio Tiere und Menschen, Bäume und Kräuter ver-
langen nach dem Himmel und kein Himmel ist ihnen
[sicherer] als durch dieses Geopfertwerden.
2f>. (w-jo.) Kräuter, Tiere, Bäume, Strauchwerk, Schmelz-
butter, Milch und saure Milch, Opfersprise, Krde, Himmels-
gegenden, Glaube und Zeit, das sind zwölf;
20. (;m;2i.) dazu Rigverse, Yajus-Sprüche, Säman-Uieder
und der Opferherr macht sechzehn; Agni ist als Hausvater
anzusehen und gilt als der siebzehnte.
27. (iw*2.) Dieses sind die Glieder des Opfers, das Opfer
aber ist die Wurzel [der Welt], wie die Schrift sagt. Durch
Schmelzbutter, Milch, saure Milch, Dung, Quark, Haut,
2s. r.i6:!3.) Haare, Horn und Fufs geht die Kuh in das
Opfer ein; so ist im einzelnen alles beschallen, was bei ihm
vorgeschrieben ist.
21». (y<-,24.) Diese Bestandteile, in das Opfer eingehend,
führen es empor mitsamt den abgelohnten Priestern, diese
Digitized by Google
452
III. Mokshadharma.
fassen das alles zusammen und bringen das Opfer in
Gang.
30. (»625.) Denn um beim Opfer zu dienen sind sie ge-
schaffen worden, wie die Schrift der Wahrheit gemäfs lehrt,
so haben alle die vormaligen Menschen verfahren.
31. (9626.) Nichts tötet oder vergewaltigt oder überlistet
der, welcher mit dem Gedanken : das Opfer mufs dargebracht
werden, ohne Verlangen nach Lohn opfert.
32. (9627.) Diese Bestandteile des Opfers, wie sie in ihrer
Reihenfolge das Opfer genannt werden, und wie sie durch die
Vorschrift mit Gebrauchsanweisung versehen sind, stützen
sich gegenseitig.
33. (9628.) Die heilige Überlieferung, auf welcher die Veden
beruhen, sehe ich als eine von Rishi's herrührende an; und
nach ihr richten sich die Weisen, indem sie das Brahmanam
als Richtschnur nehmen.
34. (9629.) Von Brahmanen hat das Opfer seinen Ursprung,
und durch Brahmanen ist es uns überliefert worden, die ganze
Welt ist dem Opfer entsprechend gebildet, und das Opfer ent-
spricht der Welt immerdar.
35. (9630.) Der Laut Om ist die Quelle des Veda, dazu
die Ausrufe: tiamas, svähä y svadhd und vashat. Wer diese
benutzt und nach Kräften verwendet,
36. (9631.) für den gibt es in allen drei Welten keine
Furcht vor dem Jenseits, so lehren hienieden die Veden und
die vollendeten höchsten Weisen.
37. (9632.) Die Rigverse, Yajussprüche und Sämanlieder
mit ihren richtig vorgetragenen Modulationen, bei wem das
alles richtig vorhanden ist, der ist hienieden ein wahrer
Zwiegeborner.
38. (9633.) Was sonst noch bei der Feueranlegung und
Somapressung Brauch ist, und was durch die anderen grofsen
Opfer gewirkt wird, das weifst du ja, o Heiliger.
39. (9634.) Darum, o Brahmane, soll man ohne Bedenken
opfern und opfern lassen; wer nach der den Himmel be-
treffenden Vorschrift opfert, dem wird nach dem Tode als.
grofser Lohn der Himmel zuteil.
Digitized by Google
Adhyaya 269 (B. 268).
453
40. (963») Wer nicht opfert, dem wird wahrlich weder
diese Welt noch die andere Welt zuteil, für beides als Autorität
sind die Kenner der Vedaworte anzusehen.
So lautet im Moksbadbarma die Begebenheit zwUchen Kapila und der Kuh
(go - kapiUyan,).
Adhyftya 270 (B. 269).
Vers 9636-9706 (B. 1-68).
Kapila sprach:
1. (9636.) Das alles, soviel es ist, sehen die Asketen an
und verfolgen ihren Weg, für sie gibt es in aller Welt keine
Übertretung [weil sie dem Ritualgesetz nicht mehr unter-
worfen sind].
2. (9637.) Frei von den Gegensätzen, von Verehrung, von
den Fesseln der Wünsche, verständig, erlöst von allen Sünden
wandeln sie dahin, rein und fleckenlos.
3. (9G3*.) Sie besitzen die Gewifsheit in betreff der Er-
lösung, Entsagung und Erkenntnis, als Brahmanhafteste,
Brahmangewordene, in Brahman ihre Heimat Findende.
4. (9639.) Ihnen sind die kummerlosen, staubfreien, ewigen
Welten eigen; wozu brauchen sie, welche das höchste Ziel
erlangt haben, erst noch Hausväter zu werden?
Syümaravmi sprach:
5. (964u.) Zugegeben, dafs sie das höchste Ziel, den höchsten
\\ T eg verfolgen, so kann doch, ohne sich auf die Hausväter
zu stützen, kein anderes Lebensstadium Bestand haben.
6. (9641.) Wie alle Wesen, nur sofern sie auf eine Mutter
sich stützen, ihr Leben haben, so können die übrigen Lebens-
stadien nur bestehen, sofern sie auf den Hausvaterstand sich
stützen.
7. (96*2.) Der Hausvater ist es, der opfert, er ist es, der
die Askese übt, der Hausvater ist die Wurzel jeder Pflicht
für alles, was lebt und webt.
8. (9643.) Alle lebenden Menschen haben sich aus der
Digitized by Google
451
III. Mokshadharma.
Zeugung und dem, was ihr folgt, entwickelt, und die Zeu-
gung ist aufserhalb des Hausvaterstandes nicht möglich.
9. (9644.) Und was die Gräser und Kräuter sind, und was
aufser ihnen noch auf den Bergen wächst [entsteht auch
durch Zeugung, und durch sie alles andere], weil ohne die
Kräuter, ohne ihr Leben keines denkbar ist.
10. (9645.) Wer könnte diese Behauptung als wahr hin-
stellen, dafs vom Hausvaterstande aus die Erlösung nicht er-
folgen könne! Nur von Ungläubigen, Unverständigen, sub-
tiler Erkenntnis Ermangelnden,
11. (9646.) Auswürflingen, Trägen, Matten, unter der
Arbeit Seufzenden, Unweisen wird die Hingabe an die Ruhe
nur im Waldeinsiedlertum gefunden.
12. (y647.) Denn als Ursache der drei Welten und ihre
ewige feste Begrenzung wird, als von Geburt an geheiligt,
der geehrt, der den Namen Brahmane trägt.
13. (9648.) Schon vor ihrer Empfängnis werden heilige
Sprüche für die Zwiegeborenen verwendet und sind wirksam
in Sachen des Glaubens und der Erfahrung [nach Nil.],
14. (964».) bei der Leichenverbrennung und beim Eingang
in einen neuen Leib, und nach diesem Eingange beim Trinken
und Essen, beim Schenken von Kühen und anderem Vieh
und beim Eintauchen der Manenklöfse ins Wasser.
15. (9650.) Und auch die Abgeschiedenen, die Glanzreichen,
die auf der Streu Sitzenden und die Fleischfressenden [arcisJi-
mantahy barhishadah, kravyädäft, „three classes of Pitris" nach
Pratapa Chandra Ray] sind der Meinung, dafs auch für den
Toten Sprüche und abermals Sprüche das Wirksame sind.
16. (9651.) Wenn dies die Veden uns entgegenrufen, wie
sollte dann für irgendeinen [ohne den opfernden HausvaterJ
die Erlösung möglich sein, zumal die Menschen gegen Manen,
Götter und Brahmanen in der Schuld sind.
17. (9652.) Von glückverlassenen, trägen Gelehrten ist diese
Ignorierung derVedaworte aufgebracht worden wie eine Lüge,
die den Schein der Wahrheit hat.
18. (»653.1 Nicht wird vom Übel erfafst und fortge rafft
der Brahmane, welcher nach Vorschrift des Veda opfert,
Digitized by Google
Adliyäya 270 (B. 2C9).
455
empor zum Himmel steigt er mit den Opfertieren, und
selbst befriedigt, befriedigt er auch ihre Wünsche.
VA (!H554.) Nicht durch Mifsachtung der Veden, nicht
durch Trug und Täuschung erlangt der Mensch Grofses,
sondern nur im Brahman (Veda) findet er das Brahman.
Kapila sprach :
20. (9G55.) Für den Weisen gab es das Neu- und Voll-
mondsopfer, das Agnihotram und die Viermonatsopfer, in
ihnen liegt ein ewiges Gesetz.
21. (9656.) Hingegen die nichts Unternehmenden, Wohl-
gefestigten, Reinen, die den Namen des Brahman tragen,
diese, nach Unsterblichkeit verlangend, erfreuen die Götter
nur durch ihr Brahman (heiligen Wandel).
22. (9657.) W r er auf alle Wesen hinblickt als einer, der
zum Selbste aller Wesen geworden ist, an dessen Weg werden
sogar die Götter irre, verfolgend des Spurlosen Spur.
23. (9658.) Den Menschen, der vier Tore [Arme, Rede,
Bauch, Genitalien] und vier Pforten [Leib, Sinne, Manas,
Buddhi] hat, betritt er [der Atman] vermittelst der Be-
lehrung als vierfaltiger [Viräj, Süträtman, Antaryümin
und Cuddha; die Ergänzungen nach Nil.]; dabei soll man
von Armen, Rede, Bauch und Genitalien aus deren Tor-
eingang als Torwächter zu bewachen suchen.
24. (9659.) Man spiele nicht mit Würfeln, man nehme
kein fremdes Eigentum, man befasse sich nicht mit der
gekochten [Opferspeise, Nil.] eines Unebenbürtigen
fayoniyaj; erzürnt, möge der Weise nicht zu Tätlich-
keiten schreiten, so werden seine Hände und Füfse wohl
bewacht sein.
25. (9660.) Er lasse sich nicht zu Schmähungen fort-
reifsen, er führe nicht lose Reden, er befasse sich nicht
mit Angeberei und Nachrede; er sei wahren Gelübdes,
mafsvoller Rede und besonnen, dann ist bei ihm das Tor
der Rede wohlbewacht.
2ö. (9661.) Er enthalte sich nicht der Speise, nehme
aber auch nicht viele Speise zu sich, sei ohne Habgier
und in Gesellschaft der Guten, nehme Nahrung nur ein,
Digitized by Google
456
III. Mokshadharma.
um sein Leben zu erhalten, dann ist bei ihm das Tor
des Bauches wohlbewacht.
27. (9662.) Er soll sich nicht mit einem Weibe, die
eines Edlen Gattin ist, vergnügen, er soll auch nicht ein
Weib durch Unwahrheit an sich locken, das Ehegelübde
bewahre er treu im Herzen, dann ist bei ihm das Tor
der Genitalien wohlbewacht.
28. (9663.) W r er als Weiser alle diese Tore wohlbewacht,
Genitalien, Bauch, Arme und Rede, der ist ein wahrer Zwie-
geborener [wohl dvijah zu lesen].
29. (9664.) Alles aber ist nutzlos für den, der diese Tore
nicht bewacht; was nützt ihm Askese, was Opfer, was der
Ätman !
30. (9665.) Wer kein Ubergewand trägt, keine Streu als
Lager benutzt, nur die Arme als Kopfkissen hat und be-
ruhigten Gemütes ist, den erkennen die Götter als einen
Bnihmanen an.
31. (9666.) Wer an der Ruhe vor allen Gegensätzen einzig
als Weiser seine Freude hat und sich um die anderen nicht
bekümmert, den erkennen die Götter als einen Brahmanen an.
32. (9667.) Wer alles vollkommen erkannt hat, die Ur-
natur fprakritij und ihre Entfaltungen und die Ziele aller
Wesen kennt, den erkennen die Götter als einen Brah-
manen an.
33. (9668.) Wenn einer sich vor allen Wesen nicht mehr
fürchtet und alle Wesen nicht mehr vor ihm, wer zum Selbste
aller Wesen geworden ist, den erkennen die Götter als einen
Brahmanen an.
34. (9669.) Die Menschen aber nehmen ununterbrochen zu
ihrer Richtschnur die Frucht von Gaben, Opfern und Zere-
monien, indem sie alles jenes [Gesagte] verkennen, da etwas
anderes sie als Frucht lockt.
35. (9670.) Von solchen, welche sich auf die vermöge ihrer
Werke betriebene, furchtbare Askese stützen, haben sie dieses
als alten, ewigen, unverbrüchlichen guten Wandel über-
nommen,
36. (967i.) und doch sind sie nicht imstande, dasjenige,
was [in Wahrheit] im Gesetze vorgeschrieben wird, irgendwie
Digitized by Google
Adhyäya 270 (B. 269).
457
zu erfüllen, denn der Wandel, welcher es sich zum Gesetze
macht, kein Unheil [durch Tötung] anzurichten, ist der wahr-
haft besonnene und unumstöfsliche ;
37. (9672.) sie aber sehen nur auf die fruchtbringenden
Werke, welche ihnen als gediegen entgegenglänzen und doch
kraftlos sind und des einen wahren Zieles entbehren.
38. (»673.) Auch sind die dabei [beim Opfer] wirkenden
Faktoren sehr schwer zu erkennen und, werden sie erkannt,
sehr schwer in die Tat umzusetzen, und wenn sie auch rich-
tig ausgeführt sind, so bringen sie doch nur endliche Frucht,
das siehst du selbst wohl ein.
Syümara^mi sprach:
39. (9674.) [Wie kann es zusammen bestehen], dafs der
Veda die Richtschnur, und dafs doch die Entsagung das
wahrhaft Fruchtbare ist? Das sind doch offenbar zwei ver-
schiedene Wege! Erkläre mir das, o Heiliger.
Kapila sprach:
40. (9675.) Wenn ihr hienieden euch auf einem richtigen
Wege befindet, so habt ihr dabei ein sichtbares [Ziel] vor
Augen; was ist denn nun das sichtbare Ziel dabei, was ihr
so hochschätzt?
Syümara<;mi sprach:
41. (9676.) 0 Brahmane, ich, Syümaracmi, bin hierher ge-
kommen, um mich zu belehren, aus Verlangen nach dem
Heil habe ich dich angesprochen in ehrlicher Absicht und
nicht um blofs zu reden.
42. (9677.) Und diesen furchtbaren Zweifel mögest du,
o Heiliger, mir lösen. Wenn ihr hienieden euch auf einem
richtigen Wege befindet, so habt ihr dabei ein sichtbares
[Ziel] vor Augen, (9678.) was ist denn nun das so sehr sicht-
bare Ziel, was ihr hochschätzt
43. als den Inhalt der heiligen Überlieferung als solcher
und abgesehen von den argumentierenden Lehrbüchern?
(9679.) Die heilige Überlieferung besteht in den Worten dos
Digitized by Google
458
111. Mokshadhanna.
Veda, aber [gewisse] argumentierende Lehrbücher sind auch
heilige ("berlieferung.
44. Nach dem Lebensstadium, in dem man steht, richtet
sich das, was man [als Pflicht] hochschätzt, dann kommt die
heilige Überlieferung zu ihrem Rechte, (9680.) und dafs sie zu
ihrem Rechte komme, darin besteht das sichtbare Ziel, denn
dies ist klärlich überliefert
4f>. Wie ein Schiff, welches an ein anderes Schiff ge-
bunden ist, durch dessen Dahinschiefsen mit fortgerissen wird,
weil es gebunden ist, (»681.) — wie kann einer, o Brahmane,
sich von seinen irrigen Ansichten freimachen? Das mögest
du, o Heiliger, mir sagen, ich komme als Schüler, belehre
mich, o Herr.
40. (9682.) Es gibt keinen Entsagenden, keinen Zufriedenen,
keinen Kummerlosen, keinen von Krankheit Freien, keinen
Wunschlosen [lies: na nirvidhiisah], keinen Insichgekehrten,
keinen von der Welt Abgekehrten, wer es auch sei.
47. (9083.) Auch ihr freut euch und betrübt euch, so gut
wie wir; auch euch sind die Sinnendinge mit allen übrigen
Geschöpfen gemeinsam.
48. (y<?84.) Da dieses in bezug auf die Tätigkeit der vier
Kasten und Lebensstadien, welche alle auf demselben Grunde
stehen, klar ist, was gibt es da, was wirklich gesund wäre?
Kapila sprach:
41*. (M8ft.) Jeder Kanon, den einer sich bei seinem Tun
als Richtschnur nimmt, fuhrt zum Ziele, und was auch immer
einer recht betreibt, das ist über Anfeindungen erhaben.
50. (9G8i;.) Die Erkenntnis lenkt das Schiff eines jeden,
der die Erkenntnis zur Richtschnur nimmt; eine Handlungs-
weise, welche von der Erkenntnis abweicht, bringt die Leute
ins Verderben.
51. («687.) Wenn ihr die Erkenntnis habt, dann seid ihr
sicherlich in jedem Sinne unanfechtbar, und zur Einheit mit
dem Ätman kann jeder irgend einmal gelangen.
52. f«688.) Aber manche Menschen, welche, vertrauend auf
die Macht ihrer Rede, den Kanon nicht in Wahrheit verstehen,
Digitized by Googl
Adhyftya 270 (B. 2tJ9).
werden von Begierde und Hafs überwältigt und geraten unter
die Herrschaft des Ahankära (der Selbstsucht).
53. (%sn.) Die wahre Wesenheit der Lehrbücher nicht
verstehend, sind sie nur die Sklaven der Lehrbücher, Diebe-
an Brahman, ohne Halt, dem Trug und der Täuschung hin-
gegeben.
54. («690.) Sie sehen überall nur Untugend und mögent
sich daher nicht mit Tugenden befassen; sie sind das ver-
körperte Tamas, und Tamas ist ihr höchstes Ziel.
55. (%üi.) Wer ein der Prakriti gemäfser Mensch ist und
unter der Herrschaft der Prakriti steht, dem sind zu eigen
Hafs und Begierde, Zorn, Trug, Unwahrheit und Rausch,
(9f.:«2.) und diese aus der Prakriti entspringenden Eigenschaften
haften ihm immerdar an.
56. Wer in dieser Weise nach reiflicher Überlegung die
Sache ansieht, der lafst Gutes und Böses hinter sich, (iwja.) ea
sind die, welche nach dem höchsten Ziele trachten, als Selbst-
bezwinger, der Bezwingung froh.
Syümaracmi sprach :
57. (9694.) Das alles ist [auch] von mir, o Brahmane, auf
Grund des Schriftkanons verkündet worden, denn ohne-
Kenntnis des Schriftinhalts kann das rechte Tun nicht er-
folgen.
58. (9695.) Jeder vernunftgemäfse Lebenswandel entspricht,
dem ganzen Kanon, so lehrt die Schrift, und was nicht ver-
nunftgemäfs ist, das ist auch gegen den Kanon, das ist es„
was die Schrift lehrt.
51*. (9696.) Nicht gibt es ein rechtes Tun ohne den Schrift-
kanon, das ist ganz gewifs, und was den Vedavorschriftcrc
widerstreitet, das geht gegen den Kanon an, so lehrt die-
Schrift.
60. (9697.) Viele, welche sich an die erscheinende Welt
halten, haben eine von der Schrift abweichende Anschauung
(ihre Erkenntnis ist durch Unwissenheit getrübt, sie er-
mangeln der Erkenntnis und sind von Tamas umhüllt, —
dies nur in C), (9698.) sie sehen nicht ihre von der Schrift
gerügten Fehler und leiden doch so gut wie wir [die wir
Digitized by Google
400
III. Mnkshadhanua.
unsere Versündigungen gegen die Schrift empfinden]; denn
auch euch sind die Sinnendinge [und ihre Qual] mit allen
übrigen Geschöpfen gemeinsam.
61. (9699.) Da dieses in bezug auf die Tätigkeit der vier
Kasten und Lebensstadien, welche alle auf demselben Grunde
stehen, allüberall klar ist,
62. (97oo) so ist es nur für einen, welcher die Ewigkeit
preist, die Kraft dazu hat und seinen Geist auf sie richtet, —
denn [bei uns übrigen] ist die Erkenntnis durch Unwissen-
heit getrübt, [wir] ermangeln der Erkenntnis und sind von
Tamas umhüllt [dies nur in B.]. —
63. nur für diesen Einen, dem Yoga Hingegebenen, wel-
cher in jedem Sinne seine Aufgabe vollendet hat, (9701.) ist es
möglich, allein von dem gereichten Bissen lebend mit Be-
herrschung seines Selbstes (C. allüberall) umherzuschweifen,
(nur für diesen, der sich auf Streiten nicht mehr einläfst, in
sich klar ist und Beherrschung seines Selbstes besitzt, — dies
nur in C.)
64. (9702.) nur für diesen ist es möglich, gestützt auf
[gewisse] Vedalehren, zu behaupten, das sei die Erlösung,
indem er dabei vom Schriftkanon, der unsere Regel ist, ab-
geht und alle Welt tadelt.
6;>. (9703.) Unser Werk aber, welches auf eine Familie
sich stützt, ist sehr mühsam auszuführen: zu spenden, zu
studieren, zu opfern, Kinder zu zeugen und dabei recht-
schaffen zu bleiben.
66. (9704.) Wenn einer das alles tut und dadurch nicht
die Erlösung erreichen soll, dann ist es schade um den Täter
und seine Werke, denn alle seine Mühe ist verloren.
67. (9705.) Nein! Jedes andere Verhalten, das dem Veda
den Rücken kehrt, ist Nihilismus. Wie so etwas zur ewigen
Erlösung führen soll, das möchte ich, o Heiliger, sogleich
von dir hören.
68. f!»7oe.) Sage mir die Wahrheit, o Brahmane, ich will
dein Schüler sein, belehre mich, o Meister! Wie die Erlösung
von dir Wiganden wird, das möchte ich gern von dir lernen.
So Uiiu-t iui ]•: l>s!i:id»tarni» die Begebenheit zwischen Kapiln and der Kuh
(go • kopiliyam).
Digitized by Google
Adhy&ya 271 (B. 270).
AdhyAya 2U (B. 270).
Vers 9707-0754 (B. 1-47).
-
Kapila sprach;
1. (9707.) Die Veden sind Autorität für alle Welten, nicht
handelt es sich um ein Verfahren, das dem Veda den Rücken
kehrt. Aber: Zwei Brahman's mufs der Mensch kennen, das
Wortbrahman und das höchste,
2. (9708.) wer im Wortbrahman bewandert ist, ei reicht
auch das höchste Brahman (vgl. oben Vers 8540fg.). Das
Wesen des Leibes macht das aus, was [als Empfängnis-
zeremonie usw. Nil.] in der Vedavorschrift den Leib bildet.
3. (97oy.) Denn der Brahmane, dessen Körper in reiner
Weise gebildet wurde, ist ein würdiges Gefäfs; in diesem
Sinne verstehe die ewige Erlösung [als Frucht] der Werke,
ich will sie dir erklären,
4. (9710.) wie sie besteht [auch] ohne heilige Lehre und
ohne Tradition als eine sichtbare und von der Welt bezeugte.
Diejenigen, welche die Opfer nur aus Pflichtbewufstsein und
ohne Hoffnung auf Lohn ausüben,
5. (97ii.) sind zum Entsagen durchgedrungen, frei von
Begehren, von Mitleid und Unzufriedenheit unberührt; das
ist der Weg zum Reichtum, dafs man Würdige beschenkt.
6. (9712.) Niemals auf böse Wege geratend, aber doch,
dem Werke hingegeben, an Geist und Gedanken vollkommen,
im sicheren Besitze reiner Erkenntnis,
7. (9713.) frei von Zorn und Murren, ohne Eigenliebe uml
Selbstsucht, in der Erkenntnis fest, dreimal rein und am
Wohlsein aller Wesen sich erfreuend,
8. (97U.) so waren von je meistenteils die Hausväter, in
ihren Werken ohne Übertretung beharrend, und so waren
auch die ihrer Aufgabe hingegebenen Könige und die nach
der Vorschrift lebenden Brahmanen.
9. (9715.) Gleichmütig waren sie und gradsinnig, zu-
frieden und im sicheren Besitz der Erkenntnis, ihre Pflicht
klar vor Augen habend, rein, gläubig im höchsten und tiefsten
[Brahman].
Digitized by Google
4G2
III. Moksliadharma.
10. (97if5.) Von altersher wohlbereiteten Geistes und ihre
<jelübde geziemend beobachtend, befolgten sie das Gesetz,
auch in Elend und Not treu zusammenhaltend.
11. (y<i7.) Und indem sie treu zusammenhaltend das Ge-
setz übten, war dieses von jeher ihre Freude und niemals
brauchte ihnen eine Sühne auferlegt zu werden.
12. (9718.) Denn die wahrhafte Pflicht übend, galten sie
für völlig unüberwindlich, sie dienten nicht der Sinnenwelt,
noch im geringsten dem Schein der Pflicht.
13. (9719.) Nur die vorzüglichste Möglichkeit wUhlten sie
sich gemeinsam als Richtschnur, und niemals brauchte ihnen
eine Sühne auferlegt zu werden.
14. (97-jo.) Denn für solche, welche diese Vorschrift be-
harrlich verfolgen, ist keine Sühne erforderlich, nur für einen
schwachen Charakter besteht die Sühnung, so lehrt die Schrift.
15. (97.'i.) Von dieser Art gab es in alter Zeit viele opfer-
bringende Priester, grofsgezogen in der dreifachen Wissen-
schaft, rein, von gutem Wandel und ruhmreich,
10. (9722.) Tag für Tag die Opfer vollbringend, festhaltend
an der Wunschlosigkeit und weise. Bei denen waren Opfer
und Veden und Werke der heiligen Überlieferung gemäfs,
17. (9723.) das Vedastudium erfolgte zur rechten Zeit und
<lie Entschliefsungen am rechten Orte, bei ihnen, welche frei
von Begierde und Zorn, einem schwer zu befolgenden Wandel
oblagen
18. (9721.) und, scharf ihre eigenen Werke betreibend, von
Natur geschärften Geistes, geradsinnig, in der Gemütsruhe
beständig, ihrer eigenen Werke sich befleifsigten,
19. (972').) diesen war die vollständige ewige Erlösung
gewifs, so lehrt uns die unvergängliche Schrift. Von ihnen,
welche unverdrossenen Gemütes einen schwer zu vollbringen-
den Wandel übten
20. (972G.) und mit den ihnen obliegenden Werken über-
häuft waren, wurde eine furchtbare Askese geübt. Von solchen
aber, welche diesen guten, wunderbaren, alten, ewigen, festen
Wandel
21. (9727.) nicht irgendwie einzuhalten vermochten, nament-
lich nicht die Feinheit in den Gesetzesbestimmungen — denn
Digitized by Googl
Adhyäya 271 (B. 270).
463
der Wandel, welcher es sich zum Gesetze macht, kein Unheil
[durch Tötung] anzurichten, ist der wahrhaft besonnene und
unumstöfsliche,
22. (9728.) und durch ihn gab es in allen entstandenen
Kasten keinerlei Übertretung, — von solchen wurde, wie die
Brahmanen wissen, die eine Lebensordnung in die vier Lebens-
stadien zerlegt.
23. (97*9.) Diese [neu geschaffene Ordnung] sich an-
eignend, gelangen die Guten zum höchsten Ziel. Die einen,
aus dem Hausvaterstande austretend, ziehen [als Vänaprastha]
in den Wald hinaus,
24. (9730.) nachdem sie vorher sich dem Hause gewidmet
hatten. Von beiden verschieden sind die Brahmanschüler, und
alle diese sind es, welche, als Z wiegeborene zu Sternen ge-
worden, am Himmel sichtbar sind.
25. (9731.) wie die Mondhäuscr an ihren bestimmten Plätzen
als zahlreiche Sternhaufen, nachdem sie die ewige Erlösung
dank ihrer Vollberuhigung erlangt haben, — so lehrt's der
Veda.
2t>. (9732.) Und wenn solche wiederum zum Samsära zu-
rückkehren und in einen Mutterschofs eingehen, so werden sie
doch niemals durch 1 beitaten befleckt, welche aus [früheren]
Werken entspringen.
27. (973:0 So steht es mit dem Brahmanschüler, welcher
dem Lehrer gehorsam und in erhabener Sicherheit dasteht;
wer so sich hingab, der ist ein wahrer Brahniane, jeder
andere ist ein Schein-Brahmane.
28. (973+.) In dieser Weise gehört das Werk dem Mensehen
an, so heifst es, mag es gut oder böse sein. Die, welche so
von Sünde gereinigt sind durch das Bewufstsein des Ewigen
und durch die Schrift,
21). (9735j denen wird die volle ewige Erlösung zuteil, so
lehrt uns die unvergängliche Schrift, ihnen, welche von
Begierde (trithna) freigeworden, reingewaschen und edlen
Wesens sind.
30. (97hg.) Die vierte Pflicht, welche in den l'panishad's
gelehrt wird, ist gemeinschaftlich für alle, so bestätigt es
die Tradition famritij; sie wird von den Vollendeten allezeit
Digitized by Google
4 04 III. Mokshadharma.
vollbracht, von den Brahmanen, die sich selbst bezwungen
haben.
31. (9737.) Ihre Wurzel ist Zufriedenheit, ihr Wesen Ent-
sagung, das Wissen wird ihr Standort genannt, sie ist die
Erlösung verleihende Erkenntnis, die ewige, unvergängliche
Pflicht des Selbstbezwingenden.
32. (9738.) Mag sie [mit den übrigen drei Acraraa's] ver-
bunden oder für sich allein stehen, man übt sie nach Kräften,
sie ist jedem zugänglich, der so oder so zum Frieden ge-
langt, und nur der Schwache erlahmt in ihr, (9739.) aber der
Reine, der nach der Stätte des Brahman strebt, wird aus
dem Samsära erlöst.
Syümaracmi sprach:
33. (9740.) Diejenigen, welche geniefsen, welche schenken,
welche opfern und welche studieren, und wiederum diejenigen,
welche infolge ihrer Erkenntnis der Sinnenwelt sich der Ent-
sagung weihen,
34. 19741.) welcher von diesen allen ist nach dem Tode
der am sichersten den Himmel Gewinnende? Das sage, o
Brahmane, mir, der ich dich mit Bestimmtheit befrage.
Kapila sprach:
35. (9742.) Alle jene schönen Lebenstätigkeiten tragen
zur Tugendhaftigkeit bei, erreichen aber nicht die Wonne der
Entsagung, das wirst auch du einsehen.
Syftmaracmi sprach:
36. (9743.) Ihr beharrt beständig in der Erkenntnis, und
der Hausvater verläfst sich auf die Werke, aber in bezug
auf das Endziel sind alle Lebensstadien einig, wie man weifs.
37. (9744.) Mögen sie als Einheit oder voneinander ge-
sondert betrachtet werden, in diesem Punkte sind sie nicht
voneinander verschieden. Wie das der Vernunft nach sich
verhält, das sage mir, o Heiliger.
Kapila sprach:
38. (9745.) Die Werke sind Läuterung des Leibes, die Er-
kenntnis ist das höchste Ziel. Wenn die Sünde durch die
Digitized by Google
Adhyäya 271 (B. 270).
465
Werke abgeschmolzen ist und das Bewufstsein des Ge-
schmackes [an dem Höchsten] sich einstellt,
39. (9746.) dann folgen Wohlwollen, Geduld, Beruhigung,
Nicht-Schädigung, Wahrhaftigkeit, Geradheit, Redlichkeit,
Freiheit von Hochmut, Schamhaftigkeit , Ausdauer und Ge-
mütsruhe.
40. (9747.) Das sind die Pfade, welche zu Brahman fuhren,
durch sie erlangt man, was das Höchste ist; dieses wissend,
möge man im Geiste den bestimmten Wert der Werke ver-
stehen.
41. (9748.) Der Weg, welchen die in jeder Hinsicht be-
ruhigten, geläuterten, erkenntnisfesten Brahmanen mit Freudig-
keit gehen, das ist der höchste Weg.
42. (9749.) Wer die Veden und das zu W issende nach
seiner Bedeutung erkannt hat, wer so ist, der wird ein Veda-
kenner genannt, jeder andere ist nur ein W indmacher.
43. (9750.) Wer den Yeda kennt, der kennt alles, im Veda
ist alles gegründet, denn im Veda ist das Fundament für
alles zu finden, für das Seiende und für das Nicht-Seiende.
44. (9751.) Das ist das Fundament allüberall dessen, was
ist und was nicht ist, für den, der das Ende und die Mitte,
das Seiende und das Nicht-Seiende versteht.
45. '(97f»2.) Mit dem Worte Entsagung wird alles gesagt,
was im Veda aufgestellt ist; das Wort Befriedigung folgt
ihm nach, in der Erlösung wurzelnd.
40. (9753.) Recht, Wahrheit, Gewufstes, Wifsbares, All-
seele, Bewegliches und Unbewegliches, alle Freude, was
selig macht und mehr als das, das unoffenbare Brahman,
der Urgrund, das Unvergängliche,
47. (9754.) Energie, Geduld, Beruhigung, Gesundheit,
Schönheit und was dem gleich ist, der ewige feste
Himmel, durch alle diese wird es mit den Augen der Er-
kenntnis errungen, ihm sei Verehrung, dem Brahman
und dem Brahmanträger.
So lautet im Mokahailhartnu die H«>Bchenti«-it zwingen Ka|>iU und .Irr Kuu
<<j>,- kttpiliijam).
DcrisiK, MahAbh&ratam
30
in. Mokshadhurma.
Adhyftya 2T4 (B. «71).
Vera 9755-9810 (B. 1-56).
Yudhishthira sprach:
1. (9755.) Die Veden, o Bhärata, rühmen das Gute, das
Nützliche und das Angenehme; welches von diesen dreien zu
erlangen ist am wünschenswertesten? Das sage mir, o Grofs-
vaier.
Bhishma sprach:
2. (9756.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte er-
zählen von dem, was einstmals Kundadhära aus Liebe einem
Verehrer zu Nutzen getan hat.
:>. (9757.) Ein gewisser armer Brahmane betrieb das Gute
um des Angenehmen willen und übte, nach dem Nützlichen
trachtend, um des Opfers willen grausame Askese.
4. (9758.) Nachdem er sich darin befestigt hatte, verehrte
er die Götter, aber trotz der Verehrung, die er den Göttern
zollte, gelangte er nicht zu Reichtum.
.">. (9759.) Da kam er auf den Gedanken: Welche Gott-
heit, deren Ohr von Menschen noch nicht betäubt ist, möchte
mir sogleich gnädig sein?
♦'». (9760.) Da sah er einen Diener der Götter, den Wolken-
Genius Kundadhära mit freundlicher Gesinnung vor sich
stehen.
7. (»761.) Als er diesen Grofsarmigen erblickt hatte, fühlte
er Zuneigung zu ihm und dachte: Dieser wird mir Glück
bringen, denn von solcher Art ist seine Gestalt;
s. (9762.) er steht sicher einer Gottheit nahe und wird
nicht von anderen Menschen umlagert; der wird mir Reich-
tum verschaffen, mächtig viel und in kurzer Zeit.
y. (9763.) Und der Brahmane begann ihn mit Räucher-
werk, Wohlgerüchen, bunten Kränzen und mancherlei Spenden
zu verehren.
10. (9764.) Da wurde der Wolkengenius in kurzer Zeit
freudig gestimmt und sprach zu ihm das folgende, zur Hilfe-
leistung verbindende Wort :
Digitized by Google
Adhyaya 272 (B. 271).
467
11. (9765.) „Für einen Brahmanenmörder, einen Brannt-
weintrinker, einen Dieb, einen Gelübdebrecher ist von den
Guten eine Sühnung vorgeschrieben, — fiir einen Undankbaren
gibt es keine Sühnung.
12. (9766.) Des Wunsches Tochter ist die Ungerechtig-
keit, der Zorn ist der Sohn der Unzufriedenheit, die Hab-
sucht ist das Kind der Gemeinheit, der Undankbare züchtet
keine Nachkommenschaft [die noch schlimmer wäre]."
13. (9767.) Darauf begab es sich, dafs dieser Brahmane
durch die Zauberkraft des Kundadhära, während er auf einer
Streu von Kucagras schlief, alle Wesen schaute.
14. (9768.) Vermöge seiner Gemütsruhe, Askese und Fröm-
migkeit sah der von Glücksgütern entblöfste, herzensreine
Brahmane in der Nacht ein Traumgesicht.
15. (9769.) Er sah nämlich vor sich stehen im Kreise der
Götter den glanzreichen und edelgesinnten Manibhadra [einen
Bruder des Kubera, des Gottes des Reichtums], wie er seine
Verfügungen traf, o Yudhishthira.
16. (9770.) Dabei verliehen die Götter Königreiche und
Schätze, wo sie durch gute Werke günstig gestimmt worden
waren, und entzogen sie den Bösen.
17. (9771.) Und während alle Yakshas zusahen, neigte sich
der glanzreiche [Wolkengenius] Kundadhära und warf sich
vor den Göttern nieder, o Stier der Bharata's.
18. (9772.) Aber der hochherzige Manibhadra, von den
Göttern dazu aufgefordert (tu (hvavacanät, C), sprach sodann
zu ihm, der vor ihm auf dem Boden lag: o Kundadhära,
was ist dein Begehr?
Kumladliara sprach :
19. (9773.) Wenn die Götter mir gnädig sein wollen, so
ist da ein mir treuergebener Brahmane, für den erbitte
ich als Gnade, dafs etwas geschehe, was seinem Glücke
aufhilft.
20. (9774.) Darauf sprach Manibhadra zu diesem glanz-
reichen Kundadhära, von den Göttern dazu aufgefordert,
wiederum folgendes Wort:
30*
Digitized by Google
468
III. Mokshadharma.
Manibhadra sprach :
21. (9775.) Steh auf, steh auf, Heil sei dir, dein Wunsch
sei gewährt, sei glücklich! Wenn jener Brahmane nach Reich-
tum begehrt, so mag ihm Reichtum gegeben werden.
22. (,9776.) Soviel Reichtum jener Brahmane, dein Freund,,
begehren mag, soviel will ich ihm auf Befehl der Götter an
unermefslichem Reichtum geben.
23. (9777.) Da bedachte Kundadhara das Schwankende
und Unsichere des Menschen wesens, und er richtete seine
Absicht für den Brahmanen auf Askese, o Yudhishthira.
Kundadhara sprach:
24. (9778.) Ich bitte nicht um Reichtum für meinen Brah-
manen, o Schätzespender, ich wünsche, dafs meinem Ver-
ehrer eine andere Gnade verliehen werde.
25. (9779.) Nicht wünsche ich ftir meinen Verehrer die
ganze mit Edelsteinen erfüllte Erde, nicht etwas Grofses,
keinen Haufen von Juwelen, sondern ich wünsche, dafs er
ein rechtschaffener Mann werde.
26. (9780.) Möge sein Geist sich an Gerechtigkeit erfreuen,,
möge er von Gerechtigkeit leben, Gerechtigkeit sei sein Höch-
stes; das habe ich mir als Gnade für ihn ausgedacht.
Manibhadra sprach:
27. (9781.) Gerechtigkeit bringt jederzeit als Frucht Herr-
schaft und mancherlei Freuden, möge er diese Früchte ge-
niefsen frei von körperlichen Plagen.
Bhlshma (der Erzähler) sprach:
28. (9782.) Darauf wiederholte der hochberühmte Kunda-
dhara mehrfach seine Bitte um [Verleihung von] Gerechtig-
keit, und die Götter waren erfreut darüber.
Manibhadra sprach:
29. (9783.) Alle Götter sind zufrieden mit dir und ebenso
mit jenem Z wiegeborenen, er soll gerechten Wesens werden
und auf Gerechtigkeit seinen Sinn richten.
30. (9784.) Da freute sich der Wolkengenius, da er seinen
Digitized by Google
Adhyaya 272 (B. 271). 469
Zweck erreicht, o Yudhishthira, und die in seinem Herzen
gewünschte und von anderen schwer zu gewinnende Gabo
erlangt hatte.
31. (9785.) Da erblickte der Beste der Z wiegeborenen feine
Kleider, welche neben ihm ganz nahe ausgebreitet lagen, und
fand an ihnen kein Wohlgefallen.
Der Brahmane sprach :
32. (yisi;.) Der da oben beachtet meine frommen Werke
nicht, welcher andere Gott wird sich dann aus meinen
Leistungen etwas machen! Ich gehe in den Wald, es ist
besser, der Gerechtigkeit zu leben.
Bhisbma (der Erzähler) sprach:
33. (9787.) Vermöge seiner Weltverdrossenheit und der
Gnade der Götter ging der Beste der Zwiegeborenen darauf
in den Wald und übte gewaltige Askese.
34. (9788.) Von dem, was die Götter und die Gäste übrig
liefsen, von Früchten und Wurzeln nährte sich der Z wie-
geborene; da erstarkte sein Geist in der Gerechtigkeit,
o grofser König.
35. (978y.) Darauf verzichtete der Zwiegeborene auf alle
Früchte und Wurzeln und lebte nur noch von Blättern, dann
aber gab er auch die Blätter auf und nährte sieh nur noch
von Wasser.
36. (9790.) Weiterhin aber verbrachte er viele Jahre, in-
dem er nur von der Luft lebte, aber seine Lebenskraft liefs
nicht nach, es war wie ein Wunder.
37. (979i.) Ihm, der sein Vertrauen auf die Gerechtigkeit
setzte und in furchtbarer Askese lebte, wurde nach langer
Zeit ein göttlicher Blick zuteil,
38. (9792.) und es wurde ihm klar: Wenn ich jetzt je-
mandem, weil ich mit ihm zufrieden bin, [durch die Kraft
meiner Askese] Reichtum geben wollte, so würden meine
Worte nicht unerfüllt bleiben.
39. (9793.) Da nahm er mit heiterem Angesicht noch
stärkere Askese in Angriff und überlegte als Vollendeter weiter,
was er wohl als Höchstes begehren möchte.
Digitized by Google
470
III. Mokshiulharma.
40. (9794.) Wenn ich jetzt jemandem, weil ich mit ihm
zufrieden bin, ein Königreich geben wollte, so würde er als-
bald König sein und meine Worte würden nicht unerfüllt
bleiben.
41. (9795.) Da erschien ihm, o Bharafca, leibhaftig Kunda-
dhara, kraft der Askese des Brahmanen und auch von Freund-
schaft zu ihm angetrieben.
42. (9796.) Als er diesen nun gegenwärtig vor sich sah,,
da zollte der Brahmane dem Kundadhara die gebührende Ver-
ehrung und stand von Erstaunen erfüllt, o Fürst.
43. (9797.) Da sprach Kundadhara: Das höchste göttliche
Auge ist dir verliehen, so sieh dir einmal mit diesem Auge
den Weg der Könige und die Welten an, o Brahmane.
44. (9798.) Da sah der Brahmane mit seinem göttlichen
Auge von ferne, wie Tausende von Königen in die Hölle
gestürzt waren.
^Kundadhara sprach:
45. (9799.) Wenn du, der du mich mit Liebe verehrt
hast, einmal ins Unglück geraten solltest, was könnte ich
dann etwa für dich tun, welche Gnade könnte ich dir er-
weisen ?
46. (98oo.) Sieh noch einmal besser zu, wie es dem nach
Lüsten begehrenden Menschen ergeht, denn vor allen ist
diesen Menschen die Pforte des Himmels verschlossen.
Bhishma (der Erzähler) sprach:
47. (980i.) Da sah er die Menschen stehen, wie sie sich
hingewendet hatten zu Lust, Zorn, Begierde, Furcht, Rausch,
Schlaf, Mattigkeit und Schlaffheit.
Kurnjadhara sprach:
48. (9802.) Durch diese Dinge sind die Himmelswelten
verschlossen. Die Götter entsetzen sich vor dem Menschen-
wesen. Und diese Dinge sind es, welche nach dem Ausspruch
der Götter allenthalben Hindernisse in den Weg legen.
49. (9803.) Nicht ohne Bewilligung der Götter kann ein
Mensch zur Rechtschaffenheit gelangen, du aber als ein solcher
Digitized by Google
Adhyäya 272 (B. 271).
„bist kraft deiner Askese im stände, Königreiche und Reich-
tümer zu verleihen.
Bhlshma (der Erzähler) sprach:
50. (9804.) Da neigte sich der Brahmane mit dem Haupte
zu den Füfsen des Wasserträgers und sprach zu ihm, von
Gerechtigkeit erfüllt: Grofse Gnade ist mir zuteil geworden.
51. (»805.) Wenn ich aus Hang nach Lust und Begierde
vordem gegen dich murrte und deine Liebe zu mir verkannte,
so mögest du mir das verzeihen.
52. (9806.) Ich habe es dir verziehen, sprach Kundadhära
zu dem Besten der Z wiegeborenen, umschlang ihn mit seinen
Armen und verschwand.
53. (9807.) Sodann durchstreifte der Brahmane alle Welten,
nachdem er durch die Gnade des Kundadhara und durch
Keine Askese die Vollendung erreicht hatte.
54. (9808.) Denn das Fliegen durch die Luft und die Er-
füllung aller Wünsche [wird erreicht] durch die aus Gerech-
tigkeit und Hingebung (yogaj entspringende Kraft, sowie auch
ferner das höchste Ziel.
55. (9809.) Götter, Brahmanen, Rechtschaffene, Halb-
götter, Menschen und himmlische Sänger, sie alle ehren in
dieser Welt die Gerechten, nicht die Reichen und nicht die
Begehrlichen.
56. (98io.) Die Götter sind dir sehr gnädig, weil dein Sinn
sich an der Gerechtigkeit freut; im Reichtum (dhane mit C.|
liegt nur geringe Befriedigung, in der Gerechtigkeit aber dae
höchste Glück.
So )ant«t im Moktbadbarma die Ertablun# von Kandadbara
(Kundadfidra • updkhijäniin.
Adhyäya 273 (B. 2V£).
Vers 9811-9830 (B. 1-20).
Yudhishthira sprach:
1. (9811.) Da so viele Opfer und Askesen unternommen
werden, um denselben Zweck [das Glück] zu erlangen, o Grofs-
vater, wie mufs ein Opfer eingerichtet sein, damit es dem
Digitized by Google
472 III. Mokshadharma.
Zwecke der Gerechtigkeit und nicht dem Zwecke des Glücks
diene ?
Bhlshma sprach:
2. (9812.) Hierüber will ich dir eine von Närada berichtete
alte Begebenheit erzählen von einem, der von Ährenlesen
lebte und dabei ein Brahmane war.
Mrada sprach:
3. (»813.) In dem durch Gerechtigkeit hervorragenden vor-
trefflichen Reiche der Vidarbha's war ein gewisser Zwie-
geborener, ein weiser Mann, der von Ährenlesen lebte und
sich einstmals anschickte, ein Opfer darzubringen.
4. (98H.) Seine Nahrung bestand aus Qyämäkam, Sürya-
parni, Suvarcalä nebst anderen bitteren und widrigen Pflan-
zen, welche für ihn vermöge seiner Askese schmackhaft waren,
5. (9816.) und da er im Walde durch die Schonung aller
Wesen zur Lauterkeit gelangt war, so war auch sein nur aus
Wurzeln und Früchten bestehendes Opfer geeignet, den Himmel
zu erwerben, o Feindbedränger.
6. (9816.) Seine Gattin, die infolge ihres Gelübdes ab-
gemagerte und reine Pushkaradhärini , war von ihm mit-
genommen worden und wurde als Opferer -Gattin von ihm,
dem Satya, verwendet;
7. (9817.) sie hatte sich aber seiner Lebensweise nur aus
Furcht vor seinem Fluche angeschlossen ; ihr aus abgefallenen
Pfauenfedern bestehendes Kleid war zierlich gebildet.
8. (9818.) Obgleich sie nicht dazu geneigt war, nahm sie
doch auf Befehl ihres als Hotar fungierenden Gatten am Opfer
teil. — Nun geschah es, dafs auf Befehl des Cukra ein frommer
Mann, namens Parnada,
9. (9819.) der in demselben Walde in der Nähe wohnte,
sich in eine den Wald bewohnende Gazelle verwandelte. Die
sprach zu Satya die Worte : Was du da tust, ist schlecht getan,
10. (9820.) wenn dein Opfer ohne die Sprüche und die
gehörigen Zutaten dargebracht wird. 0 Herr, füge mich [als
Opfertier] bei deinem Opfer ein und gehe dann, frei von Vor-
wurf, zum Himmel empor.
Digitized by Google
Adhyäya 273 (B. 272).
473
11. (982i.) Weiter erschien bei seinem Opfer in leibhafti-
ger Gestalt die Sonnengöttin Savitri und redete ihm auch zu,
aber auf ihre Aufforderung erwiderte er: Ich mag die Mit-
bewohnerin dieses Waldes nicht töten.
12. (9822.) Auf diese Worte hin wandte sie sich um und
sprang ins Opferfeuer hinein, um die Unterwelt zu sehen, [in-
dem sie ausrief:] Wie kann dies beim Opfer als Übeltat er-
scheinen !
13. (9823.) Da bat die Gazelle den Satya, der mit zu-
sammengelegten Händen dastand, abermals, aber Satya um-
armte sie und befahl ihr: Gehe von hinnen!
14. (9824.) Da ging die Gazelle acht Schritte weit weg
und kam wieder zurück und sprach: Töte mich nur ohne Um-
stände, o Satya, getötet werde ich den Weg der Guten gehen.
15. (9825.) Sieh einmal mit dem Auge, welches ich dir
verleihe, diese himmlischen Apsaras (Göttermädchen) und die
glänzenden Paläste der hochsinnigen Gandharva's (der himm-
lischen Musiker).
16. (9826.) Nachdem er lange Zeit mit einem von Be-
gierde gefesselten Auge diesen Anblick genossen hatte, schaute
er auf die Gazelle und fing an die durch ihre Tötung erlang-
bare Himmelswelt zu begehren.
17. (9827.) Da wurde die Gazelle, welche viele Jahre den
Wald bewohnt hatte, zu Dharma (dem Gott des Rechts) und
vollzog seine Rettung, [mit den Worten:] Nicht ist dies die
rechte Art des Opfers.
18. (9828.) Aber ihm, da er die Gazelle hatte töten wollen,
war infolgedessen seine grofse Askese verlorengegangen.
Somit ist die Tötung nicht opfermäfsig.
19. (9829.) Darauf lehrte ihn der heilige Dharma selbst die
rechte Art des Opfers, und durch erneute Askese gelangte er
auch zu vollständiger Übereinstimmung mit seiner Gattin.
20. (9830.) Schonung der Wesen begreift die ganze Pflicht
in sich, ihre Tötung aber ist kein gutes besetz. Jch will dir
aber der W r ahrheit gemäfs sagen, was (yo, mit C.) die Pflicht
der Wahrheitredenden ist.
So lautet im M'.ksliadhartna die Virwirlu >k <!«•* [Tii>r-1< > v frrs
Digitized by Google
474
III. Mokshadharma.
AdliyAya 274 (B. 273).
Vers 9831-9854 (B. 1-24).
Yudhishthira sprach:
1. (9831.) Wie wird man zu einem Bösewicht und wie er-
füllt man die Pflicht? Wie erreicht man die Weltverdrossen-
heit und wie gelangt man zur Erlösung?
Bhlshma sprach:
2. (9832.) Bekannt sind dir alle Pflichten, aber um der
Bestätigung willen fragst du, so vernimm denn die Erlösung
nebst der Weltverdrossenheit, das Böse und die Pflicht von
Grund aus.
3. (9833.) Dem Erkennen der fünf Sinnesobjekte geht vor-
her der Wunsch, und wenn man eines derselben erlangt hat,
entstehen Liebe und Hafs, o Stier der Bharata.
4. (9834.) Dann ist man um dessentwillen bestrebt und
unternimmt ein grofses Werk und wünscht die angenehmen
Gestalten oder Gerüche wiederholen tlich zu geniefsen.
5. (9835.) Dann entspringt die leidenschaftliche Liebe und
der Hafs unmittelbar darauf, dann entspringt Habgier und
Verblendung unmittelbar darauf.
6. (9836.) Wer aber von Habgier und Verblendung be-
herrscht, von Liebe und Hafs erfüllt ist, dessen Sinn richtet
sich nicht auf die Pflicht, und nur aus Falschheit tut er die
Pflicht.
7. (9837.) Durch Falschheit übt man die Pflicht, durch
Falschheit hat man Gefallen an einer Sache, so dafs durch
Falschheit Reichtümer erworben werden, o Liebling der Kuru's.
8. (9888.) Auf diese Weise ist er verständig, auf diese
Weise wünscht er Böses zu tun, wenn ihn auch Freunde und
Weise davor warnen, o Bharata.
9. (9839.) [Aus Falschheit] entgegnet er ihnen, was mit
dem Gesetz in Einklang und durch die heilige Vorschrift ge-
fordert ist; dreifach [in Gedanken, Worten und Werken]
wächst seine Ungerechtigkeit, aus Leidenschaft und Ver-
blendung entspringend :
Digitized by Google
Adhyiya 274 (B. 273).
475
10. (9Wo.) Er denkt, spricht und tut Böses, und indem er
auf dem Wege der Ungesetzlichkeit fortschreitet, erkennen
die guten Menschen seine Fehler.
11. (9841.) Die aber einen gleichen Charakter mit ihm
haben, unterhalten Freundschaft mit dem Übeltäter; er kommt
in diesem Leben nicht zum Glücke, wieviel weniger im jen-
seitigen !
12. (9842.) So steht es mit dem Übelgesinnten, höre jetzt
von mir über den Wohlgesinnten, und wie er, der rechten
Pflicht obliegend, zum rechten Ziele gelangt.
13. (9843.) Denn vermöge der rechten Pflicht geht er den
guten Weg, indem er mit Weisheit die genannten Fehler
voraussieht und meidet.
14. (9844.) Bewandert in dem, was zum Glück und Un-
glück fuhrt, pflegt er Umgang mit den Guten, und durch
seinen Verkehr mit den Guten und durch die Übung wächst
er immer mehr.
15. (9845.) Sein Geist freut sich an der Pflicht und lebt
von der Pflicht, und nur auf solche Schätze, die mit Recht-
schaffenheit gewonnen werden, richtet er seinen Sinn.
16. (9846.) Nur von solchem begiefst er die Wurzel, von
welchem er Tugenden [als Früchte] hofft; so wird er von
Pflichtbewufstsein durchdrungen und gewinnt sich einen edlen
Freund.
17. (98*7.) Durch die Erlangung von Freunden und Gütern
ist er beglückt im Jenseits und schon hienieden. Über Töne,
Gefühle, Geschmäcke, Gestalten und Gerüche, o Bhiirata,
18. (9848.) erlangt ein solcher Mensch die Herrschaft, das
ist die Frucht seiner Rechtschaffenheit ; aber obgleich er die
Frucht seiner Rechtschaffenheit erntet, freut er sich doch
nicht, o Yudhishthira.
19. (9849.) Unbefriedigt erfafst er mit dem Auge der Er-
kenntnis die Weltverdrossenheit. Und wenn das Auge der Er-
kenntnis keinen Gefallen mehr findet an Begierde, an Ge-
schmack und Geruch,
20. (9850.) und er auf Ton, Gefühl und Gestalt nicht mehr
seinen Geist lenkt, dann kommt er los von der Begierde, aber
die Rechtschaffenheit läfst er nicht los.
Digitized by Google
476
III. Mokshadharnia.
21. (985i.) Er strebt voran, indem er auf die [rituelle]
Pflicht verzichtet, da er die Vergänglichkeit der Welt erkannt
hat, nur nach Erlösung strebt er dann, gestützt auf ein Mittel,
•das zum Zwecke führt.
22. (98. r >2.) Nach und nach ergreift er die Weltverdrossen-
heit und läfst das böse Werk fahren, dann wird er von Ge-
rechtigkeit erfüllt und erlangt die höchste Erlösung.
23. (9853.) Damit ist dir erklärt worden, o Freund, wo-
nach du mich fragst, das Böse und das Gute, die Erlösung
und die Weltverdrossenheit, o Bhärata.
24. (!»8f,4.) Darum bleibe dem Guten treu in jeder Lage,
o Yudhishthira; die im Guten beharren, o Kuntisohn, er-
langen die ewige Vollendung.
So lautet im Moksh&dtiarma der Abschnitt von den vier Fragen
(catuh . p> d\ nik,iu,j.
Adhyftya 275 (B. 274).
Vers 9855-9373 (B. 1-19).
Yudhishthira sprach :
1. o>855.) Die Erlösung ist von dir, o Grofsvater, erklärt
worden auf Grund eines Mittels, das zum Zwecke führt. Dieses
Mittel möchte ich in gehöriger Weise kennen lernen, o Bharata.
Bhishma sprach:
2. (9856.) Deiner würdig, o sehr Weiser, ist diese ver-
ständige Einsicht, nach dem Mittel zu fragen, durch welches
du beständig dem vollen Sinn nachspüren willst, o Untadliger.
3. («J857.) Das Bewufstsein, welches bei der Anfertigung
eines Topfes besteht, ist nicht mehr dasselbe gegenüber dem
fertigen Topfe; so ist, wo es sich um die Mittel zur [höchsten]
Pflicht handelt, dasjenige nicht mehr Ursache, was es bei
den anderen [niederen] Pflichten war. [Letztere beruhen auf
pravritti, Tätigkeit, erstere auf mvntti, Abstehen vom Tun.]
4. (ys58.) Der Weg nach dem östlichen Ozean hin führt
nicht zu dem westlichen Ozean, ein eigentümlicher ist der
Digitized by Google
Adhyäya 275 (B. 274).
477
Weg, der zur Erlösung führt: vernimm ihn von mir mit Aus-
führlichkeit.
5. (9M9.) Durch Langmut soll man den Zorn überwinden,
die Begierde durch Fernhaltung der Wünsche; durch Pflege
des Sattvam soll der Weise den Schlaf abtun.
f>. (9860.) Durch Besonnenheit soll man die Furcht ver-
hüten, durch fleifsige Betrachtung des Kshetrajfta den Atem
[regeln]; Wunsch, Hafs und Liebe soll man durch Beharr-
lichkeit beseitigen.
7. (98ßi.) Lnstetheit, Verblendung und Strudelhaftigkeit
soll der Wesenskundige durch Übung, Schlaf und Phantasterei
durch Wissenseifer beseitigen.
8. (9862.) Anfälle und Krankheiten durch leichtverdau-
liche und mäfsige Nahrung, Begierde und Verblendung durch
Zufriedenheit, die Sinnendinge durch Schauen der wahren
Realität.
9. (9868.) Durch Mitleid soll er die Ungerechtigkeit be-
siegen, durch Rücksichtnahme die Gerechtigkeit [ersiegen],
durch Anspannung überwinde er die Hoffnung, die Geldgier
durch Befreiung vom Welthang,
10. (9864.) das Halten am Materiellen durch Bewufstsein
der Vergänglichkeit, den Hunger als Weiser durch den Yoga,
durch Mitgefühl den Eigendünkel und den Durst flrishnaj
durch Genügsamkeit.
11. (9865.) Durch Frühaufstehen bekämpfe er die Träg-
heit, den Zweifel durch Bestimmtheit, die Geschwiitzigkeit
lege er ab durch Schweigen, die Furchtsamkeit durch Mut.
12. (9866.) Er zähme Reden und Gedanken durch die Buddhi,
diese zähme er durch das Auge der Erkenntnis, die Erkennt-
nis durch Erweckung des Atman, den Ätman durch den
Atman selbst.
13. (9867.) Dies alles soll der Beruhigte reinen Werkes
verstehen und die Hindernisse fdosltäv) des Yoga ausrotten,
deren die Weisen fünf kennen.
14. (9868.) Lust, Zorn, Begierde, Furcht und Schlaf als
fünftes hinter sich lassend, soll er schweigend mit Hilfe des
Yoga beharren [in dem Folgenden].
15. (9869 ) Meditation, Studium und Spenden, Wahrhaftig-
Digitized by Google
478
III. Moksliadliarma.
keit, Scham, Geradheit und Geduld, Lauterkeit, Reinheit in
der Ernährung und Bezähmung der Sinne,
16. (9870.) durch diese wächst seine Kraft und schlägt
das Böse nieder, dann gehen seine Wünsche in Erfüllung
und seine Erkenntnis schreitet fort.
17. (»87i.) Der Sünde ledig und voll Energie, mäfsig in
der Nahrung, seine Sinne bemeisternd, Herr über Lust und
Zorn, möge er der Stätte des Brahman zustreben.
18. (9872.) Unbetörtheit, Nicht-Anhänglichkeit, Freiheit von
Begierde und Zorn, Unverdrossenheit, Bescheidenheit, Uner-
schütterlichkeit und Beständigkeit,
19. (9873.) das ist der Weg, der zur Erlösung führt, der
ruhige, fleckenlose, reine, so wird die Herrschaft über Rede,
Leib und Denken erlangt, frei von Begierde.
fco lautet im Mokahadharma die Schilderung de» Yogawandtli
fr/'-ya - AcAra • annrwn0*ttni).
Adhyaya 376 (B. 275).
Vera 9874-9913 (B. 1-38).
Bhishma sprach:
1. (9C.74.) Darüber erzählt man sich folgende alte be-
schichte, nämlich die Unterredung des Närada mit dem Asita
Devala.
2. (!>$75.) Den alten Devala, den Vorzüglichsten der Ver-
ständigen an Verstand, wie er dasafs, befragte Närada nach
Ursprung und Vergang der Wesen.
Närada sprach:
3. (i»H76.) Woher, o Brahmane, ist diese ganze Welt des
Unbeweglichen und Beweglichen geschaffen worden, und zu
wem geht sie beim Untergange ein? Das mögest du, o Herr,
mir sagen.
Asita sprach:
4. (!»877.) Woraus er, durch seine Natur veranlafst, im
Laufe der Zeit die Wesen schafft, das bezeichnen die über das
Digitized by Google
Adhyaya 27« (B. 275).
479
Gewordene Nachdenkenden als die fünf grofsen Elemente
(mahäbhütanij.
5. (9878.) Aus diesen schafft er die Wesen im Laufe der
Zeit, angetrieben durch sich selbst; wer etwas von ihnen
Verschiedenes [als Ursache] angibt, der gibt unzweifelhaft
etwas Falsches an.
6. (»879.) Wisse, o Narada, dafs diese fünf ewigen, un-
wandelbaren, beständigen Anhäufungen der grofsen Energie
nebst Kala (der Zeit) als sechstem ursprünglich sind,
7. (9880.) nämlich das Wasser und der Äther (antarikshamj,
die Erde, der Wind und das Feuer; denn es gab nichts Höheres
als diese Elemente, daran ist nicht zu zweifeln.
8. (9881.) Durch keinen Beweis, durch keine Argumenta-
tion kann jemand behaupten, dafs dem nicht so sei, das steht
fest. Du weifst, dafs diese [grofsen Elemente] sich ent-
wickelt haben [aus der Energie, tejas], deren Anhäufungen
alle sechs sind.
9. (9882.) Diese fünf und die Zeit, sowie das Werden und
das Zunichtewerden noch besonders — das sind die acht
ewigen Elemente der Wesen, sind ihr Ursprung und ihr
Vergang.
10. (9883.) In diesen gelangen sie zum Zunichtewerden
und aus ihnen entspringen sie wieder, und ihnen entsprechend
wird ein Wesen beim Untergange in die Fünfheit aufgelöst.
11. (9884.) Sein Leib besteht aus Erde, das Gehör ist aus
Äther gebildet, aus der Sonne das Auge, der Odem aus dem
Winde, aus dem Wasser das Blut.
12. (9885.) Augen, Nase, Ohren, Haut und Zunge als
fünftes sind die Sinnesorgane, die Erkenntnisorgane für di»>
Sinnendinge, wie die Weisen lehren.
Ki. o>«86.) Das Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und
Schmecken erkenne aus der Angemessenheit als ihre Eigen-
schaften (guna), fünf in den fünfen fünffacher Art.
14. (9887.) Gestalt, Geruch, Geschmack, Berührung und
Ton wiederum sind die Eigenschaften von jenen [Elementen];
sie. werden als fünf in fünffacher Weise mittels der fünf
Sinne wahrgenommen.
15. (i»88s.) Aber Gestalt, Geruch, Geschmack, Berührung
Digitized by Google
480
III. Mokshwlharma.
und Ton wiederum als die Eigenschaften jener [Elemente]
werden nicht von den Sinnen erkannt, sondern der Kshe-
traj&a (das Subjekt des Erkennens) ist es, welcher durch sie
erkennt.
1C>. (»889.) Das Cittam (hier: die Wahrnehmung) steht
höher als der Komplex der Sinnesorgane, höher als dieses
steht das Manas, höher als das Manas die Buddhi, höher als
die Buddhi der Kshetrajfta.
17. (9890.) Zuerst nimmt ein Mensch mittels der Sinne
die einzelnen Objekte wahr fcetayatej, sodann erwägt er mittels
des Manas und dann entscheidet er mittels der Buddhi,
(989i.) denn über die durch die Sinne wahrgenommenen Dinge
entscheidet der mit Buddhi Begabte.
18. Das Cittam, der Komplex der Sinnesorgane, das
Manas und die Buddhi als achte — (9892.) diese acht be-
zeichnen als die Erkenntnisorgane (jriäna-indriyäni) die, welche
über die innere Seele nachdenken.
19. Hände und Füfse, Entleerungs- und Zeugungsorgan
und als fünftes der Mund, (9893.) diese werden als Tatorgane
(karma-indriyänij aufgeführt, das merke.
20. Der Mund heifst Organ, weil er zum Reden und Essen
dient, (9894.) das Organ des Gehens sind die Füfse, die Hände
dienen zum Vollbringen des Werkes.
21. Entleerungs- und Zeugungsorgan dienen der Ent-
leerung als Organe von gleicher Verrichtung, (9895.) zur Ent-
leerung der Faeces und zur geschlechtlichen Entleerung.
22. Als sechstes kommt dazu die Kraft fbalamj; diese
sechs sind, wie es sich gehört, durch meine Rede [erklärt
worden]; (9896.) die Eigenschaften aber der Erkenntnisorgane
und Tatorgane wurden von mir für sämtliche namhaft gemacht.
23. Wenn wegen Ermüdung der -Sinnesorgane ein Aus-
ruhen von ihrer Tätigkeit eintritt, (9897.) dann fällt zufolge
des Versagens der Sinnesorgane der Mensch in Schlaf.
24. Wenn beim Ruhen der Sinnesorgane das Manas nicht
ruht, (9898.) sondern sich mit den Objekten beschäftigt, so
heifst das ein Traumgesicht.
25. Was nun die sattvahaften Zustände sowie die tamas-
artigen und rajas-artigen betrifft, (9899.) so lehren die Weisen,.
Digitized by Google
AdhyÄya 276 (B. 275).
dafs sie an Werke gebunden sind, die sattvahaften so gut
wie die andern.
26. Wonne, Gelingen der Werke, Erkenntnis und höch-
ster Gang (9900.) sind Anzeichen des Sattvahaften. Die Er-
innerung [im Traume] stützt sich auf jene Zustände
27. in dem Mafse, wie bei jedem einzelnen Menschen die
Zustände sich in Handlungen umgesetzt haben. (9901.) Diese
beiden Zustände aber [Wachen und Traum] haben einen
wahrnehmbaren Zugang zu dem ewigen Ziele der Sehnsucht
[nämlich im Tiefschlaf, Nil.].
28. Die Indriya's [fünf Erkenntnisorgane nebst Manas,
fünf Tatorgane nebst Balam (der Kraft), dazu Cittam und
ßuddhi] und die Zustände [Sattvam, Kajas. Tamas] werden
als die siebzehn Eigenschaften betrachtet; (\>\m.) über ihnen
steht als achtzehnte die Seele, welche im Leibe wohnt, und
sie ist ewig.
29. Nun sind zwar alle diese Eigenschaften der Ver-
körperten mit dem Körper verbunden (»903.) und auf ihn sich
stützend, aber bei der Trennung der Seele von ihm bleiben
auch sie nicht länger mit dem Körper verbunden.
30. Nun bildet dieses Gemisch den aus den fünf Ele-
menten bestehenden Leib: (wo*.) der Eine [Kshetrajfia] und
die Achtzehn, nämlich die [siebzehn] Eigenschaften nebst der
verkörperten Seele mitsamt der Körperwärme bilden das
zwanzigfache, fünfelementhafte Aggregat.
31. (9'.»05.) Diesen Körper hält zusammen der Mahän in
Gemeinschaft mit dem Winde, seine gewaltige Wirkung zeigt
sich bei der Trennung [der Seele] vom Körper.
32. (9906.) In dem Mafse, als irgendein [Geschöpf] ent-
steht, geht es wieder in die fünf Elemente zurück, wenn das
Gute und Böse [der vorhergehenden ' Geburt] verbraucht ist.
Und abermals von guten und bösen Werken getrieben,
(9907.) geht sie [die Seele] mit der Zeit in einen durch ihre
Werke bedingten neuen Leib ein.
33. Immer wieder loslassend, geht aus einem Leibe in
den andern ein, auf ihre Werke gestützt (9908.) und von der
Zeit getrieben, die Seele wie aus einem verfallenen Hause in
ein neues.
DiratBX, Mahabharatam. gj
Digitized by Google
482
III. Mokshadhariiia.
34. Hierüber betrüben sich nicht die in der Gewifsheit
gefestigten Weisen, (9909.) es betrüben sich nur die bemit-
leidenswerten Menschen, welche sich an den Körper gebunden
wähnen.
35. Denn er [der Atman] ist in Wahrheit nicht ein ge-
wisser und einem gewissen gehörig, und ihm gehört keiner
(vgl. Käth. Up. 2,18), (9910.) sondern er besteht ewig für sich
allein und schafft sich den Körper nebst Lust und Leid.
36. Nicht wird geboren ein Mensch und niemals geht
er zugrunde, (9911.) sondern das Körperhafte verlassend, geht
er einstmals den höchsten Gang.
37. Den durch gute und böse Werke bedingten Leib
vernichtet er, indem er seine Werke vernichtet, (9912.) und
ist der Körper vernichtet, so kehrt der Verkörperte in die
Brahmanwesenheit zurück.
38. Um die guten und bösen W r erke zu vernichten, dazu
ist uns die Sänkhya-Erkenntnis verliehen. (9913.) Sind sie ver-
nichtet, so erblickt man für ihn das höchste Ziel in der
Brahmanwerdung.
So lautet im Mokahadharma die Unterredung zwischen Xarada und Aaita
(Sdrada - Atita - »amv&da).
Adhyäya 277 (B. 276).
Vers 9914-9927 iB. 1-14).
Yudhishthira sprach :
1. (9914.) Brüder, Väter, Enkel, Verwandte, Freunde und
Söhne sind um des Gewinnes willen von uns grausamen
Missetätern erschlagen worden.
2. (9915.) Was dieser aus Gewinnsucht entspringende Durst
(trishnä) ist. wie kann ich den, o Grofsvater, zur Ruhe bringen?
Denn durch den Durst getrieben haben wir Böses getan.
Bhishma sprach:
3. (9916.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich was von dem Könige der Videha's dem
Mändavya auf seine Frage vorgetragen wurde.
Digitized by Google
Adhyäya 277 (B. 276).
483
4. (9917.) Fürwahr, ich lebe ganz glücklich, weil mir gar
nichts angehört; wenn ganz Mithilä verbrennt, so verbrennt
nichts, was raein wäre.
5. (9918.) Reichtum, auch wenn er sehr grofs ist, ist für-
wahr ein Unglück für die Weisen, aber auch wenn er sehr
klein ist, vermag er doch jederzeit den Unweisen zu blenden.
6. (9919.) Die weltliche Freude an der Lust und die grofse
himmlische Freude sind beide nicht den sechzehnten Teil von
dem wert, was die Freude an der Aufhebung des Durstes
wert ist.
7. (9920.) Wie das Horn einer Kuh wächst in dem Mafse,
wie sie wächst, so wächst der Durst in dem Mafse, wie der
Reichtum wächst.
8. (9921.) Wenn uns irgend etwas als Besitztum zu eigen
geworden ist, so wird es ebenso sehr zur Qual, wenn es
verloren gehen sollte.
9. (992-2.) Man folge nicht der Lust, denn die Freude an
der Lust ist fürwahr ein Leid, wer aber zu Reichtum gelangt
ist, stelle ihn in Dienst des Guten und lasse die Lüste fahren.
10. (»923.) Der Wissende möge alle Wesen behandeln wie
sich selbst; wer seinen Zweck erreicht hat und reinen Wesens
ist, der leistet Verzicht auf alles.
11. (99-24.) Wenn er beidem entsagt, der Wahrheit und
Unwahrheit, dem Schmerz und der Lust, dem Lieben und Un-
lieben, wenn er Furcht und Furchtlosigkeit hinter sich läfst,
dann lebt er in Gemütsruhe und Gesundheit.
12. (9y-2-».j Der von Übelberatenen schwer aufzugeben ist,
der mit dem Alternden nicht altert, der eine Krankheit ist,
die erst mit dem Leben endigt, das ist der Durst, wohl dem,
der ihm entsagt.
13. (9926.) Darauf sehend, dafs sein Wandel rein wie der
Mond und ohne Anstofs sei, erntet der Pflichttreue Ehre, im
Jenseits und hienieden, soviel er wünscht.
14. (9927.) Als der Brahmane dieses Wort des Königs ver-
nommen hatte, wurde er von Freude erfüllt, und indem er dieses
Wort in Ehren hielt, gelangte er, Mändavya, zur Erlösung.
So lautet im Mok»h*dbarma die Unterredung «kriechen Jauaka und MAndaTya
(Janaka - Mändavya- xttnrdda).
31*
Digitized by Google
484
III. Mokshadharma.
Adhyftya 278 (B. 277).
Vers 9928-D%(5 (B. 1-39).
Dieser Abschnitt ist, abgesehen von einigen unerheblichen Auslas-
sungen, Umstellungen und Varianten identisch mit Adhyaya 175, oben
S. 118-122.
Adhy&ya 279 (B. 278).
Vers 9967-9981» (B. 1-22).
Yudhishthira sprach:
1. (9967.) Durch welchen Charakter, welchen Wandel,
welche Wissenschaft, welches Streben erlangt man die Stätte
des Brahman, die feste, über die Natur (Prakriti) erhabene?
Bhishma sprach:
2. (9968.) Wer seine Freude an den Regeln für die Er-
lösung (mokshadharmäh) hat, sich mäfsig nährt und seine
Sinne beherrscht, der erlangt die Stätte des Brahman. die
feste, über die Natur erhabene.
3. (9969.) Aus seinem Hause ausziehend und gleichgültig
gegen Besitz und Nicht-Besitz, soll der Muni mit Verachtung
der auf ihn einstürmenden Begierden umherpilgern.
4. (9970.) Nicht durch den Blick, nicht in Gedanken, nicht
durch die Rede soll man etwas mifsbilligen, nicht offen und
nicht im Geheimen soll er irgendwo seine Mifsbilligung zum
Ausdruck bringen.
5. (9971.) Kein Wesen soll er verletzen, den Pfad des Wohl-
wollens verfolgend hinwandeln, und da er einmal in dieses
Dasein geraten ist, soll er mit keinem in Feindschaft leben.
6. (9972.) Übermütige Reden ertrage er, gegen niemanden
hege er böse Absichten, wird er örzürnt, so rede er freund-
lich, schreit man ihn an, so entgegne er mit heilbringenden
Worten.
7. (9978.) Geht er mitten durch ein Dorf, so soll er nicht
nach rechts oder links abschweifen, er soll nicht [gewerbs-
Digitized by Google
Adhy&ya 279 (B. 278).
485
mäfsig] betteln und einer vorherigen Einladung nicht Folge
leisten.
8. (9974.) Wird er beworfen, so nehme er sich wohl in
acht und entgegne nichts Unfreundliches, er sei milde, er-
widere nichts Rohes, sei vertrauensvoll, aber nicht geschwätzig.
9. (9975.) Wo es nicht mehr raucht, wo der Stöfser des
Mörsers ruht, wo die Kohlen nicht mehr glühen, wo die Leute
abgegessen haben und das Abtragen (sumrära) der Gefäfse
vorbei ist, da soll der Muni sein Almosen erbitten.
10. (9976.) Er sei nur bedacht, sein Leben zu unterhalten;
empfängt er nur kärglich, so soll er sich nichts daraus
machen: empfängt er nichts, so soll er sich nicht verletzt
fühlen, und wenn er etwas empfängt, so soll es ihn nicht
freudig stimmen.
1 1. (9977.) Was alle schätzen [Kränze, Sandelholz usw.
Nil.], soll er nicht begehren, er soll nicht essen, wo man ihm
Ehre erweist, denn ein Mann wie er mufs es verabscheuen,
unter Ehrenbezeugungen zu empfangen.
12. (997s.i Schlechte Speisen soll er nicht bemängeln, gute
nicht preisen ; Lager und Sitz in der Einsamkeit soll er stets
hochschätzen.
}'.). (9979.) Ein leeres Haus, eine Haumwur/.el. die Wald-
einsamkeit oder eine Höhle soll er als Aufenthalt wählen;
unbekannte [von der Menge] gemiedene Wege gehend, soll
er [von ihr] geschieden wohnen.
14. (99*o.) In liilligung und Mifsbilligung sei er unparteiisch,
unerschütterlich und fest; er strebe nicht danach, durch
Werke Verdienst oder Schuld zu ernten.
lf). (9981.) Er sei immer zufrieden und sehr fröhlich, be-
ruhigten Angesichts und beruhigter Sinne, furchtlos, am
liebsten Gebete murmelnd, schweigsam und der Leidenschafl-
losigkeit ergeben.
U). (9982.) Wiederholentlich betrachte er die elementare
Welt und das Kommen und Gehen der Wesen; begierdelos
und gleichmütig blickend, mag er Zubereitetes oder Rohes
zu sich nehmen, (9i»s:t.) er, der durch das Selbst beruhigten
Selbstes, in Nahrung mäfsig und Herr über seine Sinne ist.
17. (»984.) Das Ungestüm der Rede, die Aufwallung
Digitized by Google
486
III. Moksliadharma.
des Zornes im Herzen, den Anreiz zu schädigen und den
Drang des Hungers und der Liebe, den Ansturm von
dem allem halte der Asket aus, dann wird keine Selbst-
anklage sein Herz zu verletzen brauchen.
18. (»985.) Unparteiisch stehe er da, gleichmütig bei Lob
und Tadel. Ja, das ist die höchste Läuterung: ein Heimat-
loser in seinem Entsagungsstande.
19. (9986.) Hochherzig, allseitig bezähmt, allseitig ohne
Abhängigkeit, nicht zurückkommend auf den frühern Wandel,
leutselig, heimatlos und andachtsvoll
20. (9987.) möge er mit den Waldeinsiedlern und Haus-
vätern niemals mehr in Gemeinschaft treten; nicht Vorher-
begehrtes soll er zu sich nehmen und keine Freude soll ihn
beschleichen.
21. (9988.) Für den Weisen ist dies die Erlösung, für den
Unweisen eitel Mühe; das ist der ganze Weg zur Erlösung
für die Wissenden, wie Hanta ihn verkündigt hat.
22. (99S9.) Wer, allen Wesen ihren Frieden lasserfd, aus
der Heimstätte auswandert, dem werden glanzvolle Welten
zuteil, der ist reif für die Ewigkeit.
So lautet im Mokahadharma der Oeaang dei Hartta
(HArita-gitd).
Adhyaya 280 (B. 279).
Vers 99<HJ- 10024 (B. 1-84).
Yudhisbthira sprach :
1. (9990.) Glücklich seid ihr, glücklieh! so sagen zu uns
alle Leute, und doch gibt es wahrlich keine unglücklicheren
Menschen als wir sind.
2. (999i.) Das Unglück, das uns getroffen hat, die wir
von den Leuten geehrt werden, o Bester der Kuru's, die wir
unter den Menschen unsere Geburt sogar den Göttern ver-
danken, o Grofsvater, —
3. (9992.) wann werden wir die Entsagung vollbringen,
welche als ein Unglück gilt! — das wahre Unglück be-
Digitized by Google
Adhy&ya 280 (B. 279).
487
steht nur darin, dafs wir diesen Leib tragen, o Bester der
Kuru's.
4. (9993.) Erlöst von den siebzehn [den fünf Präna's,
Manas, Buddhi und den zehn Indriya's, Nil.] und den fünf
Grundstoffen, sowie von den acht [nämlich den fünf] Sinnes-
objekten und [den drei] Guna s,
5. (9994.) gehen nicht in eine abermalige Geburt ein die
Munfs, die ihre Gelübde scharf beobachten; wann werden
denn auch wir, das Königreich aufgebend, dazu kommen,
o Bedränger der Feinde?
Bbishma sprach:
0. (999ö.) Es gibt nichts Ewiges, o grofser König, die
Welt ist das Reich der Erscheinung, und auch die Wieder-
geburt ist eine bekannte Sache, es gibt hienieden nichts Un-
wandelbares,
7. (999«.) und auch du, o König, glaubst das nicht. Diese
Mangelhaftigkeit [der Welt] ist keine blofs zufällig anhaftende;
nur wenn ihr mit Anstrengung die Pflicht erkannt habt,
werdet ihr mit der Zeit dazu kommen [dies einzusehen].
8. (9997.) Diese verkörperte Seele ist niemals Herr (h-o
mit C.|, o König, über Gutes und Böses, und aufserdem wird
sie noch durch das um sie aufsteigende Tamas gehemmt.
f. (9998.) Wie der mit Feuchtigkeit gesalbte Wind, wenn
er sich weiterhin mit dem Staube des Rausehrots erfüllt, mit
dessen Farbe alle Gegenden überzieht,
10. (9999.) so bewegt sich die von den Früchten ihrer
Werke gefärbte und mit Tamas umhüllte Seele, indem sie,
obgleich farblos [ihrem Wesen nach], deren Färbung an-
nimmt, in den Körpern.
11. ikmhmu Wenn aber der Mensch die aus dem Nicht-
wissen entspringende Finsternis durch das Wissen verscheucht,
dann kommt [in ihm] das ewige Brahman zur Erscheinung.
lL\ i looou Nicht durch Anstrengung ist es zu erringen,
wie die Weisen lehren und sie, welche erlöst sind: sie
sind zu verehren von dir und der Welt und den Göttern,
von Ihm (dem Brahman) lassen nicht ab die Scharen der
grofsen Rishi s.
Digitized by Google
488 III. Moksbadharma.
13. (10002.) Vernimm andächtig, o König, was hierüber
einstmals gesungen wurde, nämlich wie sich der Dämon
Vritra, als er um seine Herrschaft gekommen war, verhielt,
14. (10003.) als er besiegt und hilflos seines Reiches be-
raubt war, o Bhärata, und doch, von Feinden umgeben, nicht
klagte, sondern zur reinen Erkenntnis seine Zuflucht nahm.
15. (iooo4.) Es geschah einmal, dafs zum Vritra, der von
seinem Throne gestürzt worden war, Ucanas das Wort sprach:
Fühlst du denn, nachdem du besiegt worden bist, darüber
gar keinen Kummer, o Dänava?
Vritra sprach:
II). (10005.» Nachdem ich durch Wahrhaftigkeit und Askese
über das Kommen und Gehen der Wesen zur Erkenntnis
ohne Zweifel gelangt bin, trauexe ich nicht mehr und freue
mich nicht mehr.
17. (loooe.) Von Kala (der Zeit J fortgetrieben, stürzen die
Lebenden in die Hölle gegen ihren Willen, aber alles Himm-
lische lebt in Vollbefriedigung, wie die Weisen lehren.
18. (loooT.) Nachdem aber die Lebenden die ihnen zu-
gemessene Zeit dort verbracht haben, entstehen sie, von der
Zeit getrieben, in der folgenden Zeit immer wieder und wieder.
11). (10008J Und nachdem sie in tausend tierische Ge-
burten oder auch in die Hölle gelangt sind, kommen die
Lebenden wieder aus ihnen heraus ohne ihr Zutun, gebunden
durch die Stricke der Begierde.
20. (KHK)y.) Dafs die Lebewesen in dieser Weise um-
wandern müssen, hatte ich vordem nicht erkannt; aber die
Schrift lehrt: wie die Werke, so ist auch die Vergeltung;.
21. (looio.) Sie gehen ein in ein Tier, in die Hölle, in
ein menschliches oder göttliches Dasein, nachdem sie vorher
Lust und Leid, Liebes und Unliebes durchgekostet haben.
22. (looii.) An das Gesetz des Todes gebunden, geht alle
Welt von hinnen und alle Wesen gehen immerfort den Weg,
den sie schon gegangen waren,
23. (10012.) der durch das Mafs der Zeit gemessen ist und
Schöpfung und Bestand zum Ziele hat.
>
Digitized by Google ,
Adhyaya 280 (B. 279).
489
Zu ihm, der so redete, sprach der heilige Ucanas:
(iooi3j 0 Weiser, warum bringst du so schlechtes Gerede
vor, o Freund?
Vritra sprach:
24. (loou.) Dir sowie den anderen Weisen dürfte es be-
kannt sein, dafs ich vordem, nach Sieg begehrend, grofse
Askese übte.
2f>. (loois.) Mancherlei Gerüche und Geschmäcke der [von
mir getöteten Nil.] Wesen mir aneignend, gedieh ich und
durchdrang alle drei Welten mit meiner Kraft.
2f>. (iook,.) Von einem Flammenkranz umgeben, durch-
wandelte ich den Luftraum und, unbesiegbar für alle Wesen,
war ich jederzeit frei von Furcht.
27. (looir.) Diese durch Askese erlangte Gottherrlichkeit
brach zusammen infolge meiner Werke, aber ich halte mich
tapfer und klage nicht, o Heiliger.
28. (10018.) Vordem habe ich neben dem kampflustigen
grofsen Indra, dem hochherzigen Helden, den heiligen Herrn
Hari Näräyana geschaut,
2 ( .>. iiooiiu den Vaikuntha, den unendlichen Geist, den
glänzenden ewigen Vishnu, den schilfgrashaarigen , blond-
bärtigen Urvater aller Wesen.
30. (10020.) Nun aber ist mir von aller meiner Askese
noch alst Uberrest geblieben, dafs ich den Wunsch hege,
o Heiliger, dich nach der Frucht der Werke zu befragen.
31. (10021.) In welcher Kaste ruht die Gottherrlichkcit, das
grofse Brahman? Und wie geschieht es, dafs die>e höchste
Gottherrlichkeit zunichte wird?
32. (10022.) Wodurch haben die Wesen ihr Leben und
[tathä mit C] seine Betätigung? Welches ist die höchste
Frucht, durch deren Krlangung der Lebende ewig besteht?
33. (10023.) Und ferner, durch welches Werk oder durch
welches Wissen ist es möglich, diese Frucht zu erlangen?
Das, o Brahmane, mögest du mir erklären.
34. (10024.) Als der Weise damals so angeredet wurde,
was er da antwortete, das, o Königslöwe, vernimm mit
Digitized by Google
490 III. Mokshad härme.
ungeteilter Aufmerksamkeit, wie ich es dir mitsamt
deinen Brüdern berichte, o Stier unter den Männern.
So lautet im Mokshadharm» der Gea*ng vom Vritra
(Vritra-gttd).
AdhyAya 281 (B. 280).
Vers 10025-10097 (B. 1-70).
Ucanas sprach:
1. (ioo-.>5.) Verehrung sei jenem heiligen, übermächtigen
Gotte, der den Erdboden, o Freund, und den Luftraum mit
seinen Armen umspannt,
2. (10026.) und dessen Haupt die ewige Stätte ist, o Bester
der Dänava's; dieses Gottes Vishnu höchste Majestät will
ich dir verkündigen.
3. (10027.) Während diese beiden in dieser Weise mitein-
ander redeten, kam dazu ein grofser Weiser, der pflicht-
getreue Sanatkumära, um ihre Zweifel zu lösen.
4. (10028.) Nachdem er von dem Fürsten der Dämonen
und ebenso von dem weisen Ucanas verehrt worden war, liefs
er, der Stier unter den Muni's, sich auf dem Ehrensitze nieder,
o König.
5. (100-29.) Als der Hochweise sich gesetzt hatte, sprach
Ucanas zu ihm das W r ort: Verkündige diesem Fürsten der
Dänava's die höchste Majestät des Vishnu.
0. (10030.) Sanatkumära aber, als er dies vernommen,
sprach das treffliche Wort über die Majestät des Vishnu zu
dem weisen Fürsten der Dänava's.
7. (ino3i.) Vernimm, o Daitya, vollständig die Majestät
des Vishnu. In Vishnu ruht diese ganze Welt, das wisse,
o Feindbedränger.
8. (10032.) Er ist es, o Grofsarmiger, der die Schar der
beweglichen und unbeweglichen Wesen schafft, der sie im
Laufe der Zeit wieder in sich hereinreifst und sie abermals
schafft.
9. (10033.) In ihm gelangen sie zur Vernichtung, und aus
Digitized by Google
Adhyäya 281 (B. 280).
491
ihm entstehen sie wieder; er kann nicht durch Erkenntnis,
nicht durch Askese, nicht durch Opfer (10034.) erlangt werden,
sondern nur durch Fesselung der Sinnesorgane.
10. Standhaft im Geiste bei dem Hufsern und innern
Werke. (10036.) läutert man beide durch das Bewufstsein [keinen
Lohn zu begehren], dann erlangt man im Jenseits die Ewigkeit.
11. Wie ein Goldschmied das Silber im Feuer läutert,
(ioo36.) vielfältig mit grofser, selbstauferlegter Überanstrengung;
12. so wird die Seele hundert Geburten hindurch von
ihrem Werke geläutert, (10 037.) aber bei grofser Anstrengung
kann sie auch in einer einzigen Geburt rein werden.
13. Wie man mit nur geringer Mühe einen kleinen Staub-
fleck von seinem Körper abwischt, (10038.) so soll man mit
grofser und vielfacher Anstrengung seine Fehler aus sich
ausrotten.
14. Wie Sesam oder Senf, nur von einem kleinen Blumen-
kranze durchduftet, (10039.) seinen natürlichen Geruch noch
nicht verliert, ähnlich geht es auch zu, wo es sich um das
Schauen des Schwererkennbaren handelt.
15. Wenn aber eben jener [Sesam oder Senf] von
vielen Blumenkränzen wieder und wieder durchduftet wird,
(10040.) dann verliert er seinen natürlichen Geruch und nimmt
auf die Dauer den Geruch des Kranzes an.
lf>. So wird bei solchen, die durch die Guna's an die
Welt geknüpft sind, erst durch hundert Geburten ein ihnen
anhaftender (10041. j Fehler durch die Erkenntnis zunichte
mittels einer durch Übung erworbenen Anstrengung.
17. Was nun die am Werke hängenden oder ihm ent-
sagenden [Geschöpfe] betrifft, o Dänava, (1004-.».) wie diese zu
einer verschiedenen Stellung den Werken gegenüber ge-
langen, das vernimm.
18. Wie sie sich im Leben betätigen, und worin sie ihren
Halt finden, 0 Herr, das will ich dir eins nach dem andern
erklären, (10043.) das mögest du mit ungeteilter Aufmerksam-
keit vernehmen.
19. Der anfanglose und endlose, glückselige Huri Xu-
rayana, der Herr, (10044.) schafft als Gott die Wesen, die un-
beweglichen und beweglichen.
Digitized by Google
492
III. Mokshadhiirma.
20. Er weilt in allen Wesen als ihr vergänglicher und
ihr unvergänglicher Teil (10045.) und in Gestalt der elffachen
Umwandlung [zu Manas und Indriya's] trinkt er mit seinen
Strahlen [den Indriya's Nil.] die Welt.
21. Seine Füfse sind die Erde und sein Haupt ist der
Himmel, das wisse, (iimu<?.) seine Arme sind die Himmels-
gegenden, o Daitya, sein Gehör ist der Äther.
22. Von ihm stammt die gluterfüllte Sonne, sein Manas
weilt im Monde, (10047.1 seine Buddhi ist überall in der Er-
kenntnis zu finden, sein Geschmack weilt in den Wassern.
23. Zwischen seinen Brauen schweifen die Planeten, o
Bester der Dänava's, (ioo48.) das Rad der Gestirne dreht sich
in seinen Augen, aus seinen Füfsen ist die Erde geworden,
o Dänava.
24. Wisse, dafs Kajas, Tamas und Sattvam ihrem Wesen
nach Närayana sind, (10049.) er ist die Frucht des Beharrens
in den Lebensstadien, bei ihm steht die Frucht des Werkes;
25. aber auch für das Nicht-Werk ist er, der Unver-
gängliche, die höchste Frucht, (10050.) die heiligen Lieder sind
die Haare seines Leibes, der Laut Om ist seine göttliche Rede.
2t>. Viele Standorte hat er und viele Angesichter, Dharma
(die Gerechtigkeit) wohnt in seinem Herzen, (10051.) er ist das
Brahman, ist die höchste Gerechtigkeit, ist Askese, ist das
Seiende und Nicht-Seiende.
27. Auf ihn gerichtet ist der Schriftkanon und die Soma-
güsse, er befafst in sich die sechzehn Opferpriester und das
Opfer selbst, (10052.) er ist der Urvater, ist Vishnu, die Acvin's
und der Städtezerstörer (Indra) sind seines Wesens.
28. Mitra, Varuna, Yama und der Schätzespender (Kubera)
(ioo:>a.) sind seine einzelnen Erscheinungsformen, sind sich der
Einheit in ihm bewufst, das ganze Weltall ist in dieses einen
Gottes Gewalt.
29. (10054.)' Er offenbart, o Fürst der Daitya's, die Ein-
heit dieser mannigfachen Welt, und der Mensch durch Er-
kenntnis schaut sie, dadurch wird das Brahman offenbar.
30. (10055.) Durch zehntausend Millionen Weltvernich-
tungen und Neuschöpfungen bestehen die einen Seelen,
während andere abtreten. Der Umfang aber der Wesens-
L
Digitized by Google
AdhyAya 28 t (B. 280).
493
Schöpfung ist [vergleichbar] dem vieler tausend Seen,
o Daitya.
31. (ioo56.) Diese Seen sind ein Yojanam [etwa eine
Meile] breit und an Tiefe gehen sie einen Kroca (eine
Rufweite) hinunter, an Länge aber erstreckt sich jeder
einzelne von ihnen fünfhundert Yojana's weit.
32. (10057.) Nun wird aus den Teichen mit der Spitze
eines Haares einmal täglich, und nicht zweimal, Wasser
entnommen: wenn sie dadurch verbraucht sind, dann ist
eine Periode von der Neuschöpfung bis zur Vernichtung
der Wesen verstrichen.
33. fioo5s.) Die sechs Farben der Seele dienen als ihr
höchster Wertmesser: Schwarz, Grau und Blau, letzteres
ist ihr mittelmäfsiger Zustand, sodann Rot ist schon er-
träglicher, die gelbe Farbe ist Glück, und grofses Glück
ist Weifs.
34. (10059.) Das Höchste ist Weifs, als fleckenlos,
kummerlos, beschwerdelos wird es orreicht, o Fürst der
Dänava's, denn erst, nachdem sie tausendmal durch die
Entstehung aus einem Mutterschofse durchgegangen ist.
gelangt die Seele zur Vollkommenheit, o Daitya.
35. (10060.) Der Gang, welchen der Gott als Vorbild
aufgestellt hat, nachdem er seihst auch das gute Vor-
bild gegeben hatte [vgl. Chand. lp. 8.7-12: Nil. denkt
an Ait. l'p. 1,3,13 fg.], dieser Gang ist für die Geschöpfe-
bedingt durch ihre Farbe, die Farbe aber wiederum ist
bedingt durch Kala (die Zeit, das Schicksal), o Fürst
der Dämonen.
3t>. (loor.i.) Hunderttausendmal vierzehn Stufen [ent-
sprechend den zehn Indriya's, Mauas, Kuddhi, Ahankara und
Cittam] hat der nach oben führende Weg der seelischen
Tugend, o Daitya; dadurch wird das Emporsteigen der
Seelen bewirkt, sowie ihr Verharren und ihr Herabsteigen.
37. (10062.) Der Weg der schwarzen Farbe führt ab-
wärts; man klebt [an der Sünde Nil.] und brät in der
Hölle, und der Aufenthalt in ihr für die Bösen wird, wie
sie lehren, viele Schöpfungsperioden durchdauern.
38. (10063.) Und nachdem er ihrer hunderttausend in
Digitized by Google
494 III. Mokshadharma.
diesem Zustande vollbracht hat, so erlangt er alsdann
die fahle [harita-dlunnra Nil.] Farbe; in ihr weilt er
unfrei, während das Weltalter abläuft, qualumhüllten
Geistes.
39. (io(MJ4.) Wenn er sodann, mit dem Guna des Satt-
vam verbunden, das Tamas abschüttelt und mit Hilfe
seiner ßuddhi dem Besseren zustrebt, dann gelangt er
aus der blauen Farbe in die rote und ergeht sich in der
Menschenwelt.
40. (ioo65.) In diesem Zustande verweilt er eine Schöp-
fungsperiode hindurch, indem er von den aus seiner
Naturbeschaffenheit entspringenden Fesseln gequält wird ;
dann gelangt er in die gelbe Farbe, während hundert
Schöpfungsperioden verstreichen.
41. (10066.) Hat er aber die gelbe Farbe erreicht, so
verharrt er in ihr, bis tausendmal die Wesenschöpfung
vergangen ist, und verbraucht sodann, da er noch nicht
erlöst ist, in der Hölle, o Daitya, zehntausend weitere
42. (ioo67.) Perioden, dazu noch fünf- und viertausend
[entsprechend der Zahl der neunzehn Organe Nil.] und
seine aufgehäuften Werke; dann wisse ihn erlöst aus der
Hölle und in allen möglichen anderen Kreaturen weilend.
43. (ioo6s.) So verweilt er wiederholentlich in der
Götterwelt und nimmt, aus ihr herabgestürzt, wieder
Menschengestalt an; achthundert Weltvernichtungen und
Neuschöpfungen weilt er unter den Sterblichen und geht
[sodann] in die Unsterblichkeit ein.
44. (ioo69.) Und wieder stürzt er aus ihr herab durch
Fügung des Schicksals und weilt auf dem schwarzen
Grunde, dem alleruntersten. Wie aber weiter diese Welt
der Lebenden zur Vollendung gelangt, das will ich dir
erklären, o Held der Asura's.
45. (10070.) Durch siebenhundert göttliche [sattvahafte
Nil.] Umgestaltungen hindurch wird er rot, dann gelb
und endlich weifs; denn zu jener weifsen Stätte gelangt
er erst, nachdem er die acht verehrungswürdigsten Welten
niederer Ordnung bewohnt hat,
46. (ioo7i.) die acht [Welten] der Glanzreichen und
Digitized by Google
Adhyäya 281 (B. 280).
495
die [mit ihnen identischen] sechzig Hunderte [von psychi-
schen Zuständen, dreifsig für das Wachen, dreifsig für
den Traum, von Nil. sehr willkürlich zusammengebracht]
sind auf das Manas beschränkt; was aber den höchsten
Gang der weifsen Farbe [den Turiya Nil.] betrifft, so
sind alle drei [Wachen, Traumschlaf, Tiefschlaf] bei
ihm ausgeschlossen, o Hochmächtiger.
47. (10072.) Der Noch- nicht- Freie aber bewohnt eine
unerwünschte Weltperiode hindurch die vier anderen
Stätten [Mahas, Janas, Tapas, Satyam, Nil.], welches
das höchst erreichbare Ziel in der sechsten Farbe für
den ist, welcher in der Vollkommenheit noch nicht voll-
kommen, wenn auch frei von Mühsal, ist.
48. (10073.) Daselbst wohnt er, mit den sieben [In-
driya's, Manas, Buddhi] belastet, als ein Unfreier noch
hundert Weltperioden hindurch, an seinen Werkrest ge-
bunden; wenn er von dort nochmals in die Menschen-
welt zurückkehrt, so gelangt er als ein Grofser zum
menschlichen Dasein.
41». (10074.) Von diesem sich abkehrend , gesellt er sich
darauf, zunächst stufenweise emporsteigend, zu Scharen
[höherer) Wesen und durchschreitet siebenmal die Welt-
räume, da seine Macht durch die [überslandenen] Welt-
Vernichtungen und Neuschöpfungen [nach Nil. durch
Yogaversenkung und Erwachen aus ihr] gewachsen ist.
5<>. (10075.) Und obgleich er alle sieben [Welten] be-
seitigt, indem er sie als Hemmnisse erkannt hat, beharrt
er doch noch in der Welt der Lebenden ; dann aber ge-
langt er zu der unvergänglichen, unendlichen Stätte des
Gottes Vishnu, des Brahman, (low) des (Vsha (vgl.
unten Vers i*»oo), des Nara (des Purusha), des Gottes
Vishnu als des Allerhöchsten.
51. Zur Zeit der Weltvernichtung gehen nach Ver-
brennung ihrer Leiber jedesmal die Geschöpfe zum Gotte
Brahman ein (10077.) und auch alle lebenerfüllten (crshfat-
manafi Nom.!) Götterscharen, soweit sie unterhalb der
Brahmanwelt stehen.
52. In der Zeit, wo der Werkrest zur Geltung kommt,
Digitized by Google
III. Moksliadhanna.
strömen die Seelen nach den gebührenden Plätzen zur
Neuschöpfung der Wesen; (10078.) aber sofern kein Werk-
rest mehr vorhanden ist, gehen am Ende alle Götter
und die Menschen, welche ihnen ähnlich sind, zu jener
[höchsten] Stätte ein.
53. Aber diejenigen, welche aus der Welt der Voll-
endeten herabgestürzt sind, gehen stufenweise ent-
sprechend [ihrem Verdienste] den Weg jener [der Men-
schen]; (10079.) aber im Gegensatze zu ihnen gehen höhere
Seelen und die mit ihnen gleiche Kraft besitzen, zu der
jedem einzelnen gebührenden Bestimmung ein.
54. Solange ein solcher noch an dem Reste seiner
Werke zu zehren hat, solange wohnen alle diese Krea-
turen und die beiden weifsen Göttinnen [die höhere und
niedere Wissenschaft Nil.] (iooso.) in seinen Gliedern; er
ist reinen Herzens, da er dieses Fünf-Sinne -Wesen über-
wunden hat.
55. Kr geht jenen reinen, höchsten Gang, mit reinem
Geiste immerfort meditierend, uoosi.) dann gelangt er zu
der unvergänglichen Stätte, zu dem schwer erreichbaren
ewigen Brahman geht er ein.
56. Damit ist dir, o Mann von tadellosem Charakter,
diese Macht des Näräyana hier verkündet worden.
Vritra sprach:
57. (10082.) Wenn es so steht, brauche ich nicht zu
verzagen, und ich begreife deine Rede vollständig, und
indem ich deine Rede angehört habe, du Unverdrossener,
fühle ich mich nunmehr von Sünde gereinigt und frei
von Bösem.
58. (10088.) In Gang gebracht, o heiliger grofser Weiser,
ist dieses unendlich kräftige Rad [des Samsära] des
glanzreichen Gottes, und dem ewigen Vishnu gehört
auch der . ewige Ort , von welchem alle jene Schöpfun-
gen ausgegangen sind; (ioom.) er ist der Hophsinnige,
der höchste Purusha, in ihm ist diese ganze Welt ge-
gründet.
Digitized by Google
Adhyaya 281 (B. 280).
497
Bhlshma sprach:
59. (10086.) Nachdem Vritra dies gesprochen hatte, o Sohn
der Kunü, hauchte er sein Leben aus und erlangte wohl-
bereiteten Geistes die höchste Stätte.
Yudhishthira sprach :
60. (10086.) So ist es also jener heilige Gott und Heim-
sucher der Menschen, o Grofsvater, worüber Sanatkumära da-
mals dem Vritra jenen Aufschlufs gab.
Bhlshma sprach:
61. (ioo87.) In der Weltwurzel wohnt kraft seiner eigenen
Energie der heilige grofse Gott, und dort weilend, schafft der
Hochsinnige alle die mannigfachen Zustände der Welten.
62. (10088.) Aus der Hälfte seines einen Viertels (vgl. Rig-
veda 10,90,3), wisse, besteht dieser unerschütterliche Kecava
(Krishna), und aus der andern Hälfte desselben Viertels bildet
der Erkenntnisreiche die drei Welten.
63. (10089.) Derjenige Teil [des Höchsten], welcher her-
wärts stehend sich befindet, wandelt sich am Ende jedes
Weltalters, er aber, welcher der über alles mächtige Herr
ist, der Heilige, ruht auf den Wassern, (10090.) und als gnädi-
ger Weltordner durchwaltet er die ewigen Welten.
64. (10 091.) Er, der Unendliche, erfüllt alles mit seinem
Wesen und durchwaltet als der Ewige die Welten, er,
der Hochsinnige, schafft ohne Hemmnis; in ihm ruht
diese ganze mannigfaltige Welt der Lebenden.
Yudhishthira sprach:
65. (10098.) Vom Vritra, o Kenner der höchsten Realität,
wurde, so glaube ich, das schöne, ihm bevorstehende Ziel er-
kannt, darum war er glücklich und klagte nicht, o Grofs-
vater.
66. (10093.) Wer weifs ist und weifsen Ursprungs, kehrt
als ein Vollendeter nicht mehr zurück, o Schuldloser, sondern
ist erlöst von der Wanderung in die Tierwelt und von d<»r
Hölle, o Grofsvater.
67. (10094.) Wer aber sich in der gelben und roten Farbe
Dzuibk», MabAbhAr*t*ra. 32
Digitized by Google
498 III. Mokshadharma.
befindet, o Fürst, der möge auf die Tierwelt hinblicken, wenn
er sich von tamas-artigen Werken umgarnen läfst.
68. (10095.) Wir aber, die wir als Rote [den drei Guna's
entsprechend] Schmerz, Lust und Gleichgültiges erfahren
haben, welchen Weg werden wir gehen, den blauen oder den
niedrigsten schwarzen?
Bhlshma sprach:
69. (10096.) Ihr Pändusöhne, die ihr von reiner Abkunft
und geschärften Gelübdes seid, werdet, nachdem ihr euch
der Götterwelten erfreut habt, wieder in das Menschentum
eingehen.
70. (10097.) Nachdem ihr, unter den Göttern Glück ge-
nossen habend, seinerzeit mit Freude wieder zur Wesens-
schöpfung zurückgekommen sein werdet, werdet ihr mit
Freuden zu der Schar der Vollendeten eingehen. Fürchtet
euch nicht, fleckenlos seid ihr alle.
So lautet im Mokshadharma der Gesang Tom Vritra
(Vritra -gltd).
Adhyftya (B. 281).
Vers 10098-10142 (B. 1-44).
Yu<lhi>hthira sprach:
1. (too9s.) () über die grofse Gerechtigkeit des unermefs-
lich kräftigen Vritra, dessen Erkenntnis unvergleichlich und
dessen Verehrung für Vishnu nicht weniger grofs war!
2. (10099) Schwer zu erkennen, o Freund, ist die Stätte
des unermefslich kraftvollen Vishnu; wie hat er, o Tiger
unter den Königen, diese Stätte erkennen können?
3. (ioioo.) Du hast mir ja die Sache erzählt, und ich
glaube daran unerschütterlich; aber mein Geist ist nur noch
mehr aufgeregt, weil ich dabei etwas Unerklärliches finde.
4. (loioi.) Wie konnte dieser Vritra von £akra (Tndra)
niedergeschlagen werden, o Männerstier, da er doch so fromm
und dem Vishnu ergeben war und im Zusammenhang der
Vedaworte die Wahrheit erkannt hatte!
i
Digitized by Google
Adhyaya 282 (B. 281).
499
5. (10102.) Diesen Zweifel löse mir, dem Fragenden, o
Bharatastier, wie es möglich war, o Tiger unter den Königen,
dafs Vritra von £akra besiegt wurde.
<5. (loios.) Und wie der Kampf entbrannte, auch das er-
kläre mir, o Grofsvater, in Ausführlichkeit, denn meine Wifs-
begier ist aufs höchste gesteigert, o Grofsarmiger.
Bhlshma sprach:
7. (10104.) Einstmals war Indra zu Wagen ausgefahren,
von den Götterscharen begleitet. Da sah er vor sich den
Vritra stehen, einem Berge vergleichbar,
8. (10105.) fünfhundert Meilen in die Höhe emporragend,
o Feindebezwinger, und mehr als dreihundert betrug sein
Umfang.
9. (10106.) Als sie diese so gewaltige, auch von den drei
Welten schwer zu besiegende Gestalt sahen, da zitterten die
Götter vor dem Vritra und fanden keine Ruhe.
10. (10107.) Und auch dem (,'akra, o König, schlotterten
die Knie aus Furcht vor dem Vritra, als er so plötzlich diese
gewaltige Gestalt sah.
11. (loios.) Da erhob sich ein Lärm und ein Getön von
Instrumenten, als dieser Kampf zwischen allen Göttern und
Dämonen entbrannte.
12. (loioi») Aber den Vritra, o Kurusprofs. ergriff beim
Anblick des gegenüberstehenden (,'akra keine Verwirrung,
keine Furcht oder Besorgnis.
13. (lono.) Da entspann sich ein Kampf, der alle drei
Welten in Schrecken setzte, zwischen dem Götterfürsten Uakra
und dem hochsinnigen Vritra.
14. (loui.) Von Schwertern, Sensen, Speeren, Lanzen,
Wurfspiefsen, Streithämmern, von mancherlei Steinen und
lautschwirrenden Bogen,
15. (loii'i.) von allerlei himmlischen Waffen und Feuer-
bränden sowie von göttlichen und dämonischen Streitern
war alles erfüllt.
10. (10113.) Und mit dem Urvater an der Spitze kamen
alle Götterscharen und die hochbeglückten Rishi's herbei, um
diesen Kampf anzusehen.
32*
Digitized by Google
III. Mokshudharma.
17. (10H4.) Und auch die Vollendeten auf herrlichen
Wagen, o Bharatastier, und die Gandharven hoch zu Wagen
mit den Apsaras eilten herbei.
18. (10H5.) Da überschüttete Vritra, der Beste der Ge-
setzesträger, mit einem die Luft erfüllenden Hagel von Steinen
blitzesschnell den Fürsten der Götter.
19. (ioii6.) Darauf wurden die Götterscharen zornig und
wehrten von allen Seiten her mit einem Regen von Pfeilen
den Steinhagel ab, der von Vritra im Kampfe über sie aus-
geschüttet worden war.
20. (loin.) Aber Vritra, o Kurutiger, mit grofser List und
grofser Kraft brachte von allen Seiten im Zauberkampfe Ver-
wirrung über den Götterfürsten.
21. (10118.) So überkam den von Vritra bedrängten Hun-
dertkräftigen Verwirrung. Aber da gab ihm Vasishtha mittels
eines Rathan taram die Besonnenheit wieder.
Vasishtha sprach:
22. (10H9.) Du bist der Beste unter den Göttern, o Götter-
fürst, o Zerschmetterer der Daitya's und Asura's; wie kommt
es, dafs dich, o (>kra, der du über die Macht der drei W'elten
verfügst, Verzagtheit anwandelt?
23. (10120.) Da stehen Brahmän, Vishnu und fiva, der
Herr der Welt, da stehen Sorna, der heilige Gott und alle
die höchsten Weisen;
24. (10121.) verfalle nicht in Kleinmut, o (^akra, wie es
irgendein anderer tun würde, betätige deine edle Gesinnung
im Kampfe und schlage die Feinde, o Oberherr der Götter.
25. (10122.) Hier dieser Lehrer der Welt, der von allen
Welten verehrte heilige Dreiaugige schaut auf dich hin; so
mache dich von der Verwirrung los, o Oberster der Götter!
26. (10123.) Diese von Brihaspati angeführten Brahman-
weisen feiern dich durch himmlischen Löbgesang, o <>kra,
um dir den Sieg zuzuwenden.
Bhlshma (der Erzähler) sprach:
27. (ioi2i.) Als er von dem hochherzigen Vasishtha in
dieser Weise zur Besonnenheit zurückgebracht war, da
Digitized by Google
Adhyaya 282 (B. 281).
501
wuchs die Kraft des allerglanzvollsten Vasava ins Un-
geheure.
28. (10125.) Da raubte der heilige Züchtiger des Päka,
auf seine Einsicht sich stützend, mit grofser Yogakraft jene
Zauberkraft [des Vritra].
29. (10126.) Als nun der glückselige Sprofs des Angiras
(Brihaspati) und alle die grofsen Rishi's das tapfere Los-
stürmen des Vritra sahen, da gingen sie zu Mahecvara ((,'iva)
30. (ioi27.) und sprachen mit ihm wegen der Vernichtung
des Vritra aus Wohlwollen für die Welten. Da geschah es,
dafs die Kraft des heiligen Herrn der Welt in Gestalt eines
Fiebers
31. (ioi28.) von furchtbarer Heftigkeit in den Vritra, den
Herrn der Daitya's [mit C], hineinfuhr. Vishnu aber, der
heilige, von allen Welten verehrte Gott,
32. (10129.) fuhr in den Donnerkeil des Indra der Be-
schützung der Welt zuliebe. Da traten an den Hundert kräf-
tigen (Indra) heran Brihaspati, der Weise, (10130.1 und der
kraftvolle Vasishtha und mit ihnen alle die höchsten Weisen
33. und bestürmten den gabenspendenden, allverehrten
Väsava (Indra), (löiai.) indem sie ihn einmütig baten, den
Vritra zu töten, o Herr.
Mahecvara (Vishnu) sprach:
34. (10132.) Dieser grofse und mit gewaltiger Kraft aus-
gerüstete Vritra ist, o Oakra, als allbeseelend, allgegenwärtig
und viele Zauberkünste übend bekannt, •
35. (10133.) darum mufst du diesen besten, auch von der
Dreiwelt schwer zu überwindenden Asura mit Hilfe der Yoga-
kraft töten; unterschätze ihn nicht, o Herr der Götter.
3ti. (10134.) Denn er hat, o Herr der Götter, um seine
Kraft zu stärken, Askese geübt sechzigtausend Jahre hin-
durch, und Gott Brahmän hat ihm dafür als Gabe verliehen
37. (10135.) die Majestät der Yogin's und die grofse Zauber-
kunst und die grofse Kraft und die höchste Energie, o Herr
der Götter.
38. (10136.) Darum ist meine Kraft in dich hineingefahren.
Digitized by Google
502
III. Mukshadharma.
o Vasava, und jetzt, da er in Bestürzung ist, mögest du ihn,
den Dänava, mit deinem Donnerkeil erschlagen.
■
<>kra sprach:
39. (101S7.) 0 Heiliger, durch deine Gnade will ich den
schwer angreifbaren Ditisohn vor deinen Augen, o Götter-
stier, mit meinem Donnerkeile niederschmettern.
Bhlshma sprach:
40. (10138.) Als aber der grofse Dämon, der Daitya, vom
Fieber befallen war, da entstand unter den Göttern und Rishi's
vor Freude ein grofser Lärm.
41. (10139.) Da liefsen sie Pauken und helltönende Muscheln,
Trommeln und Tamburine tausendfach erschallen.
42. (loiio.) Aber unter allen Asura's trat ein grofses
Schwinden des Gedächtnisses ein, und eine völlige Vernich-
tung ihrer Zauberkunst erfolgte augenblicklich.
43. (ioi4i.) Als die Rishi's und Götter jenen in dieser
Weise befallen sahen, da priesen sie (^akra, den Herrn, und
feuerten ihn an.
44. (ioi48.) Aber furchtbar war in diesem Kampfe das
Aussehen des von den Rishi's gepriesenen, hochherzigen
Qakra, wie er auf seinem Wagen stand.
So lautet im Moksbadbarma die Tötong des Vritra
( Vritra -todha).
Aclhyftya 283 (B. 282).
Vers 10 14:1-10-207 (B. 1— 1>5>.
Bhlshma sprach:
1. (io u3.) Was bei dem vom Fieber durch und durch er-
griffenen Vritra für Anzeichen an seinem Körper hervortraten,
die vernimm von mir, o grofser König.
2. (io H4.) Flammenden Mundes war der Furchtbare und
grofses Erbleichen überkam ihn, heftiges Gliederzittern und
starkes Röcheln stellte sich ein,
*
Digitized by Google
Adhy&ya 283 (B. 282).
50a
3. (10 145.) schlimmes Haarsträuben und mächtiges Stöhnen,
o Fürst. Und als unheilverkündender, scheufslicher Schakal
fuhr aus seinem Munde
4. (10U6.) heraus sein ungeheuerliches Gedächtnis, o Bhä-
rata, während flammende und glühende Feuerbrände an seiner
Seite zum Vorschein kamen.
5. (10147.) Geier, Reiher und Kraniche stiefsen ein furcht-
bares Geschrei aus, und über seinem Haupte sich sammelnd,
umschwärmten sie ihn im Kreise.
0. (Ions.) Da bestieg, von den Göttern im Kampfe unter-
stützt, seinen Wagen mit dein gezückten Donnerkeile in der
Hand Cakra und blickte auf den Daitya hin.
7. (ioi4y.) Da liefs der grofse Dämon ein unmenschliches
Geschrei hören und rifs den Rachen auf, o Fürst der Könige,
von dem heftigen Fieber geschüttelt.
8. (loir.o.) Und wie er den Rachen aufrifs, schleuderte
(,'akra gegen ihn den Donnerkeil, und der furchtbar scharfe
Donnerkeil, dem Todesfeuer an Ähnlichkeit vergleichbar,
0. (10151.) schmetterte alsbald den mächtigen Leib des
Daitya zu Boden. Da entstand abermals von allen Seiten
her ein Geschrei
10. (1015-'.) der Götter, als sie den Vritra gestürzt sahen,
o Bharatasticr. Als aber der mächtige, hochberühmte Dä-
monenfeind den Vritra geschlagen hatte,
11. (ioir»3.j fuhr er rr.U dem von Vishnu erfüllten Donner-
* keil zum Himmel empor. Aber aus dem Leibe des Vritra,
o Kurusprofs, fuhr heraus
12. (n»i54.) die Brahmavadhya (der Brahmanenmord), ent-
setzlich, fürchterlich, die Welt erschreckend, mit klaffendem
Gebifs, schauerlich, mifsgestaltet, schwarz und gelb,
18. (10155! mit flatternden Haaren, furchtbaren Augen,
o Bhärata, mit einem Schädelkranz behängt, einer Zauberin
vergleichbar, o Bharatasticr,
14. (ioi5«>.) bluttriefend, o Ftlichtkundiger, mit Lumpen
und Baumbast bekleidet. In dieser fürchterlichen Gestalt,
o Fürst der Könige, fuhr sie aus ihm heraus
15. (10157.) und fing an den Donnerkeilträger zu verfolgen,
Digitized by Google
504
III. Mokshadharnaa.
o Bester der Bharata's. Eine Zeitlang gelang es dem Vritra-
töter, o Kurusprofs,
16. (10158.) dem Himmel zuzufliegen aus Wohlwollen für
die Welt. Aber jene, als sie den mächtigen Indra ent-
schlüpfen sah,
17. (10169.) die Brahmavadhyä, packte den Götterfursten
und klammerte sich an ihm fest. Er aber, von der durch
die Brahmavadhyä gewirkten Furcht erfüllt,
18. (10160.) versteckte sich in der Knolle einer Lotos-
blume und verweilte in ihr viele Jahre lang. Aber von der
Brahmahatya mit Eifer verfolgt,
19. (loiei.) wurde er endlich ergriffen, o Kurusprofs, und
seiner Energie beraubt. Sie abzuschütteln gab sich (^akra.
die gröfste Mühe,
20. (10162.) doch der Fürst der Götter vermochte nicht,
die Brahmavadhyä von sich loszumachen. Aber der Götter-
fiirst, von ihr festgehalten, o Bharatastier,
21. (10163.) wandte sich an den Urvater und verehrte ihn
durch Neigung des Hauptes. Als er bemerkte, dafs (^akra
von der Dvijapravaravadhyä (dem Brahmanenmord) ergriffen
worden war,
22. (ioi64.) ging Gott Brahraän mit sich zu Rate, o Bester
der Bharata's, und er, der Urvater, sprach, o Grofsarmiger,
zu der Brahmavadhyä
23. (ioi«5.) mit sanfter Stimme, um sie zu besänftigen,
o Bhärata : Lasse den Herrn der dreifsig [Götter] los, tue es
mir zuliebe, o nolde.
24. (10166.) Sage, was ich dir dafür erweisen soll, und
welchen Wunsch du hegst.
Die Brahmavadhyä sprach:
25. (ioi67.) Wenn dem von den drei Welten verehrten
Gotte, dem Schöpfer der drei Welten, damit ein Gefallen ge-
schieht, so sehe ich die Sache schon als getan an. Aber
weise mir eine andere Wohnung an.
26. (10168.) Von dir selbst ist diese Bestimmung [keinen
Brahmanen zu töten], getroffen worden, um die Welt zu er-
Digitized by Google
Adhyaya 283 (B. 282).
halten, und diese grofse Anordnung ist von dir selbst, o Gott,
verlassen worden.
27. (10169.) Aber wenn dir ein Gefallen damit geschieht,
o Pflichtkundiger, o Herr der Welt, o Gebieter, so will ich von
^akra ablassen, aber weise mir eine andere Wohnung an.
Bhlshma (der Erzähler) sprach:
2H. (lono.) Da sprach der Urvater zur Brahma vadhya :
„So sei es! u Durch dieses Mittel machte er die Brahma-
vadhyä von (,'akra los.
29. (loiii.) Da wurde von dem hochherzigen, durch sich
selbst Seienden der Feuergott herbeigedacht, und dieser, vor
Gott Brahmän tretend, sprach folgendes Wort:
30. (ioi72.) Ich bin, o heiliger Gott, vor dir erschienen,
o Untadliger; was ich zu tun habe, o Gott, das mögest du,
o Herr, mir sagen.
Gott Brahmäu sprach :
31. (10173.) Ich gedenke liier diese Brahmavadhyä in
mehrere Teile zu zerlegen, um den Uakra von seiner Sünde
zu befreien, so übernimm du ein Viertel von ihr.
Agui (der Fcuergotti sprach:
32. (10174.) Welches ist der Endpunkt, wo icli von ihr
werde befreit werden, o Brahmän, darüber denke nach, o
Herr, das wünsche ich mit Bestimmtheit zu wissen, o du
von aller Welt Verehrter.
Gott Brahmän sprach:
33. (10175.) Wenn jemals irgendwo ein Mensch deinen
Flammen naht und, von Tamas umnebelt, es unterlassen wird,
dir mit Körnern, Pflanzen und Säften zu opfern,
34. (10176.) dann wird diese Brahmavadhya sofort in ihn
hineinfahren und Wohnung in ihm nehmen; lafs den Kummer
deiner Seele fahren, o Opferfahrer.
35. (ioi77.) Nach diesen Worten nahm der heilige Ge-
niefser des Götter- und Manenopfers den Befehl des Urvaters
an, und es geschah so, o Herr.
Digitized by Google
50t> III. Mokshadharma.
36. (10178.) Weiter rief der Urvater Bäume, Kräuter und
Gräser herbei und unternahm es, an sie dieselbe Zumutung
zu stellen, o Grofskönig.
37. (10179.) Als aber an die Bäume, Kräuter und Gräser
ebendasselbe Wort erging, da waren sie ebenso aufgeregt
wie Agni, o König, und sprachen zu Gott Brahman:
38. (10180.) Welches wird für uns der Endpunkt des
Tragens der Brahma vadhyä sein, o Urvater; uns, die wir
vom Schicksal schon genug geschlagen sind, solltest du nicht
noch mehr schlagen.
39. (loisi.) Immerfort müssen wir Feuer und Kälte und
vom Winde gepeitschten Regen aushalten, o Gott, dazu noch
das Abhauen und Spalten.
40. (ioi82.) Wir wollen jetzt auf dein Geheifs diese Brahma-
vadhya hier übernehmen, o Herr der drei Welten, aber denke
daran, wie wir wieder davon loskommen.
Gott Brahman sprach:
41. (ioi83.) Wenn ein Mensch zur festlichen Zeit des Mond-
wechsels aus Verblendung euch abhauen oder spalten wird,
so wird sie in ihn hineinfahren.
Bhlshma (der Erzähler) sprach:
42. (1018+ ) Nachdem der Hochsinnige diese Worte zu den
Bäumen, Pflanzen und Gräsern gesprochen hatte, verehrten sie
den Gott Brahman und gingen schnell dahin, woher sie ge-
kommen waren.
43. (ioi85.) Weiter rief der Gott und Urvater der Welten
die Apsaras heran und sprach zu ihnen mit milder Stimme,
um sie freundlich zu stimmen, o Bhärata:
44. (1018G.) 0 ihr Schönglied rigen, diese Brahmavadhya
stammt von Indra her, so übernehmt denn auf meinen
Wunsch ein Viertel von ihr.
Die Apsaras sprachen:
45. (ioi87.) Auf deinen Befehl, o Herr der Götter, sind wir
geneigt, sie aufzunehmen, aber überlege, o Urvater, wie wir
der Vereinbarung gemäfs von ihr loskommen werden.
Digitized by Google
Adhyaya 283 (B. 282).
f.07
Gott Brahman sprach:
46. (10188.) Wer während der Regel der Frauen mit ihnen
die Begattung vollzieht, in den wird sie alsbald eingehen;
lafst den Kummer eurer Seele fahren.
Bhishma (der Erzähler) sprach:
47. (ioi89.) „So sei es! u sprachen mit fröhlichem Geiste
die Scharen der Apsaras und kehrten an ihren Ort zurück
zum lustigen Leben, o Bharatastier.
48. (10190.) Weiter dachte der Schöpfer der drei Welten,
der askesereiche Gott, an die Wasser, und auf seine Medita-
tion hin kamen sie auch herbei.
49. (ioi9i.) Als sie nun alle bei dem unermefslich kräf-
tigen Gott Brahman zusammengekommen waren, fielen sie
vor dem Urvater nieder und sprachen dieses Wort:
50. (10192.) Wir alle sind, o Gott, vor dich getreten, o
Feindebändiger, auf deinen Befehl, o Herr der W r elt; tue uns
deinen Willen kund, o Herr.
Gott Brahman sprach:
51. (10193.) Diese furchtbare Brahmavadhya hat von Vritra
aus den Vielangerufenen (Indra) ergriffen, so übernehmt
denn ihr ein Viertel von ihr.
Die Wasser sprachen:
52. (10194.) So möge es geschehen, o Herr der W elt, wie
du es uns befiehlst, o Gebieter, aber überlegen mögest du,
wie wir nach Vereinbarung wieder von ihr loskommen werden.
53. (10 n*5.) Du bist ja, o Götterherr, für die ganze Welt
die höchste Zuflucht; wen sonst könnten wir anflehen, dafs
er uns aus dem Klend errette (mit ('.).
Gott Brahman sprach :
54. (H>i96j Wenn ein Mann, in seinem Geiste verblendet,
euch geringschätzen und Schleim, I rin oder Kot in euch ge-
langen lassen sollte,
55. dorn.) so wird diese hier alsbald in ihn fahren und
Digitized by Google
508
III. Mokshadharma.
in ihm Wohnung nehmen ; so werdet ihr von ihr frei werden,
das sage ich euch als die Wahrheit.
56. (10198.) Da liefs die Brahmavadhyä von dem Götter-
fürsten ab, o Yudhishthira, und fuhr in die Behausung, wie
sie ihr durch den Befehl des Gottes angewiesen worden war.
57. (ioi99.) Das ist die Geschichte von der Behaftung des
Cakra mit der Brahmavadhvä, o Völkerherr; er aber ver-
abschiedete sich von dem Urvater und brachte ein Rofs-
opfer dar.
58. (10200.) Und so ist es uns überliefert, dafs Väsava
(Uakra) mit der Brahmavadhyä behaftet gewesen ist, o grofser
König, und dafs er die Reinigung von ihr durch ein Rofs-
opfer erlangte.
59. (10201.) Der Gott Väsava also, nachdem er seine
Herrlichkeit wiedererlangt und die Feinde tausendfach ge-
schlagen hatte, genofs unvergleichliches Glück, o Herr der
Erde.
00. (10202.) Aus dem Blute des Vritra, o Prithäsohn, ent-
standen die Uikhanda's*, von geweihten und askesereichen
Brahmanen dürfen sie nicht gegessen werden.
61. (10 203.) Auch du mufst solchen Zwiegeborenen in
allen Lagen Liebe erweisen, denn sie werden als die Götter
auf Erden gepriesen, o Kurusprofs.
62. (10201.) So wurde, o Kurusprofs, von dem unermefs-
lich kräftigen (,'akra vermöge der Feinheit seines Geistes der
grofse Dämon Vritra durch Anwendung der rechten Mittel
niedergeschlagen.
63. (10205.) Und so wirst auch du, o Sohn der Kunti, un-
besiegbar sein auf der Erde, wie der hundertkräftige, Feinde
tötende Gott.
64. (10206.) Wer aber diese göttliche Geschichte vom <>kra
an jedem Mondfeste im Kreise von Brahmanen erzählen wird,
der wird sich von Sünde freihalten.
• Nach P.W. „wohl eine bestimmte Pflanzt"; Xllakantha, £abdakal-
padruma und Vacaspatyam geben keine Hilfe; „high-crested cocfo" P. C.
Ray; ,.Hähne" Jacobi.
Digitized by
Adhyaya 283 (B. 282).
509
65. (10207.) So habe ich dir denn die grofse, überaus
wunderbare Tat, die (^akra am Vritra vollbrachte, erzählt,
o Freund; was wünschest du nun weiter zu hören?
8o lautet im Mokshadharma die Verteilung der Brahmabatya
(Brahmakatyd - tibhdga).
Aclhy&ya 284 (B. 283).
Vers 10208-10271 (B. 1-63).
Yudhishthira sprach:
1. (10208.) 0 Grofsvater, Weiser, aller Lehrbücher Kun-
diger! Über jene Tötung des Vritra, o Himmlischer, wünsche
ich etwas zu fragen.
2. (10209.) Du sagtest, o Fürst der Völker, dafs Vritra
durch das Fieber in Verwirrung gesetzt war und darauf von
Vasava mit dem Donnerkeil getötet wurde, o Untadliger.
3. (10210.) Wie ist dieses Fieber entstanden und zum Vor-
schein gekommen, o Hochweiser? Die Entstehung dieses
Fiebers wünsche ich von dir, o Herr, ausführlich zu ver-
nehmen.
Bhlshma sprach:
4. (10211.) Vernimm den weltberühmten Ursprung jenes
Fiebers, und auch seine Ausbreitung will ich dir erklären,
wie sie geschehen ist, o Bhärata.
5. (10212.) Es war einmal, o Grofskönig, ein von allen
drei Welten verehrter Gipfel des Götterberges Meru, mit
Namen Jyotishka (der Glänzende), dem Savitar heilig, mit
allerlei Edelsteinen geschmückt,
0. (10213.) unermefslich grofs, in allen Welten nicht zu
überwinden, o Bhärata. Dort befand sich der Gott [Civa]
auf einem mit Gold und Edelmetallen geschmückten Berg-
abhang,
7. (102U.) wie auf einem Ruhebette glanzvoll sitzend, und
die Tochter des Königs der Berge [Umä, Tochter des Himü-
laya] strahlte allezeit an seiner Seite (10215.) und hochsinnige
Götter, unermefslich kräftige Vasus,
Digitized by Google
1
510 III. Mokshadharnia.
8. ferner die hochherzigen beiden Acvin's, die Besten der
Arzte, (10216.) dazu der König Vaicravana (Kubera), von seinen
Gnomen umgeben,
9. der glückliche Fürst der Yaksha's, ihr auf dem Kai-
läsa wohnender Gebieter, — (10217.) sie alle verehrten den
Hochsinnigen (Civa) und mit ihnen der grofse Weise Ucanas.
10. Und auch die von Sanatkumära angeführten grofsen
Rishi's (10218.) und, mit Angiras an der Spitze, andere Götter-
Rislü's
11. und der Gandharva Vicvävasu, sowie Narada und
Parvata (10219.) und Schwärme aus der Schar der Apsaras
kamen in grofser Menge zusammen.
12. Ein lieblicher, heilbringender Wind wehte, mancherlei
Düfte mit sich bringend und rein, (10220.) und blühende Bäume,
von Blumen aller Jahreszeiten umgeben,
13. sowie Vidyädhara's und askesereiche Siddha's, —
(10221.) diese alle umgaben verehrend den Mahadeva, den
Herrn der Herden, o Bhärata.
14. Und auch Geisterscharen von mannigfachen Gestalten,
o Grofskönig, (10222.) furchtbare Rakshasa's, gewalttätige
Picäca's,
15. mancherlei Gestalten tragend, im Freudenrausch
allerlei Waffen schwingend, (10223.) standen daselbst als Ge-
folge des Gottes, dem Feuer vergleichbar.
16. Auch der heilige Nandin stand dort mit Erlaubnis
des Gottes (10224.) mit dem flammenden Speere in der Hand,
strahlend in eigenem Glänze.
17. Und Gangä, die Beste unter den Flüssen, die allen
heiligen Badeplätzen das Wasser spendet, (10225.) verehrte in
leibhaftiger Gestalt den Gott, o Kurusprofs.
18. Der Heilige aber, in dieser Weise dort von Götter-
weisen verehrt (10226.) und von Göttern, stand da als Mahadeva
in grofser Majestät.
19. Einstmals nun geschah es, dafs ein Prajäpati (Schöpfer)
mit Namen Daksha (10227.) sich anschickte, in althergebrachter
Weise ein Opfer zu bringen.
20. Und es hatten sich wegen seines Opfers alle Götter
i
Digitized by Google
Adhyaya 2«4 (B. 283).
511
mit Qakra an der Spitze (10228.) zusammengetan und die Ab-
sicht gefafst, dahin zu gehen.
21. Auf ihren Wagen, die wie Feuer und Sonnen glänzten,
kamen diese Hochsinnigen (10229.) mit Erlaubnis des Gottes
(Daksha) nach Gangädvära, wie es heifst.
22. Als aber die Bergkönigstochter (L'mä) sah, wie die
Götter sich aufgemacht hatten, (102.30.) da sprach die Vortreff-
liche zu ihrem Gatten, dem tierbehütenden Gotte, dieses
Wort:
23. 0 Heiliger! wohin mögen wohl diese Götter unter
(,'akra's Führung gehen? (10231.) Das sage mir der Wahrheit
nach, o Wahrheitskenner, ich bin darüber in grofsem Zweifel.
Mahe<;vura ((,'iva) sprach:
24. (10232.) 0 Glückliche! ein Oberherr der Geschöpfe mit
Namen Daksha bringt ein Rofsopfer dar, dahin gehen die
Himmelsbewohner.
Umä sprach:
2b. (10233.) Wie kommt es, dafs du, o Mahädeva, nicht
auch dieses Opferfest besuchst? Welches Hindernis besteht,
dafs du nicht dorthin gehst?
Mahervnra sprach •
20. (10234.) 0 Glückliche! von den Göttern ist das von
jeher so gehalten worden, bei allen Opfern ist kein Anteil
für mich bestimmt.
27. (10235.) Gemäfs einem durch althergebrachtes Ver-
fahren überkommenen Brauche, o Schönfarbige, geben die
Götter mir gewohnheitsmäfsig keinen Anteil am Opfer.
Uma sprach:
28. (10236.) O Heiliger! du bist vermöge deiner Tugen-
den an Macht allen Wesen überlegen, bist unbesiegbar und
unüberwindlich an Macht, Ruhm und Glück.
29. (10237.) Durch diese Verweigerung deines Anteils,
o Glücklicher, bin ich von grofsem Schmerze und Zittern er-
griffen, o Untadliger.
Digitized by Google
512
III. Mokshadharma.
Bhishma sprach :
30. (10288.) So sprach die Göttin zu ihrem Gemahl, dem
Herrn der Tiere, und schwieg, o König, glühenden Zorn im
Herzen.
31. (10239.) Er aber durchschaute, was in ihrem Herzen
vorging, und was sie getan zu sehen wünschte, und erteilte
dem Nandin den Befehl: „Du wartest hier."
32. (10240.) Er aber wappnete sich mit Yogakraft, der
Meister aller Yogameister, und unternahm es, er, der Ge-
waltige, mit seinen furchtbaren Mannen das Opfer
33. (10241.) jählings zu stören, der Göttergott mit dem
Pinäka-Bogen. Einige erhoben ein Geheul, andere brachen
in Gelächter aus,
34. (10242.) einige besudelten sogar das Opferfeuer mit
Blut, andere rissen die Opferpfosten aus und schwärmten
umher, ihre Gesichter verzerrend,
35. (10243.) andere schnappten mit ihren Mäulern nach
den Opferdienern. So wurde dieses Opfer vollständig ge-
stört, o Fürst.
36. (10244.) Da nahm das Opfer die Gestalt einer Gazelle
an und flüchtete ins Weite, er aber haschte nach dem in
dieser Gestalt fliehenden Opfer,
37. (1024&.) ergriff Bogen und Pfeil und jagte ihm nach,
der Herr. Aber durch den Zorn des unermefslich kräftigen
Götterherrn
38. (10246.) rann von seiner Stirn ein furchtbarer Schweifs-
tropfen herab. Kaum aber war dieser Schweifstropfen auf
die Erde gefallen,
39. (10247.) so flammte aus ihm ein mächtiges Feuer auf,
dem Weltuntergangsfeuer vergleichbar. Aus diesem ging
hervor ein Mann, o Stier der Männer,
40. (10248.) zwergartig klein, mit roten Augen und gelbem
Barte, furchtbar anzusehen; seine Haare standen zu Berge,
sein Körper war ganz mit Federn bedeckt, wie bei Habichten
oder Eulen,
41. (10249.) seine Farbe ein grausiges Schwarz, sein Ge-
wand blutrot. Dieser gewaltige Unhold verbrannte das Opfer,
wie Feuer ein Gebüsch.
Digitized by Google
Adhyftya 284 (B. 283).
513
42. (iu25o.) Dann stürzte er sich überallhin auf die Götter
und rannte gegen die Rishi's an, und alle Götter stoben er-
schreckt nach den zehn Weltrichtungen auseinander.
43. (10251.) Und wie der Mann dort umherstürmte, o
Völkerherr, bebte die Erde gewaltig, o Bharatastier.
44. (10252.) Als aber der Gebieter und Urvater die ganze
Welt in Wehgeschrei ausbrechen sah, da erschien er dem
Mahadeva und sprach zu ihm.
Gott Brahinän sprach :
45. (10358.) O Herr, alle Götter werden auch dir einen
Anteil geben, nur nimm zurück [was du getan hast], o
Allgott.
4*». (10254.) Denn alle diese Gottheiten und Rishi's, o Feind-
bedränger, können vor deinem Zorne, o Mahadeva, kerne
Ruhe finden.
47. (10255.) Aber der Mann da, der aus deinem Schweifse
entstanden ist, o Bester der Götter, mag unter dem Namen
Fieber in der Welt wüten, o Pflichtkundiger.
48. (1025«.) Aber wenn er Einer bleibt, o Herr der Kraft,
ist die ganze Erde nicht imstande, ihn zu ertragen, möge
er in viele zerlegt werden.
4t*. (10257.) Nachdem dem Gotte so von Brahmän zu-
geredet und auch sein Opferanteil zugesichert worden war,
da sprach er zu dem heiligen, unermefslich kräftigen Gott
Brahmän: „So sei es!"
50. (10258) Mit grofser Freude wurde da der Pinäka-
bogenträger erfüllt, und schmunzelnd nahm er, der Ewige,
den von Gott Brahmän ihm zugesprochenen Teil entgegen.
51. (10259.) Das Fieber zerlegte der aller Satzungen Kun-
dige in viele Teile, um allen Wesen die Ruhe wiederzugeben;
auch das vernimm, mein Sohn.
52. (10260.) Die Kopfhitze der Elefanten, das Steinharz der
Berge, die Algen des Wassers, das soll man wissen, die
Häutung bei den Schlangen,
53. (io»;i.) die Klauenseuche der Kühe, der Salzboden auf
der Erde, die Sehstörung des Viehs, o Pflichtkundiger.
54. (lo^es.) die Rotzkranhkeit der Pferde, die Kammspaltung
Digitized by Google
514
III. Mokshadharma.
der Pfauen und die Augenkrankheit des Kuckucks, auf diese
wurde durch des Hochsinnigen Wort das Fieber verteilt.
55. (10263.) Auch die Gallen Verteilung , wo sie bei den
Schafen vorkommt, ist als solches überliefert; ferner der
Schluchzer, wo er bei den Papageien vorkommt, wird als
Fieber bezeichnet.
56. (10264.) Auch die Mattigkeit bei den Tigern wird als
Fieber bezeichnet, o Pflichtkundiger, bei den Menschen end-
lich führt es den Namen Fieber, o Bharata.
57. (10265.) Beim Sterben, bei der Geburt und zwischen
beiden kann es den Menschen beschleichen ; es ist die von
Mahecvara herrührende Glut, welche als das furchtbare Fieber
bekannt ist.
58. (10266.) Verehrung und Anbetung aller Lebenden ge-
bührt dem levara, denn von ihm [in Gestalt des Fiebers]
wurde Vritra, der Beste der Gesetzesträger, befallen.
59. (10267.) Er rifs den Rachen auf, da schleuderte Qakra
den Donnerkeil gegen ihn, und der Donnerkeil drang in
Vritra ein und zerrifs ihn, o Bharata.
60. (10268.) Und von dem Donnerkeil zerrissen, ging der
grofse Zauberer, der grofse Dämon hinauf zu der höchsten
Stätte des unermefslich kräftigen Vishnu.
61. (10269.) Denn durch die Liebe zu Vishnu war ihm diese
ganze Welt zuteil geworden, und eben darum erlangte er
nach seiner Niederwerfung im Kampfe die Stätte des Vishnu.
62. (10270.) Damit habe ich dir, von Vritra ausgehend, be-
richtet, wie sich das grofse Fieber verbreitete; was soll ich
dir, o Sohn, weiter sagen.
63. (10271.) Der Mann, welcher andächtig und unver-
drossenen Geistes diese Entstehung des Fiebers fort und
fort studiert, der wird, von Krankheit freibleibend, glück-
lich und freudeerfüllt alle Wünsche seines Herzens er-
langen.
So lautet im Mokabadharma die Entstehung des Fieber»
(jeara-vtpalti).
Digitized by Google
Adhyaya 285 (B. 284).
515
Adhyäya 285 (B. 284).
Vers 10272-10345 {B. 1-71).
Janamejaya sprach:
1. (10272.) Wie geschah es, o Brahmane, dafs in der Welt-
periode des [Manu] Vaivasvata das Rofsopfer des Schöpfer-
herrn Daksha Präcetasa zerstört wurde?
2. (10273.) Und wie geschah es ferner, dafs der die Erregung
der Göttin (Umä) bemerkende und in Zorn geratende all-
beseelende Herr (Pivaj , — dafs durch dessen Gnade vom
Daksha das Opfer wieder in Ordnung gebracht werden konnte?
(10274.) Das wünsche ich zu wissen, das erkläre mir, wie es
sich begeben hat.
Vaiyampayana sprach :
3. (n>276.) Einstmals also brachte Daksha ein Opfer dar
auf dem Rücken des Himälaya in Gangädvära, einer schönen,
von Weisen und Vollendeten bewohnten Gegend,
4. (io -.»76.) wo es von Gandharven und Apsarasen wimmelte,
und die mit mancherlei Bäumen und Schlingpflanzen be-
wachsen war. Dem von Rishischaren umgebenen Daksha,
dem Besten der Gesetzesträger,
5. (10277.) nahten alle Bewohner der Erde, des Luftraums
und der Himmelswelt und huldigten mit zusammengelegten
Händen diesem Prajäpati.
f>. (10278.) Götter, Dänavas, Gandharva's, Picäca's, Schlan-
gen, Rakshasa's, die beiden Gandharven Haha- und Huhu,
sowie Tumburu und Närada,
7. (10-279.) Vicvävasu, Vicvasena und andere Gandharven
mit Apsarasen: auch die Ädit ya's, Vasu's, Rudra's, Sädhya's
und die Scharen der Marut's,
H. (i028<>.) sie alle waren mit Indra herbeigekommen, um
teil am Opfer zu haben. Auch alle, welche die Hitze trinken,
den Sorna trinken, den Dampf trinken, die Schmelzbutter
trinken,
9. (io28i.) die Rishi's und die Manen kamen mit Gott
Brahmän herbei. Denn diese und viele andere, auch die vier-
fachen Scharen der Wesen,
33*
Digitized by Google
516
III. Mokshadharma.
10. (10282.) lebendgeborene und eigeborene, schweifs-
geborene und sprofsgeborene in Eile, sie alle waren gerufen
und geladen nebst allen Göttern mit ihren Frauen.
11. (10288.) Auf ihren Wagen stehend, glänzten sie wie
flammende Feuer. Sie erblickte von Zorn erfüllt Dadhici
und sprach das Wort:
12. (10284.) Das ist kein Opfer, keine fromme Handlung,
bei der nicht auch dem Rudra (Ci va ) geopfert wird ; verfallen
sind sie dem Tode und der Gefangenschaft, ist wohl eine
Wendung ihres Schicksals möglich?
13. (10285.) Sehen sie denn in ihrer Verblendung nicht,
wie das Verderben sie umgarnt? Begreifen sie nicht das
Furchtbare, das ihnen bei ihrem grofsen Opferfeste droht?
14. (10286.) So sprach der grofse Yogin und blickte aus
mit dem Auge der Meditation ; da sah er den Mahädeva und
die schöne, spendende Göttin (Umä)
15. (10287.) und den hochherzigen Närada, wie er in der
Nähe dieser Göttin weilte. Als der Yogakenner sich dessen
vergewissert hatte, wurde er von grofser Befriedigung erfüllt.
16. (10288.) Einseitig ist das Gebet von ihnen allen, da
sie den Herrn (Civa) nicht hinzugebeten haben, [sprach er];
damit verliefs Dadhici diesen Ort und sprach:
17. (10289.) Wer Nicht -Verehrungswürdige verehrt und
Verehrungswürdige nicht verehrt, der Mensch begeht allemal
eine Sünde, die dem Menschenmorde gleichkommt.
18. (10290.) Niemals noch habe ich die Unwahrheit ge-
sagt und werde sie auch niemals sagen, mag ich bei Göttern,
mag ich bei Weisen weilen, ich sage die Wahrheit.
19. (10291.) Ihr sollt sehen, der Herr der Tiere, der Schöpfer
und Herr der Welt, der Gebieter aller Wesen als bester Ge-
niefsender kommt zu eurem Opfer.
Daksha sprach:
20. (10292.) Wir haben hier viele Rudra's mit dem. Speer
in der Hand und der Haarlocke auf dem Haupte; sie haben
ihre elf Plätze eingenommen, aber deinen Mahecvara kenne
ich nicht.
Digitized by Google
Adhyaya 285 (B. 284).
517
Dadhici sprach:
21. (10293.) Dieses Gebet, welches ihr alle darbringen
wollt, wird — weil ihr ihn nicht dazu gebeten habt, — so
gewifs wie ich keine höhere Gottheit als (Jankara (Civa) an-
erkenne, (10294.) so gewifs wird dieses grofse Opfer des Daksha
nicht zustande kommen.
Daksha sprach:
22. (10295.) Dem Herrn des Opferfestes bringe ich diese
ganze, durch Bräuche und Sprüche geheiligte Opferspeise
auf goldener Schüssel dar als gebührenden Anteil des
unvergleichlichen Vishnu, er ist der Herr, der Allbeherr-
scher, ihm ist das Opfer darzubringen.
Die Göttin (Uma) sprach:
23. (10296.) Welches Geschenk, welche Selbstbezwin-
gung oder Askese könnte ich wohl leisten, damit mein
Gatte, der heilige, unausdenkbare, heute die Hälfte des
Opfers oder doch ein Drittel als seinen Anteil erhalte.
24. (10297.) Seiner Gattin, welche in Aufregung so zu
ihm sprach, erwiderte mit heiterem Angesicht der Heilige:
Du kennst mich noch nicht, du Göttin, schlank an Leib
und Gliedern, und weifst nicht, wie es sich geziemt, zu
[mir], dem Herrn der Opferfeste, zu reden.
25. (102^8.) Ich weifs es [wer ich bin], o Grofsaugige,
aber jene Nichtswürdigen ermangeln der Meditation und
wissen es nicht; so wie du heute verwirrt erscheinst, so
gehen auch die Götter, Indra voran, und die drei Welten
allesamt in der Irre.
2rt. (10299.) Ich bin es, den [in Wahrheit] die An-
rufenden beim Opfer preisen, dem die Sämansänger das
Rathantaram singen, ich bin es, dem die brahmankundi-
gen Brahmanon opfern, dem die Adhvaryu-Priester die
Opferspende zuteilen.
Die Göttin (Umai sprach .
27. (io30o.) Jeder Mann, auch ein ganz gewöhnlicher, kann
in Gegenwart des Weibervolkes sich rühmen und wichtig
machen, das versteht sich.
Digitized by Google
518
III. Mokshadharma.
Der Heilige sprach:
28. (10801.) Nicht rühme ich mich seihst, o Götterherrin ;
sieh mir einmal, o Schlanke, wen ich jetzt hervorbringen
werde, o Schöngewachsene, um dies Opfer zu stören, o Schön-
farbige.
29. (10302.) So sprach der Heilige zu seiner ums Leben
lieben Gattin und brachte aus seinem Munde hervor ein
Wesen, furchtbar, haarsträubend.
30. (10308.) Zu dem sprach Mahecvara: Beschimpfe das
Opfer des Daksha! Darauf wurde von diesem einzigartigen
Löwen, den er spielend
31. (losen.) geschaffen hatte, um den Groll der Göttin zu
begütigen, das Opfer des Daksha zerstört. Aber die furcht-
bare, grofse Göttin Kali (Umä), aus Groll,
32. (10805.) den sie hegte, ging hinter ihm her, um Zeugin
des Vorgangs zu sein. Der Einwilligung des Gottes sicher
und sich vor ihm mit dem Haupte verneigend,
33. (10306.) stand er da, an Heldenmut dem Gotte ähnlich,
in kraftvoller Gestalt als sein heiliger, leibhaftig gewordener Zorn.
34. (i«)307.) Unermefslich an gewaltiger Heldenkraft, un-
ermefslich an gewaltiger Mannhaftigkeit,wurde er Virabhadra
(Mannhold) genannt, der Rächer der grollenden- Göttin.
35. (1O308.) Da schuf er aus seinen Hautporen Scharen
von herrischen Wesen, genannt Raumya's (Haarentsprossene).
Diese dem Rudra ähnlichen, furchtbaren (raudraj, dem Rudra
an Tapferkeit gleichen Scharen
36. (10309.) stürzten sich stürmisch auf das Opfer des
Daksha, um es zu zerstören, furchtbar an Aussehen, mächtig
an Leib, zu Hunderten und Tausenden.
37. (10310.) Darauf erfüllten sie mit wildem Geheul gleich-
sam den Weltraum, und durch diesen grofsen Lärm wurden
die Himmelsbewohner in Schrecken versetzt.
38. (103U.) Die Berge zerrissen und die Erde bebte, die
Winde tobten und das Reich des Varuna (das Meer) kam in
Aufruhr.
39. (10312.) Die Feuer leuchteten nicht mehr, nicht strahlte
mehr die Sonne, Planeten, Fixsterne und Mond schienen
nicht mehr.
Digitized by Google
Adhyäya 285 (B. 284).
519
40. (10313.) Keine Rishi's kamen zum Vorschein, keine
Götter und keine Menschen. Nachdem es so ganz dunkel
geworden war, fingen die beleidigten Unholde an zu sengen
und zu brennen.
41. (10314.) Die einen schlugen darauf los, die anderen rissen
die Opferpfosten aus, zerbrachen sie und traten auf ihnen
herum.
42. (10315.) Sie stürmten heran, stürmten von dannen
schnell wie der Wind, wie der Gedanke schnell, zermalmten
die Opferschalen und die himmlischen Schmuckgegenstände*
43. (10316.) zerstückelt lagen diese da, den Sternen am
Himmel vergleichbar, himmlische, zum Genüsse bestimmte
Speisen und Getränke waren in Haufen wie Berge aufgetürmt.
44. (10317.) Milchströme waren da zu sehen, in welchen
Schmelzbutter und Milchbrei mit Schmutz, saure Milch und
Rahm mit Wasser und himmlische Zuckerstücke mit Sand
durcheinanderflossen,
45. (io3i8.) und welche alle sechs Geschmäcke zugleich
an sich trugen. Verlockende Bäche von Sirup, allerlei Fleisch
durcheinander, verschiedene andere Speisen,
4fi. (io3i<>.) himmlische Getränke und alles, was zu lecken
und zu schlürfen ist, wurde von ihnen mit mancherlei
Mäulern genossen, zerbrochen und beschmutzt.
47. (10320.) Getrieben von Rudra's Zorn, mit mächtigen
Leibern, an Aussehen dem Weltuntergangsfeuer vergleichbar,
brachten sie die Götterheere, überall Furcht verbreitend, in
Verwirrung,
48. (10321.) trieben allerlei Kurzweil und zerrten die Götter-
frauen herum. So wurde durch Rudra's Zorn das von den
Göttern sorgsam behütete
41». (10322.) Opfer von dem Rudra's W erk Ausführenden
[Virabhadra] in kurzer Zeit vollständig verbrannt. Er voll-
führte einen fürchterlichen Lärm, der allen Wesen Angst
einflöfste,
50. (10323.) und nachdem er das Opfer [gleichsam) ent-
hauptet hatte, brüllte er und jubelte vor Freude. Die Götter
aber, mit Gott Brahmän an der Spitze, und der Schöpferherr
Daksha
Digitized by Google
520 in. Mokshadharma.
51. (10324.) sprachen alle mit demütig zusammengelegten
Händen zu ihm: Sage uns, o Herr, wer du bist.
Vlrabhadra sprach:
(10325.) Ich bin nicht Rudra oder die Göttin [Umä], bin
auch nicht hierhergekommen, um zu geniefsen.
52. Den erregten Groll der Göttin bemerkend, geriet der
allbeseelende Herr in Zorn. (10326.) Nicht etwa um die Brah-
manenfürsten zu sehen, noch auch aus Neugierde,
53. sondern um dein Opfer zu stören bin ich hierher-
gekommen fo Daksha], das merke dir. (10327.) Mein Name
ist Virabhadra, und aus dem Zorne Rudra's bin ich hervor-
gegangen.
54. Diese hier aber heifst Bhadrakali und ist aus dem
Zorne der Göttin hervorgegangen. (10328.) Von dem Gott der
Götter sind wir beide zu deinem Opfer entsandt worden und
da sind wir.
55. Nimm, o Brahmanenfiirst , deine Zuflucht zu dem
Gott der Götter, zum Gemahle der Umä; (10329.) auch der
Zorn dieses Gottes ist dir besser, als wenn du von einem
andern eine erwünschte Gabe empfingest.
56. Als Daksha, der Beste der Pflichtträger, das Wort
des Virabhadra vernommen hatte, (10330.) da warf er sich vor
dem Mahecvara (C iv a) nieder und begütigte ihn durch folgen-
den Lobgesang:
57. „Ich nehme meine Zuflucht zu dem Gotte, dem
ewigen, festen, unvergänglichen Herrn, (10331.) zu dem hoch-
herzigen Mahädeva, dem Beherrscher aller, die da leben." —
*58. (Aus Veranlassung des Opfers des Schöpferherrn
Daksha waren durch die wohlzubereiteten Opfergaben (io332.)aUe
Götter herbeigelockt worden, sowie die askesereichen Rishi*s.
59. Aber der alles wirkende Gott Mahecvara war nicht
dazu geladen worden. (10 333.) Da liefs die erzürnte Maha-
devi ihre Scharen gegen das Opfer los,
60. damals, als der Opferplatz in Flammen aufging, die
* Die eingeklammerten Worte, Vers 10331b — 10336, werden schon
in B. durch Klammern als eine Interpolation gekennzeichnet.
Digitized by Google
Adhy&ya 285 (B. 284).
521
Brahmanen auseinanderstoben (10334.) und das hochmächtige,
den Sternen an Glanz gleichkommende Geschöpf des Rudra
(Virabhadra) in Wut entbrannt war
61. nebst seinen mit Spiefsen die Herzen durchbohrenden,
brüllenden Dienern, (10335.) während die Opferpfosten aus-
gegraben und umgerissen und nach allen Seiten fortgeschleu-
dert wurden,
02. während nach Beute gierige Geier hin und her flogen
(10336.) und durch den Wind ihrer Flügel das Geheul von
Hunderten von Schakalen ringsherum verweht wurde,
63. in Begleitung von Scharen von Yaksha's und Gan-
dharven, von Picaca's, Schlangen und Räkshasa's) — (10337.) da
geschah es, dafs [O v *]» indem er Aushauch und Einhauch
unter Schliefsung des Mundes mit Anstrengung hemmte
tU. und seine Blicke umherschweifen liefs, dafs er. der
weitblickende, feindüberwindende (.10 338.) Gottherr der Götter
sich plötzlich von seinem Feuerbecken erhob,
65. er, der Träger der Glut von tausend Sonnen, der
dem Weltuntergangsfeuer Vergleichbare, (103311.) und lächelnd
das Wort sprach: Sage, was ich für dich tun soll.
66. Nachdem darauf die für das Opferfest bestimmte
Lektion von dem Lehrer der Götter (Brihaspati) rezitiert
worden war, (10340) sprach der Schöpferherr Daksha mit zu-
sammengelegten Händen zu jenem Gotte (Tivaj,
67. mit Furcht, Angst und Zittern, mit Tränen in Augen
und Angesicht: (10341. i Wenn du, o Heiliger, mir gnädig bist
und wenn ich dir lieb bin,
68. wenn ich deiner Gnade würdig bin, wenn du mir
anders einen Wunsch gewähren willst, ( 10342.) dann mögest
du alles das, was hier verbrannt, aufgezehrt, ausgetrunken,
verschlungen, zugrunde gerichtet,
69. zertreten und herumgeschleudert worden ist, diese
grofse Opferzurüstung, (10343.) die ich in langer Zeit und mit
grofser Mühe sorgsam zusammengebracht hatte, — möge das
alles für mich nicht vergeblich gewesen sein, das ist die
Gnade, die ich von dir erbitte.
70. (10344.) „Möge es denn also sein 4 ', sprach der heilige
Digitized by Google
522
III. Mokshadharma.
Hara, der Blender des Bhaga, der Hüter des Rechts, der
seltsamaugige, dreiaugige, schöpferische Gott.
71. (10345.) Da warf sich Daksha, nachdem ihm Bhava
(fiva) seinen Wunsch gewährt hatte, mit den Knien auf die
Erde nieder und pries den den Stier im Banner Tragenden
unter Anrufung seiner tausendundacht Namen.
8o lautet im Mokahadharma die Zerstörung dei Opfere des Daksha
Adhy&ya 5586* (B. 284 Fortsetzung).
Vers 10346-10484 (B. 72-208).
Yudhishthira sprach:
72. (10340.) Die Namen, mit welchen der Schöpferherr
Daksha den Gott gepriesen hat, die sollst du mir, o Freund,
mitteilen; ich habe gläubiges Verlangen, sie zu hören, o Un-
tadeliger.
Bhishma sprach:
73. (10347.) Vernimm denn die Namen des wunderwirken-
den, geheimnisvollen Gottes der Götter, die verborgenen wie
die offenbaren, o Bhärata.
74. (10348.) Verehrung dir, o du Herr des Gottes der Götter,
Töter des Götterfeindes Bala, Stütze der Kraft der Götter-
fürsten, von Göttern und Dämonen Verehrter,
75. (10349.) Tausendaugiger, Seltsamaugiger, Dreiaugiger,
Freund des Fürsten der Yaksha's, überallhin Hände und Füfse,
überallhin Augen, Haupt und Mund Ausstreckender!
76. (10350.) Nach allen Seiten hin hörend, die Welt um-
fassend stehst du da (vgl. ( 4 Yet. Up. 3,16), o Spitzohriger,
Grofsohriger, Topfohriger, Ozean umfasser,
* Dieses rivasahasranäman steht, ähnlich wie das Vishuusahasranäman
Mbh. XIII, Adhy. 149, in ludien im Gerüche besonderer Heiligkeit und
wird von vielen als tägliches Gebet rezitiert. Die Bezeichnungen sind
stellenweise völlig sinnlos und wirken nur durch den Gleichklang, den wir
hin und wieder auf Kosten der Genauigkeit der Übersetzung nachzubilden
versuchten.
i
Digitized by Google
Adhy&ya 28ß (B. 234 Fortsetzung).
523
77. (io35i.) Elefantenohriger, Ochsenohriger, Handohriger,
Verehrung sei dir! 0 du hundert Bäuche, hundert Haar-
wirbel, hundert Zungen Habender, Verehrung sei dir!
78. (10352.) Dich besingen die Liedersänger, dir zollen
Preis die Lobsingenden, dich, den hundertkräftigen Gott Brah-
man, erachten sie hoch wie den Äther.
79. (103™.) In deiner Gestalt sind sie, o Grofsgestaltiger,
dem Ozean und Luftraum Ähnlicher, „alle jene Götter sind
in ihm wie im Kuhstall die Kühe sind 44 (Atharvaveda 11,8,32).
80. (10354.) Ich sehe in deinem Leibe Sorna, Agni, Varuna,
Aditya, Vishnu und den Priester Brihaspati.
81. (10355.) Du, o Heiliger, bist die Ursache und die Wir-
kung, die Tat und das Werkzeug, du bist Entstehung und
Vergang des Nichtseienden und des Seienden.
82. (10356.) Verehrung dir als Bhava, C arva > Rudra, als
Gabengeber und Herrn der Tiere immerdar, Verehrung dem
Töter des Andhaka.
H3. (10357.) Dir, dem Dreilockigen, Dreiköpfigen, dem
Besten der Dreizackeschwingenden, Dreimutterhaften, Drei-
augigen, drei Burgen Zerstörenden sei Verehrung!
84. (10 358.) Verehrung dem Zornmütigen, dem Befasser,
dem Weltei und Träger des W r elteis, dem Richtenden, Un-
parteiischen, Stab und Tonsur des Asketen Tragenden sei
Verehrung!
85. (io35i).) Verehrung dem von Zähnen und Haaren Star-
renden, dem Fleckenlosen, Weitverbreiteten, dem Hochroten,
Rauchgrauen, Schwarzhalsigen Verehrung!
8t5. (10360.) Verehrung sei dem Unvergleichlichen, Seltsam-
gestalteten, Glückseligen, dem Sonnenhaften, Sonnumstrahl-
ten, die Sonne als Banner und Fahne Führenden!
87. (10301.) Verehrung dem Kobold fuhrer, dem Stier-
nackigen, dem Bogenträger, dem Feindbezwinger, Rächer,
als Asket in Blätter und Lumpen Gehüllten!
88. (losr,* ) Verehrung dem Goldkeim fhiranywjnrbhuj^ dein
Goldgepanzerten, Goldschopfigen , dem Herrn des Goldes sei
Verehrung!
89. (loses.) Verehrung dem Preislichen, Preiswerten, Ge-
priesenen, dem Allseienden, Allverschlingenden, Allbeseelenden !
Digitized by Google
524
III. MokshaiUianna.
90. (10364.) Verehrung ihm, der Priester und Hymnus ist,
der ein weifses Banner als Fahne trägt, Verehrung dem Welt-
nabel, Weltnabelhaften, der die Hülle der Hüllen ist!
91. (10366.) Verehrung dem Schmal nasigen, Schmalglie-
drigen, Schmalen, dem Freudestarrenden, Freudesträubigen,
im Freudenrufe Aufjauchzenden!
92. (103ü6.) Verehrung ihm, dem Liegenden, wenn er liegt
und wenn er aufsteht, dem Ruhenden und Rennenden, dem
Kahlköpfigen, Haarschöpfigen !
93. (10367.) Verehrung dem Tanzkundigen, Tönekunst-
mundigen, die Flufsgabe [Lotosblume, Nil.] Liebenden, Ge-
sang und Saitenspiel Übenden!
94. (10368.) Verehrung dem Edelsten, Besten, dem Stürzer
des Bala, dem Zeitgebieter, dem Weltalter (kalpäya mit C),
Weltvernichter, Weltaltervernichter !
95. (10369.) Dem furchtbar wie Trommeln Lachenden,
furchtbare Gelübde Haltenden, dem Schrecklichen sei furcht-
bare Verehrung, dem Zehnarmigen!
96. (10370.) Verehrung dem Schäd el tragenden , Scheiter-
haufen und Asche Liebenden, dem Furchteinflöfsenden, Fürch-
terlichen, furchtbare Gelübde Haltenden!
97. (io37i.) Verehrung ihm, mit dem seltsamen Munde,
mit der schwertgleichen Zunge und dem furchtbaren Gebifs,
ihm, der gierig ist nach gekochtem und rohem Fleische und
seine Freude hat am Lautenspiel!
98. (10372.) Verehrung dem Stiere, dem Stierkräftigen,
dem Stier der Kühe, dem Stiere, ihm, dem Umhüller der
Hüllen, dem Rächer, dem Reifmacher der Taten!
99. (10373.) Verehrung dem Trefflichsten von allen, dem
Trefflichen, Treffliches Schenkenden, treffliche Kränze, Düfte
und Gewänder Tragenden, Treffliches, Unübertreffliches
Schenkenden (varade = varadäya Nil.) !
100. (10374.) Verehrung dem Leidenschaftlichen, Leiden-
schaftslosen, dem Bildner, dem Rosen kränz träger, dem Kon-
zentrierten und Differenzierten, der Schatten und Glut zu-
gleich ist!
101. (10 375.) Dem Nichtfurchtbaren und Furchtbaren, der
Digitized by Google
AdhyAya 286 (B. 284 Fortsetzung).
525
furchtbarer als das Furchtbare ist, sei Verehrung! Dem Gütigen,
Beruhigten, dem Allerberuhigtesten sei Verehrung!
102. (1037«) Dir, dem Einfüfsigen und Vielaugigen, dem
Einköpfigen sei Verehrung, dem Rudra, der nach Kleinem
begehrt und gerechte Verteilung liebt!
103. (10377.) Dem Paßcala [nach Nil. dem Kunstfertigen],
dem Weifsgliedrigen sei Verehrung, dem Allberuhigten, dem
heftig Tönenden, Tonreichen, tonlos Tönenden!
104. (10378.) Verehrung dem tausendglockig Tönenden, des
Glockenspiels Frohen, dem Odemsausenden, Duftberauschen-
den, Lärjnerbrausenden,
105. (10379.) dem dem lauten Summen Entrückten, durch
das laute Summen Beglückten! Verehrung, wo der ewig
Ruhige thront, ihm, der in des Berges Waldungen wohnt!
10(i. (10380.) Dem als Schakal nach Kernfleisch Gierenden,
als Retter Hinüberführenden sei Verehrung, ihm, der Opfer
und Opferer ist und Dargebrachtes zu jeder Frist!
107. (10381.) Dem Opferbringer und Selbstbezwinger, dem
Entflammten und dem Entflammer, dem Ufer und Uferführen-
den, Verehrung dem Uferregierenden!
108. (10382.) Verehrung dem Speiseschenker, Speiseherrn,
Speiseverzehrer, dem Tausendköpfigen, Tausendlufsigen,
109. (10383.) mit tausend Dreizacken Schützenden, tausend
Augen Besitzenden ! Verehrung dem wie junge Sonnen Blitzen-
den, junge Gestalt Besitzenden,
110. (10384.) die Jugendschar Besitzenden, im Jugendspiel
sich Erhitzenden! Verehrung dem Alten, Gierigen, Erschüt-
terten, Erschütternden !
111. (103H5.) Verehrung dem Wellennafshaarigen, Mufija-
grashaarigen, die sechs Werke Übenden, die drei Werke
Liebenden,
112. (10386.) dem die Werke der Kasten und Lebensstadien
nach Vorschrift gesondert in Umschwung Erhaltenden! Ver-
ehrung sei dem Sausenden, dem Sausen, dem Liirmerbrau-
senden,
113. (10387.) dem W r eifsgelbaugigen, Schwarzrotaugigen,
Röchelnden, Rächenden, Knackenden, Nackenden,
114. (10388.) ihm, der über Gutes, Lust, Nutzen und Er-
Digitized by Google
I
526 HL Mokshadharma.
lösung darbietet aller Fragen Lösung, dem Sänkhyatreuen,
Sänkhyamundigen, des Sänkhya und Yoga Kundigen!
115. (10389.) Verehrung dem Fahrer, dem Nichtfahrer, dem
alle vier Wege Durchfahrer [Wasser, Feuer, Luft, Äther, nach
Nil.], von schwarzer Antilope Umhäuteten, mit Schlangen-
Opferschnur Umkleideten !
116. (10390.) 0 Herr, o Diamantfester, Goldhaariger, Ver-
ehrung dir! Dreimutterhafter , Schützer der Mutterhaften,
Offenbarer und Geheimer, Verehrung dir!
117. (10391.) 0 Lust, o Lustvermehrer, Lustzerstörer, Satter
und Nichtsatter, Streifender, o All, o Allvermehrer, Allzer-
störer, Dämmerungsfreund, Verehrung dir!
118. (10392.) Als grofse Wolken dich Häufender, als grofses
Verhängnis Ergreifender, Verehrung dir! Stark und gebrech-
lich an Körper und Locke, in Baumbast gekleidet und Fell
vom Bocke!
119. (10393.) Mit sonnengleich, feuergleich flammender
Locke, im Kleid aus Baumbast, im Fell vom Bocke, tausend
Sonnen Vergleichbarer, an Askese Unerreichbarer, Verehrung
sei dir!
120. (10394.) Tollmachender, Hunderthaarwirbel iger, am
Haar von Gangäwasser Benetzter, Mondlenker, Weltalter-
lenker, Wolkenlenker, Verehrung dir!
121. (10395.) Du bist Speise, Fresser und Geniefser, Speise-
verleiher, Speisegeniefser, Speiseverbreiter und Speisebereiter,
Geniefser, Wind und Feuerglut!
122. (1039*;.) Du bist Lebendgeborenes, Eigeborenes,
Schweifsgeborenes, Sprofsgeborenes , du bist, o Herr des
Gottes der Götter, die vier W r esensscharen allzumal!
123. (10397.) Du bist des Beweglichen und Unbeweglichen
Schaffer und Wegraffer, dich preisen sie als Inbegriff der
Brahmanwissenden, als das Brahman, o Bester der Brahman-
wissenden !
124. (10398.) Du bist die höchste Quelle des Geistes, bist
Äther, Wind und Schatzkammer der Gestirne, dich bezeichnen
die Brahmanlehrer als Ric, Säman und Om-Laut!
125. (10399.) Häyihäyi hüva hdyi hävuhäyi, mit diesen
Digitized by Google
Adhyäya 286 (B. 284 Fortsetzung). 527
Lauten wiederholentlich besingen dich, o Bester der Götter,
die brahmankundigen Samansänger!
126. (10400.) Als bestehend aus Opfersprüchen, Versen,
und Opfergüssen wirst du gepriesen mit Lobliedern von den
Scharen der Upanishad's des Veda!
127. (10401.) Du bist Brahmanen, Kshatriya's, Vaicya's,
(,üdra's, sowie die untersten Kasten, bist Wolkenmassen,
Blitz und Donnerschall!
128. (10402.) Du bist Jahr und Jahreszeiten, Monate und
Halbmonate, Weltalter, Augenblicke und Minuten, bist Stern-
bilder, Planeten und Mondphasen!
129. (10403.) Du bist der Bäume Wipfel und der Berge
Gipfel, der Tiger unter den Waldtieren, der Garuda unter
den Vögeln, Ananta unter den Schlangen!
130. (10404.) Du bist das Milchmeer unter den Ozeanen,
der Bogen unter den Werkzeugen, unter den Waffen der
Donnerkeil, unter den Gelübden tlie Wahrhaftigkeit!
131. (10 405.) Du bist Hafs und Liebe, Leidenschaft, Ver-
blendung, Geduld und Ungeduld, Entscheidung, Festigkeit,
Begierde, Lust und Zorn, Sieg und Niederlage!
132. (10406.) Du führst Keule, Pfeil, Streitkolben, Trom-
mel ; du giltst als Zerschneider, Zerspalten Angreifer, Führer,
Vorseker und Vater!
133. (10 407.) Mit den zehn Kennzeichen begabt [den zehn
Yogasütra 2,30 und 32 aufgezählten, Nil.] bist du, bist das
Gute, Nützliche und Angenehme; du bist die Gangä, die
Meere und die Ströme, die Sümpfe und Teiche!
(10408.) Du bist Schlingpflanzen und Ranken, Gräser
und Kräuter, Haustiere, Waldtiere und Vögel, du bist Sub-
stanz, Tätigkeit und Unternehmen, bist die Zeit, welche
Blumen und Früchte bringt!
135. (10409.) Du bist Anfang und Ende der Götter, die
Gäyatri und der Om-Laut, bist grün, rot, blau, schwarz, pur-
purn und goldgelb, (10410.) schwarzgelb, affenbraun, tauben-
grau und dunkelfarbig!
136. Du bist farblos und farbenschön, Farbenspender,
der Wolke gleich, (10411.) nach Gold benannt und Gold
liebend !
Digitized by Google
528
III. Moks)i;i<lhariua.
137. Du bist Indra, Yama, Varuna, Kubera und Agni,
(10412.) du bist Sonnenfinsternis und Sonnenschein, bist Him-
melsglanz und Sonne!
138. Du bist Priesteramt, Priesterhandlung, Darbringung
und Herr, (i04is.) du bist das Trisuparna-Gebet, bist unter den
Yajus die Qatarudriya- Sprüche!
139. Du bist die Sühne der Sühnen, der Glückwunsch
der Glückwünsche, (10414.) bist bergschweifend, umherstrei-
fend und wurzelnder Baum, bist die Seele und auch der Leib !
140. Du bist der Lebensodem, bist Sattvam, Kajas und
Tamas, die Nüchternheit, (i04is.) bist Aushauch, Einbauen,
Allhauch, Auf hauch und Zwischenhauch!
141. Du bist Aufschlagen und Schliefsen der Augen, bist
Niesen und Gähnen, (10416.) bist das rote, nach innen gekehrte
Auge, mit grofsem Rachen und grofsem Bauche!
142. Nadelhaarig, blondbärtig, haarsträubig und voll Be-
weglichkeit bist du, (10417.) des Gesangs und Saitenspiels
kundig, ein Freund des Gesänge Vortragenden!
143. Du bist der Fisch, wie er im Wasser spielt und
im Netze zappelt, unteilig, spielweilig, streiteilig, (i04is.) un-
zeitig, überzeitig, schlimmzeitig und zeitig!
144. Du bist der Tod, die Sense und der zu Mähende,
der Vernichter von Freund und Feind, (i04io.) bist Weltunter-
gangswolkenzeit, mit grofsem Gebifs, die Umsturzwolke, die
Einhüllungswolke !
145. Du bist die Glocke, die Nicht-Glocke, der Kessel-
mann, der Glockenmann, der Topfumfangene, der Allbegangene,
(10420.) die Priesterheiligkeit, der Feuer Leiblichkeit, der Rächer,
der Tonsurhafte, Dreistabhafte,
146. vierweltalterhaft, viervedahaft, der vier Priester Rege-
kraft, (10421.) der vier Lebensstadien Führer, der vier Kasten
Regierer,
147. stets das Würfelspiel liebender Schelm, Scharen-
hüter und Scharenherr, (10422.) ein rotbekränztes Kleid tragend,
berghaft, in Bergen sich behagend,
148. kunstfertig, der Künstler Bester, aller Künste Be-
förderer, (10423.) der grimmige Haken für Bhaga's Augen, der
Vernichter von Püshan's Zähnen!
Digitized by Google
Adhyäya 286 (B. 2*4 Fortsetzung).
529
149. Du bist die Opferrufe svahä, svadha, uashat, Be-
grüfsungslaut, Verehrungslaut, (104J4.) verhüllten Gelübdes,
geheimer Kasteiung, sternhaft, aus Sternen bestehend,
150. Schöpfer, Ordner und Bildner der Welt, Bildner und
Träger, der sie erhält, (10425.) Brahman, Askese, Wahrhaftig-
keit, Brahmanwandel und Redlichkeit,
151. der Wesen Selbst, der Wesen schafTer, selbst Wesen,
des Gewesenen, Zukünftigen und Seienden Quelle, (10426.) Erde,
Luftraum und Himmel, und darum der feste, bezähmte,
grofse Herr,
152. Weihe vollbringend und nicht vollbringend, geduldig,
unbezwingbar, der Unbezähmten Bezwinger, (10 427.) den Mond
wälzend, Weltalter wälzend, umwälzend und durcheinander-
wälzend !
15:1 Du bist Begierde, ein kleiner Punkt und doch grofs,
Lotoskränze liebend, (10428.) lieblichen Mundes, schrecklichen
Mundes, schönen Mundes, häfslichen Mundes, entbehrend des
Mundes,
154. viermundig, vielmundig und im Gefechte feuermundig,
(10429.) der goldene Keim, der Sonnenvogel, Herr grofse r
Schlangen und Virat,
155. des Frevlers Strafer, mit grofsen Flanken, der
Scharenherr, voll Zorngedanken, (10430.) Kuhbrüller, Kuhfurt,
mit besten Stieren Fahrender,
15*». Beschützer der Dreiwelt, Kuhgewinner, der Kühe
Pfad und ohne Pfad, (10431.) der Beste, Feste, Baumstamm-
artige, unerschütterlich und zugleich Erschütterung,
157. schwer hemmbar, schwer bezwingbar, schwer über-
windbar, schwer übertreffbar, (10432.) schwer bestellbar, schwer
erschütterlieh, schwer bewältigbar, schwer besiegbar, der
leibhaftige Sieg,
158. Hase, Hasenträger (Mond), Stillmacher, Bewirker
von Kälte, Hitze, Hunger, Alter und Not, (1043».) Sorgen-
inbegriff, Krankheitsinbegriff, Krankheitbrecher und Krank-
heit selbst!
159. Du bist der Jäger meines als Wild fliehenden Opfers,
der Krankheiten Kommen und Gehen, (10434) der Pfau mit
den Lotosaugen, in Lotoswäldern thronend,
Dicww, M&hAhhAraUm.
Digitized by Google
530 III. Mokshadharma.
160. Stabtragender, Dreimutterhafter, furchtbarer Strafer,
Welteivernichter, (10435.) Giftfeuerschlürfer, der Götter Bester,
Somaschlürfer bist du, Windgötterherr,
161. Nektarschlürfer, der Welten Herr, o Göttergott, der
Scharenherr, (10436.) Giftfeuerschlürfer, Todschlürfer, Milch-
schlürfer, Somaschlürfer auch, der Gestürzten Honig, Erst-
schlürfer, Anfangschlürfer der Götter du!
162. (10437.) Gold ist dein Same, Weltgeist bist du,
der Mann, das Weib und auch was keins von beiden, bist
Kind und Jüngling und zahnloses Alter, bist Schlangen-
fürst, Machthaber, Allgottschöpfer,
163. (10438.) Allschöpfer, der Allschöpfer Bester, All-
träger, Allgestal tiger, Glanzreicher, Allwärtsblickender,
Sonne und Mond sind deine Augen, dein Herz ist Vater
dieser Welt!
164. (10439.) Du grofses Meer, Sarasvati, der Rede Kraft,
Feuer und Wind, du Tag und Nacht, Schliefser und Öffner
der Augen!
165. (10440.) Nicht Gott Brahmän, nicht der Kuhgewinner,
nicht die Weisen des Altertums vermögen deine Majestät zu
fassen, wie sie der Wahrheit nach besteht, o £iva!
166. (10441.) Deine sehr feinen Formen zeigen sich meinem
Blicke nicht, errette mich, beschütze stets mich wie der Vater
den eigenen Sohn!
167. (10442.) Errette mich, rettungswert bin ich dir, Un-
tadliger, Verehrung dir! Du erbarmst dich derer, die dich
lieben, o Heiliger, und geliebt habe ich dich allezeit!
168. (10443.) Der vor viel tausend Menschen sich bergend,
schwer sichtbar, steht am Meeresrand, der sei mein Hüter
immerdar!
169. (10444.) Den die schlummerlosen, atembezwingenden,
im Sattvam stehenden, die Sinne zügelnden Yogin's als Licht
schauen, ihm als der Yogaseele sei Verehrung!
170. (10445.) Dem Schopfträger, stets Stabträger, mit
Hängebauch Verkörperten, dem der Krug an der Seite hängt,
ihm als der Brahmanseele sei Verehrung!
171. (10446.) Der Wolken in den Haupthaaren, Ströme in
Digitized by Google
Adhyäya 286 (B. 284 Fortsetzung).
f>31
den Gelenken trägt, in dessen Bauch die vier Meere, ihm als
der Wasserseele sei Verehrung!
172. (10447.) Der, wenn sich naht das Weltende, aller
Wesen Verschlinger ist, der dann ruht auf der Wasser Mitte,
den auf den Wassern rufe ich an!
173. (10448.) Der, in den Mund des Rahu eingehend, den
Sorna in der Nachtzeit trinkt [d. h. den Mond verschlingt]
und die Sonne einschluckt als Svarbhänu (Rahu), der möge
mich beschützen!
174. (10449.) Die als Leibesfrucht dir entsprungenen [Götter],
welche ihren Anteil [am Opfer] geniefsen, Verehrung sei ihnen,
svadhä, svähä, mögen sie erlangen, was sie freut!
175. (loiöo.) Die, welche als Purushas, zollhoch an Länge,
im Leibe aller Verkörperten weilen, die mögen mich allezeit
beschützen, allezeit mein Gedeihen fördern!
176. (io45i.) Die, im Körper wohnend, nicht weinen, aber
die Verkörperten weinen machen, die sie froh machen, ohne
selbst froh zu sein, diesen [Rudra's] sei Verehrung immerdar!
177. (10462.) Sie, die in Flüssen und Meeren, in Bergen
und Höhlen, in Baumwurzeln, Kuhställen, in der Wildnis und
in Dickichten,
178. (10453.) auf allen vier Wegen [oben, Vers 103*9] als
ihren Strafsen, auf Plätzen und an Abhängen, in den Stal-
lungen für Elefanten, Pferde und Wagen, in allen Gärten
und Wohnungen,
171). (10464.) und was die fünf Elemente sind, in den
Gegenden und Zwischengegenden weilen, welche mitten in
Mond und Sonne und ihren Strahlen zu finden sind.
180. (10455.) die sogar in die Unterwelt gedrungen und
ihm [dem (,'iva, Nil.] zu Ehren zum Höchsten gelangt sind —
Verehrung ihnen, Verehrung ihnen, Verehrung ihnen immerdar!
181. (10456.) Sie, deren Zahl, Gröfse und Gestalt nicht ge-
kannt wird, die unzählige Geschicklichkeiten besitzenden
Rudra's, diesen sei Verehrung immerdar!
182. (10457.) Da du, Hara, ja der Schöpfer aller Wesen,
der Herr aller Wesen, die Seele aller Wesen bist, darum
wurdest du nicht [noch besonders] geladen.
»4*
Digitized by Google
532
III. Mokshadharma.
183. (10458.) Weil du ja ohnehin durch alle Opfer mit
ihrem mannigfachen Opferlohn verehrt wirst, denn du bist
ja der Schöpfer des Weltalls, darum wurdest du nicht [noch
besonders] geladen.
1X4. (1045h.) Oder auch weil ich durch deine feine Zauber-
kraft, o Gott, verblendet war, aus diesem Grunde vielleicht
wurdest du nicht [noch besonders] geladen.
185. (10460.» Nimm dich meiner gnädig an — Heil dir.
o tthava! — der ich Gnade bei dir gefunden! Dir ist mein
Herz, o Gott, ergeben, dir mein Geist und dir mein Sinn !
1HC>. (iu4rti.) Nachdem der Sehöpferherr [Daksha] mit die-
sen Worten den Mahadeva gepriesen hatte, schwieg er; oh»-r
der Heilige, hocherfreut, sprach hingegen zu Daksha:
IST. (io4«;--\) Sehr erfreut bin ich. o Daksha, durch die»«»n
Lobgesang, o Gelübdetreuer; wozu langes Reden, du soll-t
in meiner Nahe bleiben.
iss. (io4«i.) Durch meine Gnade, o Sehöpferherr. snlUr
du der Frucht von tausend Rofsopfern und hundert \ iija|«\ a-
Opfern teilhaftig werden.
(io nw.) Und weiter sprach zu ihm Bhava. der hUt-
herr der Welt, das Wort, das beruhigende Wort, er, d-r
Wortkenner, das nach Worten wohlabgewogene:
IHo. (io4«r».i I)aksha, lieber Daksha, sei nicht lx"»«»e dar-
über, dafs ich dein Opfer störte, ich mufste dein npfer *ee>
reifsen, das war von alterslier vorgesehen.
KU. (104S6. i l'nd noch ein weiteres Geschenk verleihe ich
dir, nimm es entgegen, o Gelübdetreuer, mit heiterem An-
gesichte, vernimm ^es hier mit ungeteilter Aufmerksamkeit.
192. (104»»7 ) Was aus dem Yeda und seinen sechs Ani»a**
geschöpft und durch Gründe aus der Reflexionslehre sankhy-im
und Verinnerlichungslehre (ywja) unterstützt als ein groNe*.
schwer zu übendes Tapas von Göttern und Dämonen etfnc
betrieben Morden ist,
li»3. das noch nicht dagewesene, allbeglürkend«-.
allwärtshinblickende. unvergängliche, durch eine zehniä&ntt**
Zeremonie an Jahre gebundene, geheimnisvolle, von l\«r»"i
getadelte,
Digitized by Google
Adhyftya 286 (B. 284 Fortsetzung).
Ö33
194. (10469.) mit den Pflichten der Kasten und Lebens-
stadien in Widerspruch stehende, teilweise auch überein-
stimmende, von Tiefdenkenden bestätigte, über die Lebens-
stadien erhabene Gelübde
195. (10 470.) der Päcupata's, dieses vortreffliche ist von
mir vor Zeiten geschaffen worden, o Daksha. Durch die Be-
obachtung dieses Gelübdes entsteht daraus allseitige reiche
Frucht,
196. (10471.) und sie soll dir zuteil werden, o Hochbeglück-
ter, lafs den Kummer deines Herzens fahren! So sprach Maha-
deva, und mit seiner Gattin und seinem Gefolge < 10472.) ver-
schwand vor dem Daksha der unermefslich Mächtige.
197. Wer nun diesen von Daksha gesprochenen Lob-
gesang rezitiert oder anhört, (10473.) der wird in kein Unglück
geraten und ein hohes Alter erreichen.
198. So gewifs unter allen Göttern der heilige Civa der
höchste ist, (10474 ) so gewifs ist dieser dem Veda gleich-
kommende Lobgesang unter allen Lobgesängen der höchste.
199. Und alle, welche nach Ruhm, Herrschaft, Lust, Gott-
herrlichkeit , Angenehmem, Nützlichem und Reichtum Ver-
langen tragen, (10 475.) und auch die nach Wissenschaft Trach-
tenden sollen ihn mit frommem Sinne eifrig anhören.
*J(M). Aber der Kranke, Leidende, Gedrückte, Diebgeplün-
derte, Furchtgequälte, ri0476.) Amtbelastete wird dadurch von
grofser Furcht befreit.
201. Und schon in diesem Leibe gelangt er zum gleichen
Range mit (^iva's Scharen, (104;;.) und von Glanz und Ruhm
umgeben, lebt er in Reinheit.
202. Nicht Kobolde, nicht Unholde, nicht Geister noch
Gespenster (10478.) können das Haus dessen in Not bringen,
bei dem dieser Lobgesang rezitiert wird.
203. Und wenn eine dem Gott ergebene, in Hrahman
wandelnde Frau ihn anhört, 1 10479). die ist von Seiten des
Vaters, von Seiten der Mutter gottgleich zu ehren.
204. Und wer den ganzen Lobgesang anhört oder ihn
mit Hingebung hersagt, (ioiro.) dessen sämtliche Geschäfte
gelingen vollkommen fort und fort.
205. Und was einer im Geiste denkt und was er mit der
III. Mokshadbarnia.
Rede ausspricht, (10481.) das wird ihm alles zufallen für die
Rezitation dieses Lobgesanges.
206. Nachdem einer dem Gotte Guha (Skanda), der
Göttin (Umä) und dem Gebieter des Nandin (Qiva) (1048*.) die
wohlbereitete Spende dargebracht hat unter Bezähmung und
Selbstbezwingung,
207. möge er sodann mit Hingebung die Namen der Reihe
nach schnell hersagen; (1048B.) ein solcher Mensch erlangt die
von ihm erhofften Zwecke, Genüsse und Freuden.
208. Und ist er gestorben, so kommt er in den Himmel
und wird nicht als ein Tier wiedergeboren. (10484.) So hat
es verkündigt der heilige Vyäsa, des Paräcara Sohn, der
Gewaltige.
So lautet im Mokehadharma
der von Dakiba rezitierte Lobgetan« der taoaend Namen dee CWa
(DakMha - prokta - (,'irtuahasrandnta - ttara).
Adhyftya 287 (B. 285).
Vers 10485-10531 (B. 1-46).
Yudhishthira sprach:
1. (104*5.) Was hienieden an dem Menschen das innere
Selbst (adhyätmamj genannt wird, was dieses innere Selbst
ist und woher es stammt, das sage mir, o Grofsvater.
Bhlshma sprach:
2. (10486.) Das höchste Allwissen der Buddhi, nach welchem
du mich befragst, das will ich dir, o Freund, erklären, dessen
Erklärung vernimm wie folgt.
3. (10487.) Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als
fünftes, diese sind als die grofsen Elemente der Ursprung
und das Ende aller Wesen.
4. (10488.) Diese Aggregation ihrer Eigenschaften hier bildet
den Leib, o Stier der Bharata's, und diese Eigenschaften
schwinden fortwährend und entstehen wieder neu.
5. (io*89.) Die aus ihnen gebildeten Lebenselemente gehen
i
Digitized by Google
Adhyftya 287 (B. 285).
535
immer wieder und wieder aus den Wesen in jene grofsen
Elemente zurück, wie die Wellen im Ozean.
6. (10490.) Wie eine Schildkröte ihre Glieder ausstreckt
und wieder einzieht, so sind die kleineren Wesen [Entfal-
tungen] der gröberen Wesen [der grofsen Elemente] (vgl.
Vers 8987, S. 386).
7. (10491.) Aus dem Äther stammt, was [in den Körpern]
an Ton vorhanden ist, ihre Kompaktheit ist eine von der
Erde stammende Eigenschaft, aus dem Winde stammt ihr
Odem, aus den Wassern ihr Geschmack, aus dem Feuer
(Licht) ihre Sichtbarkeit.
8. (10492.) So besteht aus jenem [Material] alles Unbeweg-
liche und Bewegliche, geht bei der Vernichtung in dasselbe
zurück und wird aus ihm wiederum herausgesetzt.
9. (10493.) Die fünf grofsen Elemente bestimmte der Wesens-
schöpfer in allen Wesen zur Objektivation, je nachdem er für
das eine dieses, für das andere jenes ersah.
10. (10494.) Der Ton, das Gehör und die Hohlräume, diese
drei stammen aus dem Äther; Geschmack, Feuchtigkeit und
Zunge, diese gelten als die Eigenschaften des Wassers (vgl.
Vers 8982 fg.);
11. (10495). Sichtbarkeit, Auge und Verdauung, diese drei
gehören zum Feuer; Geruch, Geruchssinn und Körperlichkeit
gelten als Eigenschaften der Erde.
12. (10496.) Odem, Gefühl und Bewegung sind Eigen-
schaften, die aus dem Winde stammen; damit ist bewiesen,
o König, dafs alle Eigenschaften [der Wesen] von den fünf
Elementen herrühren.
13. (10497.) Sattvam, Kajas und Tamas, die Zeit, das be-
wufste Tun, o Bharata, und das Manas als sechstes, diese
hat der Gott in jene [Wesen] gelegt.
14. (10498.) Was du oberhalb der Fufssohlen und unter-
halb des Scheitels siehst, in diesem Zwischenräume waltet
ungeteilt die Buddhi (vgl. Vers 8988).
15. (10499.) Fünf Sinne gibt es im Menschen, als sechster
gilt das Manas, der siebente ist die Buddhi und der Kshe-
trajna endlich ist der achte (vgl. Vers 899u).
Digitized by Google
536
III. Mokshadharma.
16. (10500.) Die Sinnesorgane und der Täter müssen im
einzelnen betrachtet werden, ferner sind da Taraas, Kajas
und Sattvam, sie sind Zustände, welche auf jenen, den Sinnen
und dem Täter, beruhen.
17. (loöoi.) Das Auge dient zum Sehen, das Manas er-
hebt den Zweifel, die Buddhi entscheidet ihn und der Kshe-
trajfia ist dabei Zuschauer fsäkshinj (= Vers 8991).
18. (10502.) Ferner sind da Tamas, Sattvam und Rajas
sowie die Zeit und der Täter; die Buddhi führt die Eigen-
schaften [tfundti mit Vers 8989 zu lesen] an, und sie führt auch
die Sinnesorgane (10503.) sämtlich mit dem Manas als sechstem
an; gäbe es keine Buddhi, wie könnten die Eigenschaften
bestehen ?
19. Das, womit sie sieht, ist das Auge, hörend wird sie
Gehör genannt, (n»504.) riechend wird sie zum Gerüche, die
Geschmäcke schmeckend zum Geschmacksorgan,
20. die Gefühle fühlend [sparraü, die Parallelstelle Vers 9002
hat sprirati] wird sie zum Gefühlssinn; so wird die Buddhi
mannigfach umgewandelt; < 10 505.) wenn sie irgend etwas
wünscht, dann wird sie zum Manas.
21. Standorte der Buddhi sind gesondert von fünferlei
Art, (10506.) Sinnesorgane werden sie genannt, und wenn sie
leiden, so leidet die Buddhi mit ihnen.
22. Im Mensehen weilt die Buddhi und bewegt sich in
drei Zuständen [entsprechend den drei Guna's], (10507.) manch-
mal empfindet sie Freude, manchmal leidet sie Schmerz,
23. und manchmal fühlt sie weder Lust noch Schmerz;
(10508.) ihrem Wesen nach aus den Zuständen bestehend, be-
wegt sie sich in diesen drei Zuständen.
24. So wie der wellenreiche Herr der Ströme, der Ozean,
sein Ufer [hat], (ior>09.) so wird die in die Zustände einge-
gangene Buddhi in dem betreffenden Zustande, [z. B.] dem
Manas, befafst,
25. und wegen dieses Zustandes gibt sie auch dem etwa
aufkommenden Rajas (der Leidenschaft) nach, (iosio.) Freude,
Zufriedenheit, Wonne, Behagen und Gemütsruhe
2»>. treten gelegentlich im Menschen zutage als Eigen-
■
1
■
1
Digitized by Google
Adhy&ya 287 (B. 285).
537
Schäften des Sattvam. (10511.) Qual, Kummer, Schmerz, Un-
befriedigtheit und Ungeduld
27. zeigen sich als Symptome des Rajas mit oder ohne
Veranlassung. (10512.) Nichtwissen, Gleichgültigkeit (aräga),
Verblendung, Unbesonnenheit, Starrheit, Scheu,
28. Unbeholfenheit, Verdrossenheit, Verworrenheit, Schläf-
rigkeit und Trägheit (10513.) treten als mancherlei Eigenschaf-
ten des Tamas gelegentlich zutage.
29. Wenn nun im Körper oder Geist etwas auftritt, was
mit Lust verbunden ist, (ioöu.) so soll man denken, dafs darin
der sattvahafte Zustand sich regt, und darüber weggehen.
HO. Ist aber etwas mit Schmerz verbunden und erregt
das Unbehagen des Atman, uoMft.) so soll man denken, dafs
das Rajas darin tätig ist, und sich nicht hinreifsen lassen.
:31. Was aber im Körper oder Geist an Verblendungs-
artigem sich zeigt, (i»)5i6.) an Besinnungslosem, Erkenntnis-
losem, davon sei man sicher, dafs es Tamas ist.
32. In dieser Weise alle Wege der Buddhi, wie sie hier
ihrem ganzen Umfange nach erklärt worden sind, aoM7> dies
alles verstanden habend, ist man ein Verständiger; welches
andere Kennzeichen des Verständigen könnte es geben!
33. Und dieses sollst du begreifen als den Unterschied
zwischen Sattvam und Kshetrajna, den schwer unterscheid-
baren: (10518.) das eine schafft die Eigenschaften, der andere
schafft sie nicht.
34. Von Natur sind beide verschieden und doch jeder-
zeit verbunden, (10 r»i«.».) ähnlich wie der Fisch vom Wasser
verschieden und doch an dasselbe gebunden ist.
35. Die Guna's kennen den Atman nicht, er aber kennt
die Guna's von allen Seiten, (i»:.2o.) er ist aber nur ein Be-
schauer der Guna's, während man ihn für ihren Schöpfer hält.
3(J. Das Sattvam [als Bestandteil der Prakriti] hat keinen
andern tragenden Grund, aber das Bewufstsein (atauä hier
= buddhi) besteht nur durch eine Schöpfung der Guna's;
(10521.) andere [die Guna's] sind es, welche ihm [dem Men-
schen] das Sattvam anerschaffen ; als die Guna's erkennt er
sie nur zuweilen.
Digitized by Google
1
538 III. Mokshadharma.
37. Denn das Sattvam zieht [auch wiederum] die Guna's
[Rajas und Tamas] herbei, der Kshetrajfia aber ist blofser
Zuschauer. (10022.) Diese Verbindung beider, des Sattvam und
des Kshetrajfia, ist eine dauernde.
38. Die im Innern weilende Buddhi aber wird erst zum
Leuchten gebracht durch die Sinnesorgane, (10 623.) welche
selbst ohne Augen, ohne Erkenntnis sind; die Indriya's sind
wie eine [nicht sehende, aber das Sehen vermittelnde] Lampe.
39. Dieses so als die Naturbeschaffenheit erkennend,
möge der Mensch hinleben (viharet mit C), (10524.) ohne zu
klagen und ohne sich zu freuen, dann wird er frei von Selbst-
sucht sein.
40. Durch die Naturnotwendigkeit ist es bedingt, dafs
er [der Ätman] diese Guna's aus sich entläfst, (10525.) wie die
Spinne ihren Faden; die Guna's sind als die Fäden zu be-
trachten.
41. Sind die Guna's einmal abgeschüttelt, so kommen
sie nicht wieder zum Vorschein, sei es, dafs ihre Betätigung
nicht mehr wahrgenommen wird, (10 526.) wie einige annehmen,
sei es, dafs sie zunichte werden, wie andere glauben.
42. In dieser Weise von dem allem als dem starken, aus
den Sorgen der Buddhi geschürzten Herzensknoten (10527.) sich
freimachend, möge man zufrieden dasitzen ohne Kummer und
befreit vom Zweifel.
43. Aber die Menschen ermatten, indem sie zu Boden
stürzen und in dem von Verblendung erfüllten Strom ver-
sinken (10 528.) als solche, welche die aus Hingebung an die
Buddhi bestehende Furt nicht finden können.
44. Nicht aber ermatten solchermafsen die Wissenden,
sondern sie fahren zum andern Ufer des Stromes hinüber
(10529.) als den innern Ätman kennende Weise; Erkenntnis ist
das beste Schiff.
45. (10530.) Den Wissenden droht nicht die grofse
Furcht, die die Nicht -Wissenden befängt, keinen höhern
Weg gibt es für irgendwen als diesen, welcher ein ftir
allemal die ewige Gleichheit enthält.
46. (10531.) Mag er nun viele Sünden begangen haben
oder mag er aus dem Einen [der Erkenntnis, Nil.] her-
Digitized by Google
Adhyaya 287 (B. 285).
539
aus verwerfen, was er vordem getan hat, — beides nimmt
er sich nicht mehr zu Herzen, was er verwirft und was
er getan hat (vgl. Brih. Up. 4,4,22).
So lautet im Mokuhadbarm» der Abschnitt von den fünf Elementen
(pdXcabhautikam)-
A (lhy Aya 288 (B. 286).
Vers 10532-10552 (B. 1-21).
Yudhishthira sprach:
1. (10532.) Vor schlimmem Schmerz, vor schlimmem Tode
zittern die Menschen immerfort. Wie können wir den beiden
entgehen? Das sage mir, o Grofsvater.
Bhlshma sprach:
2. (10583.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Närada mit dem
Samanga, o Bhärata.
Narada sprach:
3. (10534.) Du mufst dich beugen, dafs deine Brust die
Erde berührt, und doch bist du wie einer, der mit der Kraft
seiner Arme durch den Strom schwimmt, und allezeit er-
scheinst du fröhlichen Geistes, als kenntest du gar keinen
Kummer.
4. (10585.) Auch nicht die kleinste Aufregung bemerke
ich an dir; immer zufrieden und dir selbst genug, lebst du
hin wie ein Kind.
Samafiga sprach:
5. (10536.) Vergangen, gegenwärtig und zukünftig ist alles,
was wir kennen, o Ehrerbietiger; ich aber weü's, was es mit
dem allem auf sich hat, darum gerate ich nicht aus der Fassung.
6. (10537.) Ich kenne die Anfänge und auch die daraus
hervorgehenden Früchte, weifs, dafs es allerlei Früchte in
dieser Welt gibt, darum gerate ich nicht aus der Fassung.
Digitized by Google
540
III. Mukshadharma.
7. (10538.) Manche leben so dahin, ohne festen Boden,
ohne Fufs zu fassen, sich vom Strome treiben lassend, wie
Blinde und Stumpfsinnige, und, siehst du, so leben auch wir.
8. (10639.) Es leben von ihrem beschiedenen Teil, frei
von Krankheit, die Himmelsbewohner, es leben Starke und
Schwache, darum lafs auch uns gewähren.
9. (10540) Es leben solche, die Tausende besitzen, und
solche, die Hunderte besitzen, und wieder andere leben in
ihrem Kummer dahin, und, siehst du, so leben auch wir.
10. fi054i.) Wenn wir nur keinen Kummer haben, was
brauchen wir uns dann weiter an Pflichten und an Werke
zu kehren, und da die Freuden der Vergänglichkeit unter-
worfen sind, und da es ebenso mit den Leiden steht, so
können sie uns nichts anhaben.
11. (iou'1.) Diesem stimmen die weisen Menschen zu:
die Wurzel der Weisheit ist die Beruhigung der Sinne.
Nur die Sinnesorgane sind betört und bekümmert, und
wer sich von ihnen betören läfst, kann die Weisheit
nicht erlangen.
12. (10543.) Betört ist, wer hochmütig ist, der Hoch-
mut eben ist die Betörung, der Betörte gewinnt nicht
diese und nicht jene Welt; die Leiden dauern ja auch
nicht ewig, und auch die Lust läfst sich nicht für immer
festhalten.
13. (10544.) Alles, was werdeartig ist, ist der Ver-
änderung unterworfen. Wer es macht wie ich, wird sich
niemals darum härmen, er wird sich nicht erwünschten
Genüssen oder der Lust hingeben und wird sich auch
nichts daraus machen, wenn ein Leiden ihn trifft.
14. (10545.) In sich gesammelt, beneide er keinen andern
und juble nicht einem zukünftigen Gewinne zu; auch
wenn ihm ein grofser Gewinn zufällt, freue er sich nicht,
und wenn sein Besitz zerrinnt, verzage er nicht.
lö. (10546.) Nicht Verwandte, nicht Reichtum, nicht
hohe Geburt, nicht Schriftgelehrsamkeit, heilige Sprüche
und Heldenkraft, alle diese vermögen nicht vor Leid im
Jenseits zu bewahren, aber durch Charakterfestigkeit
kommt man zur Ruhe.
Digitized by Google
Adhyäya 288 (B. 286).
541
16. (10547.) Wer nicht Hingebung übt, kommt nicht zur
Erkenntnis, wer nicht Hingebung übt, kommt nicht zum
Glück: Charakterfestigkeit und Erhabenheit über das Leid,
diese beiden führen zum Glücke, o Fürst.
17. (10548.) Denn das Angenehme erzeugt Freude, Freude
erzeugt Übermut, Übermut aber führt zur Hölle, darum halte
ich mich von dem allem fern.
18. (10549.) Diese Kummer, Furcht und Übermut nach
sich ziehenden Verblendungen der Lust und des Schmerzes
in der Welt betrachte ich wie ein Zuschauer, da es nur dieser
Körper ist, der sich in ihnen bewegt.
19. nor.rw.) Das Nützliche und das Angenehme dahinten-
lassend, von Kummer und von Aufregung frei, Durst ftrishnaj
und Verblendung überwindend, wandle ich durch diese Welt hin.
20. (io;.5i.) Nicht vor dem Tode, nicht vor der Ungerech-
tigkeit, nicht vor der Habgier, nicht vor sonst irgend etwas
fürchtet sich jemals hier oder im Jenseits, wer das Amritam
[dieser Erkenntnis] getrunken hat.
21. (u»5u2.) Das ist es, was ich, o Brahmane. erkenne,
nachdem ich grofses, ewiges Tapas geübt habe, und darum,
o Närada, kann der Schmerz, auch wenn er an mich heran-
tritt, mich nicht überwältigen.
So lautet im Mokuhadharma i!io Unterredung /.wieenen Snuiantfii und NArada
(Samnni/it • Sdrada ■ »ainrdda).
AdliyAya 289 (B. *iS7).
Vers 10553-10«! 1 (R 1-59).
Yudhishthira sprach:
1. (10553.) Wer die Wahrheit aus den Lehrbüchern nicht
erkennt, allezeit in Zweifel befangen bleibt und nicht zur
Entschiedenheit durchdringt, wie ist dem zu helfen? Das sage,
o Grofsvater.
Bhlshma sprach :
2. (10554.) In der unablässigen Achtung vor dem Lehrer,
in der Verehrung der Alten und in dem Anhören der Lehr-
bücher liegt das höchste Heil.
Digitized by Google
1
542 III- Mnkshadharma.
3. (10655.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Gälava mit dem
Götterweisen Närada.
4. (10556.) Zu dem von Betörung und Schlaffheit freien
Brahmanen, dem erkenntnisgesättigten, sein Selbst bezähmen-
den Närada, sprach der seine Sinne beherrschende und nach
dem Heile trachtende Gälava:
5. (10557.) Die Tugenden, durch welche ein Mensch in
der Welt geehrt dasteht, o Muni, alle einem solchen wesent-
lichen Tugenden lafs uns einmal feststellen.
6. (10558.) Du, der du ein solcher bist, sollst unsere
Zweifel lösen, du, der Nicht-Betörte, uns, den lange in der
Betörung Befangenen und das Wesen der Welt nicht Er-
kennenden.
7. (10559.) Denn durch die Erkenntnis ist das Gelingen
aller Aufgaben ohne Unterschied bedingt, und diese Aufgabe,
die wir nicht zu lösen vermögen, sollst du, o Herr, uns er-
klären.
8. (10560.) 0 Heiliger, alle Lebensrichtungen (ägramaj
haben über den guten Wandel ihre besonderen Ansichten.
„Das ist das Richtige!" „Das ist das Richtige!" so werden
alle ihre Anhänger belehrt.
9. (10561.) Wenn wir nun, o Brahmane, sie sehen, wie sie
einander gegenüberstehen mit ihren Lehrbüchern, auf ihr©
Lehrbücher pochend und an ihren Lehrbüchern ihr Genüg©
findend [paritushtäns mit C], so wissen wir nicht, was das
Richtige ist.
10. (10562.) Wenn es nur ein einziges Lehrbuch gäbe, dann
wäre das Richtige klar, aber durch die vielen Lehrbücher
wird das Richtige nur noch mehr ins Dunkel gerückt.
11. (10 563.) Aus diesem Grunde tritt mir eine Verwirrung
entgegen über das, was das Rechte ist. Das mögest du,
o Heiliger, mir erklären, als Schüler komme ich, belehre mich.
Närada sprach:
12. (10564.) Es gibt, o Freund, vier Lebensrichtungen
[Materialismus, Buddhismus, brahmanischer Opferkultus und
Atmanlehre, nach Nil.], die ihre besonderen entsprechenden
Digitized by Google
Adhy&ya 289 (B. 287).
543
Satzungen haben; die mufst du alle prüfen, indem du auf
sie eingehst, o Gälava.
13. (10565.) Bei allen diesen hier und dort verbreiteten
Lebensrichtungen mufst du, o Brahmane, ihre vielgestaltige
Tugendlehre, wie sie in jeder einzelnen aufgestellt wird, in
Erwägung ziehen.
14. (10566.) Es ist kein Zweifel, dafs einige die Absicht
nicht vollkommen erreichen, andere hingegen das höchste
Ziel der Lebensrichtungen erkannt haben.
15. (10567.) Freilich dasjenige, was in jedem Falle das
Beste ist, das ist keinem Zweifel unterworfen, nämlich dafs
man seinen Freunden hilfreich beisteht und seine Feinde
niederhält. v
H). (10568.) Ferner erklären die Weisen die Gewinnung
der Dreischar [des Angenehmen, Nützlichen und Guten] für
das Beste, und auch Enthaltung von allem Bösen ist jeder-
zeit das Zeichen eines lauteren Charakters.
17. (losey.) Unzweifelhaft recht ist auch Umgang mit
guten Menschen, Mitleid mit allen Wesen und Rechtschaffen-
heit in Handel und Wandel.
18. (10570.) Unzweifelhaft heilbringend ist auch milde Rede
und gerechte Zuteilung an Götter und Manen, sowie auch
bei Gästen.
19. (io57i.) Unzweifelhaft gut ist es auch, seine Leute
nicht im Stiche zu lassen und die Wahrheit zu reden, schwer
aber ist es, die Wahrheit zu erkennen.
20. (1057.».) Für die Wahrheit aber erkläre ich dasjenige,
was für die Wesen das schlechterdings Beste ist. Aufgebung
der Selbstsucht, Vermeidung der Unbesonnenheit,
21. (10573.) Zufriedenheit und Zurückgezogenheit gehen
für das Allerbeste. Vorsehriftsmäfsiges Studium des Veda
und der Vedäntatexte
22. (10574.) und auf die Erkenntnis abzweekende Forschung
sind unzweifelhaft gut zu nennen. Töne, Gestalten, Ge-
schmäcke, Gefühle und Gerüche um ihrer selbst willen^
23. (10 575.) soll man nicht allzusehr erstreben, wenn man
irgendwie nach dem Guten Verlangen trägt.
24. Nachts umherstreichen, bei Tage schlafen, Trägheit,
Digitized by Google
544
III. Mokshndharma.
Angeberei, Trunksucht, (ioö76.) Uber treiben und Unterlassen
des Yoga soll vermeiden, wer nach dem Guten strebt.
25. Man soll nicht suchen, sich dadurch zu heben, dafs
man andere herabsetzt, (10577.) sondern soll bestrebt sein, sich
durch eigene Vorzüge vor dem gemeinen Manne auszuzeichnen.
26. Aber es kommt oft vor, dafs tugendlose, aber von
sich selbst eingenommene Menschen (10 678.) andern tugend-
haften ihre Fehler vorwerfen, weil ihnen selbst diese Tugen-
den fehlen.
27. Aber, indem sie Beifall finden, glauben sie sich
[manyantc mit C] einem grofsen Manne (10579.) überlegen,
von Selbstüberhebung gebläht.
28. Wer aber keinen Tadel gegen jemand äufsert und
sich nicht darin gefallt, seine eigene Ehre ins Licht zu stellen,
(10580.) ein solcher Weiser, wenn er reich an Tugenden ist,
gelangt zu grofsem Ruhme.
29. Ohne von sich zu reden, streicht der reine Duft der
Blumen dahin, (10081.) und ohne sich zu rühmen, glänzt die
wolkenlose Sonne am Himmel.
30. Diese und andere [Naturerscheinungen], welche des
Bewufstseins ermangeln (10&S2.) und nicht von sich reden
machen, erglänzen herrlich in der Welt.
31. Der Tor wird nicht darum schon in der Welt glänzen,
weil er sich selbst rühmt, (io683.) aber der Weise glänzt her-
vor, auch wenn er in einer Höhle verborgen ist.
32. Auch der laut erschallende Ton fällt in das Nichts
zurück, (10 584.) aber das gute Wort, auch wenn es leise ge-
sprochen wurde, leuchtet durch die Welt.
33. Das leere Geschwätz hochmütiger Toren (10585.) offen-
bart ihr inneres Wesen so deutlich, wie die Sonne ihre feurige
Gestalt.
34. Darum trachten die Menschen nach allerlei Wissen,
(10686.) denn Wissen zu erlangen scheint mir das Höchste zu
sein, was die W r esen erreichen können.
35. Ungefragt soll man niemandem antworten und auch
nicht, wenn man ungehörig gefragt wird; (10587.) der Weise
bleibt in einem solchen Falle, auch wenn er die Sache kennt,
ruhig sitzen, wie ein Dummer.
Digitized by Google
Adhy&ya 289 (B. 287).
545
36. Darum soll man sich eine Wohnung ersehen unter
pflichttreuen, edlen, (ioöss.) freigebigen Menschen, die an ihrer
Pflicht ihr Genüge finden.
37. Aber wo eine Vermengung der Pflichten der vier
Kasten besteht, (10589.) da soll einer unter keinen Umständen
Wohnung nehmen, wenn er nach dem Heile strebt.
38. Ohne sich in Unternehmungen zu stürzen, möge er
hienieden leben zufrieden mit dem, was ihm beschieden ist.
(10590.) Wer mit Reinen umgeht, wird ihrer fleckenlosen Rein-
heit, wer mit Bösen, ihres Bösen teilhaftig werden.
39. Wie man die Berührung durch einen Wassertropfen
oder einen Feuerfunken empßndet, (10591.) so merken wir es,
wenn wir von beidem, dem Guten oder Bösen, berührt
werden.
40. Ohne darauf zu sehen, was sich als Nahrung ihm
darbietet, geniefst sie [der Wejse] und begnügt sich auch
mit Überbleibseln, (10592.) wer aber nur geniefst, was ihm
selbst genehm ist, der bleibt im Genüsse [der Frucht] seiner
Werke befangen, das sollst du wissen.
41. Wo nur unter solchen, welche lernen möchten, aber
unehrerbietig fragen, (10 593.) ein Brahmane das Gesetz lehren
könnte, da soll der Atmanhafte aus der Gegend entweichen.
42. Wo aber das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer
ein wohlgeordnetes ist, (10594.) ein geziemendes, dem Kanon
gemäfses, wer möchte wohl gern einen solchen Ort ver-
lassen ?
43. Wo man mit Zuversicht gegen einen weisen Mann
aus der Luft gegriffene Beschuldigungen [mit C] erhebt,
(10595.) welcher Gelehrte, der auf die Ehre seines Selbstes hält,
möchte da wohnen bleiben!
44. Wo es Brauch ist, dafs die Dämme der Pflicht von
Knechten der Lust durchbrochen werden, (1059«.) wer möchte
einen solchen Ort nicht fliehen, wie ein Kleid, welches Feuer
gefangen hat!
45. Wo aber die Menschen, frei von Selbstsucht, ohne
Zaudern ihrer Pflicht nachleben, (10 597.) da mag man unter
Pflichteifrigen und Edlen weilen und wohnen.
Dbumk», Mah&bhArattm
Digitized by Google
546
III. Mokshadharma.
46. Wo aber die Menschen die Pflicht nur um ihres Vor-
teils willen betreiben, (10598.) bei solchen Bösewichtern soll
man nun und nimmer verweilen.
47. Wo lebenslustige Leute böse Werke treiben, (10599.) da
soll man schleunigst" davonlaufen, als wenn man sich vor
einer Schlange flüchtete.
48. Ein Werk, infolgedessen man auf dem Sterbelager
Reue empfindet, (loeoo.) das soll man von vornherein nicht
unternehmen, wenn man sich selbst Gedeihen wünscht.
49. Wo auch nur der König und die seinem Throne
nahestehenden Männer (10601.) eher speisen als ihre Ange-
hörigen, ein solches Königreich möge der Atmanhafte meiden.
50. Wo aber zuerst diejenigen gespeist werden, welche
schriftkundig, pflichttreu, beständig sind (10602.) und sich mit
Opfern und Lehren befassen, ein solches Reich soll man be-
wohnen.
öl. Wo die Opferrufe sväha, svadhä, vashat richtig an-
gewendet werden (10603.) und unermüdlich im Schwange sind,
da soll man unbedenklich wohnen.
52. Wo man unlautere, durch Golderwerb sich erniedri-
gende Brahmanen sieht, (10604.) ein solches Reich soll man
meiden, wie einen nahen, vorgehaltenen Köder.
53. Aber wo liebe Menschen ungebeten das Nötige dar-
reichen, (10605.) da mag man unentwegten Geistes wohnen,
wie ein Atmanhafter, der sein Ziel erreicht hat.
54. Wo es Strafe für die Ungehorsamen und Ehrung für
die in ihrem Geiste Bereiteten gibt, (10606.) da mag man unter
Pflichteifrigen und Edlen wandeln und wohnen.
55. Wo solche, die den Bescheidenen überwältigen und
den Guten mifshandeln, (10607.) wo solche Zügellose, Begehr-
liche von schwerer Strafe getroffen werden,
56. wo ein pflichttreuer König sein Reich durch Ge-
rechtigkeit beschützt, (106O8.) wo er die Lüste von sich ab-
weist und Herr seiner Begierden ist, da möge man unbedenk-
lich wohnen,
57. da, wo ihrem Charakter Ehre machende Könige alle
in ihrem Bezirk Wohnende (10609.) schnell zur Wohlfahrt
führen und wo die Wohlfahrt ringsumher gedeiht
Digitized by Google
Adhyaya 289 (B. 287).
547
58. Damit habe ich dir, o, Freund, auf deine Frage das
was das Richtige ist, dargelegt, (io6io.) denn was zum Heil
der Seele dient, das läfst sich nicht so in summarischer
Weise darlegen.
59. Wer aber mit hingegebenem Geiste diese Lebens-
führung sich zu eigen macht, (loen.) dem wird durch ein
solches Tapas hienieden vielfaches Heil erscheinen und zu-
teil wurden.
So lautet im Mok«h»db»rm» die Erklärung de« Heil»
(frtyo - tdcikam).
Adhyftya 290 (B. 288).
Vers 10612-10658 (B. 1-47).
Yudhishthira sprach:
1. (10612.) Wie mufs, wenn er recht leben will, ein Fürst
wie ich auf Erden wandeln, und welches sind die Tugenden,
durch deren Besitz er erlöst wird von den Fesseln der Welt-
anhänglichkeit?
Bhtshma sprach:
2. (10613.) Darüber will ich dir eine alte Erzählung über-
liefern, nämlich was von Arishtanemi dem ihn befragenden
Sagara geantwortet wurde.
Sagara sprach :
3. (10614.) Welches höchste Gut, o Brahmane, mufs man
erwirken, um auf Erden das Glück zu erlangen? Wie er-
reicht man es, dafs man nicht trauert und sich nicht auf-
regt? Dieses wünsche ich zu wissen.
Bhlshma sprach:
4. (10615.) Nachdem Tärkshya (Arishtanemi), der Beste
aller Kenner der Lehrbücher, so angeredet worden war, da
sprach er, der das höchste Glück erforscht hatte, dieses heil-
same Wort:
Digitized by Google
1
548 m. Mokshadharma.
5. (10616.) Das Glück in der Welt besteht nur in dem
Glück der Erlösung, und der Tor kann nicht dazu gelangen,
solange er sein Herz an Kinder und Herden hängt und mit
Reichtum und Korn überhäuft ist.
6. (10617.) Sein Geist hangt an der Welt, seine Seele ist
nicht beruhigt, und es ist nicht möglich, das zu heilen; ein
solcher, von den Stricken des Welthanges gebundener Tor
ist nicht reif für die Erlösung.
7. (10618.) Ich will dir die aus dem Welthang geflochtenen
Stricke erklären, vernimm sie von mir; von dem Verständi-
gen können sie vernommen werden mit lauschendem Geiste.
8. (10619.) Nachdem du deine Söhne im Laufe der Zeit
herangebildet, in der Jugendblüte verheiratet hast und ihres
Fortkommens im Leben sicher bist, löse dich von ihnen und
gehe, wohin es dir beliebt.
9. (10620.) Wenn du siehst, dafs die zärtlich geliebte
Gattin, welche dir Söhne geboren hat und an ihnen hängt,
in die Jahre kommt, so verlasse sie zur rechten Zeit im Hin-
blick auf das höhere Ziel.
10. (io«52i.) Magst du Nachkommen haben oder keine,
mache dich los und gehe, wohin es dir gefällt, nachdem du
mit deinen Sinnen die Sinnendinge genossen hast, wie das
Gesetz es vorschreibt.
11. (10622.) Nachdem du dein Verlangen nach ihnen be-
friedigt hast, mache dich los und gehe, wohin es dir gefällt,
und nimm mit Gleichmut die Gaben (läbheshu mit C.) hin,
wie sie der Zufall dir darbietet.
12. (10623.) Damit habe ich dir in summarischer Weise
das Ziel der Erlösung gezeigt, nunmehr will ich es dir aus-
führlich auseinandersetzen, höre mich an.
13. (10624.) Die Menschen, welche sich losgelöst haben,
wandeln frei von Furcht und glücklich einher; die aber, deren
Herz an der Welt hängt, gehen zugrunde, daran ist kein
Zweifel,
14. (10625.) mögen sie auch noch so viel Nahrung auf-
häufen, wie es Würmer und Ameisen tun. Nur wer ohne
Anhänglichkeit an die Welt ist, lebt glücklich, wer an ihr
hängt, geht ins Verderben.
Digitized by Google
Adhyiya 290 (B. 288).
549
15. (106*6.) Wenn du auf die Erlösung deinen Geist richtest,
mutet du dir (te für tvayäj keine Sorgen um deine Ange-
hörigen machen, indem du etwa denkst: Wie können sie aber
ohne mich fertig werden!
16. (10 627.) Von selbst entsteht der Mensch, von selbst
wächst er heran, von selbst gelangt er zu Lust und Leid und
schliefslich auch zum Tode.
17. (10628.) Nahrung und Kleidung und alles, was Vater
und Mutter für einen zusammengebracht haben, erlangt man
durch eigene Werke [in einer frühern Geburt] ; es gibt nichts
in der Welt, was nicht vordem verdient worden wäre.
18. (10629.) Von dem Schöpfer ist allen Wesen vorher-
bestimmt, was sie in der Welt geniefsen sollen, und so durch-
wandern sie die Erde, geleitet von ihren eigenen [früheren]
Werken.
19. (10630.) Wo man doch selbst nur ein Erdklofs und
jederzeit abhängig ist, was könnte einen dazu bestimmen, die
Angehörigen zu pflegen oder zu beschützen, wo man an sich
so ohnmächtig ist!
20. (10631.) Wenn ja doch der Tod deine Angehörigen
vor deinen Augen raubt trotz aller Anstrengung von deiner
Seite, so sollte dir das zur Lehre dienen.
21. (10 632.) Und dazu kommt überdies, dafs du einen
solchen [Angehörigen] bei seinen Lebzeiten, und ehe noch
seine Ernährung und Beschützung sichergestellt ist, verlassen
und selbst sterben mufst.
22. (10633.) Und wo du doch niemals wissen kannst, ob
dein Angehöriger nach seinem Tode einem glücklichen oder
unglücklichen Schicksal verfällt, sollte dir das nicht zur
Lehre dienen?
23. (10634.) Und wo du doch weifst, dafs dein Angehöri-
ger, magst du nun leben oder tot sein, die Frucht seiner
Werke [in einer früheren Geburt] auszukosten haben wird,
wirst du nicht daraus dir eine Lehre ziehen und für dein
eigenes Heil Sorge tragen?
24. (10635.) Wenn du dieses weifst und dir darüber klar
bist, dafs in dieser Welt keiner einem andern angehört, so
Digitized by Google
III. Mokshadhiirma.
höhte deinen Geist auf die Loslösung! Und auch folgendes
lafs dir gesagt sein:
25. (10 636.) Nur der Mensch, welcher die Anwandlungen
von Hunger, Durst und dergleichen, sowie auch den Zorn, die
Habgier und die Verblendung überwunden hat, besitzt das
Sattvam und ist wahrhaft frei.
26. (10687.) Wer bei Spiel, Trunk, Weib und Jagd nicht
seine Besonnenheit verliert, der ist für immer wahrhaft frei.
27. (10638.) Tag für Tag und Nacht ftir Nacht mufs der
Mensch sich ernähren! Wer bei diesem Gedanken von Über-
drufs ergriffen wird, der ist ein Kenner der menschlichen
Schwächen.
28. (10639.) Wer allezeit mit Fleifs bedenkt, dafs sein
Wesen immer wieder und wieder einem Weiberschofse ein-
verleibt wird, der ist wirklich und wahrhaft frei.
29. (10640.) Wer Entstehung, Vergang und Lebensführung
der Wesen, wie sie in dieser Welt vor sich gehen, der Wahr-
heit gemäfs erkennt, der ist wahrhaft frei.
30. (10641.) Wer unter tausend, unter Millionen Wagen-
ladungen nur auf den Scheffel sieht, der zu seinem Unterhalte
ausreicht, wer in einem Palaste nur auf eine Schlafstelle fiir
sich sieht, der ist ein freier Mann.
31. (10642.) Wer einsieht, wie diese Welt vom Tode zer-
stört, von Krankheit bedrängt und von Nahrungssorgen ge-
quält wird, der ist ein freier Mann.
32. (10643.) Wer das einsieht, hat Frieden, wer es nicht
einsieht, mufs darunter leiden. Wer sich mit nur wenigem
in dieser Welt begnügt, der ist wahrhaft frei.
33. (10644.) Wer einsieht, dafs diese Welt nur aus Agni
und Sorna [Verzehrern und 'Verzehrten] besteht und sich
durch keine wunderbaren Verhältnisse aufregen läfst [wer
das nü admirari des Horaz besitzt], der ist wahrhaft frei.
34. (1064Ö.) Wem ein Polster und die harte Erde, wem
köstlicher Reis und geringe Speise für gleich gelten, der ist
wahrhaft frei.
35. (10646.) Wem feines Linnen und Binsengeflecht, wem
ein Kleid aus Seide oder Baumbast oder Schaffellen für gleich
gilt, der ist wahrhaft frei.
Digitized by Google
AdhyAya 290 (B. 288).
551
36. (10647.) Wer die Welt betrachtet als ein blofses Pro-
dukt der fünf Elemente und dieser Anschauung entsprechend
in dieser Welt lebt, der ist wahrhaft frei.
37. (10648.) Wem Lust und Leid, Gewinn und Verlust, Er-
folg und Mifserfolg, Liebe und Hafs, Furcht und [freudige]
Erregung für gleich gelten, der ist in jedem Sinne wahr-
haft frei.
38. (10649.) Wer den Körper als mit vielen Mängeln fdoshaj
behaftet, als eine Ansammlung von solchen Stoffen fdosha)
wie Blut, Urin und Kot ansieht, der ist ein freier Mann.
39. (10650.) Wer bedenkt, dafs im Greisenalter Runzeln
und graue Haare, Eintrocknung, Blässe und gebückter Gang
sich einstellen werden, der ist ein freier Mann.
40. (10651.) Wer bedenkt, dafs mit der Zeit Abnahme der
Zeugungskraft, Schwächung der Sehkraft, Schworhörigkeit
und keuchender Atem sich einstellen werden, der ist ein
freier Mann.
41. (10652.) Wer bedenkt, dafs Rishfs, Götter und Dä-
monen aus dieser Welt in die andere Welt wandern mufsten,
der ist ein freier Mann.
42. (10653.) Dafs auch höchste Fürsten, welche mit
mancherlei Machtvollkommenheiten ausgestattet waren, zu
Tausenden die Erde verlassen und hinübergehen mufsten,
wer das bedenkt, der ist ein freier Mann.
43. (10654.) Wer bedenkt, wie schwer Schätze zu er-
werben und wie leicht Leiden zu erlangen sind und was für
Kummer man mit seiner Familie haben kann, der ist ein
freier Mann.
44. (10655.) Wenn man bedenkt, dafs es in der Welt
meistenteils nur ungeratene Kinder und entartete Untergebene
gibt, wer möchte da nicht die Befreiung hochschätzen!
45. (10 656.) Wer, durch Wissenschaft und Erfahrung be-
lehrt, alles menschliche Wesen als schal und nichtig erkennt,
der ist in jedem Sinne wahrhaft frei.
46. (10657.) Nachdem du diese meine Rede angehört hast,
mögest du als ein Befreiter wandeln, sei es im Hausvater-
stande, sei es in Freiheit davon; untrügliche Erkenntnis ist
dir geworden.
Digitized by Google
552
III. Mukshadharma.
47. (1065S.) Nachdem der Erdeherr diese Belehrung von
ihm vollständig empfangen und die aus der Befreiung ent-
springenden Tugenden erlangt hatte, regierte er dement-
sprechend seine Untertanen.
80 lautet im Moksbadharma die Unterredung zwischen Sagara und Ariahtanemi
(Sagara- Arithtawmi - satntdda)
Adhyftya 291 (B. 289).
Vers 10669-10696 (B. 1-38).
Yudhishtbira sprach:
1. (10659.) Schon von jeher wohnt in meinem Herzen das
Verlangen, etwas von dir zu hören, o Grofsvater der Kuru's,
nämlich:
2. (10660.) Wie ist es gekommen, dafs der Götterweise
Ucanas, der hochsinnige Kavisprofs, der Freund der Dämonen
und Widersacher der Götter,
3. (1066I.) seine Kraft steigerte, und warum liegen unter
den unermefslich Kraftvollen die Dämonen immerdar in Fehde
mit den hohen Göttern,
4. (10662.) und wie erreichte Ucanas als ein unsterblich
Glänzender die Qukraschaft [Cukra der Planet Venus und der
männliche Same], und wie gelangte er zu glücklichem Ge-
deihen? Das alles mögest du mir erklären.
5. (iog«3.) Und wie kommt es, dafs dieser Glanzvolle [als
Planet Venus] nicht durch den mittleren Raum des Himmels
geht [d. h. nur als Abendstern und Morgenstern sichtbar ist]?
Dies alles wünsche ich vollständig zu hören, o Grofsvater.
Bhishma sprach:
6. (10664.) Vernimm, o König, mit Aufmerksamkeit alles
dies, wie es sich verhält, soweit ich es verstehe und soweit
es von mir ehemals vernommen worden ist, o Untadliger.
7. (10665.) Jener Nachkomme des Bhärgava (Ucanas), ein
ehrenfester und gelübdetreuer Weiser, verhielt sich feindselig
gegen die Götter aus einem wohlberechtigten Grunde.
■
Digitized by Google
Adhy&ya 2»1 (B. 289).
553
8. (10666.) Nun war da der Fürst und Schätze spendende
König [Kubera], der beständige Oberherr der Yaksha's und
Rakshas, der Gebieter der Schätze und Herr der Welt.
9. (10667.) In dessen Leib ging der in der Zauberkunst
des Yoga vollkommen bewanderte, grofse Weise [Ucanas]
ein, zwang den göttlichen Schätzeherrn [nach seinem Willen]
und beraubte ihn durch Yogakunst seines Reichtums.
10. (10668.) Der Schätzeherr war, nachdem ihm seine Güter
geraubt waren, hilflos; von Zorn erfüllt und entrüstet wandte
er sich an den Besten der Götter
11. (ioc6i>.) und machte ihm davon Mitteilung, dem un-
ermefslich kraftvollen (,'iva, ihm, dem Höchsten unter den
Himmlischen, dem Rudra, dem gnädigen, vielgestaltigen:
12. (io6«o.) Von dem yogakundigen Ucanas bin ich über-
wältigt und meiner Schätze beraubt worden, indem er, der
Askesereiche, durch Yogakunst in meinen Leib hineinfuhr
und ihn wieder verliefs.
13. (io67i.) Als das der grofse Zauberherr Mahecvara ge-
hört hatte, geriet er in Zorn, griff mit blutunterlaufenen Augen
nach seinem Wurfspiefs und sprang auf.
14. (10672.) „Wo ist der Kerl?' 4 rief er, indem er seine
vorzügliche Waffe fest fafste, Ucanas aber glänzte in der
Ferne, als er merkte, was jener vorhatte.
15. (10673.) Als der Mächtige (Ucanas) den Zorn des
zauberkräftigen Gewaltigen bemerkte, überlegte er, ob er
fliehen oder gegen ihn angehen oder stehenbleiben sollte.
1*3. (10 674.) Und nachdem er vermöge seiner gewaltigen
Askese auf den grofsmächtigen Mahecvara seine Aufmerk-
samkeit gerichtet hatte, sah man den Ucanas kraft seiner
Yogazauberkunst plötzlich an der Spitze von Civa's Wurf-
spiefs hängen.
17. (10675.) Als der erkenntnisdurchdrungene, in Askese
vollendete Herr der Götter dieses bemerkte, da bog er mit
seiner bogenbewehrten Hand seinen Wurfspiefs um fpanitui
(wämayatj,
18. (10676.) und weil er' mit kraftvoller Hand seinen Wurf-
spiefs rund gebogen hatte, gab der furchtbar bewehrte Herr
seinem Wurfspiefse den Namen: Phtäkam.
Digitized by Google
554
III. Mokshadharma.
19. (10677.) Als der Gemahl der Umä den Bhärgava in
seine Hände gelangt sah, da öffnete er, der Gipfel der Götter,
seinen Mund und schob ihn gemächlich mit der Hand hinein.
20. (10678.) Nachdem aber der mächtige Ucanas in die
Eingeweide des Mahecvara gelangt war, spazierte er, der
hochsinnige Bhrigusprofs, in ihnen umher.
Yudhishthira sprach:
21. (10679.) Warum spazierte denn der Ucanas in dem
Bauche des weisen Göttergottes umher, o König, und was
tat der Glanzvolle dann weiter?
Bhlshma sprach:
22. (10680.) Es geschah, weil ehedem der Gelübdetreue
[Civa] Millionen und hundert Millionen von Jahren unbeweg-
lich wie ein Baumstamm im Wasser gesessen hatte
23. (10681.) und dann nach Beendigung dieser Askese aus
dem grofsen Gewässer herausstieg. Da kam der Obergott der
Götter Brahman heran zu ihm
24. (10682.) und befragte ihn, der Ewige, nach dem Ge-
deihen der Askese und nach seinem Wohlbefinden. „Mit der
Askese geht es ganz gut", erwiderte ihm der mit dem Stier
in der Fahne [Qiva]
25. (10683.) und merkte an sich, er, der Cankara [Civa],
wie er durch das Betreiben der Askese zu üppiger Kraftfülle
gediehen war, er, der Hochweise, Unausdenkbare, allezeit an
Wahrheit und Gerechtigkeit seine Freude Habende.
26. (10 684.) Ja, angeschwollen durch Askese und Reich-
tum, glänzte er, der heldenmütige, grofse Yogin in allen
drei Welten, o Grofskönig.
27. (ioG85.) Nun aber ging der yogabeflissene Pinäka-
träger dazu über, den Meditationsyoga zu betreiben, und da-
durch geriet Ucanas in Bestürzung und duckte sich in dem
Bauche,
28. (10686.) und in dieser Lage pries, um ihn günstig zu
stimmen, er, der grofse Zauberer, den Gott [Qiva] und wünschte
zu entweichen, wurde aber daran von jenem gehindert.
29. (10687.) Endlich sprach der weise, im Bauche einge-
•
Digitized by Google
I
Adhy&ya 291 (B. 289).
555
schJossene Ucanas: „Erweise mir doch die Gnade", so sprach
er ein Mal ums andere Mal, o Feindbezwinger.
30. (10688.) Da sprach Mahadeva zu ihm: „Fahre durch
den Penis hinaus", denn alle anderen Ausgänge hatte der
Götterstier verschlossen.
31. (10689.) Diese Pforte konnte der von allen Seiten ein-
geschlossene Muni nicht finden, und, von der Glut der Askese
gepeinigt, fuhr er hier und dort umher.
32. (10690.) Endlich schlüpfte er in Gestalt des Sperma
ftukramj durch den Penis hinaus. Und das ist der Grund,
warum er [als £ukra Planet Venus] niemals quer durch den
Himmel geht.
33. (io69i.) Als Bhava (Ci ya ) mn san > wie er aus ihm
herausgefahren war und von Glanz strahlte, da geriet er in
Zorn, sprang auf und griff nach seinem Wurfspiefs.
34. (10692.) Aber die Göttin (Umä) hielt ihren zornigen
Gatten Pacupati zurück, und zufolge dieser Besänftigung des
Cafikara erlangte er bei der Göttin das Sohnesrecht.
Die Göttin sprach :
35. (10693.) Du darfst ihm nichts tun, denn er hat bei
mir Sohnesrecht erlangt, und einer, der aus dem Bauche
eines Gottes hervorging, darf doch nicht zu Schaden kommen.
36. (10694.) Da besänftigte sich Bhava und lachend sprach
er zu der Göttin : ,,Mag er gehen, wohin es ihm beliebt", so,
o König, sprach er zu wiederholten Malen.
37. (1069s.) Da verneigte sich der weise Ucanas, der
grofse Muni, vor dem gabenspendenden Gotte und der Göttin
Umä und eilte auf erwünschtem Wege von dannen.
38. (10 696.) Damit, o Freund, habe ich dir die Geschichte
von dem hochsinnigen Bhrigusprofs erzählt, nach der du
mich fragtest, o Bester der Bharatas.
So lautet im Moksbadharma die Be gegnung *w iin-hm Ühava und <i. tu Kbrigur piofs
(Hhaca- HhAt 'jaeu- \attuiynma)
Digitized by Google
III. Mokshadharma.
Adhyftya 292 (B. 290).
Vers 10697-10722 (B. 1-26).
Yudhishthira sprach:
1. (10697.) Nun weiter, o Grofsarmiger , sage mir, was
das Beste ist, nicht satt werde ich, als wäre es Amritam,
o Grofsvater, deines Wortes.
2. (10698.) Welches ist das gute Werk, das ein Mensch
vollbringen mufs, o Bester der Menschen, um das höchste
Out hienieden und im Jenseits zu erlangen? Das sage mir.
Bhlshma sprach:
3. (io699.) Darüber will ich dir berichten, wie einstmals
der hochberühmte König Janaka den hochsinnigen Paräcara
befragte:
4. (io7oo.) Was ist für alle Wesen das Beste in dieser
und in jener Welt, welches von ihnen ergriffen werden mufs?
Das mögest du, o Herr, mir sagen.
5. (10 701.) Da sprach der askesereiche, aller Gesetze und
Vorschriften kundige, freundlich gesinnte Muni zu dem Könige
das folgende Wort.
Para^ara sprach:
6. (10 70-2.) Die Vollbringung der Pflicht ist das Beste für
diese Welt und für jene; denn höher als sie gibt es nichts,
wie die Weisen erklären.
7. (10703.) Der Mensch, welcher seine Pflicht getan hat,
wird herrlich geehrt in der Himmels weit, und die Pflicht ist
beschlossen für die Menschen in der Vorschrift der Werke,
o Bester der Fürsten.
8. (10 704.) In ihr beharren die, welche die Lebensstadien
durchmachen und die ihnen obliegenden Werke vollbringen.
9. Als vierfach wird in dieser Welt der Lebensunterhalt
vorgeschrieben, (10705.) um welchen die Menschen bemüht
sind, und er entspringt aus dem Bedürfnis.
10. Nachdem sie das gute oder böse Werk auf mancherlei
Weise betrieben haben (10706.) und in die fünf Elemente zer-
fallen sind, gehen die Wesen auf verschiedenen Wegen hinüber.
Digitized by Google
Adhykya 292 (B. 290).
557
11. Wie man ein Gefäfs mit Gold oder mit Silber über-
zieht, (10707.) so wird der Mensch überzogen vermöge seiner
Abhängigkeit von seinen früheren Werken.
12. Ohne Samen kann nichts wachsen, ohne Wirken er-
wächst kein Glück, (10708.) nur durch gute Werke erlangt der
Mensch Glück, nachdem sein Körper zunichte geworden ist.
13. Von einem Schicksale bemerke ich nichts, es gibt
kein Eingreifen des Schicksals, (10709.) nur durch ihre eigene
Natur sind Götter, Gandharven und Dämonen zu dem ge-
worden, was sie sind.
14. Nach dem Tode erinnern sich die Menschen zwar
niemals des in der frühern Geburt begangenen [jätikritam,
bei Nil.] Werkes, (10710.) und wirklich [erinnern sie sich nicht],
wenn seine Frucht über sie kommt, des vierfach begangenen
Werkes [Vers 10711].
15. Dafs das Vedawort nur dazu da sei, um dem Ver-
halten in diesem Leben als Richtschnur zu dienen (10711.) und
um das Gemüt zu beruhigen, das, o Freund, ist gewifs nicht
die Meinung der Alten.
16. Nein, das vierfache Werk, wie es einer durch Augen,
Gedanken, Rede und Tat (10712.) begeht, wird dementsprechend
vergolten.
17. Das unvermittelt [als gut und böse, NU.] einander
gegenüberstehende und das gemischte Werk wird vergolten,
o Fürst, rio7is.) mag es gut, mag es böse sein, eine Ver-
nichtung des Werkes gibt es nicht.
18. Mitunter überwiegt das gute Werk, o Freund, und
steht gleichsam obenan, (10714.) auch bei einem solchen, der
noch, bis zu seiner Erlösung vom Leiden, in dem Sansara
verstrickt bleibt.
19. Ist er aber des Leidens ledig geworden, so geniefst
er [auf dem Pitriyäna zum Monde gelangend] sein gutes
Werk, (10 715.) und nachdem sein gutes Werk verbraucht ist,
büfst er das böse Werk [durch Rückkehr zum Erdenleben],
o Oberherr der Menschen.
20. Bezähmung, Geduld, Festigkeit, Energie, Genügsam-
keit, Aufrichtigkeit, (10716.) Schamhaftigkeit, Schonung, Leiden-
schaftslosigkeit und Tüchtigkeit bringen Glück.
Digitized by Google
558
III. Mokshadhanna.
21. Der Mensch ist beim Vollbringen des guten und bösen
Werkes keinem Zwange unterworfen, (10717.) darum soll der
Weise immerfort in seinem Geiste wachsam sein und sich
Mühe geben.
22. Es ist nicht zu befürchten, dafs einer das gute oder
böse Werk eines andern zu büfsen hat; (i<m8.) welcher Art
das Werk ist, das man begeht, dementsprechend ergeht es
einem.
23. Der Mensch, welcher auf Lust und Leid [als Folgen
der Handlungen] merkt, wird den einen Weg [der Erkenntnis,
Nil.] gehen, (10719.) auf dem andern gehen vermöge der W T elt-
anhänglichkeit fsangatahj alle [übrigen] Menschen auf Erden.
24. Was man an anderen tadelt, soll man nicht selbst
tun, (10720.) denn wer tadelt, womit er selbst behaftet ist, der
verfällt der Lächerlichkeit.
25. (10721.) Ein feiger Kshatriya, ein von allem essender
Brahmane, ein unstrebsamer Vaicya und ein fauler Kasten-
loser, ein charakterloser Gelehrter, ein Vornehmer ohne
Lebensart, ein von der Wahrheit abtrünniger Brahmane,
ein ausgelassenes Weib,
26. (10722.) ein leidenschaftlicher Yogin, einer, der nur
fiir sich selbst kocht, ein Dummkopf, der Reden hält,
und ein Königreich ohne König — diese alle, o König,
sind zu bedauern, und so auch ein Herrscher ohne Hin-
gebung und Liebe zu seinen Untertanen.
So lautet im Mokshadharma der Gesaug &e% ParA^axa
(I'ard$ara • gltd).
Adhyftya 293 (B. 291).
Vers 10723-1074« (B. 1-23).
Para^ara sprach :
1. (10723.) Wer als Wagen den Manaswagen, als Rosse
die Sinne und Sinnendinge erlangt hat und sie mit der Er-
kenntnis als Zügel zu lenken weifs, der ist ein weiser Mann.
2. (10 724.) Rühmlich ist die Verehrung mit hingegebenem
Oeiste eines Unbemittelten, o Zwiegeborener, welche ausgeht
Digitized by Google
Adhy&ya 293 (B. 291).
559
von einem über die Spendehand Erhabenen [atihasta mit Nil.]
und nicht aus einem gegenseitigen Tauschverhältnis.
3. (10725.) Wenn man ein schwer erlangbares [glückliches]
Lebenslos erlangt hat, soll man es nicht [durch schlechte
Taten] entwürdigen, o Völkerherr, sondern danach streben,
durch gute Werke noch höher zu steigen [in der nächsten
Geburt].
4. (10726.) Denn wer von seiner Kaste abfällt, verdient
keine Billigung, und sicherlich auch nicht der, welcher, in
eine glückliche Lage gelangt, rajashaften Taten sich hingibt.
5. (10727.) Durch gute Werke erlangt der Mensch [nach
dem Tode] eine höhere Kaste; schwer ist sie zu erlangen,
und wenn man sie nicht erlangt hat, [so ist der Grund,
dafs] man durch schlechte Werke sich selbst zu Schaden
bringt.
6. (10728.) Begeht man unbewufst etwas Böses, so möge
man es durch Askese von sich abschütteln, denn das Böse
bringt [bewufst oder unbewufst verübt] seine Frucht; böse
ist es an sich [in beiden Fällen], (10729.) darum soll man sich
nicht mit Bösem befassen, da es [in jedem Falle] Leiden als
Frucht bringt.
7. Ein Werk, welches mit Bösem behaftet ist, auch
wenn es grofsen Erfolg verspricht, ( 10730.) soll der Weise so
ängstlich meiden wie der Reine einen Kucalin [nach Nil. eine
Art Candala].
8. [Fragt man aber :] Wo sehe ich denn eine üble Folge
meiner bösen Tat? — (10731.) Zunächst schon darin, dafs der
Seele, selbst wenn man Reue empfunden hat, nicht wohl da-
nach wird.
0. Wer aber ein solcher Tor ist, dafs ihm keine Reue
über seine Tat kommt, (10732.) den erwartet, wenn er davon
mufs, grofse Pein.
10. Ein ungefärbtes Kleid läfst sich von Schmutz reinigen,
nicht aber ein mit schwarzer Farbe ganz überzogenes, (10733.) so
steht es mit der Sünde, o Fürst der Menschen, das sollst du
von mir mit Fleifs lernen.
11. Wenn einer auch aus freien Stücken, nachdem er
das Böse getan hat, sich dem Guten zuwendet (10734.) und
Digitized by Google
560
III. Mokshadharma.
Bufse tut, so trifft ihn doch [die Vergeltung für] beides ge-
sondert.
12. Aber eine unbewufst begangene Schädigung wird
durch den Grundsatz der Nicht -Schädigung wieder wett-
gemacht, (10735.) so lehren, vom Gesetze belehrt, die brahman-
kundigen Brahmanen.
13. Hingegen eine absichtlich begangene [Schädigung]
wird nicht durch den Grundsatz der Nicht-Schädigung wieder
wettgemacht, (10736.) so lehren, vom Gesetze belehrt, die brah-
mankundigen Brahmanen.
14. Ich aber sehe die Sache so an, dafs das begangene
Werk nicht ohne Folgen bleibt, (10737.) mag es tugendhaft
oder nur scheinbar mit Bösem nicht verknüpft sein.
15. Und wenn schon verborgene Werke die Frucht ihrer
Beschaffenheit gemäfs bringen, (10738.) wieviel mehr solche,
welche aus Vorsatz und mit Bewufstsein begangen sind!
16. Nur geringe Folgen hat ein schweres, fort und fort
begangenes Werk, (10739.) ein mit Gewalttat ausgeführtes,
wenn es ohne Absicht geschah.
17. An [gewissen] Taten der Götter und Muni's (10740.) soll
sich der Rechtschaffene, wenn er von ihnen hört, kein Bei-
spiel nehmen, aber auch keinen Tadel üben.
18. Wer nach reiflicher Überlegung, o König, und im
Bewufstsein dessen, was er vermag, (10741.) ein edles Werk
vollbringt , der wird Herrliches schauen.
19. Wie Wasser, wenn es in ein noch ungebranntes
Gefäfs gegossen wird, entweicht, (10742.) so bleibt es in einem
nicht mehr ungebrannten Gefäfse erhalten und wohlgeborgen.
20. Nun wird dem das Wasser haltenden Gefäfse anderes
Wasser zugegossen, (10 743.) und so wie dieses Wasser in dem
beharrenden selbst sein Beharren findet,
21. so sind, wenn verständige Werke geübt worden sind,
o Fürst, (10744.) neu hinzukommende ähnliche in höchstem
Grade vortrefflich.
22. (10745.) Dem Könige liegt es ob, Feinde und Em-
pörer zu besiegen und die Beschützung seiner Unter-
tanen nach allen Seiten hin auszuüben; um vieler Opfer
willen soll man [als Grihastha] das Feuer schichten, um
Digitized by Google
Adhyaya 293 (B. 291).
561
im letzten oder mittlem Lebensalter [als Vanaprastha]
in den Wald zu ziehen und dort zu wohnen.
23. (10746.) Herr seiner selbst, soll der Mensch, in
seiner Pflicht treu, alle Wesen seinem eigenen Selbste
gleich achten und seine Freude daran haben, o Männer-
fiirst, aus allen Kräften und in aufrichtiger Gesinnung
die Meister zu ehren.
So lautet im Mokihadharma der Gesang det Para$ara
(Pard<;ara-gUd).
Adliyftya 294 (B. 292).
Vers 10747-10769 (B. 1-23).
Para^ara sprach:
1. (10747.) Wer hilft in dieser Welt dem andern? W r er hat
für den andern etwas übrig? Der Mensch, wie er ist, tut,
was er tut, durch sich selbst und für sich selbst.
2. (10 748.) Er ist imstande, einen, der nicht in Ansehen
• steht, lieblos zu verlassen, selbst wenn es der eigene Bruder,
wieviel mehr, wenn es ein anderer ist!
3. (10749.) Zwischen zwei Menschen von Ansehen halten
sich Geben und Nehmen das Gleichgewicht, verdienstlicher
als beides ist es, wenn der Z wiegeborene die Gabe blofs
darreicht.
4. (10750.) Reichtum, welcher rechtmäfsig erworben und
rechtmäfsig vermehrt worden ist, darf mit allem Fleifse ge-
hütet werden, wenn er zur Pflichterfüllung verwendet wird,
daran ist kein Zweifel.
o. (10761.) Wer auf Gerechtigkeit hält, der soll nicht durch
menschenfeindliches Tun sich Reichtum erwerben. Nach
besten Kräften soll man alle Pflichten erfüllen ohne den Hinter-
gedanken an gedeihlichen Erfolg.
6. (10752.) Wenn man mit frommem Sinne auch nur kaltes
oder warmes Wasser, so gut man es vermag, dem Gaste
darreicht, so ist das ebenso verdienstlich, als wenn man
einen Hungrigen speiste.
Diuiiii, Mahabharatam. l\t\
Digitized by Google
562
III. Mokshailliarma.
7. (10753.) Von dem hochherzigen [reichen und wohl-
tätigen] Rantideva wurde die von allen begehrte Vollendung
erreicht, und doch hatte er die MunTs nur mit Früchten,
Blättern und Wurzeln geehrt.
8. (10764.) Und obgleich er nur mit solchen Früchten und
Blättern den von Mäthara begleiteten [Sonnengott] erfreut
hatte, erlangte auch der Fürst der Qibi's dafür die höchste
Stätte.
9. (10 756.) Der Mensch wird geboren, indem auf ihm eine
Schuld gegen Götter, Gäste, Hörige und Manen lastet, darum
mufs er diese Schuld abtragen
10. (10756.) an die grofsen Rishi's durch Vedastudium, an
die Götter durch Opferwerke, an die Manen, indem er ihnen
das Manenopfer spendet, an seine Leute, indem er sie in
Ehren hält
11. (10767.) Durch [angemessene] Rede, durch Mitgeben
von seinem Uberflusse und durch Erhaltung seiner eigenen
Person soll man, wie sichs gehört, von Grund aus das Interesse
seiner Angehörigen fördern.
12. (10 758.) An Fleifs das Höchste erreichend, wenn auch
<les Reichtums ermangelnd, sind die Muni's durch richtige
Darbringung der Opferspeise zur Vollendung emporgestiegen.
13. (10 759.) Der Sohn des Ricika [Nil. liest des Ajigarta]
wurde zu einem Sohne des Vicvämitra, nachdem er, o Grofs-
armiger, die an seiner Opferung beteiligten Götter mit Rigveda-
versen gepriesen hatte [vgl. Ait. Br. 7,13 fg., wo der Vater
Ajigarta und der Sohn Qunahcepa heifst].
14. (10760.) Ucanas wurde infolge der Gnädigstimmung
des Göttergottes f^iva] zum Qukra [dem Planeten Venus]
und glänzt herrlich am Himmel, weil er die Göttin [Umä] ge-
priesen hatte [oben, S. 552 fg.].
15. (10761.) Asita Devala, Närada und Parvata, Kakshi-
vant, Rama, der Sohn des Jamadagni, und der ätmanhafte
Tändya,
16. (10762.) Vasishtha, Jamadagni, Vicvämitra und Atri,
Bharadväja, Haricmacru, Kundadhära und (^rutacravas,
17. (10763.) diese grofsen Rishi's empfingen, weil sie mit
Hingebung den Vishnu durch Rigvedaverse gepriesen hatten,
Digitized by Googl
■
Adhyaya 294 (B. 292 >. 563
durch die Gnade dieses weisen Gottes um ihrer Askese willen
die Vollendung.
18. (10764.) Und auch Würdelose sind zur Würde gelangt,
weil sie denselben Gott mit rechtschaffenem Sinne gepriesen
hatten. Nicht aber soll man in dieser Welt durch etwas
emporzukommen suchen, dessen man sich zu schämen hat.
19. (10765.) Zwecke, die mit Rechtschaffenheit verfolgt
werden, sind gut, die aber mit Ungerechtigkeit verfolgt wer-
den, pfui über die! Die in der Welt ewig geltende Pflicht
soll man nicht aus Geldgier aus den Augen lassen.
20. (io<66.) Wer mit rechtschaffenem Sinne die Opferfeuer
anzündet, dessen religiöses Verdienst steht am höchsten, denn
alle Veden, o Fürst der Könige, fufsen auf den drei Opfer-
feuern, o Herr.
21. (10 767.) Aber nur ein solcher Brahmane ist ein wahrer
Opferfeuerzünder, der die zugehörigen Zeremonien nicht ver-
nachlässigt, und ist es besser, gar keine Opferfeuer anzu-
zünden, als ein Agnihotram ohne Zeremonien darzubringen.
22. (10 768.) Das Opferfeuer und der Atman, die Mutter,
der Vater als Erzeuger und der Lehror, diese müssen ge-
bührend verehrt werden, o Tiger unter den Männern.
23. (10 769.) Wer frei von Hochmut die Alten ehrt,
verständig, keusch und liebevoll dreinschaut, ohne Un-
ruhe, pflichttreu und nicht un bezähmten Sinnes ist, der
wird in dieser Welt als echter Arya von den Guten
geachtet.
So lautet im Mokabadharma der Geaang des Para<?ara
( Pard^ara - gltd) .
AdhyAya *>95 (B. 293).
Vers 10770-10790 (B. 1—21).
Paracara sprach :
1. (10770). Ein wohlanständiges, von Liebe geleitetes Be-
tragen von Seiten der drei Kasten gegenüber dem Kasten-
losen [^üdra], wie es Vorschrift ist, zeichnet immerdar die
Gerechtesten aus.
36*
Digitized by Google
564
III. Mokshadharma.
2. (10771.) Wo aber keine vom Vater und Grofsvater über-
kommene gute Behandlung dem Qüdra gegenüber üblich ist,
da soll dieser nicht nach guter Behandlung in Diensten eines
andern streben, sondern sich im Gehorsam üben.
3. (10772.) Der Umgang mit Edlen, Pflichtkundigen ist
jederzeit in allen Lagen schön, nicht aber der mit Unedlen,
so meine ich.
4. (10773.) Wie ein Körper auf dem Berge des Sonnen-
aufgangs durch seine Nähe [von der Sonne] erglänzt, so er-
glänzt der Kastenlose durch die Nähe der Edlen.
5. (10774.) Denn wie ein weifses Kleid durch irgendeine
Farbe gefärbt wird, so nimmt auch er [der Qüdra] die Farbe
[der Umgebung] an, das kannst du mir glauben.
6. (10775.) Darum nimm von den Tugenden die Farbe an
und niemals von den Fehlem, denn das Leben der Sterb-
lichen ist vergänglich und ungewifs.
7. (10776.) Der Weise, welcher im Glück und Unglück
das Gute herauszufinden weifs, der ist ein wahrer Kenner der
Lehrbücher.
8. (10777.) Eine Handlung, welche von der Pflicht abweicht,
auch wenn sie grofsen Nutzen bringt, soll von dem Weisen
nicht unternommen werden und ist nicht gutzuheifsen.
9. (10 778.) Ein Fürst, der, die Beschützung seiner Unter-
tanen versäumend, tausend geraubte Kühe [als Opferlohn]
spendet, der erwirbt sich nur dem Namen nach ein Verdienst
und ist in Wahrheit ein blofser Räuber.
10. (10 779.) Der durch sich selbst Seiende schuf zu An-
fang den von aller Welt verehrten Schöpfer, der Schöpfer
schuf den einen Sohn [den Regengott Parjanya, Nil.], der an
der Erhaltung der Welt seine Freude hat.
11. (10 780.) Ihn möge der Vaicya ehren und [als Acker-
bauer und Viehzüchter] Gedeihen im Übermafs haben; die
Kshatriya's sollen schützen, die Brahmanen sollen [den Göttern
das Opfer] genehm machen,
12. (10781.) indem sie es redlich ohne Falsch und ohne
Zorn den Göttern und Manen darbringen; den Qüdra's end-
lich Hegt das Geschäft des Kehrens ob, dann bleibt das Gesetz
wohlgewahrt.
Digitized by Google
Adhyfcya 296 (B. 2S3).
565
13. (10782.) Und wenn es wohlgewahrt bleibt, so leben
die Menschen glücklich, und wenn sie glücklich leben, o Fürst
der Könige, so freuen sich die Götter im Himmel.
14. (10788.) Darum wird ein Fürst, welcher Schutz gewährt,
mit Recht dafür geehrt, und ebenso ein Brahmane, der den
Veda studiert, und ein Vaicya, der seine Freude am Er-
werb hat,
15. (10784.) und auch ein Qüdra, der mit bezähmten Sinnen
immer gehorsam ist; wer anders handelt, o Fürst der Men-
schen, der versäumt seine Pflicht.
16. (10785.) Auch ein Scherflein, welches unter eigenen
Entbehrungen dargebracht wird, bringt grofsen Lohn, wenn
es nur ehrlich erworben ist, um wieviel mehr tausendfache
Gaben!
17. (10786.) Der Fürst, welcher die Brahmanen bewirtet
und beschenkt, wird in dem Mafse, wie er es tut, entsprechen-
den Lohn in reicher Fülle ernten.
18. (10787.) Eine Gabe, welche man aus freien Stücken
mit Freudigkeit darreicht, ist wahrhaft lobenswürdig; was
man aber gibt, nachdem man sich darum hat bitten lassen,
hat nach Ansicht der Weisen nur mäfsigen Wert.
19. (10788.) Was aber mit Geringschätzung oder ohne
Glauben gespendet wird, das erklären die wahrheitsprechenden
Muni's für eine Gabe untersten Grades.
20. (10789.) Versunken [in das Meer des Sansära] soll
der Mensch immer suchen, auf alle Art herauszukommen,
und so möge er eifrig streben, aus der Verstrickung sich zu
befreien.
21. (10790.) Durch Bezähmung zeichnet sich der Brahmane
aus, durch Sieg der Krieger, durch Reichtum der Vaicya, der
<^üdra aber durch beständige Rührigkeit.
So lautet Im Mokahadbanna der Oetang de« I'arA<;*ra
(J'ard\ara-ffitd).
Digitized by Google
566
III. Mokshadhanna.
AdhyAya 296 (B. 294).
Vers 10791-10821 (B. 1-31).
Para^ara sprach:
1. (io79i.) Zum Brahmanen als Gaben gelangend, vom
Kshatriya im Kampfe erobert, vom Vaicya ehrlich erworben,
vom (,\idra durch gehorsames Dienen erlangt,
2. (10792.) wird auch ein geringer Besitz gepriesen als
grofse Frucht bringend, wenn er im Dienste der Pflicht ver-
wendet wird. Der (,'üdra gilt allgemein als der, welcher den
drei oberen Kasten Gehorsam schuldet.
3. (10 793.) Wenn ein Brahmane aus Nahrungssorgen die
Beschäftigung eines Kshatriya oder Vaicya betreibt, so fällt
er dadurch nicht; wenn er aber das Geschäft eines (."üdra
betreibt, so fällt dadurch der Brahmane.
4. (10794.) Handel, Viehzucht und Leben vom Handwerk
werden auch einem (^üdra zugestanden, wenn er nicht anders
seinen Lebensunterhalt erwerben kann.
5. (10795.) Das Auftreten auf der Bühne, das Leben von
Schaustellungen [Marionetten usw.], vom Handel mit be-
rauschenden Getränken und Fleisch, mit Eisen und Leder
6. (10796.) soll man, wenn es nicht in der Familie erblich
war, nicht anfangen, da es in der Welt für ein bescholtenes
Gewerbe gilt. Wo es aber erblich war und aufgegeben wurde,
da liegt ein grofses religiöses Verdienst vor, wie die Schrift
lehrt.
7. (10797.) Wenn ein Mann, der es in der Welt zu etwas
gebracht hat, etwas Schlechtes begangen hat, weil sein Geist
von Trunkenheit umnebelt war, so gilt das nicht für nach-
ahmenswert.
8. (10 798.) Denn in alten Geschichten (puränaj wird be-
richtet, dafs die Menschen damals so bezähmt, pflichteifrig
und an Sitte und Gesetz gewöhnt waren, dafs die Verachtung
als Strafe genügte, um sie im Zaume zu halten.
9. (10799.) Denn von jeher wurde die Pflichterfüllung an
den Menschen hienieden als des Lobes würdig erachtet, o König,
Digitized by Google
Adhy&ya 296 (B. 294). 567
und da die Menschen in der Pflichterfüllung grofs geworden
waren, so übten sie auf Erden tugendhafte Handlungen.
10. (10800.) Diese Pflichttreue, o Freund, wurde von den
Dämonen nicht geduldet, o Fürst, und indem sie mehr und
mehr an Macht und Zahl zunahmen, fuhren sie in die Men-
schen hinein und machten sie besessen.
11. (10801.) Da entwickelte sich in den Menschen ein die
Pflicht vernichtender Hochmut, und als sie erst von Hoch-
mut erfüllt waren, erwuchs in ihnen der Zorn.
12. (10802.) Und indem der Zorn sie beherrschte, gingen
schamhaftes Benehmen und Scheu verloren, und Verblendung
trat an ihre Stelle.
13. (10803.) Als sie aber mit Verblendung erfüllt waren,
sahen sie nicht mehr so klar wie vorher, sondern unter-
drückten sich gegenseitig und überhoben sich nach Lust.
14. (10804.) Als sie aber erst soweit gekommen waren, ge-
nügte die Verachtung als Strafe nicht mehr; sie gingen immer
weiter, indem sie sogar Götter und ßrahmanen verachteten.
15. (10805.) Zu dieser Zeit geschah es, dafs die Götter
den obersten Gott, den weisen, vielgestaltigen, allervortreft-
lichsten Tiva, um Schutz baten.
IG. (10806.) Da wurden von ihm jene himmelstürmenden
[Dämonen] mitsamt ihren Burgen auf die Erde herabgestürzt,
zu dreien [als Hochmut, Zorn und Verblendung], durch einen
einzigen von Götterkraft geschwellten Pfeil.
17. (10807.) Und auch er, der ihr Oberherr war, 'furcht-
bar, von furchtbarer Tapferkeit, und der die Götter mit Furcht
erfüllt hatte, wurde von dem Wurfspiefsbe wehrten [Viva]
n ied erge w orfen .
18. (10808.) Nach dessen Niederwerfung kehrten die Men-
schen zu ihrer frühern Natur zurück und wandten sich wieder
wie ehedem den Veden und den Gesetzbüchern zu.
11). (1080t).) Da geschah es, dafs die sieben Rishfs den
Väsava (Indra) zum Könige über die Götter im Himmel salbten
und ihn mit dem Richteramte über die Menschen betrauten.
20. (10810.) Auf die sieben Rishi's folgte sodann ein Erde-
beherrscher mit Namen Viprithu und in den einzelnen Reichen
Kshatriya's als Könige.
Digitized by Google
I
568 III. Mokshadharma.
21. (10811.) Aber da gab es alte und noch ältere, aus
grofsen Familien geborene Herrscher, aus deren Herzen die
dämonische Natur nicht gewichen war.
22. (10812.) Darum haben manche Fürsten vermöge dieser
Natur und ihrer Folgen mit furchtbarer Tapferkeit dämonische
Werke begangen.
23. (io8id.) Auf diese gründeten sie sich und stellten sie
als Beispiel auf, und auch heute gibt es törichte Menschen,
welche an derartigen Werken ihre Freude haben.
24. (10814.) Darum sage ich zu dir, o König: Man soll
auf Grund der Lehrbücher wohlüberlegend nach dem Voll-
kommenen trachten und schädliche Werke meiden.
25. (10816.) Ein weiser Mann soll nicht auf unlauterm
Wege Reichtum aufhäufen, indem er das auf Pflichterfüllung
zielende Gesetz aufser Augen läfst, das ist nicht schön.
26. (10816.) Du aber, der du ein bezähmter und von
lieben Freunden umgebener Kshatriya bist, mögest Unter-
tanen, Diener und Kinder vermöge der dir obliegenden Pflicht
beschützen.
27. (10817.) In Verknüpfung von Angenehmem und Un-
angenehmem besteht Feindschaft und Freundschaft durch
viele tausend Geschlechter hindurch.
28. (10818.) Darum nimm von den Tugenden die Farbe an
und niemals von den Fehlern; hat doch schon der tugend-
lose Tor an sich selbst seine Freude [wieviel mehr der
Tugendhafte] !
29. (10819.) Unter den Menschen, o grofser König, nehmen
Gutes und Böses ihren Gang, aber so ist es nicht bei anderen
Geschöpfen, welche gesondert leben.
30. (10820.) Ein pflichttreuer und weiser Mann, mag er
irgend etwas erstreben oder nicht, soll allezeit in der Welt
wandeln ohne Schädigung der Wesen, zu ihrem Selbste ge-
worden.
31. (10821.) Wenn eines solchen Mannes Geist frei wird
von allen Herzensskrupeln und aller Unlauterkeit, dann wird
ihm ein schönes Los zuteil.
■
So lautet im Moksfaadharma der Geaaug des Parpar»
(Pardfara • gitd).
Digitized by Google
/
AdhyAya 297 (B. 296). 569
Adhyftya 297 (B. 295).
Vera 10822-10860 (B. 1-39).
Pai-a^ara sprach:
1. (los««) Das wird als das Pflichtgesetz des Hausvaters
verkündet, nun will ich dir das Gesetz der Askese vortragen ;
vernimm es, wie ich es dir darlege.
2. (i08«3.) Meistens entwickelt sich im Hausvater ein Egois-
mus, welcher auf dem Welthange vermöge der rajas-artigen
und tamas-artigen Zustände beruht.
3. (io8«4.) Gründet ein Mensch erst einen Hausstand, dann
gelangt er zu Herden, Feldern, Reichtümern, Weibern, Kin-
dern und Dienern.
4. (io8«5.) Wenn er in diesen Dingen sich bewegt und
sie allezeit im Auge hat, dann erstarken in ihm, indem er
deren Vergänglichkeit nicht bemerkt, die Liebe und der Hafs.
5. (10826.) Wird er aber von Liebe und Hafs geknechtet
und gerät er unter die Herrschaft des Materiellen, dann be-
schleicht den Menschen die aus Verblendung entspringende
Genußsucht, o Männerfürst.
6. (io8*7.) Sich am Ziel der Wünsche und im Vollbesitze
des Glückes wähnend, begreift ein jeder, für den der Genufs
das Höchste ist, nicht, dafs es noch etwas anderes, von der
Geschlechtsbefriedigung Verschiedenes zu erstreben gilt.
7. (10818.) Und mit einer von Begierde erfüllten Seele
fordert er aus Weltliebe auch seine Angehörigen, und um
ihr Gedeihen zu erhöhen, ist er für seine Angehörigen bemüht.
(10829.) Dann begeht der Mensch auch mit Bewufstsein
um des Gewinnes willen, was er nicht tun sollte, und um-
nebelt im Geiste durch die Liebe zu seinen Kindern, härmt
er »ich, wenn sie ihm entrissen werden.
9. (10830.) Und von Hochmut erfüllt und ängstlich bedacht,
keinen Schaden zu erleiden, tut er alles in dem Gedanken:
..Glücklich will ich sein!" und daran geht er zugrunde,
10. (10831.) während das wahre Glück nur den Menschen
zuteil wird, welche, stets von Weisheit gek'itet, das Rrahman
verkünden, nach edlen Werken streben und entsagen.
Digitized by Google
570
III. Mnkshadharma.
11. (10832.) Geht verloren, worauf sich die Liebe richtete,
geht der Reichtum verloren, o Fürst, wird man von Kummer
und Krankheit gequält, dann kommt man zur Weltver-
drossenheit.
12. (10833.) Aus Weltverdrossenheit entspringt Selbst-
erkenntnis, aus ihr Beachtung der Lehrbücher, und durch
Beachtung des Inhalts der Lehrbücher, o König, wird man
auf die Askese hingeleitet.
13. (10834.) Schwer zu finden, o Fürst der Menschen, ist
der tiefdenkende Mann, der, der Lust am Angenehmen müde,
sich zur Askese entschliefst.
■
14. (10S35.) Die Askese ist universell und wird auch dem
Kastenlosen empfohlen; wenn er bezähmt und Herr seiner
Sinne ist, zeigt sie ihm den Weg zum Himmel.
15. (n>83«.) Durch die Askese schuf vordem Prajäpati, der
Herr, die Geschöpfe, indem er, das Brahman als Höchstes
haltend, bald dieses, bald jenes Gelübde übernahm, o König.
10. (10837.) Die Adityas, Vasu's, Rudra's, Agni, die Acvin's
und die Märutas, die Vicve Deväh und die Sädhya's, die
Manen und die Scharen der Marut's,
17. (10838.) die Yaksha's, Rakshasa's und Gandharva's,
die Siddha's und anderen Hiramelsbewohner sind, o Freund,
durch die Askese zur Vollendung gelangt, und so auch, die
noch sonst im Himmel weilen.
18. (io839.) Und auch die Brahmanen, welche am Anfang
von Gott Brahman geschaffen wurden, haben vordem durch
Askese die Erde geschmückt und den Himmel bevölkert.
19. (10840.) Und auch die Könige in der Menschen weit
und solche Hausherren, die in edlen Familien glänzen — das
alles ist die Frucht ihrer Askese.
20. (io84i.) Seidene Gewänder und schöne Geschmeide,
Wagen, Sessel und Trinkbecher — das alles ist die Frucht
der Askese.
21. (1084J.) Herzerfreuende, schöne Weiber zu Tausenden
und Weilen auf der Zinne des Palastes — das alles ist die
Frucht der Askese.
22. (1084:0 Kostbare Betten und allerlei Leckerbissen und
Digitized by Google
Adhy&ya 297 (B. 295).
alles, was das Herz begehrt, wird den Vollbringern edler
Werke zuteil.
23. (10844.) Es gibt nichts in allen drei Welten, o Feind-
bedränger, was nicht durch Askese erlangt werden könnte;
aber Verlust aller Freuden ist der Lohn derer, welche keine
Werke [der Askese] vollbringen.
24. (10845.) Mag der Mensch in Glück oder in Unglück
leben, er meide die Habgier, indem er das Gesetz mit Sinn
und Geist beachtet, o Bester der Fürsten.
25. (10846.) Unzufriedenheit führt zu Unglück, Begierde
zu Verwirrung der Sinne, durch sie geht die Erkenntnis zu-
grunde, wie das Wissen, wenn es nicht geübt wird.
26. (10847.) Geht aber erst die Erkenntnis verloren, dann
beachtet man das Gesetz nicht mehr, darum möge der Mensch,
wenn sein Glück scheitert, sich strenger Askese zuwenden.
27. (in848.) Lust nennt man, was gewünscht. Unlust, was
gescheut wird. Welches aber die Folgen sind, wenn man
Askese betreibt oder nicht betreibt, das sollst du sehen.
28. (10849.) Beständig sehen Erfreuliches, geniefsen die
Sinnendinge und gelangen zur Berühmtheit die, welche eine
lautere Askese betrieben haben.
29. (10850.) Unangenehmes, Geringschätzung und Leid von
mancherlei Art zieht sich der zu, welcher, nach Frucht be-
gehrend, die Frucht der Askese und ihrer Objekte beiseite setzt.
30. (10851.) Dann bemächtigt sich seiner die Willkür in
betreff der Pflicht, der Askese, der Freigebigkeit, er läfst sich
dazu fortreifsen, Böses zu tun, und kommt in die Hölle.
31. (10852.) Wer aber, mag er in Glück oder Unglück
leben, o Bester der Männer, nicht vom guten Wandel ab-
weicht, der Mensch gebraucht das Gesetz als Auge.
32. (10853.) Nur momentan wie der Schufs eines Pfeiles
ist die Lust für das Gefühl, und ebenso stehts beim Schmecken,
Sehen, Riechen und Hören, o Völkerherr,
33. (108M.) und indem sie schwindet, stellt sich ein scharfer
Schmerz ein. Nein, es sind nur Toren, welche nicht die Er-
lösung als das höchste Glück preisen.
34. (10855.) Darum dienen, auch wenn der Nutzen in Frage
kommt, die Tugenden einem jeden zu seinem Besten, und
Digitized by Google
572
III. Mokshadbarnia. *
dadurch, dafs er allezeit das Gute wählt, geht er des An-
genehmen und Nützlichen nioht verlustig.
35. (10356.) Auch ohne dafs er sich darum bemüht, kommen
die Objekte des Genusses dem Grihastha entgegen, aber nur
mit Mühe kann er zur Erfüllung der Pflicht gelangen, so ur-
teile ich.
36. (10857.) Mag es sich um Hochsinnige und Edelgeborene,
deren Auge stets der Inhalt des Gesetzes ist, handeln, oder
um solche, welche aus Unvermögen und Behinderung ihres
Geistes von der Pflicht der Opferwerke sich lossagen, —
37. (10858.) wenn ihre menschlichen Angelegenheiten Schiff-
bruch leiden, so bleibt ihnen kein anderer Ausweg in der
Welt als die Askese.
38. (10869.) Immerhin möge der Hausvater mit ganzer Seele
genaue Erfüllung seiner Werke anstreben, indem er wacker
in seiner Pflicht, den Göttern und Manen zu opfern, beharrt,
o Fürst.
39. (iohoo.) Denn wie alle Flüsse und Ströme im Ozean
zu ihrer Heimstatt gelangen, so haben alle Lebensstadien im
Hausvaterstande ihre Heimstätte.
So lautet im Mokabadharma der Gesang dei Para^ara
(Pardfara-yUd).
Adhyftya 298 (B. 290).
Vers 10861-10899 (B. 1-39).
Janaka sprach :
1. (10861.) Woher kommt es, o grofser Rishi, dafs die ver-
schiedenen Kasten fvarnaj ihre [besondere] Farbe fvarnaj
haben? Das wünsche ich zu erfahren, das erkläre mir,
o Bester der Redner.
2. (10862.) Was einem als Kind geboren wird, das ist
man selbst, wie die Schrift lehrt (Ait. Up. 2,1 fg., Sechzig
Upanishad's S. 14 und 19). Wie kommt es nun, dafs der
Mensch, da er doch vom Brahmanen abstammt, so verschie-
dene Richtungen eingeschlagen hat?
Digitized by Google
Adhyaya 298 (B. 2%).
i
573
Parac,ara sprach:
3. (10863.) Allerdings ist es so, o Grofskönig, von wem
man geboren ist, der ist man; aber durch die Abnahme der
Askese hat der Mensch so verschiedene Richtungen einge-
schlagen.
4. (10864.) Wo das Ackerland und der Same, beide, gut
sind, mufs eine reine Nachkommenschaft entstehen, und nur
weil es an dem einen oder andern fehlt, kann eine geringere
geboren werden.
5. (10865.) Als Prajäpati die Welten schuf, da sind die
Menschen aus seinem Munde, seinen Armen, Schenkeln und
Füfsen entsprungen, so wissen es die Kenner des Gesetzes
(Rigveda 10,90,12).
6. (10866.) Aus seinem Munde gingen die Brahmanen her-
vor, o Freund, aus seinen Armen die Kshatriya's, aus seinen
Schenkeln die reichen [Vaicya's], o König, aus seinen Füfsen
die dienenden [Qüdra's].
7. (10867.) Das ist die Herkunft der vier Kasten, o Männer-
stier; die übrigen, die noch aufser ihnen vorhanden sind, sind
durch Mischung entstanden.
8. (i08r,8.) Die Kshatriya's [hier Volksname], Atiratha's
(Wagenkämpfer), Ambashtha's [Sohn eines Brahmanen und
einer Vaicyä], Ugra's [eines Kriegers und einer <,'üdra|,
Vaidehaka's [eines (.Yidra's und einer Brahmanin], (,\apäkas
(Hundekocher), Pulkasa's [Cudravater und Kshatriyamutter],
Stena's (Diebe), Xishada's [Brähmanavator und Cudramutter],
Süta's [Stallmeister, Kshatriyavater und Brahmanenmutter],
Mägadha's [Vaicyavater und Kshatriyamutter],
9. (10869.) Ayoga's [f'üdravater und Vaicyamutter] , Kara-
na's [Vaicyavater und Cudramutter], Vrätya's [Cudravater
und Kshatriyamutter], Candidas [Cudravater und Brähmana-
mutter], o Männerfürst, diese sind aus den vier Kasten durch
Kreuzung entsprungen.
Janaka sprach:
10. (10870.) Wenn alle aus dem einen Brahmän entsprungen
sind, wie erklärt sich dann die Mannigfaltigkeit der Familien-
Digitized by Google
574
III. Mokshiulharuia.
geschlechter, denn es gibt ja hier in der Welt viel Ge-
schlechter, o Bester der Muni's?
11. (10871.) Wie kommt es, dafs Muni's von unbestimmter
Herkunft zu dem ihnen gemäfsen Ursprung gelangt sind,
denn neben solchen, welche einem reinen Mutterschofse ent-
sprungen sind, gibt es ja auch andere, aus einem schlechten
Schofs hervorgegangene ?
Parftcara sprach:
12. (10872.) O König, das ist nicht aus ihrer niedrigen
Geburt zu begreifen, sondern das Emporkommen solcher Hoch-
sinnigen erklärt sich daraus, dafs sie ihre Seele durch Askese
geläutert haben.
13. (10873.) Wenn die Muni's Söhne hier und da gezeugt
haben, so haben sie ihnen doch durch ihre Askese den Rang
der Rishi's wieder erworben.
14. (io 874.) Auch mein eigener Vorfahre und Rishyacringa,
der Kacyapasprofs, ferner Veda, Tändya, Kripa, Kakshivant,
Kamatha und andere,
15. (10875.) Yavakrlta, o Fürst, und Drona, der Beste der
Redner, ferner Ayu, Matanga, Datta, Drumada und Mätsya,
16. (10876.) diese, o Fürst der Videha's, haben ihren Rang
auf Grund der Askese erlangt und stehen da als Vedakenner
vermöge ihrer Bezähmung und Askese.
17. (10877.) Vier Urgeschlechter sind entstanden, o Fürst;
Angiras, Kacyapa, Vasishtha und Bhrigu [sind ihre Ahnherren].
18. (10878.) Andere Geschlechter sind auf Grund ihrer
Werke zu dem geworden, was sie sind, o Fürst> und haben
ihren Namen auf Grund der Askese, das ist die Tradition
unter den Guten.
Jaoaka sprach:
19. (10879.) Erkläre mir, o Herr, die besonderen Pflichten
jeder Kaste und sodann ihre gemeinsamen Pflichten, denn
du bist in dem allem bewandert.
Paracara sprach:
20. (10880.) Annehmen von Gaben, für andere opfern und
den Veda lehren, o Fürst, das sind die besonderen Pflichten
der Brahmanen, die Beschützung ziert den Kshatriya.
Digitized by Google
Adhy&ya 298 (B. 296).
575
21. (iu88i.) Ackerbau, Viehzucht und Handel liegen dem
Vaicya ob, die Zwiegeborenen zu bedienen ist die Pflicht des
Oidra, o Männerfürst.
22. (10882.) Die besonderen Pflichten der Kasten habe ich
dir genannt, o Fürst, nun vernimm ihre gemeinsamen Pflichten
ausführlich von mir, o Freund.
23. (10883.) Wohlwollen, Nicht-Schädigung, Besonnenheit,
Gerechtigkeit, Manenopfer, Gastfreundschaft, Wahrhaftigkeit,
Xicht-Zürnen,
24. (10884.) sich mit seinen eigenen Frauen begnügen,
Reinheit, beständige Unverdrossenheit, Selbsterkenntnis und
Geduld, das sind, o Fürst, die gemeinsamen Pflichten.
25. (10 885.) Die Brahmanen, Kshatriya's und Vaicya's sind
die drei zwiegeborenen Kasten, und sie sind die zu den reli-
giösen Pflichten Berufenen, o Bester der Menschen.
26. (10886.) Wenn sie sich auf schlechte Werke einlassen,
sinken die drei Kasten ebenso herab, wie sie emporkommen,
wenn sie sich in ihren Werken einen Guten zum Vorbild
nehmen.
27. (10887.) Ein (,'üdra kann nicht tiefer fallen, das
steht fest, auch ist er hienieden nicht der Weihen würdig,
fällt auch nicht unter das vom Veda ausgehende Gesetz,
während er von dem Gesetz (nach Nil.: dem dreizehn-
fachen, oben, Vers ioh83 fg.] nicht ausgeschlossen ist.
28. (10888.) O König der Videha's, für Ka [für eine
Inkarnation des Brahman] erklären den ('Odra die mit
der Schrifterklärung sich befassenden Brahmanen; ich
aber sehe in ihm, o Fürst der Männer, den Gott Vishnu,
das Oberhaupt der ganzen Welt.
29. (10889.) Die Kastenlosen, wenn sie in ihrem Streben
emporzukommen dem Beispiel der Guten nachleben und ge-
deihliche Werke vollbringen, nehmen keinen Schaden, wenn
sie sich nur der heiligen Sprüche enthalten.
30. (10890.) In dem Mafse, wie die andern Menschen sich
an das Vorbild der Guten halten, in diesem Mafse erlangt
einer Glück und Freude nach dem Tode und schon hie-
nieden.
Digitized by Google
576
III. Mokshadharma.
Jaoaka sprach:
31. (10801.) Was erniedrigt einen Menschen, sein Werk
oder seine Kaste, o grofser Muni? Darüber besteht mir ein
Zweifel, den mögest du mir aufklären.
Parärnra sprach:
32. (10892.) Freilich trägt beides, o Grofskönig, zur Er-
niedrigung bei, das Werk und die Kaste, den Unterschied
aber sollst du vernehmen.
33. (10893.) Der Mensch verdient weder um seiner Geburt
noch um seiner Werke willen Tadel, welcher, wenn auch
durch seine Geburt befleckt, kein böses Werk tut.
34. (10894.) Aber einen durch seine Kaste hervorragenden
Mann, wenn er ein fluchwürdiges Werk begeht, erniedrigt
dieses Werk; somit ist das Werk das Verwerfliche [und
nicht die Kaste].
Janaka sprach:
35. (10895.) Welche vom Gesetze gebotenen Werke, o Bester
der Zwiegeborenen, sind von der Art, dafs sie, in dieser Welt
hier allezeit geübt, die Mitgeschöpfe nicht schädigen?
Paracara sprach:
36. (10896.) Vernimm darüber, wonach du mich fragst,
o Grofskönig, welcher Art die Werke sind, die, ohne zu schädi-
gen, den Menschen allezeit retten.
37. (10897.) Nachdem sie stufenweise den Weg der Werke
durchmessen haben [als Hausväter], machen sie sich von den
Opferfeuern los und schauen, müfsig und frei von Leid, die
Seligkeit.
38. (10898.) Bescheiden, züchtig, allezeit bezähmt und wohl-
gefestigt, gehen sie von allen Werken frei empor zu der alter-
losen Stätte.
39. (10899.) Alle Kasten, o König, wofern sie die pflicht-
mäfsigen Werke geübt, wahrer Reden sich beflissen und
pflichtwidrige Härte gegen alles Lebende gemieden haben,
gehen in den Himmel ein, daran darf nicht gezweifelt werden.
So lautet im Mokihadhanna der Gesang de« Para$axa
(Pard^ara-ffttdl
Digitized by Google
Adhyäya 299 (B. 297).
577
Adhyftya 299 (B. 297).
Vers 10900-10941 (B. 1-41).
Para<;ara sprach:
1. (10900.) Der Vater, die Freunde, die Lehrer und der
Lehrer Frauen bringen in der Welt den Untugendhaften
[von denen sie nicht geehrt werden] keinen Vorteil [keine
Gelegenheit, gute, im Jenseits fruchtbringende Werke zu
tun], wohl aber [haben diesen Vorteil] solche, welche
sie unentwegt verehren, freundlich zu ihnen reden und
ihnen woldwollend und gehorsam sind, o König.
2. (10901.) Der Vater ist für den Menschen die höchste
Gottheit, höher noch als die Mutter steht der Vater, wie
gelehrt wird, für das Höchste aber gilt es, Erkenntnis
zu gewinnen, und wer seine Sinne bezähmt, erlangt
dieses Höchste.
3. (10902.) Wenn auf dem Schlachtfelde, wo die glühen-
den Pfeile fliegen, der Sohn des Fürsten fällt and ver-
brannt wird, dann steigt er empor zu Welten, die auch
für die Unsterblichen schwer zu erlangen sind, und ge-
niefst nach Lust den himmlischen Lohn.
4. (10903.) Den Müden, Furchtsamen, Wafl'enberaubten,
Weinenden, Abgewandten, Hilflosen, Darniederliegenden,
Kranken und Flehenden soll man nicht töten, o König,
und ebensowenig Kinder und Greise.
5. (in 904.) Hingegen den mit Hilfsmitteln wohlausgerüste-
ten, aufrechtstehenden, ebenbürtigen Gegner aus Kshatriya-
starnm soll der Fürst in der Schlacht niederkämpfen.
i\. (10905.) Von der Hand eines Ebenbürtigen oder auch
Überlegenen zu fallen ist rühmlich, daran ist kein Zweifel,
aber von einem Geringeren, Feigen, Jämmerlichen gelötet zu
werden ist schimpflich.
7. (10900.) Von einem Schlechten, schlecht sich Führen-
den, Geringeren getötet zu werden wird für schlecht erklärt,
o König, und führt sicher zur Hölle.
8. (10907.) Keiner kann einen retten, o König, der seinem
Drt *he5, Mababharatatn. 37
Digitized by Google
578
III. Mokshadharma.
Schicksale verfallen ist, und keiner kann einen wegraffen,
dem noch länger zu leben bestimmt ist.
9. (10908.) Wenn die, welche uns teuer sind, irgendein
schadenbringendes Werk unternehmen, so soll man sie daran
hindern. Man soll sein Leben nicht auf Kosten eines fremden
Lebens zu erhalten suchen.
10. (10909.) Für alle Hausväter, welche ihrem Ende ent-
gegensehen, ist es rühmlich zu sterben, indem sie ihre Zere-
monien auf der Sandbank eines [heiligen] Flusses verrichten.
11. (io9io.) Wenn das Leben zu Ende geht, löst man sich
in die fünf Elemente auf, mag dies nun ohne besondere Ur-
sachen eintreten oder durch Ursachen bedingt sein.
12. (io9ii.) Und je nachdem es durch Ursachen bedingt
ist, geht man aus einem Leib in den andern über; ein Wan-
derer ist man auf dem Wege [der Erlösung] und kehrt dabei
von Haus zu Haus ein.
13. (10912.) Für diese Wanderung gibt es keine andere,
keine zweite Ursache [als diese, dafs] dieser mit der Seele
verbundene Leib für zur Erlösung bestimmte Wesen vor-
handen ist [den Zwecken der Erlösung dient, anders Nil.].
14. (10913.) Aus Adern, Sehnen und Knochen zusammen-
gestoppelt, mit Ekelhaftem und Unheiligem vollgepfropft, aus
Elementen, Sinnesorganen und Guna's zusammengeschüttet
15. (109H.) und mit Haut umsponnen, — so charakteri-
sieren die dem höchsten Atman nachdenkenden Weisen diesen
Leib, der überdies noch infolge der [unbeständigen] Gunas
der Sterblichkeit verfallen ist.
16. (10915.) Von der Seele verlassen, ohne Bewegung und
Bewufstsein, versinkt er vermöge der in die Prakriti zurück-
gehenden Elemente in der Erde.
17. (10916.) Und gestaltet entsprechend seinen Werken,
wird er hier und dort wiedergeboren, wo auch immer dieser Leib
gestorben sein mag, o König der Videhas, (10917.) und diese
Natur habend, ergibt sich die Betätigung in Werken als eine
niedrige.
18. Aber doch wird er, o Fürst, eine gewisse Zeit lang
noch nicht wiedergeboren, (1091s.) sondern sein Elementar-
Digitized by Google
AdhyJtya 299 (B. 297).
579
ätman fbhiitätmanj schweift umher wie eine grofse Wolke
am Himmel
19. und wird erst wiedergeboren, nachdem er hienieden
einen Stützpunkt gefunden hat, o König. — (10919.) Höher
als das Manas steht der Atman, höher als die Sinnesorgane
steht das Manas.
20. Aber unter all den vielen Wesen stehen am höchsten
die beweglichen, o Fürst, (10920.) unter den beweglichen wieder
die Zweifüfsler, unter den Zweifüfslern die Zwiegeborenen,
21. (10921.) unter den Zwiegeborenen wiederum die Er-
kenntnishabenden, unter den Erkennenden die des Atman
sich Bewufsten, unter denen seiner sich Bewufsten die von
Hochmut Freien.
22. (10922.) Jeden Menschen, der geboren ist, erreicht der
Tod, das ist gewifs, denn ein Ende habend sind die [das
Dasein bedingenden] Werke, welche die Menschen auf Grund
der Gunas vollbringen.
23. (10923.) Wer nun stirbt, wenn die Sonne sich zum
Nordgange gewendet hat, unter einem guten Stern und zur
günstigen Stunde, o König, der war ein Vollbringer guter Werke
[vgl. das zu Bhagavadgitä, VIII, 26, oben S. 09 Bemerkte],
24. (10924.) wenn er eines natürlichen \utmakritena =
kälajena, Nil.] Todes stirbt, nachdem er keinen Menschen ge-
plagt, sich vom Bösen losgesagt und aus allen Kräften sein
Werk betrieben hat.
25. (10925.) Hingegen Vergiftung, Erhängen, Verbrennen,
Ermordung durch Sklavenhand, durch reifsende Tiere oder
Vieh, das wird ein schmählicher Tod genannt.
20. (10926.) Aber die Vollbringer guter Werke haben nichts
zu schaffen mit diesen selbstverhängten und vielen anderen
derartigen schmählichen [Todesarten].
27. (10927.) Vielmehr verlassen die Lebensgeister der Guten
den Leib, indem sie nach oben durchbrechen, o König, wäh-
rend die Mittelmäßigen aus dem mittlem Leibe und die
Bösen nach unten zu entweichen (vgl. Chänd. Up. 8,0,6 =
Kath. Up. 0.10).
28. (10928.) Einen Feind gibt es, o König, keinen
andern Feind gibt es, der für den Menschen so schlimm
37*
Digitized by Google
580
III. Moksliadliaruia.
wäre wie das Nichtwissen, von welchem umnebelt und
angestiftet, er entsetzliche, grausame Werke begeht.
29. (10929.) Bei wem behufs Überwindung dieses Fein-
des unter Verehrung der Alten die Hingabe an Schrift-
wort und Gesetz Kraft gewinnt, kann er, so schwer auch '
mit ihm fertig zu werden ist, durch den Pfeil der Er-
kenntnis aus der Fassung gebracht und in die Flucht
geschlagen werden. '
30. (10930.) Nachdem einer als Brahmacärin das Veda-
studium mit Askese betrieben hat, soll er als pflichttreuer
Mann hienieden nach Kräften sich mit den fünf [täg-
lichen] Opfern befassen, sein Geschlecht fortpflanzen
und sodann, auf sein Seelenheil bedacht, in den Wald
ziehen.
31. (loyal.) Nicht soll der Mensch, auch wenn er von
allen Genüssen entblöfst ist, sich selbst umbringen; Mensch
zu sein, o Freund, und wäre man ein Candäla, ist immerhin
eine schöne Sache.
32. (10932.) Denn dieses [das Menschsein], o Weltbeherr-
scher, ist die erste Geburt, in welcher der Atman durch edle
Werke Rettung finden kann.
33. (10933.) Und fragt man, was zu tun ist, um dieser
Geburt nicht wieder verlustig zu gehen, o Herr: Ihre Pflicht
müssen die Menschen tun, indem sie auf die Schrift als
Richtschnur hinblicken.
34. (10934.) Wer aber, nachdem er eine [höhere] schwie-
riger zu erlangende Menschwerdung erreicht hat, gehässig,
die Pflicht verachtend und der Lust fröhnend ist, dessen
Stellung freilich wird erschüttert.
35. in» i»3ö.) Wer aber mit einem an Liebe von früh an
gewöhnten Auge die Menschen als Lampen [die durch sneha
Öl, Liebe gedeihen] ansieht und nicht, sofern sie ihm nütz-
lich sind,
30. (io93»>.) wer sie mit Güte, Nahrungsspende und freund-
licher Rede behandelt und in Leid und Lust gleichmütig
bleibt, der wird im Jenseits erhöht werden.
37. (10937.) Freigebigkeit, Entsagung, freundliche Er-
scheinung, o Fürst, ein unter Askese geläuterter Leib,
Digitized by Google.
Adhyaya 299 (B. 297).
581
in den Wassern der Sarasvati, im Nimishawalde und
in Pushkara und anderen heiligen Orten der Erde,
38. (10938.) wer [dies besitzt], wenn auch nur als
Hausvater sein Leben aushauchend, dem gebührt eine
rühmliche Bestattung, ein Hinausgeführtwerden auf
Wagen und Verbrennung auf der Leichenstätte nach
reiner Sitte.
39. (10939.) Darbringung, gedeihliche Bräuche, Opfern
für sich und andere, Freigebigkeit, Vollbringung heiliger
Werke, nach Möglichkeit Manenverehrung und was sonst
noch rühmlich ist, das alles vollbringt der Mensch zu
seinem eigenen Heile.
40. (10 940.) Die Gesetzbücher, die Veden und die sechs
Vedänga's werden um seines Heiles willen den Menschen an-
befohlen, der in seinen Werken rührig ist, o Fürst.
Bhishraa sprach:
41. (io94i.) Alles dieses wurde von dem hochsinnigen Muni
vor Zeiten dem Könige der Videha's um seines Heiles willen
mitgeteilt, o Fürst der Menschen.
So lautet im Mokshadbarma der Ge*.iug dos Para^ra
(Pdidriiia-gitiV,.
Aclliyftya 300 (B. 21)8).
Vers 10 9 42-10!»«»! <B. 1—47».
Bhishma sprach:
1. (10942.) Und abermals befragte Janaka, der König von
Mithilä, den hochherzigen Paräeara über die letzte Wahrheit
in betreff der Pflicht.
Janaka sprach:
2. (10943.) Was ist das Heil, welches ist der Weg zu ihm,
o Brahmane, welches Werk ist nicht vergänglich, und wohin
führt der Weg, auf dem man nieht zurückkommt V Das er-
kläre mir, o Hochweiser.
Digitized by Google
582
III. Mokshadharma.
Para<;ara sprach:
3. (10944.) Nicht -Anhänglichkeit ist die Wurzel des Heils,
die Erkenntnis, der Erkenntnisweg ist der höchste, die Askese,
die betrieben wurde, ist nicht vergänglich, was auf das Feld
gesät wurde [eine Wohltat, die einem Würdigen erwiesen
wurde], geht nicht verloren.
4. (10945.) Wenn einer die aus Ungerechtigkeit bestehende
Fessel zerbricht und an der Gerechtigkeit seine höchste Freude
hat, wenn er die in Furchtlosigkeit bestehende Gabe gibt,
dann erlangt er die Vollendung.
5. (1094C.) Wer tausend Kühe und hundert Rosse schenkt
und allen Wesen Furchtlosigkeit gewährt, dem wird sie alle-
zeit auch wiederum zuteil.
6. (10947.) Der Weise, auch wenn er mitten unter den
Sinnendingen wohnt, wohnt doch nicht unter ihnen, der Un-
weise aber wohnt unter ihnen, auch wenn sie gar nicht vor-
handen sind.
7. (10948.) Ungerechtigkeit klebt nicht an dem Weisen,
wie das Wasser nicht an dem Blatte der Lotosblüte; am Un-
weisen aber klebt das Böse im Übermafs, wie Lack am Holze.
8. (10949.) Das Unrecht, welches aus einer Absicht hervor-
ging, läfst den Täter nicht los, sondern, wenn die Zeit ge-
kommen ist, verfällt ihm der Täter.
9. (10950.) Nicht aber werden zermalmt die, welche ihren
Atman bereitet haben und auf den Atman ihr Vertrauen
setzen. Wer jedoch, unachtsam auf seine Erkenntnisorgane
und Tatorgane, nicht zur Erkenntnis kommt, (10951.) sondern
sich an Gutes und Böses anklammert, der gerät in grofse
Gefahr.
10. Wer allezeit ganz frei von Leidenschaft und Herr
über seinen Zorn ist, (10952.) der wird, auch wenn er in der
Sinnenwelt weilt, doch nicht vom Bösen berührt.
11. An seinem Ufer durch die Dämme der Gerechtig-
keit aufgestaut, sinkt er nicht, (10953.) sondern einem ge-
schwollenen Strome vergleichbar, strömt er ohne Aufenthalt
in Fülle dahin.
12. Wie ein klarer Kristall vom Sonnenlichte ganz sich
durchdringen läfst, (10954.) 0 Königstiger, so [mittels Durch-
Digitized by Google
Adhyfcya 300 (B. 298).
583
dringung] durch die Meditation geht der Yoga vonstatten
(vgl. Yogasütra's 1,41).
13. (10955.) Wie die Güte der Sesamkörner durch Ver-
mischung mit edlen Stoffen mehr und mehr erfreulich
wird, so wird in Menschen von bereitetem Geiste, je
nachdem sie ihren Umgang wählen, der Guna des Satt-
vam (Güte) sich entwickeln.
14. (10956.) Wenn der Mensch seinen Sinn auf den
höchsten Himmel richtet, dann läfst er die Frauen, läfst
die Glücksgüter, Stellung, Lustfahrten und Gelage da-
hinten und sein in den Sinnendingen befangenes Be-
wufstsein scheidet sich von ihnen.
15. (10957.) Wer aber mit seinem Bewufstsein in den
Sinnendingen befangen bleibt und nicht erkennt, was zu
seinem Heile dient, der wird vermöge seines allen Reizen
folgenden Geistes, o Fürst, wie ein Fisch durch den
Köder angelockt.
16. (10958.) Die Welt der Sterblichen, wie ein Aggregat
sich aneinander klammernd und kraftlos wie das Mark des
Bananenbaumes, geht unter wie ein Schiff im Wasser.
17. (10959.) Die Zeit, um Gutes zu tun, ist für den Menschen
nicht eingeschränkt, der Tod aber wartet nicht, bis der Mensch
bereit ist; zu jeder Zeit ist es schön, eine gute Tat zu tun,
und befände sich der Mensch auch schon im Rachen des
Todes.
18. (10960.) Wie der an sein Haus gebundene Blinde nur
mit Vorsicht in ihm umhergehen kann, so geht der Weise
mit gebundenem Manas [im Yoga] jenen höchsten Erkenntnis-
weg (Vers 10944).
19. (10961.) In der Geburt liegt schon der Tod voraus-
bestimmt, und der Tod wiederum ist die Voraussetzung einer
neuen Geburt; der die Erlösungslehre nicht Kennende bleibt
gebunden und rollt um wie ein Rad.
20. (10962.) Wer auf dem Wege der Erkenntnis wandelt,
wird glücklich hienieden und im Jenseits. Ausbreitung ist mit
Plage verbunden, Einschränkung macht glücklich, (iu9G3.> alle
Ausbreitungen verfolgen [dem Atman] fremde Zwecke, in der
Entsagung liegt für den Atman das Heil.
Digitized by Google
584
III. Mokshadharma.
21. Wie der Schlamm die Lotosknollen, die er umgibt,
leicht losläfst, (looe*.) so wird der Atman hienieden von dem
[die Aufsendinge verfolgenden] Manas freigegeben.
22. Das Manas führt den Atman zum Yoga hin, dadurch
schirrt der Mensch seinen Atman an, (io965.) und ist er an-
geschirrt zum Yoga, dann bekommt er jenen höchsten [Atman]
zu schauen.
23. Wer aber, [dem Atman] fremde Zwecke verfolgend,
sie für die eigenen Angelegenheiten hält, (ioögg.) der bleibt
in die Sinnendinge verstrickt und verfehlt seine wahre Aufgabe.
24. Nach unten und in Tierleiber fährt — während den
höchsten Gang zum Himmel (iümt.) der Atman des Weisen
durch gute Werke geht — der Atman des andern.
25. W T ie in einem Tongefäfse, welches nicht gebrannt
ist (apalcve), das Wasser sich verläuft, (10968.) so verliert sich
der Körper in die Sinnenwelt, wenn er nicht durch Askese
gebrannt ist.
26. Wer sich aber in die Sinnenwelt verliert, der wird
wahrlich nicht zum Genüsse gelangen; (io9t>9.) wer hingegen
den Genüssen entsagt, der hat die Gewifsheit, zum wahren
Genüsse zu gelangen.
27. Jener aber, von Nebel umhüllt und der Geschlechts-
lust und Efslust fröhnend, (10970.) kann mit seinem umdüster-
ten Geiste, einem Blindgeborenen gleich, den Weg nicht finden.
28. W r ie ein Kaufmann aus der Meerfahrt seiner Mühe
entsprechend Reichtum gewinnt, (umi.) so ist auf dem Ozean
des Lebens die Tätigkeit des der Erkenntnis hingegebenen
Menschen für ihn der Weg [zum Heil].
29. In der in Tagen und Nächten abrollenden Welt be-
schleicht im Gewände des Greisenalters (10972.) der Tod die
Wesen und schluckt sie ein wie Schlangen die Luft.
30. Die von ihm selbst früher begangenen Werke büfst
der Mensch, nachdem er geboren ist, (10973.) keiner erlangt
hier etwas, was er nicht verdient hätte, sei es Freude
oder Leid.
31. Mag er liegen, gehen, sitzen oder in Geschäften tätig
sein, (10974.) seine guten und bösen Werke wissen den Men-
schen allezeit zu finden.
Digitized by Googl
I
Adhy&ya 300 (B. 298). 585
32. Wer aber das andere Ufer erreicht hat, den gelüstet
es nicht noch einmal durchzuschwimmen, (10975.) denn es wird
ihm als ein schweres Verhängnis erscheinen, in den grofsen
Ozean zurückzustürzen.
33. Wie ein im tiefen Wasser durch seinen schlechten
Zustand gesunkenes Schiff mittels eines Strickes [heraus-
gezogen wird], (10976.) so zieht man den Leib mittels des
Manas [beim Yoga, im Sinne von Vers 109C4] aus seiner Ver-
sunkenheit heraus.
34. Wie in dem Ozean die anderen umgebenden Gewässer
ihren Sammelort finden, (10977.) so bildet immer die l'rnatur
fddyä pralritij auf Grund des Yoga den Zufluchtsort [für die
Organe].
35. Wenn durch vielfache Stricke der Weltliebe das
Manas gebunden ist, so werden die Menschen, (1097s.) in der
Prakriti fufsend, in ihr versinken wie ein auf Sand gebautes
Haus im Wasser.
36. Der Verkörperte, der den Körper sein Haus nennt
und Reinheit seine Badestätte, (10979.) wird, wenn er auf dem
Wege der Erkenntnis wandelt, glücklich hienieden und im
Jenseits.
37. Ausbreitung ist mit Plage verbunden, Einschränkung
macht glücklich; riodso.) alle Ausbreitungen verfolgen [dein
Ätman] fremde Zwecke, in der Entsagung liegt für den Ätman
das Heil (= Vers 10 96* fg.).
38. Der Schwärm der Freunde wird durch seine Wünsche
an uns gefesselt, und die Verwandten, durch besondere Beweg-
gründe, (ioy8i.) Gattin, Sohn und Dienerschaft verfolgen ihr
eigenes Interesse.
39. Nicht die Mutter, nicht der Vater kann für einen
irgend etwas [zu seinem Heile] erwirken: moüh*) die Gaben,
die der Mensch spendet, sind seine Reisekost, und so erlangt
er die Frucht seiner eigenen Werke.
40. Mutter, Sohn, Vater, Bruder, Gattin und der Freunde
Schar, (10983.) das alles ist wie ein blofser Goldabdruck an
Stelle wirklichen Goldes, 0 Vortrefflicher.
41. (10984.) Alle früher von der Person eines Menschen
begangenen Werke bilden sein Geleite; bedenkend die
Digitized by Google
586
III. Mokshadharma.
bevorstehende Vergeltung der Werke, treibt das innere
Selbst die Erkenntnis an.
42. (10985.) Wer, auf eigener Entschliefsung beharrend, mit
seinen Freunden umgeht, dem wird kein Unternehmen jemals
fehlschlagen.
43. (10986.) Einem in sich nicht zwiespältigen, hinge-
gebenen, tapfern, charakterfesten Weisen bleibt das Glück
treu wie der Sonne ihre Strahlen.
44. (10987.) Wer auf Grund von Gläubigkeit, von Ent-
schlossenheit, von geeigneten Mitteln und Nicht-Uberhebung
mit Verstand und tadellosem Charakter sein Werk betreibt,
dessen Absicht wird nicht fehlschlagen.
45. * (10988. 10989.) Jeder Mensch büfst an sich selbst
von Geburt an mit Notwendigkeit seine guten und bösen
Werke, beides, je nachdem er es vordem begangen hat.
Und der unvermeidliche Tod bringt ihn mittels der ein-
schneidenden Zeit an das Ende seiner Tätigkeit, wie der
Wind das von dem Eisen der Säge erzeugte Holzmehl
verweht.
46. (10990.) Seine Naturanlage und den von ihm selbst
geschaffenen Wirkungskreis, edle Abstammung und Fülle
von Reichtum und Glück, das alles erlangt ein jeder
Mensch, je nachdem er es durch eigene gute und böse
Werke verdient hat.
Bhlshma sprach:
47. (10991.) Nachdem Janaka, der Beste der Gesetzkundigen,
von dem Weisen diese wahrhaften Lehren vernommen hatte,
o König, fühlte er sich erfüllt von hoher Freudigkeit.
So lautet im Moksbadhanoa der Schlafe dee Gesengte de« Parac,ara
( Pard^ara - gitd tamdptd) .
♦ Metram: <?ardü1avikriditam.
Digitized by Google
Adhyaya 301 (B. 299).
587
Adhyftya 301 (B. 299).
Vers 10992-11036 (B. 1-45).
Yudhishthira sprach :
1. (10992.) Weise Männer preisen in dieser Welt die Wahr-
heit, Bezähmung, Geduld und Erkenntnis; wie denkst du dar-
über, o Grofsvater?
Bhlshma sprach:
2. (10993.) Darüber werde ich dir eine alte Geschichte mit-
teilen, nämlich die Unterredung, welche die Sädhya's (die
Anbetungswürdigen) mit dem Schwan hatten, o Yudhishthira.
3. (10994.) Als ein schön befiederter Schwan durchstreift
alle drei Welten der unentsprossene, ewige Herr der Geschöpfe,
und so kam er einst zu den Sädhya's.
Die Sädhya's sprachen :
4. (10995.) 0 Vogel, wir, die göttlichen Sädhya's, wollen
dich befragen und um Belehrung bitten über das Gesetz der
Erlösung fmohshadharmaj . denn du, o Herr, bist ja der Er-
lösung kundig.
5. (10996.) Wir haben vernommen, dafs du gelehrt und
weisheitredend bist, Beifallsbezeugungen begleiten dich,
o Vogel; was hältst du fiir das Beste, o Zweimalgeborener
(Vogel), woran hat dein Herz seine Freude, o Hoch-
sinniger?
6. (10997.) 0 Bester der Geflügelten, lehre uns die Auf-
gabe kennen, welche du für die höchste aller Aufgaben
erachtest, und welche vollbringend der Mensch von allen
Fesseln erlöst wird, diese, o Fürst der Luftwandler, lehre
uns alsbald.
Der Schwan sprach:
7. (10998.) Dieses ist die Aufgabe, wie ich vernommen,
o Geniefser des Amritam: Askese, Bezähmung, Wahr-
haftigkeit und Hütung des eigenen Selbstes; alle Knoten
des Herzens lösend (Kath. Up. *?,lf>; Sechzig Upanishad's,
Digitized by Google
588
III. Moksliadliurma.
S. 287 A. 1), möge der Mensch Liebes und Unliebes in
seine Gewalt bringen.
8. (10999.) Er möge kein Feindzermalmer, kein Men-
schenverwünscher sein, nicht nehme er das Höchste [da?
Brahmanwissen] von einem Niedrigen an; eine Rede, die
einen andern zittern macht, eine brennende, zu bösen Wel-
ten führende, soll er nicht reden.
0. (noon.) Die Pfeile der Rede werden aus dem Munde
geschossen , und wen sie treffen . der jammert Tag und
Nacht, sie verfehlen nicht die verwundbaren Stellen des
andern , der Weise soll sie nicht auf andere schleudern.
(Parallelstellen s. Indische Sprüche 2 , 0018.)
10. (ii wu.) Wenn ihn ein anderer mit übermütiger Rede
Pfeilen verletzt, so begegne er ihm mit Ruhe; wer, zum
Zorne gereizt, Freundliches erwidert, der überträgt auf
sich des andern gute Werke.
11. (11002.) Wer den aufbrausenden, durch Leiden-
schaftlichkeit zum Unrecht verleitenden, lodernden Zorn
niederhält und, künftiger Vergeltung eingedenk, heiter
und frei von Unmut bleibt, der überträgt auf sich des
andern gute Werke.
12. (H003.) Werde ich angeschrien, so erwidere ich
nichts, werde ich geschlagen, so bleibe ich stets geduldig,
denn das ist das Höchste, was die Edlen Geduld, Wahr-
haftigkeit, Rechtschaffenheit und Wohlwollen nennen.
13. (iino4.) Des Veda verborgener Sinn (upanishad) ist
Wahrhaftigkeit, der Wahrhaftigkeit verborgener Sinn ist Be-
zähmung, der Bezähmung verborgener Sinn Erlösung — da-
mit ist alles gesagt.
14. (u Oos.) Den Ansturm der Rede, den Zornesansturm
des Herzens, den Ansturm der Neuerungssucht, den An-
sturm von Efslust und Geschlechtslust, wer diesen An-
stürmen, wenn sie sich erheben, standhält, den halte ich
für einen Brahmanen, einen Muni.
15. (liooc.) Wer nicht zürnt, ist den Zornigen über-
legen, wer ausdauert, den Nicht- Ausdauernden, der Mensch
ist dem Unmenschen, der Weise dem Toren überlegen.
Digitized by Google
Adhyäya 301 (B. 299).
589
16. (H007.) Wird man geschmäht, so schmähe man nicht
wieder, sein Zorn verbrennt ihn, den Schmähenden, wenn
man dabei geduldig bleibt, und man gewinnt des andern
gute Werke.
17. (H008.) Wer, über Gebühr getadelt oder gelobt,
nichts Rauhes und nichts Freundliches erwidert, wer, ge-
schlagen, an sich hält und nicht wiederschlägt und ihm,
der ihn schlug, nichts Böses wünscht, den beneiden wahr-
lich auch die Götter.
18. (11009.) Man ertrage die Schlechteren, man ertrage
auch die Besseren und die Gleichen; man ertrage es, wenn
man verachtet, geschlagen oder geschmäht wird. So wird
man zur Vollendung gelangen.
19. (noio.) Ich ehre allezeit die Edlen, auch wenn ich
sie nicht nötig habe, Xeuerungssucht und Zorn haben
keine Gewalt über mich, auch verlockt weiche ich nicht
vom Wege, und ich gehe niemand um eine Sache an.
20. (höh.) Wenn man mir flucht, so fluche ich nie-
mandem wieder, denn ich weifs, dafs die Bezähmung hie-
nieden die Pforte der Unsterblichkeit ist; ein geheimnis-
volles, heiliges Wort (hmhmau) teile ich dir mit: Es
gibt nichts Höheres als den Menschen.
21. (lioi-j.) Von allem Übel erlöst, wie der [herbstliche]
Mond von den Wolken, leidenschat'tlos seine Zeit abwartend,
gelangt der Weise durch Weisheit zur Vollendung.
22. (iioi3.) Wer als ein sieh selbst Beherrschender die
Verehrung von allen verdient, gleichsam geboren zu einer
stützenden {utsidhnnah — uttambhunttkarnh Nil.) Säule, zu
dem man nur freundliche Worte redet, der fürwahr geht
zu den Göttern ein.
23. fiiou.) Die Mensehen, zum Tadel geneigt, sind weniger
bereit, schöne Tugenden an jemandem anzuerkennen, als das
Schlechte an einem hervorzuheben.
24. (11015.) Wer Worte und Gedanken hütet, allezeit fromm
ist, wer Veden, Askese und Entsagung besitzt, dem wird das
Weltall zum Lohne.
25. (uoio.) Ein weiser Mann soll es vermeiden, die Ln-
weisen mit rauhen und geringschätzenden Worten zu belehren,
Digitized by Google
590
III. Mokshadharnia.
er soll daher nicht andere fordern und seiner eigenen Seele
schaden.
26. (11017.) Wie an Amritam soll sich der Weise letzen
an erlittener Verachtung, denn der Verachtete kann ruhig
schlafen, der Verächter geht ins Verderben.
27. (11018.) Wer im Zorne opfert, schenkt, Askese übt
oder spendet (vgl. Ev. Matth. 5,23), dem rafft der Todes-
gott all sein Verdienst hinweg, denn alle Bemühung des
Zürnenden ist eitel.
28. (11019.) W r er, o ihr Besten der Unsterblichen, alle vier
Pforten wohl hütet, die Pforten der Geschlechtslust und Efs-
lust, der Hände und der Rede als vierte, er ist des Gesetzes
kundig.
29. (11020.) Wer Wahrhaftigkeit, Bezähmung, Recht-
schaffenheit, Wohlwollen, Festigkeit und Ausdauer über-
aus eifrig pflegt, wer beharrlich im Studium, neidlos
gegen andere und von unwandelbarer Charakterstärke
ist, der geht den Weg nach oben.
30. (U021.) Indem ich allen diesen Tugenden anhänge,
wie ein Kalb den vier Zitzen der Kuh, habe ich doch in allen
Welten nichts Heiligeres gefunden als die Wahrheit.
31. (11022.) Unter Menschen und Göttern verkehrend, be-
haupte ich : die Wahrheit führt als Leiter zum Himmel empor,
wie ein Schiff von einem Ufer zum andern.
32. (11023.) Wie die sind, unter denen man wohnt, wie
die sind, mit denen man umgeht, wie das ist, was man zu
werden wünscht, so ist der Mensch.
33. (11024.) Mag man mit einem Guten oder Schlech-
ten, mit einem Asketen oder einem Diebe umgehen, man
wird von ihrem Einflüsse gefärbt, wie das Kleid von
seiner Farbe.
34. (H025.) Die Götter pflegen allezeit Umgang mit
den Guten, aber sie verlangen nicht danach, das mensch-
liche Treiben zu sehen. Wandelbar ist der Mond und
wandelbar der Wind; wer das wandelbare Treiben in
allen Höhen und Tiefen erkennt, der ist weise.
35. (11 026.) An dem im innern Herzen weilenden Purusha,
Digitized by Google
Adhyäya 301 (B. 299).
591
wenn er bei guten Menschen unverdorben ist und auf dem
rechten Wege wandelt, haben die Götter ihre Freude.
36. (11027.) Wer aber immerfort an Geschlechtslust
und Efslust seine Freude hat, wer ein Dieb oder ein
Mensch von harter Rede ist, den halten die Götter von
sich fern, auch wenn er seine Schuld gesühnt hat.
37. (iio28.) Über einen Menschen von niedriger Ge-
sinnung, der ohne Wahl in seiner Nahrung und sünd-
haft in seinem Handeln ist, freuen sich die Götter nicht;
wer aber gelübdetreu und dankbar ist und an seiner
Pflicht Freude hat, dem reichen die Götter ihre Gaben dar.
38. (H029.) Schweigen ist besser als Reden; die Wahr-
heit zu reden in dem, was man spricht, ist das zweite,
Gerechtes zu reden ist das dritte, Liebreiches zu reden
ist das vierte [GebotJ.
Die Sädhya's sprächet):
39. (H030.) Wovon ist diese Welt umhüllt? Warum er-
glänzt der Mensch nicht? Warum läfst er seine Freunde im
Stich? Warum kommt er nicht in den Himmel?
Der Schwan sprach :
40. (iio3i.) Von Nichtwissen ist diese Welt umhüllt, wegen
der Selbstsucht erglänzt der Mensch nicht, aus Habgier läfst
er seine Freunde im Stich, aus Welthang kommt er nicht
in den Himmel.
Die Sadhya'9 sprachen :
41. (H032.) Wer allein freut sich im Kreise der Brah-
manen? Wer allein kann unter vielen friedlich sitzen?
Wer allein ist stark, auch wenn er schwach ist? Wer
allein läfst sich auf keinen Streit mit den Leuten ein?
Der Schwan sprach :
42. (11033.) Der Weise allein freut sich im Kreise der
Brahraanen, der Weise allein kann unter vielen friedlieh
sitzen, der Weise allein ist stark, auch wenn er seh wach
ist, der Weise allein läfst sich auf keinen Streit mit
den Leuten ein.
Digitized by Google
592
III. Mokshadharma.
Die Sadhya's sprachen :
43. (H034.) Worin liegt die Göttlichkeit der Brahmanen?
Worin liegt ihr Wert? Worin ihr Unwert (asädhutvam mit C.)?
Worin liegt ihre Menschlichkeit?
Der Schwan sprach:
44. (H035.) Im Vedastudium liegt ihre Göttlichkeit, in
ihrem Gelübde liegt ihr Wert, in der üblen Nachrede liegt
ihr Unwert, im Sterbenmüssen liegt ihre Menschlichkeit.
Bbishma sprach:
45. (11036.) Das ist die berühmte, ausgezeichnete Unter-
redung mit den Sadhya's; ja gewifs! der Körper ist nur die
Quelle der Werke, das [ewige] Reale ist die Wahrheit.
So lautet im Mok»hadbarma dar Qesang dci Schwans
AdhyAya 302 (B. 300).
Vers 11037-11098 (B. 1-62).
Yudhishthira sprach:
1. (11037.) Jetzt sollst du mir, o Freund, den Unterschied
zwischen Säülhyam und Yoga erklären, denn dir, o Kenner
der Satzungen, ist alles bekannt, o Bester der Kuru's.
Bhishraa sprach:
2. H1038.J Die Sänkhyas (Anhänger der reflektierenden
Methode) rühmen ihr Sänkhyam, die Yoga's (Anhänger der
Methode der Verinnerlichung) ihren Yoga, beide erklären ihr
Prinzip für das beste, um ihre Partei zur Geltung zu bringen.
i». (uo3!>.) Wie kann einer ohne Gott firraraj erlöst werden?
Damit erhärten, o Feindbezwinger, die weisen Yoga s mit Recht
den Vorzug ihres Prinzips.
4. (H040.) Aber auch die dem Sänkhyam anhängenden
Brahmanen erklären mit Recht als Prinzip dieses, dafs der-
jenige, der alle Wege durchforscht hat und den Sinnendingen
nicht anhängt,
Digitized by Google
i
Adhyaya 302 (B. 300».
593
5. (ii04i.) nach Hinfall des Leibes offenbar und unfehlbar
die Erlösung erlangt, und so erklären diese sehr Weisen das
Sankhyam für die Lehre von der Erlösung.
6. (ii 045.) Den Standpunkt seiner Partei mufs man wahren,
aber in der Verständigung [mit der Gegenpartei] liegt das
wahre Heil, und von unsereinem, der den Kundigen beipflichtet,
mufs ihre Lehre angenommen werden.
7. (ii 043.) Die Yoga 1 8 haben unmittelbar einleuchtende
(»runde und die Sänkhya's stützen sich auf eine sichere Tra-
dition: beide Lehrmeinungen halte ich für wahr, Freund
Yudhishthira.
8. (11044.) Für einen, der diese beiden von Kundigen an-
genommenen Lehren kennen gelernt hat und ihnen vorschrifts-
mäßig nachlebt, o Fürst, können sie beide die Führer zum
höchsten Ziele werden.
(11045.) Gemeinsam ist beiden Reinheit, verbunden mit
Askese und Mitleid mit den Wesen, o Untadliger, gemeinsam
auch das Halten der Gelübde, und nur die Theorie (darganamj
i?t bei beiden verschieden.
Yudtmhthira sprach:
10. (neu«) Wenn Gelübde, Reinheit, Mitleid und auch die
Frucht beiden gemeinsam sind, wie kommt es dann, dafs
nicht auch die Theorie die gleiche ist ? Das sage mir, o Grofs-
vater.
Bhlshma sprach:
IL (11047.) Leidenschaft, Verblendung, Weltanhänglich-
keit, Lust und Zorn, wenn man nur diese fünf Fehler durch
den Yoga ausrottet, dann erlangt man jene Frucht.
V2. (1104* ) Wie grofse wachsame [Fische] das Netz zer-
reifsen und wieder ins Wasser gelangen, so gelangen die
YopTs, von Sünden geläutert, zu jener Stätte.
13. ui«hp.) l'nd wie ebenso die starken Tiere des Waldes
das Fangnetz zerreifsen und, von allen Fesseln gelöst, sich
freie Bahn schaffen,
14. (11050.) so zerreifsen, o König, die kraftgerüsteten
Yoga s die aus Begierde geflochtenen Stricke und gelangen
•uf die höchste, fleckenlose, selige Bahn.
Digitized by Google
594 III- Mokshadharma.
15. (lioöi.) Aber wie andere schwache Tiere des Waldes
in den Fangnetzen zugrunde gehen, so auch, o König, ohne
Zweifel diejenigen, welche der Yogakraft ermangeln.
16. (H052.) Und wie, o Kuntisohn, schwächliche Wasser-
tiere, wenn sie im Netze sich verfangen, ins Verderben ge-
raten, so, o Fürst der Könige, auch die Yoga's, denen die
rechte Kraft fehlt.
17. (11053.) Und wie von den Vögeln, welche sich in ein
feingesponnenes Netz verstrickt haben, die in ihm hängen-
bleibenden verloren sind und die kräftigen sich befreien,
18. (11054.) so werden von den Yoga's, welche in die aus
Werken gesponnenen Netze verstrickt sind, die schwachen
zugrunde gehen, o Feindbedränger, und die kraftgerüsteten
sich freimachen.
19. (11055.) Und wie ein kleines, schwaches Feuer erstickt,
o König, wenn es mit schwerem Brennholze belastet wird,
so ist es auch mit dem Yoga, wenn er schwach ist, o Herr.
20. (11056.) Wenn aber ebendasselbe Feuer Kraft gewonnen
hat, o König, und mit hellen Flammen brennt, so könnte es
in kurzer Zeit sogar die ganze Erde verbrennen.
21. (H057.) Ebenso dürfte ein Yogin, wenn seine Kraft
gewachsen und seine Energie entflammt ist, imstande sein, wie
die Sonne beim Weltuntergang, die ganze Welt auszudörren.
22. (H068.) Wie, o König, ein schwacher Mann vom Strome
fortgerissen wird, so wird ein kraftloser Yoga widerstandslos
von den Sinnendingen fortgerissen.
23. (H059.) Wie aber ein Elefant sich jenem starken Strome
entgegenstemmt, so leistet der in der Yogakraft Erstarkte
dem vielfältigen Andrang der Sinnendinge Widerstand.
24. (11060.) Und die, o König, welche im Yoga erstarkt
sind, gehen nach Belieben mittels des Yoga in die Schöpfer-
herren, Rishi's, Götter und grofsen Elemente ein.
25. (11061.) Nicht Yama, nicht der grimmige WegrafFer.
nicht der furchtbar schreitende Tod, sie alle haben keine
Gewalt, o Fürst, über den unermefslich starken Yoga.
20. (H062.) Der Yoga, welcher zu Kraft gekommen ist,
kann sein Selbst tausendfältig vervielfachen, o Bharatastier.
und in allen diesen Gestalten die Erde durchwandeln.
Digitized by Google
Adhyfcya 302 (B. 300).
595
27. (iio63.) Als der eine kann er die Sinnendinge geniefsen
und zugleich als ein anderer furchtbare Askese üben, und
wiederum, o Freund, [alle seine Selbste] in eins zusammen-
fassen, wie die Sonne ihre Lichtfülle.
28. (11064.) Denn der in Vollkraft stehende Yoga ist Herr
über die Bindung und besitzt auch die Herrschaft über die
Erlösung, das ist gewifs, o Fürst.
29. (11065.) Diese durch den Yoga erlangbaren Kräfte habe
ich dir dargelegt, o Völkerherr, nun will ich dir die feinen
Kräfte mitteilen, damit du ihre Merkmale kennst.
30. (11066.) Was, o Herr, bei der Versenkung des Selbstes
oder bei der Dhäranä (Fixierung des Manas) für feine Merk-
male bestehen, die vernimm von mir, o Bharatastier.
31. (H067.) Wie ein besonnener Bogenschütze mit kon-
zentrierter Aufmerksamkeit das Ziel trifft, so erlangt der völlig
sich konzentrierende Yogin die Erlösung, das ist gewifs.
32. (11068.) Wie ein sorgsamer Mensch, der ein mit Öl
gefülltes Gefäfs auf dem Kopfe trägt, seine ungeteilte Auf-
merksamkeit (manas) darauf richtend, behutsamen Geistes eine
Treppe hinaufsteigt,
33. (Ii oß») so macht ein sorgsamer Yoga, o Fürst, sein
Selbst unbeweglich, fleckenlos und von sonnenähnlichem Aus-
sehen.
34. (11070.) Wie, o Kuntisohn, ein sorgfältiger Steuermann
das Schiff über den grofsen Ozean schnell zum Ziele führt,
o Bester der Fürsten,
35. (iio7i.) so bringt der Weise im Yoga die Versenkung
seines Selbstes zuwege und gelangt zu der schwer erreich-
baren Stätte, indem er seinen Leib dahinten läfst, o Fürst.
30. (11072.) Und wie ein Wagenlenker, nachdem er tüchtige
Pferde mit Sorgfalt angeschirrt hat, den Bogenkämpfer alsbald
nach dem gewünschten Orte bringt, o Stier unter den Männern,
37. (H073.) so erlangt, o Fürst, der Yogin, wenn er mit
Sorgfalt auf die Dhäranä's bedacht ist, alsbald die höchste
Stätte, wie ein abgeschossener Pfeil das Ziel.
38. (H074.) Der Yogin, welcher, unentwegt verharrend, das
Selbst in seinem Selbste schaut, der vernichtet die Sünde
und erlangt den alterlosen Ort der Geläuterten.
88*
Digitized by Google
596
III. Mokshadharma.
39. (H076.) Wer im Nabel, Halse und Kopfe, in Herz,
Brust und Seiten, im Sehen, Hören und Riechen, o unermefs-
lich Tapferer,
40. (H076.) wer an allen diesen Orten als sorgsamer, ge-
lübdetreuer Yogin sein feines Selbst durch sein Selbst in
richtiger Weise zum Yoga anschirrt, o Völkerherr,
41. (H077.) der wird alsbald seine guten und bösen Werke
verbrennen, den höchsten, als unerschütterlich gerühmten Yoga
erreichen und, falls er es wünscht, zur Erlösung eingehen.
Yudhishthira sprach:
42. (11078.) Welche Nahrung mufs man zu sich nehmen,
und was mufs man überwinden, o Bhärata, um als Yogin die
Kraft zu erlangen? Das mögest du, o Herr, mir sagen.
Bhlshma sprach:
43. (11079.) Wer sich des Essens von Körnern und Öl-
kuchen befleifsigt, o Bhärata, und sich des Genusses von
Fettartigem enthält — ein solcher Yogin erlangt die Kraft.
44. (11080.) Wer mit reinem Selbste sich lange Zeit hin-
durch nur von grobgeschrotener Gerste nährt, o Feind-
bezwinger, — ein solcher Yogin erlangt die Kraft.
45. (H081.) Wer Halbmonate, Monate, Jahreszeiten, Jahre
hindurch und nur während des Tages Wasser mit Milch ge-
mischt trinkt, — ein solcher Yogin erlangt die Kraft.
46. (11082.) Wer mit reinem Selbste sich unverbrüchlich
allezeit des Fleisches völlig enthält, o Herr der Menschen, —
ein solcher Yogin erlangt die Kraft.
47. (11083.) Wer Lust und Zorn überwindet, Kälte, Hitze
und Regen nicht achtet, Furcht, Kummer, Seufzen und alle
menschlichen Angelegenheiten hinter sich läfst,
48. (H084.) wer, o Fürst, den schwer zu besiegenden Ver-
drufs und die furchtbare Begierde (trishn&) y Lustgefühle,
Schlaf und schwer zu bekämpfende Schlaffheit, o Bester der
Könige, ablegt,
49. (11085.) ein solcher Hochsinniger erleuchtet sein feines
Selbst durch sein Selbst, frei von Leidenschaft, sehr weise
durch Meditation und Studium.
Digitized by Google
Adhyaya 302 (B. 300).
597
50. (Hos«.) Freilich ist dieser Weg der weisen Brahmanen
schwer zu gehen. Einer, der ihn mit ruhigem Gemüte geht,
o Stier der Bharata's,
51. (iio87.) der ist wie einer, der einen furchtbaren Wald,
voll Schlangen und Gewürm, voll Gruben, ohne Wasser, voll
schwieriger Durchgänge und Dornen,
52. (11088.) auf einem keine Nahrung bietenden, gestrüpp-
reichen, zwischen verbrannten Bäumen durchführenden, von
Räubern umlagerten Wege als ein rüstiger Mann mit ruhigem
Gemüt durcheilt.
53. (H089.) Wer aber als Zwiegeborener den Yogaweg
einschlägt und aus Gemächlichkeit vom Wege absteht, der
wird als grofser Sünder angesehen.
54. (H090.) Wohl läfst sich stehen, o Erdeherr, auf eines
gewetzten Schermessers Schneide (dhärä), nicht aber läfst
sich stehen in den Dhäranä's des Yoga von solchen, deren
Geist nicht bereitet ist.
55. (11091.) Mifsglückte Dhäranä's, o Freund, führen die
Menschen eine schlimme Strafse, wie Schiffe auf dem Meere,
die ohne Führer sind, o Fürst.
56. (11092.) Wer aber, o Kuntisohn, in den Dhäranä's fest-
steht, wie es die Vorschrift fordert, der läfst Tod und Ge-
burt, Leid und Lust hinter sich.
57. (U093.) Damit habe ich dir dargelegt, was in den auf
mancherlei Lehrbüchern beruhenden Yogalehren entwickelt
worden ist, und unter den Zwiegeborenen steht fest, worin
die höchste Aufgabe des Yoga besteht.
58. (H094.) 0 Hochsinniger! Jenes Höchste, welches
aus Brahman besteht, sodann den Gott Brahmän, den
gabenspendenden Vishnu, den Bhava ((,'iva), Dharma,
den Gott mit den sechs Gesichtern (Skanda) und was
die hochmächtigen Brahmansöhne sind,
59. (H095.) ferner das arge Tamas, das gewaltige
Kajas, das reine Sattvam und die höchste Prakriti,
Vanina's Gemahlin, die Göttin Siddhi, ferner alle Energie
und grofse Standhaftigkeit,
60. (11096.) den fleckenlosen Herrn der Sterne im
Äther mit seinen Sternen, die Vicve Deväb, Schlangen
Digitized by Google
598
III. Mokshadhariiia.
und Manen, alle Felsen, die furchtbaren Ozeane, die Flüsse
alle und die träufelnden fsavanaj Wolken,
61. (11097.) Elefanten und Berge, die Yakshascharen,
die Himmelsgegenden, die Schwärme der Gandharven,
Männer und Weiber — in diese alle abwechselnd fahrt
hinein und wieder heraus der hohe, hochsinnige Yogin,
der Erlösung nahe.
62. (H098.) Diese schöne Erzählung, o Fürst, ist ver-
wandt dem mit mächtiger Weisheit ausgerüsteten Gotte,
der hochsinnige Yogin aber ist über alle Sterblichen er-
haben und schafft als Seele des Näräyana.
So lautet im Mokibadharma die Lehre vom Yoga
(yoga- tidhi).
Adhyftya 303 (B. 301).
Vers 11099-11213 (B. 1-116).
Yudhishthira sprach:
1. (H099.) Vollständig hast du, o Fürst, nach der Regel
den von den Kundigen angenommenen Yogaweg dargelegt
dem hienieden nach seinem Heile trachtenden Schüler.
2. (11099 bis.) Nunmehr erkläre mir, der ich frage, auch
die im Sänkhyam gültige Satzung nach ihrem ganzen In-
begriff, denn alles, was an Wissen in den drei Welten vor-
handen ist, ist dir ja bekannt.
Bhisbma sprach:
3. (liioo.) Vernimm denn von mir jene feine Satzung der
ätmankundigen Sänkhya's, wie sie von Kapila [Hiranyagarbha,
d. h. dem persönlichen Brahmän, unten Vers 11006] und den
anderen heiligen Gottherren offenbart worden ist,
4. (11 101.) die Satzung, in welcher keinerlei Irrtümer vor-
kommen, o Männerstier, und in welcher viele Trefflichkeiten
und eine vollständige Freiheit an Fehlern vorliegt.
5. (11 10.».) Sie, welche mit Wissenschaft die mangelhaften
Reiche der Sinnenwelt durchforschen, 0 Fürst, die schwer
Digitized by Google
Adhyftya 303 (B. 301).
591)
zu überwindenden menschlichen insgesamt und die Reiche der
Picaca's,
6. (1U03.) welche die Reiche des Rajas und die der
Yakshas, die Reiche der Schlangen und die der Gandharven
erkennen,
7. (H104.) die Reiche der Manen und der in Tierleibern
Verkörperten, die Reiche der Vögel und der Winde, o Fürst,
8. (mos.) die Reiche der Königsweisen und Brahman-
weisen, der Dämonen und der Vicve Deväh,
9. (H106.) der Götterweisen und die Gottherren unter den
Yoga's, welche die Reiche der Schöpferherren und des
Brahman,
10. (uio7.) die volle Länge der Lebenszeit in der Welt
der Wahrheit gemäfs erkennen und das wahre Wesen des
Glücks, o Bester der Redner,
11. (mos.) und den Schmerz, der mit der Zeit stets die
nach den Reichen der Sinnenwelt Begehrenden trifft, der die
einem tierischen Dasein oder der Hölle Verfallenen peinigt,
12. (liioö.) welche alle Vorzüge und Mängel des Himmels,
o Bhärata, sowie die Mängel und Vorzüge der Vedalehre
13. (liiio.) und die Mängel und Vorzüge der Yoga- Er-
kenntnis und die der Sänkhya-Erkenntnis, o Fürst,
14. (Hin.) welche das Sattvam als zehnfach, das Rajas
als neunfach, das Tamas als achtfach, die Buddhi als
siebenfach,
15. (uns.) das Manas als sechsfach, den Äther als fünf-
fach und hinwiederum die Buddhi als vierfach, das Tamas
als dreifach,
16. (uns.) das Rajas als zweifach und das Sattvam als
einfach erkennen, welche wahrheitgemäfs den Weg des Ver-
derbens und den Weg der Erkenntnis erkennen,
17. (Hin.) diese mit Erkenntnis und Wissenschaft Aus-
gerüsteten, mit den Prinzipien Vertrauten, Edlen, diese er-
langen die herrliche Erlösung, wie die zarten [Sonnenstrahlen
oder Winde, Nil.] den höchsten Äther.
18. (uns.) Dafs das Sehen mit der Gestalt verwandt ist,
der Geruchsinn mit dem Geruch, das Ohr mit «lern Tone, die
Zunge mit dem Geschmack
Digitized by Google
600
III. Mokshadharma.
i
19. (11116.) und der Leib mit dem Tastsinn, dafs der
Wind auf dem Äther beruht, dafs die Verblendung dem Tamas
verwandt ist und die Begierde dem Reichtum*
20. (H117.) dafs Vishnu dem Schreiten, <^akra der Kraft,
der Feuergott dem Bauche einwohnt, dafs die Göttin [Erde,
Nil.] den Wassern, das Wasser dem Feuer,
21. (uns.) das Feuer dem Winde, der Wind dem Äther,
der Äther dem Mahat, das Mahat der Buddhi,
22. (U119.) die Buddhi dem Tamas, das Tamas dem Rajas,
das Rajas dem Sattvam, das Sattvam dem Atman,
23. (11120.) der Atman dem göttlichen Herrn Närayana
(Vishnu), der Gott dem Erlöstsein, die Erlösung keinem
andern mehr verwandt ist,
24. (11121.) wer das erkennt und wer begreift, dafs der
Leib die Qualität des Sattvam, umgeben von sechzehn anderen
Qualitäten [Nil. erinnert an Pracna Up. 6,3, vgl. dazu Sechzig
Lpanishad's, S. 571], in sich birgt, dafs die eigene Natur
(svahhävaj und das Bewufstsein fcetana) in den Leib ein-
gegangen sind,
25. (11122.) dafs zwischen ihnen unparteiisch der eine
Atman steht, an dem nichts Böses haftet, und als zweites
das Werk, o Fürst, für die, welche nach den Sinnendingen
trachten,
26. (11123.) dafs die Sinnesorgane und alle Sinnendinge
den Atman umlagern, wer begreift, dafs die Erlösung schwer
zu erlangen ist und den Veda zur Voraussetzung hat,
27. (um.) wer Präna, Apäna, Samäna, Vyäna und Udäna
ihrem Wesen nach kennt, dazu den nach unten strömenden
und auch den emporftihrenden Wind,
28. (1U25.) diese sieben Winde und ihre siebenfache Ver-
teilung, wer die Schöpferherren und Rishi's und ihre vielen
herrlichen Wege,
21). (iii26.) die sieben Rishi's, die vielen Königsweisen,
o Feindbedränger, die grofsen Götterweisen und die anderen
wie Sonnen leuchtenden Brahmanweisen,
30. (iii27.) wer auch die im Laufe der langen Zeit von
ihrer Gottherrlichkeit Herabgestürzten, o Fürst, und den Unter-
gang der grofsen Wesensscharen, o Erdeherr,
Digitized by Google
Adhyäya 303 (B. 301).
31. (iii28.) und auch den schlimmen Weg der Bösewichter,
o Fürst, und das Leid der in Yamas Reich in den Höllen-
flufs Gestürzten
32. (1U29.) und den unerfreulichen Lauf durch mancherlei
Mutterschöfse, das Wohnen in dem unerfreulichen Mutter-
schofse, diesem Gefäfse voll Blut und Wasser,
33. (liiso.) und sodann in der Schleim, Kot und Urin
enthaltenden, scharfen Geruch ausströmenden, aus Samen
und Blut zusammengeschweifsten , von Mark und Sehnen
durchflochtenen,
34. (H131.) von hundert Adern durchzogenen, unreinen
Stadt mit den neun Toren, und wer den heilbringenden Atman
erkennt und die mannigfaltigen Yoga-Übungen
3f>. (iii32.) und das tadelnswerte Wesen der tamashaften,
von Genüssen umnebelten Menschen und das der sattvahaften
Menschen, o Bharatastier,
36. (1H33.) tadelnswert im Sinne der grofsen, ätman-
kennenden Säiikhyalehrer, und wer die schrecklichen Unfälle
des Mondes und der Sonne gesehen hat
37. (ii 134.) und das Herabfallen der Sterne und den Um-
lauf der Sternbilder, und wer die jämmerliche Trennung Zu-
sammengehöriger erkennt, o Fürst,
38. (1H35.) und das scheufsliche gegenseitige Sichauf-
fressen der Wesen und die Torheit im Kindesalter und das
traurige Hinschwinden des Leibes
39. (1U36.) und den gelegentlichen Einflufs des Sattvam
auf Leidenschaft und Verblendung, wer das alles als einer
unter Tausenden erkennt, indem er zum Verständnis der Er-
lösung gelangt,
40. (11137.) wer begreift, dafs die Erlösung schwer zu er-
langen ist und den Veda zur Voraussetzung hat, dafs man
hochschätzt, was man nicht hat, und gleichgültig wird gegen
das, was man hat,
41. (11138.) und die Schlechtigkeit der Sinnendinge, o
Fürst, und die häfslichen Leiber der Verstorbenen, o Kuntisohn,
42. (1H39.) das unselige Wohnen in Familien, o Bhärata,
und die furchtbare Zukunft der Brahmanen töter und der ab-
gefallenen,
Digitized by Google
III. Mokshadharma.
43. (iii40.) schlimmen, am Branntweintrinken hängenden
Brahmanen und den verhängnisvollen Weg der mit der
Lehrergattin Verkehrenden,
44. (ii ui.) und derer, die sich den Müttern gegenüber
nicht gebührend betragen, o Yudhishthira, sowie gegenüber
den götterbevölkerten Welten,
45. (n 142.) wer mit solchem Wissen ausgerüstet den Weg
der Übeltäter erkennt und die verschiedenen Wege (gatayahl)
der in Tierleiber Gefahrenen
46. (iii43.) und die mancherlei Aussprüche des Veda und
die Umläufe der Jahreszeiten und das Schwinden der Jahre,
Monate,
47. (iii44.) Halbmonate, Tage, das Abnehmen und Zu-
nehmen des Mondes vor unseren Augen
48. (H145.) und das Anschwellen und Zurücktreten der
Ozeane und das Verlieren und Wiedergewinnen des Reichtums
49. (n 146.) und die Lösung der Verbindungen, den Ver-
gang ganzer Weltalter, den Einsturz der Berge, das Versiegen
der Ströme,
50. (iii47.) den Verfall der Kasten und die wiederholte
Beendigung dieses Verfalls, und wer Alter, Tod, Geburt und
Leiden bedenkt,
51. (11148.) wer die Mängel des Leibes und das Leid, das
sie bringen, wie es in Wahrheit ist, den elenden Zustand des
Leibes richtig begreift,
52. (1U49.) und alle die Mängel, die der Seele anhaften,
und die üblen Düfte, die dem Körper entströmen,
Yudhishthira (ihn unterbrechend) sprach:
53. (H150.) Was sind das für Mängel, die nach deiner
Ansicht aus dem eigenen Leibe entspringen, o unermefslich
Tapferer? Diesen Zweifel mögest du mir vollständig der
Wahrheit gemäfs lösen.
Bhlshma sprach:
54. (iii5i.) Fünf Mängel, o Herr, schreiben dem Leibe zu
die weisen, wegkundigen, dem Kapila folgenden Sänkhya-
lehrer. Vernimm sie, o Feindbezwinger.
Digitized by Google
i
Adhy&ya 303 (B. 301).
€03
55. (1H52.) Sie sind Lust und Zorn, Furcht, Schlaf und
Keuchen als fünftes.
56. Diese Mängel zeigen sich in den Leibern aller Ver-
körperten. (H15S.) Man bekämpft den Zorn durch Langmut,
die Lust durch Fernhaltung der Wünsche,
57. den SchJaf durch Pflege des Sattvam, die Furcht
durch Besonnenheit (11154.) und das Keuchen durch Mäfsig-
keit in der Ernährung, o Fürst.
58. Sie, welche das Wesen der Tugend aus hundert Tugen-
den, das Wesen der Fehler aus hundert Fehlern (11 155.) und
das Wesen der mannigfachen Ursachen aus hundert mannig-
fachen Ursachen erkennen,
59. sie, welche die Welt ansehen als dem Wasserschaume
vergleichbar, von hundert Zauberkünsten fmdt/dj des Vishnu
umhüllt, (11160.) einer gemalten Tapete ähnlich, als wertlos
wie das Innere eines Schilfrohrs,
G0. als einer finstern Grube ähnelnd, den Blasen der
Regentropfen vergleichbar, (11 157.) der Vergänglichkeit ver-
fallen, von Glück verlassen, in Vernichtung endigend, ohn-
mächtig,
61. in Rajas und Tamas versunken, wie ein Elefant hilf-
los im Schlamme, (iii58.) und welche, o König, als hochweise
Sänkhya- Philosophen die Liebe zu ihren Kindern aufgeben
62. vermöge grofser, alldurchdringender, sänkhyamüfsiger
Hingebung an die Erkenntnis, o Fürst, (11 ir»;«.) sie, welche die
unschönen Gerüche des Rajas und ebenso die des Tamas,
63. aber auch die reinen Gerüche des Sattvam, weil sie
aus Berührung entspringen und körperlich sind, (uioo.j als-
bald durch das Schwert der Erkenntnis, durch den Stock
der Askese zerteilen, o Bharata,
64. sie werden dadurch instand gesetzt, das furchtbare
Gewässer der Leiden, den grofsen See von Sorgen und Kummer,
(1116I.) in welchem Krankheit und Tod als grofse Krokodile,
die Furcht als grofse Schlange,
65. das Tamas als Schildkröte, das Kajas als Fische
wohnen, mittels der Erkenntnis zu durchschwimmen (11 u;j > und
diesen See, der die Liebe als Schlamm, das Alter als Klippen,
die Erkenntnis als Leuchtturm hat, o F»*indbezwinger,
Digitized by Google
604
III. Mokshadharma.
66. die Werke als Untiefe, Wahrheit und Gelübdetreue
als Ufer, (u 163.) Grausamkeit als schnelle, mächtige Strömung,
mancherlei Geschmäcke als Inhalt,
67. mancherlei Freuden als Kleinodien, Schmerz und
Herzeleid als Stürme, (ui64.) Kummer und ßegierde als Strudel,
schwere Krankheit als nachstellende Elefanten,
68. Knochengerippe als Landungstreppen, schleimige Ab-
sonderung als Schaum, o Feind bezwinger, (ui65.) Freigebig-
keit als Perlenlager hat, diesen furchtbaren See, dessen Meer-
korallen aus Blut bestehen,
69. der Lachen und Schreien als brausende Brandung
hat, der durch allerlei Wissenschaften schwer zu überschreiten
ist, (1H66.) der die Flecken geweinter Tränen als Salzgehalt,
Verzicht auf die W r eltanhänglichkeit als Endpunkt,
70. Kinder und Weiber als Blutegelschwarm , Freunde
und Verwandte als Uferstädte, (ui67.) Schonung und Wahr-
haftigkeit als Küsten, Aushauchen des Lebens als Sturmwelle,
71. den Vedänta als Rettungsinsel, Mitleid mit allen
Wesen als Schwimmblase, (nies.) Erlösung als schwer er-
reichbares Endziel hat, diesen den Höllenrachen in sich
bergenden Ozean
72. überschreiten die vollendeten Asketen auf dem Schiffe
der Erkenntnis, o Bharata, (ui69.) und nachdem sie das schwer
überwindbare Geboren werden abgelegt haben, gehen sie in
den fleckenlosen Äther ein.
73. Dann führt diese rechtschaffenen Sünkhva's die Sonne
empor mit ihren Strahlen, (iii7o.) indem sie sie, wie die Lotos-
blume mit ihren Fasern [das Wasser], aus der Sinnenwelt
[mit ihren Strahlen] herauszieht, o Fürst.
74. Daselbst nimmt sie der emporfuhrende Wind in
Empfang, (um.) sie, die leidenschaftfreien, vollendeten, mann-
haften, askesereichen Selbstbezwinger.
75. Er, der sanfte, kühle, wohlriechende, lieblich zu
fühlende (11172.) beste aller sieben Winde, 0 Bharata, der in
schöne W r elten hinüberweht, er führt sie, o Kuntisohn, zur
höchsten Bahn des Äthers,
76. (uns.) der Äther führt sie, o Herr der Welt, zur
Digitized by Google
Adhyaya 303 (B. 301).
605
höohsten Bahn des Rajas, das Rajas führt sie, o Fürst der
Könige, zur höchsten Bahn des Sattvam,
77. (H174.) das Sattvam fuhrt sie, o du Reiner, zum
höchsten Herrn Närayana, und der Herr, reinen Selbstes,
führt ihn durch sein Selbst zum höchsten Atman.
78. (Uno.) Den höchsten Atman erreicht habend, zu ihm
geworden und in ihm sich gründend, fleckenlos werden sie
der Unsterblichkeit teilhaft und kehren nicht mehr zurück,
o Herr.
79. (H176.) Das ist, o Prithäsohn, der höchste Gang der
von den Gegensätzen Befreiten, Hochsinnigen, an Wahrheit
und Rechtschaffenheit sich Erfreuenden, mit Mitleid für alle
Wesen Erfüllten.
Yudhishthira sprach:
80. (11177.) Wenn nun die Gelübdetreuen den Heiligen
als höchste Stätte erreicht haben, haben sie dann Erinnerung
an das von der Geburt bis zum Tode Durchlebte oder nicht,
o Untadliger?
81. (uns.) Was darüber die Wahrheit ist, das mögest
du mir sagen, wie es ist, denn einen andern aufser dir zu
fragen, geziemt mir nicht, o Kurusohn.
82. (1H79.) Bei der Erlösung habe ich dieses grofse Be-
denken : Wenn nach dem Eingange zu den vollendeten Rishi's
die Selbstbezwinger droben im Besitze des höchsten Bewufst-
seins sind,
83. (1U80.) dann halte ich die daraufhinstrebende Satzung
für die vorzüglichste, sollte aber einer [in Bewufstlosigkeit]
versinken, was hilft ihm dann das höchste Wissen? Nichts
Elenderes könnte es geben!
Bhishma sprach:
84. (iii8i.) Mit Recht, o Freund, hast du hier eine Frage
aufgeworfen, die sehr schwierig ist; auch die Weisen sind
bei dieser Frage in Verlegenheit, o Bharatastier.
fco. (U182.) Aber auch hierüber sollst du die volle Wahr-
heit von mir hören und erfahren, worin für die hochsinnigen
Rapilajünger das höchste Bewufstsein zu finden ist.
Digitized by Google
60 G
III. Mokshadharma.
86. (1U83.) Bei den Verkörperten sind es die Organe in
ihrem Körper, welche erkennen, o Fürst, sie sind die Organe
des Atman, und er, der Unerkennbare, erkennt durch sie.
87. (H184.) Werden sie vom Atman verlassen, so sind sie
wie ein hölzernes Brett und zergehen ohne Zweifel wie
Schaum auf dem Meere.
88. (1U85.) Wenn der Verkörperte mitsamt seinen Sinnen
in Schlaf versunken ist, o Feindbedränger, dann schweift der
feine Atman allerwärts wie der Wind im Luftraum.
89. (1H86.) Dann ist er regelrecht sehend oder fühlend,
o Herr, und vollkommen erkennend wie vorher hier [im
Wachen], o Bhärata.
90. (1U87.) Alle Sinnesorgane, jedes auf seinem Gebiete,
werden machtlos und verlieren ihre Kraft, wie Schlangen,
die des Giftzahns beraubt sind.
91. (1U88.) Dann schweift der Ätman allenthalben auf
feinen Wegen durch die den einzelnen Sinnesorganen ent-
sprechenden Gebiete, daran ist kein Zweifel.
92. (11189.) Und indem er alle Qualitäten des Sattvam,
Rajas und Tamas, der Buddhi, o Bhärata,
93. (1H90.) und des Manas, des Äthers, W r indes, o Pflicht-
treuer, des Sneha [hier angeblich Feuer, wohl tejo zu lesen],
94. (iii9i.) des Wassers und der Erde, o Prithäsohn, in-
dem er diese alle mitsamt ihren Qualitäten in den Kshetrajnas
(hier: individuellen Seelen) durchdringt, o Yudhishthira,
95. (Ii 192.) durchdringt [vydti = vyapnoti* Nil.] der Atman
den Kshetrajfia sowie auch die guten und bösen Werke, und
wie Schüler gegen einen hochsinnigen [Lehrer] sind die
Sinnesorgane ihm gegenüber.
96. (iii93.) Aber wenn er die Prakriti überschritten hat,
fslangt er zu dem unvergänglichen Atman, dem höchsten
tman des Näräyana, dem gegensatzlosen, über die Prakriti
erhabenen.
97. (iii94.) Und, erlöst von Gutem und Bösem, zu üim,
dem krankheitlosen, qualitätlosen, höchsten Atman einge-
gangen, kehrt er nicht mehr zurück, o Bhärata.
98. (Ii 195.) Und während er noch im Leben verharrt.
Digitized by Google
Adhy&ya 303 (B. 301).
GOT
nahen ihm für eine Zeitlang noch Manas und Indriya's als
dem Lehrer gehorsame [Schüler].
99. (1U96.) Diese Ruhe kann in kurzer Zeit erlangen, wer
in der beschriebenen Weise nach Tugend strebt, die Er-
kenntnis besitzt und der Erlösung sich zuwendet, o Kuntisohn.
100. (1H97.) Durch diese Erkenntnis, o König, gehen die
hoch weisen Sänkhya's den höchsten Weg, eine Erkenntnis,
die dieser gleichkäme, gibt es nicht, o Kuntisohn.
101. (1H98.) Darüber bleibe bei dir kein Zweifel, die
Sänkhya-Erkenntnis ist die höchste, sie ist jenes als unver-
gänglich und unwandelbar bezeichnete, das volle, ewige
Hrah man,
102. (11199.) das ohne Anfang, Mitte und Ende seiende,
gegensatzfreie, schöpferische, beständige, allerhöchste und
dauernde, von dem die Weisen [in den Upanishad's] reden,
103. (11200.) aus welchem alle Wandlungen von Schöpfung
und Vergang hervorgehen, welches die heiligen Bücher preisen,
die höchsten Weisen künden,
104. (11201.) samt allen Brahmanen, Göttern und Kennern
der wahren Beruhigung als den brahmanenfreundlichen höchsten
Gott den unendlichen, höchsten, unerschütterlichen.
105. (H202.) Ihn gehen an, ihn rühmen die tugendhaft
gesinnten Brahmanen und die dem Yoga völlig hingegebenen
Yoga's und die unermefslich einsichtigen Sänkhya's.
106. (11203.) Dieses Gestaltlosen Gestaltung ist das Sän-
khyam, so lehrt die Schrift, o Kuntisohn, und die Sankhya-
lehre ist der Beweis für ihn, o Bharatastier.
107. (H204.) Zwei Arten von Wesen gibt es auf der Erde,
o Erdeherr, sie heifsen Bewegliche und Unbewegliche; das
Bewegliche aber steht höher.
108. (ii2or>.) Das grofse Wissen, nämlich alles, was
in den grofsen Veden, bei den Sänkhya's und im Yoga
vorhanden ist, o König, das mannigfache Wissen, welches
in der alten Überlieferung fpurnnamj vorliegt, das alles,
o Fürst der Männer, ist im Sankhyam vereinigt.
109. (11206.) Und auch das, was in den grofsen epi-
schen Erzählungen fitihusa) vorliegt, und was in d»:n
Büchern über Lebensklugheit furtho^Utvim) die Aner-
Digitized by Google
€08
III. Mokshadharma.
kennung der Weisen findet, o Fürst, und alle Wissen-
schaft, die im Yoga vorhanden ist, all dies Grofse, o Grofs-
gesinnter, ist im Sänkhyam vereinigt.
110. (11207.) Was an Beruhigung sich zeigt und an
grofser Kraft, was an subtilem Wissen der Wahrheit
entsprechend vorhanden ist, und die feinen, beglückenden
Askesen, das alles ist der Wahrheit gemäfs im Sankhyam
niedergelegt, o König.
111. (11208.) Im ungünstigem Falle gehen die Sänkhya's
zu den Göttern ein, zu ununterbrochenem Glücke, o Pritha-
sohn, und nachdem sie durch Umgang mit ihnen ihren
Zweck erreicht haben, kommen sie wiederum als asketische
Brahmanen zur Verkörperung.
112. (11209.) Und wenn sie dann ihren Leib verlassen
haben, gehen die Sänkhya's zu dem Gotte ein, o Prithä-
sohn, wie die Götter zum Himmel, nachdem sie nur noch
um soviel mehr als Brahmanen, o Erdeherr, sich erfreut
haben an der verehrungswürdigen, die Weisen erquicken-
den Sankhyalehre.
113. (11210.) Jedenfalls gibt es für sie kein Eingehen
in die Tierwelt, keinen Niedergang, kein Wohnen in der
Behausung der Missetat, für diese Brahmanen, welche
einer solchen Wissenschaft anhängen, auch wenn sie
nicht gerade die ersten darin sind, o Fürst.
114. (11211.) Die ungeheure, allerhöchste, alte, von
Hochstrebenden geliebte Sankhyalehre ist ein grofser Ozean
der Reinheit, getragen aber wird die ganze unermefsliche
Sankhyalehre, o Fürst, von dem hochsinnigen Närayana.
115. (11212.) Dieses verkündige ich dir als die Wahr-
heit, o Männerherr : dieses ganze von alters her bestehende
Weltall ist Närayana, er schafft zur Zeit der Schöpfung
dieses Ganze, und zur Zeit des Weltuntergangs verschlingt
er es wieder.
116. (H213). Und wenn er das Ganze in seinen eigenen
Leib hineingerafft hat, ruht er auf den Wassern, er, die
innere Seele der Welt.
So lautet im Mokihadbarma die Darstellung der 8afikhyalehre
(»dnkhya-kathanam).
Digitized by Google
Adhvaya 301 (B. ÖU2).
609
AclhyAya 304 (B. :M>).
Vers 11214-11262 (B. I— 40).
Yudhishthira sprach:
1. (11214.) Was ist das, was das Unvergängliche genannt
wird, von dem man nicht wieder zurückkehrt? Und was ist
das, was das Vergängliche genannt wird, von dem man wieder
zurückkehrt?
2. (U215.) Die Offenbarung des Unvergänglichen und des
Vergänglichen bitte ich, o Feindbedränger, vernehmen zu
dürfen der Wahrheit gemäfs, o grofsarmiger Kurusprofs.
3. (11216.) Denn du wirst anerkannt als ein Ozean des
Wissens von den mit dem Veda vollvertrauten Brahmanen,
von hochbeglückten Rishi's und von hochsinnigen Asketen.
4. (H217.) Nur wenig Tage bleiben dir noch zu leben übrig,
solange die Sonne nach Süden geht, und wenn der heilige
Sonnengott sich nordwärts wendet, wirst du ja den höchsten
Gang antreten.
5. (11218.) Wenn du aber zum Heile eingegangen bist, von
wem können wir uns dann belehren lassen? Du bist die
Leuchte des Kurustammes, du leuchtest durch die Fackel
deines Wissens.
f>. (H219.) Darum wünsche ich dies von dir zu hören,
o Kurusprofs, ich werde nicht sutt, o Fürst der Könige, solchen
Unsterblichkeitstrank zu schlürfen.
Bhisbtna sprach :
7. (11220.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte be-
richten, nämlich die Unterredung des Vasishtha mit Karäla-
janaka.
8. (H221.) Den hohen Vasishtha, der, unter den Rishi's
sitzend, wie eine Sonne hervorglänzte, befragte der König
Janaka nach dem höchsten beseligenden Wissen.
( X (11222.) Ihn, den höchsten, des innem Selbstes kundigen,,
das Ziel des innern Selbstes kennenden Sohn des Mitra-Varuna
(Rigveda 7,33,11), w i e er dasafs, begrüfste mit zusammen-
gelegten Händen
Dkcmk*, MahAbbAraUra.
Digitized by Google
610
III. Mokshadharnia.
10. (11223.) einstmals der König Karälajanaka und richtete
an ihn, den Besten der Rishi's, die wohlgesetzte, liebliche,
mafsvolle Frage:
11. (H224.) 0 Heiliger, ich wünsche von dem höchsten,
ewigen Brahman zu hören, zu welchem gelangt die Weisen
keiner Wiederkehr mehr verfallen,
12. (11225.) ferner auch, was unter jenem Vergänglichen
zu verstehen ist, durch welches diese Welt der Lebenden
vergeht, und was unter dem Unvergänglichen, dem seligen,
friedvollen, krankheitlosen, zu verstehen ist.
Vasishtha sprach:
13. (H226.) Vernimm, o Erdeschützer, wie diese Welt der
Lebenden vergeht, vernimm auch das, was unvergänglich ist
von jeher und solange die Zeit dauert.
14. (11227.) Ein Weltalter (yngam) besteht aus zwölftausend
[Götter-] Jahren und eine Weltperiode (kalpaj aus vier Welt-
altern, und der in tausend Weltperioden ablaufende Zeitraum
wird ein Tag des Brahman genannt.
15. (H228.) Ebensolang, o König, ist seine Nacht; geht
sie zu Ende, so erwacht er und schafft als Erstgeborenen
den J/a/mw, den unendlich wirkenden (vgl. Manu 1,74),
U). (H229.) den gestalteten, er, der gestaltlose, den all-
befassenden, er, der durch sich selbst seiende £ambhu (Civa),
der da ist Atomkleinheit, Leichtigkeit und Allberührung, ihn.
den Herrn, das ewige Licht.
17. (11230.) Nach allwärts ist es Hand, Füfse, nach all-
wärts Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend,
die Welt umfassend steht es da (= Qvet. Up. 3,16, vgl. oben,
S. 87). ■ - i -
18. (U23i.) Dieser, der heilige Hiranyagarbha, wird auch
als die Buddhi bezeichnet, auch als der Mahän in den Yoga-
lchren und als der ewige Virinci.
19. (11232.) Und auch in der Sänkhyalehre wird er, der
Vielfältige, gepriesen unter der Benennung als der Mannig-
fachgestaltete, Allbeseelende, in der einen Silbe (om) Be-
schlossene.
20. (U233.) Er, von dem das Mannigfaltige umhüllt wird,
Digitized by Google
Adhy&ya 304 (B. 302).
611
aus dessen Selbst die Dreiwelt geschaffen ist, er wird auch
wegen seiner Vielgestaltigkeit als Vicvarüpa (der Allgestal-
tige) bezeichnet.
21. (112S4.) In die Umwandlung übergehend, schafft er,
der Kraftvolle, sich selbst durch sich selbst als den Ahanlära,
den ichbewufsten Schöpferherrn.
22. (H235 ) Aus ihm, dem Unentfalteten, ist das Entfaltete
hervorgegangen; als Quelle des Wissens bezeichnen sie ihn
und als den Mahan, als Quelle des Nichtwissens heifst er
Ahankara.
23. (H236.) Das Ungesetz und das Gesetz sind also aus
derselben Quelle entsprungen; als Nichtwissen und Wissen
werden sie bezeichnet von denen, welche dem Inhalt der
Schriftlehre nachsinnen.
24. tu:»".) Die Schöpfung der Elemente (blwta) aus dem
Ahankara wisse als die dritte, o Erdeherr, und als vierte
wisse das, was, von allen Ahankara [-Produkten] stammend,
Umwandlung des schon Umgewandelten ist [nämlich die
Vicesha sj.
2f>. (11238.) Wind, Feuer, Äther, Wasser und Erde nebst
Ton, Berührung, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch [sind
Ahankara- Produkte],
2»). (ii23«i.) und in derselben Weise gleichzeitig entstanden
wisse die Schar der zehn [Indriya's], und endlich als fünfte
Schöpfung, o Fürst der Kimige, wisse die ganze Schöpfung
der Wesen (bhautilia) je nach ihren Zwecken.
27. (Hai».) Ohr, Haut, Augen, Zunge und Geruchsorgan
zufünft, Rede, Hände und Füfse, Entleerung*- und Zeugun^s-
orjran,
2*. (ii 2ii.) diese sind als die Erkenntnisorgane und die
Tatorgane gleichzeitig mit dem Manas entstanden, o Erdehejr.
21 ». UI212 ) Diese vierundzwanzigfache Natur der Prinzipien
ist in allen Erscheinungen vorhanden, sie erkannt habend,
trauern nicht mehr die wahrheitschauenden Hrahmanen.
V*K (ii24t) Dieses den Namen Leib Führende [lies: diha-
f.imakht/anaM] kommt allen Verkörperten zu, das soll man
wissen, o Bester der Männer, in der Dreiwelt, welche befafst
G-.tter. Menschen und Dämonen,
Digitized by Google
€12
III. Mokshadharma.
31. (U244.) Yaksha's, Gespenster, Gandharven, Kinnara's,
die grofsen Schlangen, himmlische Sänger, Picäca's, Götter-
weise, Nachtunholde,
32. (11245.) Stechfliegen, Würmer, Mücken, Mistkäfer,
Mäuse, Hunde, Hundekocher, Antilopen, Cändäla's, Pulkasa's,
33. (H246.) Elefanten, Rosse, Esel, Tiger, Bäume, Rind-
vieh, — kurz für alles, was irgendwo Gestalten trägt, ist dieses
die Erscheinungsform.
34. (11247.) Im Wasser, auf dem Lande und im Luftraum
hat es nie einen andern Standort für die Verkörperten ge-
geben, so haben wir es mit Gewifsheit überkommen.
35. (H24S.) Wegen dieser seiner Beschaffenheit ist alles,
was den Namen des Entfalteten trägt, von einem Tage zum
andern hinfällig, daher wird der Elementätman (bhutätman)
als der Hinfällige bezeichnet.
36. (H249.) Darum heifst jenes [andere] das Unvergäng-
liche, während diese Welt vergänglich ist; die Welt ist das
in Verblendung Befangene, welches, aus dem Unentfalteten
entspringend, das Entfaltete heifst.
37. (ii25o.) Darum ist schon der Mahän als Erstgeborener
ein beständiges Beispiel der Vergänglichkeit. Damit habe
ich dir, o Grofskönig, erklärt, wonach du mich fragst.
38. (ii25i.) Der fünfundzwanzigste ist Vishnu, unwesen-
haft, aber als Wesen fsaitvamj bezeichnet; weil die Wesen
auf ihn sich gründen, nennen ihn die Weisen das Wesen.
30. (H252.) Was er als Sterbliches, Entfaltetes, diese und
jene Gestalt Annehmendes geschaffen hat, das beherrscht er
als der unentfaltete Vierundzwanzigste, als Gestaltloser ist er
der Fünfundzwanzigste.
40. (U253.) Und ebendieser weilt im Herzen aller Gestalten,
ihr Selbst seiend, als absolut, geistig, ewig, allgestaltig und
gestaltlos.
41. (11254.) Vereinigt mit ihr [der Prakriti], welche Schöp-
fung und Vergang als Eigenschaft trägt, nimmt auch er die
Eigenschaft von Schöpfung und Vergang an, und das Guna-
lose bewegt sich, gunahaft heifsend, immerfort in ihrem Be-
reiche.
42. (H J55.) So geschieht es, dafs dieser der Schöpfung
Digitized by Google
Adhyäya 304 (B. 302).
und des Vorganges kundige Mahan Atma, sich umwandelnd
und prakritihaft werdend, unbewufst zweckmäfsig wirkt (abhi-
manyati abuddhimän).
43. (11256.) Mit Tamas, Sattvam und Rajas behaftet, birgt
er sich hienieden bald in diesem, bald in jenem Mutterschofse,
und weil er nicht erweckt, in nichterweckte Geschöpfe ein-
gegangen
44. (U257.) und durch das Wohnen in ihnen vergänglich
ist, wähnt er, von ihnen nicht verschieden zu sein, spricht:
„ich bin, der ich bin" und gibt sich den Guna's hin.
45. (H258.) Vermöge des Tamas geht er in mannigfache
tamashafte Existenzen ein, vermöge des Rajas in rajashafte,
vermöge des Sattvam in sattvahafte.
46. (11251« ) Das sind jene drei weifsen, roten und schwarzen
Gestalten [von denen Chänd. Up. 6,4; (,'vet. Up. 4,5 die Rede
ist; vgl. dazu Sechzig Upanishad's, S. 301 A. 1], das sind alle
jene Gestalten, welche hienieden aus der Prakriti entspringen.
47. (H260.) Die tamashaften [Existenzen] fahren zur Hölle,
die rajashaften werden zu Menschen, die sattvahaften gehen
zur Götterwelt und geniefsen Glückseligkeit.
48. (11261.) Durch ausschliefsliche Schlechtigkeit verfällt
man einem tierischen Mutterschofse, durch Gutes und Schlech-
tes der Menschwerdung, durch Gutes allein geht man zu den
Göttern ein.
49. (H 262.) Auf diese Art erklären die Weisen das Reich
des Unentfalteten für das Vergängliche, aber der, welcher
der Fünfundzwanzigste ist, kommt zur Entwicklung durch
das Wissen.
So lautot im MokabadLurma
die Unterredung zwischen Vaaishtha und KaraUjanaW»
( \'at,tf,t>, a - Aardltii.inala- tav.rd.la).
Digitized by Google
614
III. Mokshadharma.
AdhyAya 305 (B. 303).
Vers 11263-11316 (B. 1-54).
Vasishtha sprach:
1. (H263.) Weil er (der Purusha) in dieser Weise nicht
erweckt ist, gibt er sich dem Unerweckten hin und wandert
aus dem einen Leibe in tausend andere.
2. (11264.) In tausend Tierleiber gelangt er, dann wieder
zu Göttergeburten, vermöge seiner Verbindung mit den Guna's
und der Herrschaft der Guna's [über ihn].
3. (11265.) Aus dem Menschentum geht er zum Himmel,
aus dem Himmel zum Menschentum und aus dem Menschen-
tum zu dem Orte des Verderbens, fort und fort ohne Ende.
4. (H266.) Wie eine Raupe ihr Gehäuse spinnt und sich
darin einschliefst, so spinnt er, der ewig Gunalose, sich durch
das Fadengespinst der Guna's in den Guna's ein.
5. (H267.) Er, der Gegensatzlose, geht in diesen und jenen
Mutterschöfsen in die Gegensätze ein. Bei Kopfschmerz, Augen-
leiden, Zahnweh, Kehlkopf leiden,
6. (H268.) Wassersucht, Durstkrankheit, Mandelentzün-
dung, Cholera, Aussatz, Brandwunden, I^pra und Epilepsie
7. (ii 209.) und was es sonst noch für mannigfache widrige
Zustände gibt, welche, aus der Prakriti entspringend, die Ver-
körperten befallen, — mit diesen wähnt auch er sich behaftet.
8. (11270.) In tausend Tierleiber gelangt er, dann wieder
zu Göttergeburten, und vermöge des Ichwahns hält er sie für
sein eigen und ebenso die guten Werke.
9. (ii27i.) Mag er reine oder schmutzige Kleider tragen,
mag er immer auf dem Boden sitzen oder wie ein Frosch
niederhocken oder den Yogasitz, der der heroische heifst,
einnehmen,
10. (H272.) er wird das Tragen von Lumpen, das Liegen
oder Stehen im Freien, auf einem Lager von Backsteinen,
Dornen
11. (H273.) oder Asche, auf dem Erdboden oder in einem
Bette, in der Yogastellung heroischer Art, im Wasser, im
Schlamme, auf Pritschen
Digitized by Google
Adhy&ya 305 (B. 303).
615
12. (11274.) und allerlei Lagerstätten, er wird, von Gier
nach Lohn befangen, die Umgürtung mit Mufijagras und das
Nackendgehen, sowie das Tragen von Linnengewändern und
schwarzen Antilopenfellen,
13. (11275.) mag er in Hanf oder Schafwolle, in Tigerfelle,
Löwenfelle, Tuche,
14. (H276.) Bast, Stachelgeflecht, Seidengespinst, Lumpen
oder vieles andere sich kleiden, —
15. (11277.) er wird dies alles in seiner Unerwecktheit auf
sein Ich beziehen, wie auch die verschiedensten Genüsse und
allerlei Kostbarkeiten.
16. (11278.) Er ifst nur einen um den andern Tag, nur
einmal am Tage, nur zu jeder vierten, achten oder sechsten
Mahlzeit,
17. (H279.) er ifst nur einmal alle sechs, acht, sieben,
zehn oder zwölf Tage,
18. (U280.) fastet einen ganzen Monat, nährt sich von
Wurzeln und Früchten, von Wind, Wasser, Ölkuchen, saurer
Milch, Kuhdünger,
19. (ii28i.) Kuhurin, Gemüse, Blumen, Moos, Spülicht,
20. (H282.) welken Blättern oder Fallobst und übt sich
in allerlei Quälereien aus Streben nach der Vollkommenheit.
21. (H 283.) Auch nimmt er seine Zuflucht zur Mondlaufs-
bufse und nach Vorschrift zu manchen Äufserlichkeiten, oder
betritt den Pfad der vier Lebensstadien oder andere nicht
zum Ziele führende Wege,
22. (U284.) oder auch er wird andere Abwege, mancherlei
Irrlehren, abgelegene Schattenplätze im Gebirge, Waldquellen,
23. (H285.) einsame Sandbänke, Wälder, heilige Götter-
tempel, Teiche,
24.. (H286.) entlegene Berghöhlen, die fan Behaglichkeit]
einem Hause nahekommen, oder besondere Murmelungen und
Gelübde,
25. (H287.) allerlei Observanzen, Askesen, Opfer und Zere-
monien
26. (H288.) oder das Leben als Kaufmann, Z wiegeborener,
Kshatriya, Vaicya, ^üdra und das Almosengeben an Bedrückte,
Blinde, Elende, —
Digitized by Google
616
III. Mokshailharma.
27. (H2$y.) dies alles wird er in seiner Unerwecktheit als
auf sein Ich bezüglich ansehen, ebenso die drei Guna's Satt-
vam, Rajas und Tamas, und nicht anders steht es mit dem
Guten, Nützlichen und Angenehmen.
28. (H290.) In dieser Weise zerlegt der Atman durch den
Einflufs der Prakriti sein [einheitliches] Selbst in eine Viel-
heit [von Betätigungen], und man spricht von Svadhä-Ruf,
Vashat-Ruf, Svahä-Ruf und Verehrungen,
29. (ii29i.) von Opfern für andere, Lehrtätigkeit, Geben
und Nehmen, Opfern, Studieren und wer weifs von was
sonst noch,
30. (H292.) und mag es sich um Geburt oder Tod, um
Disputieren oder Dreinschlagen handeln, kurz alles, was zum
Guten oder Bösen ausschlägt, nennt man den Weg der [Ver-
geltung nach sich ziehenden] Werke.
31. (H293.) Aber nur die Göttin Prakriti ist es, welche
Entstehen und Vergang bewirkt, und am Ende der Tage zieht
Er alle ihre Guna's in sich herein [abhyetya = grasitva , Nil.]
und besteht fort als der Eine.
32. (H 294.) Wie die Sonne ihre Strahlen von Zeit zu Zeit
wieder einzieht, so macht auch er immer wieder das Vorher-
gewesene spieleshalber zunichte (abhimanyate vgl abhimansyc
Brih. Up. 1,2,5),
33. (H295.) nämlich die mannigfachen, ihre eigene Natur
habenden, seinem Herzen lieben Guna's. Und nachdem er
wiederum sie, welche Schöpfung und Vergang als Wesen
besitzt, entfaltet hat,
34. (H296.) und ebenso die Tat, dem Weg der Tat an-
hängend, und die drei Guna's, er, der Herr der drei Guna's,
so wähnt er, da er den Pfad der Tat betreten hat, von der
Tat, sie sei ein Wirkliches.
35. (H 297.) Durch die Prakriti ist diese ganze Welt blind
gemacht, o Herr, und alles hienieden ist in mannigfacher
Weise von Rajas und Tamas durchtränkt.
30. (U298.) So geschieht es, dafs die Gegensätze des Erden-
lebens immer wiederkehren. „Als mir gehörig entstehen sie
und auf mich stürmen sie ein,
37. (11299.) und ich mufs mich aus ihnen allen heraus-
Digitized by Google
Adhyäya 305 (B. 303).
617
arbeiten", so, o Männerherr, denkt der Mensch wegen seiner
Unerwecktheit, „und ebenso mufs ich für meine guten Werke
33. (11300.) Vergeltung im Himmel geniefsen, und weiter
werde ich hienieden nochmals die guten und bösen Früchte
[meiner Werke] durchzukosten haben.
39. (ii3oi.) Aber mein Glück mufs ich betreiben, und habe
ich es einmal begründet, so wird meine Glückseligkeit in
jeder neuen Geburt bis zu Ende durchhalten.
40. (11302.) Freilich wird mich für meine hier begangenen
Werke auch endloses Unglück treffen, denn es ist schon ein
grofses Unglück, Mensch zu werden, und vollends ein solches
ist es, in die Hölle zu fahren.
41. (11303.) Doch werde ich aus der Hölle mit der Zeit
wieder zur Menschwerdung gelangen, aus dem Menschscin
zur Gottwerdung, aus dem Gottsein wieder zum menschlichen
Dasein
42. (H304.) und aus diesem wieder zur Hölle, so gelangt
man abwechselnd vom einen zum andern." Wer immerfort
in diesem Bewufstsein lobt, vom Atman abgewandt, von den
Guna's des Atman umhüllt,
43. (U 305.) der geht infolgedessen zum Menschsein, Gott-
sein und zur Hölle ein, und vom Egoismus umnebelt, wandert
er fort und fort um
44. (H300.) in todverfallenen Gestalten tausend und aber-
tausend Schöpfungsperioden hindurch. Wer in dieser Weise
das mit guten und bösen Früchten behaftete Werk betreibt,
45. (1130T.) der erlangt die entsprechende Frucht durch
Verkörperungen in allen drei Welten. Aber nur die Prakriti
ist es, welche das gute und böse Früchte tragende Werk voll-
bringt, (11308.) und so ist es auch die den Lüsten nachgehende
Prakriti, welche die Frucht in allen drei Welten geniefst.
40. Mag einer in der Tierwelt, Menschenwelt oder Götter-
welt weilen, (mos.) alle diese drei Regionen gehören der Pra-
kriti an, das soll man wissen.
47. Freilich ist die Prakriti unerkennbar, aber wir er-
schliefsen sie aus ihren Produkten, (uaio.) und so glaubt man
in seinem Wahne (lies: abhiinänäd), dafs es auch für den
Purusha ein Merkmal gebe.
Digitized by Google
618
III. Mokshadharma.
48. Dieser aber eignet sich nur ein fremdes Merkmal an,
ein der Prakriti gehöriges, für sündlos gehaltenes, (liaii.) be-
tritt die Pforten der Sünde [die Sinnesorgane] und schreibt
sie infolge des Werkes sich selbst zu.
49. So geschieht es, dafs alle Erkenntnisorgane, Ohr usw.,
sowie auch die fünf Tatorgane, (11312.) Rede usw., sich mit-
samt ihren Qualitäten in den Qualitäten [der Objekte] be-
tätigen.
50. „Ich bin alles das, in mir sind diese Organe",
(11313.) so wähnt der Organlose, der Sündlose „ich bin sünd-
haft".
51. Merkmallos wähnt er, Merkmale zu haben, zeitlos,
in der Zeit zu sein, (11 314.) sattvalos, sattvahaft zu sein, wesen-
los, wesenhaft zu sein,
52. unsterblich ist er und wähnt sich dem Tode verfallen,
unwandelbar der Wandelbarkeit, (11 315.) körperlos der Körper-
lichkeit, unerschaffen der Erschaffenheit,
53. er, der Askeselose, wähnt sich askesehaft, der Un-
bewegte der Bewegung teilhaftig, (11316.) der Werdelose werde-
haft, der Furchtlose der Furcht verfallen,
54. der Unvergängliche wähnt sich vergänglich, solange
ihm die Erweckung fehlt.
So lautet im Mokshadharroa
die Unterredung zwischen Vasishtha und Karalajanaka
( Vtuhhfha - Kcu dlajanala - sawrdda).
Adtayftya 306 (B. 304).
Vers 11317-11327 (B. 1-11).
Vasishtha sprach:
1. (11317.) Weil er somit, nicht erweckt, in nicht erweckte
Geschöpfe eingegangen ist, mufs er tausend und abertausend
dem Vergang verfallene Weltschöpfungen durchwandern.
2. (Hais.) Einmal in die Behausung geraten, geht er in
tausend hinsterbende Behausungen ein als Tier, als Mensch
oder als ein Gott im Himmel.
Digitized by Google
Adhyäya 306 (B. 304).
619
3. (U319.) Wie der Mond unter den Wesen schwindet er
tausendmal immer wieder und wieder wegen seiner Unerweckt-
heit, er, solange er ein Unerweckter ist.
4. (11320.) Der fünfzehnte Teil ist der Ursprung [des
Mondes], er als seine Behausung ist erkennbar, aber als un-
vergänglich mufst du dieses erkennen, den Sorna (Mond,
Unsterblichkeitstrank), nämlich seinen sechzehnten Teil.
5. (11321.) Wie er, wird auch der Unerweckte fort und
fort aus dem [fünfzehnten] Teile neu geboren, ihn erklärt
man für seine Heimstätte, aus der er immer wieder ge-
boren wird.
6. (H322.) Aber der sechzehnte Teil ist unerkennbar, er
ist als der [wahre] Sorna zu betrachten; dieser wird nicht
von den Göttern (den Sinnesorganen) dienstbar gemacht, son-
dern macht sie sich dienstbar.
7. (11328.) Ohne ihn je zu verlieren, wird der Mensch
immer wieder neu geboren, o bester Fürst; jener hingegen
[der fünfzehnte Teil] ist seine Prakriti, was übrig bleibt,
wenn sie zunichte wird, das heifst Erlösung.
8. (H324.) Wenn aber der Mensch den ganzen, aus den
sechzehn Teilen bestehenden Leib, der durch die Prakriti
sein Gepräge erhält, für sein wahres ich hält, dann bleibt
er in der Wanderung befangen.
9. (11325.) Der fünfundzwanzigste ist der Mahän Ahmt;
weil er nicht erweckt ist, und weil er, der Fleckenlose, Reine,
sich mit Reinem und Unreinem befafst,
10. (11326.) wird er, der reine Atman, zu einem solchen,
zu einem unreinen, o Erdeherr, und weil er mit Uncrweckten
sich befafst, geht er, der Wache, in die Unerwecktheit ein.
11. (H327.) In diesem Sinne, o Rester der Fürsten, ist er
als ein Unerweckter zu betrachten, und weil er mit der drei-
gunahaften Prakriti Gemeinschaft macht, wird auch er drei-
gunahaft.
So lautet im M»k»hadliarma
die UnterrrduDff iwiHclun Vasinlitlia und Karalujaoaka
C Yanuhiha - Kurdbtjanakti - *a»».ni./«.
Digitized by Google
620
III. Mokshadharma.
Adhyäya 307 (B. 305).
Vers 11328-11367 (B. 1-39).
Janaka sprach:
1. (U828.) Diese Verbindung der beiden, des Unvergäng-
lichen und des Vergänglichen, ist zu vergleichen, o Heiliger,
der Verbindung zwischen Mann und Weib.
2. (11329.) Es kann aber ohne den Mann hienieden das
Weib keine Leibesfrucht empfangen, und ohne das Weib kann
der Mann seine Gestalt nicht wieder erneuern.
3. (ii33o.) Nur durch die Verbindung beider und durch
die Stützung auf die wechselseitigen Fähigkeiten kann der
Mann seine Gestalt wieder erneuern, und ebenso bei allen
folgenden Entstehungen.
4. (ii33i.) Weil sie um der Geschlechtslust willen sich
verbinden und sich dabei auf die wechselseitigen Fähigkeilen
stützen, wird in der Zeit der Empfängnis seine Gestalt neu
entwickelt; dieses als Beispiel will ich dir näher erklären.
5. (H332.) Was nun die Eigenschaften des Vaters und die
der Mutter betrifft, so wissen wir, dafs Knochen, Sehnen und
Mark vom Vater,
6. (11333.) hingegen Haut, Fleisch und Blut von der
Mutter stammen; so wird dies, o Bester der Z wiegeborenen,
im Veda und im Lehrsystem erklärt.
7. (H334.) Wenn aber einer einen Beweis in seinem Veda
findet und die Bestätigung desselben im Lehrsysteme, so ist
diese Ubereinstimmung von Veda und Lehrsystem ein für alle
Zeiten vollgültiger Beweis.
8. (H335.) Sofern auch sie nach ihren Fähigkeiten ent-
gegengesetzt und einander ergänzend sind, so bleiben in der-
selben W T eise für alle Zeit miteinander verknüpft die Prakriti
und der Purusha.
9. (11336.) Und darum scheint mir, o Heiliger, dafs eine
Erlösung nicht möglich ist. Oder gibt es wohl noch irgend-
ein treffenderes Beispiel? (11337.) Dann teile es mir der Wahr-
heit gemäfs mit, denn du bist dir über alles klar.
Digitized by Googlq
I
Adhyaya 307 (B. 3ü5).
021
10. Denn auch wir sind erlösungsbedüri'tig und sehnen
uns nach dem Krankheitlosen, (H338.) Körperlosen, Alterlosen,
Ewigen, Übersinnlichen, Freien.
Vasishtha sprach:
11. (H339.) Was du als Beispiel aus dem Veda und dem
Lehrsysteme beigebracht hast, dementsprechend verhält es
sich wirklich, und wie es ist, fassest du es richtig auf.
12. (11340.) Denn du besitzest die Lehre von beiden, vom
Veda und vom Lehrsvstem, aber du verstehst nicht den Sinn
des Lehrbuches der Wahrheit gemäfs, o Herr der Männer.
13. (11341.) Denn wem es beim Veda und beim Lehr-
system nur darum geht, den Wortlaut auswendig zu wissen,
ohne dafs er den Sinn der Worte kennt, für den hat auch
das Auswendigwissen keinen Wert.
14. (U342.) Der schleppt sich nur mit einer Last, wer
den Sinn des Buches nicht kennt. Wer aber den Sinn des
Lehrbuches kennt, für den ist die Lehre des Buches nicht
vergebens.
15. (U343.) Wenn jemand uns nach dem Sinne eines Lehr-
buches befragt, so müssen wir ihn so darlegen können, dafs
der andere aus der Vernehmung des Inhaltes den Sinn
herausfindet.
16. (H344.) Wer so schwerfälligen Geistes ist, dafs er den
Sinn einer Lehre nicht in Versammlungen darlegen kann, wie
kann ein so langsamer Geist überhaupt imstande sein, die
Lehre mit Klarheit auseinanderzusetzen?
17. (H345.) Ein so schwacher Geist wird auch zu einer
klaren Darlegung der Sache nicht imstande sein, weil er sich
zum Gegenstande des Gelächters macht, selbst wenn er des
Ätman kundig wäre.
18. (1134«.) Darum vernimm, o Fürst der Könige, wie
dieses der Wahrheit gemäfs aufzufassen ist nach der An-
schauung der Sänkhyas und der hochsinnigen Yoga's.
19. (11347.) Dasselbe, was die Yogas [intuitiv] schauen,
wird von den Sänkhyas [durch Reflexion] gewonnen. Das
Sänkhyam und der Yoga sind eines; weise ist, wer das
begreift.
Digitized by Google
622 III- Mokshadharma.
20. (11343.) Haut, Fleisch, Blut, Fett, Galle, Mark und
Sehnen, sowie das System der Sinnesorgane, das hast du mir
gegenüber als das Ich bezeichnet.
21. (H349.) Freilich, aus der Substanz entwickelt sich
Substanz, aus den Organen das Organ, aus dem Leibe der
Leib, aus dem Samen der Same;
22. (H350.) aber dem Organlosen, Samenlosen, Substanz-
losen und Körperlosen, wie können diesem grofsen Atman
Eigenschaften zugeschrieben werden, da er doch eigenschafts-
los ist!
23. (H351.) Qualitäten entstehen immer nur in Qualitäten
und gehen wieder in sie zurück ; in dieser Weise gehen alle
Qualitäten nur aus der Prakriti hervor und wieder in sie zurück.
24. (H352.) Haut, Fleisch, Fett, Galle, Mark, Knochen und
Sehnen machen acht mit dem Samen und stammen alle aus
der Prakriti, das mufst du verstehen.
25. (H353.) Es gibt nur zweierlei: den Purusha und was
nicht Purusha ist. Alles, was aus den drei Merkmalen [Satt-
vam, Kajas, Tamas] besteht, wird als prakriti-artig bezeichnet.
Aber weder von dem Purusha noch von dem Nicht-Purusha
[der Prakriti] kann behauptet werden, dafs sie Merkmale
besäfsen.
20. (H354.) Was nun die Prakriti betrifft, so wird sie.
weil selbst merkmallos, erkannt aus den ihren Produkten an-
haftenden Merkmalen, gerade so wie jederzeit aus den Blumen
und Früchten die selbst nicht sichtbaren Jahreszeiten.
27. (H355.) In derselben Weise wird das Merkmallose
durch Folgerung erkannt. Was hingegen den Fünfundzwan-
zigsten betrifft, o Freund, der mit seinem Wesen in die Merk-
male verstrickt ist,
28. (H356.) so ist er in Wahrheit ohne Entstehung und
Vergang, unendlich, allschauend, frei von Leiden, und nur
infolge des Wahnes wird er für eine Qualität wie andere
Qualitäten gehalten.
21). (H357.) Qualitäten kommen nur dem Qualitäthafien
zu, wie sollte der Qualitätlose zu Qualitäten kommen! Darum
sind davon [von der Qualitätlosigkeit des Purusha] überzeugt
die, welche das Wesen der Qualitäten verstehen.
Digitized by Google
i
Adhyöya 307 (B. 305).
6:>3
30. (H358.) Wenn er [der Purusha] aber von diesen aus
der Prakriti stammenden Qualitäten sich loszulösen bemüht,
dann wird er infolge der Befreiung von den Qualitäten jenen
Höchsten schauen,
31. (U359.) welcher das ist, was die Sänkhya's und Yoga's
allerorten für das über die Ruddhi Erhabene erklären, das
Hochweise, welches erkannt wird, wenn man das Unbewufste,
Nichterweckte von sich abtut.
32. (U360.) Als das Unerweckte erklären sie die Prakriti,
als das Qualitätlose den Icvara, und diesen qualitätlosen
lcvara als den Ewigen und Obersten.
33. (ii36i.) Als den nach der Prakriti und ihren Quali-
täten Fünfundzwanzigsten erkennen ihn die Weisen, des
Sänkhyam und Yoga Kundigen, nach dem Höchsten Strebenden.
34. (H362.) Wenn sie erweckt sind und, Lebenszustände
und Geburt scheuend, das Inentfaltete (die Prakriti) er-
kennen und durchschauen, dann weisen sie auf das Sich-
gleichbleibende [Hrahman] hin.
35. (U363.) Diese Anschauung ist die richtige, unrichtig
und ein nicht passendes Gleichnis ist das deine, erstere ge-
hört den Erweckten, letzteres den Xichterweckten, beiden
voneinander gesondert, an, o Feindbezwinger.
30. (H364.) Meine Darlegung bezog sieh auf das gegen-
seitige Verhältnis zwischen Vergänglichem und Unvergäng-
lichem, die Einheit ist das Unvergängliche, die Vielheit das
Vergängliche.
37. (11365.) Wenn einer über die fünfundzwanzig im Klaren
richtig denkend verfährt, dann wird ihm die Einheit als rich-
tige Anschauung, die Vielheit als falsche Anschauung gelten.
38. (U3f.r,.) Diese Anschauung unterscheidet zwischen dem
Realität haften und dem Realitätlosen; die ganze Schar der
Fünfundzwanzig erklären die Weisen für das Realitäthafte;
iVX (Iis*;;.) Die Anschauung des Realitätlosen erhebt sich
über alle fünfundzwanzig, über die Schar der Geschöpfe und
ihr Treiben, über das Realitäthafte vom Realitäthaften empor
zum Ewigen.
So lautet Im MokMiHdharm»
die Unterredung rwiichen Vai»it.)itli:i und Kar.iUj:»n:»k:»
(Vauihtha - Kn> lU iui'i.ika ■ ».w.ci.ln;.
Digitized by Google
624
III. Mokshadharma.
Adhyaya 308 (B. 306).
Vers 113G8— 11417 (B. 1-50).
Janaka sprach:
1. (n 368.) Du hast, o Bester der Weisen, über die Viel-
heit und die Einheit gesprochen, aber ich sehe in dem Auf-
schlufs über diese beiden etwas, was mir zweifelhaft bleibt.
2. (H369.) Ferner auch verstehe ich — gewifs nur wegen
der Langsamkeit meines Geistes — nicht recht den Wesens-
unterschied zwischen dem Nichterweckten , dem Erweckten
und dem Erwachenden.
3. (U370.) Was du sodann als den Grund für die Unver-
gänglichkeit und Vergänglichkeit angeführt hast [nämlich die
Einheit und Vielheit] , auch das ist mir wegen der Schwäche
meiner Fassungskraft entfallen, o Untadliger.
4. (H371.) Das also möchte ich hören, die Darlegung der
Einheit und der Vielheit und den Wesensunterschied zwischen
dem Nichterweckten, dem Erweckten und dem Erwachenden,
5. (H372.) ferner den zwischen Wissen und Nichtwissen,
sowie zwischen dem Unvergänglichen und Vergänglichen,
o Heiliger, endlich auch möchte ich in Vollständigkeit von
dem Sänkhyam und dem Yoga erfahren, worin sie sich unter-
scheiden und worin nicht.
Vasishtha sprach:
0. (11373.) Wohlan, ich will dir erklären, wonach du mich
fragst, aufserdem aber vernimm von mir die Praxis des Yoga,
o Grofskönig.
7. (H374.) Die höchste Kraft der Yoga's liegt in der zur
Yogapraxis gehörigen Meditation; diese Meditation erklären
die Kenner der Wissenschaft für zweifach;
8. (H375.) sie besteht in der Konzentration des Manas
und in der Atemregulierung, letztere ist qualitäthaft, erstere
qualitätlos [wohl nirguna zu lesen].
9. (ii37ü.) Während des Harnens und der Kotentleerung
und während des Essens, o Männerherr, in diesen drei Zeiten
Digitized by Google
i
Adhyäya 308 (B. 3U1>).
Gl>5
soll man den Yoga unterlassen, in der übrigen Zeit soll ihn
betreiben, wer ihn hochschätzt.
10. (11377.) Die Sinnesorgane mitsamt dem Manas von
den Sinnendingen abkehrend, soll der Reine den über das
vierundzwanzigste Prinzip [die Prakriti] Erhabenen mit den
zehn oder zwölf
11. (11378.) Reizmitteln (sa nie odanä vgl. unten, Vers 11085),
soll er mit Besonnenheit seinen Atman antreiben, den feststehen-
den, alterlosen, wie dies von den Weisen vorgeschrieben wird.
12. (ii37ü.) Denn für sie ist der Atman allezeit erkenn-
bar, so ist es uns überliefert, denn das Yogagelübde ist nur
da für einen Menschen von ungeschwächtem Geiste, für keinen
andern, das steht fest.
13. (ii38n.) Von aller Weltanhänglichkeit losgelöst, mäfsig
in der Ernährung und seine Sinne beherrschend, soll ein
solcher in der Zeit vor und nach Mitternacht sein Manas in
sich selbst fesseln.
14. (U38i.) Nachdem er die Schar der Sinnesorgane durch
das Manas und das Manas durch die Buddhi zum Stillstande
gebracht hat, o Fürst von Mithilä, soll er unbeweglich wie
ein Fels,
lf>. (11382.) unerschütterlich wie ein Baumstamm, regungs-
los wie ein Berg verharren, dann nennen ihn die in ihrem
Geiste der Satzungsvorschrift Kundigen einen im Yoga Be-
griffenen.
IG. (H383.) Dann hört er nicht, dann riecht er nicht, dann
schmeckt er nicht und sieht er nicht, dann fühlt er keine
Berührung mehr und sein Manas stellt nicht mehr vor,
17. (H384.) dann begehrt er nicht nach irgend etwas und
denkt so wenig wie ein Stück Holz, dann nennen ihn die
Weisen einen [mit seiner Körperlichkeit] in die Prakriti
Zurückgekehrten, einen im Yoga Begriffenen.
18. (H385.) Wie eine an windstillem Orte brennende Lampe
leuchtet er dann; frei von seinem Lingam [von Buddhi usw.]
und unbewegt strebt er nach oben und nicht nach der
Seite hin.
10. (11386.) Dann bekommt er den zu schauen, nach dessen
Anblick er als der im Herzen weilende, innere Atman be-
D«cesiw, Mababh&ratam 40
Digitized by Google
62G
III. Mokshadharma.
zeichnet wird; als Purusha ist er anzuerkennen, o Freund,
von denen, die wie ich denken.
20. (U887.) Wie ein rauchloses siebenflammiges Feuer,
wie die strahlenreiche Sonne, wie das Blitzfeuer im Luft-
räume, so wird ihm sein Ätman in ihm selbst sichtbar.
21. (H388.) Hochsinnige, charaktervolle Weisen, im Schofse
des Brahman ruhende Brahmanen schauen den Ursprung-
losen, Unsterblichen
22. (H389.) und bezeichnen ihn als feiner als das Feinste,
gröfser als das Gröfste; es ist jene unwandelbare, in allen
Wesen weilende, unsichtbare Wesenheit.
23. (H390.) Aus der Fülle der Buddhi mit der Fackel des
Manas wird er geschaut als der Weltschöpfer, wie er dasteht
jenseits der grofsen Finsternis, von Finsternis nicht um-
fangen.
24. (H391.) Er wird als der Finsternisverscheucher be-
zeichnet von den Allwissenden, die den Veda durchstudiert
haben, als der Fleckenlose, Finsternislose, Merkmallose, der
da der Merkmalfreie heifst.
25. (11392.) Das ist der Yoga der Yogabeflissenen, welch
anderes Merkzeichen des Yoga liefse sich geben! So ge-
schieht es, dafs sie den Schauenden schauen, den alterlosen,
höchsten Atman.
26. (U393.) Damit habe ich dir das Yogasystem der Wahr-
heit gemäfs dargelegt, nun will ich dir das Sänkhya wissen
mitteilen, das System der vollständigen Aufzählungen.
27. (H394.) Als das Unentfaltete bezeichnen die oberste
Prakriti die, welche die Prakriti verstehen. Aus diesem ist
als zweites das grofse Prinzip (Mahat) hervorgegangen, o
Bester der Könige,
28. (11395.) aus dem grofsen Prinzip als drittes der Ahan-
kära, wie wir aus der Schrift wissen, aus dem Ahankära die
fünf Elemente, wie die des Sänkhyam kundigen Meister lehren.
29. (ii 3<»6.) Dieses sind die acht schöpferischen Prinzipien
fprdkritayahj und zu ihnen kommen sechzehn, welche blofs
Umwandlungen sind, nämlich die fünf [aus den Elementen
stammenden] Vircshas (spezifische Qualitäten) sowie die fünf
Sinne [nebst den fünf Tatorganen und Manas].
Digitized by Google
i
Adhyäya 308 (B. 306).
627
30. (11397.) Soviele Prinzipien umfafst das Sankhyam, wie
die Weisen sagen, sie, welche der Satzung und Anordnung
im Sankhyam kundig sind und immerfort an dem Wege der
Sänkhyalehre sich erfreuen.
31. (U39S.) Woraus etwas entsteht, darin wird es auch
wieder zunichte; [die genannten Prinzipien] werden zunichte
(Ihjante mit C.) in umgekehrter Folge als die, in der sie
durch den innern Atnian geschaffen werden.
32. (11399.) Fort und fort entstehen in der natürlichen
Folge und vergehen in der umgekehrten Folge die Guna's
[hier: Prinzipien] in den Guna's wie die Wellen des Ozeans.
33. (ii 400.) So ist es mit der Schöpfung aus der Prakriti
und dem Vergang in sie bestellt, o Bester der Könige: zur
Einheit wird diese Welt beim Vergang, zur Vielheit, wenn
die Prakriti sie aus sich entläfst.
34. (luoi.) So ist es zu erkennen, o Fürst der Könige,
von den der Lehre Kundigen : [man mufs unterscheiden] den
Vorsteher und das Unentfaltete, dafür liegt in dem Gesagten
der Beweis.
35. (1U02.) Jener, der aller Zwecke kundig ist, [schafft]
die Einheit und die Vielheit der Prakriti, die Einheit, wenn
die Welt vergeht, die Vielheit, wenn er sie aus ihr entwickelt.
30. (11403.) Viele Male befruchtet der Atman die zum Ge-
bären bestimmte Prakriti, und ihr als dem Ackerfelde (kshr-
tramj steht der Mahän Atma als der fünfundzwanzigste vor.
37. (H404.) Als Vorsteher, o Fürst der Könige, wird er
bezeichnet von den Besten der Selbstbezwinger; weil er
den Verkörperungen (kshetrumj vorsteht, heifst er der Vor-
steher, so lehrt die Schrift.
38. (11405.) Als Kshetram (Ort) kennt er das Unentfaltete,
darum heifst er Kshetrajna (der Ortskennerj; in das aus dem
Unentfalteten Stammende geht er ein und wird dann als
Purusha bezeichnet.
3f. (H40G.) Ein anderes ist das Kshetram, ein anderer der
Kshetrajna; als Kshetram bezeichnen sie das Unentfaltete,
als den, der es erkennt, den Fünfundzwanzigsten.
40. (luoi.) Ein anderes ist das Objekt, ein anderes das
Subjekt der Erkenntnis; Erkenntnisobjekt (jnämim!) ist die
40*
Digitized by Google
628
III. Moksliailliarma.
Prakriti, Erkenntnissubjekt fjhfyaüj ist der Fünfundzwan-
zigste.
41. (mos.) Als unentfaltet gilt das Kshetram, ebenso das
Sattvam, ebenso der lcvara; eine ievaralose und wesenlose
Wesenheit ist jenes Fünfundzwanzigste.
42. (luoy.) Soweit erstreckt sich das Sänkhyawissen, das
System der vollständigen Aufzählungen, wie es die Säiikhya's
aufstellen und dabei die Prakriti proklamieren.
43. (ii 4io ) Und nachdem die Säfikhya's die vierundzwanzig
Wesenheiten nach ihrem Wesen aufgezählt haben, zu welchen
auch die Prakriti gehört, gilt ihnen als nicht wesenhaft der
Fünfundzwanzigste.
44. (ii4ii.) Der Fünfundzwanzigste, prakritifreien Wesens,
ist derjenige, welcher erweckt wird, und wenn er sich selbst
erweckt, so wird er absolut und erlöst.
45. (1U12.) Damit habe ich dir die vollkommene Erkennt-
nis der Wahrheit gemäfs dargelegt; wer sie in dieser Weise
erkennt, der geht zur Gleichheit [mit dem Höchsten] ein.
40. (H413.) Damit liegt die vollkommene Darlegung vor
Augen in betreff der Prakriti, ihrer Guna's, Prinzipien usw.,
und zwar liegt dies alles so vor Augen für die, die von den
Guna's frei geworden sind.
47. (1U14.) Wer ein solcher ist, für den gibt es keine
Wiederkehr mehr, für ihn, der unvergänglich geworden ist,
gibt es nur noch das Unüberbietbare, Höchste, Ewige.
48. (H415.) Die Anderen schauen mit einem auf die Viel-
heit gerichteten Geiste, bei ihnen ist die vollkommene Er-
kenntnis nicht zu finden, sie verfallen immer wieder und
wieder dem Entfaltetwerden,, o Feindbezwinger.
49. (ii 4 ig.) Weil sie zwar alles dieses hier kennen, aber
nicht das All kennen, werden sie dem Entfaltetwerden anheim
fallen und in der Knechtschaft des Entfalteten verharren.
50. dun.) Alles hier wird von der Prakriti befufst, alles
das nicht ist der Fünfundzwanzigste; die, welche ihn er-
kennen, haben keine Furcht mehr.
So lautet im Mokahadharina
<Ho Unterredung zwischen Vasishtha und Ka:&lajanaka
( Vusuh'ha - Kardlajanaka-tamcdda).
Digitized by Google
Adhyaya 309 (B. 307).
629
AdliyAya 3O0 (B. 307).
Vers U4l8-U4tö (B. 1-43).
Vasishtba sprach:
1. (juis.) Damit habe ich dir das Sänkhyasystem dar-
gelegt, o Bester der Fürsten, nun lerne von mir das Wissen
und das Nichtwissen, eines nach dem andern, kennen.
2. (11419.) Nichtwissen nennen sie die alles Entstehen und
Vergehen umfassende Prakriti, das Wissen als von allem Ent-
lehen und Vergehen frei, — das ist der Fünfundzwanzigste.
X Mi 420.) Das Wissen in seiner Stufenfolge vernimm in
richtiger Ordnung, wie es als die Einzeldarlegung der Sänkhya-
lehre von den Rishi's überkommen ist, o Freund.
4. Mi 421.) Auf alle Tatorgane sich beziehend ist das
Wissen von den Erkenntnisorganen, auf die Erkenntnisorgane
*ich beziehend ist das Wissen von den Vicesha's (spezifischen
Qualitäten),
5. Mi 42» ) das auf diese Vicesha's sich beziehende Wissen
i>t das Manas, wie die Weisen sagen, das Wissensgebiet des
Manas sind die fünf Elemente.
fi. mi 423.) Das Wissen von den fünf Elementen ist der
Ahankara, das steht fest. Das Wissen vom Ahankära ist die
liuddhi, o Männerherr.
7. mi 424.) Das Wissen von den Prinzipien ist die Ober-
herrin Prakriti als das Unentfaltete, das Wissen mufs man
erkennen, o Bester der Männer, und das ist das höchste Gebot.
H. Mi42ü) Als das Wissen von der Prakriti verkünden
Me den Höchsten, den Fünfundzwanzigsten, auf alles Wifs-
bare bezieht sich das Allwissen, o Fürst.
!*. M1426.) Erkenntnisobjekt fjitunam.'J ist die Prakriti,
Erkenntnissubjekt {jnrya.'.'J ist der Fünfundzwanzigste |vgl.
oben, Vers n 4«nJ, somit ist das Erkenntnisobjekt die Prakriti,
und der Erkenner (rijnalaj ist der Fünfundzwanzigste.
10. mi 427.) Damit habe ich dir im einzelnen das Wissen
nach seinem Sinn und Wesen mitgeteilt; lafs dich nunmehr
von mir belehren über das Unvergängliche und das Vergäng-
liche, welche du erwähntest.
Digitized by Google
630
III. Moktihadhanna.
11. (11428.) Beide werden als unvergänglich bezeichnet,
und beide auch wiederum als nicht unvergänglich; die Ur-
sache davon will ich dir der Wahrheit gemäfs auf Grund der
Erkenntnis erklären :
12. (11429.) Beide sind anzusehen als anfanglos und end-
los, beide als Icvara's (Gottherren); als Prinzipien werden
beide bezeichnet von denen, welche der Erkenntnis hin-
gegeben sind.
13. (H430.) Weil sie alles Entstehen und Vergehen in sich
befafst, heifst die Prakriti unvergänglich ; um die Evolutionen
fgunaj hervorzubringen, wandelt sie sich immer wieder
aufs neue.
14. (ii43i.) Die Evolutionen, der Mahän und die folgen-
den, entstehen die eine aus der andern; andererseits be-
zeichnet man auch jenes Fünfundzwanzigste, sofern es [dem
Kshetram] vorsteht, gleichfalls als Kshetram [und mithin als
vergänglich].
15. (11432.) Wenn nämlich einer das Netz der Evolutionen
in dem un entfalteten Selbste (der Prakriti) zusammenfafst,
dann wird zugleich mit den Evolutionen auch der Fünfund-
zwanzigste latent (praliyaie).
16. (1U33.) Die Evolutionen gehen in die Evolutionen
zurück, und schliefslich bleibt die Prakriti als einziges, und
wenn dann auch der Kshetrajfia, o Freund, in dem Kshetram
latent wird,
17. (H434.) dann gelangt die Prakriti zu ihrer Unver-
gänglichkeit, indem sie sich nicht mehr mit Evolutionen be-
fafst; zu ihrer Evolutionslosigkeit gelangt sie, o Fürst der
Videha's, indem sie sich nicht mehr in Evolutionen ergeht.
18. (11435.) Ebenso steht es mit dem Kshetrajfia (dem
Ortskenner), da ihm die Möglichkeit, einen Ort (kshetram)
zu erkennen, benommen ist. Aber von Natur ist er gunalos,
so haben wir es aus der Schrift gelernt.
19. (H436.) Und wenn er vergänglich [d. h. individuell]
wird, dann vermag er die Prakriti als das allein Gunahafte
und sich selbst als gunalos zu erkennen.
20. (H437.) Dann wird er zu einem Reinen, weil er sich
von der Prakriti lossagt, wenn er als ein Erweckter zu dem
Digitized by
Adhy&ya 309 (B. 307).
631
Bewufstsein gelangt: „ein anderer bin ich und eine andere
ist sie."
21. (1U38.) Dann gelangt er zu seiner wahren Wesenheit
und geht keine Mischung mehr ein, denn im andern Falle
zeigt er sich als vermischt mit der Prakriti, o Fürst der Könige.
22. (H439.) Wenn er aber das ganze aus der Prakriti
stammende Netz der Guna's verabscheut und den höchsten
Schauenden [den Atman] schaut, dann wird er nicht satt des
Schauens.
23. (1H40.) Was habe ich bisher gemacht, [so denkt er]
der ich diese Zeit hindurch in einer Persönlichkeit wie ein
Fisch im Netze aus Unwissenheit hienieden gefangen war.
24. (1U41.) Aus Betörung nur habe ich mich aus einer
Persönlichkeit in die andere verstrickt, wie ein Fisch, der
[das Netz] für freies Wasser hält.
25. (H442.) Wie ein Fisch aus Unwissenheit die Ver-
schiedenheit [des Netzes] vom Wasser nicht merkt, so er-
kannte ich aus Unwissenheit mich selbst nicht als ein Anders-
sein [als vom Körper verschieden].
26. (H443.) Wehe mir Unerwecktem, der ich mich aus
einer Persönlichkeit in eine andere, wiederum [im Sarisära]
versunkene Persönlichkeit gestürzt habe.
27. (1U44.) Dieser [Atman] hier ist mein wahrer Ver-
wandter, nur mit ihm zu sein ist mir möglich, zur Gleich-
heit und Einheit mit ihm gelangt, bin ich erst wirklich, der
ich bin.
28. (11445.) Ich sehe schon hienieden die Gleichheit, ich
bin seines Wesens, er ist fleckenlos, und es ist offenbar,
dafs ich eben ein solcher bin.
29. (H446.) Nur aus der Verblendung des Nichtwissens
habe ich mich in die unbewufste, anhangbehaftete [Prakriti]
verstrickt, aber nunmehr stehe ich da als ein Anhangloser.
30. (11447.) Durch sie wurde ich Unwissender jene Zeit
hindurch geknechtet, wie mag ich bei ihr, der Gebieterin
über Hohes, Mittleres und Niederes, weilen!
31. (11448.) Wie mag ich aus unerweckter Sinnesart mit
ihr, der Gemeinen, ein Zusammenleben hier pflegen! Jetzt
bin ich fest in dem, was ich bin.
Digitized by Google
632
III. Mokshadhanna.
32. - (it449.) Ich will nicht mehr mit ihr zusammenwohnen,
wenn ich auch eine Zeitlang in dieser Weise als Tor mich
von ihr habe betören lassen, ich, der Unwandelbare, von ihr,
der Wandelhaften.
33. (11450.) Und doch war es nicht ihre Schuld, auf meiner
Seite liegt die Schuld, der ich an ihr hing und unbedachter-
weise ihr nahte.
34. (H451.) Infolgedessen weilte ich, der Gestaltlose, in
vielen Gestalten und gestaltet habe ich, der Gestaltlose, mich
durch Egoismus blofsgestellt.
35. (11452.) Durch den aus der Prakriti stammenden Egois-
mus in diese und jene Mutterschöfse eingehend, was hatte
ich, der Ichlose, mit der Ichheit in ihnen allen zu schaffen,
36. (H453.) dafs ich in diesen Mutterschöfsen verlorenen
Bewufstseins weilte? Ich habe nichts mehr zu schaffen mit
ihr, die den Ahankara (Egoismus) zu ihrem Wesen hat
37. (11454.) und die, sich selbst vervielheitlichend, auch
mich abermals zu unterjochen strebt; nunmehr bin ich er-
weckt, frei von Selbstsucht, frei von Ichbewufstsein.
38. (H455.) Das Ichbewufstsein, welches durch sie von
jeher mit dem Egoismus (ahankara) durchdrungen worden
ist, habe ich aufgegeben, habe sie hinter mir gelassen und
nehme meine Zuflucht zu dem Krankheitlosen.
39. (H456.) Zur Identität mit ihm werde ich gelangen,
nicht mit ihr, der Geistlosen; friedliches Wohnen bei ihm
werde mir zuteil, nicht Vereinigung mit ihr.
40. (11457.) So geschieht es, dafs der Fünfundzwanzigste,
durch Innewerdung des Höchsten zur Erweckung gelangt,
das Vergängliche aufgibt und sich des Unvergänglichen,
Krankheitlosen bemächtigt.
41. (H45S.) Wer erkennt, wie das Unentfaltete zum Ent-
falteten und das Gunalose zum Gunahaften wird, und wer
dabei das Gunalose als das Höhere erkennt, der wird zu ihm,
o Fürst von Mithila.
42. (1H59.) Damit habe ich dir die auf Wissen gegründete
Darlegung des Unvergänglichen und des Vergänglichen ge-
geben auf Grund der inrVeda überlieferten Darlegung.
43. (H4G0.) Nunmehr will ich dir darlegen, wie es mit dem
Adhyäya 309 <B. .307).
<»33
Zweifelfreien, schwer Erkennbaren, Erwachten, Fleckenlosen
bewandt ist, vernimm auch dies dem Vedaworte gemäfs.
44. (11461.) Ich habe dir vom Sänkhyam und Yoga ge-
sprochen und sie als zwei verschiedene Lehren hingestellt,
aber was ich als Sänkhyalehre mitteilte, ebendasselbe ist das
Yogasystem.
45. (H462.) Als die Erweckung vollbringend wurde die
Erkenntnis der Sänkhya's, o Erdeherr, hier deutlich mitgeteilt
zum Besten der Lernenden.
40. (1H63.) Und gewaltig ist diese Lehre, wie die Weisen
anerkennen; aber auch für dieses System der Yoga's sind
im Veda die Vorgänger [Plural mit C.] zu finden.
47. (H46i.) Ja, keine höhere Wesenheit gibt es als den
Fünfundzwanzigsten, o Männerherr, und dieser wird als die
höchste Wesenheit der Wahrheit gemäfs von den Sänkhya's
dargestellt,
4-s. (H465.) als der aus der Nichterwecktheit Erwachende
und in Wahrheit Erwachte; und ebendiesen Erwachenden
und Erweckten verkünden sie als den Ivehrinhalt des Yoga.
So lautet im Mokahadhanna
die Unterredung zwischen Vaninlithi» und Knnllaj.mnka
C Vaiish'ha - Kai dhijanalii ■ s<ni<ni<ltt .
AtlhyAya 310 (B. 3Ü8).
Vers 114 GG — 11 517 (13. 1-51).
Yusishtha sprach :
1. (U46G.) Vernimm nunmehr die Lehre von dem Erweck-
ten und dem Unerweckten, sowie die Lehre von den Guna's.
Indem Er sich selbst vielfach macht, bringt er alle diese
[Gestalten] zur Erscheinung,
2. (1U67.) und indem er sich in dieser Weise umwandelt,
ist der des Erwachens Fähige nicht wach; er trägt die Evo-
lutionen, schafft sie und zieht sie wieder ein.
3. (H46s.) So wandelt er sich ohne I'nterlafs spielens-
halber, o Männerherr; sofern er aber das I nentfaltete erkennt,
nennen sie ihn den Erkennenden (Erwachenden).
Digitized by Google
634
III. Mokshadharma.
4. (1U69.) Nicht aber kann das Unentfaltete (die Prakriti)
das Gunahafte oder das Gunalose erkennen, darum nennt
man dieses Unentfaltete zuweilen auch mit Recht das Un-
erweckbare.
5. (H470.) Obgleich aber jenes fdnfundzwanzigste Prinzip
das Unentfaltete erkennt, so ist er, obgleich erkennend,
doch mit Weltanhänglichkeit behaftet, so lehrt die Schrift;
(U47i.) durch ihn ist sie (die Prakriti, das Unentfaltete) noch
nicht [vollständig] erkannt worden, so sagen sie im Hinblick
auf das Unentfaltete, Unerschütterliche.
6. Weil er das Unentfaltete erkennt, nennt man ihn aller-
dings den Erkennenden, (11472.) ihn, den Fünfundzwanzigsten,
den Mahän Ätmä, und doch ist er nicht wahrhaft erkennend
(erwacht).
7. Nur das Sechsundzwanzigste (vgl. Mändükya-
Kärikä 2,26; Sechzig Upanishad's, S. 586), das fleckenlose,
erweckte, unermefsliche , ewige, (11473.) erkennt für und für
das fiinfundzwanzigste und das vierundzwanzigste Prinzip.
8. Dabei geschieht es, o Glanzreicher, dafs er das seiner
Natur nach im Sichtbaren und Unsichtbaren sich ergehende
(11474.) Unentfaltete erkennt, er, der das absolute Brahman
ist, o Freund.
9. Weder den Absoluten noch den Fünfundzwanzigsten
schaut das Vierundzwanzigste. (11475.) Aber wenn er [der
Fünfundzwanzigste], erwachend, von sich selbst weifs: „ich
bin ein anderer",
10. dann wird er von der Prakriti frei und durchschaut
das Unentfaltete. (11 476.) Und wenn er zu dieser höchsten,
fleckenlosen, reinen Erkenntnis erwacht ist,
11. dann gelangt er so, 0 Königstiger, als Sechsund-
zwanzigster zur Erwecktheit. (11 477.) Dann läfst er das Un-
entfaltete fahren, welches sich in Schöpfung und Vergang
bewegt.
12. Als Gunaloser erkennt er die Prakriti als gunahaft
und ungeistig (11 478.) und wird zum Absoluten, weil er das
Unentfaltete durchschaut hat.
13. Mit dem Absoluten eins geworden und erlöst, gelangt
er zu seinem wahren Selbste. (11479.) Das ist die Wesenheit,
Digitized by Google
AdhyAya 310 (B. 308).
635
welche man als das Wesenlose, Alterlose, Unsterbliche be-
zeichnet.
14. Weil dieses zu seiner wahren Wesenheit gelangt ist,
heifst es wesenhaft und auch nicht wesenhaft, o Ehrenspender,
m**u denn der Wesenheiten zählen die Weisen nur fünf-
undzwanzig.
15. Er aber ist in Wahrheit nicht wesenhaft, sondern als
Erweckter ist er wesenlos; (lusi.) als solcher streift er alsbald
die Wesenheit ab, das ist das Kennzeichen der Erwecktheit.
16. „Ich bin der Sechsundzwanzigste", durch diese Er-
kenntnis wird er, der Weise, Alterlose, Unsterbliche, ergriffen,
uitsi.) und durch die blofse Kraft [dieser Erkenntnis] gelangt
er zur Identität mit ihm, das ist gewifs.
17. Ist er aber durch den wachen Sechsundzwanzigsten
erweckt worden, so ist er weiter erkenntnislos, (n*83.) denn
dieses [Gegenüberstehen von Subjekt und Objekt beim Er-
kennen] wird noch für eine Vielheit erklärt nach Anschauung
der Sankhya's und der Schrift.
1H. Denn für den Fünfundzwanzigsten, welcher mit dem
rein Geistigen zur Einheit zusammenfliefst, (ims4.) besteht
diese Einheit erst dann, wenn er nicht mehr durch die Buddhi
erkennt.
11*. Und ist er erweckt worden (lies: hudhyamanah) , so
gelangt er zur Identität mit jenem Wachen, o Fürst von
Mithilä; uuss.) er, der mit Weltanhänglichkeit behaftet war,
wird zu einem von Weltanhänglichkeit Freien, o Männerherr.
20. Und nachdem er den von Weltanhänglichkeit Freien
erlangt hat, den Sechsundzwanzigsten, Ewigen, Allgegen-
wärtigen, fiii8<5.) läfst er, selbst allgegenwärtig, die I'rakriti
fahren, indem er erkennt, dafs all dieses
21. Vierundzwanzigfache wertlos ist, wenn man zum
^echsundzwanzigsten erwacht ist. di^'.i Damit ist dir, o Un-
tadliger, von mir der Unerweckte und der Erwachende
22. sowie auch der Erweckte der Wahrheit gemäfs
und der Schriftanschauung entsprechend dargelegt worden;
soviel von der Vielheit und von der Einheit gemäfs
der Anschauung des Lehrsystems.
23. Wie die der Fliege und des Feigenblattes, so ist die
I
636 HI. Mokshadharma.
Verschiedenheit jener beiden; (11489.) wie die des Fisches und
des Wassers, so ist ihre Verschiedenheit anzusehen.
24. In dieser Weise ist die Verschiedenheit und die Ein-
heit beider [des Purusha und der Prakriti] zu erkennen,
(1H90.) und das heifst ihre Erlösung und wird bewirkt durch
das Erkanntwerden der Prakriti.
25. Unter dieser Schar der fünfundzwanzig, welche in
den Körpern weilt, (i 1-491.) ist er loszulösen aus dem Bereiche
der Prakriti, so wird es gelehrt.
26. Darin besteht seine Erlösung und in nichts anderm,
das ist gewifs, (11492.) verschieden ist er und von verschiedener
Beschaffenheit, obgleich er sich [mit der Prakriti] verbunden hat.
27. Rein wird er durch das Reine, erweckt durch das
Erweckte, ( 11 493.) erlöst durch das Erlöste, mit welchem er
eins wird, o Männerstier.
28. Dann ist er befreit von dem trennenden Prinzip.
(H4H4.) und indem er eins wird mit dem erlösenden Prinzip,
kommt die Erlösung hienieden zustande.
29. Reines wirkend und rein wird er, unermefsliches
Licht ausstrahlend, (11495.) fleckenlos wird er, nachdem er
mit dem ewig Fleckenlosen eins geworden ist.
30. Mit dem Absoluten vereinigt, wird er selbst absolut:
(H496.) durch das Freie befreit, erlangt er die Freiheit.
31. (11497.) Soweit habe ich dir diese Wahrheit ent-
hüllt, o grofser König, nach Sinn und Wesen; wer die
Selbstlosigkeit als Ziel sich setzt, der wird zu dem ewigen,
reinen, uranfänglichen Brahman.
32. (11498.) 0 König, dieses Höchste darfst du nie-
mandem mitteilen, der nicht im Veda feststeht (lies:
nävedatiishthasya); diese erweckungwirkende, für den
Erkenntnisdurstigen und Geneigten bestimmte Lehre darf
einem Neuerungssüchtigen
33. (11499.) nicht mitgeteilt werden und ebensowenig
einem Unwahren, Falschen, Unmännlichen, Hinterlistigen
oder einem, der mit seinem gelehrten Wissen andere
quält. Wem es aber mitzuteilen ist, das vernimm:
34. (11500.) Wer reich an Glauben, reich an Tugend
ist, niemals seine Freude daran hat, andere zu tadeln,
Digitized by Googl^
Adhyäya 310 (B. SOS).
G37
wer reine Hingebung übt, stets besonnen, tätig, geduldig
und wohlwollend ist,
35. (liuoi.) von edlem Charakter, das Gesetz liebend,
der Nachrede sieh enthaltend, wohlbewandert in der
Schrift und der Erkenntnis zugetan, wer nichts Böses
sehen kann, sondern der Bezähmung und der Ruhe
mächtig ist, dem darf es mitgeteilt werden.
.30. (H502.) Wenn aber einer dieser Tugenden ganz
und gar ermangelt, so darf dieses höchste, reine Brah-
man ihm nicht mitgeteilt werden; nicht zum Heile wird
dem Pflichtlehrer gereichen, was er an einem solchen
tut, weil er es einem Unwürdigen mitgeteilt hat.
37. (11503.) Einem solchen Gelübdelosen darf es nicht
mitgeteilt worden, und böte er auch dafür diese Erde
mit allen ihren Schätzen, aber wenn einer bezähmte Sinne
hat, so darfst du ihm ohne Bedenken dieses Höchste mit-
teilen, o Männerfürst.
38. (11504.) 0 Karäla, keine Furcht möge dich mehr
anwandeln, nachdem du heute dieses höchste Brahman
vernommen hast, welches, richtig mitgeteilt, die höchste
Läuterung bewirkt, als das Kummerlose, ohne Anfang,
Mitte und Ende Soicnde,
31). (11505.) das seinem Ursprung nach Unerforschliche,
Unsterbliche, o König, das Krankheitlose, Furchtlose,
Selige. Durchschaue die Verblendung und gib nunmehr
alles (sein- am mit C.) auf, nachdem du dieses als Wesen
und Inhalt des Wissens erkannt hast.
40. (H506.) Diese ewige Lehre habe ich erhalten von
Iliranyagarbha [dem lapila rishi, (,'vet. Up. 5,2; vgl.
Sechzig Upanishad's, S. 304], der sie mir verkündigte,
o Fürst, nachdem ich ihn, den gewaltig Geistigen, der
das ewige Brahman ist, mit Fleifs gnädig gestimmt hatte,
gerade so wie ich heute von dir [gnädig gestimmt wurde].
4L (11507.) Und so wie ich von dir befragt worden
bin, o Fürst der Männer, und dir dieses heute mitgeteilt
habe, so habe ich von Gott Brahman [d. i. Iliranyagarbha]
das grofse Wissen erlangt, o Männerfürst, welches das
höchste Ziel der Erlösungskundigen bildet.
Digitized by Google
638
III. Mokshadharma.
Bblshma sprach:
42. (H508.) Damit ist dir das höchste Brahman verkündigt
worden, von welchem es keine "Wiederkehr gibt, der Fünf-
undzwanzigste, o grofser König, gemäfs der Belehrung durch
den höchsten Weisen.
43. (11509.) Jedoch wieder zurückkehren mufs einer auch
nach Erlangung der höchsten Erkenntnis, wenn er nicht als
ein Erweckter zum Alterlosen, Unsterblichen erwacht ist.
44. (ii5io.) Dieses Seligkeit bewirkende, höchste Wissen
ist dir der Wahrheit gemäfs von mir mitgeteilt worden,
o Freund, nachdem ich es von dem Götterweisen überkommen
habe, o Fürst.
45. (lisii.) Von Hiranyagarbha empfing es der hochsinnige
Weise Vasishtha, und von Vasishtha, dem Tiger der Weisen,
hat es Narada erlangt.
46. (11512.) Von Narada habe ich dieses ewige Brahman
empfangen ; trauere nicht mehr, o Fürst der Kuru's, nachdem
du jene höchste Stätte kennen gelernt hast.
47. (H513.) Wer das Vergängliche und das Unvergäng-
liche gefunden hat, für den besteht keine Furcht mehr,
o Erdeherr, wohl aber besteht Furcht für den, der es nicht
kennt, o Fürst.
48. (lisii.) Durch Nichtwissen geistig umnachtet, ver-
strickt er sich immer wieder und wieder und gelangt auch
nach seinem Tode zu tausend Neugeburten, die einen Tod
zur Folge haben.
49. (11515.) Die Götterwelt oder ein tierisches oder ein
menschliches Dasein erlangt er, bis dafs er im Laufe der
Zeiten sich von diesem Ozean des Nichtwissens rein macht.
50. (iisig.) Denn ein furchtbarer, dunkler, unergründlicher
Ozean des Nichtwissens ist es, in welchem Tag für Tag die
Wesen versinken, o Bharata.
51. (U517.) Du aber, weil du aus diesem unergründlichen,
dunklen, ewigen Ozean herausgestiegen bist, darum bist du
befreit vom Rajas und auch vom Tamas frei, o Erdeherr.
So lautet im Mokshadharma
die Unterredung zwischen Vasishtha und Kar&lajanaka
f Vasüh'ka - hardl^anaka- tan.rAda).
Digitized by Google
Adhyäya 311 (B. 309).
639
AMiyftya 311 (B. 3O0).
Vers 11518-11542 (B. 1-25).
Bhishma sprach:
1. (11518.) Ein Sohn des Janaka ging in menschenleerer
Gegend auf die Jagd ; da sah er im Walde einen Brahmanen-
fürsten, einen Weisen aus dem Geschlechte des Bhrigu.
2. (H519.) Dem dasitzenden Muni nahte er, verehrungs-
voll sein Haupt neigend, und nachdem er seine Einwilligung
erlangt hatte, befragte ihn der schätzereiche Fürst folgender-
mafsen :
3. (U520.) 0 Heiliger, was ist wohl das Heilsamste nach
dem Tode oder schon hienieden für den Menschen, der in
dem unbeständigen Leibe der Herrschaft der Begierde unter-
worfen ist?
4. (11521.) Nachdem der Hochsinnige, Askesereiche so
unter Ehrenerweisungen befragt worden war, sprach er zu
ihm das folgende heilbringende Wort.
Der Rishi sprach:
5. (U522.) Du wünschest zu wissen, was hier und im
Jenseits dem Geiste erfreulich ist, so lasse doch ab von dem,
was den Wesen unerfreulich ist, und bezähme deine Sinne.
G. (U523.) Das Gute ist das Heilsame für edle Menschen,
das Gute ist der Hort der Edlen, aus dem Guten sind die
drei Welten mit Beweglichem und Unbeweglichem hervor-
gegangen.
7. (H524.) 0 du Genufssüchtiger ! warum strebst du nicht
danach, zur Begierdelosigkeit zu gelangen V Den Honig am
Abgrunde siehst du Tor, aber den Abgrund sielist du nicht.
8. (H525.) Wie das Wissen sammeln mufs, wer seine
Frucht begehrt, so mufs das Gute sammeln, wer seine Frucht
begehrt.
9. (11526.) Für einen Nichtguten ist. auch wenn er nach
dem Guten verlangt, ein reines Werk schwer zu vollbringen,
aber für einen Guten, wenn er nach dem Guten verlangt, ist
auch dieses Schwere leicht zu vollbringen.
Digitized by Google
640
III. Mokshadharma.
10. (11527.) Wer am Dorf leben seine Lust hat, der bleibt
ein Freund des Dorflebens, auch wenn er im Walde wohnt,
und wer am Waldleben seine Lust hat, der bleibt ein Freund
des Waldlebens, auch wenn er im Dorfe wohnt.
11. (H628.) An das Gute in Gedanken, Worten und Werken
fasse Glauben und gib dich ihm hin, indem du dir bei allem
Tun und Lassen die Tugend und die Untugend vor Augen
stellst.
12. (11529.) Allezeit soll man den Guten reichlich und ohne
Murren spenden, was sie erbitten, indem man nach Zeit und
Ort richtig verfährt, treu seinem Gelübde und rein.
13. (ii53o.) Was man auf gerechte Weise erworben hat,
soll man dem Würdigen zukommen lassen, man soll es geben
ohne Zorn, Reue und Rühmen.
14. (H631.) Wohlwollend, lauter, bezähmt, Wahrheit redend,
in Rechtschaffenheit beharrend und durch Geburt und Werke
rein, als solcher ist der vedakundige Zwiegeborene ein
Würdiger.
15. (11532.) Eine in ritueller Weise geheiratete alleinige
Gattin wird für die Geburt als Ursprung hienieden verlangt;
wer als solcher Rig-, Yajur- und Samaveda studiert hat und
kundig die sechs Werke [Lernen und Lehren, Opfern für sich
und andere, Geben und Nehmen] betreibt, der ist ein Würdiger.
IG. (11533.) Damit ist gesagt, was Pflicht und Nicht-Pflicht
jedem einzelnen gegenüber ist hinsichtlich der Würdigkeit,
des Werkes, des Ortes und der Zeit.
17. (H534.) Wie man leicht wie im Spiel einen kleinen
Staubflecken von seinem Körper wegwischt, einen grofsen
aber nur mit Mühe, so ist es auch mit der Reinigung vom
Bösen.
18. (H535.) Wie erst nach innerer Reinigung die getrunkene
Schmelzbutter recht heilbringend ist, so bringt auch nur dem,
der sich vom Bösen gereinigt hat, die Pflichterfüllung nach
dem Tode Glückseligkeit.
Ii). (11536.) Auf Gesinnung beruhend ist bei allen Wesen
das Gute wie das Böse, dem Bösen allezeit abgewandt, soll
man sich dem Guten zuwenden.
20. (11637.) Alles, überall und an jedem soll man ehren,
Digitized by Google
Adhy Aya 311 (B. 300).
wenn es geschieht in Erfüllung der ihm zukommenden Pflicht,
und auch wo die Leidenschaft dich fortreifst, möge wider
Willen fakämam) pflichtmäfsig gehandelt werden.
21. (H538.) O Unbeständiger, erhebe dich zur Beständig-
keit; o Tor, lafs ab von deiner Torheit, du, der du friedlos
bist, gelange zum Frieden, der du un weise bist, handle als
Weiser!
22. (H539.) Das Mittel dazu läfst sich durch Energie als
ßundesgenossin erlangen; das Heil hienieden und im Jenseits
hat als Wurzel die höchste Beständigkeit.
23. (H540.) Wegen Unbeständigkeit [d. h. Mangel an Selbst-
beherrschung, vgl. Mahäbh. I, Adhy. 96] ist der Königsweise
Mahäbhisha aus dem Himmel gestürzt worden, während Yayati,
obgleich seine guten Werke verbraucht waren, durch Be-
ständigkeit den Himmel erlangte [vgl. Mahäbh. V, Adhy. 122
(B. 123)].
24. (H541.) Durch Umgang mit Asketen, Pflichttreuen und
Weisen wirst du grofse Einsicht erlangen und des Heiles
teilhaftig werden.
Bhlshma sprach:
25. (H542.) Nachdem der von Natur gute Fürst diese Rede
des Muni vernommen hatte, wandte er seinen Sinn von der
Begierde ab und richtete seinen Geist auf die Pflicht.
So lautet ira Moktlia<iliartna die Belehrung de« Januka
( Januka- an>i<;(i\an<tm).
Adhyftya »12 (B. 31G).
Vers HM.'l-ll.WS (B. 1—2(5).
Yuilhishthira sprach :
1. (U548.) Was jenseits von Gutem und Bösem, frei von
allem Zweifel, frei von Geburt und Tod, erhaben über Heiliges
und Schlechtes,
2. (11544.) selig, ewig und furchtlos, beständig, unzerstör-
bar, unvergänglich, rein, beharrlich und unermüdlich ist, das
mögest du, o Herr, mir sagen.
Dfci'weEif, MahAbharatam. 41
Digitized by Google
G42
III. Mokshadharma.
Bhishma sprach:
3. (11545.) Darüber will ich dir eine alte Geschichte mit-
teilen, o Bhärata, nämlich die Unterredung des Yäjfiavalkya
mit dem König Janaka.
4. (11546.) Dem Yäjfiavalkya, dem Besten der Rishi's, dem
Fragelöser, legte König Janaka, der hochberühmte Nach-
komme des Devarata, eine Frage vor.
Janaka sprach :
5. (11547.) Wieviel Sinnesorgane gibt es, o Brahmanen-
rishi, und wieviel schaffende Potenzen, was ist das un entfaltete
höchste Brahman, und was ist das noch darüber Erhabene?
6. (U548.) Auch den Ursprung und Vergang und die Be-
rechnung der Zeiten mögest du mir mitteilen, der ich es von
deiner Gnade erbitte, o Brahmanenfürst.
7. (11549.) Aus Unwissenheit frage ich, du bist ja ein
Ozean von Wissen ; über alles dieses wünsche ich eine zweifels-
freie Belehrung zu empfangen.
Yajnavalkya sprach:
8. (11550.) Vernimm, o Erdbeschützer, wonach du mich
befragst, die höchste Erkenntnis der Yoga's und der Sänkhyas
in ihrer Besonderheit.
9. (11551.) Zwar ist dir das alles schon bekannt, aber da
du mich danach fragst, so mufs ich auf deine Frage antworten,
das ist ewige Pflicht.
10. (11562.) Es gibt acht schaffende und sechzehn nur ge-
schaffene Potenzen; als die acht schöpferischen bezeichnen
die Kenner des innern Selbstes:
11. (11553.) das Unentfaltete, den Mahän und den Ahankära,
dazu kommen Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als
fünftes.
12. (H554.) Das also sind die acht schaffenden Potenzen;
vernimm nun von mir die nur geschaffenen, es sind Ohr, Haut,
Auge, Zunge und Geruchsorgan als fünftes,
13. (H555.) ferner Ton, Berührung, Sichtbarkeit, Geschmack
und Geruch, sowie Rede, Hände, Füfse, Entleerungs- und
Zeugungsorgan.
Digitized by Google
Adhyäya 312 (B. 310).
643
14. (11556.) Jene [Ton usw.] sind die spezifischen Quali-
täten fvi^eshähj in den fünf grofsen Elementen fmahäbfdäni),
und dann waren da jene Erkenntnisorgane [Ohr usw.] mit
ihren spezifischen Qualitäten [Ton usw.], o Fürst von Mithilä.
15. (M557.) Als sechzehnte [nur erschaffene Potenz] be-
zeichnen das Manas die, welche die Vorgänge im innern
Selbste überlegen, du und andere Weise, welche der Er-
kenntnis der Prinzipien kundig sind.
16. (U558.) Aus dem Unentfalteten entsteht der Mahän
Ätmä, o Fürst, ihn bezeichnen die Weisen als die erste aus
der Prakriti hervorgehende Emanation.
17. (U559.) Aus dem Mahän entspringt der Ahankära,
o Männerherr, dieser heifst die zweite Emanation und wird
buddhi-artig [aus der Buddhi, dem Mahän entspringend]
genannt.
18. (mini.) Aus dem Ahankära entspringt das den spezifi-
schen Qualitäten [gunäfj, hier — vireshäh] der Elemente gegen-
überstehende Manas, dieses wird als die dritte, die aus dem
Ahankära stammende Emanation bezeichnet.
19. (ii56i.) Aus dem Manas entspringen die grofsen Ele-
mente {mahabhutäh masc.!), o Männerherr, dieses erkläre ich,
das sollst du wissen, für die vierte, aus dem Manas stammende
Emanation [im Widerspruch mit Vers 11557, wo Manas unter
den sechzehn nur erschaffenen Potenzen erscheint].
20. (H562.) Ton, Berührung, Sichtbarkeit, Geschmack und
Geruch, diese [fünf Vicesha's] bezeichnen die Kenner der
Elemente als die fünfte, aus den [Mahä-] Bhüta's stammende
Emanation.
21. (11563.) Ohr, Haut, Auge, Zunge, Geruchsorgan, diese
fünf [Buddhindriya s] gelten als die sechste, das mannigfache
Nachdenken [der Buddhi] vermittelnde [somit anscheinend
aus ihr entspringende] Emanation.
22. (11564.) Die auf Ohr [usw.] folgende Schar der [Karma-]
Indriya's entspringt, o Männerherr, als die siebente Emana-
tion und wird als aindriyaka [den Buddhindriya's sich an-
schliefsende] bezeichnet.
23. (H565.) Die Aufwärtsströmung und die in die Quere
41*
Digitized by Google
i
644 III. Mokshadharma.
entwickelt sich sodann, o Männerherr, als eine achte Ema-
nation; diese hat Beziehung auf den moralischen Wandel.
24. (U56C.) Die Strömung in die Quere aber entwickelt
sich fort zu einer Abwärtsströmung, o Männerherr; diese
gleichfalls auf den moralischen Wandel bezügliche Emanation
erklären die Weisen für die neunte. [Uber die drei Strö-
mungen vgl. unten Anugitä, Adhy. 30— 38; Nil. denkt viel-
mehr an die Präna's.]
25. (11567.) Das sind die neun Emanationen, o Männerherr,
und die entsprechenden vierundzwanzig Prinzipien nach den
Anschauungen der Schrift.
26. (ii 508.) Weiterhin, o grofser König, vernimm von mir
die Zeitberechnung für diese Evolutionsreihe fgunaj der Wahr-
heit gemäfs, wie sie von den hochsinnigen Weisen verkündigt
worden ist.
So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Yajuaralkya mit Janaka
( YSjnatalkya -Janaka - satnedtla ).
AdliyAya 313 (B. 311).
Vers 11569-11589 (B. 1-21).
Yajüavalkya sprach:
1. (ii569.) Vernimm denn, o Bester der Männer, die Zeit-
berechnung in betreff des Unentfalteten. Fünftausend Welt-
perioden fkalpaj zweimal genommen machen seinen Tag aus,
2. (H570.) ebensolang ist seine Nacht. Ist er erwacht,
o Männerherr, so schafft er zu Anfang die Pflanzen zum
Lebensunterhalte aller Verkörperten.
3. (ii57i.) Darauf schuf er den [personifizierten] Gott Brah-
män, der [als Hiranyagarbha] aus einem goldenen Ei ent-
sprang; dieses bildet den Körper für alle Wesen, so ist es
uns überliefert worden.
4. (H572.) Nachdem er ein Jahr lang in dem Ei geweilt
hatte, trat der grofse Weise aus ihm hervor und fugte [die
Schalen als] die ganze Erde und den Himmel droben zu-
sammen, er, der Schöpfer [vgl. Chand. Up. 3.19; Manu 1,12.13].
Digitized by Google
Adhyftya 313 (B. 311).
645
5. (11673.) Als in Himmel und Erde [verkörpert] wird er
in den Wesen verkündigt, und zwischen diesen beiden Schalen
bildete der Herr den Luftraum.
6. (11574.) Und was die Zeitrechnung betrifft, so werden
hierbei von den Kennern der Veden und Vedänga's zehn-
tausend Weltperioden, vermindert um ein Viertel, als sein
Tag bezeichnet.
7. (11575.) Und für ebensolang erklären seine Nacht die
Kenner des innern Selbstes. Alsdann schafft er, der Weise,
den Ahankära als ein Geschöpf von göttlicher Wesenheit,
8. (H576.) sowie vier weitere Söhne [nach Nil. Manas,
Buddhi, Ahankära, Cittam als vyashti, psychische Prinzipien] ;
aus seinem Leibe schuf sie vordem der grofse Weise; sie
werden als die Väter der Väter [der Mahäbhüta's, nach Nil.]
von der Schrift bezeichnet, o Bester der Könige.
9. (H577.) Götter aber sind auch die Söhne dieser Väter
[wohl die Vicesha's, nach Nil. die Indriya's], von Göttern
sind die Welten erfüllt mitsamt dem Beweglichen und Un-
beweglichen, o Bester der Männer, so ist es uns überliefert
worden.
10. (11578.) An ihrer Spitze aber steht der Ahankära,
welcher die Elemente als fünf schafft, sie sind Erde, Wind,
Äther, Wasser und Feuer als fünftes.
11. (11579.) Auch bei ihm, der die dritte Schöpfung voll-
bringt, sprechen sie von einer Nacht; sie währt fünftausend
Weltperioden und ebensolange sein Tag.
12. (U580.) Ton, Berührung, Gestalt, Geschmack und Ge-
ruch, diese sind in den fünf grofsen Elementen ihre spezifischen
Qualitäten fvi^cshaj y
13. (H581.) mit welchen die Elemente fort und fort erfüllt
sind, o Erdeherr. Diese wetteifern miteinander, freuen sich
über das gegenseitige Gedeihen
14. (1158«.) und überbieten einander, indem sie sich den
Vorrang streitig machen, oder auch sich unterdrücken ver-
möge der unvergänglichen, sie fortreifsenden Guna's,
15. (H583.) und so treiben sie ihr Wesen hienieden, in-
dem sie in niedrigen Mutterschöfsen weilen. Ihr Tag währt
dreitausend Weltperioden,
Digitized by Google
III. Mokshadharma.
16. (11 684.) und ebensolang ist ihre Nacht. Dies gilt auch
von dem Manas, o Männerherr; das Manas schaltet, o Fürst
der Könige, indem es ganz und gar hinter den Indriyas
versteckt bleibt.
17. (11685.) Und doch sind es nicht die Indriya's, welche
das Sehen vollbringen, sondern das Manas vollbringt das
Sehen. Das Auge sieht die Gestalten vermöge des Mauas
und nicht vermöge des Auges.
18. (H586.) Wenn das Manas getrübt ist, so sieht das
Auge und sieht doch nicht, und ebenso steht es mit dem
Sehen aller Sinnesorgane, so lehren es die Weisen.
19. (11587.) Denn die Sinnesorgane sehen nicht, sondern das
Manas ist es, welches sieht* und wenn das Manas untätig ist,
o König, so tritt auch eine Untätigkeit der Sinnesorgane ein.
20. (H588.) Somit ist ein Versagen der Sinnesorgane in
Wahrheit ein Versagen des Manas, daher mufs man begreifen,
dafs das Wesentliche in den Sinnesorganen das Manas ist.
21. (11689.) Über allen Sinnesorganen thront als Herr das .
Manas, und in diesem laufen [mittelbar] auch alle Elemente
zusammen.
So lautet im Muksbadbann» die Unterredung zwischen Janaka and Yajnavalkya
(Janaka- YäjZatalkya- »ameddo).
Adhyäya 314 (B. 312).
Vers 11590—11606 (B. 1-17).
Yajnavalkya sprach:
1. (H590.) Die ganze Aufzählung der Prinzipien sowie
die Berechnung der Zeiten ist von mir in richtiger Ordnung
mitgeteilt worden. Nun höre auch, was ich über die Welt-
vernichtung sagen werde,
2. (ii59i.) und wie er die Kreaturen, nachdem er sie ge-
schaffen hat, immer wieder und wieder schafft, er, der anfang-
lose und endlose, ewige und unvergängliche Gott Brahman.
3. (11592.) Wenn dieser merkt, dafs der Tag zu Ende
geht, wendet er seinen Geist dem nächtlichen Schlafe zu,
Digitized by Google
Adhy&ya 314 (B. 312).
647
dann treibt der Heilige, Unentfaltete den sein Ich verkörpern-
den Helden an,
4. (U593.) und er, der hunderttausendstrahlige Äditya
(Sonne), von ihm, dem Unentfalteten , angetrieben, zerteilt
sein Wesen zwölffach, vergleichbar einem überallhin lodern-
den Feuer.
5. (11594.) Dann verbrennt er alsbald, o Erdbeschützer,
mit seiner Glut alle vier Wesensklassen, Lebend geborene, Ei-
geborene, Schweifsgeborene und Sprofsgeborene, o Männerherr.
6. (11595.) Dann wird in einem Augenblicke die Welt der
Pflanzen und der beweglichen Wesen zunichte, und die Erde
sieht allenthalben aus wie der Rücken einer Schildkröte.
7. (U596.) Nachdem der unermefslich Mächtige die Lebe-
wesen verbrannt hat, erfüllt er sogleich die nackte Erde allent-
halben mit gewaltigen Wasserfluten.
8. (11597.) Wenn dann das Wasser auf das Weltunter-
gangsfeuer trifft, wird es zur Vernichtung gebracht, und nach-
dem das Wasser vernichtet ist, o Fürst der Könige, lodert
das grofse Feuer mächtig empor.
9. (11598.) Dann geschieht es, dafs dieser übermächtige,
lodernde, glanzvolle Verbrenner aller Wesen mitsamt seinen
sieben Flammen in einem Nu von dem unermefslichen,
10. (11599.) heiligen, die acht Weltgegenden erfüllenden,
gewaltigen W r inde verschlungen wird, der mit mafslosem
Odem nach oben, unten und allen Seiten dahinbraust.
11. (licoo.) Diesen Unwiderstehlichen, Furchtbaren schlingt
der Äther in sich hinein, und den lärmreichen Äther ver-
schlingt wieder das obenanstehende Manas.
12. (lieoi.) Das Manas verschlingt er, der als Ahankära
das Selbst der Wesen und ihr Schöpfer ist, den Ahnnkara
(ahaiikäram mit C), der das Vergangene, Gegenwärtige und
Zukünftige kennende Mahan Ätmä.
13. (11602.) Dann geschieht es, dafs auch diesen unver-
gleichlichen, allerfüllenden Atman der Schöpferherr (,'ambhu,
welcher Atomkleinheit, Leichtigkeit, Allberührung, Gottherr,
Licht und unvergänglich ist —
14. (U603.) nach allwärts ist er Hand, Füfse, nach all-
Digitized by Google
648
III. Mokshadharma.
wärts Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend,
die Welt umfassend steht er da (= Qvet. Up. 3,16), —
15. (H604.) welcher als Herz aller Wesen nur so grofs
wie das Glied eines Daumens ist, dafs dieser der unendliche
hochsinnige Gottherr den Allerfüllenden verschlingt.
16. (neos.) Dann ist das Weltall wieder eingegangen in den
unzerstörbaren, unvergänglichen, unverletzbaren, sündlosen
Schöpfer des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen.
17. (11606.) Damit ist dir das Eingehen der Wahrheit ge-
mäfs dargelegt, o Fürst der Könige; nun vernimm, was [im
Körper] sich auf das Selbst, auf die Wesen und auf die Gott-
heiten bezieht.
So lautet im Mokthadbsmm die Uatomdung swiacben Y4jä»Talky» und Janak»
( Ydjiatalkya - Janaka - impedda).
Adhyäya 315 (B. 313).
Vers 11607-11634 (B. 1-28).
Yajfiavalkya sprach:
1. (H607.) Die Füfse sind auf das Selbst bezüglich, das
Gehen auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Vishnu, wie die
wahrheitschauenden Brahmanen lehren.
2. (neos.) Das Entleerungsorgan ist auf das Selbst be-
züglich, die Entleerung auf die Wesen, die Schutzgottheit
ist Mitra, wie die Kenner der Wesenheit sagen.
3. (H609.) Das Zeugungsorgan ist auf das Selbst bezüg-
lich, das Zeugen auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Praja-
pati, wie Kenner des Nichtigen sagen.
4. (ii6io.) Die Hände sind auf das Selbst bezüglich, das
Handeln auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Indra, wie die
Reflexionskundigen erklären.
5. (neu.) Die Rede ist auf das Selbst bezüglich, das
Reden auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Agni, wie die
Schriftkenner lehren.
6. (11612.) Das Auge ist auf das Selbst bezüglich, die
Sichtbarkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Sürya (die
Sonne), wie die Schriftkenner lehren.
uigmzea Dy
Google
■
Adhyäya 315 (B. 313).
649
7. (11618.) Das Ohr ist auf das Selbst bezüglich, der Ton
auf die Wesen, die Schutzgottheiten sind die Himmelsgegen-
den, wie die Schriftkenner lehren.
8. (n 6u.) Die Zunge ist auf das Selbst bezüglich, der
Geschmack auf die Wesen, die Schutzgottheiten sind die
Wasser, wie die Schriftkenner lehren.
9. (ii6i5.) Das Geruchsorgan ist auf das Selbst bezüg-
lich, der Geruch auf die Wesen, die Schutzgottheit ist die
Erde, wie die Schriftkenner lehren.
10. (U616.) Die Haut ist auf das Selbst bezüglich, die Be-
rührung auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Wind, wie
die Wesenskenner sagen.
11. (H6i7.) Das Manas ist auf das Selbst bezüglich, seine
Tätigkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Mond,
wie die Kenner der Lehrbücher sagen.
12. (H618.) Der Ahankära ist auf das Selbst bezüglich,
das Ichbewufstsein auf die Wesen, die Schutzgottheit ist die
Buddhi, wie die Wesenskenner sagen.
13. (U6i9.) Die Buddhi ist auf das Selbst bezüglich, ihre
Tätigkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Kshetrajfia,
wie die Wahrheitschauenden sagen.
14. (11620.) Damit ist dir, o König, der Umfang ihrer Ent-
faltung dargelegt nach Anfang, Mitte und Ende der Wahr-
heit gemäfs, o Wahrheitskenner.
15. (11621.) Die Prakriti ist es, welche nach Lust und Be-
lieben wie zum Spiele ihre Guna's hundertfach und tausend-
fach entfaltet, o grofser König.
16. (11622.) Wie die Menschen wenige Lichter zu tausend
Lichtern vervielfältigen, so vervielfältigt die Prakriti ihre
Guna's für den Purusha.
17. (11623.) Güte, Wonne, Cberflufs, Freude, Erhellung,
Lust, Reinheit, Gesundheit, Befriedigung, Gläubigkeit,
18. (H624.) Nicht- Jammern, Untätigkeit, Geduld, Festig-
keit, Nicht- Schädigung, Gleichmütigkeit, Wahrhaftigkeit,
Schuldlosigkeit, Sanftmut, Schamhaftigkeit, Gesetztheit,
19. (11625.) Reinlichkeit, Gradheit, guter Wandel, Nicht-
Lüsternheit, Herzensruhe, Nicht-Prahlen mit der vollbrachten
Lossagung von Erwünschtem und Unerwünschtem,
Digitized by Google
650
III. Moksliadharma.
20. (H626.) Zugreifen, wenn es angeboten wird, Neidlosig-
keit, Interesse für andere und Mitleid mit allen Wesen, das
sind die Qualitäten des Sattvam.
21. (11627.) Dies ist der Inbegriff der Qualitäten des Kajas:
Schöngestalt, Herrschlust und Kriegslust, Nicht -Entsagung,
Mitleidlosigkeit, Hingebung an Lust und Schmerz,
22. (U628.) Freude an übler Nachrede und Zanksucht,
Selbstsucht, Ungastlichkeit, Sorge, Feindseligkeit,
23. (H629.) Quälerei, Räuberei, Schamlosigkeit, Mangel
an Rechtschaffenheit, Zwist, Rauheit, Begierde, Zorn, Un-
besonnenheit,
24. (H630.) Stolz, Hafs und Übermut, das sind die Quali-
täten des Rajas. — Nun werde ich den Inbegriff der Quali-
täten des Tamas verkündigen, merke auf.
25. (H631.) Verblendung, geistige Verdunkelung, Finster-
nis und blinde Finsternis, — blinde Finsternis ist Tod, Finster-
nis ist Zorn;
26. (H632.) weitere Merkmale des Tamas sind: "Wohl-
behagen am Essen und dergleichen, Unersättlichkeit im Essen
und Trinken,
27. (Hess.) Lust an Wohlgerüchen, Kleidern und Ver-
gnügungen, an Liegen und Sitzen, am Schlafen bei Tage,
an übermütiger Rede und unbesonnenen Streichen,
28. (U634.) an Tanz, Musik und Gesang, Gläubigkeit aus
Unwissenheit und Abneigung gegen mancherlei Pflichten, —
das sind die Qualitäten des Tamas.
So lautet im Mokshadkarma die Unterrodung zwischen YajnaTalkya und Janaka
( Ydjnaralkija - Janaka - aamedäa).
Adhy&va 316 (B. 314).
Vers 11635-11654 (B. 1—18).
Yajnavalkya sprach:
1. (11635.) Das sind die drei Guna's der Prakriti, o Bester
der Männer, welche der ganzen Welt allezeit und unverlier-
bar anhaften.
Digitized by Google
Adhyäya 316 (B. 314).
651
2. (HC36.) Durch sie geschieht es, dafs der Heilige in der
Form des Unentfalteten hundertfach, tausendfach, hundert-
tausendfach,
3. (U637.) millionenfach sein inneres Selbst durch sich
selbst gestaltet. Das Sattvahafte nimmt die oberste Stelle
ein, das Rajas-artige die mittlere,
4. (11638.) das Tamas-artige die untere, so lehren es die
Kenner des innern Selbstes. Durch gute Werke allein er-
langt man den Weg nach oben,
5. (H639.) durch Gutes und Böses ein menschliches Da-
sein, durch Ungerechtigkeit den Weg nach unten. Die
Paarung dieser drei und das Zusammenwirken des Betreffenden,
6. (ii640.) des Sattvam, Kajas und Tamas, vernimm von
mir. An dem Sattvam zeigt sich Kajas, am Kajas das Tamas,
7. (ii64i.) am Tamas das Sattvam und an dem Sattvam
das Unentfaltete. Der Unentfaltete [der Purusha, hier als
individueller], nur noch mit dem Sattvam behaftet, erlangt
die Götterwelt,
8. (H642.) mit Kajas und Sattvam behaftet, gelangt er
unter die Menschen, mit Rajas und Tamas behaftet, wird er
in tierischen MutterschÖfsen geboren,
9. (U643.) mit Rajas-ar tigern, Tamas-artigem und Sattva-
haftem verbunden, erlangt er ein menschliches Dasein. Für
diejenigen aber, welche sich vom Guten und vom Bösen los-
gemacht haben, ist der Ort der Hochsinnigen bestimmt,
10. (H644.) jener ewige, unvergängliche, unzerstörbare,
unsterbliche, welcher der Aufenthalt der Wissenden ist, der
beste, unverletzliche, unerschütterliche Ort, (iic45.) der über-
sinnliche, samenlose, von Geburt, Tod und Finsternis freie.
11. Jenes Höchste, in dem Unentfalteten Weilende, nach
welchem du mich gefragt hast, o Männerherr, (i 1 646.) das ist
jener in der Prakriti Weilende, in ihr weilend wird er genannt.
12. Freilich gilt die Prakriti als ungeistig, o Herr,
(11647.) aber von Ihm regiert, schafft sie und rafft wieder in
sich hinein.
Janaka sprach:
13. (11618.) Anfanglos und endlos sind doch alle beide,
o Hochsinniger, ungestaltet und unerschütterlich, [in ihren
Digitized by Google
652
III. Mokshadhariua.
Erscheinungen] unwandelbar qualitäthaft und [an sich] quali-
tätlos.
14. (U649.) Wie kommt es nun, o Manntiger, da beide
unerkennbar sind, dafs der eine von ihnen ungeistig und der
andere geistig ist, derjenige nämlich, der da Kshetrajfia ge-
nannt wird?
15. (H650.) Denn du, o Brahmanenfürst, liegst mit ganzem
Herzen der Lehre von der Erlösung ob, und ich möchte diese
Lehre von der Erlösung vollständig und der Wahrheit ge-
rn ufs kennen lernen.
16. (ii65i.) So mögest du mir denn die Existenz, die Er-
lösung von ihr und das Verharren ohne sie erklären, sowie
auch die Gottheiten, welche [als Sinnesorgane] in dem Körper
Wohnung nehmen.
17. (11652.) Ferner auch die Stätte des beim Sterben aus-
ziehenden Verkörperten, und auch die Stätte, zu der er im
Laufe der Zeit gelangt, mögest du mir erklären.
18. (H653.) Du mögest mir das Sänkhyawissen, wie es
in Wahrheit ist, und gesondert davon den Yoga mitteilen,
und auch über unheilvolle Vorzeichen (arishtäni) mögest du
mir sprechen, o Bester. (U654.) Denn alles dieses besitzest
du so fest wie eine Myrobalanenfrucht in der Hand.
So lautet im Mokabadh&rraa dio Unterredung zwischen Tajnerelky» und Jenakt
( YdjZatatkya - Janaka - $amvdda).
Adhy&ya 317 (B. 315).
Vers 11055-1X674 (B. 1-20).
Yajnavalkya sprach:
1. (11655.) 0 Freund, der Qualitätlose kann nicht qualität-
haft gemacht werden, o Völkerherr, noch auch der Qualität-
hafte qualitätlos; das lerne von mir der Wahrheit gemäfs.
2. (H656.) Denn durch Qualitäten wird einer qualitäthaft,
der Qualitätlose ist ohne Qualitäten, so haben es die hoch-
herzigen, wahrheitschauenden Muni's ausgesprochen.
3. (11657.) Der Unentfaltete [die Prakriti] hat die Guna's
als seine Natur und kann nie von den Guna's loskommen,
1
Digitized by Google
AdhyAya 317 (B. 315). 653
sondern bringt sie in Gang, und er ist von Natur nicht er-
kennend,
4. (U658.) aber während dieser Unentfaltete nicht erkennt,
ist der Purusha von Natur erkennend (lies : jnah) , denn er
ist sich von Ewigkeit her bewufst, dafs es nichts Höheres
gibt als ihn.
5. (11659.) Aus diesem Grunde ist das Unentfaltete [die
Prakriti] ungeistig, und daran wird nichts geändert, mag
man sie als ewig und unvergänglich oder [mit Rücksicht auf
ihre Entfaltungen] als vergänglich ansehen.
6. (116C0.) Solange nun [der Purusha] aus Mangel an
rechter Erkenntnis immer wieder und wieder die Schöpfung
der Qualitäten veranlafst, solange er sich selbst nicht [als
verschieden] erkennt, solange wird er auch selbst nicht erlöst.
7. (ii66i.) Weil er die Schöpfungen veranlafst, wird auch
er angesehen als seinem Wesen nach schaffend, und weil er
auch den Yoga veranlafst, wird er gleichfalls angesehen als
seinem Wesen nach yogahaft.
8. (11662.) Weil er die schaffenden Prinzipien zur Tätig-
keit veranlafst, ist er den schaffenden Prinzipien verwandt.
9. Und weil er die Keime zur Entwicklung bringt, ist
er den Keimen verwandt. (U6G3.) Aber während die Quali-
täten erzeugt werden und wieder vergehen,
10. wird er, sofern er jene verachtet, mit sich identisch
ist und sich dessen bewufst wird, für absolut (HG64.) erklärt
von den Selbstbezwingern, Vollendeten, das innere Selbst
Kennenden, Leidenschaftfreien. Jenes andere [die Prakriti]
ist vergänglich und zugleich ewig, sofern es unentfaltet und
entfaltet ist, so haben wir's gelernt.
11. (11665.) Die Vielheit [der Entfaltungen] bezeichnen als
Einheit, sofern sie ein Unentfaltetes ist, diejenigen Menschen,
welche von Mitleid für alles Lebende erfüllt sind und das
absolute Wissen erlangt haben.
12. (H666.) Verschieden [von allem andern] ist der Purusha,
während der Unentfaltete [die Prakriti] wandelbar ist und
doch auch unwandelbar heifst. Wie mit dem Schilfgras [als
Umschliefser] der Halme (vgl. Käth. Up. n,17), so ist es auch
mit diesem beschaffen.
Digitized by Google
III. Mokshadharuia.
13. (H667.) Ein anderes ist die Fliege und ein anderes
das Feigenblatt, auf dem sie sitzt, und die Fliege wird durch
die Verbindung mit dem Feigenblatte nicht befleckt [ihrem
Wesen nach nicht verändert].
14. (U668.) Ein anderes ist der Fisch und ein anderes ist
das Wasser, und der Fisch wird durch die Berührung mit
dem Wasser nicht irgendwie befleckt
15. (H669.) Ein anderes ist das Feuer und ein anderes
das Kohlenbecken, das mögest du, bitte, immer bedenken,
und das Feuer wird nicht durch die Berührung mit dem
Kohlenbecken befleckt.
16. (H670.) Ein anderes ist das Lotosblatt und ein anderes
das Wasser [auf dem es schwimmt], und auch hier wird das
"Lotosblatt durch die Berührung mit dem Wasser nicht be-
fleckt [vgl. Chand. Up. 4,14,3; Maitr. Up. 3,2].
17. (H671.) Bei allen diesen vermögen die Zusammen-
wohnung und Einwohnung, wie sie der Wahrheit nach ist,
gemeine Menschen niemals zu begreifen.
18. (11672.) Sie, welche dies anders ansehen, als es ist, er-
mangeln der richtigen Erkenntnis und werden sicherlich
immer wieder und wieder der furchtbaren Hölle anheim-
fallen.
19. (H673.) In dieser Sänkhyalehre liegt das höchste Nach-
denken beschlossen, und die ihr in dieser Weise nachdenken,
die Sänkhya's, gehen zur Absolutheit ein.
20. (11674.) Die anderen aber, welche der Wahrheit kundig
sind, haben die folgende Anschauung, die ich dir als die An-
schauung der Yoga's nunmehr mitteilen will.
So tautet im Mokahadharma die Unterredung «wischen Yajuavalkya und JauaW..
(Ydjnaralkifa - JanaKa - »amtäda).
Digitized by Google
Adhy&ya 318 (B. 31 fi).
655
AdhyAya 318 (B. 316).
Vers 11675-11702 (ü. 1-27).
Y&jnavalkya sprach:
1. (H675.) Die Sänkhyalehre habe ich dir mitgeteilt, die
Yogalehre vernimm von mir der Wahrheit gemäfs, wie sie
auf Schriftüberlieferung und unmittelbarer Anschauung be-
ruht, o Bester der Fürsten.
2. (1167g.) Kein Wissen kommt dem Sänkhyam gleich,
keine Kraft kommt dem Yoga gleich; beide verfolgen das-
selbe Ziel, beide führen über die Vergänglichkeit hinaus.
3. (U677.) Für verschieden halten beide nur Menschen,
die am Unverstand sich freuen, wir aber, o König, erkennen
sie unzweifelhaft als Einheit.
4. (U678.) Denn was die Yoga's schauen, das wird auch
von den Sänkhyas erkannt; wer Sänkhyam und Yoga als
Einheit erkennt, der weifs die Wahrheit.
5. (11679.) Wisse, o Feindbezwinger, als Yoga-[ Mittel] die
den Rudra als Obersten habenden anderen [Lebensorgane,
pränah, Brih. Up. .*i,9,4] ; dann schweifen sie mit diesem Körper
nach den zehn Himmelsrichtungen hinaus.
G. (H680.) Während [der grobe Leib] dahinfällt, o Freund,
wird unter Abstreifung desselben der Yogin zu einem, der
vermöge des achtfache Vollkommenheit [Atomkl«'inheit, Leich-
tigkeit, Gröfse, Allberührung, Wunschverwirklichung, All-
beherrschung, Schöpferkraft, Alldurchdringung] verleihenden
Yoga die Welten mit Lust durchschweift, o Untadliger.
7. (ii68i.) Denn im Veda erklären die Weisen, dafs der
Yoga die acht Vollkommenheiten gewährt, aber nur dem feinen
Leibe sprechen sie diese acht Vollkommenheiten zu, nicht
dem groben, o Bester der Männer.
8. (11682.) Als zweifach aber bezeichnen sie die höchste
Yogaleistung der Yoga's, nämlich der Anschauung des Systems
entsprechend als qualitäthaft (saijuna = sahija — sainprajnätuj
und qualitätlos fnirguna = nirbija — asamprajüata).
9. (U683.) Der qualitäthafte Yoga besteht in der Fesselung
Digitized by Google
C56
III. Moksluulharma.
des Manas nebst Atemregulierung, o Erdeherr, sodann in der
Konzentration des Manas gleichfalls mit Atemregulierung.
10. (11684.) Denn die Atemregulierung ist immerhin quali-
täthaft. Man mufs aber in qualitätloser Weise das Manas
fesseln, indem man die ganze sichtbare Welt und auch die
Lebenshauche hinter sich läfst, o Bester der Mithilaherrscher,
(H685.) dann entsteht Erhabenheit über den Wind. Darum
soll man sich mit ihm [und mit der Atemregulierung] nicht
mehr befassen.
11. Für den ersten Teil der Nacht sind zwölf Antriebe
[der Atemregulierung, codanäh] vorgeschrieben; (116S6.) für
den mittleren schlaflosen Teil der Nacht gibt es zwölf weitere
Antriebe.
12. In dieser Weise ist von dem beruhigten, bezähmten,
nur auf das Eine gerichteten, (H687.) in dem Ätman seine Ruhe
findenden Wachenden der Atman im Yoga anzuspannen.
13. Indem er fünffach die Versündigungen der fünf
Sinnesorgane beseitigt, (11G88.) den Ton, die Gestalt, die Be-
rührung, den Geschmack und den Geruch,
14. indem er das Aufleuchten und das Erlöschen gleich-
mäfsig vermeidet, o Herr von Mithila, (H689.) indem er die
ganze Schar der Sinnesorgane im Manas einschliefst,
15. das Manas im Ahankara zum Stillstand bringt,
o Männerherr, (11690.) den Ahankära in der Buddhi, die Buddhi
in der Prakriti, —
16. nachdem er sie in dieser Weise abgefertigt hat,
meditiert er den absoluten, (ii69i.) staublosen, fleckenlosen
(lies: amalam), ewigen, unendlichen, reinen, unverwundbaren,
17. feststehenden flasthusham l) Purusha, den ewig un-
teilbaren, nicht alternden, unsterblichen, (HG92.) den immer-
währenden, unzerstörbaren Gott, das unvergängliche Brahman.
18. Vernimm nun die Merkmale des dem Yoga Hin-
gegebenen, o grofser König; (ness.) das Merkmal seiner Be-
ruhigung ist, wie wenn einer friedlich und sanft schlummert,
19. wie wenn eine mit Öl gefüllte Lampe an windstillem
Orte brennt (ii694.) mit unentwegt nach oben strebender
Flamme, — so schildern die Weisen den im Yoga Begriffenen.
20. Wie ein Stein, wenn er von den aus der W r olke
Digitized by Google
Adhyaya 318 (B. 316).
657
sprühenden Tropfen getroffen wird, (H695.) nicht im mindesten
durch sie zum Wanken gebracht werden kann, so ist das
Merkmal des im Yoga Begriffenen.
21. Durch den Schall von Muscheln und Trommeln,
durch allerlei Gesang und Musik, (iiG96.) wenn sie ertönen,
bleibt er unerschüttert, das ist der Anblick, den der Erlöste
gewährt.
22. Wie ein Mann mit einem ölgefüllten Gefäfse in den
Händen (11 697.) eine Treppe behutsam hinaufsteigt, während er
von Schwertbewaffneten bedroht wird,
23. aber festen Geistes vergiefst er nicht einen Tropfen
aus dem Gefäfse aus Furcht vor ihnen, (11 698.) und so steigt
er hinauf, während sein Sinn nur auf das Eine gerichtet ist,
24. weil seine Sinne fest und unerschütterlich bleiben, —
(H699.) so hat man die Merkmale eines dem Yoga hingegebenen
Muni anzusehen.
25. Wer sich ihm hingibt, schaut das Brahman, jenes
höchste, unvergängliche, {11 700.) welches dasteht wie ein Licht
inmitten der grofsen Finsternis.
26. Dadurch gelangt er zum Absoluten nach Verlassen
des unbeseelten Körpers (inoi.) und nach langer Zeit, o König,
so lehrt es die ewige Schrift.
27. Dieses [wisse als] den Yoga der Yogin's, das ist das
wahre Merkmal des Yoga (11 702.) als solches wissen es, die es
erfahren haben, die zum Endziele gelangten Weisen.
So lautet im Moknuadhartna die Unterredung zwischen Yajiiavalkya und Janitka
(Ydjnaea Ikua - Janaka - savirdda).
Adhy&ya 319 (B. :U7).
Vers 11703-1172:* (B. 1-21).
Yäjnavalkya sprach :
1. (1170» ) Vernimm nun auch mit Aufmerksamkeit, o Fürst,
was über die aus dem Leibe ausziehende Seele zu sagen
ist: Durch die Füfse ausziehend, gelangt einer zur Stätte des
Vishnu,
Deimm, lUbabbaratam. 42
Digitized by Google
G58
III. Mokshadharma.
2. (H704.) durch die Untersohenkel zu den göttlichen
Vasu's, wie die Schrift lehrt, durch die Kniee zu den glück-
seligen, göttlichen Sädhya's,
3. (mos.) durch das Entleerungsorgan zur Stätte des
Mitra, durch den Schofs zur Erde, durch die Schenkel zu
Prajäpati,
4. (mos.) durch die Seiten zu den göttlichen Marut's,
durch den Nahel zur Indraschaft, durch die Arme zu Indra,
durch die Brust zu Rudra,
5. (H707.) durch den' Hals zu dem besten Muni, dem
höchsten Nara (Närayana), durch den Mund zu den Vicve
Deväl?, durch das Ohr zu den Himmelsgegenden,
6. (H708.) durch die Nase zu dem Träger der Gerüche
(dem Winde), durch die Augen zu Agni, durch die Augen-
brauen zu den göttlichen Acvin's, durch die Stirn zu den
Manen,
7. (U709.) durch die Schädeldecke zu dem allgegenwärtigen
Gotte Brahmän, dem Erstgeborenen der Götter; damit habe
ich dir, o Herr von Mithilä, die Stätten für das Herausfahren
mitgeteilt (vgl. oben Vers 10927).
8. (ii7io.) Nun will ich dir die von den Weisen fest-
gestellten unheilvollen Vorzeichen farishtänij erklären, wie
sie für den Verkörperten, der innerhalb eines Jahres hin-
scheiden wird, in Geltung sind.
9. (11711.) Wer die Arundhati [den Stern Alkor im grofsen
Bären] , die er sonst sehen konnte, einmal nicht sehen kann,
oder ebenso den Polarstern, oder wer den Vollmond nur als
Flamme
10. (U712.) und teilweise von rechts her scheinen sieht,
der hat nur noch ein Jahr zu leben. Wer sich nicht sieht
im fremden Auge, o Erdeherr,
11. (H713.) wer in ihm nicht mehr das eine Figur bildende
Abbild seiner Selbst bemerkt, auch der hat nur noch ein Jahr
zu leben. Wenn übermäfsiger Glanz und übermäfsiges Wissen
sich in Unglanz und Unwissen wandelt,
12. (H714.) wenn eine Umkehr der Naturbeschaffenheit
eintritt, so ist dies ein Vorzeichen des Todes binnen sechs
1
1
1
■ Digitized by Google
Adhyäya 319 (B. 317).
659
Monaten. Wer die Götter mifsachtet oder sich gegen Brah-
manen widerspenstig zeigt,
13. (11715.) bei wem die dunkle Gesichtsfarbe einen fahlen
Schein annimmt, für den ist dies ein Vorzeichen binnen sechs
Monaten. Wer den Mond rissig sieht wie ein Spinnennetz
14. (11716.) oder ebenso die Sonne, der stirbt binnen sieben
Nächten. Wenn ein Mensch einen Leichengeruch wahrnimmt
anstatt der Wohlgerüche,
15. (H717.) während er in einem Göttertempel weilt, so
stirbt er binnen sieben Nächten. Schlaffes Herabhängen von
Ohr und Nase, Entfärben von Zahn[fleisch] und Augen,
16. (H718.) Schwund des Bewufstseins und Verlust der
Wärme sind Anzeichen des Todes am selben Tage. Wenn
einem das linke Auge ohne Ursache tränt, o Männerherr,
17. (11719.) und wenn Dampf von seinem Kopfe aufsteigt,
so ist das ein Anzeichen des Todes am selben Tage. Diese
Vorzeichen sich gegenwärtig haltend, möge der atmanhafte
Mensch
18. (ii72ü.) Tag und Nacht sich mit dem höchsten Atman
eins wissen, indem er die Zeit abwartet, zu welcher hinzu-
scheiden ihm bestimmt ist.
19. (H721.) Ist ihm aber das Sterben nicht willkommen,
so mag er wünschen, noch zu leben, möge aber die irdische
Tätigkeit nebst allen Gerüchen und Geschmäcken nieder-
halten, o Männerherr.
20. (H722.) Mit Sänkhyalehre und Yogafosselung sich
seines Atman bewufst bleibend, o Männerstier, wird er dann
den Tod überwinden durch den Yoga, ihm ganz hingegeben
mit innerer Seele.
21. (H723.) Dann geht er Inn und erlangt die unvergäng-
liche, vollkommene, geburtlose, selige, unverlierbare, ewige,
unerschütterliche Stätte, welche unerreichbar ist für solche,
die unbereiteten Geistes sind.
So lautet im Mokahadharma die Unterredung xwlftcuon YajiiavaJkya und Janaka
( YdjnaraUya - Jitnaka ■ $ainrd>fa).
42*
Digitized by Google
III. Mokshadharma.
Adhy&ya 320 (B. 318).
Vers U 724-11836 (B. 1-112).
Y&jfiavalkya sprach:
1. (H7S4.) Ich bin von dir, o Fürst der Männer, gefragt
worden nach jenem Höchsten, welches im Verborgenen weilt;
vernimm, o Fürst, mit Aufmerksamkeit, was über diese höchst
geheimnisvolle Frage zu sagen ist.
2. (11725.) Indem ich demutvoll nach vedischem Gesetze
wandelte, sind mir, o Fürst von Mithilä, von Aditya (dem
Sonnengott) die Opfersprüche [des weisen Yajurveda, Brih.
Up. 6,5,3] verliehen worden.
3. (11726.) Durch die grofse Glut meines Tapas wurde der
glutfrohe Gott verehrt, und so kam es, dafs der allbeherr-
schende Sonnengott zu mir, o Untadliger, erfreut dieses
Wort sprach:
4. (11727.) Wähle, o Brahmanen weiser, ein Geschenk, wie
du es wünschest, so schwer erlangbar es auch sein mag, ich
werde es dir mit freudigem Herzen geben, obgleich meine
Gnade schwer erlangbar ist.
5. (117*28.) Da neigte ich mein Haupt und sprach zu dem
Obersten der Glühenden: Opfersprüche, wie sie noch nicht
in Gebrauch gewesen sind, wünsche ich augenblicklich zu
erlernen.
6. (H729.) Da sprach der Heilige zu mir: Ich werde sie
dir verleihen, die Sarasvati hier wird als Rede in deinen
Leib eingehen.
7. (11730.) Und weiter sprach der Heilige zu mir: Öffne
deinen Mund, und alsbald öffnete ich meinen Mund und Saras-
vati ging in ihn ein.
8. (U731.) Da geriet ich in Gluthitze und sprang ins
Wasser, o Untadliger, aus Unkenntnis und Unwillen gegen
den hochherzigen Lichtspender.
9. (H732.) Da sprach zu mir, der ich in Gluthitze geraten
war, der heilige Sonnengott: Ertrage den Brand eine Weile,
dann wird er sich abkühlen.
Digitized by Google
Adhy&ya 320 (B. 318).
661
10. (H733.) Als der heilige Lichtspender mich abgekühlt
sah, sprach er zu mir: Der Veda soll dir zuteil werden mit
allen Ergänzungen und Anhängen, o Z wiegeborener,
11. (H731.) und das ganze Catapatham sollst du, o Stier
der Brahmanen, der Welt kund machen, und ist das ge-
schehen, so wird dein Geist dazu gelangen, nicht mehr wieder-
geboren zu werden,
12. (H73Ö.) und du wirst zu der erwünschten, von Sänkhya
und Yoga erstrebten Stätte eingehen. So sprach der heilige
Sonnengott und ging zur Rüste.
13. (H736.) Nachdem ich das Gesprochene vernommen
hatte und der glanzreiche Gott entschwunden war, ging ich
voll Freude nach Hause und gedachte dabei der Sarasvati.
14. (H737.) Da geschah es, dafs die wunderschöne, mit
Vokalen und Konsonanten geschmückte und den Omlaut an
der Stirn tragende Göttin Sarasvati vor mir erschien.
15. (H738.) Nun rezitierte ich vorschriftsmäfsig vor der
Sarasvati das Gebührende und ebenso vor dem Besten der
Glühenden, indem ich voll Andacht dasafs.
16. (11739.) Und da geschah es, dafs ich das ganze (,'ata-
patham nebst der Upanishad (rahasyamj , den Auszügen und
Nachträgen zu meiner höchsten Freude aufsagen konnte.
17. (H740.) Auch betrieb ich das Studium derselben mit
hundert vorzüglichen Schülern zum Verdrusse meines hoch-
sinnigen Oheims [Vaicampäyana] und seiner Schüler.
18. (U741.) Darauf wurde von mir und meinen Schülern,
wie von der mit Strahlen umgebenen Sonne, das Opfer deines
hochsinnigen Vaters, o grofser König, ausgebreitet.
19. (im*.) Nun beanspruchte ich vor den Augen des
Devala von dem uns für die Vedarezitation zukommenden
Opferlohne die Hälfte, worüber mein Oheim mit mir in Streit
geriet,
20. (11743.) aber von Sumantu, Paila, Jaimini, deinem
Vater und den übrigen Weisen wurde mir Recht gegeben.
21. (H744.) Fünfzehn Opfersprüche waren es [nämlich ge-
wesen], o Untadliger, welche ich von dem Sonnengotte er-
halten hatte; dazu wurde mir ferner von Romaharsha das
Puranam mitgeteilt.
Digitized by Google
G62
III. Mokshadhurma.
22. (ii74ö.) Indem ich dieses alles als ersten Keim [meinem
Werke] zugrunde legte und die Göttin Sarasvati zu Hilfe
nahm, gelang es mir, durch die Macht des Sonnengottes,
o Männerfurst,
23. (H746.) das Qatapatham zu verfassen. So wurde dieses
nie vorher Dagewesene von mir gemacht und, wie es von
mir gewünscht worden war, als der rechte Weg fmargam'.)
dargelegt,
24. (H747.) und auch meinen Schülern das vollständige
Ganze mitsamt den Auszügen gewährt. Und alle Schüler
gingen geläutert und hocherfreut von dannen.
25. (11748.) Jene fünfzehn Ursprossen aher sind als die
Wissenschaft vom lichtbringenden Gotte offenhart worden,
man möge sie zugrunde legen und folgendes nach Lust als
Gegenstand des Wissens überdenken (anucintayet mit C):
26. (H749.) Was ist hierin die heilige Wahrheit, was der
höchste Gegenstand des Wissens? In Gedanken hierüber
kam einst ein Gandharva zu mir und befragte mich.
27. (H750.) Es war nämlich Vicvavasu, o König, der des
Vedantawissens Kundige, welcher mir vierundzwanzig auf den
Veda bezügliche Fragen vorlegte, o Erdeherr,
28. (11751.) und eine iunfundzwanzigste Frage nach der
Änvikshiki (der argumentierenden Wissenschaft). Was ist das
All? das Nichtall? die Stute? der Hengst? Mitra? Varuna?
29. (H752.) das Wissen? das Zuwissende? der Nicht-
erkenner? der Erkenner? der Ka? der Leidende? der Nicht-
leidende? der Sonnenfresser? die Sonne? die Wissenschaft?
die NichtWissenschaft?
30. (H753.) das Wifsbare? das Nichtwifsbare ? das Un-
bewegliche? das Bewegliche? das Ursprüngliche? das Un-
vergängliche? das Vergängliche? — das war die letzte Frage.
31. (H754.) Da sprach ich, o grofser König, zu dem könig-
lichen, vortrefflichsten, zielbewufsten Gandharven, der diese
Reihe der höchsten Fragen an mich gerichtet hatte:
32. (11755.) Warte eine kleine Weile, während ich nur
die Sache überlege. — So sei es, erwiderte der Gandharva
und verharrte in Schweigen.
33. (H756.) Nun gedachte ich nochmals der Göttin Saras-
Digitized by Google
Adhy&ya 320 (B. 318).
6(53
vati, da wurde mittels meines Verstandes die Beantwortung
jener Fragen aus mir herausgequirlt, wie Butter aus der Milch.
34. (11757.) Und auch die Upanishad und den Nachtrag,
o Herr, quirlte ich mittels meines Verstandes aus mir heraus,
indem ich zugleich die Anvikshiki (die argumentierende
Wissenschaft) im Auge behielt.
35. (H768.) Was aber jene vierte auf den Zustand nach
dem Tode bezügliche Wissenschaft betrifft, welche noch über
die fünfundzwanzig Fragen hinausgeht, so wurde diese, o grofser
König, dir schon von mir [in Adhyaya 319, oben S. 657 fg.]
mitgeteilt.
36. (U759.) Damals also, o grofser König, gab ich dem
Vicvävasu zur Antwort: Höre die Antwort auf die Fragen,
welche du, o Herr, an mich gerichtet hast.
37. (H760.) Wenn du, o Fürst der Gandharven, nach dem
All und Nichtall fragtest, so soll man wissen, dafs das All
das höchste Unentfaltete ist, welches [als allverschlingend]
Vergangenes und Zukünftiges in Furcht hält,
38. (H761.) und welches dreigunahaft ist, sofern es die
Guna's aus sich gebiert. Das Gegenstück des All ferner
ist der Unteilbare. Unter dem Hengst und der Stute ist
ebendasselbe Paar zu verstehen.
39. (U762.) Das Unentfaltete wird auch Prakriti genannt,
und unter dem Gunalosen ist der Purusha zu verstehen. In
derselben Weise ist unter Mitra der Purusha, unter Varuna
die Prakriti zu verstehen.
40. (H763.) Das Wissen [sofern es durch Buddhi, Manas,
Indriya's bedingt ist] heifst Prakriti, das Zuwis sende ist
der Unteilbare; Nichterkenner und Erkenner ist der Pu-
rusha [als gebundener und erlöster], darum wird er [als Sub-
jekt des Erkennens] der Unteilbare genannt.
41. (U7C4.) Ferner wurden der Ka, der Leidende und der
Nichtleidende genannt; der Ka ist wieder jener Purusha, der
Leidende ist die Prakriti, der Nichtleidende ist der Un-
teilbare.
42. (U765.) Das Nichtwifsbare ist die Prakriti, das
Wifsbare der Purusha. Und wenn du mich weiter nach dem
Beweglichen und Unbeweglichen fragtest, so vernimm von mir,
Digitized by Google
III. Mokshadharma.
43. (11766.) dafs unter dem Beweglichen die Prakriti
zu verstehen ist als die [materielle] Ursache des Vergehens
und Entstehens; der Unbewegliche ist der Purusha als
der Veranlasser von Wegraffung und Neuschöpfung.
44. (11767.) [Andererseits] ist das Wifs bare das Unent-
faltete und der Nichtwifsbare der Purusha, beide sind un-
bewufst, beständig und unvergänglich.
45. (H768.) Beide werden als ungeboren und ewig be-
zeichnet auf Grund der Gewifsheit der Erkenntnis des inneren
Selbstes.
46. Weil sie bei ihrem Erzeugen unvergänglich bleibt,
bezeichnet man sie [die Prakriti] als das Ungeborene und
Unerreichbare. (11769.) Unter dem Unvergänglichen ist
auch der Purusha zu verstehen, denn für ihn gibt es keinen
Vergang.
47. Sofern ihre Guna's vergehen, ist die Prakriti [das
Vergängliche]; sofern es der Veranlasser ist, [bezeichnen]
die Weisen [den Purusha] als den Unvergänglichen. (11770.) Da-
mit hast du die argumentierende Wissenschaft, die vierte ist
die auf den Zustand nach dem Tode bezügliche.
48. Für einen, dem es nur darauf ankommt, in bestän-
digem Werkdienste durch sein Werk einen von Wissenschaft
begleiteten Reichtum zu erlangen, (11771.) für den, o Vicvä-
vasu, haben sämtliche Veden nur diesen einen Zweck.
49. Wer aber nicht dasjenige, worin alle Wesen geboren
werden und sterben, und woraus sie hervorgegangen sind,
(11772.) als den eigentlichen Zweck des Veda und als das Zu-
wissende begreift, o Bester der Gandharven,
50. der, und hätte er auch die Veden mitsamt Vedanga's
und Upänga's (Gesch. d. Philos. I, 1, S. 45) durchstudiert.
(11773.) versteht nichts von dem wahren Sinn des Veda und
ist nur ein Lastträger des Veda.
51. Wer, um Butter zu gewinnen, Eselsmilch quirlt,
o Bester der Gandharven, (11774.) der wird statt Rahm und
Butter nur Mist zu sehen bekommen.
52. Ebenso wird der, welcher als Vedakenner das Wissens-
werte [den Purusha] und das Nichtwissenswerte [die Prakriti]
Adhyäya 320 (B. 318).
66T)
nicht herauszufinden weifs, (11775.) als ein blofser Tor nur ein
Lastträger der Wissenschaft sein.
53. Diese beiden mufs man allezeit im Auge behalten
mit ungeteilt hingegebenem Geiste, (11 776.) wenn einem Geburt
und Tod nicht immer wieder und wieder zuteil werden sollen.
54. Wer das ohne Unterlafs erfolgende Geborenwerden
und Sterben überdenkt, der wird diese dreifache Wissenschaft
[den W r erkteil der drei Veden] (11 777.) als das Vergängliche
dahinten lassen und in der unvergänglichen Satzung Wurzel
fassen.
55. Wenn er diese fort und fort Tag für Tag im Auge
behält, o Käcyapa, (11 778.) dann wird er zur Absolutheit ge-
langen und den Sechsundzwanzigsten schauen.
5(5. Ein anderer ist der Ewige, Unentfaltete, und ein
anderer der Fünfundzwanzigste, (11779.) von jenem lehren die
Guten, dafs beide [Purusha's] ihn als den einzigen anschauen
sollen.
57. Darum geben sie sich nicht zufrieden mit jenem
Fünfundzwanzigsten, Unerschütterlichen, (ii78o.) weil sie fürch-
ten, dadurch der Geburt und dem Tode zu verfallen, sie, die
nach dem Höchsten strebenden Anhänger des Yoga und
Sänkhvam.
Vicvfcvasu sprach:
58. (11781.) Was du, o bester Brahmane, als jenes Fünf-
undzwanzigste [den Jiva, die individuelle Seele] bezeichnetest,
existiert das in Wahrheit oder existiert es nicht? Das mögest
du, o Herr, mir erklären.
50. (11782.) Wohl habe ich vernommen [von den Unter-
redungen] des Jaigishavya und Asita Devala (oben, S. 327 fg.),
des Priester weisen Paracara und des verständigen Varsha-
ganya,
60. (11783.) des Bhrigu (S. 144 fg.), Paficacikha (S. 270 fg.),
Kapila (S. 449 fg.) und (,'uka (S. 333 fg.), des Gautama,
Arshtishena und des hochsinnigen Garga,
A
61. (11784.) des Nurada (S. 405 fg.), Asuri, des verstän-
digen Pulastya, des Sanatkumära (oben, S. 1 fg.) und des
hochsinnigen (,'ukra
62. (11785.) und meines Vaters Kacyapa (vgl. oben,
Digitized by Google
666
III. Mokshadharma.
Vers 11777), das alles habe ich vordem vernommen und weiter
noch [die Reden] des Rudra und des weisen Vicvarupa.
63. (11786.) Von Göttern, Vätern und Daiteya's hinter-
einander habe ich alles dieses überkommen, und sie erklärten
es für den ewigen Gegenstand des Wissens.
64. (H787.) Darum möchte ich dieses durch deine Weis-
heit auseinandergesetzt wissen, o Brahmane, denn du bist
der oberste, bist der selbstvertrauende Kenner der Lehrbücher,
der sehr Weise.
65. (H788.) Es gibt nichts, was dir unbekannt wäre, du,
o Herr, bist ein Ozean des heiligen Wissens, das erzählt
man sich in der Götterwelt und in der Väterwelt, o Brahmane,
66. (H789.) und auch die zur Brahmanwelt eingegangenen
grofsen W r eisen preisen dich, und Äditya, der Herr der
Glühenden, ist beständig der Verkünder deines Ruhmes.
67. (l 1790.) Das ganze Sunkhyawissen ist von dir erlangt
worden, o Brahmane, und namentlich auch, o Yäjftavalkya,
die Lehre des Yoga.
68. (H791.) Du bist ohne Zweifel ein Erweckter und kennst
das Bewegliche und Unbewegliche, ich wünsche das Wissen
zu vernehmen, welches aus dir quillt wie die Butter aus
dem Rahm.
Yajnavalkya sprach:
69. (11792.) 0 Bester der Gandharven, ich erachte dich
zwar für einen, der schon das Ganze besitzt, aber da du
mich befragst, o König, so vernimm es, wie es in der Schrift
gelehrt wird.
70. (H 793.) Die nicht erkennende Prakriti erkennt der
Fünfundzwanzigste, nicht aber erkennt, o Gandharva, die
Prakriti den Fünfundzwanzigsten.
71. (H794.) Vermöge dieses ihres Erkanntwerdens wird
die Prakriti das Pradhanam (die Grundwesenheit) genannt
von den Sankhya's und Yoga's, welche die in der Schrift
dargelegte Wahrheit erkennen.
72. (H796.) Schauend und auch wieder nicht schauend,
schaut allezeit der andere [der Fünfundzwanzigste], o Un-
tadliger, er schaut den Sechsundzwanzigsten, den Fünfund-
zwanzigsten und den Vierundzwanzigsten [die Prakriti].
Digitized by Google
Adhy&ya 320 (B. 318).
GOT
73. (H796.) Aber obgleich er schaut, schaut er doch nicht
ihn, der auf ihn herabschaut, sondern er, der Fünfund-
zwanzigste, wähnt, dafs kein anderer über ihm stehe.
74. (H797.) Nicht aber sollen sich mit dem Vierund-
zwanzigsten befassen die Menschen, welche die Wahrheit
schauen. Der Fisch durchstreift das Wasser und bewegt
sich durch eigene Bewegungskraft.
75. (H798.) Was von dem Fische gilt, das gilt auch von
jenem [Fünfundzwanzigsten] : Wegen des Anhaftens und Zu-
sammenwohnens und wegen des beständigen Wahnes
7G. (U799.) sinkt er unter während der Zeit, wann er die
Einheit nicht schaut, und er taucht empor zu der Zeit, wann
er von der Identität durchdrungen ist.
77. (lisoo.) Wenn der Zwiegeborene erst zu der Erkennt-
nis gelangt ist: ein anderer bin ich und ein anderer ist er
[der Vierundzwanzigste], dann gelangt er zur Absolutheit und
schaut den Sechsundzwanzigsten.
78. (11801.) Ein anderer, o Fürst, ist der Höchste und ein
anderer der Fünfundzwanzigste ; weil letzterer nur der Stand-
ort von jenem ist, erkennen die Guten beide nur als einen.
79. (11802.) Darum geben sie sich nicht zufrieden mit
jenem Fünfundzwanzigsten, Unerschütterlichen, weil sie fürch-
ten, dadurch der Geburt und dem Tode zu verfallen, sie, die
Anhänger des Yoga und Sänkhyam, o Käcyapa, (11803.) welche
auf den Sechsundzwanzigsten hinblicken in Reinheit und
völliger Hingebung [vgl. Vers 11 779 fg.].
80. Wenn er, zur Absolutheit gelangend, den Sechsund-
zwanzigsten schaut, (H804.) dann wird der Weise allwissend
und verfällt nicht abermaligem Geborenwerden.
81. Damit ist dir, o Untadliger, von mir der Nichterweckte,
der Erwachende (H806.) und der Erweckte der Wahrheit ge-
mäfs und nach Anschauung der Schrift dargelegt worden,
82. [der Erweckte], welcher nicht mehr unterscheidet
zwischen Schauendem und Geschautem, zwischen dem Müfsigen
und dem Objekte, o Kacyapa, (um.) dem Absoluten und Nicht-
absoluten, dem Fünfundzwanzigsten als Weltanfang und dem,
was das Höchste ist.
668
III. Mokshndharma.
Yicvarasu sprach:
83. (11807.) Da hast du, o Herr, die schöne Wahrheit aus-
gesprochen, die volle, beseligende, die der Ursprung der Götter
ist; unvergängliches Heil werde dir allezeit zuteil, möge dein
Geist für und für durch Einsicht in der Einsicht wurzeln!
Yajnavalkya sprach:
84. (H808.) So sprach der Hochsinnige und stieg zum
Himmel empor, glänzend in Schönheit, nachdem er mit
gröfster Befriedigung mich gegrüfst und nach rechts hin
umwandelt hatte.
85. (H809.) Dort lehrte er die empfangene Einsicht
den Himmelsbewohnern mit Brahman an der Spitze und
denen auf der Erde und den in der Tiefe Weilenden,
o Männerfiirst, welche alle in rechter Weise den Heils-
weg beschritten.
86. (ii8io.) Alle Sänkhya's, die sich der Sänkhya-
satzung erfreuen, und die Yoga's, die sich der Yoga-
satzung erfreuen, und alle anderen Menschen, die nach
Erlösung trachten, diesen allen ist diese durch Erkenntnis
geschaute Wahrheit zuteil geworden.
87. (usii.) Aus der Erkenntnis entspringt die
Erlösung, o Königslöwe, nicht aus der Nichterkenntnis,
so lehren sie, o Fürst der Männer, darum soll man nach
der wahren Erkenntnis trachten, dann wird man seinen
Atman von Geburt und Tod befreien.
88. (11812.) Mag man diese Erkenntnis von einem Brah-
manen empfangen oder von einem Kshatriya oder Vaicya
oder selbst von einem gemeinen Qüdra, sofort soll man
sie jederzeit mit Gläubigkeit annehmen, dem Gläubigen
können Geburt und Tod nichts mehr anhaben.
89. (H81S.) Alle Kasten, die Brahmanen und die von
ihnen Abstammenden, alle bekennen jederzeit das Brah-
man; als die Wahrheit verkündige ich durch Brahman-
einsicht die Lehre: dieses ganze Weltall ist insgesamt
Brahman.
90. (ii8u.) Aus Brahman' s Mund sind die Brahmanen
entsprungen, aus seinen Armen die Kshatriya' s, aus seinem
Digitized by Google
Adhyava 320 (B. 318).
669
Nabel die Vaicya's, aus seinen Füfsen die (,'iidra's, alle
Kasten sind so und nicht anders anzusehen.
91. (11815.) Wegen ihres Nichtwissens wird ihnen bald
diese, bald jene Geburt für ihre Werke zuteil, o König,
und wieder gehen alle Kasten ebenso in das Nichtsein
über, wie sie, der Erkenntnis ermangelnd, in das gemeine
Netz der Geburt durch ihr furchtbares Nichtwissen ge-
stürzt worden waren.
92. (H816.) Darum mufs man das Wissen von überall-
her erfragen, und dafs es bei allen [Kasten] zu finden
ist, habe ich dir bereits gesagt. Der Brahmane, welcher
es besitzt, und jeder andere, der darin gegründet ist,
dem wird die ewige Erlösung verheifsen, o Fürst der
Männer.
93. (U817.) Wonach du mich gefragt hast, das habe
ich dir der Wahrheit gemäfs erklärt, darum magst du
frei von Kummer leben; verfolge, o König, diese An-
gelegenheit bis zu ihrem andern Ufer, damit ist alles
gesagt; möge dir ewiges Heil zuteil werden!
Bhlshma sprach:
94. (11818.) Als der König in dieser Art von dem weisen
Yäjfiavalkya belehrt worden war, da wurde er, der Herr von
Mithila, von Freude erfüllt.
95. (H819.) Nachdem der trefflichste Muni die Umkreisung
nach rechts hin entgegengenommen hatte und geschieden
war, blieb der männerbeherrschende Sprofs des Devaräta
sitzen als ein der Erlösung Kundiger.
96. (H820.) Zehn Millionen Kühe und Gold verteilte er an
die Brahmanen und gab ihnen dazu soviel Edelsteine, wie
beide Hände fassen konnten.
97. (H821.) Die Herrschaft über die Videha's aber über-
gab er seinem Sohne, und er, der Fürst von Mithila, betrieb
fortan die Pflichten eines Asketen.
98. (H822.) Und indem er das Sänkhyawissen und die
gesamte Yogadisziplin studierte, verschmähte er die gemeine
Beschäftigung, über Recht und Unrecht zu richten.
99. (H823.) Ewig bin ich, so dachte er, und ergab sich
Digitized by Google
III. Mukshadharma.
für immer dem Absoluten, aber Recht und Unrecht, Gutes
und Böses, Wahrheit und Unwahrheit,
100. (11824.) Geburt und Tod, das alles erachtete er für
gemein, o Fürst der Könige. Denn dafs das alles nur das
Unentfaltete und seine Evolutionen angehe, o Männerfurst,
101. (11826.) das sehen die Sänkhya's und die Yoga's ein
und schöpfen die Beweise dafür aus ihren Lehrbüchern. Denn
das Brahman, welches höher als das Höchste ist, beharrt in
Freiheit von Erwünschtem und Unerwünschtem.
102. (H826.) Es ist das, welches die Weisen das Ewige,
•das Reine nennen, darum werde auch du rein. Was gegeben
wird, was man nimmt, was man als Gabe sich gefallen läfst,
103. (ii827.) was man schenkt, o Fürst, und empfängt,
•das alles schenkt und empfängt man im Bereiche des Un-
cntfalteten [der Prakriti].
104. (H828.) Aber der Ätman gehört nur dem Atman an,
welches andere gäbe es, das höher als er wäre! So sollst
du allezeit denken und dich um nichts anderes kümmern.
105. (H829.) Nur für denjenigen, welcher das Unentfaltete
nicht kennt, nicht das Gunahafte, nicht das Gunalose, der
mag immerhin in seiner Weisheit Badeplätze besuchen und
Opfer darbringen.
106. (ii83o.) Aber durch kein Vedastudium, keine Askese
oder Opfer, o Kurusprofs, kann man die Stätte des Unentfal-
teten [hier = Purusha] erreichen ; nur wer ihn erkennt, gelangt
zur Herrlichkeit.
107. (ii83i.) In derselben Weise wird einer [je nach dem
Grade seiner Erkenntnis] die Stätte des Mahän oder die des
Ahankära oder andere Stätten jenseits des Ahankära erlangen.
108. (11832.) Aber nur die, welche das über das Unentfaltete
[die Prakriti] erhabene Ewige auf Grund der Lehre erkennen,
erlangen das von Geburt und Tod Freie, jenes Freie, welches
weder seiend noch nichtseiend ist.
109. (U833.) Diese Erkenntnis habe ich vordem von
Janaka erhalten, dieser aber erhielt sie, o König, von
Yäjfiavalkya; die Erkenntnis ist erhaben über den Opfer-
kultus, durch die Erkenntnis und nicht durch Opfer über-
windet man alle Schwierigkeiten.
Digitized by Googl
Adhyaya 320 (B. 318).
671
110. (H834.) Die Schwierigkeiten liegen in Geburt und
Tod, sie sind nicht blofs stofflicher Art, wie die Wissenden
lehren, darum kann man durch Opfer, Askese, Selbst-
bezwingung und Gelübde nur einen solchen Himmel er-
langen, von dem man wieder herabsinkt.
111. (H835.) Somit mögest du nur das Höchste, Grofse,
Reine verehren, die selige Befreiung, die fleckenlose Läu-
terung; diese Stätte erkennend, o Fürst, und das Opfer
des Wissens als die Wahrheit hochhaltend, wirst du ein
Rishi werden.
112. (11836.) Weil jener Yäjnavalkya vordem dem
Fürsten Janaka die Upanishad übermittelte und das in
ihr behandelte Ewige, Unvergängliche, darum gelangte er
zu der herrlichen, leidlösen Unsterblichkeit.
So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwisclieu Yäjnavalkya und Janaka
C YdjUaraUya -Janaka - »ainrdda).
Adhyaya 321 (B. 319).
Vers 11 837-1 (B.
Yudhishthira sprach:
1. (U837.) Wie kann einer, der sich im Besitze grofser
übernatürlicher Kräfte oder reicher Güter oder langer Lebens-
dauer befindet, dem Tode entgehen,
2. (U838.) sei es durch grofse Askese oder Werke oder
Schriftgelehrsamkeit? Oder durch welche Lebenselixiere kann
man Alter und Tod vermeiden?
Bhishma sprach:
3. (11839.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich des bettelnd umherpilgernden Paficacikha
Unterredung mit dem Könige Janaka.
4. (H840.) Janaka, der König von Videha, befragte den
überaus vedakundigen grofsen Weisen Paficacikha, der alle
Zweifel über den Sinn des Gesetzes gelöst hatte:
5. (11841.) Durch welches Verhalten, o Heiliger, kann man
Digitized by Google
672
III. Mokshadharma.
Alter und Tod vermeiden, sei es durch Askese oder durch
Einsicht oder durch Werke oder durch Schrift gelehr samkeit ?
6. (11842.) Auf diese Frage erwiderte dem Videhakönige
er, dessen Wissen his ins Verborgene drang: Zu vermeiden
sind die beiden nicht, und doch ist es nicht unmöglich, sie
zu vermeiden.
7. (11843.) Nicht kommen die Tage wieder, nicht die Mo-
nate und nicht die Nächte, und der Mensch, ungewifs wie
er ist, geht endlich den gewissen Weg.
8. (U844.) Alle Wesen fallen der Vernichtung anheim;
wie durch einen Strom wird man immer weiter fortgerissen,
und dem, der fortgerissen wird und untersinkt auf dem schiff-
losen Ozean der Zeit,
9. (11846.) in dem Alter und Tod als grofse Krokodile
hausen, kommt niemand zu Hilfe, keiner steht ihm zur Seite,
und er steht keinem zur Seite
10. (H846.) Nur ein Sichtreffen auf dem Wege ist die
Verbindung mit Gattinnen und Verwandten, und noch nie ist
einer gewesen, der mit ihnen ewig zusammengewohnt hätte.
11. (11847.) Durch den Zeitgott werden sie wieder und
wieder bald mit diesem, bald mit jenem zusammengeweht
unter Donnern wie kommende und gehende Wolkenmassen
durch den Wind.
12. (H848.) Alter und Tod verschlingen wie Wölfe die Wesen,
die starken und die schwachen, die kleinen und die grofsen.
13. (H849.) Aber von ewiger Beschaffenheit ist der in diesen
vergänglichen Wesen in die Erscheinung tretende (bhutaj
Atman. Wie sollte der Freude an dem Entstehen oder Kummer
über das Vergehen empfinden!
14. (U850.) Woher bin ich gekommen? wer bin ich? wo-
hin werde ich gehen? wem gehöre ich an? worin bin ich
gegründet? [Da alle diese Fragen den Atman nicht betreffen,]
wie solltest du irgend jemandem nachtrauern?
15. (H85i.) Wer anders als du geht dem Himmel, wer
anders der Hölle entgegen ! Darum übertrete nicht das heilige
Gesetz, sondern sei fleifsig im Spenden und Opfern.
So tautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Pafica^ikha und Janaka
(Pa*ca$ ikfia -Janaka - smntdda).
Digitized by Google
Adhyäya 322 (B. 320).
673
Aclhyftya H22 (B. 320).
Vers U 8f>2 -12043 (B. 1-190).
Yudhishthira sprach:
1. (U852.) Wer vermag, auch ohne den Hausvaterstand
aufzugeben, die Befreiung von der Buddhi [und den übrigen
Evolutionen der Prakriti] als das Wesen der Erlösung zu
erlangen? Das sage mir, o Bester der Königsweisen unter
den Kuru's.
2. (H853.) Wie dieser [individuelle] Atman abgeschüttelt
wird, und wie das, was der Atman des Entfalteten [der Körper]
heifst, und was das höchste Ziel der Erlösung ist, das sage
mir, o Grofsvater.
Bhlshma sprach:
3. (11854.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, o Bharata, nämlich die Unterredung des Janaka
mit der Sulabha.
4. (H855.) Es war einmal ein König, der die Frucht der
Entsagung genofs, zu Mithilä mit Namen Janaka Dharma-
dhvaja, so ist es überliefert.
5. (H856.) Er, der sich mit dem Veda, mit dem Erlösung*-
gesetz und mit seinem eigenen [Königs-] Gesetz viele Mühe
gegeben hatte, regierte sein Land, indem er seine Sinne in
Zucht hielt.
6. (H857.) Von seinem guten Wandel hörten andere veda-
kundige, weise Männer in der Welt und eiferten ihm nach,
o Herr der Männer.
7. (H858.) Nun geschah es, dafs in diesem gerechten Zeit-
alter eine der Yogasatzung beflissene Bettelnonne mit Namen
Sulabha allein die Welt durchpilgerte.
8. (H859.) Indem sie in dieser Weise die ganze Welt durch-
streifte, hörte sie hier und da, wie der König von Mithila
von Dreistabträgern (Asketen) in betreff' der Erlösung ge-
rühmt wurde.
0. (11860.) Als sie diese schwer glaubliche Kunde vernahm,
zweifelte sie an ihrer Wahrheit, und es stieg in ihr der Wunsch
auf, den Janaka kennen zu lernen.
D«UMKir, Mab4bhAr*Ura. 43
Digitized by Google
674
III. Mokshadliunua.
10. (11861.) Da streifte sie durch Yogazauberkunst ihre
frühere Gestalt ab und nahm eine andere Gestalt von un-
vergleichlicher Körperschönheit an.
11. (H862.) Und in einem Augenblick flog leicht wie ein Pfeil
die Schönbrauige, Lotosaugige auf die Stadt der Videha's zu.
12. (H863.) Angelangt in dem lieblichen, von vielen Men-
schen erfüllten Mithilft, nahte sie sich unter dem Vorwand e
zu betteln dem Fürsten der Stadt.
13. (H864.) Als der König ihre überaus jugendliche und
schöne Gestalt sah, geriet er in Erstaunen und fragte: Wer
ist diese, zu wem gehört sie und wo kommt sie her?
14. (11865.) Nachdem er sie willkommen geheifsen hatte,
bot er ihr einen vorzüglichen Sitz an, ehrte sie durch Fufs-
waschung und erquickte sie durch vortreffliche Speise.
15. (H866.) Als die Bettelnonne mit Vergnügen gegessen
hatte, unternahm sie es, den von seinen Räten umgebenen
König inmitten der aller Auslegungen kundigen Gelehrten
anzustacheln,
16. (H867.) und zweifelnd, ob er in seiner Pflichterfüllung
der Erlösung teilhaftig geworden war oder nicht, drang die
Sulabhft vermöge ihrer Yogakunst mit ihrer Wesenheit in
die Wesenheit des Königs ein.
17. (11868.) Mit den Strahlen ihrer Augen fesselte sie seine
Augenstrahlen und, um ihn anzustacheln, band sie ihn durch
die Bande des Yoga.
18. (H869.) Aber der König Janaka lächelte, und um ihre
Macht zu überwinden, suchte er durch seine Macht die ihre
zu fesseln, o Bester der Könige.
19. (ii87o.) Vernimm nun, welche Unterredung sie, an
demselben Orte zusammengekommen, miteinander pflogen,
während er den Sonnenschirm und die übrigen Zeichen der
Königswürde und sie den Dreistab abgelegt hatte.
Janaka sprach:
20. (ii87i.) Zu welchem Zwecke hast du, o Heilige, diese
Pilgerschaft unternommen, wohin willst du gehen, zu wem
gehörst du und woher kommst du? So befragte sie der Herr
des Landes.
Digitized by Google
Adliyäya 322 (B. 3201. 675
21. (H872.) Wie es mit deiner Schriftkunde, deinem Lebens-
alter und deiner Geburtsstellung in Wahrheit steht, ist mir
nicht bewufst, darum mögest du über diese Dinge bei der
Zusammenkunft mit mir Aufschlufs geben.
22. (11873.) Wisse, dafs ich den Sonnenschirm und die
übrigen Abzeichen nicht blofs zum Scheine abgelegt habe;
ich wünsche dich dadurch zu ehren, denn du verdienst es
und wirst von mir geehrt.
23. (H874.) Vernimm, von wem ich dieses hervorragende
Wissen als einzigem Lehrer desselben ehemals empfangen
habe, vernimm von mir auch diese Erlösungslehre.
24. (ii87r>.) Als hochgeschätzter Schüler des aus der Fa-
milie des Paräcara stammenden alten hochsinnigen Bettel-
pilgers Paficacikha
25. (11876.) habe ich in dem Sänkhyawissen und im Yoga,
sowie auch in der Lebensregel der Könige, in dieser drei-
fachen Erlösungslehre meinen Weg gefunden und alle Zweifel
gelöst.
20. (ii877.) Während dieser, umherpilgernd nach der Vor-
schrift seines Gesetzes, die vier Regenmonate hindurch ehe-
dem bei mir gern verweilte,
27. (11878.) bin ich von ihm, dem obersten Meister der
Sänkhvalehre, der ihren Sinn vollkommen und der Wahrheit
gemäfs erkannt hatte , in jener dreifachen Erlösungslehre
unterrichtet und doch nicht zum Aufgeben meiner Königs-
würde veranlafst worden.
2*. (H879.) Und diesen ganzen dreifachen, zur Erlösung
fuhrenden Lebenswandel halte ich frei von Leidenschaft ein
als einziger, der auf einer so hohen Stelle steht.
2t). (U880.) Aber die höchste Vorschrift dieser Erlösungs-
lehre liegt in der Entsagung, und die Entsagung, durch die
man erlöst wird , entspringt aus der Erkenntnis.
30. (ii88i.) Vermöge der Erkenntnis legt man sich An-
strengung auf, durch die Anstrengung wird Grofses erreicht,
und dieses Grofse führt zur Erhabenheit über die Gegensätze
des Lebens, das ist die Vollendung, die über das Leben
hinausreicht.
31. (11882.) Diese höchste Erhabenheit über die Gegen-
4:j*
Digitized by Google
670
III. MokBha.lharwa.
sätze ist mir aus der Erkenntnis zuteil geworden, indem ich
frei von Verblendung und ohne Weltanhänglichkeit hienieden
wandle. .
32. (H883.) Wie ein durchpflügtes und wohlbewässertes
Feld die Frucht aufspriefsen läfst, so erzeugt das Werk der
Menschen ihre abermalige Geburt.
33. (H884.) Und wie der in irgendeiner Schale geröstete
Same, auch wenn ihm die Gelegenheit zu spriefsen geboten
wird, nicht mehr keimt, weil ihm die Samenkraft fehlt,
34. (U885.) so ist von jenem heiligen, nach der Flamme
fcikhä) sich nennenden Bettelpilger die Erkenntnis mir mit-
geteilt worden, infolge deren mein der Keimkraft beraubtes
Wesen nicht mehr in der Sinnenwelt spriefst.
35. (11886.) Es iiihlt keine Leidenschaft bei irgend etwas,
nicht bei Feindlichem, nicht bei Angehörigem, es fühlt keine
Leidenschaft bei all dergleichen wegen der Zwecklosigkeit
der Liebe wie des Zornes.
30. (H887.) Mag einer meinen rechten Arm mit Sandel-
holzsalbe bestreichen oder mag einer meinen linken Arm ab-
hauen, — mir gelten beide gleich.
37. (11888.) Ich bin glücklich, denn ich habe das Ziel er-
reicht ; mit Gleichmut blicke ich auf Erdklumpen, Steine und
Gold; frei von Weltanhänglichkeit, verharre ich in meiner
Königsherrschaft, erhaben über die anderen, auch wenn sie
als Asketen den Dreistab tragen.
38. (11889.) Der Erlösung gegenüber wird von verschie-
denen Erlösungskundigsten ein dreifacher Standpunkt ein-
genommen. Sofern das Wissen über die Welt erhebt und
auf alle Werke verzichtet,
39. (11890.) preisen die einen Erlösungskundigen den Stand-
punkt des Wissens; andere das Geheime schauende W r eise
rühmen den Standpunkt der Werke;
40. (ii89i.) aber auf beides völlig zu verzichten, auf die
Erkenntnis und auf die Werke, dieser dritte Standpunkt wurde
von jenem Hochsinnigen vertreten.
41. (U892.) In ihrem Verhalten zu Zucht, Selbstzucht, Liebe,
Hafs, Umgebung, Hochmut, Trug und Welthang stehen jene
da [die Asketen] mit den Familienvätern auf einer Linie.
Digitized by Google
Adhy&ya 322 (B. 320).
(177
4'2. (H893.) Wenn durch die Erkenntnis irgendeiner der
dreistabtragenden oder sonstigen Asketen die Erlösung er-
langt, warum soll sie nicht auch den Inhabern von Sonnen-
schirmen und anderen königlichen Abzeichen erreichbar sein,
wofern beide auf dem gleichen Grunde stehen!
43. (H894.) Aus welchem Grunde auch immer einer bei
einem Werke hienieden einen Zweck verfolgen mag, immer
befafst er sich mit diesem Werke so, dafs er in jeder Hin-
sicht seinen Zweck im Auge hat.
44. (H895.) Wer aber den Hausvaterstand für sündhaft
hält und darum zu einem andern Lebensstadium übergeht,
der beweist durch sein Loslassen des einen und Ergreifen
des andern, dafs er noch nicht frei von W r elthang ist.
45. (1189«.) Da ferner der König und der Bettelpilger in
gleicher Weise Herrschaft im Bestrafen und Belohnen aus-
üben [der eine bei seinen Untertanen, der andere bei seinen
Schülern], warum sollen denn die mit den Königen auf einer
Linie stehenden Bettler den Vorzug der Erlösung haben?
46. (11897.) Obgleich also bei beiden eine Herrscherstellung
vorliegt, werden sie durch die Erkenntnis allein von allem
Übel erlöst, sofern sie in der höchsten Persönlichkeit [des
Purusha] feststehen.
47. (11898.) Das braune Bettlergewand, die Kahlköpfigkeit,
der Dreistab und der Wasserkrug sind nur nebensächliche
Abzeichen und helfen nichts zur Erlösung, das ist meine
Meinung.
48. (ii sm.) Wenn nun auch da, wo diese Abzeichen vor-
handen sind, nur die Erkenntnis die Erlösung bewirkt, so
folgt daraus, dafs für die Erlösung vom Leiden diese Ab-
zeichen allein ohne Bedeutung sind.
49. (H900.) Wenn man hingegen hinsichtlich der Befreiung
vom Leiden auf äufsere Abzeichen überhaupt einen Wert legt,
warum sollen bei der Gleichheit des Zweckes nicht auch die
Königsabzeichen als Mittel anerkannt werden?
50. (ii9oi.) In der Besitzlosigkeit liegt noch nicht die Er-
lösung, in dem Besitze noch nicht die Bindung, beim Besitz
wie beim Gegenteil wird der Mensch nur durch die Er-
kenntnis erlöst.
Digitized by Google
678
III. Moksliadharuia.
51. (11902.) Darum wisse, dafs trotz des Guten, Angenehmen
und Nützlichen, trotz des Königtums und allem Zubehör, trotz
dieser Anlässe zur Bindung einer auf dem von der Bindung
erlösten Standpunkt stehen kann.
52. (ii 903.) Die Stricke, welche aus Königtum und Herrscher-
macht geflochten sind, welche an den Boden des Welthanges
uns binden, sind von mir durch das am Stein der Erlösung
gewetzte Messer der Entsagung durchschnitten worden.
53. (U904.) Auf diesem Wege bin ich zur Erlösung gelangt
Ich nehme Interesse an dir, o Bettelnonne, und darum möchte
ich dir sagen, dafs dein Aufseres nicht mit deinem Zwecke
in Einklang steht; höre, warum.
54. (U905.) Zartheit, Schönheit, herrliche Gestalt und
Jugend, das alles ist dir eigen; ob aber auch Selbst-
bezwingung, das ist die Frage.
55. (H906.) Dafs jedenfalls dein Betragen nicht zu diesem
deinem Aufzuge stimmt, [ergibt sich daraus, dafs] du, um
zu ermitteln, ob ich erlöst sei oder nicht, in meinen Wesens-
bereich eingedrungen bist.
56. (U907.) Einem Yogin, der noch mit Begierde behaftet
ist, ist auch der Dreistab (tridandakam mit C.) nichts nutze.
Diese Regel wird von dir nicht beobachtet, wer aber wirk-
lich erlöst ist (vimuktasya mit C), der pflegt auf seiner Hut
zu sein.
57. (H908.) Da du dich an mich herangedrängt hast, so
höre, welcher Übertretung ich dir schuld gebe, die du eigen-
mächtig in meinen bisherigen Wesensbereich eingedrungen bist.
58. (ii9oy.) Mit welchem Rechte bist du in mein Reich, in
meine Stadt gekommen? auf wessen Veranlassung bist du in
mein Herz eingedrungen?
59. (ii9io.) Du als Brahmanin bist die trefflichste Ver-
treterin der obersten Kaste, ich aber bin ein Kshatriya, eine
Verbindung zwischen uns beiden ist nicht statthaft, strebe
nicht nach Kastenvermischung.
60. (119H.) Du befolgst die Satzung der Erlösung und ich
gehöre dem Lebensstadium des Hausvaters an, und auch zum
zweiten würde eine Vermischung dieser Lebensstadien für dich
sehr übel sein.
Digitized by Google
Adhy&ya 322 (B. 320).
679
61. (it9i2.) Ob du zu meinem Familienkreis gehörst oder
nicht, das weifs ich nicht von dir und du weifst es nicht von
mir; durch dein Eingehen in einen, der demselben Familien-
kreise angehört, würde von dir als drittes das Vergehen der
Vermischung innerhalb des Familienkreises begangen werden.
62. (H913.) Aber vielleicht lebt dein Gatte und weilt nur
irgendwo in der Ferne, dann würde nach der Vorschrift, dafs
man der Gattin eines andern nicht nahen darf, noch als viertes
Vergehen eine Verwirrung des Gesetzes eintreten.
63. (119H.) Zu diesen Vergehen hast du dich um eines
bestimmten Zweckes willen fortreifsen lassen, sei es aus Un-
kenntnis, sei es aus Irrtum.
64. (H915.) Oder hast du dich etwa durch eigene Schuld
[von dem Gesetze, welches fordert, dafs ein Weib stets ab-
hängig bleibe] emanzipiert, nun, dann ist all dein Vedastudium,
soviel du davon haben magst, vergebens gewesen.
65. (H916.) Und dies ist ein neuer, dritter Vorwurf gegen
dich, dafs du mein Wesen antastest und dadurch störst; und
das ist das Kennzeichen eines schlechten Weibes, welches
durch dein unverhülltes Benehmen an den Tag gekommen ist.
66. (11917.) Und du, indem du zu triumphieren wünschest,
richtest bei deinem Triumphe deine Absicht nicht auf mich
allein, sondern du strebst danach, auch über diese meine
ganze Umgebung zu triumphieren.
67. (U918.) Und in dieser Weise richtest du weiter dein
Augenmerk auf diese würdigen Männer, um meine Partei
niederzuwerfen und deine Partei zu heben.
68. (H919.) Du aber, verblendet durch die aus Übelwollen
gegen mich entsprungene Machtverblendung, schüttest noch
immer weiter deine Yogakünste aus, als Gift und Amritam
zugleich.
69. (H920.) Wenn Mann und Weib, die einander begehren,
das Ziel erreichen, so ist das dem Amritam vergleichbar; wenn
aber ein Verliebter das Ziel seiner Wünsche nicht erlangen
kann, so ist das ein Unglück, welches dem Gifte gleichkommt.
70. (11921.) Weiche nicht ab vom geraden Wege, sei weise
und befolge deine Lebensregel, denn deine Neugierde darüber,
ob ich erlöst bin oder nicht, ist ja befriedigt worden.
Digitized by Google
680
III. Mokshadharnia.
71. (H922.) Nun darfst du aber auch alle deine Geheim-
nisse nicht vor mir verbergen (guhitum mit C). Magst du
auf eigene Veranlassung oder auf die eines andern Fürsten
hier sein, (11923.) du darfst vor mir nicht die Wahrheit ver-
bergen, indem du dich mit falschem Schein umhüllst.
72. Einem Könige darf man nie mit Falschheit begegnen,
noch auch einem Brahmanen, (11924.) noch einer mit weib-
lichen Tugenden gezierten Frau, denn wer sich mit einem
falschen Schein umgibt, der schädigt.
73. Die Kraft des Königs besteht in der Herrschaft, die
des Brahmankenners im Brahman, (11 926.) die gröfste Kraft
der Frauen besteht in ihrem Beglücktsein mit Schönheit und
Jugend.
74. Darum mufs, wer seinen Zweck erreichen will, die
durch solche Kräfte Mächtigen (11026.) mit Geradheit angehen,
denn der ungerade Weg fuhrt zum Verderben.
75. Darum mufst du deine Geburt, Schriftgelehrsamkeit,
Lebensregel, Macht, Natur (11 927.) und den Zweck deines Her-
kommens der Wahrheit gemäfs mitteilen.
Bhlshma sprach:
76. (H928.) Obgleich mit diesen unfreundlichen, unpassen-
den, unüberlegten Worten vom Könige abgewiesen, liefs sich
die Sulabhä doch nicht einschüchtern.
77. (H929.) Nachdem aber der König seine Rede geendet
hatte, begann die lieblich aussehende Sulabhä eine noch
lieblichere Rede zu halten.
Sulabhä sprach:
78. ni93o.) Eine von den achtzehn, Rede und Gedanken
verderbenden Fehlern freie, inhaltreiche, mit den achtzehn
Vorzügen geschmückte
79. (11931.) Subtilität, ferner Überlegtheit und Ord-
nung, sowie Klarheit des Resultates und Motiv, diese
fünf, durch den Zweck bedingten Erfordernisse, o Fürst,
machen eine Rede aus.
80. (U932.) Von diesen Erfordernissen, der Subtilität usw.,
welche in Begriff, Wort und Satz zum Ausdruck kommen,
vernimm im einzelnen die Definition.
Digitized by Googl
AdhyAya 322 (B. 320).
681
81. (Ho s.) Wenn die Erkenntnis je nach den verschie-
denen Erkenntnisobjekten sich verschieden gestaltet und der
Verstand überall dabei tätig ist, so macht das die Sub tili tat
der Rede aus.
82. (H934.) Wenn man im Hinblick auf einen bestimmten
Zweck die Tragweite der Fehler und Vorzüge beim Reden sich im
einzelnen klar macht, so ist dies als Cberlegtheit anzusehen.
83. (11935.) Von dem, was man sagen will, mufs dies vor-
her und jenes nachher gesagt werden ; das nennen die Kenner
der Beredsamkeit eine in Ordnung verlaufende Rede.
84. (H936.) Wenn man im einzelnen über Gutes, An-
genehmes, Nützliches oder über die Erlösung sich verbreitet
hat und am Schlüsse der Rede sagen kann: „so ist es", so
wird das die Klarheit des Resultates genannt.
85. (U937.) Wenn infolge der aus Wunsch und Hafs ent-
springenden Affekte eine überwiegende Neigung sich einstellt
und diese sich im Handeln betätigt, o Fürst, so wird dieses
das Motiv genannt.
8t). (U938.) Diese genannten fünf Erfordernisse, Subtili-
tät usw., zu einem Zwecke vereinigt, sollst du als meine
Rede, o Fürst, vernehmen.
87. (U939.) Ich will dir eine sinnreiche, unzweideutige,
regelrechte, nicht weitschweifige, milde, zweifelsfreie, vorzüg-
liche Rede halten,
88. (11940.) eine nicht schwerfällige, nicht der Heiterkeit
abgeneigte, wahre, nicht dem Guten, Angenehmen und Nütz-
lichen zuwiderlaufende, nicht des Schmuckes entbehrende,
89. (11941.) eine nicht unvollständige, nicht häfsliche Worte
enthaltende, nicht hochfahrende, nicht wegen bildlicher Aus-
drucksweise erklärungsbedürftige, nicht der Begründung ent-
behrende, nicht unmotivierte.
90. (H942.) Hingegen werde ich nie in meiner Rede mich
von Begierde, Zorn, Furcht, Habsucht und unedlem Klein-
mute, noch auch von Schüchternheit, Mitleid und Hochmut
beherrschen lassen.
91. (U943.) Wenn Redner, Hörer und die vollständige Rede
harmonisch beim Reden zusammenstimmt, o Fürst, dann tritt
der beabsichtigte Sinn zutage.
Digitized by Google
682
III. Mokshadh.mnu.
92. (11944.) Wenn hingegen der Redner in der Rede Ver-
achtung des Hörenden bekundet, indem er nur sein Interesse
vertritt und dieses für das Interesse des andern ausgibt, dann
kann die Rede nicht wirken.
93. (11945.) Wenn er aber sein eigenes Interesse ganz ver-
leugnet und nur das Interesse des andern vertritt, dann fafst man
Mifstrauen gegen ihn, und auch eine solche Rede ist verfehlt.
94. (H946.) Wenn dagegen der Redner das beiderseitige
Interesse, das des Hörenden und sein eigenes, als in Ein-
klang stehend nachweist, ein solcher und kein anderer ist
der wahre Redner, o König.
95. (H947.) So höre denn, o König, diese sachgemäfse
Auseinandersetzung. Wie Leim und Holz, wie Staub und
Wassertropfen
96. (H948.) miteinander verbunden sind, so ist es auch,
o König, mit der Zusammensetzung der lebenden Wesen in
dieser Welt. Ton, Gefühl, Geschmack, Gesicht und Geruch
sind die fünf Sinne;
97. (11949.) ihre besonderen Wesenheiten sind zu einer
Wesenheit verbunden wie Leim und Holz. Aber sie haben
durchaus keinen Einflufs aufeinander, das ist klar.
98. (U950.) Jedes einzelne von ihnen hat kein Bewufstsein,
weder von sich selbst, noch von dem andern: das Auge weifs
nicht, dafs es Auge ist, das Ohr hat keine Kunde von sich selbst
99. (H951.) Dennoch überschreiten sie bei ihrem Wirken
nicht ihre Grenzen, obgleich sie kein Bewufstsein davon
haben, miteinander verbunden zu sein wie Wasser und Staub.
100. (11952.) Hingegen stehen sie in Beziehung zu anderen
Dingen aufser ihnen, nämlich zu den Qualitäten; vernimm
auch diese von mir. Die Gestalt, das Auge und das Licht
wirken als drei Ursachen beim Sehen zusammen.
101. (119öS.) Wie in diesem Falle, so wirken auch bei
den anderen Erkenntnisobjekten die entsprechenden Ursachen
zusammen, und bei diesem Gegensatze zwischen Erkenntnis
und Erkenntnisobjekt tritt eine höhere Qualität in Krall,
welche das Manas heifst.
102. (U954.) Indem sie überlegt bei dem Entscheiden über
Gutes und Böses, tritt hierbei eine zwölfte Qualität in Kraft,
Digitized by Google
Adhyaya 322 (B. 320).
G83
welche Buddhi heifst (11955.) und nach vorhergegangenem
Zweifel über die Erkenntnisobjekte die Entscheidung trifft.
103. Über diese zwölfte Qualität erhebt sich eine andere,
welche Sattvam genannt wird (U95g.) und nach welcher der
Mensch beurteilt wird als reich an Sattvam oder arm an
Sattvam.
104. Ich bin der Täter faham kartäj, so spricht eine
weitere, vierzehnte Qualität, [sie heifst Ahankära] (ii957.)weil
sie sagt, dieser Mensch gehört mir und jener gehört mir nicht.
105. Dann folgt, o König, eine fünfzehnte höhere Quali-
tät, (11958.) welche bezeichnet wird als der Inbegriff der
Summe der verschiedenen Teile.
106. Dann folgt als sechzehnte eine weitere Qualität,
welche gleichsam ein Aggregat ist [nach Nil. die Avidyä],
(11959.) aufweiche zwei weitere Qualitäten, nämlich Prakriti
und Vyakti (Entfaltung) sich stützen.
107. Lust und Unlust, Alter und Tod, Gewinn und Ver-
lust, Liebes und Unliebes, (ii9G0.) in diesen besteht die neun-
zehnte Qualität, welche die Paarung der Gegensätze heifst.
108. Höher als die neunzehn steht eine weitere Qualität,
welche Kala (die Zeit) genannt wird, (11 »ei.) durch sie als
die zwanzigste sind Entstehen und Vergang der Wesen bedingt.
100. Dieser zwanzigfache Komplex, dazu die fünf grofsen
Elemente (ii».;2.) und zwei andere zum Vorschein kommende
Qualitäten, welche mit dem Charakter des Seienden und
Nichtseienden behaftet sind,
110. dieser zwanzigfache Komplex und dazu die sieben
erwähnten Qualitäten, (ii;>«3.) ferner Vidhi (moralischer Exi-
stenzgrund), (,'ukram (Eintritt ins Dasein durch Zeugung)
und Balam (Betätigung im Dasein) als drei weitere Guna's, —
111. das sind alles in allem zusammengezählt dreifsig
Qualitäten; (H964.) dasjenige, worin diese sämtlich sich zu-
sammengefunden haben, wird Leib genannt.
112. Manche nehmen an, dafs der Urgrund (prakriti)
dieser [dreifsig] Bestandteile ein Unoffenbares [urijaktam meta-
physisch Reales] ist, (11 965.) andere hingegen von plumperm
Verstände sehen den Urgrund derselben in einem Offenbaren
[empirisch Realem].
Digitized by Google
684
III. Moksliadharnia.
113. Mag man nun aber ein Unoffenbares oder Offen-
bares oder alle beide oder eine Vierheit von Urgründen an-
setzen, (H966.) unter allen Umstanden nehmen die Renner des
innern Selbstes einen Urgrund aller Wesen an.
114. Und dieser unoffenbare Urgrund kommt durch die
[dreifsig] Bestandteile zur Offenbarung (11967.) als ich und du,
o Fürst der Könige, und als alle anderen Verkörperten.
115. Es sind die in der Injektion des Tropfens usw. be-
stehenden, an das Vorhandensein von Same und Blut ge-
knüpften Bedingungen, (11968.) durch deren Eintreten das
entsteht, was man den Reim fkalalam) nennt.
116. Aus dem Keim entsteht die Keimblase (budbudanij,
aus dieser der Fötus (peqi), (11969.) aus dem Fötus entwickeln
sich nach und nach die Glieder, und aus den Gliedern Nägel
und Haare.
117. Nach Ablauf des neunten Monats erfolgt für das
entstandene Wesen, o Fürst von Mithilä, (11970.) die Geburt
in der Welt der Namen und Gestalten, je nach dem Ge-
schlechtszeichen als Weib oder Mann.
118. Während man die eben geborene Gestalt als kupfer-
farbig an Nägeln und Fingern wahrnimmt, (11971.) so ist dies
an der aus dieser Gestalt sich fortentwickelten Kindgestalt
nicht weiter zu bemerken.
119. Aus der Kindheit geht die Jugend, aus der Jugend
das Alter hervor, (11972.) und bei dieser stufenweisen Entwick-
lung wird das jedesmal Frühere nicht mehr wahrgenommen.
120. An den für ihre besonderen Zwecke bestimmten
[dreifsig] Bestandteilen finden von Augenblick zu Augenblick
Veränderungen (11973.) bei allen Wesen statt, welche jedoch
wegen ihrer Kleinheit nicht wahrgenommen werden.
121. Weder ihr Vergehen, noch ihre Neubildung ist,
o König, (11974.) in den verschiedenen Zuständen bemerkbar,
so wenig wie die Veränderung der Flamme in einer brennenden
Lampe.
122. Da nun diese ganze Welt in einem solchen Pro-
zesse begriffen ist, unaufhörlich wie ein tüchtiges Rofs dahin-
zustürmen, (11975.) wer sollte da irgendwoher stammen oder
nicht stammen?
Digitized by Ooo
Adhyäya 322 (B. 320).
685
123. wem sollte da irgend etwas angehören oder nicht
angehören? woher sollte irgend etwas kommen oder nicht
kommen? (in»76.) welcher Zusammenhang sollte da zwischen
den Wesen, ja auch nur zwischen den Gliedern des eigenen
Leibes bestehen?
124. Wie das Feuer aus Sonne, Edelstein oder Holz [die
von ihm ganz verschieden sind] entspringt, (11977.) so ent-
springen die Wesen aus dem Zusammentreffen der [von ihnen
ganz verschiedenen dreifsig] Bestandteile.
125. So gut wie du in deinem Selbste durch dein Selbst
dein Selbst siehst, (11978.) und wie du hierbei durch dein
Selbst das [allgemeine] Selbst siehst, warum solltest du nicht
ebenso in einem andern durch dein Selbst das [allgemeine]
Selbst sehen!
126. (11979.) Und wenn du in einem fremden Selbste die
Identität [mit dem allgemeinen Selbste] feststellst, warum
fragst du mich dann, wer ich sei und wem ich angehöre?
127. (11 »so.) Für einen, der sich von solchen Gegensätzen,
wie: „dies ist mein", „dies ist nicht mein' 4 , losgelöst hat,
o Herr von Mithila, welchen Zweck haben für einen solchen die
Fragen : Wer bist du, wem gehörst du an, woher kommst du ?
128. (11981.) Wer als König im Sieg, Frieden und Krieg
mit Feinden, Freunden und Neutralen zu tun hat, welches
Merkmal des Erlösten wäre wohl bei dem zu finden!
129. (H982.) Wer nicht imstande ist, in den Werken die
Dreischar [des Guten, Angenehmen und Nützlichen] in ihrer
siebenfachen Kombination [einzeln, paarweise und zu dreien]
zu durchschauen, sondern noch an dieser Dreischar hängt,
welches Merkmal des Erlösten wäre wohl bei dem zu finden !
130. (fehlt in c.) Wer auf Liebes und Unliebes, auf Starkes
und Schwaches nicht mit gleichem Blicke sieht, welches Merk-
mal des Erlösten wäre wohl bei dem zu finden!
131. (H983.) Darum bist du nicht geeignet für die Er-
lösung, — der Wahn, sie zu besitzen, o Fürst, mufs von
deinen Freunden unterdrückt werden — nicht geeignet, wie
einer, der keine Diät hält, für die Arznei.
132. (11984.) Nur der, o Feindbezwinger, welcher alle mög-
lichen Anlässe zum Welthange samt und sonders schon in
Digitized by Google
686
III. Mokshadhanua.
sich selbst durch sich selbst befriedigt findet [vgl. Chänd. Up.
8,3,2], nur der besitzt das Merkmal des Erlösten.
133. (11985.) Diese Anlässe zum Welthange und manche
andere schwer bemerkbare, die sich in vier Arten sondern
[Schlaf, Sinnengenufs, Nahrung, Kleidung], will ich dir vom
Standpunkte der Erlösung aus erklären.
134. (H986.) Auch wenn einer diese ganze Erde als Allein-
herrscher regierte, so müfste ein solcher König doch als ein
einzelner Mensch in einer bestimmten Stadt Wohnung nehmen.
135. (U987.) Und in dieser Stadt ist es doch nur ein Haus,
welches er bewohnen kann, und in dem Hause ist es nur ein
Bett, in dem er nachts ruhen kann.
136. (11988.) Und die Hälfte dieses Bettes hat schon vor-
her die Frau in Besitz genommen. Darum wird er nur unter
diesen Einschränkungen des Genusses seiner Macht teilhaftig.
137. (H989.) Ebenso steht es für ihn in Sinnengenufs,
Nahrung und Kleidung und in den beschränkten Machtmitteln,
zu strafen und zu lohnen.
138. (H990.) Immer ist der König abhängig, schon in
kleinen Sachen ist er nicht frei, und wenn es sich erst um
Krieg und Frieden handelt, wie könnte er da unabhängig sein ?
139. (H991.) Bei Weibern, Spiel und Erholung zeigt sich
überall die Abhängigkeit des Königs, und vollends bei der
Beratung im Ministerrat, wo bleibt da seine Unabhängigkeit ?
140. (H992.) Man behauptet wohl, der König sei frei, wenn
er anderen Befehle gibt, aber er wird gezwungen, gegen seinen
Willen zu handeln, indem er dem jedesmaligen Augenblicke
gehorcht.
141. (H993.) Er möchte schlafen und kann keinen Schlaf
finden wegen der Menschen, die seiner Befehle harren, und hat
er sich losgemacht und ist auf seinem Lager entschlummert,
so wird er gegen seinen Willen wieder aufgeweckt.
142. (H994.) Bade dich, opfere, trinke, ifs, giefse den Opfer-
trank aus, verehre die heiligen Feuer, rede, höre, durch diese
Worte wird er wider Willen von anderen zum Handeln ge-
bracht.
143. (11995.) In dieser Weise überlaufen ihn immerfort
die Leute und bedrängen ihn mit Bitten, aber als Hüter des
Digitized by Google
Adhy&ya 322 (B. 320).
687
Staatsschatzes kann er nicht einmal hochverdiente Männer
befriedigen.
144. (H996.) Wenn er schenkt, leert sich seine Schatz-
kammer, und sogar Feindschaft zieht er sich durch seine
Gaben zu, dann überkommen ihn alsbald Verstimmungen, die
ihn seiner Herrschaft überdrüssig machen.
145. (11997.) Gegen Weise, Helden und Reiche, auch wenn
sie allein stehen, hegt er Argwohn; und ist er vor diesen
sicher, mufs er sich sogar vor denen fürchten, die ihn be-
ständig verehren.
14t>. (11998.) So kann es geschehen, o König, dafs die
Erwähnten ihm abtrünnig werden, und du kannst dir denken,
wie sehr er dann Grund hat, sich vor ihnen zu fürchten.
147. (11999.) Jeder ist in seinem Hause König, denn jeder
Hausvater, wenn er in seinem Hause straft oder lohnt, ist,
o Janaka, dem Könige vergleichbar.
148. (12000.) Auch der König hat Söhne, Gattinnen und
die eigene Person, Schätze, Freunde und Vorräte, das alles
hat er ebenso wie die anderen, sei es aus diesem oder jenem
Grunde.
149. (12001.) Wenn sein Land verwüstet, seine Stadt ab-
gebrannt, sein bester Elefant gestorben ist, so wird er bei
diesen allgemein menschlichen Unglücksfällen infolge der irr-
tümlichen Erkenntnis gequält.
150. (13002.) Nicht befreit von geistigen Leiden, wie sie
aus Liebe, Hafs und Furcht entspringen, von Kopfschmerzen
und anderen Krankheiten, die ihn so gut wie andere befallen,
151. (12003.) von diesen und jenen Gegensätzen bedrängt
und immerfort in Furcht, hängt er doch an seiner viel an-
gefeindeten Herrschaft, die Nächte zählend (durchwachend).
152. (13004.) Die überaus wenig Freude bietende, viel
Leiden auferlegende, wertlose, einem Strohfeuer vergleichbare,
einer Schaumblase ähnliche
153. (12005.) Königswürde, — wer möchte die annehmen,
und wer, der sie erlangt hat, könnte Befriedigung empfinden !
Und wenn du wähnst, dein seien diese Stadt und dieses Reich,
154. (12006.) das Heer, der Schatz und die Minister, ge-
hören sie nicht allen, gehören sie nicht keinem an, o Fürst ?
Digitized by Google
683
III. Mokslnidbarma.
Die Bundesgenossen, die Minister, die Stadt, das Reich, das
Richteramt, die Schatzkammer und der Landesherr,
155. (12007.) welches dieser Glieder verdiente vor den
anderen einen Vorzug bei einer Herrschaft, welche wie drei
sich gegenseitig stützende Stäbe durch alle sieben Glieder
ihren Bestand hat und auf die Tätigkeit des einen wie des
andern angewiesen ist!
156. (12008.) Zu einer Zeit tritt dieses, zur andern jenes
Glied hervor, und dasjenige, durch welches jedesmal ein be-
stimmter Zweck erreicht wird, wird zur Hauptsache.
157. (12009.) Dieses aus sieben Gliedern bestehende Aggre-
gat und die drei noch hinzukommenden [Zunehmen, Bestehen,
Abnehmen nach Nil.], o bester Fürst, bilden zusammen eine
Schar von Zehnen, welche alle ebensogut wie der König die
Herrschaft geniefsen. (12010.) Und wenn ein König sich sehr
viel Mühe gibt und Freude an seiner Regierungspflicht hat,
158. so geniefst er doch nur einen Teil unter den Zehnen,
im andern Falle noch weniger als ein Zehntel. (12011.) Es
gibt keinen König, der nicht seinen Besitz mit jenen zehn
anderen gemeinsam hätte, wie es ja auch kein Reich gibt,
das nicht einen König hätte.
159. Ohne das Reich kann die Pflicht nicht bestehen,
ohne die Pflicht nicht das Streben nach dem Höchsten.
(12012.) Und was für den König die höchste Pflichtleistung,
was für König und Reich das Läuterungsmittel ist,
160. das wird zustande gebracht durch das Rofsopfer
(oQvamedhena mit C), bei dem die ganze Erde als Opferlohn
weggegeben wird. (12013.) Wie ich hier bin, könnte ich die
Geschäfte, unter denen ein König zu leiden hat, o Mithiläfürst,
161. hundertfältig und tausendfältig auseinandersetzen.
(12014.) Sogar an meinem eigenen Leibe liegt mir nichts, wie
käme ich dazu, auch noch in den Wesensbereich eines andern
eindringen zu wollen!
162. Mir, die ich in dieser Weise dem Yoga ergeben bin,
solltest du einen solchen Vorwurf nicht machen. (12 015.) Frei-
lich hast du von Paficacikha die ganze Erlösungslehre gehört
163. samt den Mitteln und den Upanishad's, samt den
Zutaten und der Vergewisserung. (12016.) Wenn du wirklich
Digitized by Google
Adhyäya 322 (B. 320).
dastehst als einer, der den Welthang abgetan hat und über
seine Fesseln hinausgelangt ist,
164. wie kommt es dann, dafs du wieder in den Hang
zu dem Sonnenschirm und den übrigen Abzeichen der Königs-
würde verfallen bist? (12017.) Ich glaube, du hast gar nicht
gehört, was du gehört hast, oder du hast es falsch gehört,
165. oder du hast nur eine Scheinbelehrung empfangen,
(12018.) jedenfalls zeigst du dich in diesen weltlichen Vor-
stellungen befangen
166. und bist durch Hang und Hemmungen gebunden
wie ein gewöhnlicher Mensch. (1201a.) Wenn ich mit meiner
Wesenheit in dich eingedrungen bin,
167. was kann dir das schaden, wenn du im vollen Sinne
ein Erlöster bist? (12020.) Unter allen Menschenklassen gilt
dem Asketen als Regel, in der Abgeschiedenheit zu wohnen;
168. wenn ich in dein Wesen, von dem du abgeschieden
bist, eindränge, wem würde ich damit etwas zuleide tun?
(13021.) Übrigens, 0 Untadliger, habe ich dich weder mit
Händen noch mit Armen, weder mit Füfsen noch mit
Beinen
169. oder mit anderen Gliedern berührt, o Männerherr.
(12022.) Du, der du aus einer grofsen Familie stammst, scham-
haft und weitblickend bist, hättest von deinem Throne aus
nicht von einer Vereinigung [unserer Leiber] reden sollen,
mochte sie nun stattgefunden haben oder nicht.
170. (1202s.) Und wo hier diese ehrwürdigen ßrahmanen
und andere der höchsten Ehre Würdige zugegen sind und,
da du auch ihnen ehrwürdig bist, eine gegenseitige Hoch-
achtung sich gebührte,
171. (12024.) hättest du dies bedenken und erwägen sollen,
was zu sagen ziemlich oder nicht ziemlich ist, und hättest
von einer solchen Vereinigung einer Frau mit einem Manne
nicht öffentlich reden dürfen.
172. (12025.) Wie der Wassertropfen auf einem Lotosblatte
weilt, ohne es zu berühren, so werde ich auch in dir wohnen,
ohne dich zu berühren, o Mithilafürst.
173. (12026.) Und wenn ich dich wirklich berühre und du
diese Berührung spürst, wie kann dir dann von jenem Bettel-
Diciufl, Xab&bbaratara. 44
Digitized by Google
690
III. Mokshadharma.
monche ein die Keimkraft deines Wesens vernichtendes Wissen
zuteil geworden sein? [vgl. Vers iissö.]
174. (12027.) Den Hausvaterstand hast du verloren und
die schwer erreichbare Erlösung hast du doch nicht erlangt,
sondern du stehst in der Mitte zwischen beiden wie einer,
der aus der Erlösung ein Gewerbe macht.
1 75. (12028.) Auch kann, da doch nur eine Verbindung
zwischen Sein [Purusha] und Nichtsein [Prakriti] möglich
ist, ein Erlöster wegen der Einheit und Isoliertheit des Purusha
mit einem andern Erlösten nicht in Kastenvermischung ver-
fallen [ vgl. Vers ii9io].
176. (12029.) Kasten und Lebensstadien entbehren der
Isoliertheit, da nur der Wahrheitschauende die Isoliertheit
besitzt; das andere ist [in Wahrheit] kein anderes [denn alle
Purusha's sind identisch] , mithin kann auch das andere nicht
in dem an dem wohnen.
177. (12030.) In der Hand ist der Topf, im Topf die Milch,
in der Milch die Fliege; nur weil sie voneinander verschieden
sind, können sich diese als Enthaltendes und Enthaltenes mit-
einander verbinden.
178. (12031.) Aber die Milch ist nicht der Topf und die
Fliege ist nicht die Milch, diese Dinge sind immer nur sie
selbst, nicht das andere, in dem sie enthalten sind,
179. (12 032.) Da die Lebensstadien und Kasten [vom
Purusha] verschieden und überdies noch untereinander ver-
schieden sind, wie kannst du [beim Purusha] von einer Kasten-
vermischung reden?
180. (12033.) Übrigens bin ich gar nicht aus der höchsten
Kaste, bin auch keine Vaicyä oder eine, die noch tiefer stünde,
sondern ich bin aus derselben Kaste wie du, o König, reinen
Ursprungs und unbescholtenen Wandels.
181. (12084.) Es gab einen Königsweisen mit Namen Pra-
dhäna, von dem du sicher schon gehört hast; wisse, dafs ich
in dessen Familie geboren bin und Sulabhä heifse.
182. (12035.) Drona, Catacringa, Cakradvära und Parvata
liefsen sich mitsamt dem mächtigen Indra bei den grofsen
Somafeiern meiner Vorfahren sehen.
183. (12036.) In dieser Familie bin ich geboren, und da
Digitized by Google
Adhy&ya 322 (B. 320).
(V.H
sich kein ebenbürtiger Gatte für mich fand, wurde ich in den
Erlösungslehren ausgebildet und betreibe nun alleinstehend
<Jas Einsiedlergelübde.
184. (12037.) Ich habe mich nicht mit falschem Schein
umgeben [vgl. Vers 119-23], bin keine Räuberin fremden
Outes und veranlasse keine Verwirrung des Gesetzes [vgl.
Vers 11913], sondern halte treu an dem Gesetze, welches mein
Gelübde ist.
185. (1-2038.) Ich halte fest an meinem Gelöbnisse, rede
nicht ohne Überlegung und bin auch nicht ohne Absicht
hierher in deine Nähe gekommen, 0 Männerherr.
186. (12039.) Da ich vernommen hatte, dafs dein Geist
der Erlösung hingegeben ist, so bin ich, nach dem Heil ver-
langend, hierher gekommen, um auch deine Erlösung kennen
zu lernen.
187. (12010.) Ich sage dieses nicht als eine, die zu einer
Partei gehört, sei es der eigenen, sei es der eines andern
[oder um zu ermitteln], wer erlöst, wer noch im Ringen um
die Ruhe und wer ohne Ruhe ist.
188. (12 041.) Wie nach altem Brauche der Bettel pilger nur
eine Nacht in einem leeren Hause zu weilen pflegt, so werde
ich in deinem Leibe nur die nächste Nacht zubringen.
189. (12042.) Nachdem ich durch Ehrenerweisung sowie
durch Reden und Bewirtung wohlaufgenommen worden bin,
werde ich in guter Hut schlafen und morgen befriedigt von
dannen ziehen, o Mithilafürst.
Bblshma sprach:
190. (12043.) Nachdem der König diese wohlbegründeten
und inhaltreichen Worte angehört hatte, fand er nichts weiter
mehr, was er hätte erwidern können.
So lautet im Mokshadhnrxna die Unterredung zwischen der Sulabh* und Jutiaka
'Suhtf'hd - Janaka ■ wuirti-i*).
Digitized by Google
692
III. Mokshadhaniia.
Adhyftya 323 (B. 321).
Vers 12044-12137 (B. 1-04).
Yudhishthira sprach:
1. (12044.) Wie geschah es vordem, dafs der (,'uka, der
Vyasasohn, zur Weltverdrossenheit gelangte? Das wünsche
ich zu vernehmen, grofse Wifsbegier erfüllt mich.
2. (120*5.) Du mögest mir Klarheit über das Unentfaltete,
das Entfaltete und die Wesenheit [das Brahman, Nil.], Klar-
heit der Erkenntnis verschaffen, o Kurusprofs, sowie über die
Schöpfertätigkeit des ungeborenen Gottes.
Bhlsbma sprach:
3. (12046.) Dem den gewöhnlichen guten Wandel beobach-
tenden, vor niemand sich fürchtenden Sohne erteilte der
Vater, nachdem er das ganze Vedastudium mit ihm durch-
gemacht hatte, folgende Belehrungen.
Vyasa sprach:
4. (12047.) Wandle, o Sohn, in der Pflicht und überwinde
mit bezähmten Sinnen allezeit die strengste Kälte und Hitze,
Hunger und Durst und Wind.
5. (12048.) Wahrhaftigkeit, Geradheit, Zornlosigkeit, Un-
verdrossenheit, Bezähmung, Askese, Schonung und Menschen-
freundlichkeit beobachte, wie sie das Gesetz vorschreibt.
6. (12049.) Beharre in der Wahrheit, liebe die Gerechtig-
keit und enthalte dich aller Unredlichkeit, und friste dein
Leben nur mit dem, was Götter und Gäste übriggelassen haben.
7. (12050.) Wo dein Leib [vergänglich] wie eine Schaum-
blase ist, deine Seele [nur vorübergehend] wie ein Vogel in
ihm weilt und das Zusammensein mit denen, die man liebt,
so kurze Zeit währt, wie magst du da der Ruhe pflegen,
o Sohn?
8. (12061.) W r o unermüdliche, wachsame Feinde [die Be-
gierden, Nil.] stets auf der Lauer liegen, um eine Blöfse zu
erspähen, bist du ein solcher Tor, dafs du nicht W r ache hältst?
Digitized by Google
AdhyÄya 323 (B. 321). (593
9. (12052.) Wo die Tage sich zählen lassen, die Lebens-
kraft schwindet und das Leben zernagt wird, wirst du da
nicht aufspringen und Rettung suchen?
10. (12033.) Nach dem Diesseitigen streben sie, nach Ge-
deihen von Fleisch und Blut, und wo es sich um jenseitige
Interessen handelt, schlafen sie, diese rohen Materialisten
(nastikuhj!
11. (12054.) Von geistiger Verblendung umnachtet, murren
die Menschen über ihre Pflicht; sie gehen auf Abwegen, und
auch wer ihnen folgt, mufs Pein leiden. ♦
12. (12055.) Hingegen die Zufriedenen, an der Schrift sich
Freuenden, Hochherzigen, Gewaltigen, welche auf dem Wege
der Pflicht wandeln, die sollen von dir verehrt und befragt
werden.
13. (12 056.) Die Meinung dieser Erweckten, Pflichtkundi-
gen schätze hoch und halte mit höchster Einsicht dein Manas
(cittam) im Zaume, wenn es krumme Wege gehen will.
14. (12057.) Mit einem nur auf den heutigen Tag gerichte-
ten Verstände wähnen die Toren furchtlos, das Morgen sei
noch fern, geniefsen alles ohne Wahl und stehen nicht, dafs
es für die Werke dieser Welt eine Vergeltung gibt.
15. (12058.) Besteige die Leiter der Pflicht und erklimme
sie Sprosse für Sprosse! Merkst du nicht, dafs du dich hier
wie eine Seidenraupe eingesponnen hast?
IG. (12059.) Den Nihilisten, der den Weg verloren hat und
dem Absturz vom Ufer nahe ist, lasse ohne Bedenken links
liegep wie ein ausgerissenes Bambusrohr.
17. (12060.) Begierde, Zorn und Tod, den Strom, dessen
Wasser die fünf Sinne sind, und die Strudel der Existenz
überschreite mit dem Schiffe der Beständigkeit.
18. (12061.) Da die Welt vom Tode heimgesucht und vom
Alter bedrängt wird, und da die Nicht -Vergeblichen [die
Nächte, vgl. Vers «528, oben S. 119] dahinfliehen, so fahre hin-
über auf der Fähre der Pflicht.
19. (12062.) Da der Tod einen jeden erreicht, mag er
stehen oder liegen, wo fände einer Veranlassung zur Heiter-
keit, da der Tod ihn ohne Veranlassung vernichtet!
Digitized by Google
694
III. Mokshadharma.
20. (120C3) Während einer noch Schätze häuft, während
er noch ungesättigt an Lüsten ist, packt ihn der Tod und
schleppt ihn weg, wie die Wölfin das Lamm.
21. (12064.) Die grofse, mit Pflicht und Erkenntnis ge-
nährte Fackel, deren Flamme du nach und nach gesteigert
hast, diese Fackel — der Weg geht ins Finstere! — sollst
du mit Fleifs hochhalten.
22. (12065.) Herabstürzend in die Körpernetze wieder und
wieder in der Menschenwelt, erringt der Mensch endlich die
Brahmanenwürde, bewahre sie dir, mein Sohn!
23. (12o",g.) Dieser Leib gehört einem Brahmanen an und
ist nicht geboren zur Lust, sondern zu Plage und Kasteiung
hienieden, aber nach dem Tode erwartet ihn unvergleichliche
Seligkeit.
24. (12067.) Die Brahmanenwürde wird erlangt durch
viele Askesen, hat man sie erlangt, so 6oll man sie auch
nicht um der höchsten Lüste willen aufs Spiel setzen;
allezeit dem Vedastudium, der Askese und der Bezähmung
hingegeben, mögest du, nach Frieden verlangend und das
Heil vor allem erstrebend, fort und fort an dir arbeiten.
25. (12068.) Aus Verborgenem entspringend, die Minuten
als Leib habend, unsichtbaren Wesens, mit den aus
Sekunden und Terzen bestehenden Augenblicken als
Haaren, die Dämmerungszeiten als Schultern (sandhyänsah
nach einer Lesart bei Nil.) , die helle und dunkle Monats-
hälfte als gleichkräftige Augen und die Monate als Glieder
habend, stürmt dahin das Lebensrofs der Menschen.
26. (12069.) Wenn du dieses siehst, wie es unaufhör-
lich rennt und furchtbar schnell läuft, und wenn dein
allezeit hienieden um sich schauendes Auge nicht [so
blind ist, dafs es] eines fremden Führers bedarf, dann
möge dein Geist sich in die Tugend hüllen und des
Höchsten inne werden.
27. (12070.) Diejenigen hingegen, welche hienieden, in
der Pflichterfüllung wankend, ihren Lüsten leben, die
werden, unablässig jammernd und an Widerwärtiges ge-
kettet, zu ihrer Qual [in der Hölle] ihren Leib in Schmerz
AdhyAya 323 (B. 321). 695
versenkt fühlen wegen der zahlreichen Fälle, in denen
sie ihre Pflicht gröblich verletzt haben.
28. (1-2 071.) Der König, welcher allezeit als Wächter
über Gutes und Böses wohlüberlegend die Gerechtigkeit
über alles schätzt, erwirbt die Welten der Frommen,
durchstreift manche Gefilde und geht endlich zu unfafs-
barer, unaussprechlicher Seligkeit ein.
29. (12072.) Hunde mit furchtbaren Leibern, Vögel mit
eisernen Schnäbeln und Scharen von gewaltig beschwing-
ten Geiern, welche die Menschen zerfleischen und ihr
Blut trinken, diese Ungetüme fallen nach dem Tode über
den her, der das Wort des Lehrers von sich stöfst.
30. (12073.) Zehnfach sind von dem Schöpfer die
Schranken gezogen; wer diese durchbricht und seinen
Lüsten nachhängt, der Bösewicht gerät in schweres Un-
heil und verliert sich in dem Waldesdickicht des Toten-
reiches.
31. (12074.) Ein Mensch, welcher, von heftiger Begierde
getrieben, unredlich gegen seine Freunde ist, immerfort
an niederträchtigen Reden sein Gefallen findet und mit
anvertrautem Gute Unheil stiftet, ein solcher Bösewicht
fährt in die tiefste Hölle und mufs schweres Leid erdulden.
32. (12075.) Hineinstürzend in den heifsen, grofsen
Höllenflufs Vaitarani, den Körper zerfleischt in dem
Walde, dessen Blätter Schwerter sind, hingestreckt auf
ein Lager von Beilen, schmachtet er unter schweren Leiden
in der grofsen Hölle.
33. (12070.) Du brüstest dich mit grofsen Worten, aber
das Höchste erkennst du nicht und achtest nicht auf das
von weither den Tod vorbereitende [Alter], solange es nicht
da ist.
34. (12077.) Schreite voran, sitze nicht müfsig, eine grofse
Gefahr ist im Anzüge, welche dein Glück furchtbar stören
wird, nimm dich zusammen!
35. (12078.) Ist einer erst gestorben, so wird er durch den
königlichen Befehl des Yama fortgeführt, im Hinblick auf den
Tod gib dir Mühe, die Rechtschaffenheit unter furchtbaren
Entsagungen zu üben.
Digitized by Google
696
III. Mokshadliarma.
36. (12079.) Bald wird der Herrscher Yama, unbekümmert
um eure Schmerzen, dein Leben nebst Eltern und Verwandten
fortraffen, und keiner kann es ihm wehren.
37. (12080.) Bald wird dich der Hauch anwehen, der dem
Todesgotte vorangeht, bald wirst du allein fortgeführt, be-
denke, was zu deinem Ende frommt!
38. (12031.) Wo ist der Todeswind, der dich bald an-
wehen wird! Bald werden die Weltgegenden sich um dich
drehen, wenn dich die grofse Furcht überkommt.
31). (12 082.) Bald, o Sohn, wird deine Vedakenntnis ver-
sagen, wenn du in Bestürzung dahineilst; darum versenke
dich in die höchste Meditation.
40. (12083.) Wenn du dein vordem begangenes Gutes und
Böses, als unbesonnenem Tun entflossen, beizeiten überdenkst,
so brauchst du es nicht zu bereuen, hüte den einzigen Schatz!
41. (12084.) Bald wird das Alter deinen Leib morsch
machen und Kraft und Schönheit der Glieder dir rauben, hüte
den einzigen Schatz!
42. (12085.) Bald fährt mit der Krankheit als Wacenlenker
der Tod herbei und durchbohrt deinen Leib; mit Ernst, da
das Leben schwindet, betreibe die grofse Askese!
43. (12086.) Bald werden furchtbare Wölfe, deinen Menschen-
leib umheulend, von allen Seiten herbeistürzen, übe dich in
heiligen Werken!
44. (12087.) Bald wirst du dich einsam von Finsternis um-
geben sehen, beeile dich ! Bald wirst du die goldenen Bäume
auf dem Berggipfel schauen [als Vorzeichen des Todes].
45. (1208S.) Bald kann es geschehen, dafs schlechter Um-
gang, dafs Feinde unter dem Deckmantel der Freundschaft
dich an der rechten Erkenntnis irre machen; bemühe dich,
o Sohn, um das, was das Höchste ist.
46. (12089.) Den Schatz, von dem du nicht zu furchten
brauchst, dafs dir ein König oder Dieb ihn raubt, und der
dich nicht beim Tod verläfst, diesen Schatz mögest du dir
erwerben [vgl. Ev. Matth. 6,20].
47. (12090.) Dort wird einer nicht von seinen W r erken ge-
trennt, nicht werden diese gegenseitig verwechselt; was jedem
eigen angehört, das wird dort drüben an ihm vergolten.
Digitized by Google
Adfay&ya 323 (B. 321)
607
48. (12091.) Wovon man drüben leben will, das mufs,
o Sohn, hier weggegeben werden. Den Schatz, der unver-
gänglich, unverlierbar ist, den mufst du selber dir erwerben.
49. (12092.) Noch ehe du als reicher Mann dein Gersten-
gericht gekocht hast, noch ehe dein Gerstengericht gar ist,
wirst du eiligst von dannen müssen.
50. (12093.) Nicht Mutter, Söhne und Verwandte, nicht
der vertraute liebe Freund wandeln einem nach, wenn man
einsam auf dem engen Wege dahinwandelt.
51. (12094.) Nur das vormals begangene gute und böse
Werk, nur dieses allein ist von Bedeutung, o Sohn, für den
ins Jenseits Hinübergehenden.
52. (12095.) Ganze Haufen von Gold und Edelsteinen,
mögen sie auf redlichem oder unredlichem Wege erworben
sein, können beim Dahinfall des Leibes für den Menschen
nicht irgend etwas ausrichten.
53. (12096.) Wenn du ins Jenseits hinübergehst, so wisse,
dafs es für dein begangenes und nicht begangenes Werk in
der Welt keinen Zeugen [sdkshi = säkshi, Nil. erinnert an
Panini 0,1,127] gibt, der deinem eigenen Selbste gleichkäme.
54. (12097.) Wer ins Jenseits hinübergeht, mufs seinen
Leib wie ein Kleid ablegen und dann ist seine Seele für das
durchdringende Auge der Erkenntnis von überallher sicht-
bar [vgl. Piaton, Gorgias p. 523 E.].
55. (12093.) Die drei Götter des Feuers, der Sonne und
des Windes wohnen im irdischen Leibe, und sie sind Zeugen
in ihm, welche seine Gerechtigkeit prüfen.
5f>. (12099.) In den Tagen, in den Nächten, den allbe-
rührenden, allgegenwärtigen, mögen sie enthüllen oder ver-
hüllen, beobachte unentwegt deine Pflicht.
57. (12100.) Auf deinem Wege [auf Erden, nicht, wie Nil.
will, ins Jenseits], der durch manche Wegelagerer gefährdet
und durch häfsliche, widerwärtige Insekten bedroht wird, be-
halte dein Werk fest im Auge; dein Werk ist es, welches
dich ins Jenseits geleitet.
58. (12101.) Dort werden die Werke nicht miteinander ver-
tauscht, daher wird das Vollbrachte als die Frucht, welche
aus dem eigenen Werke entspringt, vergolten.
Digitized by Google
698
III. Mukshailharma.
59. (12102.) Ebenso wie die Scharen der Apsaras im Ver-
ein mit den grofsen Weisen als Frucht die Seligkeit ge-
niefsen, ebenso erlangen andere das Verdienst ihrer Werke
und fahren auf Götterwagen nach Belieben einher.
60. (13103.) Je nachdem hienieden das Gute vollbracht
wurde von arglosen, edelgeborenen, wohlbereiteten Menschen,
dementsprechend wird es alsdann an ihnen vergolten.
61. (12104.) Zur Weltgemeinschaft mit Prajäpati, Brihas-
pati und Indra geht man über die Brücke des Hausvater-
gesetzes den höchsten Weg.
62. (12105.) Ich möchte dir viele tausend Male einschärfen:
Wer seinen Geist nicht hat verblenden lassen, den leitet dafür
der Gott des Feuers empor.
63. (12106.) Vierundzwanzig Jahre sind verstrichen, du
stehst schon da als Fünfundzwanzigjähriger, sammle dir einen
Schatz von Gerechtigkeit, denn deine Jugend flieht!
64. (i2iü7.) Bald taumelt der Tod heran und bereitet eine
unerwünschte (asukhäm mit C.) Somapressung, als wäre schon
Hand an dich gelegt, springe auf und beeile dich, deine Pflicht
zu erfüllen.
65. (12108.) Als letzter und zugleich als erster [d. h. ganz
allein] wirst du gehen; da du so deinen Weg gehen mufst,
so frage dich, was du an dir und was du an einem andern
haben wirst.
66. (12109.) Was von jedem der Guten, die hinüber mufsten,
bei dieser Gefahr als Vorbereitung auf den Hingang galt, —
hüte den einzigen Schatz!
67. (12110.) Mit Erdreich, Wurzeln und Nachbarstämmen
rafTt der Mächtige weg ohne Wahl, und niemand ist, der
ihm wehren könnte, sammle dir einen Schatz von Pflicht-
erfüllung !
68. (12111.) Diese Belehrung, o Sohn, habe ich dir jetzt
hier erteilt, aus eigener Anschauung und Folgerung suche
sie dir zu erläutern.
69. (12112.) Wer sich durch sein Werk gütlich tut oder
um irgendeines Zweckes willen freigebig ist, der ver-
anlafst durch die aus der Verblendung seines Geistes ent-
Digitized by Google
Adhyaya 323 (B. 321).
springenden Qualitäten seine Bindung, die er ganz allein
verschuldet.*
70. (12H3.; Das Schriftstudium erreicht alles, wenn man
zugleich gute Werke vollbringt; das ist das Schauen des
wahren Zweckes, eine dankbare Aufgabe, vom Zweck gekrönt.
71. (121U.) Eine bindende Fessel ist die Liebesfreude des
Dorfbewohners, Edelgesinnte durchschneiden sie und ziehen
davon, Übelgesinnte durchschneiden sie nicht [= Vers 12458].
72. (12115 ) Wozu hilft dir Reichtum, wozu Verwandte,
wozu Söhne, o Sohn, da du doch sterben mufst; er-
forsche den Atman, der in die Höhle des Herzens ein-
gegangen ist, und bedenke, wohin alle deine Vorfahren
gegangen sind!
73. (12H6.) Was du für morgen vor hast, tue lieber heute,
was für den Nachmittag, lieber am Vormittag, denn der Tod
wartet nicht darauf, ob du dein Geschäft besorgt hast
oder nicht.
74. (12H7.) Das Geleite geben dir nach deiner Auflösung
deine Angl hörigen und kehren zurück, nachdem sie den Leib
dem Feuer übergeben haben, die Bekannten und die Freunde.
75. (12UH.) Die Ungläubigen, Unbarmherzigen, Arglistigen
lasse getrost links liegen und strebe unermüdlich nach dem
Höchsten.
7(5. (12119.) Da die Menschenwelt so sehr heimgesucht
und überdies von der Zeit bedrängt wird, stütze dich auf
grofse Charakterstärke und betreibe mit ganzem Herzen
deine Pflicht.
77. (12120.) Der Mensch, welcher dieses Mittel der Er-
kenntnis vollständig begreift und vollständig seine Pflicht er-
füllt, wird im Jenseits der Seligkeit teilhaftig.
78. (12121.) Die Trennung vom Leibe gilt den Wissen-
den nicht als Tod, auf dem wohleingehaltenen Wege
gibt es kein Verderben; nur wer seiner Pflicht lebt, ist
ein Weiser, wer von der Pflicht abweicht, ist ein Tor.
• Oder: Wer durch sein Tun sich einen Schatz sammelt oder irgend
jemandem sich freigebig erweist, der allein wird durch seine von geistiger
Verblendung freien Tugenden mit dem Höchsten verbunden.
Digitized by Google
700
III. Mokshadharnia.
79. (12122.) Von den beiden auf dem Wege der Werke
eingeschlagenen Richtungen erlangt der, welcher sie ein-
schlägt, die Frucht je nach seinem Tun: wer schlechte
Werke übt, geht ins Verderben, wer die Pflicht be-
obachtet, steigt zur Himmelswelt empor.
80. (12123.) Hat man als die zum Himmel führende Leiter
das schwer zu erlangende Dasein als Mensch erreicht, so soll
man sich wohl in acht nehmen, dafs man nicht wieder
herabfalle .
81. (12124.) Wer mit seinen Gedanken den Himmelsweg
verfolgt und nicht von ihm abweicht, dem, als Vollbringer
heiliger Werke, braucht nicht von Söhnen und Verwandten
nachgetrauert zu werden.
82. (12125.) Wessen Einsicht nicht verblendet ist, sondern
sich auf die Gewifsheit stützt, der sichert sich einen Platz
im Himmel, für den besteht nicht die grofse Furcht.
83. (12126.) Wer schon geboren wurde in einem Büfser-
hain und in ihm starb, dessen Pflichterfüllung ist minder wert,
weil er Lust und Genufs nicht kennen gelernt hat.
84. (12127.) Wer aber die Genüsse kennt und auf sie ver-
zichtet, um mit seinem Leibe Askese zu üben, für den ist
nichts unerreichbar, und einen solchen Erfolg schätze ich hoch.
85. (12123.) Tausende von Müttern und Vätern, Hunderte
von Söhnen und Weibern werden uns noch angehören und
haben uns schon angehört; wem könnten sie, wem könnten
wir in Wahrheit angehören!
86. (12129.) Ich bin allein, keiner gehört mir und keinem
andern gehöre ich an ; ich sehe ihn nicht, dem ich angehören
könnte, ich sehe ihn nicht, der mir angehören könnte.
87. (12130.) Du hast nichts mit ihnen, sie haben nichts
mit dir zu tun; diese Wesen entstehen durch ihre eigenen
Werke, und auch du wirst den Weg deiner Werke gehen.
88. (12131.) In dieser Welt gehören nur dorn Reichen seine
Angehörigen wirklich an, die Angehörigen des Armen sind
es schon bei seinen Lebzeiten nicht mehr.
89. (12132.) Der Mensch häuft um des Weibes willen böse
Werke auf, dafür mufs er Pein erdulden im Jenseits und
schon hienieden.
Digitized by Google
Atlhyaya 323 (B. 321).
90. (12133.) Man sieht die Welt der Lebenden dem Ruin
verfallen durch ihre eigenen Taten, darum, o Sohn, befolge
alles, was dir anbefohlen wurde.
91. (12134.) Wer diese Anschauung sich aneignet und auf
diese Welt der Werke hinblickt (prapacyaiä mit C), der
wird sich guter Werke befleifsigen, wofern er nach jener Welt
begehrt.
92. (12135.) Durch das in Monaten und Jahreszeiten
umlaufende, Nacht und Tag als Brennholz habende, als
Zeuge der auf den eigenen Werken beruhenden Frucht
gegenwärtige Sonnenfeuer macht die Zeit mit Gewalt die
Wesen mürbe.
93. (12136.) Wozu nützt ein Reichtum, wenn man ihn
nicht gibt und nimmt, wozu ein Heer, wenn es den Feind
nicht besiegt, wozu ein Vedastudium, wenn es nicht zur
Pflichterfüllung anleitet, wozu der Atman, wenn er nicht
die Sinne zügelt und beherrscht!
Bhlshma sprach:
94. (12137.) Nachdem er dieses heilsame, von Dvaipäyana
gesprochene Wort gehört hatte, nahm C/uka Abschied von
seinem Vater, der ihm den Weg zur Erlösung gewiesen hatte.
So lautet im Mokihadbarma die läuternde Ut-lebruog
(pdeaka - adhtjwjanan).
Adhyftya 324 (B. 322).
Vers 12 13«- 12 157 (B. 1-20).
Dieser Abschnitt ist, von einigen wenig erheblichen Varianten ab-
gesehen, identisch mit Adhyay» 1*1, oben S. 142-144.
Digitized by Google
701'
III. Mitkshadharma.
Adhyftya 325 (B. 323).
Vers 12153-12186 (B. 1-20).
Yudhishthira sprach:
1. (12158.) Wie wurde dem Vyäsa der pflichttreue, askese-
mächtige (,'uka gehören und wie erlangte er die höchste
Vollendung? Das erzähle mir, o Grofsvater.
2. (12159.) Und wer war jene, in welcher der askesereiche
Vyäsa den fuka zeugte? Denn wir kennen seine Mutter nicht
und nicht die ursprüngliche Geburt des Hochsinnigen.
3. (1216O.) Und wie richtete sich, obgleich er noch ein
Knabe war, sein Geist auf das verborgene Wissen, wie solches
keinem andern, keinem zweiten hier in dieser Welt je zuteil
geworden ist?
4. (12161.) Dieses wünsche ich ausführlich zu vernehmen,
o tfoch sinniger, denn wenn ich dir zuhöre, ist das herrlichste
Amritam kein Genufs mehr für mich.
5. (1216») Darum mögest du die Hochsinnigkeit, Hin-
gebung an den Atman und Erkenntnis des Quka der Reihe
nach darlegen, o Grofsvater, der Wahrheit gemäfs.
Bhlshma sprach:
G. (12163.) Nicht durch langes Leben, nicht durch graue
Haare, durch Reichtum oder Verwandte sind die Rishi's zur
Pflichterfüllung gelangt, sondern wer des Veda kundig ist,
der gilt für grofs unter uns.
7. (12164) Alles, wonach du mich fragst, o Pändusohn,
wurzelt in der Askese, und diese Askese wird gewirkt durch
Zügelung der Sinne und nicht anders.
8. (12165.) Durch Anhänglichkeit an die Sinne verfällt der
Mensch in Sünde, durch Zügelung der Sinne erlangt er die
Vollendung.
9. (12166.) Mit tausend Acvamedha- Opfern und hundert
Vajapeyafeiern wird nicht soviel erreicht wie durch den
kleinsten Teil des Yoga.
10. U2 167.) Nun will ich dir die Geburt des <>ka mit-
teilen, die Frucht seines Yoga und seinen höchsten Werde-
Digitized by Google
Adhyäya 325 (B. 3*23).
703
gang, der schwer zu verstehen ist für die, welche unbereiteten
Geistes sind.
11. (i2ir,8.) Es geschah einstmals, dafsaufdem mit einem
AValde von Karnikärablumen bestandenen Gipfel des Berges
Meru Mahädeva (Qiva), von seinen furchtbaren Geisterscharen
umgeben, lustwandelte.
12. (12169.) Und auch die Tochter des Königs der Berge
[des Himälaya], die Göttin [Umä] war dort zugegen. Dort
aber übte damals Krishna Dvaipäyana seine göttliche Askese.
13. (12170.) Durch den Yoga in sich selbst versunken und
der Yogapflicht einzig hingegeben, fesselte er [sein Manas]
und übte Askese, um einen Sohn zu erlangen, o Bester
der Kuru's.
14. (12171.) Und er sprach: Möge mir ein Sohn zuteil
werden, o Herr, welcher mit der Stärke von Feuer, Erde,
\V asser, Wind und Äther begabt ist.
15. (12172.) Und der höchsten Askese ergeben, umwarb
er den für Unbereitete unnahbaren Gott durch den Yoga
mit seiner Bitte.
16. (12173.) Vom Winde lebend, stand der Gewaltige hundert
Jahre lang da, um Mahadeva, den vielgestaltigen Gatten dor
Umä, gnädig zu stimmen.
17. (12174.) Auch nahten dem Herrn der Welt mit ihm
Brahmanweise und allerlei Königsweise, die Welthüter und
Sadhya's nebst den Vasu's,
18. (12175.) die Aditya's und Rudra's, Sonne und Mond,
die Vasus und Marut's, die Meere und die Flüsse,
VX (12176.) die Acvin's, die göttlichen Gandharven, sowie
Narada und Parvata, der Gandharva Vicvavasu, die Siddha s
und die Apsaras.
20. (12177.) Unter ihnen erglänzte der grofse Gott Rudra
(riva), indem er einen schönen, aus Karnikärablumen ge-
flochtenen Kranz trug wie der Mond seinen Lichtglanz.
21. (12178.) In diesem himmlischen, lieblichen, von Göttern
und Götterweisen wimmelnden Walde gab sich der Rishi
unentwegt dem höchsten Y'oga hin, um einen Sohn zu er-
langen.
Digitized by Google
704
III. Moksliadharma.
22. (12179.) Aber seine Lebenskraft nahm nicht ab und
Mattigkeit überkam ihn nicht; es war wie ein Wunder für
alle drei Welten.
23. (12180.) Die Haarflechten erschienen an ihm, dem mit
unermefslicher Kraft dem Yoga Hingegebenen, leuchtend an
Glanz gleich Feuerflammen.
24. (1218I.) Das hat mir der heilige Markandeya bezeugt,
als er mir hier immerfort Göttergeschichten erzählte.
25. (12182.) Damals also erglänzten die durch jene Askese
entflammten Haarflechten des hochsinnigen Krishna (Dvai-
päyana) in der Farbe des Feuers, o Freund.
26. (12183.) Infolge dieser grofsen Askese und Frömmig-
keit, o Bhärata, wurde Mahecvara gnädig gestimmt und fafste
in seinem Geiste einen Entschlufs,
27. (12184.) und lächelnd sprach der heilige, dreimutter-
hafte Gott zu ihm: 0 Dvaipäyana, ein Sohn, wie du ihn dir
wünschest, soll dir geschenkt werden.
28. (12185.) So rein wie Feuer, Wind, Erde, Wasser und
Äther soll dein grofser Sohn sein.
29. (12186.) Und mit solchem Charakter, Verstände, Selbste
und innerem Halte ausgestattet, wird dein Sohn mit seiner
Kraft die drei Welten erfüllen und Ruhm in ihnen erlangen.
So UaUt im Mokshmdhann» die KnttUhang dei £uk»
ftuka-utpatti).
Adhy&ya 326 (B. 324).
Vera 12187-12214 (B. 1-27).
Bhisbma sprach:
1. (12187.) Nachdem der Sohn der Satyavati (Vyasa) von
dem Gotte diese herrliche Gewährung seines Wunsches er-
halten hatte, ergriff er, um Feuer zu machen, die beiden Reib-
hölzer faranij und rieb sie aneinander.
2. (12 188.) Hierbei erblickte der heilige Rishi eine Apsaras
mit Namen Ghritäci, welche vermöge des ihr eigenen Glanzes
eine herrliche Gestalt zur Schau trug, o König.
i
Digitized by Google
Adhyiya 326 (B. 324).
705
3. (12189.) Als der heilige Vyasa in jenem Haine diese
Apsaras sah, o Yudhishthira, da wurde der Weise plötzlich
von Begierde verwirrt.
4. (12190.) Als die Ghritaci sah, wie Vyüsa in seinem
Geiste von Begierde erschüttert war, verwandelte sie sich in
ein Papageienweibchen ftttlij und näherte sich ihm.
o. (12191.) Als er nun sah, dafs die Apsaras sich in eine
fremde Gestalt gehüllt hatte, wurde er übermannt von Liebes-
brunst, die seinen ganzen Leib durchzog.
C>. (12192.) Mit grofser Festigkeit suchte Vyasa den Liebes-
drang zu bekämpfen, aber der Muni war nicht imstande, sein
stürmisches Verlangen zu bemeistern.
7. (12193.) Indem das Unvermeidliche geschah, wurde er
von der Schönheit der Ghritaci fortgerissen. Während nun
der Muni sich mit aller Macht durch Feuerreiben im Zaume
zu halten suchte,
H. (12194.) geschah es, dafs sein Sperma plötzlich auf das
Reibholz fiel. Aber mit unentwegtem Geiste fuhr trotzdem
der Beste der Zwiegeborenen,
9. (12195.) der Brahmanenweise fort, das Holz zu reiben, —
da wurde ihm daraus der Cuka (der Papagei) geboren, o König,
aus dem zerriebenen Sperma frukramj wurde ihm (,'uka ge-
boren, der askesereiche,
10. (12196.) der grofse Rishi, der mächtige Yogin, ent-
sprungen aus dem Reibholze als Mutterschofs. Wie das bei
der Opferhandlung entflammte Feuer erglänzt und den Opfer-
trank emporträgt,
11. (12 197.) so wurde, ihm an Gestalt gleich, von Glanz
flammend, £uka geboren, indem er, o Kurusprofs, die un-
vergleichliche Gestalt und Farbe (Kaste) seines Vaters an
sich trug.
12. (12198.) Und bereiteten Selbstes erglänzte er wie eine
rauchlose Flamme. Aber die Gaiigä, die Beste der Ströme,
auf den Gipfel des Meru, o Männerherr,
13. (12199.) in leibhaftiger Gestalt sich begebend, labte
ihn durch ihr Wasser. Und vom Himmel herunter, o Kuru-
sprofs, kam der Stab und das schwarze Antilopenfell [wie
sie der Brahmanenschüler trägt]
Dittmi«, M&bAbh&raUm. 4">
Digitized by Google
706
III. Mokshadliannn.
14. (12200.) auf die Erde geflogen, o Fürst der Könige,
zum Besten des hochsinnigen <?uk&. Gandharven stimmten
ihren Gesang an, Apsarasen tanzten
15. (12201.) und weitschallende göttliche Trommeln wurden
gerührt, und der Gandharve Vicvävasu nebst Tumburu und
Närada
16. (12202.) sowie die Gandharven Haha und Hühü jubelten
über die Geburt des (^uka. Dorthin kamen auch die Welt-
hüter mit Qakra (Indra) an der Spitze,
17. (12203.) die Götter und Götterweisen und ebenso die
Brahmanenweisen. Der Wind liefs himmlische Blumen von
mancherlei Art herabregnen
18. (12204.) und die ganze Welt des Beweglichen und Un-
beweglichen war voll Freude. Sodann geschah es, dafs der
hochsinnige Glanzreiche (Qiva) selbst, von seiner göttlichen
Gattin begleitet, voll Freude ihn,
19. (i22or>.) den kaum geborenen Sohn des Muni, nach
der Vorschrift bei einem Lehrer einführte, und dafs (,'akra, der
Herr der Götter, ihm einen himmlischen, wunderbar gestalteten
20. (12206.) Wasserkrug [wie ihn die Asketen tragen] und
himmlische Kleider aus Liebe spendete, o Herr. Aber Schwäne
und Pfauen und Wasservögel zu Tausenden
21. (12 207.) nebst Papageien und Hähern umkreisten ihn
von rechts her, o Bhärata. Nachdem der Glanzvolle, Reib-
holzentsprossene färaneyaj diese göttliche Geburt erlangt hatte,
22. (12208.) blieb er dort wohnen, weise, seinem Gelübde
treu und gesammelten Geistes. Kaum dafs er geboren war,
nahmen auch schon die Veden nebst den Upanishad's fraha-
syamj und den Auszügen
23. (12 201» ) ebenso wie in seinem Vater auch in ihm
Wohnung. Den Brihaspati aber wählte er, der der Veden,
Vedanga's und Kommentare Kundige,
24. (12210.) zu seinem Lehrer, o grofser König, indem er
seiner Pflicht eingedenk war. Nachdem er mit ihm die
sämtlichen Veden nebst Upanishad's und Auszügen durch-
gegangen hatte,
25. (12211.) sowie vollständig die Itihasa's (epischen Ge-
dichte) und die Lehrbücher für Könige, o Herr, und nachdem
Digitized by Google
j
Adhyaya 32« (B. :524).
707
er ihm, als seinem Lehrer, die Dakshinä (das Honorar) ent-
richtet hatte, kehrte der grofse Muni zurück
2fi. (12212.) und unternahm als Brahmacarin mit Hin-
gebung gewaltige Askese. Obgleich noch ein Knabe, wurde
der Askesereiche doch von Göttern und Rishi's
27. (12 213.) um seines Wissens und seiner Askese willen
aufgesucht und geehrt. Aber sein Geist, o Männerherr, be-
gnügte sich nicht mit den drei Lebensstadion, (12214.) wie sie
im Haus vaterstande wurzeln, sondern strebte auf die Erlösungs-
lehre hin.
So lautet Im Moktbadhanna die Entstehung de« «,,'uka
(<;i,ktt-utj>att,).
Adhyftya :**7 (B. 325).
Vers 12215-1225<) (B. 1—41).
Bhtshma sprach:
1. (12215.) Nachdem er die Erlösung überdacht hatte, be-
gab sich (,'uka zu seinem Vater, und nachdem er ihn als
seinen Meister begrüfst hatte, sprach er, nach Heil verlangend,
mit Bescheidenheit:
2. (12210.) Du, o Heiliger, bist der Erlösungslehro kundig,
so sage mir, wie meinem Geiste die höchste Beruhigung zu-
teil werden kann, o Herr.
3. 02217.) Als der höchste Weise das Wort des Sohnes
vernommen hatte, sprach er zu ihm: Studiere die Erlösung
und ihre mannigfachen Satzungen.
4. (12218.) Auf die Empfehlung des Vaters hin bemächtigte
sich (,'uka, der Beste der Gesetzesträger, des ganzen Yoga-
kanons und der Kapilalehre, o Bharata.
5. (12 2iy.) Als nun Vyäsa sah, dafs sein Sohn mit brah-
mischer Herrlichkeit geschmückt, dem Brahman an Kraft
gleich und der Erlösungslehre kundig war,
(5. (12220.) da sprach er zu ihm: Gehe hin zu Janaka,
dem Könige von Mithilä; er, der Herr von Mithila, wird dir
den ganzen Sinn der Erlösung eröffnen.
45*
Digitized by Google
708
III. MokshaJhurma.
7. (12221.) Auf die Empfehlung des Vaters hin entschlofser
sich, nach Mithilä zu gehen, o Fürst, um nach der Grundlage
des Gesetzes und dem höchsten Wege der Erlösung zu fragen.
8. (12222.) Und weiter sprach zu ihm der menschenfreund-
liche [Vater]: Gehe deinen Weg in Demut, wende nicht deine
Yogamacht an, um durch die Luft zu fliegen.
9. (12223.) Gehe in Schlichtheit und trachte nicht nach
Genüssen, gehe nicht den vielerlei Dingen nach, denn sie
fesseln dich an das Leben.
10. (12 224.) Eigenmächtig mufst du nicht handeln, wenn
du bei jenem Opferherrn und Könige bist, sondern im Ge-
horsam gegen ihn verharren, dann wird er deine Zweifel lösen.
11. (12225.) Dieser in der Pflicht bewanderte und der
Erlösungslehre kundige König ist mein Opferherr, und was
er dir sagt, das kannst du ohne Bedenken tun.
12. (12226.) Nach diesen Worten wanderte der pflichttreue
Muni nach Mithilä. Er ging zu Fufs, obgleich er durch die
Luft über Land und Meer hätte fliegen können.
13. (12227.) Er mufste über Berge steigen, Flufsfurten und
Teiche durchwaten und durch Wälder und Dickichte dringen,
wo es von wilden Tieren wimmelte.
14. (12228.) Die Gebiete der beiden Berge Meru und Hari
sowie ferner das Gebiet des Himälaya durchmafs er nach-
einander und gelangte so in das Gebiet der Bharata's (bhära-
tam varsham, d. i. Indien).
15. (12229.) Nachdem er viele von Chinesen fCina) und
Hunnen (Huna) bewohnte Länder gesehen hatte, kam der
grofse Muni in unser Land Aryävarta (Hindostan).
16. (12 230.) Die Worte seines Vaters befolgend und ihren
Sinn überdenkend, nahm er seinen Weg [in gerader Linie],
wie der Vogel in der Luft fliegt.
17. (12231.) Liebliche Ortschaften und üppige Städte mit
mancherlei Kostbarkeiten sah er und sah sie doch nicht.
18. (12232.) Auch reizende Gärten und Göttertempel mit
geweihten Schätzen liefs er auf seinem Wege hinter sich.
19. (12233.) So gelangte er in kurzer Zeit ins Land der
Videha's, welche von einem gerechten Könige, dem hoch-
sinnigen Janaka, beherrscht wurden.
Digitized by Googl
Adhyäya 327 (B. 325).
709
20. (12-234.) Da sah er viele in Essen und Trinken schwel-
gende Dörfer, blühende Ortschaften und Weideplätze, die von
vielen Rinderherden belebt waren.
21. (i223.i.) Da war an Reis und Gerste Überflufs, da
tummelten sich Gänse und Wasservögel, da prangten hundert-
fach Lotosteiche in ihrer Schönheit.
22. (12236.) Er durchschritt das Land der Videha's mit
seinen reichen Bewohnern und kam zu dem lieblichen, blühen-
den Parke von Mithilä.
23. (i2>37.) Da wimmelte es von Elefanten, Rossen und
Wagen, von Männern und Frauen; er sah sie und sah sie
doch nicht, sondern ging unentwegt fürbafs.
24. (12238.) Seine Last im Geiste tragend und an seine
Aufgabe denkend, betrat er, in sich selbst ruhend und heitern
Geistes, die Stadt Mithilä.
25. (12239.) Am Burgtor angekommen, wollte er ohne Be-
denken eintreten, aber die Torhüter wiesen ihn mit rauhen
Worten zurück.
20. (i22io.) £uka jedoch blieb, ohne in Zorn zu geraten,
stehen, und obgleich er durch die Hitze und die Wanderung
ermüdet und von Hunger und Durst gequält war,
27. (12 241.) so zeigte er doch keine Mattigkeit oder Schlaff-
heit und ging auch nicht aus der glühenden Sonne. Aber
einer der Torhüter empfand Reue,
28. (12242.) und indem er den Cuka dastehen sah, herrlich
wie die Sonne im Zenith, ehrte er ihn, wie es sich gebührt,
begrüfste ihn mit zusammengelegten Händen
29. (12243.) und liefs ihn in die zweite Umzäunung des
Königspalastes ein. Dort setzte sich Uuka nieder, o Freund,
und meditierte über die Erlösung,
30. (12 244.) gleichgültig gegen Schatten und Sonnenglut
und immer gleich an Glanz. Da trat nach einer Weile ein
Minister des Königs mit zusammengelegten Händen ihm ent-
gegen
31. (12245.) und geleitete ihn in die dritte Umzäunung des
Königspalastes. Darauf lud der Minister den (>ka ein, in
den an das Frauengemach anstofsenden, dem Lustwalde des
Kubera vergleichbaren,
Digitized by Google
710
III. Mokshariliarrua.
32. (12246.) Spielplätze mit schön verteilten Wasserläufen
enthaltenden, lieblichen, mit blühenden Bäumen geschmück-
ten, unvergleichlichen Frauenlusthain einzutreten.
33. (12 247.) Dort bot er ihm einen Sitz an und entfernte
sich. Da geschah es, dafs schönbekleidete, schönhüftige,
zarte, freundlichblickende,
34. (12 248.) durchsichtige rote Gewänder tragende, von
Goldschmuck funkelnde, des Plauderns und Kosens kundige,
in Tanz und Gesang geübte,
35. (12249.) unter Lächeln schmeichelnde, an Schönheit
den Apsaras vergleichbare, in Liebeskünsten erfahrene, in
allen Herzensangelegenheiten bewanderte,
36. (12250.) herrliche Haremsmädchen, fünfzig an der Zahl,
auf ihn zueilten. Sie brachten Fufswasser und alles weitere
herbei, überhäuften ihn mit den höchsten Ehrenbezeigungen
37. (12251.) und labten ihn mit köstlichen, der Jahreszeit
entsprechenden Speisen. Nachdem er gespeist hatte, o Freund,
führten sie ihn in dem zum Frauengemach gehörigen Hain
herum
38. (12252.) und zeigten ihm alle seine lieblichen Einzel-
heiten, o Bhärata, indem sie dabei reizend spielten, lachten
und sangen.
39. (12253.) So umschwärmten sein hohes Wesen die wesens-
kundigen Mädchen, aber der Reingesinnte, Reibholzen tsprossene
hielt unbeirrt an seiner Aufgabe fest,
40. (12254.) und als Herr seiner Sinne und Meister über
den Zorn regte er sich nicht auf und zürnte auch nicht.
Nun wurde ihm ein himmlisches, götterwürdiges, mit Juwelen
geschmücktes Ruhebett,
41. (12255.) das mit kostbaren Teppichen belegt war, von
jenen herrlichen Mädchen dargeboten. Aber £uka, nachdem
er sich nur die Füfse gewaschen und das Däramerungsgebet
verrichtet hatte,
42. (12 25G.) liefs sich auf einem reinen Sitze nieder und
überdachte seine Aufgabe. Den ersten Teil der Nacht ver-
brachte er in hingegebener Meditation,
43. (12257.) und um Mitternacht gab der Herrliche sich
dem Schlafe hin, wie es Vorschrift ist. Nach einiger Zeit
Digitized by Google
j
Adhyäya 327 (B. 325).
TU
stand er dann auf, vollzog sofort seine Waschungen (i22:»8.j und
gab sich dann, von den Mädchen umringt, mit Bedacht der
Meditation hin.
44. Auf diese Weise wurde von dem Krishnasohne un-
■ •
entwegt der ganze Tag (12259.) und die folgende Nacht am
Hofe des Königs zugebracht, o Bhärata.
So lautet im MoksWharm» die Entstehung de« £uka>
(Vuka-utpatti).
Adliyftya 328 (B. 320).
Vers 12260-12311 (B. 1-51).
Bhishma sprach:
1. (12 200.) Da geschah es, dafs der König Janaka, von
seinen Ministern umgeben, o Bhärata, unter Vortritt des Haus-
priesters und des ganzen Harems,
2. (12261.) einen Sessel und mancherlei Kostbarkeiten vor-
ausschickend und auf seinem Haupte die Gastspende tragend,
dem Sohne seines Lehrers sich nahte.
3. (122G2.) Darauf wurde der mit vielen Juwelen ge-
schmückte, mit kostbaren Teppichen überdeckte, höchst er-
freuliche und prächtige Sitz
4. (12263.) aus den Händen des Hauspriesters von dem
Fürsten entgegengenommen und dem (,'uka, dem Sohne seines
Lehrers, als höchste Ehrenbezeigung dargeboten.
f>. (12 264.) Nachdem der Krishnasohn sich auf demselben
niedergelassen hatte, ehrte der König ihn nach dei Gesetzes-
vorschrift, bot ihm zunächst das Fufswasser dar und übergab
ihm die Gastspende und eine Kuh.
(>. (12 265.) Er aber nahm diese von Sprüchen begleitete
Ehrenbezeigung in vorschriftsmäfsiger Weise entgegen, und
nachdem der Beste der Brahmanen diese Ehrenbezeigung von
Janaka entgegengenommen
7. (12266.) und die Schenkung der Kuh genehmigt hatte,
fragte der gewaltige f,'uka, um den König zu ehren, ihn nach
seinem beständigen Wohlergehen
Digitized by Google
712
III. Mokshndhanna.
8. (12267.) und nach dem Befinden seines Gefolges, o Fürst
der Könige. Auf seine Aufforderung nahm der König mit
seiner Begleitung Platz.
9. (12268.) Aber der König, edel an Gesinnung wie an
Abstammung, legte, auf der Erde sitzend, die Hände zu-
sammen, erkundigte sich bei dem Vyäsasohn nach seinem
beständigen Wohlergehen, (12269.) und sodann befragte ihn
der Erdeherr nach dem Zwecke seines Kommens.
£uka sprach:
10. (12270.) Mein Vater sprach zu mir: Heil sei dir! Als
der Erlösung, des Guten und des Nützlichen kundig, ist der
König der Videha's, Janaka, berühmt, und er ist mein Opferherr.
11. (12 271.) Zu ihm begib dich eiligst, wenn du in deinem
Herzen einen Zweifel darüber hegst, was zu tun und zu lassen
ist, er wird dir den Zweifel lösen.
12. (12272.) So bin ich denn auf den Befehl meines Vaters
hierhergekommen, um dich zu befragen; darum mögest du,
o Bester der Gesetzesträger, mir dementsprechend folgendes
beantworten :
13. (12 273.) Was hat ein Brahmane hienieden zu tun, von
welcher Art ist das Wesen der Erlösung und wie kann die
Erlösung erlangt werden, durch Wissen oder durch Askese?
Janaka sprach:
14. (12274.) Was ein Brahmane hienieden von der Geburt
an zu tun hat, das vernimm. Nachdem er bei einem Lehrer
eingeführt worden ist, soll er vor allem den Veda studieren.
15. (12275.) In Askese, gutem Betragen gegen den Lehrer
und Keuschheit beharrend, o Herr, soll er ohne Murren seine
Schuld an die Götter und Väter abtragen.
16. (12276.) Hat er aber den Veda mit Fleifs studiert, das
Honorar entrichtet und die Entlassung vom Lehrer erhalten,
dann soll der Z wiegeborene heimkehren.
17. (12277.) Nachdem er heimgekehrt ist, soll er im Haus-
vaterstande, sich mit der eigenen Gattin begnügend, leben
und der Vorschrift gemäfs die Opferfeuer ohne Murren
pflegen.
Digitized by Googl
Adhyaya 328 (B. 326).
713
18. (12 278.) Nachdem er sodann Söhne und Enkel erlangt
hat, soll er in das Lebensstadium des Waldeinsiedlers über-
gehen, ebenjene Feuer nach der Vorschrift ehren und Gast-
freundschaft üben.
19. (12279.) Nachdem er pflichtgetreu im Walde der Vor-
schrift gemäfs die Feuer in seinen Leib aufgenommen hat,
soll er, erhaben über die Gegensätze und frei von Leiden-
schaft, im Brahmanlebensstadium verweilen.
(,'uka sprach:
20. (12 2W.) Wenn nun Erkenntnis und Wissenschaft er-
worben und im Herzen für immer die Freiheit von den Gegen-
sätzen des Lebens erreicht worden ist, ist es dann noch
notwendig, in den drei Lebensstadien zu verharren?
21. (122S1.) Danach frage ich dich, das mögest du, o Herr,
mir sagen, dem wahren Sinne des Veda gemäfs erkläre es
mir, o Männerherr.
Janaka sprach:
22. (12282.) Die Erlösung kann nicht ohne Erkenntnis und
Wissenschaft erlangt werden, die Wissenschaft aber ist, wie
die Schrift lehrt, nur zu erlangen durch Verbindung mit
einem Lehrer.
2'X (12 283.) Der Lehrer ist der Fährmann, und das Wissen
ist das Schiff, beides kann nur der, welcher die Erkenntnis
erlangt, seinen Zweck erreicht hat und hinübergefahren ist,
hinter sich lassen.
24. (12234.) Damit die Welten nicht verfallen, damit die
Werke nicht verfallen, ist die in den vier Lebensstadien ein-
geschnürte Pflicht von den Alten geübt worden.
25. (12 235.) Durch diese Hingabe an die Stufenreihe der
Werke durch viele Geburten hindurch gelangt man dazu,
das gute und das böse Werk von sich zu tun und das hie-
nieden zu ergreifen, was die Erlösung heifst.
2(5. (12 286.) Wenn aber durch viele Geburten im Sansara
die Organe zubereitet worden sind, kann einer, der reinen
Geistes ist, die Erlösung schon im ersten Lebensstadium er-
langen.
Digitized by Google
714
III. MokshatUianna.
27. (12287.) Hat aber einer diese erreicht, so fragt sich,
welchen Zweck die drei übrigen Lebensstadien noch haben
können für einen, der erlöst, wahrheitschauend, weise und
nach dem Höchsten strebend ist.
28. (12288.) Man mufs allezeit die aus Kajas und Taraas
entspringenden Fehler vermeiden und auf dem Wege des Satt-
vam durch seinen Atman zum Schauen des Atman gelangen.
29. (12289.) Wenn einer sich selbst in allen Wesen und
alle Wesen in sich selbst sieht, so wird er so wenig in der
Welt befleckt wie ein Wasservogel im Wasser.
30. (12290.) Wie ein Vogel aus der Niederung emporfliegt
und die Unendlichkeit droben erreicht, so gelangt, verzichtend
und vom Körper befreit, der über die Gegensätze Erhabene
zum Frieden.
31. (12291.) Darüber vernimm die Gesänge, welche ehe-
mals vom Könige Yayäti gesungen wurden und welche von
Zwiegeborenen , die der Erlösungslehre kundig sind, im Ge-
dächtnisse aufbewahrt werden.
32. (12292.) „In dem Atman und sonst nirgendwo wohnt
das Licht; als gemeinsam allen Geschöpfen kann es unmittelbar
geschaut werden von einem, dessen Geist sich darein vertieft.
33. (12 293.) Vor wem sich kein anderer fürchtet und wer
sich vor keinem andern furchtet, wer nicht liebt und nicht
hafst, der geht in das Brahman ein.
34. (12294.) Wenn einer kein böses Wesen gegen irgend
jemand zeigt in Werken, Gedanken oder Worten, der geht
in das Brahman ein.
35. (12295.) Wer seinen Atman im Geiste wohlrüstet und
den blindmachenden Neid fahren lafst, wer Begierde und Ver-
blendung fahren läfst, der erlangt die Brahmanschaft.
30. (12 296.) Wer beim Hören und Sehen allen Wesen
gegenüber seinen Gleichmut bewahrt und über die Gegen-
sätze erhaben ist, der geht in das Brahman ein.
37. (12297.) Wer auf Lob und Tadel mit Gleichmut blickt,
auf Gold und Eisen, Lust und Leid,
38. (12 298.) Kälte und Wärme, Nutzen und Schaden, Liebes
und Unliebes, Leben und Sterben, — der geht in das Brah-
man ein.
Digitized by Google
Adhyäya 328 (B. 326).
715
39. (12299.) Wie die Schildkröte die Glieder, welche sie
ausgestreckt hatte, wieder in sich hereinzieht, so soll der
Bhikshu die Sinnesorgane durch sein Manas in sich herein-
ziehen.
40. (i230<>.) Wie ein von Dunkel umhülltes Kleid mit Hilfe
einer Lampe gesehen wird, so kann man mit der Lampe der
Buddhi den Atman schauen." —
41. (12301.) Alles dieses sehe ich in dir verwirklicht,
o Bester der Verständigen, und was sonst noch zu wissen
übrig ist, das weifst du, o Herr, der Wahrheit gemäfs.
42. (12 302.) Ich weifs von dir, o ßrahmanweiser, dafs du
über die Sinnendinge hinausgelangt bist dank der Gnade
deines Lehrers und deiner eigenen Lernbegierde.
43. (12303.) Und durch desselben Lehrers Gnade ist auch
mir ein göttliches Wissen mitgeteilt worden, darum weifs ich
das über dich, o grofser Muni.
44. (12304.) Unübertrefflich ist dein Wissen und unüber-
trefflich dein Wandel; unübertrefflich ist auch deine Gott-
herrlichkeit, du aber bist dir dessen nicht bewufst.
45. (12 305.) Wegen deiner Jugend oder deines Zweifels
oder deiner Furcht, die Erlösung nicht zu erlangen, bist du,
obgleich dir die Wissenschaft zuteil geworden ist, dir nicht
bewufst, das Ziel erreicht zu haben.
4(5. (i2 3uc.) Wem von einem wie mir mit reiner Entschlossen-
heit seine Zweifel gehoben worden sind, der spaltet die Knoten
seines Herzens und erreicht das Ziel.
47. (12307.) Du bist des Wissens teilhaftig, festen Geistes
und frei von Begierde: ohne eine solche Bemühung, o Brah-
mane, kann keiner jenes Höchste erreichen.
48. (12308.) Du machst keinen Unterschied zwischen Lust
und Schmerz, bist ohne Begehrlichkeit, trägst kein Verlangen
nach Tanz und Gesang, und keine Leidensehaft steigt in
dir auf.
49. (12309). Du hängst nicht mehr an Verwandten, du
fürchtest dich nicht mehr vor Gefahren, und ich sehe, o du
Glücklicher, dafs dir Erdklumpen, Steine und Gold gleich-
viel gelten.
50. (12 310.) Ich sehe es und alle anderen Einsichtigen
Digitized by Google
716
III. Mokshadharma.
sehen es, dafs du den höchsten, unvergänglichen, leidlosen
Weg betreten hast.
51. (i23ii.) Die Frucht, welche einem Brahmanen hienieden
zuteil wird, und von welcher Art die Erlösung ist, darüber
bist du unterrichtet, o Brahmane. Was hast du weiter noch
zu fragen?
So lautet im Mokabadbarma dia BnUtahung dea £uka
ftuka - utpatti).
AdhyAya 329 (B. 327).
Vers 12312-12364 (B. 1-53).
Bhishma sprach:
1. (12312.) Nachdem fuka diese Rede vernommen hatte,
ging er bereiteten Geistes, voll Zuversicht, sein Selbst durch
sein Selbst befestigend und sein Selbst durch sein Selbst
schauend,
2. (12313.) nach Erfüllung seiner Aufgabe, heiter, beruhigt,
schweigend und mit gehobenem Haupte hinauf zu dem Schnee-
gebirge, dem Sturmwind vergleichbar.
3. (12314.) Zur selben Zeit begab es sich, dafs auch der
Götterweise Närada hinaufsteigen wollte, um den von seligen
Scharen und himmlischen Sängern bewohnten Himälaya zu
besuchen,
4. (12316.) den Himälaya, welcher belebt ist von lieblich
singenden Apsarasscharen, von Kinnara's zu Tausenden und
Bhrifigaräja's,
5. (12316.) von Tauchervögeln, Bachstelzen und bunt-
farbigen Hühnerarten,
6. von buntschillernden, durch hundertfache Kekärufe auf-
fallenden Pfauen, (12317.) von Flamingoscharen und schwarzen
Kuckucken ;
7. dort thront allezeit der König der Vögel, Garutmant
(Garuda), (12318.) dorthin kommen die vier weltbehütenden
Götter und die Scharen der Rishi's
8. immerfort zusammen, um das Beste der W r elt zu be-
raten, (12319.) wo auch von dem hochsinnigen Vishnu zur
Erlangung eines Sohnes Askese geübt wurde.
Digitized by Google
Adhyäya 329 (B. 327 ).
717
9. Dort war es auch, wo von Kumara (Skanda) einst in
seiner Kindheit die Himmelsbewohner verhöhnt worden waren.
(12320.) Skanda hatte nämlich seinen Speer in die Erde ge-
stofsen und mit Verachtung aller drei Welten
10. daselbst höhnend dieses Wort den Wesen zugerufen :
(12 321.) Wenn irgendeiner lebt, der mir überlegen ist oder die
Brahmanen mehr liebt als ich,
11. wenn in den drei Welten ein zweiter sich findet,
der an Heiligkeit und Tapferkeit mir gleichkommt, (12322.) so
möge er versuchen, diesen Speer herauszuziehen oder auch
nur zu erschüttern.
12. Als sie dies hörten, gerieten die Welten in Aufregung
und fragten sich: Wer wird den Speer herausziehen? (12323.) Als
aber der heilige Vishnu die ganze Schar der Götter mitsamt
den Dämonen und Kobolden
13. bestürzt an Sinnen und Geist infolge der Verhöhnung
erblickte, (12324.) da fragte er sich, was wohl hier Gutes ge-
wirkt werden könne.
14. Und indem er die Verhöhnung nicht ertrug, blickte
er auf den Feuersohn (Skanda) hin, (12325.) packte mit reiner
Seele den flammenden Speer,
15. und es gelang ihm, dem höchsten Purusha, mit der
linken Hand den Speer ins Wanken zu bringen. (12 320.) Als
aber der Speer von dem gewaltigen Vishnu erschüttert wor-
den war,
16. da bebte die ganze Erde mit ihren Gebirgen und
Waldungen. (12327.) Wohl hätte er den Speer herausrcifsen
können, aber er bewegte ihn nur,
17. denn der Übermächtige achtete die Verwegenheit des
Königs Skanda. (12328.) Nachdem der Heilige den Speer be-
wegt hatte, sprach er zu Prahruda dieses Wort:
18. Sieh da die Heldenkraft des Kumara, kein anderer
wird so etwas fertig bringen. (13 329.) Der aber ertrug dies»;
Rede nicht, und überzeugt, den Speer herausziehen zu können,
19. packte er ihn, vermochte aber nicht, ihn zu bewegen.
(12330 ) Einen mächtigen Schrei ausstofsend, brach er ohn-
mächtig auf dem Gipfel des Berges zusammen
Digitized by Google
718
III. Mokshadharma.
20. und zitternd stürzte er, der Sohn des Hiranyakacipu,
zu Boden. — ( 12331.) Ebendort war es auch gewesen, wo, nach
der nördlichen Himmelsgegend gelangend, an einem Abhänge
des Königs der Berge
21. der den Stier im Banner Führende (Qiva) beständig
eine schwer zu überwältigende Askese übte, o Freund,
(12332.) er, in dessen von flammendem Feuer umgebene Ein-
siedelei
22. mit Namen Sonnenberg schwer einzudringen ist von
solchen, welche unbereiteten Geistes sind. (12 333.) Dorthin
zu gehen ist nicht möglich für Halbgötter, Kobolde und
Dämonen,
23. zu der zehn Meilen weit sich erstreckenden, von
Feuerlohe umgebenen Einsiedelei. (12334.) Der heilige Feuer-
gott selbst flammte dort in seiner Stärke,
24. um alle Hindernisse fernzuhalten von dem weisen
Mahädeva, (12 335.) welcher tausend Götterjahre hindurch auf
einem Fufse stand,
25. von dem gelübdemächtigen Mahadeva, welcher die
Götter in seiner Askese beunruhigte. — (12336.) Anderseits
pflegte in der östlichen Gegend des weisen Königs der Berge
2(5. an einem abgesonderten Abhänge der askesereiche
Paräcarasohn (12 337.) Vyäsa seinen Schülern den Veda zu
lehren,
27. dem hochbeglückten Sumantu, dem Vaicampayana,
(12 338.) dem hochweisen Jaimini und dem askesereichen Paila.
28. Dort also, wo, von diesen Schülern umgeben, der
askesereiche Vyäsa safs, (12339.) erblickte den lieblichen, vor-
züglichen Ort der Einsiedelei seines Vaters
21). der reingesinnte Rcibholzentsprossene, wie die Sonne
am Himmel erglänzend. (12340.) Aber auch Vyäsa erblickte
den wie lohendes Feuer umstrahlten,
,'JO. der Sonne an Glanz gleichen Sohn, wie er heran-
kam, (12341.) ohne sich um die Bäume, Felsen und Sinnen-
dinge zu kümmern, in den Yoga vertieft, hochsinnig, einem
von der Sehne abgeschossenen Pfeile vergleichbar.
31. (12342.) Der Sohn näherte sich und erfafste die Füfse
Digitized by Google
Adhyaya 329 (B. 327).
719
des Vaters, er, der grofse Muni, während er die anderen
nach Belieben begrüfste.
32. (12343.) Darauf erzählte Cuka mit freudigem Herzen
seinem Vater alles bis ins kleinste, wie er sich mit dem
Könige Janaka unterredet hatte.
33. (i*„»:u!.) Wie er zu tun pflegte, unterwies der gewaltige
Vyasa seine Schüler und seinen Sohn und lebte auf dem
Rücken des Himälaya, der hochweise Sohn des Paräeara.
34. (12 345.) Nun begab es sich einstmals, dafs ihn seine
Schüler umstanden, mit dem Vedastudium ausgerüstet, be-
ruhigten Geistes, mit bezähmten Sinnen,
35. (1234«;.) fest in den Veden und Vedänga's gewurzelt
und askesereich. Da sprachen die Schüler mit zusammen-
gelegten Händen zu Vyasa, ihrem Lehrer.
Die Schüler sprachen:
3»). (12347.) Mit grofser Kraft ausgestattet und herrlich
emporgediehen, bitten wir nunmehr dich, unsern Lehrer, uns
eine Gnade zu erweisen.
37. (12318.) Diese ihre Rede vernommen habend, sprach
zu ihnen der Rrahmanweise : Sprecht es aus, ihr Kälblein,
welche Liebe ich euch erweisen soll.
38. (12 311».) Dieses Wort des Lehrers hörten die Schüler
mit frohem Herzen, und abermals, die Hände zusammen-
legend und mit dem Haupte vor dem Lehrer sich ver-
neigend,
39. (12350.) sprachen sie, o König, alle im Verein dieses
gewaltige Wort: Wenn der Lehrer mit uns zufrieden ist, so
sind wir beglückt, o bester Muni.
40. (12351 ) Aber wir alle bitten, dafs uns von dem grofsen
Rishi eine Gunst gewährt werde: Möchte durch dich aufser
uns kein sechster Schüler zum Ruhm gelangen, dies erweise
uns als Gnade.
4L (12352.) Wir Schüler sind unserer schon vier und der
Sohn des Lehrers ist der fünfte. Möchten die Veden in unserm
Kreise verbleiben, das ist der Wunsch, um dessen Erfüllung
wir bitten.
Digitized by Google
720
III. MokskaiUiarnm.
42. (12333.) Als Vyäsa, der des Veda nach Inhalt und Be-
deutung kundige und über das Wesen des Jenseits medi-
tierende, weise Sohn des Paräcara, die Rede seiner Schüler
vernommen hatte,
43. (12354.) sprach der Pflichtkundige zu seinen Schülern
das pflichtgetreue, beseligende Wort : Das heilige Wort mufs
allezeit einem Brahmanen, wenn er es zu hören begehrt, mit-
geteilt werden,
44. (12335.) sofern er nach der beständigen Wohnung in
der Brahmanwelt Verlangen trägt ; ihr sollt zu vielen werden,
dieser Veda soll sich verbreiten.
45. (12356.) Aber keinem dürft ihr ihn mitteilen, der nicht
ein Schüler, der nicht gelübdetreu, der nicht bereiteten Geistes
ist; dieses alles müfst ihr als die Bedingungen der Schüler-
schaft der Wahrheit gemäfs erkennen;
46. (12357.) nun und nimmer darf die Wissenschaft einem
solchen mitgeteilt werden, der unbedachten Wandels ist. Denn
wie man das Gold auf seine Reinheit hin durch Erhitzung,
Schneiden und Reiben am Probierstein
47. (12358.) prüft, so mufs man die Schüler auf ihre Ab-
kunft, Fähigkeit und was sonst dazu gehört prüfen. Nie
dürft ihr die Schüler zu einer unwürdigen oder gefährlichen
Arbeit verwenden.
48. (12359.) Je nach dem Verständnisse, je nach dem
Studium wird die Wissenschaft fruchtbar sein; jeder mufs
die Schwierigkeiten überwinden, und jeder soll auch seine
Freude daran haben.
41*. (12 360.) Allen vier Kasten soll man den Veda mitteilen,
in erster Linie aber den Brahmanen. So steht es mit dem
Studium des Veda, als grofse Aufgabe haben wir es überkommen.
50. (12361.) Die Veden sind von dem durch sich selbst
Seienden geschaffen worden, damit man die Götter mit ihnen
preise. Wer aber in seiner Verblendung einen Brahmanen
schmäht, der den Veda durchstudiert hat,
51. (12362) der geht unzweifelhaft ins Verderben, weil er
es auf einen Brahmanen abgesehen hat. Wer unbefugter-
weise den Veda erklärt und wer unbefugterweise über ihn
Fragen stellt,
i
i
i
Digitized by Google
Adhy&ya 329 (B. ;-l27).
721
52. (12363.) von denen geht erstcrer ins Verderben und
letzterer macht sich verhafst. Alles dies sei euch anbefohlen
als Vorschrift, wie der Veda zu lehren ist;
f>3. (12 364.) seid hilfreich euren Schülern, das haltet fest
in eurem Herzen.
So lautet im Mokshadharroa das Treiben de« Quka
(Cuka-krityam).
Adhyfiya 330 (B. 328).
Vers 12365-12421 (B. 1-57).
Bhlshma sprach:
1. (12365.) Nachdem die herrlichen Schüler des Vyäsa
dieses Wort des Lehrers gehört hatten, umarmten sie ein-
ander freudi Herzens :
2. (12366.) „Was der Heilige zu uns gesprochen hat, das
ist als verbindlich für Gegenwart und Zukunft in unserm
Geiste festgewurzelt, und danach werden wir handeln.'*
3. (12367.) Nachdem sie sich wiederholt freudigen Geistos
in dieser Weise miteinander besprochen hatten, redeten die
Redekundigen abermals ihren Lehrer an:
4. (12368.) Es ist uns erwünscht, o grofser Muni, aus
diesem Gebirge in die Welt herabzusteigen und für die Ver-
breitung der Veden zu wirken, wenn es dir, o Herr, gefällt.
5. (12369.) Nachdem der Paräearasohn die Rede seiner
Schüler angehört hatte, sprach er darauf das heilsame, zum
Guten und Nützlichen mahnende Wort:
6. (12370.) Ihr mögt euch zur Erde oder zur Götterwelt hin-
wenden, wenn es euch gefällt, jedenfalls müfst ihr behutsam
wandeln, denn das heilige Vedawort ist leicht zu entstellen.
7. (12371.) Von dem wahrheitliebenden Lehrer verabschiedet,
umkreisten sie den Vyäsa nach rechts, grüfsten ihn durch
Neigung des Hauptes und machten sich auf den Weg.
8. (12372.) In die Ebene hinabgestiegen, richteten sie so-
dann das Vierpriesteropfer ein und waren für Brahmanen,
Räjanya's und Vaicya s als Opferpriester tätig.
Dki-»«em, Mababbaratam 40
Digitized by Google
722
III. Mokshadharma.
9. (12373.) Allezeit von den Z wiegeborenen geehrt, lebten
sie fröhlich als Hausväter und hatten ihre Freude am Opfern
für andere und am Lehren des Veda, glücklich und in der
Welt berühmt.
10. (12374.) Nachdem die Schüler hinabgestiegen waren,
blieb Vyäsa mit seinem Sohne schweigend, meditierend und
gedankenreich an einsamer Stätte sitzen.
11. (12375.) Da besuchte ihn in seiner Einsiedelei der
askesereiche Närada und sprach zu passender Zeit mit lieb-
lich tönender Stimme:
12. (12376.) Ei, ei, du Brahmanenweiser aus Vasishtha's
Stamm ! man hört hier gar nicht mehr das heilige Wort er-
tönen; warum sitzest du allein meditierend und schweigsam
da wie einer, der in Gedanken versunken ist?
13. (12377.) Dieser Berg hat jetzt, wo er nicht mehr von
heiliger Rede widerhallt, seine Schönheit eingebüfst wie der
Mond, wenn er durch Staub und Finsternis verdunkelt wird.
14. (12378.) Nicht glänzt er mehr wie vordem, und er, der
doch von Göttern und Rishi's besucht wird, gleicht einer Be-
hausung wilder Barbaren, seitdem das Vedawort nicht mehr
auf ihm erschallt.
15. (12379.) Rishi's, Götter und mächtige Gandharven, des
Vedaklanges entbehrend, glänzen nicht mehr wie vordem.
16. (12380.) Das Wort des Närada vernommen habend,
erwiderte Krishna Dvaipäyana: 0 grofser Rishi, was du mir
gesagt hast, du, der Vedareden Kundiger,
17. (i2 38i.) das entspricht meinem Wunsche, und du hast
ganz recht, es mir zu sagen. iVllweise, allschauend und
überall umherspürend,
18. (12J82.) hast du in deinem Geiste alles gegenwärtig,
was in den drei Welten vor sich geht. Darum sprich dich
aus, o Brahmanenweiser, und sage, was ich dir zuliebe
tun soll.
19. (12383.) Lafs hören, o Brahmanenweiser, was ich unter-
nehmen soll ; seitdem ich meiner Schüler beraubt bin, werde
ich meiner nicht mehr recht froh.
Digitized by Googl
Adhy&ya 330 (B. 328).
723
Narada sprach:
20. (12384.) Das Nichtstudiertwerden ist eine Schmach für
den Veda, keine Gelübde zu haben eine Schmach für den
Brahmanen; Ausländer sind die Schmach des Landes, Neu-
gierde ist die Schmach der Weiber.
21. (12386.) 0 Herr, studiere zusammen mit deinem ver-
ständigen Sohne die Veden, dann wirst du durch den Schall
der heiligen Rede den Trübsinn abschütteln, der dich aus
Furcht vor den Kobolden befängt.
Bhlshma sprach:
22. (123S6.) Nachdem der überaus pflichtkundige Vyäsa
das Wort des Närada gehört hatte, sprach er freudig : So sei
es! und gelobte sich fest, die Veden eifrig zu treiben.
23. (12 387.) Darauf gab er sich mit seinem Sohne C,"uka
dem Studium des Veda hin und erfüllte mit seinem lauten,
kunstgerechten Vortrage gleichsam die Welt.
24. (12 38s.) Einstmals, als die beiden gerade studierten
und mancherlei Satzungen vortrugen, wehte ein sehr starker
Wind, der von einem Seesturme herrührte.
2f>. (12389.) Dabei kann nicht studiert werden, sprach
Vyasa und hemmte den Eifer seines Sohnes ; </uka hörte auf,
und von Wifsbegierde erfüllt,
26. (12390.) fragte er seinen Vater: 0 Brahmane, woher
ist dieser Wind entstanden? Du mögest mir, o Herr, das
ganze Wesen des Windes erklären.
27. (12391.) Nachdem er dieses Wort des Tuka vernommen
hatte, sprach der gleichfalls über diese Veranlassung der
Studienunterbrechung höchst erstaunte Vyasa folgendermafsen :
28. (12392.) Ein himmlisches Auge ist dir geworden, und
dein Geist ist aus sich selbst fleckenlos, von Tamas und
Rajas bist du frei und stehst fest im Sattvam.
29. (12393.) Wie einer sein Bild im Spiegel, so siehst du
dein Selbst durch dein Selbst; erwäge in deinem Selbste die
Veden und überdenke sie mit deinem Geiste.
v30! U2394.) Wer auf dem Götterwege gellt, gelangt zu
Vishnu, der Väterweg aber ist tamas-artig: diese beiden Wege
IG*
Digitized by Google
724
III. Mokslwulharma.
bestehen nach dem Tode für den, der zum Himmel, und für
den, der niederwärts geht.
31. (12395.) Auf der Erde und im Lufträume, wo immer
die Winde umherstreichen mögen, da gibt es folgende sieben
Windpfade, diese vernimm der Reihe nach.* —
32. (12396.) Da oben wohnen die mächtigen, gewaltigen,
göttlichen Scharen der Sädhya's, diese hatten einen schwer
überwindlichen Sohn, der hiefs Samäna (der Allhauch).
33. (12397.) Sein Sohn ist der Uddna (Auf hauch), dessen
Sohn der Vyäna (Zwischenhauch); von ihm stammt der Apana
(Einhauch), und von diesem weiter der Präna (Aushauch).
34. (12398.) Der schwer zu bewältigende, feindbedrängende
Präna aber hatte keine Nachkommen. Nun will ich dir die
besonderen Verrichtungen dieser Winde der Wahrheit gemäfs
erklären.
35. (12399.) Der Wind ist es, welcher die Tätigkeit der
lebenden Wesen allüberall und bei jedem in Gang bringt, und
weil alle W T esen aushauchen, darum wird er Präna (der Aus-
hauch) genannt
3G. (i24oo.) Die aus Dunst und Hitze geborenen Wolken-
massen treibt derjenige Wind an, welcher der erste auf dem
ersten Pfade ist und welcher den Namen Pravaha (der An-
treiber) führt.
37. (12401.) Im Lufträume Feuchtigkeit aufnehmend und
durch die Blitze sehr glänzend geworden, weht sausend und
brausend der zweite Wind, welcher Avaha (der Hertreiber)
heifst.
38. (12402.) Derjenige Wind, welcher fort und fort den
Aufgang des Mondes und der Sterne bewirkt, und den, sofern
er innerhalb des Körpers auftritt, die Weisen den Udäna (Auf-
hauch) nennen [mit C],
39. (12403.) der Wind, welcher aus den vier Ozeanen das
Wasser entnimmt, es emporführt und es für die Wolken im
Lufträume mit sich fortträgt, dieser Wind,
* Vers 3ti schliefst sich unmittelbar an Vers 31. Vers 32-35 unter-
brechen den Zusammenhang und scheinen ein eingeschobenes Fragment
einer von den fünf Präna's handelnden Stelle zu sein.
i
Digitized by Google
Adhy&ya 303 (B. 328).
725
40. (12404.) welcher die Wolken mit Wasser versorgt und
sie dem Regengotte überliefert, dieser überaus starke ist der
dritte Wind und heifst Udvaha (Emportreiber).
41. (12403.) Derjenige Wind, durch welchen die einzelnen
Wolken vielfach zusammengetrieben, fortgeführt und, wenn
sie anfangen den Regen zu entlassen, zu dichten Regen-
wolken werden,
42. (12406.) durch den sie aneinander geschlagen und zer-
brochen werden, so dafs die Töne der donnernden entstehen,
durch den die zum Heil entstandenen Wolken zu Regen-
wolken werden,
43. (12407.) der auch die Götterwagen höherer Wesen im
Lufträume fortführt, dieser Berge zerreifsende Wind ist der
vierte und heifst Samvaha (Zusammen treiber).
44. (12 403.) Der stürmische, rauhe, durch die Berge brüllende
Wind, durch welchen die zerrissenen und wieder vereinigten
Wolken zu Gewitterwolken werden,
45. (12409.) der vom Himmel her donnernd furchtbar sich
erhebt und dahinfährt, dieser sehr stürmische Wind ist der
fünfte und wird Vivaita (Zer treiber) genannt.
4(>. (12410.) Der Wind, in welchem die freischwebenden
himmlischen Gewässer im Lufträume dahinziehen, auf welchen
sich stützend, das reine Wasser der Himmelsgaiigä sich hält,
47. (124U.) und in welchem, von fernher gehemmt, als ein-
strahlig die Sonne erscheint, sie, welche doch der Mutter-
schafs von tausend Strahlen ist und die Erde mit Licht erfüllt,
4S. (12412.) der Wind, durch den der Mond wächst und
nach seinem Schwinden die Scheibe wieder füllt, dieser sieg-
reichste ist der sechste und heifst Parivaha (Umtreiber).
49. (12413.) Der Wind, welcher die Lebensgeister aller
Lebenden zu ihrer Zeit austreibt, auf dessen Pfade beide sich
bewegen, der Todesgott und des Vivasvant Sohn (Yama),
50. (12 4U.) der den mit ruhigem Geiste richtig Forschen-
den, — o ihr Kenner der innern Seele! — den an Meditation
und Studium sich Erfreuenden zur Unsterblichkeit verhilft,
51. (12415.) von welchem getragen die zehntausend Söhne
des Schöpferherrn Daksha im Sturme an das Ende der Welt
gelangt sind,
Digitized by Google
726 III. Moksbadharma.
52. (12416.) von welchem der Erschaffene weggerafft dahin-
geht und nicht wiederkommt, dieser höchste, schwer zu über-
windende Wind heifst Parävaha (Wegtreiber).
53. (12417.) So steht es mit diesen höchst wunderbaren
Winden, den Söhnen der Aditi; unermüdlich wehen sie, alles
durchziehend, alles tragend.
54. (12418.) Aber das ist ein grofses Wunder, dafs dieser
trefflichste der Berge durch jenen über die Mafsen wehenden
Wind mit Gewalt erschüttert wurde.
55. (12419.) Dieser Wind ist der Odem des Vishnu; wenn
dieser, stürmisch erregt, sich gewaltsam erhebt, o Freund,
dann erzittert die ganze Welt.
56. (12420 ) Darum studieren die Brahman wisser den Veda
nicht bei starkem Winde, denn in Windfurcht vor dem W inde
rezitiert, fühlt sich das heilige Wort gequält.
57. (12421.) Nachdem der mächtige Sohn des Paracara
dies Wort gesprochen hatte, rief er seinem Sohne zu: „Stu-
diere!" und stieg zur Himmelsgangä hinauf.
So lautet im Mokihadharma die Entstehung dei £uka
(riika-utpatti).
Adhyftya 331 (B. 329).
Vers 12422-12481 (B. 1-59).
BhiBhma sprach:
1. (124^2.) In dieser Zeit des Alleinseins kam Narada herbei,
um dem mit dem Studium des Veda beschäftigten £uka über
den Inhalt des Veda Fragen vorzulegen.
2. (12423.) Als aber (,'uka den Götterweisen Narada heran-
kommen sah, verehrte er ihn zunächst durch die Gastspende
auf die im Veda vorgeschriebene Weise.
3. (12424.) Da sprach Narada freudig und liebevoll: Sage
mir, o Bester der Gesetzesträger, mit welcher Heilsgabe ich
dich beglücken kann, mein Lieber.
4. (12425.) Als Cuka das Wort des Narada vernommen,
o Bharata, sprach er zu ihm : Was in dieser Welt zum Heile
dient, damit mögest du mich beschenken.
Digitized by Googl
Adbyaya 331 (B. 329).
727
Närada sprach:
5. (12426.) Zu den nach der Wahrheit forschenden und
in ihrem Geiste bereiteten alten Weisen hat der heilige Sanat-
kumära das folgende Wort gesprochen:
6. (12427.) Kein Auge kommt der Wissenschaft gleich,
keine Askese der Wahrheit, kein Unglück kommt der Leiden-
schaft, kein Glück der Entsagung gleich f = Vers 6557).
7. (12428.) Abwendung von bösem Tun, beständige Rein-
heit des Charakters, edles Betragen und geziemendes Be-
tragen, darin liegt das höchste Heil.
8. (12429.) Wer das Unglück hat, Mensch geworden zu
sein und daran hängt, der ist ein Tor; nicht vermag er sich
vom Leid zu befreien, Kleben an der Welt heifst Leiden.
9. (12430.) Die Erkenntnis des Weltanhänglichen geht irre
und befestigt ihn in dem Netze der Verblendung; wer aber
vom Netze der Verblendung umstrickt ist, der gerät in Leiden
hienieden und im Jenseits.
10. (12431.) Mit allen Mitteln soll man die Niederhaltung
der Begierde und des Zornes erstreben, wenn man nach dem
Heil trachtet, denn diese beiden stehen auf der Lauer, um
das Heil zu morden.
11. (12432.) Allezeit soll man seine Askese vor Zorn be-
hüten und sein Glück vor Ubermut, seine Wissenschaft soll
man vor Hochmut und Geringschätzung bewahren und sich
selbst vor Unbesonnenheit.
12. (12*33.) Wohlwollen ist die höchste Pflicht, Geduld
ist die höchste Stärke, das Atmanwissen ist das höchste
Wissen, aber nichts Höheres gibt es als die Wahrheit.
13. (12434.) Das Beste ist, immer die Wahrheit zu sagen,
wer die Wahrheit sagt, der redet zum Guten; das absolut
Gute für die Wesen ist nach meiner Meinung die Wahrheit.
14. (12435.) Wer auf alle Unternehmungen verzichtet, ohne
Wünsche und ohne Anhang lebt, wer verzichtet auf dies
alles, der ist weise, der ist gelehrt.
15. (12436.) Wer durch die Sinnendinge wandelt mit
Sinnen, die dem Atman gehorsam sind, ohne Anhänglichkeit,
beruhigten Geistes, unentwegt und gesammelt,
Digitized by Google
728
III. Moksha<lharma.
16. (12437.) wer bei allem, was sein Selbst umgibt, mag
es ihm angehören oder nicht, sich bewufst bleibt, dafs er
das nicht ist, der ist erlöst und erlangt in kurzer Zeit das
höchste Heil.
17. (i2i»8.) Wer im Verkehr mit den Wesen nicht sieht,
nicht fühlt, nicht redet, der, o Muni, erlangt das höchste Heil.
18. (12439.) Man schädige kein Wesen und beharre auf
dem Wege der Freundlichkeit; nachdem man einmal in dieses
Dasein geraten ist, lebe man in Feindschaft mit niemandem.
19. (i24io.) Besitzlosigkeit, Zufriedenheit, Wunschlosig-
keit, Unwankelmütigkeit, das erklärt man für das höchste
Glück dessen, der sein Selbst erkennt, sein Selbst beherrscht
20. (12441.) Gib auf, was dir angehört, und beharre,
o Freund, in Bezähmung der Sinne, gewinne den Standpunkt
der Freiheit von Kummer und Furcht hier und im Jenseits.
21. (12442.) Wer frei von Lockungen ist, hat keinen
Kummer, man meide, was die Seele verlockt; wenn du den
Lockungen widerstehst, o Teurer, wirst du von Leid und
Qual erlöst werden.
22. (12443.) Von dem askesetreuen, bezähmten, sich selbst
im Zaume haltenden Muni, der das noch Unüberwundene zu
überwinden strebt, mufs in der Sinnenwelt ohne Sinnenlust
beharrt werden.
23. (12444.) Der Brahmane, welcher nicht mehr in die
Fesseln der Guna's verstrickt ist, sondern an dem einsamen
Wandel allezeit sein Genüge hat, der wird in kurzer Zeit zu
unüberbietbarer Seligkeit gelangen.
24. (12445.) Wer unter den an den Gegensätzen sich freuen-
den Wesen als Muni seine Freude an der Einsamkeit hat,
den wisse als einen Erkenntnisgesättigten, und wer an Er-
kenntnis gesättigt ist, der leidet nicht mehr.
25. (12446.) Durch gute Werke erlangt man das Gott-
sein, durch gemischte eine Geburt als Mensch, durch böse
Werke verfällt man einer Geburt als Tier, man mag wollen
oder nicht.
20. (12 447.) Dabei wird das Geschöpf fort und fort von
Tod, Alter und Schmerz bestürmt und im Sansära mürbe ge-
macht; siehst du das nicht ein?
Digitized by Google
Adtayfcya 331 (B. 329).
729
27. (i»44s.) Du, der du das Nichtgute für gut hältst, das
Vergängliche für beständig, das Wertlose für wertvoll, warum
siehst du das nicht ein?
28. (12449.) Dafs du von vielen von dir selbst gesponnenen
Stricken der Verblendung umgarnt bist, wie eine Seiden-
raupe, die sich selbst einspinnt, siehst du das nicht ein?
20. (12450.) Lafs das Angehörige fahren; in Schuld ver-
wickelt, was angehört; wird ja doch auch die Seidenraupe
gebunden durch das, was ihr angehört.
30. (12 451.) An Kindern, Weibern und Familie hängend,
ermatten die Menschen, wie alte Waldelefanten, wenn sie in
ein Meer von Schlamm geraten sind.
31. (12452.) Wie Fische in einem grofsen Netze gefangen
und aufs Trockene gezogen werden, so lassen sich die Men-
schen in dem Netze der Weltliebe fangen und geraten da-
durch in grofses Leid.
32. (12453.) Familie, Kinder, Weiber, Leib und Vermögen
wisse alles als dir fremd und unbeständig. Was ist dein?
Das gute und böse Werk!
33. (12454.) Da du alles dahinten lassen und fortziehen
mufst, du magst wollen oder nicht, warum klammerst du dich
an Wertloses an und suchst nicht das, was wertvoll ist?
34. (12455.) Den W r eg ohne Ende, ohne Ruheplätze und
ohne Wegekost, den richtungslosen, durch Dunkel und Dickicht
führenden, wirst du den allein gehen?
35. (1245C.) Kein Mensch wird dir folgen, wenn du ihn
angetreten hast, nur das gute und böse Werk wird dich auf
deinem Wege geleiten.
3(>. (12457.) Wissenschaft, Werke, Reinheit und viel-
umfassende Erkenntnis, dem mufst du um des Zweckes willen
nachtrachten; wer den Zweck erreicht hat, wird erlöst.
37. (12458.) Eine bindende Fessel ist die Liebesfreude des
Dorfbewohners, Edelgesinnte durchsehneiden sie und ziehen
davon, Übelgesinnte durchschneiden sie nicht [= Vers 12114].
38. (12459.) [Es gibt einen Flufs:] Gestalt ist sein Ufer,
Manas seine Strömung, der Tastsinn seine Insel, der Ge-
schmack sein Gefälle, der Geruch sein Schlamm, das Gehör sein
Wasser, der Weg zum Himmel ist schwer auf ihm zu finden,
Digitized by Google
730
III. Mokshadhurma.
39. (12460.) aber mit der Geduld als Ruder, der Wahrheit
als Ballast, Festigkeit in der Pflicht als Zugseil, mit der Frei-
gebigkeit als schnellem Segelwinde mufs man zu Schiffe
diesen Flufs überschreiten.
40. (12461.) Wirf ab Gutes und Böses, Wahrheit und Un-
wahrheit, und wenn du beides, Wahrheit und Unwahrheit,
abgeworfen hast, wirf auch den ab, durch den du sie ab-
geworfen hast.
41. (12462.) Wirf ab das Gute, weil du wunschlos, das
Böse, weil du begierdelos geworden bist, die Wahrheit und
Unwahrheit, weil dir die Erkenntnis zuteil wurde, die Er-
kenntnis, weil du des Höchsten gewifs bist.
42. (12463.) Das Haus, dessen Säulen die Knochen, dessen
Bänder die Sehnen, dessen Mörtel Fleisch und Blut sind, das
hautüberzogene, übelriechende, von Kot und Urin erfüllte,
43. (12 4ß4.) in welchem Alter und Kummer hausen und
qualvolle Krankheiten sich tummeln, das unreine, vergäng-
liche, das dir zur Wohnung geworden ist, verlasse.
44. (12465.) Dieses Weltall, alles Lebende und was an
Nichtlebendem vorhanden ist, auch alles, was aus den grofsen
Elementen besteht, ferner das Grofse [der Mahän], welches
sich auf das Höchste stützt,
45. (12466.) dazu die fünf Elemente nebst Tamas, Sattvam
und Kajas, das ist der siebzehnfache Haufen, welcher Avyaktam
(Prakriti) heifst.
46. (12 467.) Fügt man hierzu noch alle [fünf] Sinnes-
objekte nebst den entfalteten und unentfaltefcen Wesenheiten,
so kommt [noch willkürlicher ist die Verteilung bei Nil.] die
aus allem Entfalteten und Unentfalteten sich zusammensetzende
vierundzwanzigfache Schar heraus.
47. (12468.) Mit allem diesem ist er verbunden, der da der
Purusha genannt wird, auch ist da noch die Dreischar [des
Guten, Nützlichen, Angenehmen] nebst Lust und Leid, Leben
und Tod, —
48. (12469.) wer das alles der Wahrheit nach kennt, der
kennt das Entstehen und Vergehen, man mufs es in seiner
Abfolge begreifen, und was sonst noch an Wifsbarem vor-
handen ist.
Digitized by Google
Adbyäya 331 (B. 329).
731
49. (12470.) Alles, was durch die Sinnesorgane aufgefafst
wird, heifst das Entfaltete, soviel ist klar; unter dem Un-
entfalteten ist das über die Sinne Hinausliegende, nur aus
Merkmalen (lifiga) Erschliefsbare zu verstehen.
50. (12471.) An der Bezähmung der Sinne erquickt sich
der Mensch wie an Wasserquellen, indem er den Atman in
der Welt und die Welt in dem Atman* schaut.
51. (12472.) Die Kraft dessen, welcher auf Grund der Er-
kenntnis das Höchste und Tiefste durchdringt, ist unver-
gänglich, indem er allezeit alle Wesen in allen ihren Zu-
ständen durchschaut.
52. (12473.) Die Verbindung mit allem Seienden ist nicht
auf unlauterem Wege zu erlangen, sondern nur von dem,
welcher durch die Erkenntnis sich über die mannigfachen,
aus Verblendung entspringenden Anfechtungen erhebt.
53. (12474.) Wenn das Licht der Erkenntnis in der Welt
leuchtet, so wird dadurch der Gang der Welt nicht gestört.
Von dem anfang- und endlosen, im Atman weilenden, unver-
gänglichen Wesen
54. (12475.) lehrt der erhabene Pfadlinder, dafs es taten-
los und gestaltlos ist. Aber ein Mensch, welcher bald durch
diese, bald durch jene selbstbegangenen Werke in beständi-
ges Leid verstrickt wird,
55. (12 476.) der wird, um dem Leid zu wehren, vielfach
seine Mitmenschen schädigen. Dann greift er immerfort nach
vielen neuen Tätigkeiten
56. (12477.) und wird von ihnen wieder aufs neue gequält,
dem Kranken gleich, der eine unwirksame Arznei einnimmt.
Von Betörung verblendet und unaufhörlich in Schmerzen,
wird er durch nur vermeintliche Lüste [lies: samjhitai/t]
57. (12478.) geschlagen und von seinen eigenen Werken
wie von einem Quirlstabe gequirlt. Dann bleibt er hienieden
gebunden [und erlangt] vermöge des Aufspriefsens seiner
Werke den ihm zukommenden Mutterschofs ;
58. (12479.) so durchläuft er wie ein Rad den Sarisära
unter vielen Schmerzen. Du aber, befreit von den Fesseln
und abgewendet vom Werke,
Digitized by Google
732
III. Mokshadharma.
59. (12480.) werde ein Allwisser, Allsieger in der Voll-
endung, vom Dasein gelöst. Indem sie eine neue Bindung
fernhielten durch Yogazucht und durch die Kraft der Askese,
(12 4SI.) haben viele die Vollendung erlangt, die unstörbare,
welche der Aufgang des Glückes ist.
So lautet im Moksbadbarma die Unterredung zwischen £uka und Xirada
(Y«*a. Sdrada- aawtddo).
AdhyAya 332 (B. 330).
Vers 12482-12511 (B. 1-30).
Närada sprach:
1. (12 482.) Wer zur Abwehr des Leidens die leidfreie, be-
ruhigende, beseligende Lehre anhört, der erlangt die Erkennt-
nis, und hat er diese erlangt, so gedeiht sein Glück.
2. (12483.) Tausend Anlässe zum Leid und hundert An-
lässe zur Furcht überfallen Tag für Tag den Toren, aber
nicht den Weisen.
3. (12484.) Darum sollst du, um die Vernichtung des
Leidens zu fördern, auf meine Erzählung achten. Wenn die
Buddhi im Gehorsam verharrt, dann erlangt man die Ver-
nichtung des Leides.
4. (12 485.) Durch Verbindung mit Unliebem und Getrennt-
sein von Liebem [vgl. die erste der vier heiligen Wahrheiten
des Buddhismus] verbinden sich die kurzsichtigen Menschen
mit geistigen Leiden.
5. (12486.) Ist man über die Substanzen hinausgelangt, so
soll man sich auch um ihre Qualitäten nicht mehr kümmern,
denn solange man diesen noch Beachtung schenkt, wird das
Band des Welthanges nicht gelöst.
6. (12 487.) Man erkenne die Mängel des Gegenstandes,
auf den sich die Begierde richtet, man überzeuge sich, dafs
er voll von Unerwünschtem ist, und die Leidenschaft wird
sich schnell abkühlen.
7. (12 488.) Kein Nutzen, kein Gutes und kein Ruhm [kommt
dabei heraus], wenn man Vergangenem nachtrauert; ebenso-
Digitized by Googlp
Adhy&ya 332 (B. 330).
73:)
gut mag man an Nichtvorhandenes sich hängen, denn auch
das kommt einem nicht wieder.
8. (r>489.) Mit den Eigenschaften der Dinge treten die
Wesen in Verbindung und trennen sich wieder von ihnen,
alle wie sie da sind; nicht für einen allein besteht dieser
Anlafs zum Kummer.
9. (12490.) Wer einem Vergangenen, mag es gestorben
oder verloren sein, nachtrauert, der häuft Schmerz auf Schmerz
und verdoppelt nur sein Ungemach.
10. (12491.) Keine Träne wird vergiefsen, wer mit Erkennt-
nis [begabt ist], wenn er den Lauf der Welt betrachtet. Wer
alles richtig ansieht, für den ist kein Anlafs, Tränen zu ver-
giefsen.
11. (12 492.) Wenn ein Schmerz, ein körperlicher oder
geistiger, auf einen Menschen eindringt, so soll er das, was
er durch Bemühungen nicht ändern kann, auch nicht weiter
bedenken.
12. (12493.) Das rechte Heilmittel des Schmerzes besteht
darin, nicht an ihn zu denken; denn grübelt man ihm nach,
so schwindet er nicht, sondern wächst nur noch mehr an.
13. (12494.) Geistigen Schmerz heilt man durch die Er-
kenntnis, wie körperlichen durch Arznei, soviel vermag die
Erkenntnis; man sei nicht den Toren gleich.
14. (12496.) Vergänglich ist Jugend, Schönheit, Leben,
Vermögen, Gesundheit und Freundesumgang ; der Weise möge
nicht danach gierig sein.
15. (12496.) Nicht das ganze Land, sondern nur der ein-
zelne vermag Schmerz zu empfinden; sieht man daher einen
Ausweg, so soll man nicht klagen, sondern handeln.
1(5. (12497.) Der Schmerz überwiegt im Leben die Lust,
daran ist kein Zweifel, denn das Hängen an den Sinnen-
dingen beruht auf Täuschung, und das Sterben ist un-
erwünscht.
17. (12 498.) Der Mensch, welcher beides, Leid und Lust,
hinter sich läfst, der geht zu dem unendlichen Brahman ein,
den betrauern weise Menschen nicht.
18. (12499.) Reichtum geht verloren unter Schmerzen,
und ihn zu behüten ist auch keine Lust, erworben aber
734
III. Mokshailharma.
wird er mit Mühe, darum trauere man nicht um seinen
Verlust.
19. (12500.) Die Menschen kommen abwechselnd bald in
diese, bald in jene Vermögenslage, und ungesättigt gehen sie
zugrunde, nur der Weise gelangt zur Befriedigung.
20. (12501.) Auf Reichtum folgt allezeit Verlust, auf Er-
höhungen Erniedrigung, auf Verbindungen Trennung, auf das
Leben der Tod.
21. (12502.) Der Durst nach Besitz hat kein Ende, Zu-
friedenheit ist das gröfste Glück, darum sehen die Weisen
die Zufriedenheit als ihren Reichtum an.
22. (12503.) In einem Augenblicke schwindet die Lebens-
kraft hin und hat keinen Bestand; unsere Leiber sind ver-
gänglich, was ist da Unvergängliches zu finden!
23. (12504.) Wer in den Wesen die Realität überdenkt
und das über den Verstand Erhabene in ihnen erkennt, der
trauert nicht, wenn er dahingehen mufs, weil er das höchste
Ziel im Auge hat.
24. (12505.) Noch ist er dabei, zu sammeln, noch sind seine
Begierden nicht gesättigt, da, wie der Tiger ein Stück Vieh
raubt, holt ihn der Tod (= Vers 6641, vgl. Vers 9345b).
25. (12 506.) Darum sehe man sich um nach einem Mittel,
welches vom Leiden Erlösung bringt, ergreife es, ohne zu
klagen, und erlöst, verharre man frei von I^eidenschaft.
26. (12507.) Bei Tönen, Gefühlen, Gestalten, Gerüchen und
Geschmäcken gibt es für Reich und Arm nichts über den
augenblicklichen Genufs hinaus.
27. (12 508.) Ehe die Wesen zusammengebracht werden,
stehen sie nicht unter der Herrschaft des Schmerzes; müssen
sie sich wieder trennen, so soll man nicht trauern, der Natur-
ordnung sich fügend.
28. (12 509.) Durch Festigkeit soll man Geschlechtslust
und Efslust zügeln, Hände und Füfse durch das Auge, Auge
und Ohr durch das Manas, Manas und Rede durch die
Wissenschaft.
29. (12510.) Seine Teilnahme beim Lobe wie beim Gegen-
teil soll man zurückhalten und ohne Hoffart dahinwandeln,
dann ist man glücklich, ist man ein Weiser.
Digitized by Go
Adhyäya 332 (B. 330).
735
30. (12611.) Am innern Atman sich freuend, ruhig da-
sitzend, ohne Anteilnahme, ohne Versuchung, wer so dahin-
lebt mit seinem Ätman als einzigem Gefährten, der ist wahr-
haft glücklich.
So lautet im Mok»hadharma der Flug des (>ka
((,'uta - ahhipatanam).
Adhyaya 333 (B. 331).
Vers 12512-1257G (B. 1-65).
Narada sprach :
1. (12512.) Wenn ein Umschwung vom Glück zum Un-
glück eintritt, so hilft dagegen keine Kenntnis, kein richtiges
Verhalten und keine Tapferkeit.
2. (1^513.) Aus sich selbst heraus soll man sich an-
strengen, wer sich anstrengt, verzagt nicht; aus Alter, Tod
und Krankheit rette man seinen Ätman als seinen Freund.
3. (125H.) Krankheiten, geistige und körperliche, brechen
den Leib, wie scharfgespitzte Pfeile, abgeschossen von sicher
zielenden Bogenschützen.
4. (12516.) Wer von Leidenschaften geschüttelt und er-
mattet nicht aufhört, das Leben zu begehren, dessen Leib
wird auch gegen seinen Willen zur Vernichtung hinweg-
gerafft.
5. (12516.) Es fliefsen dahin und kommen nimmer wieder,
den Strömen der Flüsse vergleichbar, das Leben der Men-
schen fortreifsend, die Tage und Nächte.
6. (12 517.) Dieser Wechsel der hellen und der dunklen
Monatshälften macht unaufhörlich die Menschen, nachdem
sie geboren sind, altern und hält keinen Augenblick inne.
7. (12518.) Lust und Leid der Menschen macht altern
jener nicht alternde Sonnengott, welcher untergeht und immer
wieder aufgeht.
8. (I25i<».) Wegraffend die immer neuen, unvorhergesehenen,
freudvollen und leidvollen Zustände der Menschen, rollen die
Nächte dahin.
Digitized by Google
736
III. Mokshudhanmi.
9. (12520.) Was einer immer an Wünschen begehren mag,
das würde er erlangen, stände es nicht in einer höhern Hand,
die Frucht seiner Werke über den Menschen zu verhängen.
10. (12521.) Aber selbstbezähmte, wackere, verständige
Menschen bleiben frei von dieser Frucht, weil sie auf alle
Werke verzichtet haben.
11. (12 522.) Andere törichte, kraftlose, gemeine Menschen
sind, auch wenn sie keine Wünsche äufsern, doch von allen
Begierden erfüllt.
12. (12523.) Mancher auch, der immer bereit war, die Wesen
zu schädigen und alle Welt zu betrügen, wird alt in seinen
Lüsten.
13. (12524.) Manchem, der träge dasitzt, naht das Glück;
ein anderer befleifsigt sich der Werke und erlangt doch
nicht, was ihm nicht beschieden war.
14. (12 525.) Du mufst begreifen, dafs die Sünde dem
Menschen von seiner Entstehung an einwohnt; es kann ge-
schehen, dafs der von der einen aufgeregte Same in eine
andere gelangt.
15. (12526.) Ist er in den Mutterschofs gelangt, so kann
ein Embryo entstehen oder auch nicht, indem seine Entwick-
lung der einer Mangoblüte gleicht [welche bald fruchtbringend
ist, bald nicht].
IG. (12527.) Einige verlangen nach einem Sohne, indem
sie ihr Geschlecht fortzupflanzen wünschen, aber obgleich sie
sich zum Gelingen alle Mühe geben, entsteht doch kein
Embryo.
17. (12 528.) Solchen hingegen, welche vor einem Embryo
zurückschrecken wie vor einer erzürnten Giftschlange, wird
ein langlebender Sohn geboren. Wie war es möglich, dafs
er entstand, [unerwartet] als wäre ein Toter wiedergekommen?
18. (12529.) Und wieder anderen Bemitleidenswerten, welche,
nach einem Sohne verlangend, den Göttern opfern und Askese
üben, werden nach zehnmonatlichem Weilen im Mutterleibe
Söhne geboren, welche ein Schandfleck ihrer Familie sind.
19. (12530.) Andere werden in Reichtum an Geld und
Korn, in grofse, von den Vätern aufgespeicherte Fülle hinein-
I
Digitized by Googl£
AdhyAya 333 (B. 331).
737
geboren, nachdem sie schon unter diesen günstigen Vor-
bedingungen empfangen worden waren.
20. (12531.) Wenn sie in geschlechtlicher Verbindung sich
vereinigt haben, so entsteht ein Embryo im Mutterleibe, un-
erwartet wie ein Unfall.
21. (12 532.) Siehst du, wie bei Hemmung des Lebens als-
bald in andere Leiber [hineinfahrt] , der von seinem bisherigen
Sitze (bijam) losgerissene, verkörperte, lebende, Fleisch und
Schleim Durchwaltende,
22. (12533.) wie dieser, wenn er in dem einen Leibe ver-
brannt wird, wieder in einen andern Leib hineinfährt, wie
er, wenn der Leib zugrunde geht, mit zugrunde geht, einem
Schiffe gleich, das an ein anderes gebunden ist,
23. (12534.) und begreifst du, durch welche Bemühungen
er endlich, durch die Begattung als ungeistiger Samentropfen
in den Mutterleib hineingelegt, als Embryo wieder zu neuem
Leben erwacht?
24. (12535.) Wo doch Speise und Trank, wo doch die ge-
nossene Nahrung verdaut wird, wie kommt es, dafs in eben-
demselben Leibe der Embryo nicht ebensogut wie die Nahrung
verdaut wird?
25. (12536.) Für Kot und Harn wird der Weg im Leibe
durch die eigene Natur geregelt; ob man sie behält oder
entleert, dazu wird keiner gezwungen.
20. (12537.) Hingegen von den Embryos entgleiten die
einen dem Mutterleibe und werden geboren, während bei an-
deren, wenn die Zeit der Geburt herannaht, Vernichtung eintritt.
27. (12538.) Vermöge dieser Verbindung mit einem Mutter-
schofse wird derjenige, welcher den Samen in ihn einläfst
(parimucyaUJ und irgendeine Nachkommenschaft erzielt, aufs
neue an die Gegensätze des Lebens gekettet.
28. (12639.) Nur die fünf Elemente sind es, welche in dem
erzeugten (lies: sutasya) und angeborenen [Körper] bis zum
siebenten oder gar neunten Lebensstadium durchhalten, dann
aber beim Ende des Lebens nicht mehr verharren.
29. (12540.) Es gibt keine Mittel, die Menschen aufrecht
zu erhalten, daran ist kein Zweifel; von Krankheiten werden
sie getroffen, wie das Kleinwild vom Jäger.
DKü-exir, Mah4bh4r*t*m. 47
738
III. Mokshadhurma.
30. (12541.) Und werden sie von Krankheiten getroffen, so
mögen sie noch soviel Geld ausgeben, die Arzte, so sehr sie
sich anstrengen, sind nicht imstande, ihr Leiden zu beseitigen.
31. (12 542.) Und auch sie selbst, die überklugen, geschick-
ten Ärzte mit den Arzneien, die sie zusammenbringen, werden
von Krankheiten heimgesucht, wie das Wild vom Jäger.
32. (12543.) Und obgleich sie Elixiere und allerlei Butter-
tränke schlürfen, werden sie doch vom Greisenalter gebrochen,
wie Bäume von gewaltigen Elefanten.
33. (12544.) Wer behandelt ärztlich auf dieser Welt das
Wild und die Vögel, die Raubtiere und die armen Land-
streicher? Da heifst es gewöhnlich, sie sind nicht krank.
34. (12545.) Werden doch sogar furchtbare, unüberwind-
liche, gewaltige Könige von Krankheiten beschlichen und
fortgerafft, wie ein Stück Vieh von einer Raubtierherde.
35. (12546.) So geschieht es, dafs die Menschen, ohne
Bundesgenossen und von Torheit und Leiden überflutet, fort-
gerissen werden wie von einem übermächtigen Strome, in
den sie jählings gestürzt wurden.
36. (12547.) Nicht durch Reichtum, nicht durch Herrschaft,
nicht durch furchtbare Askese können die Menschen ihrer
Natur entfliehen, an die sie gebunden sind.
37. (12548.) Sie würden nicht sterben noch altern, sie
würden alle nach allem begehren, würden nichts Unerwünsch-
tes erleben, wenn ihre Anstrengungen erfolgreich wären.
38. (12 54y.) Ein jeder ist bestrebt, höher und höher über
seine Mitmenschen zu steigen, und gibt sich dazu alle Mühe,
aber es gelingt ihm nicht.
39. (12 550.) Menschen, welche von Herrschaftsdünkel be-
rauscht, ja welche von Rauschtränken trunken sind, werden
von besonnenen, treuherzigen (agathält mit C), tapferen und
wackeren Leuten verehrt.
40. (12 551.) Bei einigen wendet sich ihre Notlage, ehe sie
von ihnen recht erkannt wurde, bei anderen hingegen ist
nichts zu finden, was ihnen eigen wäre.
41. (12552.) Eine grofse Verschiedenheit der Frucht zeigt
sich infolge ihrer Abhängigkeit von früheren Werken: die
einen tragen die Sänfte und die anderen sitzen darin.
Digitized by Google
Adhvuya 333 (B. 331).
739
42. (12 553 ) Alle streben nach Wohlstand, aber nur wenige
bringen es zu Wagen und Dienerschaft; manche Menschen
entbehren des Weibes, wo doch alle möglichen Weiber hundert-
fach vorhanden sind.
43. (12554.) Unter den Wesen, die sich in den Gegen-
sätzen des Lebens ergehen, müssen die Menschen dahin-
scheiden, jeder einzelne für sich; siehe diese Welt als die
Fremde an, dann wirst du nicht der Verblendung hienieden
verfallen.
44. (12555.) Wirf ab Gutes und Böses, beides, Wahrheit
und Unwahrheit, und wenn du beides, Wahrheit und Un-
wahrheit, abgeworfen hast, wirf auch den ab, durch den du
sie abgeworfen hast (= Vers i»4fii).
4"). (12 55G.) Damit habe ich dir, o Bester der Rishi's, das
höchste Geheimnis mitgeteilt, durch welches die Götter sich
über die Menschenwelt erhoben haben und zum Himmel ein-
gegangen sind.
4*>. (ur.5?) Nachdom der höchst verständige Cuka diese
Rede des Narada vernommen hatte, überdachte sie der Weise
in seinem Geiste und gelangte doch noch nicht zur Gewifsheit.
47. (isr>.-.8.i Mit Kindern und Weibern hat man grofse
Plage und beim Studium der Wissenschaft groi'se Mühe;
welches ist die ewige Stätte, wo wenig Plage und grofses
Glück zu linden ist?
48. (12 559.) Nachdem er sodann eine Weile über das ge-
wisse Ziel des Ätman nachgedacht und als Kenner des Höchsten
und Tiefsten den höchsten Heils weg der Pflicht erwogen hatte,
40. (i25r»>) [fragte er sieh:] Wie kann ich ohne Zusammen-
hang mit dem Irdischen den höchsten Weg wandeln, von
welchem ich nicht wieder zurückzukehren brauche in den
Ozean der mannigfachen Geburten?
f>0. ( i2 5*;i.) Ich sehne mich nach der höchsten Realität,
nach dem Ziele, von welchem man nicht wieder zurückkehrt,
nachdem ich allen Welthang aufgegeben und im Geiste Ge-
wifsheit erlangt habe.
51. (12562.) Ich will dorthin gehen, wo meine Seele die
Ruhe findet, dorthin, wo ich unzerstörbar, unvergänglich,
ewig sein werde.
47*
Digitized by Google
740
III. Mokshadharma.
52. (12 563.) Aber nicht ohne völlige Hingebung ist es mög-
lich, jenes höchste Ziel zu erreichen, denn es geht nicht an,
dafs der Erweckte noch an Werke gebunden bleibe.
53. (12564.) Darum will ich, der Hingebung mich zu-
wendend, diesen mir als Haus dienenden Körper verlassen
und, zum Winde geworden, eingehen in die Glanzfülle der
Sonne.
54. (12 566.) Denn sie kommt nicht zum Vergehen, wie es
dem Sorna [Trank, auch Mond; vgl. System des Vedänta,
S. 393 A.] durch die Götterscharen geschieht; erschüttert stürzt
er [der Mond, ähnlich den auf ihm weilenden Seelen] zur
Erde herab und steigt wiederum empor.
55. (12566.) Denn immerfort schwindet der Sorna (Mond)
und wird wiederum gefüllt; da ich dieses weifs, so verlange
ich nicht nach diesem immer wiederholten Schwinden und
Schwellen.
56. (12567.) Aber die Sonne erwärmt mit ihren gewaltigen
Strahlen die Welten, dabei zieht sie von allen Seiten Kraft
in sich hinein und beharrt immerwährend in voller Scheibe.
57. (12568.) Darum ziehe ich es vor, zu der glutentflammten
Sonne zu gehen, in ihr werde ich als ein schwer Bezwing-
barer mit zweifelsfreier innerer Seele wohnen.
58. (12569.) Und in der Sonnenstätte werde ich nach Ab-
werfung dieses Leibes mit Rishi's im Verein die schwer zu
ertragende Sonnenglut durchwandeln.
59. (12570.) Ich nehme jetzt Abschied von Bäumen und
Elefanten, von dem weiten Gebirge, den Weltgegenden und
dem Himmelszelt, von Göttern, Dämonen und Gandharven,
von Picaca's, Schlangen und Kobolden.
60. (12571.) Denn jetzt werde ich sicherlich eingehen in
alle Wesen der Welt, und alle Götter mitsamt den grofsen
Rishi's sollen die Kraft meines Yoga schauen.
61. (12572.) Darauf verabschiedete er sich von dem welt-
berühmten Weisen Närada, und von ihm entlassen, ging er
zu seinem Vater.
62. (12573.) Da begrüfste £uka den hochsinnigen Muni
Krishna Dvaipäyana, umwandelte ihn nach rechts hin und
nahm von dem weisen Krishna Abschied.
Digitized by Google
Adhyäya 333 (B. 331).
741
<33. (12574.) Nachdem der Rishi das Wort des £uka
vernommen hatte, erwiderte ihm voll Freude der hoch-
sinnige Vater: Ach, du mein Sohn, bleibe noch eine
Weile, dafs ich raein Auge an dir weiden kann.
64. (12575.) Quka aber, frei von Rücksichtnahme, Anhäng-
lichkeit und Zweifel, dachte nur an die Erlösung und richtete
seine Absicht darauf, zu gehen.
fi5. (12576.) Und so verliefs der Beste der Muni's seinen
Vater und begab sich auf den mächtigen, von seligen Scharen
bewohnten Bergrücken des Kailäsa.
8o lautet im Mokihadharma dar Aufstieg des £uka
(Cuka - abhigamatant ).
Adhy&ya 334 (B. 332).
Vers 12577-12G07 (B. 1-31).
Bbishma sprach :
1. (12577.) Nachdem der Sohn des Vyasa den Berggipfel
erstiegen hatte, o Bhärata, setzte er sich an einem ebenen,
abgesonderten, von Graswuchs freien Orte nieder.
2. (12578.) Darauf brachte er sich in die richtige Stellung,
wie Lehrbuch und Gesetz sie vorschreibt, alle Glieder von
den Füfsen an der Reihe nach, er, der der rechten Reihen-
folge Kundige.
3. (12579.) Darauf setzte sich der Weise, nachdem die
Sonne schon vor einiger Zeit aufgegangen war, mit dem Ge-
sichte nach Osten nieder, indem er Füfse und Hände an sich
zog, wie einer, der sich in der Zucht hält.
4. (12580.) Da gab es keine Vogelschwärme, kein Geräusch
und keine Fernsicht, wo der weise Sohn des Vyäsa sich zum
Yoga anschickte.
5. (12581.) Nun sah er sich selbst von allen Verbindungen
gelöst, und es lachte ein Lachen darauf (,'uka, indem er sich
jenem Höchsten zuwendete.
6. (12582.) Und indem er wiederum dem Yoga sich hin-
gab, um den Weg der Erlösung zu finden, erhob er sich als
grofser Yogameister über den Luftraum hinaus.
Digitized by Google
742
III. Mokshadharma.
7. (12583.) Darauf umkreiste er nach rechts hin den Götter-
weisen Närada und machte dem höchsten Rishi seine Yoga-
kraft kund.
(,'uka sprach :
8. (12 584.) Ich habe den Weg gefunden, ich habe ihn be-
treten! Heil sei dir, o Askesereicher! Durch deine Gnade,
o Glanzvoller, werde ich den ersehnten Gang gehen.
9. (12585.) Nachdem £uka, der Sohn des Dvaipäyana, so-
dann von Närada entlassen worden war, grüfste er ihn,
wandte sich wieder dem Yoga zu und erhob sich in den Äther,
10. (12586.) und emporgeflogen vom Gipfel des Kailäsa,
strebte er weiter zum Himmel hinauf, die Luft durchwandelnd,
herrlich, als Wind, mit grofser Sicherheit.
11. (12587.) Als der Beste der Zwiegeborenen emporstieg,
dem Vogel Garuda an Glanz vergleichbar, da sahen ihn alle
Wesen dahinfahren, geschwind wie der Gedanke oder der Wind.
12. (12 588.) Mit Klarheit alle drei Welten durchdenkend,
trat er die weite Reise an, dem Feuer und der Sonne an
Glanz vergleichbar.
13. (12 58'.».) Wie er dahinzog, einheitlichen Sinnes, ge-
sammelt und ohne Furcht, schauten ihn alle W T esen, die be-
weglichen und die unbeweglichen.
14. (12 590.) Nach Vermögen und Brauch verehrten sie ihn,
während die Himmelsbewohner ilin mit himmlischem Blumen-
regen überschütteten.
15. (12 591.) Ihn sehend waren in Verwunderung alle Scharen
der Gandharven und Apsaras, und die zur Vollendung ein-
gegangenen Rishi's gerieten in höchstes Erstaunen:
IG. (12592.) Wer ist der durch die Luft Fliegende, so hiefs
es, der durch Askese die Vollendung erreicht hat? Sein
Körper ist nach unten, sein Angesicht nach oben gerichtet,
und seine Augen funkeln.
17. (12593.) Da blickte der höchst Pflichttreue, in den drei
Welten Berühmte zur Sonne empor und zog dahin, nach
Osten gewandt und schweigend.
18. (12594.) Den ganzen Himmelsraum aber erfüllten überall
mit Jubelgeschrei die Scharen der Apsaras, als sie ihn plötz-
lich heranfliegen sahen.
Digitized by Google
Adhy&ya 334 (B. 332).
743
19. (12595.) Erschütterten Geistes und auf das höchste er-
staunt, o König, waren sie alle von Paficacüda (der Fünf-
zöpfigen) an, die Augen weit aufreifsend.
20. (12596.) Was ist das für ein göttliches Wesen, das
den höchsten Weg eingeschlagen hat, riefen sie, es wan-
delt hin mit grofser Sicherheit und ohne Begierde, als wäre
es erlöst.
21. (12597.) Darauf gelangte er zu dem Berge, der da
heifst Malaya, der von Urvaci und Pürvacitti immer be-
sucht wird.
22. (12598.) Die gerieten über diesen Sohn des Brahmanen-
weisen in gröfstes Erstaunen und sprachen : Welch eine Kon-
zentration des Geistes bei diesem am Vedastudium sich er-
freuenden Zwiegeborenen !
23. (12599.) Wie der Mond steigt er in kurzer Zeit am
Himmel empor, und diese unvergleichliche Weisheit hat er
durch Gehorsam gegen seinen Vater erlangt.
24. (12600.) Wie ist es möglich, dafs dieser dem Vater
ergebene, askesefeste, vom Vater innig geliebte Sohn von
seinem Vater, der nichts anderes kannte als ihn, entlassen
wurde !
25. (12601.) Als der höchst pflichtkundige (,'uka dieses
Wort der Urvaci vernommen hatte, blickte er nach allen
Seiten hin, aufser sich geraten über dieses Wort.
20. (12 602.) Er liefs seinen Blick durch den Luftraum und
über die Erde mit ihren Gebirgen, Wäldern und Dickichten
schweifen, über Seen und Flüsse.
27. (12603.) Da blickten alle Gottheiten zu dem Sohne des
Dvaipäyana empor, indem sie von überallher aus höchster
Verehrung die hohlen Hände zusammenlegten.
28. (12604.) Und der höchst pflichtkundige (,'uka sprach zu
ihnen das Wort: „Sollte mein Vater mir nachkommen und
rufen: (,'uka, wo bist du!
29. (12605.) dann sollt ihr alle miteinander ihm Ant-
wort geben, diese Bitte sollt ihr mir alle aus Liebe zu mir
erfüllen."
30. (12606.) Als sie das Wort des Cuka vernommen hatten.
744
Iii. Mokshadharma.
da geschah es, dafs alle Himmelsgegenden nebst 'Wäl-
dern, Ozeanen, Flüssen und Bergen von allen Seiten ihm er-
widerten :
31. (12607.) Wie du befiehlst, o Brahmane, wohlan, so soll
es sein; wenn der Rishi ruft, werden wir ihm antworten.
So lautet im Mokahadbarma der Flog dei Cuka
Wuka-abMpvtanaih).
Adhyfiya 335 (B. 333).
Vers 12608-12649 (B. 1-42).
Bhlshma sprach:
1. (12608.) Nachdem £uka, der askesereiche, grofse W eise,
dieses Wort gesprochen hatte, ging er in die Vollendung ein,
indem er die vierfachen Fehler hinter sich liefs [nach Nil. die
Sänkhyakärikä 23. 44 45 erwähnten: Nicht -Pflichterfüllung,
Nichtwissen, Nichtentsagung und Nicht -Gottherrlichkeit].
2. (12G09.) Und nachdem er auch das achtfache Tamas
[Sänkhyakärikä 48] und das [entsprechend den fünf Elementen,
Nil.] fünffache Rajas aufgegeben hatte, gab der Weise auch
das Sattvam auf; es war wie ein Wunder.
3. (i26io.) Darauf fafste er an jener ewigen, gunalosen,
merkmalfreien Stätte in dem Brahman festen Fufs, lodernd
wie eine rauchlose Flamme.
4. (126H.) Feuerregen, Brennen der Himmelsgegenden und
Erdbeben zeigten sich in diesem Augenblick ; es war wie ein
Wunder.
5. (12612.) Die Bäume liefsen ihre Zweige, die Berge ihre
Gipfel fallen, und durch das Rasen der Windsbraut wurde
das Himälayagebirge gleichsam zerrissen.
6. (12G1S.) Nicht leuchtete die Sonne, nicht flammte das
Feuer, es wogten Teiche, Flüsse und Meere.
7. (12 614.) Indra liefs wohlschmeckendes, wohlriechendes
Wasser herabregnen, und es wehte ein himmlische Düfte
führender, reiner Wind.
8. (12615.) Die beiden mit Hörnern geschmückten, höch-
sten, himmlischen Bildungen des Himälaya und des Meru,
Digitized by Googl
Adhy&ya 335 (B. 333).
745
die ineinander übergehenden, weifsen und gelben, von Silber
und Gold glänzenden, schönen,
9. (12616.) welche sich hundert Meilen in der Breite und
Höhe ausdehnen, o Bhärata, wurden in ihrem Glänze von ihm
geschaut, als er der nördlichen Gegend zueilte.
10. (12 617.) Ohne Bedenken flog (,'uka gegen sie an, worauf
die beiden Berggipfel plötzlich als gespalten
11. (12618.) sich zeigten, o grofser König ; es war wie ein
Wunder. Alsbald flog er zwischen den beiden Berggipfeln
hindurch,
12. (12619.) und der höchste Berg hemmte ihn nicht in
seinem Fluge. Da erhob sich im Himmel ein grofser Lärm
unter allen Himmelsbewohnern
13. (12620.) und unter Gandharven und Rishi's und allen,
die auf dem Berge wohnen, als sie sahen, wie der Berg sich
spaltete und £uka hindurchflog.
14. (12621.) Bravo, bravo! erscholl es da von allen Seiten,
o Bhärata, und er wurde verehrt von den Göttern, Gandharven
und Rishi's,
15. (12622.) von den Scharen der Yaksha's, Rakshasa's
und Vidyädhara's und von überallher wurde der Luftraum
mit himmlischen Blumen erfüllt,
16. (12623.) o grofser König, während (,'uka ihn durchflog.
Dann zog er hoch dahin über der Mandäkini, dem lieblichen
Himmelsstrorae,
17. (12624.) und der Pflichttreue blickte auf sie herab mit
ihren blühenden Bäumen und Wäldern. In ihr plätscherten
lustige Scharen von Apsaras,
18. (12625.) welche nackend und unkörperlich auf den
körperlosen (^uka hinblickten. Aber auch der Vater, den
Sohn fortziehen sehend, hatte, von Sehnsucht erfüllt,
19. (12626.) den nördlichen Weg eingeschlagen und war
dem Sohne von hinten gefolgt. Aber Tuka hatte den ober-
halb des Windes durch den Äther führenden Weg einge-
schlagen,
20. (12627.) und seine Hoheit zeigend, war er zu Brahman
geworden. Aber der askesemächtige Yyasa hatte sich er-
hoben und einen andern grofsen Yogaweg eingeschlagen,
Digitized by Google
746
III. Moksliadliiinna.
21. (1262s.) war in einem Augenblicke zu der Abfliege-
stelle des (,'uka gelangt und hatte gesehen, wie (,'uka den
Berggipfel spaltete und hindurchflog.
22. (12 629.) Und noch priesen die Rishi's jene Grofstat
des Sohnes, da wurde ihm mit langgezogenem Tone: (>ka,
wo bist du! nachgerufen
23. (12 630.) vom Vater selbst, der mit dem lauten Rufe
die drei Welten widerhallen machte. Aber £uka, allgegen-
wärtig geworden, allbeseelend, allblickend,
24. (12631.) antwortete, indem er, der Pflichttreue, weithin
den Ruf bhoh [hier, o Herr] erschallen liefs. Als er nun so
den einsilbigen Laut bhoh ausstiefs,
25. (12 632.) liefs die ganze Welt des Unbeweglichen und
Beweglichen ihn laut widerhallen. Von da an bis auf den
heutigen Tag pflegt es zu geschehen, dafs auf Worte, wenn
sie einzeln ausgerufen werden
2t>. (12633.) vor Berghöhlen oder Bergflächen, diese ant-
worten wie damals £uka. Nachdem in dieser Weise (^ub&
damals, [in allen W'esen] verborgen, seine Macht gezeigt hatte,
27. (12634.) liefs er die Töne und die übrigen Qualitäten
fahren und ging ein zu der höchsten Stätte. Als Vyasa
die Herrlichkeit seines unermefslich kräftigen Sohnes ge-
sehen hatte,
28. (12635.) setzte er sich auf einem Bergvorsprung nieder
und gedachte seines Sohnes. Als aber die am Gestade der
Mandäkini spielenden Scharen der Apsaras
29. (12G36.) dieses Weisen ansichtig wurden, gerieten sie
alle in sinnlose Bestürzung. Einige duckten sich im Wasser,
andere flüchteten hinter die Büsche,
30. (12687.) noch andere griffen zu ihren Kleidern beim
Anblicke jenes trefflichsten Muni's. Als der Muni hieran
erkannte, dafs sein Sohn erlöst sei,
31. (12 638.) er selbst aber noch gebunden, da war er er-
freut und zugleich beschämt.
32. Da trat zu ihm der von Göttern und Gandharven
umgebene, von Scharen grofser Rishi's verehrte, (12639.) den
Pinäka in der Hand tragende heilige (,:ankara (Qiva),
Digitized by Googl
Adhy&ya 335 (B. 333).
747
33. und Mahädeva sprach in besänftigendem Tone dieses
Wort zu dem (12 640.) durch Kummer über den Sohn gequälten
Krishna Dvaipäyana:
34. Ein dem Feuer, der Erde, dem Wasser, Wind und
Äther (12 641.) an Kraft ähnlicher Sohn ist durch dich einst-
mals [oben, Vers 12171] von mir erbeten worden.
35. Ein Sohn von dieser Beschaffenheit ist dir geboren
worden; er ist durch deine Askese (12642.) und durch meine
Gnade gemacht worden zu einem Reinen, aus Brahmankraft
Bestehenden.
30. Dieser ist den höchsten Weg gegangen, der für Un-
bezähmte schwer zu betreten ist (12 643.) und sogar für Götter;
o Brahmanenweiser, wie kommst du dazu, den zu beklagen?
37. Solange die Berge stehen, solange die Meere brausen,
(12 644.) solange wird dein Ruhm und der deines Sohnes un-
vergänglich sein.
3h. Auch sollst du ein deinem Sohne ähnliches, nie von
dir weichendes Abbild (12 645.) in dieser Welt durch meine
Gnade immerfort schauen, o grofser Muni.
39. Da kehrte, von dem heiligen Rudra (Ci va ) selbst
beschwichtigt, o Bharata, (12 646.) der Muni nach Hause zu-
rück, indem er mit gröfster Freude das Abbild schaute.
40. Damit habe ich dir, o Bharatastier, die Geburt und
den Lebensgang des (>ka, (i2«;47.) nach welchem du mich
gefragt hattest, ausführlich berichtet.
41. Das alles hat mir, o König, vordem der Götterweise
Närada (1264S.) und der grofse Yogin Vyusa in Gesprächen
nach und nach mitgeteilt.
42. Wer diese heilige, mit den Erlösungslehren zusammen-
hängende Erzählung (i2 64y.) behält und dabei immer nach Be-
ruhigung strebt, der wird den höchsten Gang gehen.
So lautet im Mokibudliann» der S< hi u f§ des CukatUiKo*
(\'uk<i ■ u!j tttana ■ »aintij'tij.
Digitized by Google
748
III. Mokshadharnin.
Adhyftya 336 (B. 334).
Vers 12660-12695 (B. 1-45).
Yudhisbthira sprach:
1. (186&0.) Wer als Hausvater oder Brahmanschüler, als
Waldeinsiedler oder Bettelpilger die Vollendung zu erreichen
wünscht, welche Gottheit mufs der verehren?
2. (12651.) Wodurch sichert er sich den Himmel? Wo-
durch die höchste Seligkeit? Nach welcher Vorschrift soll
er das den Göttern und Vätern gebührende Opfer darbringen?
3. (12652.) Welchen Weg geht der Erlöste und worin be-
steht die Erlösung? Und was kann einer, der zum Himmel
gelangt ist, dazu tun, dafs er nicht wieder herabfällt?
4. (12653.) Wer ist der Gott der Götter und wer der Vater
der Väter? Und was noch höher als dieser ist, das sage mir,
o Grofsvater.
Bhishma sprach:
5. (12 054.) Nach einer verborgenen Sache fragst du, o du
Fragekundiger, Untadliger, und durch blofses Nachdenken, und
währete es hundert Jahre, kann man diese Frage nicht lösen,
6. (12655.) wenn nicht der Gott Gnade verleiht, o König;
oder auch durch die heilige Überlieferung der Wissenschaft
kann diese geheimnisvolle Lehre dir dargelegt werden, o
Feindetöter.
7. (12656.) Nun erzählt man sich auch hierüber folgende
alte Geschichte, nämlich die Unterredung des Weisen Xärada
mit dem Gotte Näräyana.
8. (12657.) Denn der allbeseelende, ewige Näräyana wurde
geboren als Sohn des Dharma viergestaltig — so hat es mir
mein Vater berichtet —
9. (12658.) ehedem im Weltalter Kritam während einer
Weltperiode des [Manu] Sväyambhuva als Nara, Näräyana,
Hart und Krishna Sväyambhuva.
10. (12659.) Von diesen übten die beiden unsterblichen
Näräyana und Nara Askese, nachdem sie auf einem goldenen
Wagen sich zu der Einsiedelei Badari begeben hatten,
Digitized by Google
Adliyiya 336 (B. 334).
749
11. (12660.) einem achträdrigen, mit Geistern bespannten,
herzerfreuenden. Dort weilten die beiden uranfänglichen
Herren der Welt, abgemagert und zu einem Adernetze zu-
sammengeschrumpft,
12. (12661.) vermöge ihrer glühenden Askese selbst von
den Göttern schwer anzuschauen, und nur der durfte die
beiden Götter anblicken, dem sie diese Gnade erwiesen.
13. (12662.) Nun geschah es, dafs mit ihrer Erlaubnis, im
Herzen von Liebe getrieben, von dem Gipfel des grofsen
Merugebirges herabsteigend in die Gegend Gandharaädana
(die Duftberauschende),
14. (12663.) die sehr weit ausgedehnte, Närada alle Welten
durchstreifte und in schnellem Gange in diese Gegend zur
Einsiedelei ßadari gelangte, o König,
15. (12664.) während jene beiden ihre täglichen Übungen
abhielten. Da regte sich in ihm die Neugierde: „Das ist
also die ganze Stätte, auf der die Welten gegründet sind,
IG. (12665.) mit allen Göttern, Dämonen und Gandharven,
mit Kinnara's und den grofsen Schlangen. Was ursprüng-
lich eine Gestalt war, die ist zu vieren geworden,
17. (12666.) indem sich die Familie des Dharma ausbreitete.
Wegen seiner Gerechtigkeit fdharmdtj durch diese beglückt,
o wie ist er doch gesegnet, dieser Dharma durch diese
Götter hier,
18. (12667.) durch Nara und Närayana nebst Krishna und
Hari! Was nun Krishna und Hari betrifft, so sind sie wohl
gerade mit einer andern Sache beschäftigt.
19. (12668.) Aber die beiden anderen Dharmaspröfslinge
(oder: Pflichtstarken) sind hier in der Askese begriffen; sind
sie doch beide die höchste Stätte, wie können sie da mit
täglichen Übungen sich befassen?
20. (12669.) Sie, die herrlichen Väter aller Wesen und die
Gottheit selbst, welche Gottheit mögen sie verehren oder
welche Väter, die Hochsinnigen V"
21. (12 670.) So überlegte er in seinem Geiste, und von
Liebe zu Narayana getrieben, liefs er sich plötzlich vor den
beiden Göttern sehen.
Digitized by Google
750
III. Mokshndharma.
22. (12671.) Nachdem die beiden der Pflicht gegen Götter
und Manen genügt hatten, blickten sie zu ihm auf und zollten
ihm die Verehrung, wie sie der Kanon als Sitte vorschreibt.
23. (12672.) Als er diesen der Vorschrift gemäfs sich ent-
faltenden, noch nicht dagewesenen, höchst wunderbaren Vor-
gang sah, nahm der heilige Weise Närada hocherfreut neben
ihnen Platz.
24. (12 678.) Und zu Närayana mit beruhigtem Gemüte auf-
blickend, bezeigte er dem grofsen Gott seine Verehrung und
sprach zu ihm das folgende Wort.
Närada sprach:
25. (12 674.) In den Veden und Purana's mit ihren An-
hängen und Nebenanhängen wirst du besungen als der un-
geborene, ewige Schöpfer, als Weltmutter, als das höchste
Unsterbliche.
26. (i2 67r>) In dir ist die ganze Welt der Lebenden mit
Vergangenem und Zukünftigem gegründet, und alle vier
Lebensstadien, o Gott, wie sie im Hausvaterstande wurzeln,
27. (12676.) verehren dich Tag für Tag in deinen mannig-
fachen Gestalten. Du bist Vater und Mutter des Alls, bist
der ewige Lehrer der Welt; (12677.) wer kann denn der Gott
oder Ahne sein, den du hier verehrst? Das verstehe ich nicht.
Der Heilige spracb:
28. (12 678.) Das, was ich dir sagen soll, ist nicht erlaubt
zu sagen, ist das ewige Geheimnis des Ätman, aber dir,
o IJrahmane, um der Liebe willen, die du für mich hegst,
will ich es der Wahrheit gemäfs verkündigen,
29. (12 679.) jenes Verborgene, Unerkennbare, Unoffenbare,
Unwandelbare, Ewige, welches über Sinne und Sinnendinge
und alle Wesen erhaben ist.
30. (12680.) Denn dieses ist es, welches die innere Seele
(antaratmanj der Wesen und der Kshctrajna genannt wird;
als erhaben über die drei Guna's und als Purusha wird es
bezeichnet.
31. (126*1.) Aus diesem, o Bester der Zwiegeborenen, ist
das Unentfaltete, Dreigunahafte entsprungen, welches als jene
Digitized by Google
Adhyäya 336 (B. 334).
751
unvergängliche, unentfaltete Vrakriti in die Zustände des
Entfalteten eingegangen ist.
32. (12682.) Sie wisse als unsern Mutterschofs. Aber jener,
welcher als seinem Wesen nach seiend und nicht seiend von
uns verehrt wird, der ist es, welchem unser Götter- und
Manendienst gilt.
33. (12683.) Es gibt ja keinen andern Gott oder Ahnen,
der gröfser wäre als er, denn er ist unser Atman, das soll
man wissen, darum verehren wir ihn.
34. (12 684.) Von ihm, o Brahmane, ist jene Ordnung zum
Heile der Welt verkündigt worden, und sein Befehl fordert,
dafs den Göttern und Manen gedient werde.
35. (12685.) Brahmän, Sthänu, Manu, Daksha, Bhrigu,
Dharma und Yama, Marici, Angiras und Atri, Pulastya, Pu-
laha, Kratu,
30. (12686.) Vasishtha und Parameshthin , Vivasvant und
Sorna, der Kardama Genannte, sowie Krodha, Arväk und Krita*,
37. (12687.) diese einundzwanzig sind zu Schöpferherren
geworden, indem sie die ewige Weltordnung dieses Gottes
ehrten.
3*. (12 688.) Und weil sie beständig die von ihm verordnete
Pflicht gegen Götter und Manen der Wahrheit gemäfs er-
kannten, erlangten die Besten der Z wiegeborenen alles, was
durch den Atman erlangt werden kann.
30. (12689.) Auch alle im Himmel wohnenden Seelen ver-
ehren ebendiese [Götter und Manen] und gehen durch seine
Gnade den Weg, der zu der von ihm verheilsenen Frucht führt.
40. (12690.) Diejenigen, welche von den siebzehn Quali-
täten [der elf Indriyas und fünf Pränas nebst Manas und
Buddhi, Nil.] und ihren Werken befreit sind [und von denen]
die fünfzehn Teile [Brih. l'p. 1,5,14-15) verlassen wurden, die
sind erlöst, das ist gewifs.
41. (12691.) Aber als das Ziel der Erlösten wird der Kshe-
trajna bezeichnet, denn er ist allgunahaft und zugleich guna-
los, so wird's gelehrt.
* Die beulen letzten Xaineu nach der Lesart im Vacaspatyjiii und
(^abdakalpadruma s. v. prajapati.
Digitized by Google
752
III. Mokshailharma.
42. (12 «92.) Geschaut wird er durch Hingebung an die
Erkenntnis, und auch wir beide sind aus ihm hervorgegangen;
jenen Ätman haben wir als solchen erkannt und verehren
ihn, den Ewigen.
43. (12693.) Er wird von den Veden und von den ver-
schiedene Satzungen befolgenden Lebensstadien geliebt und
verehrt, und alsbald verleiht er ihnen dafür die Erreichung
des Zieles.
44. (12694.) Die aber, welche von ihm in der Welt be-
gnadet wurden und zur völligen Hingebung an ihn gelangt
sind, erlangen als übermäfsigen Lohn dieses, dafs sie in
ihn eingehen.
45. (12695.) Damit ist die geheimnisvolle Unterweisung
dir, o Närada, aus Liebe und Verehrung für dich, o Brah-
manenweiser, mitgeteilt und von dir mit Liebe entgegen-
genommen worden.
So lautet im Mokahadharma die Geschichte vom Xarayana
(Xdrdyantyam).
a
AdhyAya 337 (B. 335).
Vers 12696-12751 (B. 1-55).
Bhishma sprach:
1. (12 096.) Nachdem der Beste der Zweifüfsler diese
Rede Näräyana's, des höchsten Purusha, vernommen hatte,
sprach er zu dem Besten der Zweifüfsler, Närayana,
dem Horte des Heiles der Welt.
Närada sprach:
2. (12 697.) Der Zweck, um dessentwillen du, der du
aus dem Atman hervorgegangen bist, deine Geburt im
Hause des Dharma als eine vierfache gewirkt hast, dieser
Zweck möge zum Besten der Welt verwirklicht werden.
Noch heute gehe ich hin, um deinen ersten Ursprung
zu schauen.
3. (12 698.) Ich beweise allezeit den Lehrern meine Ehr-
furcht, ich habe noch nie das Geheimnis eines andern
Digitized by Google
Adhyiya 337 (B. 335).
753
verraten, ich habe die Veden studiert, o unbefleckter
Weltenherr, Askese geübt und niemals die Unwahrheit
gesprochen.
4. (12699.) Ich habe, wie es die heilige Überlieferung
vorschreibt, die vier [Tore des Leibes, oben, S. 455 fg.]
bewacht, ich bin allezeit gleichmäfsig in meinem Ver-
halten gegen Feind und Freund und ich war allezeit
jenem Urgotte ergeben und habe mit ausschliefslicher
Liebt* das Unversiegbare erwählt.
5. (12700.) Und da durch diese Vorzüge mein Charakter
geläutert ist, warum sollte es mir nicht beschieden sein,
den unendlichen Gottherrn zu schauen! Nachdem Nä-
räyana, der ewige Hüter der Gerechtigkeit, dieses Wort
des von Parameshthin (Brahmän) Entsprossenen ver-
nommen hatte,
6. (i27oi.) sprach er zu Närada, nachdem er ihn mit
den von ihm selbst vorgeschriebenen Bräuchen geehrt
hatte: „So gehe!" Und der Sohn des Parameshthin, von
ihm entlassen, zollte dem uranfänglichen Weisen seine
Verehrung,
7. (12 702.) erhob sich vermöge seiner höchsten Yoga-
kraft in die Lüfte und liefs sich nieder in einem Nu auf
dem Gipfel des Meru. Dort verweilte der Muni eine
Weile, auf einem Vorsprung des Berggipfels Platz nehmend.
8. (12 703.) Indem er nun seine Blicke nach Nordwesten
richtete, genofs er eine wunderbare Aussicht von be-
rühmter Schönheit; nämlich im Norden des Milchmeeres
liegt eine grofse Insel, welche unter dem Namen (,'veta-
dvipa (die weifse Insel) berühmt ist.
9. (12704.) Diese Insel liegt nach Beschreibung der
Weisen zweiunddreifsigtausend Meilen jenseits des Meru.
Da leben, frei von Sinnesorganen, ohne Nahrung, ohne
Augenblinzeln, lieblichen Wohlgeruch ausströmend,
10. (12 705.) weifse Männer, von allen Sünden fern,
bösen Menschen [durch ihren Anblick] das Augenlicht
raubend, diamanthart an Knochen und Körper, gleich-
gültig gegen Ehrung und Verachtung, von himmlischer
Gestaltung und glänzend in kerniger Kraft.
Dum«», MabAbbaraU«. 48
Digitized by Google
754 III. Mokshadbarroa.
11. (12 706.) Ihre Häupter sind wie Sonnenschirme ge-
bildet, ihre Rede gleicht dem rauschenden Regenstrome,
alle sind sie mit vier Hoden ausgestattet und mit Füfsen
wie Lotosblätter, mit sechzig weifsen Zähnen und acht
Eckzähnen, mit ihren Zungen den Sonnenstrahlen gleich
nach allen Seiten züngelnd,
12. (1J707.) mit Liebe den Gott verehrend, dessen
Schöpfung das All ist, aus welchem alle Welten ent-
sprungen sind, dessen Ausbreitungen die Veden und ihre
Gesetze, alle beruhigten Weisen und Götter sind.
Yudhishthira sprach:
13. (12708.) Wie sind diese Männer, frei von Sinnesorganen,
ohne Nahrung, ohne Augenblinzeln und von lieblichem Wohl-
geruch, entstanden, und welches ist ihr letztes Ziel?
14. (i2 7oo.) Und ist es so, dafs diejenigen Menschen,
o Bester der Bharata's, welche hienieden erlöst werden, wohl
ebenjene Merkmale an sich tragen werden wie die Bewohner
von (,'vetadvipa?
15. (i2 7io.) Um dieser Ungewifsheit willen löse mir den
Zweifel, denn ich verlange sehr danach; du bist ja eine
Schatzkammer aller Erzählungen, und zu dir nehmen wir
unsere Zuflucht.
Bhlsbma sprach:
16. (12 711.) Sehr lang, o König, ist diese Geschichte, wie
ich sie von meinem Vater vernommen habe und dir jetzt
wiedererzählen soll; wahrlich, es ist die wertvollste aller Er-
zählungen !
17. (12712.) Es war einmal ein König mit Namen Upari-
cara, ein Beherrscher der Erde, der berühmt war als Freund
des Akhandala (Indra) und Verehrer des Hari Näräyana,
18. (12 713.) pflichtkundig stets seinem Vater ergeben und
stets unveränderlich. Dieser hatte vordem als eine Gnaden-
gabe des Näräyana die Weltherrschaft erlangt.
19. (12 7U.) Als Anhänger der vor Zeiten aus dem Munde
des Sonnengottes ausgegangenen Sätvatalehre verehrte er den
Herrn der Götter (Näräyana), mit dem Reste seines Opfers
die Manen,
Digitized by Google
Adhyfcya 337 (B. 335).
755
20. (12 715) mit dem Reste des Manenopfers die Brah-
manen, indem er auch seinen Leuten davon mitteilte. Rest-
speise essend, die Wahrheit hochhaltend und alle Wesen
schonend,
21. rr.'7i6.) verehrte er mit ganzem Herzen den Göttergott
Janardana (Vishnu), den ewigen Weltschöpfer, der ohne An-
fang, Mitte und Ende ist.
22. (12 717.) Ihn, der Verehrung gegen Xäräyana übte, den
Bezwinger der Feinde, hatte der Götterkönig (Indra) selbst
zum Genossen seines Sitzes und Lagers erwählt.
23. (12 718.) Mein Reich und mein Vermögen, mein Weib
und mein Elefant, alles das, so sprach er, ist dem Bhagavan
(dem heiligen Naräyana) geweiht.
24. (12 719 ) Mochte es sich um Wunschopfer oder Gelegen-
heitsopfer handeln, o König, alle die hohen Opferwerke voll-
brachte er mit Hingebung, indem er die Sätvatalehre befolgte.
25. (12 720.) In dem Hause dieses hochsinnigen Königs ge-
nossen die vornehmsten Kenner der Pafiearatralehre die Ehre,
von dem, was dem Bhagavan dargebracht wurde, als erste
zu kosten.
26. (12 721.) Bei diesem feindbezwingenden und das Reich
mit Gerechtigkeit regierenden König gab es keine unwahre
Rede und keinen bösen Gedanken,
27. (12 722.) und auch in Werken vollbrachte er nicht das
mindeste Böse (paramann mit C). Vordem nämlich hatten
die sieben Weisen gelebt, welche Citracikhandin's (Bunt-
schöpfe) heifsen.
28. (12723.) Von diesen wurde mit einmütigem Sinne ein
vorzügliches Gesetzbuch verkündigt, welches, auf dem grofsen
Berge Meru entstanden und an die vier Veden sich an-
sehliefsend,
29. (12 724.) als unübertrefflich und für die Welt das Ge-
setz gebend, aus ihren sieben Mündern ausgeströmt war.
Marici, Atri und Angiras, Pulastya, Pulaha, Kratu (1272.V) und
der kraftvolle Vasishtha, das sind die Citracikhandin's.
30. Dieses sind die sieben weltschaflenden Wesen und
[Manu] Svayambhuva ist der achte; (i2 7-<; ) von ihnen wird die
Welt getragen, aus ihnen ist der Gesetzeskanon ausgeströmt.
Digitized by Google
756
III. Mokshadharma.
31. Diese Weisen, konzentrierten Geistes, bezähmt, der
Selbstbeherrschung sich erfreuend, (12 727.) des Vergangenen,
Gegenwärtigen und Zukünftigen kundig und die wahrhafte
Satzung als das Höchste schätzend,
32. haben, im Geiste erwägend : dies ist das Beste, dies
ist das Brahman, dies ist das höchste Heil, (12 728.) die Welten
und sodann das Gesetz geschaffen.
33. In diesem wurde das Gute, Nützliche und Angenehme
und sodann die Erlösung besprochen, (12729.) sowie auch die
mannigfachen Bestimmungen, die im Himmel und auf Erden
gelten.
34. Damit waren sie alle in Gemeinschaft mit den Rishi's
tausend göttliche Jahre durch beschäftigt, (12730.) während sie
durch Askese den Gott Hari, den mächtigen Närayana, ver-
ehrten.
35. Da geschah es, dafs auf Befehl des Närayana die
Göttin [der Rede] Sarasvati (msi.) in alle diese Rishi's der
Welt zum Heile hineinfuhr.
36. Darauf wurde sie, die in der ersten Schöpfung ge-
borene, von den askesekundigen Rishi's (12732.) in Wort, In-
halt und Begründung richtig zur Anwendung gebracht.
37. Zuerst wurde sodann das mit demOmlaut geschmückte
fertige Werk (12733.) von den Rishi's dort vorgetragen, wo
jener mitleidreiche Gott ihnen zuhörte.
38. Da wurde der heilige, nicht in einem bestimmten
Körper erscheinende (12 784.) höchste Purusha gnädig gestimmt
und sprach unsichtbar zu allen diesen Rishi's:
39. Vollendet ist dieses höchste, aus hunderttausend
Qloka's bestehende Werk, (12 735.) welches für das Gesetz des
ganzen Weltlaufs die Quelle ist,
40. und aus welchem für Tun und Lassen nur solches
sich ergeben wird, was vom (12736.) Yajur-, Rig- und Säma-
veda sowie von den Liedern des Atharvan und Angiras gut-
geheifsen wird.
41. Nach der Richtschnur des Veda ist ja von mir durch
meine Gnade Gott Brahman, (12737.) aus meinem Zorne Rudra
geschaffen worden, ferner ihr Brahmanen als weltschaffende
Wesen,
Digitized by Google
Adhyäya 337 (B. 335).
757
42. sowie auch Sonne und Mond, Wind, Erde, Wasser
und Feuer, (12 733.) dazu alle Scharen der Gestirne und was
sonst noch Wesen heifst.
43. So wie alle Brahmanlehrer je nach ihrer Eigentüm-
lichkeit ihres Amtes walten (12 789.) und alle ein Vorbild sind,
soll auch dieses höchste Lehrbuch
44. eine Richtschnur sein, das ist mein Wille. (12740.) Aus
ihm wird seine Gesetze Manu Sväyambhuva selbst verkündigen,
45. und auch Ucanas und Brihaspati, wenn sie erst ge-
boren sein werden, (12741.) sollen das aus eurem Geiste ent-
sprungene Gesetzbuch verkündigen.
40. Nachdem die Gesetzvorschriften des Sväyambhuva
(Manu) und das Lehrbuch des Ucanas verfafst sein werden
(12 742.) und auch die Lehre des Brihaspati in Umlauf gesetzt
sein wird,
47. soll dieses von euch verfafste Lehrbuch ein König
namens Vasu [d. i. Uparicara, oben, Vers 12712] (12 743.) von
Brihaspati erhalten, o ihr besten Zwiegeborenen.
48. Denn dieser König wird von den Guten geehrt und
mir treu ergeben sein, (12744.) und er wird nach diesem Lehr-
buche alle Opferwerke in der Welt vollziehen.
49. Denn dieses euer Gesetzbuch wird unter allen Ge-
setzbüchern das höchste heifsen, (12 745.) es wird dem Nütz-
lichen und dem Guten dienen und wird auch die höchste
Geheimlehre enthalten.
50. Durch seine Verbreitung werdet ihr zu Wissenden
werden, (12746.) und jener grofse König Vasu wird mit Glück
begnadet sein.
51. Wird aber die Zeit dieses Königs um sein, dann
wird dieses ewige Gesetzbuch (12747.) verschwinden. Das alles
habe ich euch voraus gesagt.
52. Nachdem der unsichtbare, höchste Purusha diese
Rede gehalten hatte, (12 748.) nahm er Abschied von allen
diesen Rishi's und ging in eine andere Gegend.
53. Darauf wurde von diesen Weltvätern, indem sie den
Nutzen der ganzen Welt bedachten, (12 749.) dieses Gesetzbuch
als eine ewige Quelle der Pflicht verbreitet.
54. Als nun im ersten W'eltalter (Kritam) aus dem Stamme
758
III. Mokshadhai ma.
des Angiras Brihaspati geboren war, (12750.) da verpflanzten
sie das Lehrbuch nebst Anhang und Upanishad in ihn
55. und gingen, um Askese zu üben, in eine ihnen er-
wünschte Gegend voll Zuversicht, (12751.) die Träger aller
Welten, die Verkündiger aller Gesetze.
So lautet im Mokshadharma die Geschichte rom Xarajana
(Xdräyantjfaih).
Adhyaya 338 (B. 336).
Vers 12752-12817 (B. 1-65).
Bhtshma sprach:
1. (12 75-2.) Als nun nach Ablauf einer grofsen Zeitperiode
der Sohn des Angiras (Brihaspati) geboren wurde, da waren
die Götter voll Freude darüber, dafs ihnen ein göttlicher
Purohita (Hauspriester) geboren war.
2. (12753.) Bfihat, Brahma, Mahat (das Starke, das Brah-
man, das Grofse), diese Worte bedeuten das nämliche, und
mit den durch sie bezeichneten Eigenschaften, o König, war
Brihaspati ausgerüstet.
3. (12754.) Sein erster Schüler wurde der König Vasu
Uparicara, und nachdem dieser das von den Citracikhandin's
[oben, Vers 12725] stammende Gesetzbuch gehörig studiert hatte,
4. (12755.) wurde dieser König Vasu damals wie ein Gott
geehrt und beherrschte die Erde, wie Akhandala (Indra) den
Himmel.
5. (12 756.) Dieser hochherzige König veranstaltete ein
grofses Rofsopfer, bei welchem sein Lehrer Brihaspati als
Hotarpriester waltete.
ö. (12 767.) Drei Söhne des Prajäpati, die grofsen Rishi' s
Ekata, Dvita und Trita, waren Beisitzer des Opfers,
7. (12 768.) dazu Dhanusha, Raibhya, Arvävasu, Paravasu,
der Rishi Medhätithi und der grofse Rishi Tändya,
8. (12769.) der hochbeglückte Rishi Qänti und jener, der
Vedaciras heifst, und der beste der Rishi's, Kapila, der als
Vater des Qalihotra gilt,
* Digitized by Google
Adhyaya 338 (B. 33<i).
759
9. (12 7GO.) der erste Katha und Taittiri, der ältere Bruder
des Vaicampäyana, Kanva und Devahotra, das waren die
sechzehn Opferpriester.
10. (12 761.) Alles Zubehör zu diesem grofsen Opfer war
zusammengebracht worden, o König, aber kein Tier wurde
geschlachtet, darauf hatte der König bestanden,
11. (12762.) er, welcher dem Schädigen abgeneigt, rein,
von Gemeinheit fern, wunschlos und um seiner Werke willen
preiswürdig war. Nur an waldigen Orten gewachsen war,
was dabei als Opferanteil verwendet wurde.
12. (12 763.) Darum hatte an ihm seine Freude der heilige,
uranfängliche Göttergott und liefs sich leibhaftig vor ihm
sehen, er, der von keinem andern gesehen werden konnte.
13. (12 704.) Er roch den Duft seines Anteils und ergriff
selbst den Opferkuchen; so wurde von dem Gotte Hari-
medhas (Naräyana) sein Opferanteil unsichtbar entgegen-
genommen.
14. (12 765.) Darüber geriet Brihaspati in Zorn, erhob in
seiner Erregung den Opferlöffel, und indem er ihn in der
Luft hin und her schwang, brach er vor Wut in Tränen aus.
15. (12766.) Und er sprach zu Uparicara: Von mir ist
dieser Opferanteil dargeboten worden, und er war von dem
Gotte selbst vor meinen Augen entgegenzunehmen, daran
ist doch kein Zweifel.
Yudhishthira Spruch :
10. (12 767.) Die dargebotenen Opferanteile pflegen doch
von den Göttern sichtbar entgegengenommen zu werden,
warum nahm denn nicht auch der mächtige llari sichtbare
Gestalt an?
Bhisbma sprach :
17. (12 768.) Da suchte der grofse König Vasu den aufser
sich geratenen Muni zu besänftigen, und alle Beisitzer be-
mühten sich mit ihm.
18. (12769.) Und sie sprachen ruhig zu ihm: Du solltest
nicht in Zorn geraten, es ist im Kritazeitalter nicht Sitte,
dafs [man sich wie] du vom Zorne hinreifsen läfst (aci-
hrithas !).
760
III. Mokshadharma.
19. (13 770.) Nicht angebracht ist der Zorn bei jenem
Gotte, dem du seinen Opferanteil dargeboten hast, es ist
nicht möglich, dafs er von dir oder von uns gesehen werde,
o Brihaspati.
20. (1^771.) Nur der kann ihn sehen, dem er es als Gnade
verleiht. — Und weiter sprachen Ekata, Dvita und Trita [die
Anhänger der] Citracikhandin's :
21. (12 772.) Wir hier, die wir uns rühmen, geistige Söhne
des Gottes Brahman zu sein, sind einstmals um unseres
Seelenheiles willen nach der nördlichen Gegend gewandert.
22. (12778.) Nachdem wir tausend Jahre uns kasteit hatten
und zur höchsten Askese fortgeschritten waren, beharrlich auf
einem Fufse stehend, Holzstämmen gleich, in Meditation
versunken
23. (12 774.) auf der nördlichen Seite des Meru am Gestade
des Milchmeeres, — das war nämlich die Gegend, wo wir
unsere furchtbare Askese übten, —
24. (12 775.) da fragten wir uns, wie wir wohl den Gott
(Vishnu) in seiner Wesensform als Näräyana zu sehen be-
kommen könnten, den liebenswerten, gabenspendenden, diesen
ewigen Gott der Götter,
25. (12776.) mit einem Worte, wie wir den Näräyana sehen
könnten. Da, als wir das Schlufsbad unseres Gelübdes
nahmen, sprach zu uns eine körperlose Stimme
26. (12 777.) in lieblichem, tiefem Tone zu unserm Ent-
zücken, o Herr: 0 Brahmanen, ihr habt eure Askese mit be-
ruhigter Seele gut geübt,
27. (12778.) und jetzt forscht ihr mit frommem Sinne da-
nach, wie ihr den Herrn zu sehen bekommen könnt. In der
nördlichen Gegend des Milchmeeres liegt die herrliche Insel
(^vetadvipa,
28. (12779.) dort leben Männer, glanzvoll wie der Mond,
welche nichts Höheres kennen als Näräyana; ihm, dem
höchsten Purusha, sind diese frommen Männer mit alleiniger
Liebe ergeben.
29. (12 780.) Ihm, dem tausendstrahligen, ewigen Gotte,
nahen sie frei von Sinnesorganen, ohne Nahrung, ohne Augen-
blinzeln und von lieblichem Wohlgeruch;
Digitized by Google
Adhy&ya 33* (B. 33«).
7(31
30. (12 781.) ihm allein ergeben sind diese Bewohner von
(^vetadvipa. Dorthin wendet euch, ihr MunTs, dort wird meine
Wesenheit offenbart.
31. (12782.) Nachdem wir alle diese körperlose Stimme
vernommen hatten, sind sie (wir) auf dem beschriebenen
Wege in jene Gegend gegangen.
32. (12 783.) Als wir aber nach der grofsen weifsen Insel
gelangt waren, ihn in Gedanken tragend, ihn zu sehen ver-
langend, da war der Ausblick uns verschlossen,
33. (12784.) und wir konnten den Purusha nicht schauen,
denn unsere Augen waren durch seinen Glanz geblendet. Da
wurde es uns durch die Hingebung an den Gott klar,
34. (12786.) dafs man nicht so ohne weiteres und ohne
vorher hinreichend Askese geübt zu haben, den Gott schauen
kann. Nachdem wir darauf nochmals ungesäumt hundert
Jahre lang grofse Askese unternommen hatten,
35. (12 786.) sahen wir am Schlüsse unseres Gelübdes
schöne weifse Männer, wie der Mond glänzend, mit allen Vor-
zügen ausgestattet,
36. (12 787.) welche, o Brahmane, immerfort mit zusammen-
gelegten Händen, nach Norden und Osten schauend, mur-
melten. Diese Murmelung aber wurde nur als eine geistige
von diesen Hochsinnigen vollzogen,
37. (12788.) denn an einer solchen geistigen Konzentration
hat Hari seine Freude. Der Glanz, wie er der Sonne eigen
ist, o Tiger unter den Muni's, wenn ein Weltalter zu Ende geht,
38. (12789.) ein solcher Glanz umstrahlte jeden einzelnen
von diesen Männern. Da erkannten wir, dafs diese Insel eine
Wohnstätte des Glanzes ist;
39. (12790.) keiner überbot dort den andern, alle waren
von gleichem Glänze. Da wurde der gleichzeitig von tausend
Sonnen ausstrahlende Glanz
40. (12791.) wiederum plötzlich von uns gesehen, o Brihas-
pati, und jene Männer liefen allesamt eilends auf ihn zu
41. (12792.) und riefen mit zusammengelegten Händen
freudig aus: „Dir sei Verehrung!" Sodann hörten wir ein
grofses Getöne ihres Redens.
42. (12 793.) Denn das ist die Spende, welche von diesen
III. Mokshadbarina.
Mannern dem Gotte dargebracht wird. Wir aber, durch seinen
Glanz plötzlich der Sinne beraubt,
43. (12 794.) sahen gar nichts, geschlagen an Augen, Kraft
und Sinn. Da verbreitete sich ein Ton und wurde deutlich
von uns vernommen:
44. (12 795.) „Du bist Sieger, o Lotosaugiger, Verehrung
sei dir, o Allbildner, Verehrung sei dir, o Struppiger, o erst-
geborener, grofser Purusha!"
45. (12796.) Dieser Ton wurde, richtig nach Aussprache
und Betonung, von uns vernommen, während in dieser Zeit
ein reiner, mit Wohlgerüchen erfüllter Wind
46. (12797.) himmlische Blumen und opferwürdige Kräuter
herbeiführte. Von diesen, die Zeiten der fünf [täglichen Opfer,
pahcahäla; nach einer Fufsnote in B. : das Paficarätram] kennen-
den, ihm einzig ergebenen Männern wurde Hari verehrt
47. (12 798.) in Gedanken, Worten und Werken, die in
höchster Liebe gegen ihn wurzelten. Ohne Zweifel war der
Gott dorthin gekommen, als von ihnen diese Gebete er-
schollen,
48. (12799.) wir aber, durch seine Zauberkunst (mäya) ver-
blendet, waren nicht imstande, ihn zu sehen. Als endlich
der Wind sich legte und die Darbringung vollendet war,
49. (12800.) wurde unser Geist, o Bester der Angiras, von
Sorge erfüllt. Denn unter diesen tausend edelgeborenen
Männern
50. (12801.) würdigte uns keiner eines Gedankens oder
auch nur eines Blickes, sondern jene Munischaren hielten
sich für sich, nur einer Liebe sich hingebend,
51. (12802.) und bewiesen uns keine Liebe, nur von der
Liebe zu Brahman beseelt. Da geschah es, dafs uns, die wir
sehr ermüdet und durch die Askese abgemagert waren,
52. (12 803.) ein in sich ruhendes körperloses Wesen an-
redete.
Der Gott sprach:
(12804.) „Die von allen Sinnesorganen freien weifsen Männer
sind von euch gesehen worden,
53. und von diesen besten Zwiegeborenen , die ihr ge-
schaut habt, ist der Gott geschaut worden. (12805) Nun ent-
Digitized by Google
Adhy&ya 338 (B. 336).
703
fernt euch von hier alle, ihr Muni's, wie ihr gekommen seid,
ungesäumt,
54. der Gott kann unter keinen Umständen von einem ge-
schaut werden, der ihm nicht in Liebe ergeben ist, (12 sog.) und
nur solche, welche nach langer Zeit zu seiner Alleinverehrung
gelangt sind,
55. können den Heiligen, in seinem Strahlenkranze schwer
zu Erkennenden schauen. (12807.) Aber doch wartet euer eine
grofse Aufgabe, ihr Besten der Brahmanen:
56. Wenn künftighin das Kritaweltalter vorbei und in
ein anderes übergegangen sein wird, (12808.) wenn in der
gegenwärtigen Manuperiode das Tretäzeitalter eingetreten sein
wird, o Brahmanen,
57. dann sollt ihr zur Vollbringung der Aufgabe der
Götter Mithelfer sein. 44 (i28oy.) Nachdem wir diese wunder-
bare, amritagleiche Rede gehört hatten,
58. gelangten wir alsbald durch seine Gnade in das ge-
wünschte Land. (12810.) So konnte denn trotz grofser Askese,
trotz Götter- und Manenopfer
59. der Gott von uns nicht geschaut werden, — wie
kannst du ihn da sehen wollen [o Brihaspati] ? (12R11.) Er ist
Näräyana, das grofse Wesen, der Allschöpfer, der Geniefser
des Götter- und Manenopfers,
00. ohne Anfang und Ende, unoffenbar, verehrt von
Göttern und Dämonen. — (12812.) So wurde durch die Er-
zählung des Ekata und die Beistimmung des Dvita und Trita
01. sowie durch die übrigen Opfergenossen der hoch-
sinnige Brihaspati begütigt, (12 »inj vollendete das Opfer und
verehrte die Gottheit.
02. Aber der König Vasu, obgleich er dieses Opfer dar-
gebracht hatte und seinen Untertanen Schutz verliehen hatte,
(128H.) wurde später aus dem Himmel [in den er gelangt
war] durch einen Fluch der Brahmanen herabgestürzt und
fuhr in die Erde hinein.
03. Aber dieser König, o Königstiger, hielt nichtsdesto-
weniger fest an Wahrheit und Gerechtigkeit, (12815.) und ob-
gleich er im Innern der Erde hauste, war und blieb er ein
treuer Anhänger des Gesetzes.
Digitized by Google
764
III. Mokshadharnia.
64. Und weil er den Näräyana aufs höchste ehrte und die
Näräyanamurmelung murmelte, (128I6.) wurde er durch dessen
Gnade wieder emporgehoben
65. und stieg vom Erdboden flugs hinauf zu der Stätte
des Brahman, (12817.) indem er alsbald das höchste, ewige
Ziel erreichte.
So lautet im Mokth»dharm» di« Geschichte vom NArftran»
(XdrdyanlpatH).
AdhyAya 339 (B. 337).
Vera 12818-12860 (B. 1-41).
Yudhishthira sprach:
1. (12818.) Da doch der grofse König Vasu dem Heiligen
[Näräyana] so überaus ergeben war, wie kam es da, dafs er
herabstürzte und in eine unterirdische Höhle geriet?
Bliiähma sprach:
2. (12819.) Auch darüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich den Wortwechsel zwischen den Rishfs
und den dreifsig Göttern.
3. (12820.) Die Götter sprachen zu den Besten der Zwie-
geborenen: Geopfert werden mufs ein Bock, und unter dem
Bock ist ein Ziegenbock und kein anderes Tier zu verstehen,
das steht fest. Die Rishi's sprachen:
4. (12821.) Körner müssen beim Opfer dargebracht werden,
das ist die vedische Vorschrift. Körner sind zu verstehen,
wenn von einem Bock [aja, könnte auch „unaufgekeimt"
heifsen] dort die Rede ist. Einen Bock darf man unter keinen
Umständen töten. 1
5. (12822.) Das ist kein Brauch guter Menschen, 0 Götter,
dafs ein Tier geschlachtet wird; wir leben in dem besten,
im Kritazeitalter, wie dürfte da ein Tier geschlachtet werden!
Bhishma sprach:
6. (12 823.) Während sich in dieser Weise die Rishi's mit
den weisen Göttern stritten, kam des Weges daher Vasu,
der Beste der Könige, der in diese Gegend gelangt war.
Digitized by Google
1
Adhyaya 339 (B. 337).
765
7. (12824.) der glückliche, indem er durch die Luft flog
mit seinem ganzen Heere und seinen Wagen. Als die Rishi's
den Vasu sahen, wie er plötzlich durch die Luft daher-
gefahren kam,
8. (12825.) da sprachen die Zwiegeborenen zu den Göttern :
Dieser soll den Streit entscheiden. Er ist opfereifrig und ein frei-
gebiger Herr, edel und am Wohle aller Wesen sich freuend.
9. (12826.) W r ie könnte er, der grofse Vasu, etwas Falsches
sagen? Nachdem die Rishi'6 und Götter darin überein-
gekommen waren,
10. (12827.) traten sie alle an den Vasu heran und frag-
ten ihn: 0 König, was soll man opfern, einen Bock oder
Pflanzenstoffe?
11. (12828.) Diese Streitfrage löse uns, du, o Herr, sollst
unser Schiedsrichter sein. Da legte Vasu seine hohlen Hände
zusammen und fragte:
12. (12829.) Wer von euch hegt welchen Wunsch? Sagt
mir die Wahrheit, ihr Besten der Zwiegeborenen!
Die Rishi's sprachen:
(12830.) Unsere Partei behauptet, dafs man nur Körner
opfern darf, o König,
13. die Götter aber nehmen Partei für das Tieropfer;
du, o König, sollst zwischen uns entscheiden.
Bhlshma sprach:
(12831.) Als aber Vasu die Meinung der Götter vernahm,
schlug er sich auf ihre Seite
14. und sein Schiedsspruch lautete: „Ein Ziegenbock
mufs geopfert werden." (12832.) Da gerieten alle die sonne-
glänzenden Rishi's in Zorn
15. und sprachen zu dem auf seinem Wagen stehenden
Vasu, der den Schiedsspruch parteiisch für die Götter gefällt
hatte: (125*33.) Weil du die Partei der Götter ergriffen hast,
darum sollst du vom Himmel herunterstürzen.
16. Von jetzt an, o König, wird dir der Weg durch die
Lüfte benommen sein; (12831.) von unserm Fluche getroffen,
wirst du die Erde spalten und in sie hineinfahren.
i
7G6 HI. Mokshadharma.
17. Da geschah es in demselben Augenblicke, dafs der
König Uparicara (12835.) alsbald herabstürzte und in eine Höhle
unter der Erde geriet, o König.
18. Aber auf Befehl des Narayana blieb die Erinnerung
an ihn soweit lebendig, (12836.) dafs alle Götter insgesamt auf
die Befreiung des Vasu von seinem Fluche
19. mit Sorgfalt bedacht waren, um dem Könige eine
Wohltat zu erweisen; (12837.) denn dieser hochsinnige König,
sprachen sie, hat um unsertwillen den Fluch auf sich geladen :
20. darum, ihr Himmelsbewohner, müssen wir alle ihm
einen Gegendienst erweisen. (12838.) So im Geiste sich ent-
scheidend, waren die Götter schnell entschlossen
21. und sprachen freudigen Geistes zu dem Könige Upari-
cara: (12839.) Dem brahmanhaften Gotte bist du ergeben, und
er, Hari, der Meister der Götter und Dämonen,
22. wird gewifs, weil er an dir seine Freude hat, die Lösung
des Fluches bewirken; (12840.) anderseits mufs freilich auch
die Achtung vor den hochsinnigen Rishi's gewahrt werden,
23. und es ist nicht möglich, dafs ihre Askese unfrucht-
bar bleibe, (12841.) kraft deren du so plötzlich aus dem Luft-
raum in die Erde hinabgestürzt bist.
24. Immerhin können wir dir folgende Milderung ge-
währen, o Bester der Könige: (12842.) Während du vermöge
des Fluches deine Zeit absitzen wirst, o Untadliger,
25. in deiner Höhle unter der Erde, diese ganze Zeit sollst
du (12843.) die von achtsamen Brahmanen beim Opfer richtig
dargebrachte Spende, welche vasor tihärä (Gabenstrom, Vasu-
spendo) heifst, erhalten.
2t>. Das sollst du durch unsere Fürsorge erlangen, damit
dich kein Hinwelken überkomme. (12844.) Denn du wirst in
deinem Erdloche weder Hunger noch Durst leiden,
27. wenn du die vasor dhura trinkst und dich durch
ihre Kraft stärkst. (12845.) Dann wird jener Gott [Narayana],
durch unsere Gabe an dich erfreut, dich in die Brahman-
welt ernporgeleiten.
28. Nachdem alle die Himmelsbewohner dem Könige
dieses Geschenk verliehen hatten, (12846.) gingen die Götter
nach Hause und ebenso die askesereichen Rishi's.
Digitized by Google
Adhy&ya 339 (B. 337).
767
29. Darauf zollte Vasu dem Vishvaksena (dem allumschütz-
ten Narayana) seine Verehrung, o Bhärata, (128.17.) indem er
unaufhörlich die aus dem Munde des Narayana hervor-
gegangene Murmelung betete.
30. Auch wurden, o Feindbezwinger, die fünf taglichen
Opfer zu ihren fünf Zeiten 112*4*.) dem Götterherrn Hari von
Vasu, während er in der Erdhöhle weilte, dargebracht.
31. Da freute sich Hari Narayana darüber, dafs er so
fromm war (12849.) und dafs er keinen andern Gott verehrte,
sondern mit bezähmtem Selbste ihm allein ergeben war.
32. Und er, der gabenspendende, heilige Vishnu, sprach
zu dem ihn begleitenden trefflichsten Vogel, (12*50.) dem
überaus schnellen Garuda, was er vollbracht zu sehen
wünschte:
33. 0 du mächtiger Bester der Vögel, achte auf mein
Wort. (12 851.) Ein allbeherrschender König mit Namen Vasu,
pflichttreu und von scharfem Gelübde.
34. ist durch den Zorn der Brahmanen in die Erde ge-
bannt worden. (12852.) Den Brahmancnfürsten ist jetzt die
genügende Achtung erwiesen worden. Nunmehr gehe du,
o Bester der Vögel,
3f). auf meinen Befehl, o Garuda, zu dem in der Erd-
höhle Verborgenen (12*5.1.) und mache sofort den unter der Erde
wandelnden besten Fürsten wieder zu einem Luftwanderer!
3»>. Da entfaltete der windschnelle Garuda seine Flügel
(12*54.) und gelangte in die Höhle unter der Erde, wo der
König safs.
37. Den rifs der Vinatasohn jählings in die Höhe, <. 12*5:1 .)
flog mit ihm im Nu zum Äther empor und liefs ihn da los.
35. In diesem Augenblicke wurde der König wieder zu
einem Uparicara (in der Höhe Wandelnden), n 2 *:.•;.) und mit
seinem Leibe ging er, der Beste der Fürsten, in die Brahman-
welt ein.
IVX So mufste, o Kuntisohn, von diesem Könige, weil
er sich auf Geheifs der Götter im Reden versündigt hatte,
(12*57.) trotz seines hohen Sinnes vermöge des Fluches der
Brahmanen der Weg unter die Erde gegangen werden.
Digitized by Google
1
I
7f)8 III. Moksl.adharnia.
40. Weil er aber allein den Gottherrn Hari, den Purusha,
verehrte, (12 868.) ist er alsbald von seinem Fluche befreit
worden und hat die Brahmanwelt erlangt.
Bhishma sprach [weiter]:
41. (12869.) Damit habe ich dir alles erzählt, wie jene
Menschen beschaffen waren und wie der Weise Närada [zu
ihnen] nach Qvetadvipa gelangt war. (12860.) Das will ich
dir alles [noch genauer] mitteilen; vernimm es mit ungeteil-
ter Aufmerksamkeit, o König.
80 lautet im Mokahadhanna die Geschieht« tob Narayana
(Sdritjani'jam).
Adhy&ya 340 (B. 338).
Vera 12861-12864 (B. 1-3).
Bhishma sprach:
1. (12861.) Als der heilige Weise Närada die grofse weifse
Insel (Qvetadvipa) erreicht hatte, sah er jene weifsen, wie
der Mond glänzenden Männer.
2. (12862.) Er verehrte sie durch Verneigung und wurde
von ihnen geistig verehrt; nach dem Schauen begehrend,
der Murmelung ergeben, durch alle harten Übungen hin-
durchgegangen und beharrlich,
3. (12863.) unternahm es der Brahmane konzentrierten
Geistes, mit emporgestreckten Armen und voll Sammlung,
dem Allumfassenden, Gunalosen und zugleich Gunahaften ein
Loblied zu singen.
Närada sprach:
(12864. Prosa.) Verehrung sei dir, 0 Gottherr der Götter,
Werkloser, Gunaloser, Weltauge, Kshetrajßa, höchster Pu-
rusha, Unendlicher, Purusha, grofser Purusha, höchster
Purusha, Dreigunahafter, Urstoff, Unsterblicher, Unsterblieh-
heifsender, Unendlichheifsender, Himmelsraum, Ewiger, der
du Seiendes und Nichtseiendes, Entfaltetes und Unentfaltetes
bist, Wahrheitsstätte, Urgott, Gabenspender, Schöpfer, guter
Digitized by Google
Adhy&ya 340 (B. 338).
7<;o
Schöpfer, Waldesherr, grofser Schöpfer, Xahrungsherr, Rode-
herr, Weltherr, Geistesherr, Himmelsherr, Windesherr, Wasser-
herr, Erdeherr, Weltgegenden herr, Urwohnstatt, Verborgener,
Brahmanpriester, Brahmanverkörperter, Großfürstlicher, Yier-
grof »fürst. Glänzender, Hellglänzender, Siebenopferteilegeniefser,
Yamaliebender, Yamasehrliebender , Yamamutt ergenannter,
Tushitagottheit, Grofstushitagottheit, Yernichter, Erschaffener,
Unerschaflener, Willkürlicher, Untadliger, Unermefslicher,
Willkürlicher, Unwillkürlicher, Opfer, Grofsopfer, Opfer-
ursprung, Opferwiege, Opfersprofs, Opferherz, Opfergeprie-
sener, Opferteilgeniefser, Fünfopferhafter, Fünfzeiteinteilungs-
schaffer, Paficaratraliafter, Vaikuntha, Unbesiegbarer, (leistiger,
Namengenannter, Höchstherr, Wohlgebadeter, Schwan, höch-
ster Schwan, grofser Schwan, Hochheiliger, Sänkhya-Yoga,
Sänkhyagestaltiger, im Amritam Weilender, Goldweilender,
Gottweilender, Kucagrasweilender, Brahmanweilender, Lotos-
weilender, Allherr, Allumschützter, du bist Weltzusammen-
hang, Weltnatur, dein Mund ist Feuer, du bist das Yadava-
rachenfeuer, bist Opfergufs, Wagenlenker, bist der Vashatruf,
der Umlaut, die Askese, das Manas, der Mond, das durch
Anblick geweihto Opferschmalz, die Sonne, der Weltelefant,
o Glanz der Pole, Glanz der Zwischenpole, Kofshaupt (vgl.
unten, Vers ii»2;t), du bist Erslgeniefser des Trisuparnagebets,
Kastenerhalter, o Fünffeuerhafter, Drcinäciketahafter, Behälter
der sechs Yedanga's, Morgenlicht lied-, Bestliedsänger, Sang-
g.diibdehalter, du bist die Atharvacirasupanishad, o du der
fünf grofsen Lehrbücher Inbegriff, Lehrer der Wasserschaum-
trinker, Yalakhilya, Vaikhänasa. Yogabeständiger, Retlexions-
U»stündiger, der Weltalter Anfang, Mitte und Ende, Akhandala,
Praeinagarbha, Kaucika, Vielgepriesener, Vielangerufener,
Allschöpfer, Allgestaltiger, Unendlichstrebender, Unendlich-
geniefsender , Unendlicher, ohne Anfang, ohne Mitte, ver-
borgener Mitte, verborgenen Endes, Gelübdestätto, Ozean-
bewohnender, Glanzstätte, Askesestätte, Bezähmungsstätte,
Schönheitsstätle, Ruhmstätte, ( ilücksstätte. Allstätte, o Väsu-
deva, Allgewinner, Falbrossiger, Falbrofsopferer, Grofsopfer-
anteilrauber, Gabenspender, Lust Spender, Reichtumspender,
Falbrofsopferer, Zwang, Selbstzwang, Grofszwang, Geplagter,
Digitized by Google
770
III. Mokshadkarma.
Zerplagter, Sehrgeplagter, Allgeplagter, Selbstzwangträger,
Fehltrittfreier, Lernfleifsiger, Pricnileibentsprungener, Veda-
werkeifriger, Ungeborener, Allziel, Allschauer, Unfafsbarer,
Unerschütterlicher, Grofsentfal teter, Grofsheitverkörperter, Läu-
terung, Grofsläuterung, Goldener, Grofser, Vermutbarer, Un-
erkennbarer, Brahmanenerster, Wesensschöpfer, Wesenver-
nichter, Grofsblendwerkträger, Citracikhandin, Gabenspender,
Opferkuchenanteilnehmer, Festlichgefeierter, Durstfreier, Zwei-
felfreier, Allwärtsgewandter, Ungestalteter, Brahmanengestal-
teter, Brahmanenfreund, Allgestal tiger, Grofsgestaltiger, Ver-
wandter, Verehrerfreund, o heiliger Gott, dich verehre ich,
dich begehre ich zu schauen, dem einzigen Anblick Ver-
ehrung, Verehrung!
80 Uutet im Molubadharma der PraU de« groben Punuha
(Makdpurmha^tata).
Adhyftya 341 (B. 339).
Vers 128Ö5-13006 (B. 1-141).
Bhlsbma sprach:
1. (12865.) Als der heilige Gott auf diese Weise mit seinen
geheimnisvollen und wahrhaften Namen gepriesen worden war,
liefs der Allgestaltige sich vor dem weisen Närada sehen.
2. (12866.) Einerseits war der Herr reiner als der Mond
an Glanz, anderseits war er mit dem Monde gar nicht zu
vergleichen, teils glich er dem Feuer an Aussehen, teils dem
Feueraltar an Gestalt,
3. (12867.) teils dem Gefieder des Papageien, teils einem
Bergkristall, hier wie schwarze Augensalbe, dort wie Gold
glänzend,
4. (12868.) stellenweise glich er einem Korallenzweige, und
wiederum erschien er weifsfarbig, hier glänzte er wie Gold-
farbe, dort ähnelte er dem Beryllstein,
5. (12869.) dann wieder schillerte er wie schwarzer Beryll
und stellenweise wie ein Smaragd, teils war sein Aussehen
dem Hals des Pfauen, teils einer Perlenschnur gleich.
Digitized by Google.
Adhyaya 341 <B. 339,.
771
6. (12 870.) Diese mannigfachen Farben trug an seinem
Äufsern der Ewige ; tausendaugig war der Selige, mit hundert
Häuptern, tausend Füfsen,
7. (12 871.) tausend Bäuchen und Armen und stellenweise
wieder unsichtbar. Aus seinem Munde strömte der Omlaut,
und ihm folgte die Sävitri;
8. (12872.) aus seinen übrigen Mündern liefs er die vier
Veden in ihrer Fülle ausgehen und sang, der Gott, das
Aranyakam, er, der gewaltige Hari Xärayana.
0. (12 873.) Ein Opferbett, ein Wasserkrug und weifse Edel-
steine, ein Schuhepaar und Kucagras, Antilopenfell und höl-
zerner Stab und dazu loderndes Feuer,
10. (i>874.) das alles wurde von dem Gottherrn als Herrn
des Opfers in seinen Händen getragen. Da begann Xärada,
der Beste der Zwiegcborenen, mit ruhigem Geiste den Heitern
11. (i287. r i.) zu verehren, den höchsten Gott, schweigend
und vor ihm geneigt. Zu ihm, der sein Haupt neigte, sprach
der ewige Urvater der Götter.
Der Heilige sprach:
12. (12876.) Ekata, Dvita und Trita, die drei grofsen
Wesen, kamen einst in dieses Land mit dem Verlangen, mich
zu schauen.
13. (12877.) Aber sie bekamen mich nicht zu sehen, und
keiner wird mich zu sehen bekommen aufser dem, welcher
mir vor allen anderen Verehrern ergeben ist, du aber bist
mir mehr zugetan (uttamah mit C.) als alle anderen.
14. (12878.) Jene meine höchsten [vier] Erscheinungs-
formen wurden in dem Hause des Dharma geboren [oben,
Vers 12657 fg.], die mögest du immerfort verehren; ziehe hin,
wie du gekommen bist.
15. (12879.) Aber, o Brahmane, wähle noch eine Gabe, die
du von mir zu erlangen wünschest, ich, der Allgestaltige,
Ewige, wie ich heute hier vor dir stehe, bin dir gnädig gesinnt.
Xärada sprach :
IG. (12880.) Heute habe ich die Frucht meiner Askese,
meiner Bezwingung und Selbstbezwingung erlangt, da du,
o Heiliger, dich von mir hast sehen lassen.
41»*
Digitized by Google
772
III. Mokshadhanua.
17. (12881.) All mein Leben ist es nur mein Wunsch ge-
wesen, dich, den Ewigen, zu schauen, o Heiliger, den All-
schauenden, den Löwen, den allgestaltigen grofsen Gebieter.
Bhlshma sprach:
18. (12882.) Nachdem er sich in dieser Weise vor dem
Närada Parameshthin gezeigt hatte, sprach er weiter das Wort :
Mache dich auf, Nurada, und zögere nicht.
10. (12883.) Denn diese meine wie der Mond glänzenden
Verehrer hier, welche ohne Sinnesorgane und ohne Nahrung
leben, könnten voll einziger Hingebung ihre Gedanken auf
mich richten, und ich möchte nicht, dafs sie dabei auf ein
Hindernis stiefsen.
20. (12 884.) Von jeher waren sie vollendet, glückselig und
mir einzig ergeben, und frei von Tamas und Rajas, werden
sie gewifslich zu mir eingehen.
21. (12*85.) Er, der nicht zu sehen ist mit dem Auge,
nicht zu betasten durch Berührung, nicht zu riechen durch
den Geruch und auch dem Geschmack unerreichbar,
22. (12886.) dem die Guna's, Sattvam, Rajas und Tamas
nicht anhaften, der da als allgegenwärtiger Zuschauer und
Weltatman gepriesen wird,
23. (12887.) der nicht vergeht, wenn die Körper der Wesens-
scharen vergehen, der Ungeborene, Ewige, Unvergängliche,
Gunalose , Unteilbare,
24. (12888.) welcher über die zweimal zwölf Prinzipien
hinaus als der Fünfundzwanzigste gerühmt wird als taten-
loser, nur durch die Erkenntnis zu schauender Purusha,
25. (12889.) in welchen eingehend die Besten der Zwie-
geborenen hienieden zur Erlösung gelangen, — der bin ich,
als Väsudeva zu erkennen, als der ewige, höchste Atman.
20. (12 890.) Schaue, o Närada, die Gröfse und Majestät
dieses Gottes, der niemals durch gute oder böse W r erke be-
fleckt wird.
27. (12891.) Sattvam, Rajas und Tamas nennt man Guna's
(Faktoren, Konstituenten), weil sie in allen Körpern vorhanden
sind und sich betätigen.
Digitized by Google
Adhy&ya 341 (B.
773
28. (12892.) Diese Gunas geniefst der Kshetrajfia, wird
aber nicht von ihnen genossen, der Gunalose, Gunageniefsende,
Gunaschöpfer, Gunabeherrscher.
29. (12893.) Die Erde, dieser Standort der Lebewelt, o
Götter-Rishi, zergeht im Wasser, das Wasser im Feuer, das
Feuer im Winde,
30. (12894.) der Wind zergeht im Äther, der Äther im
Manas, das Manas als höchstes Element zergeht im Un-
entfalteten,
31. (12895.) das Unentfaltete, o ßrahmane, zergeht im tat-
losen Purusha, über ihm gibt es keinen Höhern, über dem
ewigen Purusha.
32. (12S96.) Denn kein Wesen in der Welt, sei es beweg-
lich oder unbeweglich, gibt es, welches ewig wäre, aufser
jenem einen Purusha, dem ewigen Väsudeva.
33. (12897.) Denn der hochgewaltige Vasudeva ist die Seele
aller W r esen. Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als
fünftes,
34. (12898.) diese hohen Wesenheiten bilden in ihrer Ver-
einigung das, was man den Leib nennt. Sodann geht in
diesen ein, o Brahmane, leichten Schrittes der Unsichtbare,
3f). (12899.) und nachdem er geboren, ist er es, der den
Leib bewegt. Freilich kann es keinen Leib geben ohne das
Aggregat der Elemente,
3(>. (i29oo.) aber ohne den Jiva (die individuelle Seele),
o Brahmane, könnten die Winde [die fünf Pranas] den Leib
nicht bewegen. Dieser Jiva wird [nach Krishna's älterm
Bruder Balarama] (Jtsha oder Saftkarshann genannt.
37. (12901.) Von ihm stammt er, welcher durch seine Werke
es erlangte, eine Inkarnation von Sanatkumära zu sein (vgl.
Mhbh. I, 07,52 = I, 2780), und dieser, in welchem alle Ele-
mente zergehen und zunichte werden (oben, Vers 12894),
38. (12902.) der wird als das Manas in allen Wesen [nach
Krishna's Sohn] Pradyumtta genannt. Aus ihm ist der ent-
sprungen, welcher Täter, Ursache und Wirkung ist;
39. (12 903.) dieser, aus welchem die ganze Welt des Be-
weglichen und Unbeweglichen hervorgeht, wird [nach Krishna's
Enkel] Aniruddha, der in allen Werken entfaltete Gott, genannt.
Digitized by Google
774 III. Mokshadharma.
40. (12 904.) Also der heilige Väsudeva, der seinem Wesen
nach gunalose Kshetrajfia, der, o Fürst der Könige, ist zu
wissen als der Jiva, als der mächtige Sankarshana.
41. (12906.) Von Sankarshana stammt der Pradyumna Ge-
nannte, welcher das Manas ist, und von Pradyumna stammt
Aniruddha, und dieser Gott ist der Ahankära.
42. (12906.) Aus mir, o Narada, entspringt die ganze Welt,
das Unbewegliche und Bewegliche, das Unvergängliche und
Vergängliche, das Seiende und Nichtseiende.
43. (12907.) Zu mir eingehend, werden hienieden erlöst die,
welche mir ergeben sind, denn ich bin zu wissen als der
Purusha, der Tatenlose, der Fünfundzwanzigste,
44. (12908.) der von Guna's und Teilen Freie, über Gegen-
sätze und Anhängendes Erhabene. Aber das bleibt für dich
unerkennbar und wird nur als Erscheinung gesehen.
45. (12909.) Wenn ich wollte, so könnte ich augenblick-
lich verschwinden, denn ich bin Herr und Meister der Welt ;
nur als ein Scheinbild fmdyäj habe ich geschaffen, was du
von mir siehst, o Narada.
46. (i2 9io.) Sofern ich die Eigenschaften aller Wesen an
mir trage, kannst du mich nicht erkennen, aber die Vierheit
meiner Erscheinungen habe ich deutlich erklärt.
47. (129U.) Ich bin es, der der Jiva heifst, in mir ist der
Jiva beschlossen, aber dein Verständnis reichte nicht aus,
um sagen zu können: Ich habe den Jiva gesehen.
48. (12912.) Ich bin allgegenwärtig, o Brahmane, bin in
der Schar der Wesen die innere Seele, ich vergehe nicht,
wenn die Körper der Wesensscharen vergehen.
49. (12913.) Jene glückseligen, vollendeten Männer freilich
waren mir einzig ergeben, und sie, o Muni, werden, frei von
Tamas und Rajas, zu mir eingehen.
50. (12 914.) Iliranyagarbha, der Weltanfang, der mit seinen
vier Angesichtern in dem Unaussprechlichen [anirukta y vgl.
Taitt. Up. 2,4 Anfang] weilende Gott Brahmän, dieser ewige Gott
überdenkt [als mein Intellekt] meine mannigfachen Zwecke;
51. (12915.) aus meiner Stirn, aus meinem Zorne ist Gott
Rudra hervorgegangen; siehe, wie die elf Rudra's in meiner
rechten Seite
Digitized by Google
Adhy&ya 341 (B. 339). 775
52. (12916.) und die zwölf Aditya's in meiner linken Seite
wohnen, siehe, wie ich vorn an mir trage die acht Vasu's,
die Höchsten der Götter,
53. (12*17.) wie Xäsatya und Dasra, die Götterärzte, meinen
Rücken bilden, siehe in mir alle Schöpferherren und alle
Rishi's,
54. (12918.) die Veden und die Opfer hundertfach nebst dem
Amritatranke und den Kräutern, siehe in mir die Askesen,
Selbstbezähmungen und die einzelnen Zuchtübungen,
55. (12919.) die achtfache Gottherrlichkeit [der acht Siddhi's]
gestalthaft in mir, dem Einen, weilen, ferner Glück, Schön-
heit und Ruhm und die Erde mit ihren Berggipfeln,
50. (12920.) siehe in mir wohnen Sarasvati, die Mutter der
Veden, und den im Äther weilenden Polarstern, den Besten
der Sterne,
57. (12 921.) die wasserreichen Ozeane, Seen und Flüsse
und die vier Klassen von Manen (vgl. oben, Vers 96&o) ver-
körpert (mürtimantah als Acc. !) in mir
58. (12922.) und jene drei gestaltlosen Guna's, wie sie in
mir wohnen. Wenn auch von dem Opfer an die Götter das
Opfer an die Manen verschieden ist, o Muni,
59. (12923.) so bin ich doch von Uranfang her der einzige
Vater der Götter wie der Manen. Ich, zu dem Rofshaupte
geworden in dem nordwestlichen Ozean,
00. (12924.) trinke das wohldargebrachte Götteropfer und
das mit Glauben gespendete Manenopfer. Von mir ist vor-
dem Gott Brahmän geschaffen worden, und mir zu Ehren hat
er selbst ein Opfer geopfert.
61. (12925.) Und über dasselbe erfreut, verlieh ich ihm
herrliche Gaben, nämlich dafs er am Anfang der Weltperiode
mein Sohn und der Aufseher der Welt,
02. (12926.) sowie auch zum Ahankära [dem Prinzip der
Individuation] wurde, so dafs dieses Wort synonym mit
Brahmän ist, und ich sprach zu ihm : „Die von dir gesetzten
[individuellen] Schranken soll niemand je überschreiten,
03. (12927.) und du, o Brahmän, sollst der Gabenspender
aller um Gaben Flehenden sein. Von Göttern, Dämonen und
Rishi's, o Askesereicher,
776
III. Mokshadharma.
64. (12928.) sowie von den Vätern, o Mächtiger, allezeit
Gelübdefester, und von den mannigfaltigen Wesen sollst du
Verehrung geniefsen."
65. (12 929.) „Und ich [so erwiderte er mir] will allezeit
beim Opfer an die Götter ein offener Bekenner des Bhagavän
sein; dir, o Heiliger, will ich gehorsam sein und von dir
mich lenken lassen wie ein Sohn."
66. (12930.) Diese und andere glänzende Gaben verlieh ich
dem unermefslich kraftvollen Gott Brahmän und zog mich
freudig in die Passivität (nivritti) zurück.
67. (12 931.) Denn als Auslöschung (nirvänamj aller Pflich-
ten ist die Passivität das Höchste, daher, wer sich der Pas-
sivität ergibt, als ein durch und durch Beseligter (nirvrita)
dahinwandelt.
68. (12932.) Als den mit dem Wissen erfüllten, in der
Sonne weilenden, gesammelten Kapila bezeichnen ihn die in
der Sänkhyalehre festen Meister,
60. (12933.) als der heilige Hiranyagarbha wird er im Veda
gepriesen (vgl. (,'vet. Up. 5,2). Ich bin es, der am Yoga sich
freut, o Brahmane, und der in den Yogalehrbüchern [als
fcvara] gefeiert wird.
70. (12934.) Ich bin es, der zur Entfaltung gelangt und
doch ewig im Himmel beharrt, der am Ende von tausend
Weltaltern die Welt wiederum in sich hereinrafTen wird.
71. (12935.) Und nachdem ich alle Wesen, die beweglichen
und unbeweglichen, in mein Selbst zurückgenommen habe,
werde ich als der aHein mit meinem Wissen Fortbestehende
die Welt wiederum ausbreiten.
72. (12936.) Alsdann werde ich die ganze Welt wiederum
durch mein Wissen erschaffen. Was aber in mir die vierte
Gestalt [Vasudeva] ist, die schuf den unvergänglichen Qesha,
73. (12937.) denn er ist es, welcher Sankarshana genannt
wird, und dieser erzeugte den Pradyumna, und aus Pradyumna
ging ich hervor als Aniruddha, immer wieder und wieder als
meine Schöpfung.
74. (12938.) Aus Aniruddha entspringt weiter Gott Brahmän,
indem er aus dem in dessen Nabel wurzelnden Lotos hervor-
Digitized by Google
Adhyfcya 341 (B. 339).
777
tritt, aus Gott Brahmän endlich entstehen alle Wesen, die
beweglichen und die unbeweglichen.
75. (12939.) Das, wisse, ist die Schöpfung, welche immer
wieder und wieder zu Anfang eines Kalpa erfolgt, wie Auf-
gang und Untergang der Sonne im Himmelsraume.
70. (12940.) Denn wenn die Zeit um ist, dann wird er,
der unermefslich Glänzende, durch seine Kraft, — dann werde
ich durch meine Kraft zum Heile aller Wesen die Erde,
77. (12 941.) die in allen ihren Teilen von Wesen erfüllte, die
ozeanumgürtete, nachdem sie versunken war, wieder zu ihrer
Stelle emporwühlen, indem ich die Gestalt des Ebers annehme.
78. (12942.) Weiter werde ich den auf seine Kraft stolzen
Daityafursten Hiranyäksha töten, und wiederum werde ich,
die Gestalt eines Mannlöwen annehmend, den Hiranyakacipu,
79. (12943.) den opferstörenden Ditisprofs, den Göttern
zuliebe zerreifsen. Ferner wird als Sohn des Virocana ein
grofser Dämon, der gewaltige Bali,
80. (12944.) unüberwindlich für alle Welten, Götter, Dä-
monen und Kobolde, geboren werden, und dieser wird den
(^akra (Indra) vom Throne stürzen.
81. (12945.) Dann wird der Gatte der Caci darüber nieder-
geschlagen sein, dafs ihm die Dreiwelt von jenem geraubt
wurde; ich aber werde von Kacyapa in der Göttin Aditi als
zwölfter Aditya (Aditisohn) erzeugt werden.
82. (12946.) Dann werde ich dem unermefslichen Takra
sein Reich wiedergeben und auch die Götter in ihre Stellungen
wieder einsetzen, o Närada;
83. (12947.) den Bali aber werde ich zu einem Bewohner
der Unterwelt machen, ihn, den vorzüglichen Bali, den von
allen Göttern unbesiegbaren Dänava.
84. (12948.1 Weiter werde ich im Tretazeitalter als ein
Sprofs der Familie des Bhrigu geboren werden als Räma
[Paracuräma, Sohn des JamadagniJ und die Kshatriyas mit
ihren mächtigen Heeren und Wagen ausrotten.
8f). (12949.) Sodann aber werde ich. wenn die Dammerungs-
zeit zwischen den Zeitaltern Treta und Dväpara eingetreten
sein wird, als der Weltherr Rama, der Sohn der Dacaratha,
geboren werden.
Digitized by Google
778
III. Moksluidhanua.
86. (12950.) Dann werden Ekata und Dvita wegen der Mifs-
handlung des Trita in einer Mifsgestalt als Affen wiedergeboren
worden sein, sie, die beiden Rishfs und Söhne des Prajäpati,
87. (12951.) und die von ihnen geborenen Nachkommen
werden als mächtige, mannhafte, dem Qakra an Tapferkeit
gleiche Affen leben.
88. (12952.) Diese werden in meinem Kampfe für die Götter
meine Gehilfen sein, o Z wiegeborener ; dann werde ich den
furchtbaren Oberherrn der Kobolde, den Schandfleck der Fa-
milie des Pulastya,
89. (12953.) den scheufslichen Ravana, diesen Dorn der
Welt, mit seiner ganzen Bande ausreifsen. Wenn dann weiter
die Dämmerung zwischen dem Zeitalter Dväpara und Kali
zu Ende geht,
90. (12954.) wird zur Vernichtung des Kansa meine Ge-
burt in Mathurä stattfinden. Dort werde ich viele Dänava's,
die ein Dorn für die Götter waren, töten.
91. (12955.) Dann werde ich Kucasthali als die Stadt
Dvärakä zu meinem Wohnsitze machen, und in dieser Stadt
wohnend, werde ich den Beleidiger der Aditi,
92. (12956.) den erdgeborenen Naraka sowie auch Muru
und den Dämonen Pitha töten, und ihre mit vielen Kostbar-
keiten angefüllte herrliche Stadt Prägjyotisham
93. (12 957.) nach Kucasthali verpflanzen, nachdem ich den
obersten Dämon niedergeschlagen habe. Weiter werde ich
Mahecvara (Qiva) und Mahäsena (Skanda), welche aus Wohl-
wollen für den Bäna
94. (12958.) sich gegen mich erhoben hatten, diese beiden
von aller Welt verehrten Gottheiten besiegen und dann den
tausend armigen Bäna, den Sohn des Bali, überwinden.
95. (12 959.) Darauf werde ich alle Bewohner von Saubha
[der Luftstadt] vernichten. Was ferner den berühmten, mit
der Kraft des Garga [seines Vaters] ausgerüsteten Kälaya-
vana betrifft,
96. (12 960.) so wird auch dessen Vernichtung auf meine
Veranlassung erfolgen, o Bester der Zwiegeborenen. Ferner
wird da der mächtige, viele Könige in Gefangenschaft haltende
Jaräsandha,
Digitized by Google
Adhyäya 341 <B. 331*).
779
97. (12961.) der Dämon, als übermütiger Erdbeherrscher
in Girivraja wohnen, und durch den Anschlag meines Geistes
wird seine Tötung [durch Bhima] erfolgen.
98. (12 962.) Auch werde ich den (,'icupäla töten beim
Opfer des Dharmasohnes (Yudhishthira), bei dem alle mäch-
tigen Könige der Erde versammelt sein werden.
99. (12963.) Nur [Arjuna], der Sohn des Väsava (Indra),
allein wird mein trefflicher Helfer dabei sein, den Yudhishthira
aber mitsamt seinen Brüdern werde ich in seiner Herrschaft
befestigen.
100. (12964.) Dann werden die Leute sagen: die Helden
Nara und Näräyana, die Gottherren, haben sich erhoben und
verderben die Kshatriya's zum Besten der Welt!
101. (12 965.) Nachdem ich die Erde in erwünschter Weise
von dieser Last befreit haben werde, werde ich über alle Vor-
nehmsten der Sätvatas [der Leute des Krishna] und auch
über die Stadt Dvärakä, o Bester,
102. (1296C.) ein« furchtbare Vernichtung hereinbrechen
lassen, indem ich mich in die Erkenntnis des Atman ver-
senke. So werde ich, nachdem ich als Träger der vier Ge-
stalten unermefsliche Taten
103. (12967.) vollbracht haben werde, in meine eigenen,
von Brahman bereiteten Welten eingehen, — Hansa [Schwan,
hier wohl Brahman als Erstgeborener der Schöpfung, vgl.
oben, Adhy. 301, S. 587 fg.], o Bester der Zwiegeborenen,
Schildkröte, Fisch,
104. (12 968.) Eber, Mannlöwe, Zwerg und [Paracu-] Rama,
Rama, Sohn des Dacaratha, Sätvatafürst (Krishna) und Kalki
[sind meine Verkörperungen] —
105. (12969.) eingehen, wenn die Yedaüberlieferung ver-
loren und von mir wieder in mich zurückgenommen sein
wird, wenn meine mitsamt den Veden und allen heiligen
Schriften vormals im Kritazeitalter erfolgten Verkörperungen
106. (12970.) verschwunden sein und nur noch hier und
da in alten Erzählungen erwähnt werden mögen, wenn jene
meine zahlreichen höchsten Verkörperungen verschwunden
107. (12971.) und, nachdem sie ihre Aufgabe in der Welt
erfüllt haben, wieder zu ihrem Ursprung zurückgekehrt sein
780
III. Mokshadininiia.
werden. — Wahrlich, ein solches Schauen meiner Wesenheit
ist nie einem Brahmanen zuteil geworden,
108. (12 972.) wie es dir heute gewährt wurde, weil dein
Geist nur auf mich allein gerichtet war. Dies ist dir alles
von mir erzählt worden, o Brahmane, um deiner Liebe willen
zu mir,
109. (12973.) das Vergangene und Zukünftige mit seinen
Geheimnissen, o Bester.
Bhlshma sprach:
■
(12974.) Nachdem der heilige, allgestaltige, ewige Gott in
dieser Weise
110. diese ganze Rede gesprochen hatte, verschwand er
ebendaselbst. (12975.) Der glanzvolle Närada aber, nach Er-
langung der ersehnten Gnade
111. eilte zur Einsiedelei Badari (oben, Vers 12659), um
den Nara und Närayana zu besuchen. (12976.) Und diese
höchst geheimnisvolle, mit den vierVeden in Einklang stehende,
112. mittels Sänkhya-Yoga gemachte, von ihm Pafi-
carätram benannte (12977.) und aus dem Munde des Närayana
ausgeströmte Lehre verkündigte Närada weiter
113. in der W r ohnung des Gottes Brahmän, o Freund,
entsprechend dem, was er geschaut und vernommen hatte.
Yudhishthira sprach:
(12978.) Diese wunderbare Herrlichkeit jenes Weisen [des
Gottes Närayana],
114. war diese dem Gotte Brahmän unbekannt, so dafs
er sie erst von Närada hören mufste? (12979.) Der heilige Ur-
vater ist doch von jenem Gotte gar nicht verschieden,
115. wie sollte er da die Herrlichkeit des unermefslich
Kräftigen nicht kennen?
Bhishma sprach:
(12980.) Hunderte und Tausende von Weltperioden
11*5. sind schon verstrichen, o Fürst der Könige, mit
ihren Schöpfungen und Vernichtungen. (12981.) Gott Brahmän
ist es, welcher am Anfang der Schöpfung die Erschaffung der
Geschöpfe bewirkt.
Digitized by Google
Adhy&ya 341 (B. 339).
781
117. Gewifs kennt er den Vorzüglichsten der Götter,
o König, der, noch weit über ihn selbst erhaben, (12 982.) der
höchste Atraan, Gottherr und sein eigener Urheber ist.
118. Aber den anderen in der Brahmanwohnung ver-
sammelten Scharen der Vollendeten, (12983.) denen verkündigte
Nurada dieses mit dem Veda übereinstimmende Puränam.
119. Von diesen im Geiste Bereiteten hat es Sürya (der
Sonnengott) vernommen, (12984.) und dieser, o König, hat es
sodann seinen Anhängern mitgeteilt.
120. Denn den Sechsundsechzigtausend im Geiste be-
reiteten Rishi's, (12 985.) welche als Begleiter des welterleuch-
tenden Sürya erschaffen worden waren,
121. allen diesen Bereiteten hat es der Sonnengott mit-
geteilt. (12986.) Und von diesen hochsinnigen, das Gefolge des
Sürya bildenden Rishi's, o Freund,
122. wurde dieses Allerhöchste den auf dem Meru ver-
sammelten Göttern vorgetragen. (12987.) Von den Göttern hat
es der Brahmane Asita vernommen,
123. und dieser beste Muni hat es unseren Vorfahren mit-
geteilt, (1298s.) mir hat es mein Vater C anlanu mitgeteilt,
124. und ich, der ich es von ihm vernommen, habe es
dir erzählt, o Bhärata. (12939.) Alle Götter aber oder Muni's,
welche dieses Puranam gehört haben,
12f>. alle diese verehren den höchsten Ätman allerwärts.
(12990.) Diese dem Veda gleichkommende Erzählung, wie wir
sie, o Fürst, durch Uberlieferung überkommen haben,
12b". darfst du unter keinen Umständen einem mitteilen,
der nicht dem Väsudeva ergeben ist. (12991.) Aus allen den
Hunderten von anderen Geschichten,
127. welche du von mir gehört hast, ist diese Geschichte
als Quintessenz herausgezogen worden. ( 12992.) Und wie von
Göttern und Dämonen einstens das Amritam durch Quirlung
herausgeholt wurde,
128. so wurde das Amritam dieser Erzählung einstmals
von Brahmanen herausgeholt. (i2:»93.) Wer aber immerfort
diese Geschichte rezitiert oder anhört,
129. mit einziger Liebe [dem Närayana] ergeben, ge-
sammelt und in Gemeinschaft mit solchen, die ihm ergeben
782
III. Mokshndharma.
sind, (12m.) der wird zu der grofsen weifsen Insel gelangen,
zu einem jener mondglänzenden Männer werden
130. und zu dem tausendstrahligen Gott eingehen, daran
ist kein Zweifel. (12995.) Der Leidende wird von seiner Krank-
heit befreit, wenn er diese Geschichte von Anfang an gehört hat,
131. der Wifsbegierige erlangt, was er wünscht, und der
Fromme geht den Weg der Frommen. (12996.) Und auch du,
o König, mögest immer fort und fort den höchsten Purusha
preisen,
132. denn er ist Vater, Mutter und Lehrer der ganzen
Welt, (12997.) ihm hänge in Liebe an, dem brahmanhaften,
heiligen, ewigen Gotte,
133. dem hochweisen Heimsucher der Menschen, o
Yudhishthira, du mit den grofsen Armen!
Vai$arapayana sprach:
(12998.) Nachdem der gerechte Fürst (yudhishthira), o Ja-
namejaya, diese vorzügliche Erzählung gehört hatte,
134. da wurden er und seine Brüder alle treue Anhänger
des Närayana (12999.) und sprachen, o Bhärata: „Dieser heilige
Purusha hat den Sieg davongetragen!"
135. Er aber, welcher, allezeit dem Murmeln ergeben
und die heilige Rede übend, (13000.) unser bester Lehrer ist,
der Weise Krishna Dvaipäyana,
13G. liefs die höchste Murmelung ertönen zum Lobe des
Närayana, (13001.) stieg ungesäumt aus dem Äther zu dem
Milchmeere, dem Behälter des Amritam, herab,.
137. zollte dem Gottherrn seine Verehrung und begab
sich wieder zu seiner Einsiedelei.
Bhlshma sprach:
(13002.) Alles dieses ist dir mitgeteilt worden, das von
Närada Ausgesprochene und von mir Wiedererzählte,
138. wie es von Geschlecht zu Geschlecht überliefert und
von meinem Vater erzählt worden ist.
Sauti sprach:
(13003.) Das alles habe ich euch erzählt, wie es von Vai-
campayana vorgetragen wurde.
1
Digitized by Google
Adhyaya 341 fB. 339).
783
139. Janamejaya aber, als er es von ihm gehört hatte,
verfuhr ganz dieser Vorschrift gemäfs. ü3004.) Ihr aber alle,
ihr Askesereichen, Gelübdetreuen,
140. die ihr alle als vorzügliche Vedakenner den Xai-
mishawald bewohnt (13005.) und als vorzügliche Brahmanen zu
dem grofsen Opferfeste des (/aunaka euch versammelt habt,
141. ihr sollt mit euren wohlausgeführten Opfern den
ewigen, höchsten Herrn verehren. (13006.) Dies von Geschlecht
zu Geschlecht Überlieferte ist mir von dem Vater [Vaicam-
payana] vordem erzählt worden.
So lautet im Mokobadharma die Geschichte vom Narftjana
(Säniyanlyau,).
Adliyaya 342 (B. :*4Ö).
Vers 13007-13128 (B. 1-111»).
£aunaka sprach:
1. (13007.) Wie kommt es, dafs jener heilige Gott [Nä-
räyana], der doch bei den Opfern als Herr den ersten Anteil
nimmt, der beständig das Opfer aufrecht hält und Veda's
nebst Vedänga's kennt,
2. (13008.) dafs dieser Herr der fthagavatas zugleich voll
Geduld der Satzung der Passivität (nivrittij huldigte und
selbst die Satzungen der Passivität vorgeschrieben hat, er,
der heilige Herr?
3. (13009.) Und wie konnte er die Götter darin bestärken,
als des Opferanteils würdige bei den Satzungen der Aktivität
fpravrittij zu verharren, während er andere veranlafst, mit
weltabgekehrtem Sinne der Passivität zu huldigen?
4. (i30io.) Diesen tiefgreifenden beständigen Zweifel mögest
du uns, o Sauti, lösen, denn von dir sind ja die auf die
Satzungen bezüglichen Näräyana- Geschichten vernommen
worden.
Sauti sprach:
5. (13011.) Ich will dir, o Bester der (,'aunaka's, erzählen,
worüber ehedem [ Vaicampäyana ] der Schüler des weisen
Vyasa vom Könige Janamejaya befragt wurde.
784
III. Mokslindhurma.
6. (13012.) Nachdem er von der Herrlichkeit des in den
Verkörperten weilenden höchsten Atman vernommen hatte,
sprach der sehr verständige Janamejaya zu Vaicampäyana.
Janamejaya sprach:
7. (13013.) Alle Welten mit Gott Brahman, Göttern, Dä-
monen und Menschen hängen offenbar allenthalben an den
Opferwerken, weil sie Glück versprechen.
8. (13014.) 0 Brahmane, du hast erklärt, dafs die Erlösung
als ein Erlöschen (nirvänam) die höchste Seligkeit sei, und
wir haben gehört, dafs diejenigen, welche hienieden erlöst
und von Gutem und Bösem frei geworden sind,
9. (13015.) zu dem tausendstrahligen Gotte schon hienieden
eingehen werden. Das ist die ewige, schwer zu befolgende
Erlösungssatzung,
10. (13016.) und diese ist von den Göttern verlassen worden,
um Götter- und Manenopfer zu geniefsen. Wie ist es aber
möglich, dafs Brahman, Rudra und der balatötende, mäch-
tige (>kra,
11. (i3on.) dafs der Sonnengott, der Sternenherr, Yäyu,
Agni und Varuna, der Äther und die beiden Welten und alle
übrigen Himmelsbewohner
12. (i:ioi8.) nicht die ihnen bevorstehende Vernichtung
voraussehen und daher nicht den festen, unvergänglichen,
ewigen Weg [der Erlösung] betreten,
13. (13019.) sondern innerhalb der durch das Gesetz eng
gezogenen Zeitschranken der Aktivität fröhnen? Grofs ist in
der Tat bei der Beschränktheit der Zeit der Irrtum derer,
welche den Werken huldigen.
14. (13020.) Diesen Zweifel, o Brahmane, der mir wie
ein Stachel im Herzen sitzt, löse mir durch Mitteilung der
Erzählungen darüber, denn ich trage danach grofses Ver-
langen.
15. (13021.) Wie können, o Zwiegeborener, die Götter bei
den Opfern als Nehmer eines Anteils gelten, und welchen
Zweck hat es, dafs die Bewohner der drei Himmel, o Brah-
mane, bei der heiligen Feier verehrt werden?
Digitized by Google
Adhyaya 342 (B. 340).
7*5
16. (13022.) Und sie [die Götter], die bei den Opfern ihren
Anteil dahinnehmen, o Bester der Zwiegeborenen, wenn diese
grofse Opfer darbringen, wem geben denn sie einen Anteil
daran?
Vai^amp&yana sprach :
17. (13023.) Ei! das ist eine geheimnisvolle Sache, nach
der du mich fragst, o Männerfürst, und keinem, der nicht
Askese geübt, den Veda studiert hat
18. (13024.) und mit den Purana's bekannt ist, kann sie
ohne weiteres mitgeteilt werden. Wohlan denn, ich will dir
erzählen, welche Frage ich einst meinem Lehrer vorlegte,
19. (13025.) dem grofsen Weisen Krishna Dvaipäyana, dem
Vyäsa, der auch Vedavyäsa (Vedaordner) genannt wird. Da
waren nämlich Sumantu, Jaimini, der gelübdefeste Paila,
20. (13020.) dazu ich als vierter Schüler und zu fünft
(,'uka (oben, Vers 12337 fg.). Allen diesen um ihn gescharten
fünf Schülern, die bezähmt,
21. (13027.) von reinem Wandel, des Zornes und der Sinne
Meister waren, lehrte er die [vier] Veden und das Mahäbhä-
ratam als fünften [vgl. Chand. Up. 7,1,4].
22. (13028.) Als diese auf dem lieblichen, von Vollendeten
und himmlischen Sängern bewohnten vortrefflichen Berg Meru
den Veda trieben, entstand bei ihnen einstmals ein Zweifel.
23. (1302».) Es war derselbe, wegen dessen du fragst, der
von Vyäsa mit seinen Schülern besprochen wurde; auch ich
hörte ihn das darüber sagen, was ich dir heute mitteilen
werde, o Bhärata.
24. (13U3U.) Damals antwortete auf dio Kode seiner Schüler
der alle Verdunkelung des Wissens verscheuchende Sohn des
Paräcara, der glückselige Vyäsa, folgendermafsen :
25. (13031.) Grofse, furchtbare Askese ist von mir geübt
worden, um das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige
zu erkennen, o ihr Besten.
26. (13032.) Als ich diese Askese geübt und meine Sinne
überwunden hatte, wurde mir durch die Gnade des Näräyana
am Gestade des Milchmeeres
27. (13033.) dieses die drei Zeiten umfassende Wissen
offenbart, nach dem ich Verlangen getragen hatte. Das hört
Der»«», Mfth4bhtr*tam 50
7*6
III. Mokshadharma.
von mir, ich will euren grofsen Zweifel aufklären, wie es
sich geziemt.
28. (13034.) Denn mit dem Auge der Erkenntnis habe ich
es geschaut, wie es sich am Anfange der gegenwärtigen
Weltperiode begeben hat. Er, den die Kenner des Sänkhyam
und Yoga als den höchsten Atman bezeichnen,
29. (13035.) der legt sich auf Grund seiner Taten den
Namen des höchsten Purusha bei. Von ihm wurde das Un-
entfaltete erzeugt, welches die Weisen als das Pradhänam
(die Prakriti) kennen.
30. (13036.) Aus dem Unentfalteten ist auf Veranlassung
des tcvara zum Zwecke der Weltschöpfung das Entfaltete
hervorgegangen, nämlich Aniruddha, welcher in der Welt be-
kannt ist als der Mahän Atmä (das grofse Selbst).
31. (18037.) Dieser, indem er, in eine [weitere] Entfaltung
eingehend, den Urvater schuf, wird [als solcher] der Ahan-
kära genannt, denn dieser ist mit allen Kräften ausgestattet
32. (13038.) Aus dem Ahankära sind fünffach die grofeen
Elemente, Erde, Wind, Äther, Wasser und Feuer als fünftes
hervorgegangen.
33. (13039.) Und nachdem er die grofsen Elemente hervor-
gebracht hatte, schuf er weiter die entsprechenden Guna's
[die Vicesha's, ihre spezifischen Qualitäten]; zugleich aber
gingen aus den Elementen hervor gestalthafte Wesenheiten,
höre, welche es sind:
34. (13040.) Marici, Angiras, Atri, Pulastya, Pulaha, Kratu,
der hochsinnige Vasishtha und Manu Sväyambhuva.
35. (13041.) Diese sind zu wissen als acht schöpferische
Wesenheiten, in welchen die Welten begründet sind. Als
mit Veda und Vedänga ausgerüstet, als mit Opfer und Opfer-
zubehör versehen,
36. (13042.) hat sie zum Heile der Welt der Urvater der
Welt, Brahmän, erschaffen. Aus diesen acht schöpferischen
Wesenheiten ist die ganze Welt des Lebenden hier ent-
standen.
37. (13043.) Der aus Zorn geborene Rudra schuf zehn
weitere aus sich selbst; diese elf Rudra 1 s gelten als erschaffene
Geister (purush&hj.
Digitized by Google
Adhyäya 342 (B. 340).
787
38. (13044.) Diese Rudra's sowie die Prakriti [die acht
schöpferischen Wesenheiten] und alle Götterweisen, nachdem
sie entstanden waren, wandten sich um des Heiles der Welt
willen an Gott Brahman [mit den Worten] :
39. (13046.) 0 Heiliger, erschaffen sind wir, und zwar von
dir, dem Übermächtigen, aber mit welchem Amte hat sich
jeder von uns zu befassen, o Urvater?
40. (13046.) Wie ist das Amt, welches von dir als be-
stimmten Zwecken dienendes anvertraut worden ist, von dem
Betreffenden als einem mit Persönlichkeit (ahaükära) ausge-
statteten Täter zu verwalten?
41. (13 047.) Bezeichne die Funktionen desjenigen, der den
Zweck des Amtes zu versorgen hat. — Auf diese Worte der
Götter erwiderte ihnen folgendes der grofse Gott.
Gott Brahman sprach:
42. (13018.) Mit Recht, ihr Götter, bin ich von euch er-
innert worden, Heil sei euch! Auch mich hat schon die Sorge
beschäftigt, welche euch bewegt.
43. (13019.) Wie läfst sich die Versorgung der ganzen Drei-
welt bewerkstelligen? Wie machon wirs, dafs keine Er-
schöpfung der Kraft auf eurer oder meiner Seite eintritt?
44. (13050.) Darum wollen wir alle unsere Zuflucht nehmen
zu dem grofsen Purusha, dem Unentfalteten, dem Weltauge;
der wird uns sagen, was das Rechte ist.
45. (13031.) Darauf gingen die weisen Rishi's zusammen
mit dem Gotte Brahman zu dem nördlichen Ufer des Milch-
meeres in Sorge um das Heil der Welt.
46. (13052.) Dort betrieben sie die von Gott Brahman
empfohlene und im Veda angeordnete Askese, es war jene
furchtbarste der Selbstpeinigungen, welche Mahaniyama (die
grofse Selbstzucht) heifst.
47. (13053.) Emporgerichtet waren Blick und Arme, auf
einen Punkt des Manas konzentriert, auf einem Fufse standen
alle, unbeweglich wie Holzstücke, in Meditation versunken.
48. (13054.) Nachdem sie so ein Tausend göttlicher Jahre
furchtbare Askese geübt hatten, da vernahmen sie eine lieb-
liche, mit Worten des Veda und Vedanga gezierte Stimme.
50*
788
III. Mokshadharraa.
Der Heilige sprach:
49. (13055.) Wohlan denn, Brahmän und ihr anderen Götter
und ihr askesereichen Rishi's, euch allen entbiete ich meinen
Willkommensgrufs und künde euch das höchste Wort.
50. (18056.) Bekannt ist euch mein Zweck, er ist das
grofse Heil der Welt, durch die Aktivität [des Opferns] mufs
die Stärkung eurer Lebenskräfte gewirkt werden.
51. (13057.) Ihr habt, o Götter, um mich günstig zu stimmen,
grofse Askese geübt, und ihr sollt die höchste Frucht dieser
Askese geniefsen, o ihr Hochwürdigen.
52. (13058.) Hier der Gott Brahmän, der Lehrer der Welt,
der grofse Urvater der Welten, und ihr, o ihr höchsten Weisen,
sollt mich mit Opfern in Hingebung verehren.
53. (13059.) Und bei diesen Opfern sollt ihr allezeit An-
teile für mich bereitstellen, dann werde ich euch Gelingen
verleihen in euren Ämtern, o ihr Gottherren.
Vaicampäyana sprach:
54. (13060.) Als sie dieses Wort des Gottes der Götter ver-
nommen hatten, da sträubten sich ihre Haare vor Freude,
und alle die weisen Götter nebst Gott Brahmän und den
grofsen Rishi's
55. (18061.) veranstalteten auf die im Veda gebotene Weise
dem Vishnu ein Opfer. Bei diesem Opferfeste war Gott Brah-
män selbst beständig damit beschäftigt, ihm einen Opferanteil
darzubieten,
56. (130G2.) und alle Götter und Götter -Rishi's boten ein
jeder seinen Anteil dar, und entsprechend den Gesetzen des
Kritazeitalters waren diese Anteile von höchster Vortreff-
lichkeit.
57. (130C8.) Und sie verehrten den sonnenfarbigen, finsternis-
jenseitigen Purusha als den grofsen, allgegenwärtigen Gott,
den mächtigen, gabenspendenden Herrn.
58. (130G4.) Da sprach der gabenspendende Gott, der in
sich selbst ruhende Mahecvara, zu allen diesen vor ihm stehen-
den Unsterblichen mit körperloser Stimme folgendes Wort:
59. (13065.) Der Anteil, wie ihn jeder von euch darbrachte,
Digitized by Google
Adhyfcya 342 (B. 340).
789
ist zu mir gelangt, ich bin zufrieden und verleihe euch hier-
mit als Frucht, dafs es an euch vergolten werde.
60. (13066.) Und dieses ist die Vergeltung, die euch durch
meine Gnade zuteil werden soll: nicht nur ihr selbst sollt
durch Opfer, die von vollkommenen, vortrefflichen Dakshinä's
begleitet sind, als Veranstalter von Opfern
61. (13067.) von Weltalter zu Weltalter die Frucht eurer
Aktivität geniefsen, sondern die, welche in allen Welten Opfer
darbringen werden, ihr Götter,
62. (13068.) alle diese Menschen werden euch die im Veda
angeordneten Opferanteile darbringen. Jeder, der mir bei die-
sem grofsen Opferfeste einen Anteil irgendwie dargebracht hat,
63. (13069.) der soll dementsprechend in dem Opferleitfaden
des Veda (vcdasutre) als eines Opferanteils würdig von mir
erklärt werden. Ihr sollt die Welten gedeihen machen, indem
ihr euren Opferanteil als Frucht wohlgefällig entgegennehmt
64. (13070.) und dafür alle diejenigen Zwecke in der Welt
besorgt, zu denen ihr geschaffen und berufen seid. Alle unter-
nommenen Werke aber, welche eine Frucht der Aktivität im
Gefolge haben,
65. (13071.) die sollen eure Kraft stärken, damit ihr im-
stande seid, die Welten zu erhalten. Denn ihr sollt durch die
Opfer der Menschen bei allen Darbringungen geehrt werden
66. (13072.) und dafür wiederum mich ehren, das ist die
Ehrung, die mir von euch gebührt. Zu diesem Zwecke sind
die Veden geschaffen worden und die Opfer mitsamt den
Opferkräutern ;
67. (13073.) durch diese, wenn sie richtig angewendet
werden, werden die Götter auf Erden erfreut. Diese eure
Erschaffung ist als eine mit der Eigenschaft der Aktivität
ausgestattete
68. (13074.) von mir bewerkstelligt worden, o beste Götter,
und soll bis zum Ende der Weltperiode Bestand haben. Darum,
ihr Gottherren, besorgt euren Aufgaben entsprechend das Heil
der Welt.
69. (13075.) Marici, Angiras, Atri, Pulastya, Pulaha, Kratu
und Vasishtha, diese sieben sind als geistige [Söhne von <iott
Brahmän, oben Vers 13042] erschaffen worden.
790
III. Mokshadharma.
70. (iso76.) Diese als beste Vedakenner und Vedalehrer
Geschaffenen sind zu Schöpferherren eingesetzt worden um
der Satzung der Aktivität willen;
71. (13077.) sie ist als der ewige Weg für die Werkfrommen
offenbart worden. Der Herr, welcher die Welt geschaffen
hat, heifst Aniruddha.
72. (13078.) Hingegen Sana, Sanatsujäta, Sanaka, Sanan-
dana, Sanatkumära, Kapila und Sanätana als siebenter,
73. (13079.) welche geistige Söhne des Gottes Brahmän
heifsen, haben kraft des von ihnen selbst errungenen Wissens
die Satzung der Passivität sich zu eigen gemacht.
74. (13080.) Diese vorzüglichen Yogakenner und der Sänkhya-
wissenschaft Kundige haben als Lehrer in den Gesetzbüchern
die Satzung der Erlösung verbreitet.
75. (13081.) Derjenige, aus welchem, als dem Unentfalteten,
ich als der dreigunahafte Mahän vormals hervorgegangen bin,
der hat noch einen Höhern über sich, der mit dem Namen
Kshetrajfia bezeichnet wird (vgl. oben, Vers 13035 fg.).
76. (13082.) Ich aber bin der Weg der Werkfrommen,
welcher die Wiederkehr [zum Erdendasein] als schlimme Folge
nach sich zieht (pmarävritti-durlabhahj , denn jeder Mensch,
welcher sich je nach seiner Naturbeschaffenheit diesem oder
jenem hingibt,
77. (13083.) sei es der Aktivität oder der Passivität, er-
langt die entsprechende grofse Frucht. Der Gott Brahmän
hier, der Lehrer der Welt und mächtige Urheber alles
Lebenden,
78. (13084.) er, der euch Vater, Mutter und Grofsvater ist,
wird von mir belehrt werden, er, der Gabenspender aller
Wesen.
79. (13085.) Und sein leiblicher Sohn Rudra, der aus seiner
Stirn entsprungen ist, wird wieder von Gott Brahmän belehrt
werden, er, der mächtige Träger aller Wesen.
80. (13086.) Und nun geht an eure Geschäfte und besorgt
sie, wie es sich gehört; mögen alsbald die Werke in aUen
Welten gedeihen.
81. (13087.) Mögen von euch die Werke und die Wege
Digitized by Googl
Adhyaya M2 (B. 340).
791
der Lebenden vorgezeichnet werden, sowie ihre der Zeit nach
bestimmten Lebenslängen hienieden, o ihr besten Götter!
82. (13088.) Das gegenwärtige, Kritam genannte Zeitalter
ist als die beste Zeit angebrochen ; in diesem Zeitalter dürfen
beim Opfer keine Tiere getötet werden, nicht ist es anders.
83. (13089.) In ihm wird die Gerechtigkeit vierfiifsig sein,
o ihr Götter [vgl. oben, S. 334 fg.]. Dann folgt das Zeit-
alter Tretä, in welchem die dreifache Wissenschaft (der drei
Veden) gelten wird.
84. (13090.) In diesem Zeitalter werden die Tiere beim
Opfer geweiht und getötet werden, und der vierte Fufs der
Gerechtigkeit wird nicht mehr vorhanden sein.
85. (13091.) Dann wird ein gemischtes Zeitalter mit Namen
Dväpara folgen, in welchem der Gerechtigkeit zwei Füfse
entzogen sein werden.
86. (13092.) Wenn dann weiter das Zeitalter Tishya unter
dem Vortritte des Kali gekommen sein wird, dann wird die
Gerechtigkeit, auf einem Fufse stehend, nur hier und dort
noch zu finden sein. —
87. (13093.) Da sprachen zu dem so redenden Meister die
Götter und Götterweisen : Wenn die Gerechtigkeit, auf einem
Fufse stehend, nur hier und dort noch zu finden sein wird,
88. (13094.) wie sollen wir uns dann verhalten? O Heiliger,
das sage uns.
Der Heilige sprach:
(13095.) Wo die Veden, Opfer, Askese, Wahrheit, Be-
zähmung
89. und Nicht-Tötung mitsamt der Gerechtigkeit in Ehren
stehen werden, o ihr besten Götter, (i3096.) das ist das Land,
in dem ihr weilen sollt, dann wird euch die Ungerechtigkeit
auch nicht im geringsten berühren.
Vyäsa sprach:
90. (13097.) Als die Götter und die Scharen der Weisen
in dieser Art von dem Heiligen belehrt worden waren, zollten
sie dem Heiligen ihre Verehrung und gingen, wohin es
ihnen gefiel.
91. (13098.) Nachdem die Bewohner der drei Himmel ge-
792
III. Mokshadharma.
gangen waren, verweilte Gott lirahmän allein noch, um den
Heiligen zu schauen, welcher in der Erscheinungsform des
Aniruddha dastand.
92. (13099.) Da liefs sich der Gott vor ihm sehen, indem
er als das grofse Rofshaupt erschien, Veda und Vedänga's
rezitierend, den Wasserkrug und Dreistab [des Asketen]
tragend.
93. (lsioo.) Nachdem dem Gotte Brahmän, dem mächtigen
Schöpfer der Welt, der unermefsliche, gewaltige Gott in Ge-
stalt des Kofshauptes zum Heile der Welt erschienen war,
94. (lsioi.) verneigte sich Brahmän vor dem Gabenspender
mit dem Haupte und blieb vor ihm mit zusammengelegten
Händen stehen, und nachdem er den Heiligen umarmt hatte,
vernahm er von ihm das folgende Wort.
Der Heilige sprach:
95. (13102.) Überdenke nach der Vorschrift den ganzen
Gang der Weltaufgaben, du bist ja der Schöpfer aller Wesen,
der Herr und Lehrer der Welt.
96. (.13103.) Nachdem ich die Last der Welt auf dich ge-
legt habe, werde ich ihres Bestehens ohne Schwierigkeit sicher
sein. Und sollte, o Gott, die Aufgabe dir einmal zu schwer
werden,
97. (13104.) dann werde ich erscheinen und die Erkenntnis
des Atman lehren. — So sprach der Rofshaupttragende und
verschwand.
98. (13105.) Und auch Gott Brahmän, von ihm belehrt,
kehrte alsbald in seine Welt zurück. Daher kommt es, o Hoch-
beglückter, dafs der Ewige, Lotosnablige (Vishnu)
99. (13106.) als Erstgeniefser bei den Opfern und als Träger
der Opfer für alle Zukunft gilt. Obgleich er der Satzung
der Passivität als dem Wege der das unvergängliche Gesetz
Befolgenden zugetan ist, (13107.) hat er doch die Satzungen der
Aktivität verordnet, als er die Mannigfaltigkeit der Dinge schuf.
100 * (13108.) Er ist Anfang, Mitte und Ende der Wesen,
er ist Schöpfer und Schöpfung, ist Wirker und Wirkung;
* Metrum: Bhujafigaprayalam.
Digitized by Google
Adhyaya 342 (B. 340).
793
am Ende der Weltalter schläft er ein und vernichtet die
Welten, am Anfang der Weltalter erwacht er und schafft
die Welten wieder.
101. (13109.) Ihm zollt Verehrung, dem Gotte, dem guna-
losen, hochsinnigen, ungeborenen, allgestaltigen, der aller
Himmlischen Wohnstatt ist,
102. (i3iio.) dem Oberherrn der grofsen Elemente, dem
Herrn der Rudra's, Aditya's, Vasu's,
103. (131H.) Acvins, Marut's, dem Oberherrn der Veden
und Opfer und Herrn der Vedänga's,
104. (13H2.) dem allezeit Ozeanbewohnenden, dem Hari,
dem Mufijagrashaarigen, dem Beruhigten, dem die Erlösungs-
satzungen für alle Wesen Verkündenden,
105. (13113.) dem Herrn der Askesen, Kräfte und Herr-
lichkeiten, dem ewigen Herrn der Reden und der Flüsse,
100. (131U.) dem Muschelhaarigen, dem Eber, dem Ein-
horn, dem Einsichtsvollen, dem Leuchtenden, dem Rofshaupte,
dem Viergestal tigen immerdar,
107. (13 Iis.) dem Verborgenen, durch Erkenntnis zu Schauen-
den, dem Unvergänglichen und Vergänglichen. Er, der Gott,
waltet allgegenwärtig, ewig,
108. (i3ii6.) er ist jenes höchste Brahman, durch der Er-
kenntnis Auge anzuschauen, und so habe ich es einstens mit
dem Auge der Erkenntnis geschaut
109. (13H7.) und euch auf eure Frage der Wahrheit ge-
mäfs alles berichtet. O ihr Schüler, handelt nach meinen
Worten, verehrt Hari, den Herrn, (nii8 .) besingt ihn in Veda-
tönen und huldigt ihm, wie sich's gebührt.
Vaicampayaua sprach :
110. (13119.) So sprach der weise Vedavyasa zu uns,
seinen Schülern allen, und zu seinem der höchsten Pflichten
kundigen Sohne £uka.
111. (13120.) Und er, unser Lehrer, im Vereine mit uns,
o Völkerherr, pries Ihn mit Versen, die aus allen vier Veden
geschöpft waren.
112. (13121.) Damit habe ich dir alles erklärt, worüber
du mich befragt hast und wie es mir, o König [Janame-
Digitized by Google
7<J4
III. Mokshadharma.
jaya], vordem mein Lehrer Dvaipäyana (Vyäsa) mitge-
teilt bat.
113. (13122.) Wer nun diese Rede immerfort anhört und
wer sie weiterverkündigt, dem Heiligen Verehrung zollt und
gesammelten Geistes ist,
114. (13123.) der wird gesund, verständig, stark und schön;
ist er leidend, so wird er von seiner Krankheit befreit, ist
er gebunden, von seinen Banden.
115. (13124.) Wer Wünsche hegt, wird sie erlangen und
ein hohes Alter erreichen; als Brahmane wird er ein Kenner
aller Veden, als Kshatriya siegreich sein,
116. (13125.) als Vaicya zu grofsem Reichtum gelangen,
als Qüdra wird er glücklich leben; der Sohnlose wird einen
Sohn, die Jungfrau den gewünschten Gatten erhalten.
117. (13126.) Die Kreifsende wird befreit werden, die
Schwangere einen Sohn gebären, die Unfruchtbare wird Nach-
kommenschaft haben, gedeihlich in Kindern und Enkeln.
118. (13127.) In Frieden wird seine Strafse ziehen, wer
dieses hier unterwegs hersagt, und jeder Wunsch, den er
hegen mag, der wird sich sicherlich erfüllen.
119. (13128.) Wer diese klare, dem grofsen Rishi von
dem hochsinnigen, höchsten Purusha offenbarte Rede und
jene Zusammenkunft der Rishi' s und Himmelsbewohner
mit frommem Sinne vernimmt, der wird zu grofsem
Glücke gelangen.
So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Narayana
(Xdrdyanlyam).
Adhyäya 343 (B. 341).
Vers 13129-13187 (B. 1-59).
Janamejaya sprach:
1. (13129.) Die Bedeutung der verschiedenen Namen, mit
welchen Vyäsa und seine Schüler jenen Madhutöter gepriesen
haben, die mögest du mir, o Heiliger,
2. (13130.) dem Hörbegierigen erklären, die Namen des
Digitized by Google
Adhyaya 343 (B. 341).
795
Schöpferherrn Hari, welche gehört habend ich rein von
Flecken sein werde wie der Mond im Herbste.
Vai^ampayana sprach :
3. (13131.) Vernimm, o König, wie Hari, der Herr, mit
gnädigem Geiste dem Phalguna (Arjuna) die auf seinen Eigen-
schaften und Taten beruhende Bedeutung seiner Namen
erklärte.
4. (13132.) Uber die berühmten Namen des hochsinnigen
Kecava (Krishna) befragte, o König, den Kecava "der feind-
liche Helden tötende Phalguna.
Arjuna sprach :
5. (13133.) 0 Heiliger, Herr des Vergangenen und Künf-
tigen, ewiger Schöpfer aller Wesen, Heimstatt der Welt und
Herr der Lebenden, der du allen Wesen Frieden schenkst,
6. (13134.) jene deine Namen, welche erwähnt werden
von grofsen Weisen in den Veden und Puränas, und die
wegen deiner Werke dir beigelegten Geheimnamen,
7. (13135.) deren Bedeutung möchte ich von dir, o Kecava,
vernehmen, denn kein anderer als du, o Herr, dürfte imstande
sein, die Bedeutung dieser Namen darzulegen.
Der Heilige sprach:
8. (13136.) Im Rigveda und Yajurveda, in den Atharva-
hymnen und Sämanliedern, in dem Puranam [= Brähmanam]
nebst angehängter Upanishad und im J yotisham (Vedakalender),
o Arjuna,
9. (13137.) im Sankhyam und im Yogakanon, sowie im
Ayurveda (der vedischen Heilkunde) werden von den grofsen
Rishi's viele meiner Namen erwähnt.
10. (13138.) Einige dieser Namen beziehen sich auf meine
Eigenschaften, andere auf meine Taten; die Erklärung der
auf meine Taten bezüglichen vernimm mit Aufmerksamkeit,
o Untadliger,
11. (13139.) wie ich sie dir mitteilen werde, o Freund, denn
von jeher giltst du als mein zweites Ich. Verehrung sei jenem
Uberherrlichen, dem höchsten Selbste aller Verkörperten,
Digitized by Google
796
III. Moksliadharraa.
12. (isuo.) dem Närayana, dem Allseienden, dem Guna-
losen und Gunahaften, aus dessen Gnade Gott Brahmän, aus
dessen Zorn Rudra entsprossen ist.
13. (i3Ui.) Er, der der Mutterschofs alles Seienden, des
Unbeweglichen und Beweglichen ist, jenes mit achtzehn Vor-
zügen Ausgestattete, — das ist das Sattvam [die wahre
Realität], o Bester der Sattvahaften.
14. (13U2.) Er ist meine höchste Urnatur, welche durch
den Yoga beide Welten trägt, die gerechte, wahre, unsterb-
liche, unüberwindliche, welche der Atman der Welten heifst,
15. (13143.) Aus ihm gehen alle Umwandlungen der
Schöpfung und des Verganges hervor, aus ihm Askese, Opfer,
Opferer, der alte Purusha und die Viräj,
16. (13144.) er heifst Aniruddha, ist Ursprung und Ver-
gang der Welt. Als die Nacht des Brahman zu Ende ging,
da ist durch dieses unermefslich Kraftvollen
17. (13U5.) Gnade hervorgegangen, o Lotosaugiger, eine
Lotosblume, und aus dieser, durch seine Gnade geboren, ent-
stand jener Gott Brahmän.
18. (13146.) Und ebenso ist, als der Tag [des Brahman]
sich zum Ende neigte, aus der Stirn jenes in Zorn geratenen
Gottes ein Sohn hervorgegangen, Rudra, der Zerstörer
der Welt.
19. (13147.) Diese beiden besten Götter, wie sie aus der
Gnade und dem Zorn entstanden sind, bewirken auf dem von
ihm [Aniruddha] gewiesenen Wege die Schöpfung und Ver-
nichtung der Welt,
20. (1314«.) aber dabei sind sie, welche allen Lebenden
ihre Gaben verleihen, ein blofses Werkzeug [des Aniruddha].
Muschelhaarig, flechten tragend, kahlköpfig, auf Leichenstätten
hausend
21. (isuo.) und scharfe Gelübde befolgend, ist Rudra, ein
Yogin von furchtbarer Strenge, der Zerstörer von Daksha's
Opfer, der Blender von Bhaga's Augen,
22. (13150.) als identisch mit dem Närayana zu wissen,
von Weltalter zu Weltalter, o Pändusprofs, und wenn er, der
Göttergott Mahecvara, verehrt wird,
23. (13151.) so wird damit, o Prithasohn, zugleich der
Digitized by Google
Adby&ya 343 (B. 341).
797
mächtige Gott Näräyana verehrt. Denn ich bin das Selbst
aller Welten, o Pändusprofs,
24. (13152.) darum verehre ich als erster den Rudra als
mein eigenes Selbst. Denn würde ich nicht den Herrn, den
gabenspendenden (,'iva ehren,
25. (13153.) so würde keiner mein Selbst ehren, das ist
meine Meinung, der ich geehrten Selbstes bin. Nach dem
von mir aufgestellten Vorbilde richtet sich die Welt;
26. (13154.) die Vorbilder sind ja in Ehren zu halten.
Darum verehre ich ihn; wer ihn erkennt, der erkennt mich,
wer ihm nachfolgt, folgt mir nach.
27. (13155.) Rudra und Näräyana als ein Wesen in zwei
Formen wandeln, o Kuntisohn, in der Welt, indem sie in
allen Werken zur Offenbarung kommen.
28. (13156.) Keiner kann mir etwas schenken, o Liebling
der Pändava's; obgleich ich so in meinem Geiste denke, habe
ich doch den Rudra, den Herrn, den alten,
29. (13157.) als Sohn mir gefallen lassen, weil ich damit
nur mein Selbst durch mein Selbst entgegennahm. Vishnu
beugt sich vor keinem Wesen, auch vor keinem Gotte,
30. (13158.) aufser vor sich selbst, darum kann ich vor
dem Rudra mich beugen. Alle Götter, auch Brahmän, Rudra
und Indra, alle Rishi's
31. (13159.) verehren den Besten der Götter, den Gott Hari
Näräyana. Als alles Zukünftigen, Gegenwärtigen und Ver-
gangenen
32. (13160.) höchster Lenker, o Bhärata, ist Vishnu immer-
dar zu preisen und zu verehren. Verehre den Vishnu, der
die Opfergabe verleiht, der Schutz verleiht; Verehrung ihm!
33. (13161.) Verehre, o Kuntisohn, den Gabenspender, den
Geniefser des Götter- und Manenopfers, Verehrung ihm ! Vier
Arten meiner Verehrer gibt es, das ist mir bekannt.
34. (13162.) Die Besten unter ihnen sind die, welche mir
allein und keinem andern Gotte dienen ; für diese, welche die
Opferwerke ohne Wünsche vollbringen, bin ich die Zuflucht.
35. (13163.) Aber die übrigen drei Arten meiner Ver-
ehrer sind nach Lohn begehrend; diese alle verfehlen das
Rechte, und nur der Erweckte hat das beste Teil erwählt
Digitized by Google
798
III. Mokshadharma.
36. (13 16*.) Aber auch diejenigen, welche dem Gott Brah-
män, dem f itikantha (Blauhals, Qiva) und den übrigen Göttern
in einem solchen erweckten Wandel anhängen, werden zu
mir eingehen, der ich das Höchste bin.
37. (13165.) Damit, o Prithäsohn, habe ich dir den Unter-
schied in der Art meiner Verehrung dargelegt — Du und
ich, o Runtisohn, wir sind als Nara und Närayana bekannt,
38. (18166.) und wir haben nur menschliche Gestalt an-
genommen, um die Welt zu entlasten. Ich kenne die Ver-
tiefung in das eigene Selbst, ich weifs, wer ich bin und
warum ich so heifse, o Bhärata.
39. (13167.) Als die Satzung der Passivität und als die
[entgegengesetzte] zum Glück ruhrende heifse ich [Närayana]
der Menschen Weg fttaranam ayanamj.
40. (13168.) Die Wasser werden genannt näräh y denn die
Wasser sind Kinder des Nara; weil sie einst mein Aufenthalt
waren, darum heifse ich Närayana (vgl. Manu I, 10).
41. (13169.) Nachdem ich entstanden bin, überdecke ich
die ganze Welt wie die Sonne mit ihren Strahlen und werde
darum als die Wohnstätte (adhiväsaj aller Wesen Väsudera
genannt.
42. (13170.) Als das Endziel aller Wesen und ihr Ursprung,
o Bhärata, und weil mein überragender Glanz sich ausbreitet
über Himmel und Erde, o Prithäsohn,
43. (13171.) und über die Wesen auch zu ihrer Endzeit,
heifse ich, dies wünschend (ish-J, o Bhärata, sowie auch
wegen des Ausschreitens, o Prithäsohn, Vishnu.
44. (13172.) Weil die Menschen, nach Vollendung durch
Bezähmung fdamaj trachtend, nach mir Verlangen tragen,
der ich Himmel, Erde und Luftraum bin, darum heifse ich
Dämodara.*
45. (13173.) Pripii (buntscheckig) heifst die Nahrung, der
Veda, das Wasser und das Amritam; alle diese sind mein
Erzeugnis fgarbhaj, darum heifse ich Prignigarbha [eigent-
lich: der von Pricni (hier = Devaki) Erzeugte].
* Eigentlich „der Leibumstrickte", Beiname Krishna's, ron einem
Erlebnis in seiner Kindheit herrührend.
Digitized by Googl
Adhy&ya 343 (B. 341).
799
46. (13174.) Einst riefen die Weisen mich an und sprachen:
Den Trita, der in den Brunnen gestürzt worden ist, o Pricni-
garbha, den Trita, der von Ekata und Dvita hinabgestürzt
wurde, errette du.
47. (13175.) So gelang es dem Trita, dem uralten Sohne
des Brahman und besten Weisen, aus dem Brunnen zu ent-
kommen, weil Pricnigarbha herbeigerufen worden war.
48. (13176.) Die Strahlen, welche an der die Welt er-
leuchtenden Sonne, am Feuer oder auch am Monde er-
glänzen, die werden meine Haare (ke$a) genannt;
49. (13177.) darum haben allweise, beste Brahmanen mich
Kc?ava (den Vollhaarigen) genannt. — Einstmals war von
dem hochsinnigen Utathya in seiner Gattin ein Embryo er-
zeugt worden.
50. (13178.) Während nun Utathya vermöge eines gött-
lichen Zaubers verschwunden war, besuchte Brihaspati [sein
jüngerer Bruder, Mahäbh. I, 4iso] die Gattin dieses Hoch-
sinnigen.
51. (13179.) Da geschah es, o Kuntisohn, dafs zu diesem
besten Rishi, welcher zur Begattung geschritten war, der
schon aus den fünf Elementen gebildete Embryo sprach :
52. (13180.) „Ich bin zuerst gekommen, o Gabenspender,
und du darfst der Mutter nicht zusetzen." Als dies Brihaspati
hörte, wurde er zornig und sprach einen Fluch aus:
53. (13181.) „Weil ich, zur Begattung hergekommen, von
dir gehindert wurde, darum wirst du kraft meines Fluches
blind geboren werden, das ist gewifs."
54. (13182.) Und weil er durch den Fluch des höchsten
Rishi lange Finsternis ßiryham tamasj zu leiden hatte, darum
wurde dieser Rishi vordem Drrghatamas benannt.
55. (13183.) Aber da er die ewigen Veden mit Vedänga's
und Upänga's innehatte, wendete er jenen meinen geheimnis-
vollen Namen an
56. (13184.) und rief nach der Vorschrift hintereinander
wieder und wieder: „Kcfava!" Da wurde er sehend und
hiefs fortan Gotama.
57. (13185.) So heilbringend ist mein Name Kecava für
alle Götter und für die hochsinnigen RishTs. —
Digitized by Google
«oo
III. Mokeliiiilharma.
58. (is 186.) Indem das Feuer sich mit dem Sorna verbindet,
gelangt es mit ihm zur Wesenseinheit, darum heifst es von
der ganzen Welt des Beweglichen und Unbeweglichen, dafs
sie aus Feuer und Sorna [Verzehrer und Verzehrtem] bestehe
(vgl. Brih. Up. 1,4,0).
59. (13187. Pro«.) Auch im Puränam steht ja schon, Agni
und Sorna seien eines Wesens, und die Götter hätten Agni
als Mund; auch heifst es, dafs sie wegen ihrer Wesensein-
heit, einander ergänzend, die Welten tragen.
So lautet Im Mokihadherma die Geschichte vom X&Tayari»
(SArdyan(yam).
Adhyaya 344 (B. 342).
Vers 13188-13303 (B. 1-141).*
Arjuna sprach:
1. (13188.) Wie ist es möglich, dafs Agni und Sorna sich
vordem zur Wesen seinheit entwickelt haben? Darüber habe
ich Zweifel, den löse, o Madhutöter.
Der Heilige sprach:
2. (13189.) Wohlan, o Pändusohn, ich will dir darüber
eine alte Begebenheit erzählen, welche durch meine eigene
Energie veranlafst wurde; vernimm sie, o Prithasohn, mit
ungeteiltem Geiste.
3. (13190.) Zur Zeit der grofsen Weltflut, als eintausend
Perioden von vier Weltaltern verstrichen waren, alles Seiende
latent geworden war und die Vernichtung alles Bewegliche
und Unbewegliche ergriffen hatte, (ism.) als blinde Finsternis
ohne Licht, Boden und Wind, als die Welt in Gestalt eines
einzigen Wassermeeres,
4. als das zweitlose Brahmanwesen nur unter dem Namen
der [Ur-] Wasser bestand,
5. (13192.) als es nicht Tag noch Nacht, nicht Seiendes
noch Nichtseiendes, nicht Entfaltetes noch Unentfaltetes gab,
* Vers 3-15 und 20-65 Prosa.
Digitized by Googl
Adhyäya 344 (B. 342).
801
G. als die Welt in diesem Zustande war, da ist aus der
auf Xarayana's Qualitäten sich stützenden, nicht alternden,
unsterblichen, nicht wahrnehmenden und nicht wahrgenom-
menen, unentstandenen, nicht schädigenden, der Zierde der
mannigfachen Entwicklungen entbehrenden, nicht feindlichen,
unvergänglichen, unsterblichen, alterlosen, gestaltlosen, all-
gegenwärtigen, anschaffenden Finsternis der ewige, unver-
gängliche Purusha als Hari in die Erscheinung getreten.
7. (13193.) Darüber ist auch folgendes Zeugnis:
8. „Nicht Tag war, nicht Nacht war, nicht Seiendes noch
Nichtseiendes war, nur Finsternis war einstmals die allgestal-
tige Welt. 44 — Nämlich es war die Nacht der allgestaltigen
Welt, so ist der Sinn des Wortes [Finsternis] zu fassen.
9. (13194.) Als nun der aus dieser Finsternis stammende
Purusha, der aus Brahman geborene, aus dem Brahman in
die Erscheinung trat, da schuf dieser Purusha, um die Ge-
schöpfe zu schaffen, aus seinen beiden Augen Agni und Sorna.
Als darauf die Wesensscharen geschaffen wurden, erschien
der Rangordnung der Geschöpfe gemäfs das Brahman und
das Kshatram. Der Sorna ist das Brahman und das Brah-
man sind die Brahmanen, der Agni ist das Kshatram (die
Kshatriyakaste), das Brahman aber ist stärker als das Ksha-
tram. Fragt ihr, warum? Diese Überlegenheit ist ein Vorzug,
der aller Welt klar vor Augen liegt. Nämlich so: (i3ii»5.) Es
ist vordem kein höheres Wesen entstanden als die Brahmanen.
In einem flammenden Feuer opfert, wer in dem Munde eines
Brahmanen opfert; da dem so ist, sage ich: die Wesen-
schöpfung ist durch das Brahman (die Brahmanen) gemacht
worden, und indem dieses die Wesen stützt, wird die Drei-
welt in ihrem Bestände erhalten. Und darüber gibt es auch
den Ausspruch eines Hymnus:
10. „Bei allen Opferungen bist als Priester Agni du be-
stimmt für Götter, Menschen und die Welt k4 [frei nach Kig-
veda G,1P>,1].
11. Und dieses Zeugnis besagt: Du Agni bist bei allen
Opferungen der Priester und als solcher bist du von Göttern
und Menschen für die Welt bestimmt worden.
12. (13196.) Denn Agni ist bei den Opferungen der Priester,
Per«»*, MahAbhAratam. M
Digitized by Google
802
III. Mokshadharma.
der Vollbringer, und dieser Agni ist das Brahman [die Brah-
manen, oben freilich hiefs es, sie seien der Sorna].
13. Denn ohne Mantra's ist keine Darbringung möglich,
so wie ohne einen Menschen kein Tapas möglich ist. Die
Opfergabe ist bei Göttern, Menschen und RishTs nur eine
den Mantra (Hymnus) begleitende Verehrung; darum wird
der Hymnus: „[Bei allen Opferungen] bist als Priester [Agni]
du [bestimmt]" verwendet. (13197.) Und was alle mensch-
lichen Opferämter betrifft, so bleibt das Opfern dem Brah-
manen vorbehalten und geziemt nicht den Kshatriya's und
Vaicya's, obgleich auch sie Zwiegeborene sind. Darum fuhren
die Brahmanen als Agni die Opfer zu den Göttern empor.
(13 198.) Diese Opfer sättigen die Götter, und die Götter bringen
dafür die Erde zum Gedeihen, denn so steht es auch in dem
Catapatham, dem vorzüglichsten Brahmanam;
14. (13199.) wenn das Feuer entflammt ist, dann opfert
nur der, welcher als ein Wissender durch Vermittlung eines
Brahmanen die Opfergabe darbringt.
15. So steht es denn fest, dafs die wissenden Brahmanen,
zu Agni geworden, den Agni gedeihen machen, (13200.) und
indem sie als Agni, als Vishnu alle Wesen durchdringen,
halten sie alles Leben aufrecht
16. Hierüber gibt es auch die von Sanatkumara ge-
sungenen Verse : (13201.) Gott Brahman, der Anfanglose, schuf
vordem das All, ohne es von sich zu sondern (niravaskritamjy
aus Brahman entsprungen, eilen die Unsterblichen mit Brah-
manjubel zum Himmel empor.
17. (13202.) Der Brahmanen Gedanken, Worte, Werke,
Glaube und Askese tragen die Erde und den Himmel, und
das Amritam ihrer Rede ist das Tragband fcaikya).
18. (13203.) Keine Gerechtigkeit geht über die Wahrheit,
kein Lehrer über die Mutter, nichts geht über die Brahmanen,
wo es sich um unser zeitliches oder ewiges Wohl handelt.
19. (13204.) Bei denen ziehen nicht Ochsen und nicht
Pferde, quirlt nicht das Butterfafs, wenn man es füllte,
die müssen stürzen und zu Räubern werden, in deren
Reich Brahmanen Hunger leiden,
Digitized by Google
Adhy&ya 344 (B. 342).
803
20. (13 203.) und die Brahmanen sind nach dem Zeugnisse
der Veden, Puräna's und Itihäsa's aus dem Munde des Nä-
räyana geschaffen, sind allbeseelend, allwirkend und allseiend.
21. Denn die Brahmanen sind zur Zeit, als jener gaben-
spendende Göttergott [als Schöpfer das asketische] Schweigen
übte, zuerst entstanden, und aus den Brahmanen erst die
übrigen Kasten.
22. Und so sind die Brahmanen ausgezeichnet vor
allen Göttern und Dämonen, welche von mir als Brah-
man vordem aus mir selbst als Götter, Dämonen und grofse
Rishfs geschaffen, als besondere Wesenklassen eingesetzt und
in Zucht gehalten wurden.
23. So wurde Indra aus Anlafs der Vergewaltigung der
Ahalyä von [ihrem Gatten] Gautama blondbärtig gemacht,
und auf Veranlassung des Kaucika wurde Indra seiner Hoden
beraubt und mit Widderhoden versehen. —
24. (13206.) Und als der Städtezerstörer Indra seinen
Donnerkeil gezückt hatte, um die Acvin's vom Somatranke
abzuhallen, wurden seine Arme von Cyavana gelähmt (vgl.
Mahäbh. III, Adhy. 124). —
25. Von Daksha, welcher über die Störung seines Opfers
in Zorn geraten war, wurde, nachdem er sich noch weiter
durch Askese gekräftigt hatte, die Stirn Rudra' s durch ein
drittes Auge verunstaltet. [Anders verläuft die Geschichte
oben, S. 521 fg.] —
26. Als Rudra eine Weihe angetreten hatte, raufte sich
Ucanas, um damit den Dreiburgzerstörer (Rudra) zu ver-
letzen, seine Haarflechten aus dem Kopfe aus und schleuderte
sie gegen ihn; aus ihnen kamen Schlangen hervor, und von
diesen Schlangen gepeinigt, erlangte er seine Blauhalsigkeit,
und auch schon in einem frühern Weltalter des Manu Svayam-
bhuva hatte er auch die Blauhalsigkeit erlangt, weil Närayana
ihn mit den Händen gewürgt hatte (vgl. unten, Vers 13273 fg.). —
27. Als einst Brihaspati, der Angirassprofs, dazu schritt,
das Amritam zu bereiten, und Wasser schöpfen wollte, da
geschah es, dafs die Wasser sich ihm ungnädig erwiesen.
Da zürnte Brihaspati den Wassern: „Weil ihr, da ich euch
schöpfen wollte, euch unrein zeigtet und euch mir ungnädig
Digitized by Google
804
III. Mokshadharma.
erwieset, darum soll er [der Ozean] von heute an durch
grofse Fische, Delphine, Schildkröten und [allerlei] Tiere
unrein sein." (1S207.) Und von Stund an wimmelten die Wasser
des Meeres von Seeungeheuern. —
28. Vicvarüpa, der Sohn des Tvashtar, war der Ilaus-
priester der Götter. (13 208.) Als Schwestersohn der Asuras
aber gab er den Göttern vor allen Augen einen Opferanteil
und den Asura's nur heimlich.
29. Da baten die Asura's mit Hiranyakacipu an der Spitze
ihre Schwester, die Mutter des Vicvarüpa, um eine Gunst:
(15209.) „Du, Schwester! dein Sohn da vom Tvashtar, der
dreiköpfige Vicvarüpa, hat als Hauspriester der Götter den
Göttern ihren Opferanteil vor aller Augen gegeben, uns aber
nur heimlich, und nun gedeihen die Götter, und wir nehmen
ab; darum sollst du ihn dazu anhalten, dafs er auch uns
zufriedenstellt."
30. Da sprach zu Vicvarüpa, der sich in den Nandana-
wald begeben hatte, seine Mutter: „Mein Sohn, warum förderst
du die Partei der Gegner und schädigst die Partei deiner
Oheime ? Das mufst du nicht tun ! " Da überlegte Vicvarüpa,
dafs er dem Befehl seiner Mutter nicht ungehorsam sein dürfe,
verneigte sich vor dem [anwesenden] Hiranyakacipu und ging
von dannen.
31. Darum wurde Hiranyakacipu von Vasishtha, dem
Sohne des Hirany agarbha , verflucht: (13210.) Weil du [an
meiner Statt] einen andern Priester [den Vicvarüpa] erwählt
hast, darum soll dein Opfer nicht gelingen, und du sollst
von einer noch nicht dagewesenen Art von Wesen [dem
Mannlöwen] getötet werden." Und infolge dieses Fluches ist
Hiranyakacipu getötet worden.
32. (i32ii.) Nun ergab sich Vicvarüpa, um die Partei seiner
Mutter zu stärken, übermäfsiger Askese. Da beauftragte Indra
viele schöne Apsarasen, ihn in seinem Gelübde zu stören. Als
Vicvarüpa diese sah, wurde sein Geist verwirrt, und es dauerte
nicht lange, da hing er sein Herz an jene Apsarasen. Als
die Apsarasen sahen, dafs er sein Herz an sie gehängt hatte,
sprachen sie: „Jetzt können wir hingehen, woher wir ge-
kommen sind."
Digitized by Google
Adhy&ya 344 (B. 342).
805
33. Zu ihnen sprach der Sohn des Tvashtar : „Wohin
wollt ihr gehen? Bleibt doch! bei mir sollt ihr's gut haben."
Sie aber entgegneten ihm: „Wir Apsarasen sind Götterweiber
und ziehen es von jeher vor, bei dem mächtigen Indra, dem
gabenspendenden Gotte, zu weilen."
34. Da sprach Vicvarupa zu ihnen : „Von heute ab sollen
Indra und alle Götter nicht mehr sein!" Da murmelte er
Mantra's, durch diese Mantra's erstarkte der Dreiköpfige,
und mit dem einen Munde trank er den in allen W r elten von
den werkfrommen Zwiegeborenen bei den Opfern gebührend
dargebrachten Sorna aus, mit dem andern afs er alle Opfer-
speise, und mit dem dritten wollte er die Götter nebst Indra
verschlingen. Als aber Indra sah, wie Vicvarupa an allen
Gliedern durch das Somatrinken erstarkt war, da geriet er
mit allen Göttern in Sorge,
35. und die Götter mit Indra an der Spitze gingen zu
Gott Brahmän (13212.) und sprachen: „Von Vicvarupa wird
der bei allen Opfern wohldargebrachte Sorna getrunken, und
wir gehen leer aus, die Partei der Asura's gedeiht, und wir
nehmen ab, darum mögest du ungesäumt anordnen, was zu
unserm Heile dient."
36. Zu ihnen sprach Gott Brahmän : „Ein Rishi aus dem
Stamme des Bhrigu mit Namen Dadhica übt Askese, den
bittet um eine Gunst und richtet es so ein, dafs er euch als
Gunst gewährt, euch seinen Leib zu überlassen; aus seinen
Knochen verfertigt den Donnerkeil."
37. Da gingen die Götter dorthin, wo der heilige Rishi
Dadhica seine Askese übte. Dort angekommen, sprachen die
Götter mit Indra an der Spitze zu ihm: „O Heiliger, möge
deine Askese glücklich und ungestört sein!"
38. (13213.) Ihnen erwiderte Dadhica: „Seid willkommen!
sagt, was ihr begehrt! was ihr auch sagen mögt, ich werde
es tun."
39. Sie sprachen zu ihm: „Du mögest, 0 Heiliger, zum
Heile der Welt deinen Leib aufgeben."
40. Da geschah es, dafs Dadhica ihrem Wunsche gemäfs,
ohne aus der Fassung zu geraten und als grofser Yogin Lust
Digitized by Google
V
806 III. Moksbadharnia.
und Schmerz für gleich achtend, sich konzentrierte und seinen
Leib aufgab.
41. Nach dessen Eingang zum höchsten Ätman sammelte
der Schöpfer seine Gebeine und machte daraus den Donner-
keil. Mit diesem unzerbrechlichen, unwiderstehlichen, von
Brahman aus Gebeinen gebildeten, von Vishnu beseelten
Donnerkeil tötete Indra den Vicvarupa, schlug ihm seine
Köpfe ab, und gleich darauf wurde auch der bei der Zer-
malmung der Knochen des Vicvarupa aus diesem Tvashtar-
sohn entstandene feindliche Vritra von Indra erschlagen.
42. Angesichts dieses zweifachen Brahmanenmordes liefe
Indra aus Furcht seine Götterherrschaft im Stiche und flüch-
tete zu einer wassergeborenen, kühlenden, im See Mänasa
wachsenden Lotosblume, machte sich kraft seines gottherr-
lichen Yoga atomklein und verkroch sich in das Knollen-
gewebe der Lotosblume.
43. (132U.) Als nun der Herr der Dreiwelt und Gatte der
Caci aus Furcht vor den Folgen des Brahmanenmordes ver-
schwunden war, war die Welt ohne Herrscher; Kajas und
Tamas überfielen die Götter, die Hymnen der grofsen Rishi's
waren nicht mehr in Übung, die Kobolde zeigten sich öffent-
lich, der Veda geriet in Verfall und die ohne Indra kraft-
losen Welten waren leicht zu überwinden.
44. Da salbten die Götter und Rishi's einen Sohn des
Ayus mit Namen Nahusha zum Götterkönig, und Nahusha,
geschmückt mit fünfhundert seine Stirn umfunkelnden Lich-
tern, welche jeden andern Glanz verdunkelten, übernahm die
Regierung des Dreihimmels.
45. Da kamen die Welten wieder in ihre natürliche Ver-
fassung, waren wohlgefestigt und gediehen.
46. Da sprach Nahusha: „Alles, was ehedem <^akra ge-
nofs, ist mir zugefallen, nur nicht die Qaci." So sagte er,
begab sich zur Qaci und sprach zu ihr: „O Holde! Ich bin
jetzt Indra, der Fürst der Götter, liebe mich !" Ihm erwiderte
die £aci: „Du, von Natur ein Freund der Gesetzlichkeit und
aus dem Mondgeschlechte entsprungen, solltest nicht nach
der Gattin eines andern trachten."
Digitized by Google
Adhy&ya 344 (B. 342).
807
47. Nahusha versetzte: „Ich habe die Stellung des Indra
in Besitz genommen, und ich habe Anspruch auf alle Kleinodien
im Reiche des Indra, dabei ist kein Unrecht, und auch du
hast dem Indra angehört." Sie erwiderte: „Ich habe ein Ge-
lübde auf mich genommen, welches noch nicht vollendet ist;
nach dessen Schlufsbad werde ich zu dir kommen, also in
einigen Tagen." So von der Qaci beschieden, ging er von
dannen.
48. Da wandte sich £aci, von Schmerz und Kummer
gequält, nach dem Gatten sich sehnend und von Furcht vor
dem Nahusha ergriffen, an den Brihaspati, und dieser, als er
sie so aufgeregt sah, verfiel in Nachdenken, und erkennend,
dafs sie die Sache ihres Gatten über alles hochhielt, sprach
er zu ihr: (13215.) „Da du deinem Gelübde und deiner Askese
so treu bist, so magst du die gabenspendende Göttin Upa-
cruti [Erhörung, vgl. die Parallele Mahabh. V, Vers 42c] an-
rufen, die wird dir den Indra zeigen." Da rief sie, in grofser
Selbstbezähmung beharrend, mit Mantra's die gabenspendende
Göttin Upacruti an. Da erschien der Qaci die Upacruti und
sprach zu ihr: „Hier bin ich, auf deinen Ruf herbeigekommen,
welchen Wunsch soll ich dir erfüllen?" (,aci neigte ihr
Haupt und sprach: „0 Heilige, du bist wahr und gerecht,
lafs mich meinen Gatten sehen!" Da führte die Upacruti
sie zum See Manasa (13216.) und liefs sie dort den Indra sehen,
wie er in dem Knollengewebe einer Lotosblume versteckt war.
49. Als Indra seine Gattin abgemagert und welk vor sich
sah, dachte er voll Kummer: „Ach, welch ein Leid ist über
mich gekommen, da meine Gattin, von Schmerz gequält, bis
hierher gekommen ist, um mich, den Verlorenen, zu suchen."
Und Indra sprach zu ihr: „Wie geht es dir?" Sie antwortete:
„Nahusha fordert mich auf, seine Gattin zu werden, und ich
habe ihm eine Frist gesetzt." Indra entgegnete: „Gehe und
sprich zu Nahusha: In einer noch nicht dagewesenen Weise
sollst du mich heimführen, auf einem Wagen sitzend, der
von RishTs gezogen wird. Indra hatte grofse, herzerfreuende
Wagen, auf denen ich gefahren bin, du mufst auf einem neuen
zu mir kommen." Nach diesen Worten ging sie freudig von
dannen, und Indra kroch wieder in seinen Lotosknollen hinein.
Digitized by Google
808
ITT . Mokshadharma.
50. Als Nahusha die Indragattin herbeikommen sah,
sprach er zu ihr: „Die gesetzte Frist ist um." Qaci ant-
wortete ihm, wie Qakra (Indra) ihr geraten hatte. Da bestieg
Nahusha einen mit grofsen RishTs bespannten Wagen und
fuhr zur Qaci.
51. Da sah der Sohn des Mitra-Varana, der topfgeborene,
grofse Rishi Agastya, wie diese grofsen Rishi's von Nahusha
entwürdigt wurden, und er trat ihn [Nahusha den Agastya,
vgl. Mahabh. III, 12525. XIII, 4794] mit den Füfsen. Da sprach
er zu Nahusha : „Du, der du dich zu dieser Untat hast verleiten
lassen, sollst in die Erde fahren und als Schlange leben, solange
Erde und Berge stehen." Kaum hatte der grofse Rishi dieses
Wort gesprochen, da stürzte jener vom Wagen herab.
52. Und abermals war die Drei weit ohne Beherrscher.
(13217.) Da gingen die Götter und Rishi's den heiligen Vishnu
wegen des Indra um Hilfe an und sprachen zu ihm : „0 Hei-
liger, den Indra, auf dem der Fluch der Brahmanentötung
lastet, mögest du retten." Da sprach der Gabenspender zu
ihnen: „Der Qakra mufs ein [mir] dem Vishnu geweihtes
Rofsopfer darbringen, dann wird er seine Stellung wieder-
erlangen." Als darauf die Götter und Rishi' s den Indra nicht
finden konnten, sprachen sie zur Qaci: „Gehe, o Holde, und
bringe den Indra her!" Da begab sie sich wiederum zu
jenem See, und Indra stieg aus dem See heraus und ging
zu Brihaspati. Da brachte Brihaspati ein grofses Rofsopfer
im Namen des <>kra dar, und indem er ein scheckiges,
opferwürdiges Rofs frei weiden liefs und es dann zum Sühne-
mittel machte, setzte Brihaspati den Indra, den Herrn der
Marut's, wieder in seine Stelle ein.
53. So wurde der von Göttern und Rishf s gepriesene,
den Dreihimmel bewohnende Götterkönig von seiner Schuld
befreit, die Brahmavadhyä aber (die Sünde des Brahmanen-
mordes) verteilte er auf vier Sitze, auf die Weiber, das Feuer,
die Bäume und die Kühe. (13218.) So geschah es, dafs Indra,
gestärkt durch Brahmankraft und -macht, die Feinde nieder-
schlug und seine Stellung behauptete. —
54. Als einst der grofse Rishi Bharadväja zur Hiramels-
gangä gegangen war, um Wasser zu schöpfen, kam ihm der
Digitized by Google
Adhy&ya 344 (B. 342).
S09
seine drei Schritte machende Vishnu zu nahe und wurde von
Bharadvaja mit der nassen Faust auf die Brust geschlagen,
so dafs er ein Mal auf der Brust davontrug. —
55. Von dem grofsen Rishi Bhrigu wurde Agni durch
einen Fluch dazu verurteilt, alles zu verzehren. —
50. Aditi hatte einstmals für die Götter eine Speise ge-
kocht, (13219.) indem sie dachte: diese Speise genossen habend,
werden sie die Dämonen überwinden. Nun kam Budha nach
Beendigung seines Fastengelübdes hinzu und sprach zur Aditi:
„Gib mir zu essen!" Aditi aber sagte sich, dafs die Götter
zuerst davon essen müfsten und kein anderer, und gab ihm
nichts. Wegen dieser Verweigerung der Bettelspeise zürnte
Budha, der ein Brahmane war, und sprach über die Aditi
den Fluch aus, dafs in ihrem Leibe eine Zerbrechung des
den Namen Ei führenden Vivasvant behufs seiner zweiten
Geburt [die ihm als Vogel zukam] stattfinden werde. Infolge-
dessen wurde das Ei (anda) in der Mutter Aditi zerstört
(mdrita)^ und Vivasvant, als Märtatida (Sonnenvogel) ge-
boren, wurde ein Gott der Totenspende. —
57. Daksha hatte sechzig Töchter, von denen gab er
dreizehn dem Kacyapa zur Ehe, zehn dem Dharma, zehn dem
Manu und siebenundzwanzig dem Monde. Unter diesen sieben-
undzwanzig, welche gleichberechtigt waren und nach den
Nakshatra's [Mondhäusern, vgl. Sechzig Upanishad's, S. 340 A.]
benannt waren, war Sorna (der Mond) besonders verliebt in
die Rohini. Darüber waren die übrigen Gattinnen eifersüchtig,
gingen zu ihrem Vater und brachten die Sache zur Anzeige :
„O Heiliger, wir sind doch alle gleich an Würde, aber Sorna
liebt die Rohini mehr als uns." Er sprach: „Dafür soll ihn
die Auszehrung befallen." Infolge dieses Fluches des Daksha
befiel den König Sorna die Auszehrung. Von der Auszehrung
befallen, ging er zu Daksha; der sprach zu ihm: „Du bist
nicht gerecht fsatna)" — daher haben ihn die Kishi's Sorna
genannt — (.13220.) „darum schwindest du durch Auszehrung
hin. Im westlichen Ozean ist der heilige Badeplatz Hiranya-
saras (Goldsee). Dorthin gehe und bade dich." Damit ging
Sorna, begab sich zu dem heiligen Badeplatz Hiranyasaras
und vollzog Waschungen. ( 13 221.) Indem er badete, befreite
Digitized by Google
810
III. Mokshadliarma.
er sich von seinem Übe). Und weil Sorna an diesem heiligen
Badeplatze seinen Glanz wieder erhalten hatte, wurde seit
jener Zeit dieser heilige Badeplatz Prabhäsam (Glanz) genannt
58. Aber infolge des Fluches nimmt auch heute noch
der Mond ab bis zur Neumondsnacht, und auch wenn er zur
Vollmondsnacht gelangt ist, zeigt er seine Gestalt als über-
deckt mit einem Wolkenstreifen, nimmt ein wolkenähnliches
Aussehen an und seine Fleckenlosigkeit wird durch das
Hasenzeichen [unsern Mann im Monde] getrübt. —
59. Sthülaciras, der grofse Rishi, betrieb in der nord-
östlichen Gegend des Meru seine Askese. Da kam ein alle
Düfte mit sich führender reiner Wind und berührte mit seinem
Wehen den Körper des von Askese Erhitzten, so dafs er, der
durch die Askese gequält und abgemagert war, durch die
Fächelung des Windes in seinem Herzen sehr erquickt wurde.
(13222.) Als nun die Bäume sahen, wie er durch die Fäche-
lung des Windes erfreut war, da entfalteten auch sie vor ihm
alsbald die Schönheit ihrer Blüten. Darum verfluchte er sie
und sprach: „Von nun an sollt ihr nicht zu jeder Zeit Blüten
tragen." —
60. Naräyana war einst um des Heiles der Welt willen
zu einem grofsen Rishi mit Namen Vadavämukha (Stuten-
mund) geworden. Als dieser auf dem Meru Askese übte, rief
er den Ozean an [ihn zu kühlen], dieser aber wollte nicht
kommen. Da wurden von dem Ungehaltenen, von Körper-
hitze Gequälten die W r asser des Ozeans schwerflüssig gemacht,
indem auch der Ozean in einen der Schweifsabsonderung [des
Rishi] ähnlichen Zustand der Salzigkeit versetzt wurde.
61. Und der Rishi sprach zu ihm: „Untrinkbar sollst du
sein, und nur dann , wenn ich als Vadavämukha [ein mythi-
sches Feuer auf dem Meeresgrunde] dein Wasser trinken
will, soll es süfs schmecken. Darum trinkt auch heute noch
der [von Naräyana] abhängige Vadavämukha das Wasser aus
dem Ozean. —
62. Rudra liebte ein Mädchen, die Um», Tochter des
Gebirges Himälaya. (13223.) Da kam der grofse Rishi Bhrigu
zum Himälaya und sprach : „Gib mir das Mädchen zur Frau."
Himälaya sprach : „Rudra ist für sie zum Gemahl ausersehen. 1 *
Digitized by Google
Adhy&va 344 (B. 342).
811
Da sprach Bhrigu : „Weil ich von dir, nachdem ich meine Nei-
gung auf die Wahl des Mädchens gerichtet hatte, verschmäht
worden bin, darum sollst du keine Perlen in dir enthalten."
03. Und bis auf den heutigen Tag ist das Wort des
Rishi in Gültigkeit geblieben. — So grofs ist die Macht
der Brahmanen!
64. Und der Kshatriya hat nur durch die Gnade der
Brahmanen die ewige, unvergängliche Erde als Gattin er-
langt und genossen.
G5. Was aber die Agni und Sorna seiende Brahmanen-
kaste betrifft, so wird durch sie die ganze Welt der Leben-
den getragen.
6C>. (13224.) Es heifst ja: Sonne und Mond sind seine
Augen, die Sonnenstrahlen seine Haare (ki^ah), die Welt er-
weckend und erwärmend, steht er von ihr gesondert da.
67. (13225.) W r eil durch dieses Erwecken und Erwärmen der
Welt vermittelst dieser von Agni und Sorna gewirkten Werke
Freude (harshanam) entsteht, o Pandusprofs, (1322c) werde
ich Hrishikefa genannt, ich, der Herr, der Gabenspender, der
Förderer der Welt.
68. Weil ich aus Anlafs des zur Labung Dargebrachten
bei den Opfern meinen Anteil nehme fharcj, (13227.) und weil
meine Farbe ein herrliches Gelbgrün fharij ist, darum werde
ich Hart genannt.
69. Als die beste Zuflucht (dhamtw) der Wesen und als
das wohldurchdachte Recht (ritamj (13228.) werde ich von den
Priestern Tag für Tag als Ritadhaman gefeiert.
70. Weil ich einstens die versunkene und verborgene
Erde [auch (70, die Kuh, genannt] wiedergewann (avindamj y
(13 229.) darum werde ich von Göttern mit Hymnen als Uovinda
gepriesen.
71. Weil einer, der seine Haare verliert, {'ipicishta heifst,
(13 230.) und weil alles Vorhandene von ihm [dem Vishnu mit
seinen Haaren, d. h. Strahlen] durchdrungen (avishtum) ist,
darum heifst er £/pivisht/i.
72. Der Rishi Yaska hat mich mit Hingebung bei vielen
Opfern besungen (13231.) als (,'ipivishta, darum trage ich diesen
geheimnisvollen Namen.
Digitized by Google
812
III. Mokshadharma.
73. Und weil der hochsinnige Rishi Yäska mich als
£ipivishta gepriesen hat, (13232.) hat er durch meine Gnade
das in der Tiefe versunkene Niruktam erhalten.
74. Weil ich nie geboren wurde oder geboren werde, oder
je werde geboren werden, (13283.) da ich der Kshetrajfia aller
Wesen bin, darum werde ich Aja (der Ungeborene) genannt.
75. Niemals ist von mir etwas Gemeines oder Unreines
ausgesprochen worden, (13 234.) die rechtschaffene Tochter Brah-
man's, die wahrhafte (saUja) Göttin Sarasvati, weilt in mir;
76. auch ist, o Kuntisohn, das Seiende (sat) und das
Nichtseiende (asat) von mir in meinem Selbste geborgen,
(13236.) in der Lotosblume als dem Sitze (sadanam) des Gottes
Brahmän, darum kennen mich die Rishi' s als Satya (den
Wahrhaftigen).
77. Von der Wahrheit ßattvam) bin ich von jeher nicht
abgewichen, die Wahrheit, wisse, ist von mir geschaffen;
(13236.) werde ich hienieden geboren, so ist die uranfängliche
Wahrheit in mir gegenwärtig, o Gutgewinner.
78. W'unschlosen Werken hingegeben Und nicht befleckt
an meiner Wahrheit, (13 237.) so werde ich durch das Sätvata-
wissen erkannt von den Satvant's, darum heifse ich Sätvata.
79. Weil ich, o Prithäsohn, die Erde pflüge (krishämij
als der grofse Eiserne (kärshnäyasaj, (13238.) und weil ich an
Farbe schwarz ßrishna) bin, darum heifse ich Krishna, o
Arjuna.
80. Weil durch mich die Erde mit dem Wasser, der
Luftraum mit dem Winde (13 239.) und der Wind mit dem
Feuer gemischt wird [im Panclkaranam] , darum heifse ich
Vaikuntha. [Mit vi, Vogel, soll auf Wind, Feuer, Wasser an-
gespielt, mit ku die Erde, mit tha der Äther bezeichnet
sein, Nil.].
81. Das Nirvänam ist das höchste Brahman und wird
als die höchste Satzung bezeichnet; (13240.) weil ich an ihm
von jeher unerschütterlich faqtutaj festgehalten habe, heifse
ich wegen dieses Tuns Acyuta.
82. Beide, die Erde und der Luftraum, erstrecken sich
nach allerwärts; (13241.) weil ich beide trage, werde ich mit
Fug als Adhokshaja (unter der W r eltachse geboren)
Digitized by Google
Adhyaya 344 <B. 342).
813
83. erklärt; die Vedawissenden (vidushah Nom.I) und den
Sinn der Vedaworte Überdenkenden, (13242.) sie besingen mich
an der Opferstätte als Ädhokshaja.
84. Dieses wird von den höchsten Rishi's einstimmig aus-
gesprochen, (13243.) dafs es keinen andern Ädhokshaja in der
Welt gibt, als den heiligen Herrn Näräyana.
85. Weil die Schmelzbutter fghritamj meines Glanzes
farcisj das Leben der Geschöpfe erhält, (13244.) darum werde
ich von tiefsinnigen Vedakennern Ghritärcis genannt.
80. Drei (IriJ Grundstoffe fdhätuj gibt es [im Menschen],
welche auf seinen [vormaligen] Werken beruhen: (13245.) Galle,
Schleim und Wind; das wird das Aggregat genannt.
87. Durch diese wird der Mensch erhalten, und wenn
diese vergehen, vergeht er. (13 246.) Darum nennen mich die
Kenner der vedischen Heilkunde Tridhätu.
88. Als mannhaft (vrislm) wird das heilige Recht in der
Welt bezeichnet, o Bhärata, (13247.) darum, das sollst du
wissen, heifse ich in der Wortsammlung Naighantukam, der
höchste Vrisha.
89. Auch der Affe (kapij, der Eber, der Beste und das
Recht werden mannhaft fvrishaj genannt, (13248.) darum hat
der Schöpferherr Kaeyapa mich Vrishdkapi (den Mannaffen)
genannt.
90.* (1324U.) Keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende
kennen an mir jemals weder Götter noch Dämonen;
denn als der Anfanglose, Mittelose, Endlose, werde ich
besungen als der mächtige Herr und das Auge der Welt.
91. (13250.) Weil ich nur reine ftucij Worte hienieden ver-
nehme fcru), o Gutgewinner, und keine schlechten annehme,
darum heifse ich Qucicravas.
92. (13251.) Weil ich als der heilbringende Eber mit dem
einen Hauzahn (vkafringa) ehedem diese Erde aufgewühlt habe,
darum heifse ich Ekurringa.
93. (13252.) Auch war ich damals in der Gestalt des Ebers
mit drei Höckern versehen ftrikakuduj, daher wurde ich wegen
dieser Gestaltung meines Körpers Trikukud genannt.
* Metrum: Bhujafigaprayatam.
Digitized by Google
814
III. Mokshadharma.
94. (13253.) Was von den die Kapilalehre mit Verständnis
durchdenkenden Viriiica genannt wird, dieser Weltschöpfer
bin ich, weil ich durch meine Gedanken die ganze Welt her-
vorgebracht habe.
95. (132M.) Als den ewigen, in der Sonne weilenden
Wissenschaftsträger [den Hiranyagarbha] nennen mich die
zur Gewifsheit durchgedrungenen SänkhyaJehrer Kapila.
96. (18255.) Als der, welcher als der glanzvolle Hiranya-
garbha im Veda gepriesen und allezeit von den Yoga's ver-
ehrt wird, als dieser werde ich in der Welt gefeiert.
97. (13256.) Mich bezeichnen Vedakenner als den einund-
zwanzigtausend [Y T erse] umfassenden Rigveda, mich als den
in tausend Cäkhä's (Vedaschulen) verbreiteten Sämaveda.
98. (13257.) Mich auch besingen jene mir ergebenen seltenen
Brahmanen in ihrem Aranyakam. Als die sechsundfunfzig
und acht und siebenunddreifsig
99. (13258.) (^äkhä's in dem dem Adhvaryu angehörenden
Yajurveda werde ich gefeiert. Als den fünf Kalpa's um-
fassenden und durch Zauberkünste verstärkten Atharvaveda
100. (13259.) verwenden mich auch die der Atharvalieder
kundigen Priester. Alle die verschiedenen (^äkha's und alle
in den (,'äkhä's gebräuchlichen Lieder
101. (13260.) nach Akzenten und Aussprache der Laute,
diese alle wisse als von mir geschaffen. Und jenes gaben-
verleihende Rofshaupt, o Prithäsohn, welches aufsteigt [aus
dem Milchmeere]
102. (13261.) in der nördlichen Gegend, das bin ich, der
Kenner der Einteilung [der vedischen Hymnen] nach Wort-
reihen (kramaj und Silben. Auf dem von Väma [nach Nil.
Vämadeva, wohl =• Civa] gewiesenen Wege wurde durch
meine Gnade von dem hochsinnigen
103. (18262.) Päficäla der Kramapätha empfangen als Ge-
schenk jenes ewigen Wesens [des Rofshauptes] ; er, der in
dem Geschlecht der Babhravya's glänzte, hat zuerst den
Kramapätha durchgeführt,
104. (13263.) nachdem er ihn von Naräyana erhalten hatte
nach Erlangung des höchsten Yoga, so dafs er den Kramapätha
verbreitete und auch die Qikshä verbreiten liefs, er, der Galava.
Digitized by Google
Adhyftya 314 (B. 342).
815
105. (132G4.) Ferner auch der glorreiche König Brahma-
datta Kandarika [nach Nil.; Harivarica 1256 f«. sind es zwei
Personen], nachdem er das Leiden durch Geburt und Tod
immer wieder und wieder überdacht hatte,
10G. (13266.) sieben Geburten hindurch, gelangte wegen
seiner Vorzüglichkeit zu der Glückseligkeit der Yoga s. Einst-
mals wurde ich auf einen besondern Anlafs hin berühmt,
o Prithäsprofs, als der Sohn
107. (13 266.) des Dharma, deshalb heifse ich, o Kurutiger,
Dharmaja. — Xara und Narayana [in denen beiden ich ver-
körpert war] übten vordem unvergängliche Askese,
108. (13267.) indem sie den Weg der Pflicht einhielten
auf dem Berge Gandhamädana (duftberauschend). Um diese
Zeit fand auch das Opfer des Daksha statt (oben, S. 511 fg.).
109. (13268.) Dabei hatte Daksha dem Rudra keinen An-
teil bestimmt, o Bhärata, weshalb dieser auf Anstiften des
Dadhici das Opfer des Daksha störte,
110. (13269.) indem er im Zorn wiederholt seinen glühen-
den Wurfspiefs schleuderte, welcher das Opfer des Daksha
mit allem Zubehör in Asche verwandelte.
111. (13270.) Nun kam der Wurfspiefs plötzlich auf uns
zu in die Badari-Einsiedelei geflogen und traf mit mächtigem
Anprall die Brust des Narayana, o Prithäsohn.
112. (13271.) Darauf nahmen die Haupthaare fkeraj des
Narayana infolge der Glut des Wurfspiefses die Farbe des
Munjagrases an; darum heifse ich Mnüjuh^a (mufijagras-
haarig).
113. (13272) Dieser mit mächtigem Sausen geschleuderte
Wurfspiefs kehrte, von Narayana zurückgeschnellt, in die
Hand des (^ankara (^iva) zurück.
114. (13273.) Da rannte Rudra gegen jene beiden in Askese
begriffenen Rishi's an, aber ihn, wie er heranstürmte, packte
am Halse mit der Hand
115. (13274.) Narayana, der allbeseelende, darum führt (,'iva
den Namen tytikantha (Blauhals, vgl. oben, Vers 13*m;). Nun
raufte Nara, um den Rudra niederzuschlagen, einen Halm aus
116. (13275.) und besprach ihn alsbald mit Mantra's, da
ward er zu einer grofsen Axt fpara^uj. Diese schleuderte er
Digitized by Google
816
III. Mokshadharina.
mit solcher Gewalt gegen den Rudra, daXs sie in Stücke
(khandamj brach,
117. (13276.) darum heifse ich Khandapara^u, weil die
Axt in Stücke gebrochen war.
Arjuna sprach:
(is 277.) O Värshneya, wer hat bei diesem Kampfe, welcher
die Drei weit hätte vernichten können,
118. den Sieg davongetragen? Das berichte mir, o Heün-
sucher der Menschen.
Der Heilige sprach:
(13 278.) Als diese beiden, Rudra und Närayana, im Kampfe
handgemein geworden waren,
119. da gerieten jählings alle Welten insgesamt in Ver-
wirrung: (13279.) das Feuer wollte bei den Opferfesten die
wohldargebrachte Opferspeise nicht verzehren,
120. die im Geiste bereiteten Rishi's konnten sich nicht
auf die Veden besinnen, (13280.) Rajas und Tamas drangen in
die Götter ein,
121. die Erde erbebte, der Himmel zerbarst, (132S1.) die
Sterne verloren ihren Glanz, Gott Brahman geriet auf seinem
Sitze ins Schwanken,
122. der Ozean vertrocknete und der Himälaya zerrifs.
(13282.) Auf diese Anzeichen hin, o Pändusprofs,
123. begab sich Gott Brahman, von den Götterscharen
und den hochsinnigen Rishi's umgeben, (13283.) alsbald in jene
Gegend, wo der Kampf tobte.
124. Und mit ausgestreckten hohlen Händen sprach der
Vierangesichtige, im Unaussprechlichen Weilende (13234.) zu
Rudra das Wort: Heil möge den Welten widerfahren!
125. Strecke die Waffen, o Allherr, aus Liebe für das
Wohl der Welt. (13285.) Denn was jenes Unvergängliche, Un-
offenbare, Gottherrliche, Weltbildende,
126. Allerhöchste, Wirkende, Gegensatzfreie ist, was sie
auch als den Nicht wirkenden bezeichnen, (13286.) das erscheint,
zur Entfaltung gelangt, als diese eine schöne Gestalt.
127. Als Nara und Närayana, welche im Hause des
Digitized by Google
Adhyaya 344 (B. 342).
817
Dharma geboren wurden (13287.) als grofser Askese teilhaftige,
starke Gelübde befolgende, beste Götter, entfaltet es sich.
128. Ich bin aus ihrer Gnade geboren bei einem be-
stimmten Anlafs, (13 288.) und du, o Freund, bist aus ihrem
Zorne entstanden in einer frühern Schöpfungsperiode zu
ewiger Dauer.
129. Mit mir im Verein, o Gabenspender, mit den Göttern
und den grofsen Rishi's (13289.) söhne dich alsbald mit jenem
aus, und Friede möge sogleich den Welten werden.
130. Nach diesen Worten des Gottes Brahman liefs Rudra
ab von dem Feuer seines Zornes, (13290.) söhnte sich mit dem
mächtigen Gotte Narayana aus und begab sich in den Schutz
des uranfänglichen, liebenswerten, gabenspendenden Gottherrn.
131. (13 291.) Da wurde der gabenspendende, über den Zorn
erhabene, seine Sinne beherrschende Gott von Freude erfüllt,
als er mit dem Rudra wieder einig geworden war,
132. (13292.) und von den Rishi's, von Gott Brahman und
von den Göttern hochgeehrt, sprach zu dem göttlichen Herr-
scher (Rudra) der Herrscher der Welt, Hari :
13l hiB . (13293.) Wer dich kennt, der kennt mich, wer dir
anhängt, der hängt mir an. Kein Unterschied ist zwischen
uns beiden, mögest du nie anders denken.
133. (13294.) Von nun an soll das Abzeichen (Yivatsa als
Mal deines Speeres an mir zu sehen sein, und du sollst, von
meiner Hand gezeichnet, den Namen Orikanlha (Schönhals)
tragen.
Der Heilige [Krishna als der Erzähler | sprach:
134. (13295.) Nachdem sie in dieser Weise sich gegen-
seitig gezeichnet hatten und nachdem die beiden Rishi's (Nara
und Narayana) mit Rudra einen unvergleichlichen Freund-
schaft sbund geschlossen hatten,
135. (13296.) entliefsen sie die llimmelsbewohner und gaben
sich wieder mit ungeteiltem Geiste der Askese hin. — Damit
habe ich dir, o Prithäsohn, den Sieg des Narayana im Kampfe
erzählt,
13ti. (13297.) und auch die geheimnisvollen, unsagbaren
Namen, o Bhärata, welche ihm von den Rishi's beigelegt
worden sind, habe ich dir mitgeteilt.
Dtriinr, MahAbh4rM«m f>2
818
III. Mokshadharina.
137. (13298.) So durchwandle ich in mancherlei Gestalten
die Erde hier sowie die Brahmanwelt, # o Kunüsohn, und die
Goloka (Welt der Kühe, Krishna's Himmel) genannte ewige
Stätte.
138. (13299.) Von mir hist du [o Arjuna] im Kampfe be-
schützt worden und hast den grofsen Sieg errungen. Aber
jener, der dir voranzog, als der Kampf entbrannt war,
139. (13300.) das ist Rudra, der muschelhaarige Göttergott,
das sollst du wissen, o Kunüsohn; er wird auch Kala (die
vernichtende Zeit) genannt und ist aus meinem Zorn ent-
sprungen, wie ich dir erzählt habe.
140. (i33oi.) Von ihm sind die Feinde getötet worden, welche
du vordem erschlagen hast; ihn, den unermefslich mächtigen
Göttergott, den Gemahl der Umä, (13302.) verehre als Gott
mit Hingebung, den Herrn des Alls, den unvergänglichen Hara.
141. Und ihm, von dem ich dir wiederholt erklärt habe,
dafs er aus meinem Zorn entsprungen ist, (13303.) gehört die
Macht an, nach dem, was du vorher gehört hast, o Gutgewinner.
80 lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Närayana
(NdrAyantyam).
Adhy&ya 345 (B. 343).
Ven» 13304-13370 (B. 1-67).
(>iin&ka sprach:
1. (13304.) 0 Sauti, da hast du eine grofse Geschichte er-
zählt, bei deren Anhören alle die Muni's in die höchste Ver-
wunderung versetzt worden sind.
2. (13 305.) Das Durchmachen aller Lebensstadien, das
Baden in allen heiligen Badeplätzen ist nicht so frucht-
bringend, o Sauti, wie die Erzählung vom Närayana.
3. (13306.) Wir sind geläutert worden an allen Gliedern,
nachdem wir von Anfang an diese auf Närayana bezügliche
heilige, von allem Bösen befreiende Erzählung angehört haben.
4. (13307.) Schwer zu schauen ist der heilige, von aller
Welt verehrte Gott von allen Göttern nebst Gott Brahman
und von den grofsen Rishi's.
Digitized by Google
Adhyaya 345 (B. 343).
819
5. (13308.) Und dafs Närada den Gott Hari Naräyana ge-
schaut hat, wahrlich, das ist eine besondere Gnadenbezeigung
jenes Gottes, o Sohn des Süta.
6. (18309.) Dafs aber Närada, nachdem er den Herrn der
Welt in Gestalt des Aniruddha gesehen hatte, wieder zurück-
geeilt ist, um die beiden trefflichen Götter
7. (i33io.) Nara und Naräyana zu schauen, davon teile
mir die Ursache mit.
Sauti sprach:
(13311.) Als jenes Opfer des Königs [ Janamejaya] , des
Sohnes des Parikshit, stattfand,
8. und während die übrigen Zeremonien vorschrifts-
mäfsig vonstatten gingen, o (^aunaka, (13312.) geschah es, dafs
den mächtigen Vyäsa, den vedafesten Weisen Krishna Dvai-
päyana,
9. der Fürst der Könige [Janamejaya] befragte, ihn, den
Urgrofsvater seines Grofsvaters.
Janamejaya sprach :
(13313.) Als der Götterweise Närada aus (^vetadvipa zu-
rückkehrte
10. und das Wort des heiligen Gottes überdachte, was
hat er da weiter unternommen? (i33H.) Als er in die Ein-
siedelei Badari zurückgekehrt war und dort die beiden Kishi's
[Nara und Näräyana] angetroffen hatte,
11. wie lange Zeit blieb er da bei ihnen, und wonach
hat er sie noch gefragt? (13315.) Denn aus der ausführlichen,
hunderttausend Verse umfassenden Erzählung von den Bhä-
rata's (aus dem Mahäbhäratam)
12. hat man durch Quirlung dieses unvergleichlichen
Ozeans des Wissens mit dem Quirlstabe des Geistes —
(13816.) wie Butter aus der Milch, wie Sandelholz aus dem
Malayagebirge,
13. wie das Aranyakam [mit seiner Upanishad] aus den
Veden, wie das Amritam der Arzneien aus den Kräutern, —
(13317.) das Amritam dieser Erzählung herausgequirlt, o Brah-
mane,
14. nämlich die Erzählung vom Naräyana, welche du,
52 •
820
III. Mukshadharwa.
o Hort der Askese, mitgeteilt hast. (13318.) Er, der heilige
Gott, ist der Herr, ist der Bildner des Selbstes aller Wesen.
15. 0 wie grofs ist die Kraft des Naräyana, die schwer
zu schauende, o Bester der Zwiegeborenen, (13319.) in welche
am Ende des Kalpa eingehen alle Götter mit Brahmän an
der Spitze,
16. die Rishfs und Gandharven mit allem Beweglichen
und Unbeweglichen. (13320.) Kein höheres Läuterungsmittel
als ihn gibt es im Himmel und hienieden, so glaube ich.
17. Ja, wahrlich, das Durchmachen aller Lebensstadien,
das Baden in allen heiligen Badeplätzen (13321.) ist nicht so
fruchtbringend wie die Erzählung vom Naräyana.
18. In jeder W eise sind wir geläutert worden, die wir
diese Erzählung von Anfang an angehört haben, (13322.) die
Erzählung von Hari, dem Herrn des Alls, welche alle
Sünde tilgt.
19. Nichts Wunderbares ist es, was mein Vorfahr, der
Gutgewinner Arjuna, damals ausrichtete, (13 323.) da er den
Vasudeva als Gefährten hatte, als er den höchsten Sieg
errang.
20. Und nichts in allen drei Welten war unerreichbar
für ihn, so glaube ich, (13824.) weil Vishnu, der Herr der drei
Welten, ihm Beistand leistete.
21. Und alle meine Vorfahren waren glücklich, o Brah-
mane, (13325.) welchen der Heimsucher der Menschen (Vishnu)
zum Wohl und Heil verholfen hat.
22. Der von der Welt verehrte heilige Gott kann durch
Askese wohl geschaut werden, (13326.) er, den sie vor Augen
geschaut haben, das Mal (^rivatsa als Zierde tragend.
23. Aber glücklicher als diese alle ist Närada, der Sohn
des Parameshthin, (13327.) und ich weifs, dafs dieser Närada,
der unvergängliche Weise, eine nicht geringe Macht besitzt,
24. von welchem, als er nach Qvetadvlpa gekommen war,
Hari selbst sich schauen liefs; (13328.) nur auf der Gnade des
Gottes beruht ein solches leibhaftiges Schauen desselben.
25. Dafs Närada aber, nachdem er damals den Gott in
der Erscheinungsform des Aniruddha gesehen hatte, (13 stf.)
wieder zu der Einsiedelei Badari zurückeilte,
Digitized by Google
Adhyaya 345 (B. 343).
821
26. um den Nara und Näräyana zu sehen, welcher Grund
hat ihn dazu veranlafst, o Muni? (13330.) Und als nun Närada,
der Sohn des Parameshthin, von (.Vetadvipa zurückgekehrt
27. und zur Einsiedelei Badari gelangt, mit jenen beiden
Rishi's zusammengetroffen war, (13331.) wie lange Zeit weilte
er damals dort, und welche Fragen stellte er?
28. Und als jener Hochsinnige von (,\ r etadvipa zurück-
gekehrt war, (13332.) was sprachen da zu ihm die hochsinnigen
Rishi's Nara und Näräyana?
20. Das alles mögest du mir der Wahrheit gemäfs er-
zählen.
Vai<;ampäyana sprach :
(13333.) Verehrung sei jenem heiligen, unermefslich starken
Vväsa,
30. durch dessen Gnade ich instand gesetzt worden bin,
diese Erzählung von Näräyana mitzuteilen. (13334.) Nachdem
er also zu der grofsen weifsen Insel gekommen war und dort
den ewigen Hari geschaut hatte,
31. kehrte Närada zurück, o König, und gelangte schnell
zum Meru. (13335.) Während er in seinem Herzen die Last
dessen bewegte, was ihm der höchste Atman gesagt hatte,
32. bemächtigte sich alsbald seines Geistes eine grofse
Erregung, o König. (13336.) Als er von der langen Reise wohl-
behalten zurückgelangt war,
33. begab er sich von dem Meru weiter zu dem Berge
Gandhamädana (13 337.) und stieg eilend aus der Luft herab
zu der geräumigen Einsiedelei Badari.
34. Dort erblickte er die beiden alten Götter, die besten
Rishi's, (13 338.) wie sie mächtige Askese übten, im Atman fest
und grofsen Gelübdes,
35. an Glanz der die ganze Welt bestrahlenden Sonne
überlegen, (13339.) mit dem Male C/rivatsa geziert, verehrungs-
würdig, Haarflechtenkränze tragend.
36. Ihre Füfse und Hände waren mit Schwimmhäuten
versehen [als Abzeichen ihrer Göttlichkeit], ihre Sohlen trugen
das Zeichen des Diskus, (13340.) durch breite Brust, lange
Arme und vier Hoden zeichneten sie sich aus,
37. durch sechzig Zähne und acht Eckzähne, ihre Stimme
822
III. Mokshadhunua.
glich dem Regengeprassel ; (13341.) schönmundig, breitgestirnt,
schön brauig, schön an Kinnbacken und Nase waren sie;
38. Sonnenschirmen ähnlich waren die Häupter der beiden
Götter; (13342.) so war das Aussehen der beiden, welche den
Namen der grofsen Purusha's führen.
30. Bei ihrem Anblicke freute sich Närada, und von ihnen
mit Ehrerbietung empfangen, (133*3.) willkommen geheifsen
und nach seinem Befinden befragt,
40. wurde er nachdenklich, als er die beiden höchsten
Purusha's betrachtete. (13344.) Jenen versammelten, von allen
Wesen verehrten Männern,
41. die ich in fvetadvipa gesehen habe, gleichen an Aus-
sehen diese beiden besten Rishi's; (iss45.) so dachte er bei
sich, umkreiste sie von rechts her
42. und setzte sich auf einem schönen Sitze aus Kuca-
gras nieder. (13346.) Nachdem die beiden als Gefafse der
Askese, des Ruhmes und der Kraft erscheinenden
43. Rishi's, von Ruhe und Bezähmung erfüllt, ihre Morgen-
andacht beendet hatten, (13347.) ehrten sie gesammelten Geistes
den Närada mit Fufswasser und Gastspende,
44. erfüllten die täglichen Pflichten gegen den Gast und
liefsen sich auf ihren Sitzen nieder. (13348.) Und wie sie so
dasafsen, strahlte die ganze Gegend
45. wie die Opferstätte von den Opferfeuern, wenn sie
durch einen Buttergufs hoch emporflammen. (13349.) Da rich-
tete Näräyana die Rede an Närada,
46. welcher, ermüdet und durch die GasUpende gelabt,
sich behaglich niedergelassen hatte.
Nara und Narayana sprachen:
(13360.) Weilt auch jetzt noch der heilige, ewige, höchste
Atman,
47. der Urquell unser beider, in £vetadvipa, und hast
du ihn dort gesehen?
Narada sprach:
(13351.) Wohl habe ich ihn gesehen, den seligen, all-
gestaltigen, ewigen Purusha,
Digitized by Googl
Adhyäya 345 (B. 343).
823
48. in welchem alle Welten ruhen mitsamt den Göttern
und den Rishi's, (13352.) und auch heute sehe ich ihn, indem
ich euch, ihr Ewigen, betrachte.
49. Denn die Merkmale, mit welchen der verborgen-
gestaltige Hari geziert war, (13353.) dieselben Merkmale tragt
auch ihr beiden in sichtbarer Gestalt an euch.
50. Schon dort sah ich euch neben jenem Gotte stehen,
(13354.) und bin nun hierhergekommen, nachdem mich jener
höchste Ätman entlassen hat.
51. Wer könnte aber auch an Kraft, Ruhm und Schön-
heit (13355.) in den drei Welten jenem vergleichbar sein aufser
euch beiden Söhnen des Dharma!
52. Er hat mir die vollständige Satzung mitgeteilt, welche
den Namen des Kshetrajfia an sich trägt, (13356.) und auch
seine Verkörperungen hat er mir aufgezählt, in denen er
künftig in der Welt erscheinen wird.
53. Jene weifsen, ohne die fünf Sinnesorgane lebenden
Männer, (13357.) welche alle erweckt und dem höchsten Purusha
ergeben sind,
54. diese preisen allezeit den Gott, und er hat seine
Freude in Gemeinschaft mit ihnen. (13358.) Denn der von
seinen Freunden verehrte und den Zwiegeborenen holde, hei-
lige (bhagavim), höchste Ätman
55. freut sich, wenn er gepriesen wird, und ist stets ein
Freund der ihm ergebenen Bhägavata's. ( 13359.) Der all-
geniefsende, allgegenwärtige Gott Madhava, der Liebling
seiner Verehrer,
56. dieser an Kraft und Glanz Übermächtige ist Täter
und Ursache und Wirkung zugleich. (13360.) Er, der Hoch-
berühmte, ist der Grund und das Gesetz und das Wesen.
57. Wenn er sich zur Askese anschickt, dann strahlt
noch heller als Qvetadvipa (mci.) sein Glanz, der durch
eigenes Licht leuchtet, wie es heifst (Brill. Up. 4,3,6).
58. Das ist der Friede, welcher von ihm bereiteten Geistes
den drei Welten verliehen wurde; (laac-j.) mit dieser schönen
Erkenntnis hat er sein beharrendes Gelübde angetreten.
50. Nicht scheint dann die Sonne, nicht strahlt dann
824
III. Mokshudharma.
der Mond, (13363.) nicht weht der Wind, wenn der Götterherr
seine schwere Askese übt.
00. Auf einem Altar, acht Spannen hoch, erhebt sich
über die Erde der Allschöpfer, (13361.) er, der Gott, auf einem
Fufse stehend, mit emporgereckten Armen, mit emporgerich-
tetem Angesicht,
61. die Veden nebst Vedänga's durchgehend, so übt er
seine schwer zu vollbringende Askese. (13366.) Was Gott
Brahman und die Rishi's sind und was der Herr der Herden
(£iva) selbst ist,
62. und die übrigen besten Götter, die Daitya's, Dänava s
und Räkshasa's, (13 366.) die Schlangen, Vögel und Gandharven,
die Vollendeten und die Königsweisen,
63. diese alle bringen das vorschriftsmäfsig gespendete
Götter- und Manenopfer dar, und (13367.) das alles [naht] den
Füfsen des Gottes, wenn er [Askese übend] dasteht.
64. Und alle Opfergaben, welche von allein ihm Ergebenen
dargebracht werden, (iss68.) die alle nimmt der Gott selbst
durch Neigen des Hauptes in Empfang.
65. Und kein anderer wird als ihm lieber von Erweck-
ten, Hochsinnigen (13369.) gewufst in den drei Welten [als der
ihm allein Hingegebene]; darum bin ich zu dieser alleinigen
Hingebung an ihn gelangt
66. und bin, von dem Hochsinnigen entlassen, hierher
zurückgekehrt. (13370.) In dieser Weise hat der heilige Gott
Hari selbst zu mir geredet,
67. und ihm allein ergeben, will ich immerdar in eurer
Nähe verbleiben.
So laatet im Mokshadharma die Oetohicbt« rum Narayana
(Xdrdyantyam).
Adkyäya 346 (B. 344).
Vers 13371-13398 (B. 1-27).
Nara und Narayana sprachen:
1. (13371.) Glücklich bist du, begnadet bist du, dafs du den
Herrn selbst geschaut hast, denn ihn hat noch keiner ge-
sehen, nicht einmal der Lotosgeborene (Gott Brahman) selber.
Digitized by Google
Adhyäya 346 (B. 344).
825
2. (13372.) Verborgenen Ursprungs und schwer zu schauen
ist der heilige, höchste Purusha, o Närada, dieses unser Wort
spricht die Wahrheit.
3. (13 3*3.) Keiner ist ihm lieber in der Welt als wer ihm
ergeben ist, darum hat er dir sich selbst gezeigt, o Bester
der Zwiegeborenen.
4. (13374.) Denn der Ort, an welchem von dem höchsten
Ätman Askese geübt wird, kann sonst von niemandem be-
treten werden aufser uns beiden, o Bester der Zwiegeborenen.
5. (13375.) Denn so grofs der Glanz von tausend vereinigten
Sonnen ist, so grofs ist der Glanz jener Stätte, die er selbst
bestrahlt.
6. (13376.) Aus diesem Gotte, o Brahmane, als Herrn der
Welt stammt das Weltall, stammt die Geduld der Geduldigen,
o Bester, mit welcher die Erde ausgestattet ist.
7. (13377.) Aus diesem, das Wohl aller Wesen wollenden
Gotte stammt der Geschmack, mit ihm wurden die Wasser
verbunden und erlangten zugleich die Flüssigkeit.
8. (13378.) Aus ihm ist ferner entstanden das Element,
welches die Glut und das Licht als Eigenschaften an sich
tragt, mit diesem wird die Sonne ausgestattet, darum strahlt
sie im Welträume.
9. (13379.) Aus diesem Gotte, dem höchsten Purusha,
stammt die Eigenschaft der Berührung, mit welcher der Wind
ausgestattet wurde, darum durchbraust er die Welt.
10. (13380.) Aus ihm, dem Herrn und Meister aller Welten,
stammt auch der Ton, mit welchem der Äther ausgestattet
wurde, darum hat er keine Schranken.
1 1. (13381.) Aus diesem Gotte stammt das alle Wesen
durchdringende Mauas, mit ihm ist der Mond verbunden,
der daher die Fähigkeit der Aufhellung besitzt.
12. (13382.) Hervorbringerin alles Seienden wird jene Stätte
im Veda genannt, in welcher, von der Wissenschaft begleitet,
der heilige Geniefser des Götter- und Manenopfers weilt.
13. (13383.) Die nun, welche in dieser Welt fleckenlos,
frei von Gutem und Bösem leben, für diese den Weg des
Friedens Gehenden, o Bester der Zwiegeborenen,
Digitized by Google
826
III. Mokshadharnia.
14. (13 384) ist der die Finsternis in aller Welt ver-
scheuchende Sonnengott die Eingangspforte. Nachdem dort
ihr ganzer Körper von der Sonne verzehrt ist, gehen sie un-
sichtbar für jeden überall
15. (13385.) und atomklein geworden zu jenem Gotte ein.
Und auch von ihm entlassen, nachdem sie in ihm, dem Ani-
niddha, geweilt hatten,
16. (1338G.) gehen sie, zum Manas geworden, in Pradyumna
ein ; und auch von Pradyumna freigelassen, gehen sie sodann
in den Jiva, d. i. Sankarshana, ein,
17. (13387.) sie, die vorzüglichsten Brahmanen, die Sän-
khya's mitsamt den Bhägavata's. Und sodann gehen sie,
von dem Dreigunawerk befreit, unmittelbar in den höchsten
Ätman ein,
18. (13388.) die Besten der Z wiegeborenen zu dem guna-
losen Kshetrajfia. Dieser Kshetrajßa ist in Wahrheit Vasu-
deva, der Befasser fäväsaj des Weltalls.
19. (i3 38t».) Und zu diesem Vasudeva gehen ein die, welche
gesammelten Geistes, bezähmt, ihre Sinne beherrschend und
zur alleinigen Hingebung an ihn gelangt sind.
20. (133W.) Auch wir beiden, die wir, o Bester der Z wie-
geborenen, in dem Hause des Dharma geboren sind, haben
uns in diese liebliche, geräumige Einsiedelei zurückgezogen
und furchtbare Askese geübt.
21. (13391.) Was aber die künftigen, von den Göttern ge-
liebten Verkörperungen dieses Gottes in den drei Welten
betrifft, so geschieht es um ihres Besten willen [dafs wir
diese Askese üben], o Zwiegeborener.
22. (13392.) Aber auch von uns beiden, die wir nach wie
vor an unsere eigene Satzung gebunden sind, o Bester der
Zwiegeborenen , und ein in jedem Sinne beschwerliches, un-
vergleichliches Gelübde ununterbrochen betreiben,
23. (13393.) auch von uns bist du in (,'vetadvipa gesehen
worden, o Askesereicher, wie du dem Heiligen nahtest und
ihm deinen Wunsch vortrugst.
24. (13394.) Denn alles ist uns bewufst in dieser Dreiwelt
des Beweglichen und Unbeweglichen, das Zukünftige, Ver-
gangene und Gegenwärtige, das Gute wie das Böse, (13396.) [und
i
Digitized by Google
Adhyaya 346 (B. 344).
827
so wissen wir auch, dafs] jener Göttergott dir alles mitgeteilt
hat, o grofser Muni.
Vaigampftyana sprach:
25. (13 396.) Nachdem Närada dieses Wort der beiden in
furchtbarer Askese Begriffenen gehört hatte, fing er an, mit
zusammengelegten Händen und dem Näräyana einzig ergeben,
26. (13 397.) der Vorschrift gemäfs viele auf den Näräyana
bezügliche Mantra's zu murmeln, und so verblieb er tausend
Götterjahre in der Einsiedelei des Nara und Näräyana,
27. (13398.) er, der hochmächtige, heilige Weise Närada,
indem er jenen Gott verehrte wie auch beide, den Nara und
Näräyana.
So lautet im Mokahadliarma die Oeschichte vom Xarajana
(Sdrdtjaniyam).
Aclhyftya 347 (B. 345).
Vers 13309-1342G (B. 1-2*).
Vai^ampayana sprach:
1. (13399.) Nun geschah es einstmals während dieser Zeit,
dafs Närada, der Sohn des Parameshthin, nachdem er das
Götteropfer regelrecht dargebracht hatte, sodann das Opfer
an die Väter vornahm.
2. (13400.) Da sprach zu ihm der älteste Sohn des Dharma,
der Herr, das Wort: Wer ist es, dem du, o Bester der Zwie-
geborenen, opferst, wenn du ein Opfer für die Götter oder
Väter darbringst?
3. (13401.) Das sage mir, o Bester der Verständigen, ent-
• *
sprechend der heiligen Uberlieferung [die du dabei befolgst].
Welches ist das Werk, das du betreibst, und welche Frucht
erstrebst du dabei?
Närada sprach:
4. (13402.) Schon ehedem hast du mir gesagt, dafs man
den Göttern opfern müsse; das Opfer an die Götter ist das
höchste, ist der ewige, höchste Atman selbst.
828
III. Moksha.lliarma.
5. (mos.) Darum, in dieser Weise belehrt, verehre ich
durch mein Opfer den unvergänglichen Vaikuntha. Aus ihm
ist vordem entsprossen Gott Brahman, der Urvater der Welt.
6. (18404.) Diesen erzeugte erfreut der Allerhöchste als
meinen Vater, und ich bin der aus seinem Wunsche geborene
Sohn, der Erstgewünschte.
7. (13405.) Den Vätern aber opfere ich, o Guter, auf den
Befehl des Närayana, so sehr ist dieser Heilige für mich
Vater, Mutter und Grofsvater,
8. (13406.) und bei den Opfern an die Väter wird daher
allezeit der Herr der Welt verehrt Auch besagt eine andere
göttliche Schriftüberlieferung, dafs die Väter ihren Söhnen
geopfert hätten;
9. (13407.) nämlich als die Vedaüberlieferung vergessen
worden war, wurde sie ihnen von den Söhnen wieder gelehrt,
und so stiegen die mantraspendenden Söhne zum Range der
Väter auf.
10. (13408.) Gewifs habt ihr beiden, deren Geist bereitet
ist, von den Göttern die Geschichte vernommen, wie die Söhne
und die Väter sich abwechselnd gegenseitig verehrt haben,
11. (13409.) indem sie auf die vorher mit Kucagras be-
streute Erde drei Pindd's (Klöfse) legten. Aber wie kommt es
wohl, dafs die Väter auch den Namen Pinda erhalten haben?
Nara und Naräyana sprachen:
12. (13410.) Einstmals war diese ozeanumgürtete Erde ver-
sunken, da hat sie Govinda, indem er die Gestalt eines Ebers
annahm, alsbald wieder heraufgeholt.
13. (13411.) Nachdem aber der höchste Purusha die Erde
wieder an ihrem Orte befestigt hatte, wollte er, der sich bei
der Anstrengung um des Heiles der Welt willen mit Wasser-
schlamm beschmutzt hatte,
14. (1341-2.) da die Sonne im Verlaufe des Tages gerade
ihren [heifsesten] Stand zur Mittagszeit erreicht hatte, drei
an seinen Hauern hängengebliebene Klöfse (pinda) mit Gewalt
abschütteln.
15. (13413.) Er schleuderte sie auf die Erde, die er vorher
mit Kucagras bestreut hatte, o Närada, und in ihrer Form
Digitized by Google
Adhyaya 347 (B. 345).
829
brachte er, auf sich selbst Bezug nehmend, das Väteropfer
dar, wie es die Vorschrift erheischt.
16. (13 4U.) Und nachdem der Herr die drei Klöfse nach
seinem eigenen Brauche zubereitet hatte mit Öl enthaltenden
Sesamkörnern, die aus der Erhitzung seines eigenen Leibes
entsprungen waren,
17. (13 416.) weihte der Gottherr sie als Darbringung und
vollbrachte es selbst, mit dem Angesicht nach Osten gewandt.
Und um eine Satzung aufzurichten, sprach er sodann das
folgende Wort.
Vrish&kapi (oben, Vers 13247 fg.) sprach:
18. (13416.) Als ich als Weltschöpfer mich selbst dazu
anschickte, die Väter (pitarah als Acc.) zu schafTen, da wurden
von mir alsbald, während ich (tasya mit C.) über die höchsten
Satzungen der den Vätern darzubringenden Opfer nachdachte,
19. (13 417.) diese Klöfse von meinen Hauern nach Süden
hin abgeschüttelt, und indem sie zur Erde fielen, entstanden
dadurch die Väter.
20. (13 418.) Ohne feste Formen sind die drei Klöfse; und
so sollen auch die ewigen, von mir geschaffenen Väter (Manen)
diesen Klofsen an Gestalt gleich sein.
21. (13419.) Und als der [abgeschiedene] Vater, Grofsvater
und Urgrofsvater bin ich zu verstehen, der ich in den drei
Klöfsen weile.
22. (13420.) Keinen Höhern gibt es als mich, welcher andere
könnte also von mir verehrt werden oder mein Vater in der
Welt sein! Ich bin ja der Grofsvater
23. (13421.) und der Vater des Grofsvaters, bin der letzte
Urgrund. Nachdem der Göttergott als Vrishakapi dieses Wort
gesprochen hatte,
24. (13422.) legte er die Klöfse mit Zubehör auf dem Eber-
berge nieder, o Brahmane, zollte sich selbst [als in den Klöfsen
befindlich] Verehrung und verschwand.
25. (13423.) Das ist also seine Einsetzung, o Brahmane,
dafs die Väter unter dem Namen der Klöfse immerdar Ver-
ehrung empfangen, dem Worte des Vrishakapi entsprechend.
20. (13424.) Wer nun den Vätern, Göttern, Lehrern,
III. Moksliadharma.
Gästen, Kühen, Brahmanenobersten und der Mutter Erde Ver-
ehrung zollt
27. (13425.) in Werken, Gedanken oder Worten, der ver-
ehrt damit den Vishnu selbst. Er, der Heilige, ist in allem
Seienden verkörpert,
28. (13426.) ein und derselbe in allen Wesen, er, der über
Lust und Leid erhabene, grofse, grofswesenhafte, allwesen-
hafte Narayana, so lehrt die Schrift.
So lautet im Moktkadharma die Geschieht« tom Narayana
(Xdrdyantyom).
Adhyftya 348 (B. 846).
Vers 13427-13448 (B. 1-22).
Vai<;ampäyana sprach:
1. (13427.) Als Närada diese von Nara und Narayana aus-
gehende Rede vernommen hatte, da kam er, voll Liebe er-
füllt, zur absoluten Alleinverehrung dieses Gottes.
2. (13428.) Nachdem er somit tausend Jahre in der Einsiedelei
des Nara und Narayana geweilt, die Erzählung von dem Heiligen
gehört und den unvergänglichen Hari selbst geschaut hatte,
3. (13429.) kehrte er alsbald zum Himälaya zurück, wo
seine eigene Einsiedelei stand. Und sie, die berühmten Asketen
und Weisen Nara und Narayana,
4. (13430.) fuhren fort, in ihrer lieblichen Einsiedelei die
höchste Askese zu üben. Aber auch du [o Janamejaya], un-
ermefslich tapferer Nachkomme der Pandava's,
5. (13431.) bist nunmehr in deinem Geiste geläutert worden,
weil du diese Erzählung von Anfang an vernommen hast. Für
den gibt es nicht jene Welt und nicht diese, o bester Fürst,
6. (13432.) welcher in Werken, Gedanken oder Worten dem
ewigen Vishnu feind ist. Dessen Väter versinken in die Hölle
für ewige Zeiten,
7. (13433.) welcher den Besten der Götter, den Gott Hari
Narayana hafst. Wie könnte aber irgend jemandem der
Atman (das Selbst) der Welt hassenswert erscheinen!
Digitized by Googl
Adhyaya 348 (B. 346).
8. (13434). Als dieser Atman aber, o Manntiger, ist Vishnu
anzuerkennen, das steht fest. — Jener Weise [Vyäsa], der
Sohn der Gandhavati, der unser Lehrer ist,
9. (13436.) von dem ist jene höchste, ewige Majestät [des
Vishnu] verkündet worden, von ihm habe ich sie vernommen
und dir, o Untadliger, mitgeteilt.
10. (13436.) Närada aber ist es, welcher diese Lehre mit
ihren Mysterien und sonstigem Zubehör unmittelbar von dem
Herrn der Welt Xäräyana erlangt hat, o Fürst.
11. (13437.) Das ist die grofse Lehre, und sie, mit kurzen
Vorschriften versehen, ist dir schon vordem, o Bester der
Fürsten, mitgeteilt worden in der Harigitä (wohl = Bhaga-
vadgitä).
12. (13438.) Aber den Vyäsa, den Krishna Dvaipäyana sollst
du wissen als den auf Erden wandelnden Xäräyana, denn wer
anders als dieser, o Manntiger, könnte der Verfasser des
Mahähhäratam sein,
13. (13439.) und wer anders aufser ihm, dem Herrn, könnte
die mannigfachen Satzungen verkündigt haben!
14. Nun mag das grofse Opfer vor sich gehen, wie es
von dir vorbereitet worden ist, (13440.) denn du hast ja das
Rofsopfer vorbereitet und das Gesetz nach seiner Wahrheit
kennen gelernt.
Sauti sprach:
15. (13 441.) Nachdem der beste Fürst [Janamejaya] diese
Erzählung angehört hatte, vollzog er alle zur Vollbringung
des Opfers erforderlichen Bräuche.
16. (13 442.) Dir aber, o (.aunaka, ist diese Geschichte vom
Xäräyana heute hier auf deine Frage von mir im Kreise der
Bewohner des Xaimishawaldes erzählt worden,
17. (13443.) wie sie einst Xärada dem Lehrer der Rishi's
und Pändava's [wohl Vyäsa, nach Nil. Brihaspati] mitgeteilt
hat, während Krishna und Bhishma zuhörten.
18.* (13444.) Er [Xäräyana] ist ja der höchste Weise,
Herr der Menschen und der Welt, Träger selbst der
breiten Erde und der Schrift und Zucht Behälter, Hort
* Über die Metra von 18-22 tgl. Hopkins, The Great Epic, p. 3f>3.
*32
III. Mokshadharnia.
des Friedens und des Zwanges, hoch die Zucht und
Selbstzucht schätzend, Z wiegeborene folgen ihm, und
auch dir als Zuflucht diene Hari, der unsterblich Gute.
19. (13445.) Er, der Töter der Dämonen, der Behälter
der Askesen, der Befasser grofsen Ruhmes, Kaitabha's und
Madhu's Töter, Pflichtgetreuen Weg und Zuflucht, er, der
Opferanteilnehmer, möge dir auch Schutz verleihen.
20. (13446.) Dreigunahaft, dreigunalos, vier der Gestalten
zeigend, teilnehmend an der Frucht bei Werk und Opfer, er
möge unbesiegt und unerschüttert verleihen allezeit den
rechten Gang, der hin zum Atman führt die frommen Rishi's.
21. (13447.) Vor ihm, dem Zuschauer der Welt, dem
ewigen Purusha, dem alten, dem sonnenfarbenen Herrn
und Helfer, verneigt euch vielfach mit vereintem Geiste,
vor ihm, dem Rishi, dem sogar sich neigte vordem der
Erstgeborene der Wasser.
22. (13448.) Er ist die Wiege ja der Welt, die Stätte der
Unsterblichkeit, verborgene Zuflucht, unerschütterlicher
Ort, von Säiikhya's und von Yogin's hochgehalten (dhritam
mit C.) und von im Geist Bezähmten wird dies Ewige.
So lautet im Mokahadhanna die Oeachichte vom Karayaria
( Sdrdyaniyam).
AdhyAya 349 (B. 347).
Vera 13449-13546 (B. 1-96).
Caunaka sprach:
1. (13449.) Vernommen haben wir nunmehr die Majestät
jenes heiligen, höchsten Ätman und die Geburt des Nara
und Närayana in dem Hause des Dharma
2. (13460.) und die von dem grofsen Eber vordem ver-
anlafste Entstehung derPinda's; ferner auch, wer in irgend-
einer Weise für die Aktivität oder Passivität bestimmt isL
3. (13451.) Und ebenso haben wir von dir, o untadliger
Brahmane, vernommen die Erzählung von dem im grofsen
nordöstlichen Ozean weilenden Vishnu, dem Geniefser des
Götter- und Manenopfers.
Digitized by Google
Adhyaya 349 (B. 347).
4. (13 45-.\) Aber jenes grofse Rofshaupt, von dem du vor-
her erzähltest, ißt ja auch von dem heiligen Gott Brahmän
Parameshthin gesehen worden.
5. (13453.) Was hat nun, als er diese vom welttragenden
Hari vordem geschaffene Gestalt und Gewalt erblickte, wie
sie unter den grofsen Dingen noch nicht dagewesen war,
o Bester der Weisen,
6. (13454.) als er jenen besten Gott, den wunderbaren,
unermefslich kräftigen, heiligen Rofshauptträger erblickte,
was hat da Gott Brahmän getan, o Muni?
7. (13455.) Uber diesen Gegenstand unseres Zweifels sprich
uns, o Brahmane, über jene aus Erkenntnis entsprungene
Schöpfung des grofsen Purusha, o du Hochweiser.
8. (13456.) Wir fühlen uns geläutert durch dich, o Brah-
mane, wenn du uns eine heilige Geschichte vorträgst.
Sauti sprach:
(13457.) Ich will dir die ganze alte, mit dem Yeda im
Einklang stehende Geschichte erzählen,
0. wie sie der heilige Vyäsa [schüler] vor dem König
[ Janamejaya] , dem Sohne des Parikshit, vorgetragen hat.
(13458.) Nachdem nämlich der König von dem Gotte Hari-
medhas in der Gestalt des Rofshauptcs hatte erzählen hören.
10. da stieg ihm ein Zweifel auf, und er brachte
folgende Frage vor.
Janamejaya sprach :
(13451») Da Gott Brahmän den Gott mit dem Rofslmupte
gesehen hat,
11. so mögest du mir, o Bester, erklären, zu welchem
Zwecke jenes [Rofshaupt] entstanden ist.
Vairampävana sprach :
(13460.) ü Fürst, alles was hier auf der Welt an Körper-
lichem vorhanden ist,
12. das alles ist von den fünf Elementen gebildet, wie
sie der Herr ausgesonnen hat. (134<;ij Denn der Herr ist es.
der die Welt schuf, der mächtige Näräyana als Yiräj.
834
III. Mokshatllninna.
13. er, das innere Selbst der Wesen, der Gabenspender,
der Gunahafte und Gunalose. (13462.) Vernimm aber jetzt,
o Bester der Fürsten, wie die Wesen samt und sonders zu-
grunde gehen.
14. Als sich die Erde vordem in Wasser und in dem
einen Ozean auflöste, (13463.) als dann das Wasser zu Feuer
und das Feuer zu W r ind wurde,
15. der Wind im Äther sich auflöste und der Äther im
Manas, (134C4.) als das Manas in das Entfaltete einging und
das Entfaltete in das Unentfaltete
1<>. und das l nentfaltete in den Purusha und nur der
Purusha überall vorhanden war, (13466.) da war alles eine
Finsternis und nichts war zu erkennen.
17. Den aus der Finsternis als das Brähman Entstandenen,
in der Finsternis Wurzelnden, Unsterblichen, (13466.) ihn, der
die Gestalt als Purusha annahm, welche von ihm den Namen
Allmacht trägt, —
18. Aniruddha wird er genannt — ihn nennt man auch
das Pradhänam. (13467.) Dieses, soll man wissen, ist das Drei-
gunahafte, Unentfaltete, o Bester der Männer.
10. Die Wissenschaft als Gefährtin habend, hatte der
allumschützte, mächtige Gott Hari (13468.) sich auf den Wassern
gelagert, dem Yogaschlummer hingegeben,
20. indem er die mannigfache, aus vielen Kräften ent-
springende Schöpfung der Welt überdachte. (13 469.) Indem
er die Schöpfung überdachte, erinnerte er sich an seine grofse
Selbstkraft;
21. dadurch entstand der Ahankära (das Ichbewufstsein),
und dieser ist Gott Brahmän mit vier Angesichtern, (13470.) der
heilige Hiranyagarbha, der Urvater aller Welten.
22. Da geschah es, dafs der aus Aniruddha Entsprungene,
Lotosaugige, (13471.) Glanzreiche, Ewige, in der tausendblätt-
rigen Lotosblume sitzend,
23. der Herr, einem Wunder vergleichbar, die aus Wasser
bestehenden Welten schaute (13472.) und sich anschickte, die
Scharen der Wesen zu schaffen, er, der im Sattvam stehende
Parameshthin.
24. Vorher aber schon hatten sich auf dem sonnengleich
1
Digitized by Google
Adhyäya 349 (Ii. 347 ).
835
strahlenden Blatte der Lotosblume (13 473.) zwei von Xäräyana
geschaffene, kraftüberlegene Wassertropfen angesetzt.
25. Diese beiden erblickte der anfang- und endlose, un-
wandelbare Heilige. (13474.) Der eine Tropfen war an leuch-
tendem Glänze dem Honig fnuulhuj vergleichbar;
2t>. dieser wurde aus dem Tamas geboren als [der Dä-
mon] Madhu auf Befehl des Xäräyana. (13475.) Der andere
Tropfen, zähe fkathina) und aus dem Kajas geboren, wurde
zum Dämon Kaitabha.
27. Diese beiden stürmten heran, überlegen, mit den
Guna's des Tamas und Kajas erfüllt, (1347«) gewalttätig,
keulenschwingend, und klommen an dem Lotosstengel empor.
28. Da sahen sie, wie im Kelche der Lotosblume der
unermefslich glänzende Gott Brahmän safs (13477.) und als
erstes die vier Veden in schöner Leibhaftigkeit schuf.
2L>. Als die beiden leibhaftigen, höchsten Dämonen die
Veden sahen, (13478.) bemächtigten sie sich alsbald der Veden
vor den Augen des Gottes Brahmän.
30. Und die beiden trefflichsten Dämonen packten die
ewigen Veden (13479.) und tauchten mit ihnen schleunigst in
dem nordöstlichen Ozean zur Unterwelt nieder.
31. Als ihm so die Veden entrissen waren, geriet Gott
Brahmän in Verzweiflung (mso.) und sprach, der Veden be-
raubt, zu dem Herrn das Wort.
Gott Bralmiäu sprach :
32. (13481.) Die Veden sind mein höchstes Auge, die Veden
meine höchste Kraft, die Veden sind meine höchste Stätte,
die Veden mein höchstes Heiligtum.
33. (134H_>.) Alle meine Veden sind mir hier von zwei
Dämonen mit Gewalt weggenommen worden; nun sind die
Welten für mich verfinstert, da sie der Veden beraubt sind.
34. (13 483.) Wie kann ich ohne die Veden die treffliche
Weltschöpfung vollbringen! 0 welch ein grofses Leid hat
mich durch den Verlust der Veden getroffen
35. (13484.) und brennt mit Heftigkeit mein kummervolles
Herz! Wer wird mich jetzt aus dem Ozean des Leides heraus-
ziehen, in den ich versunken bin,
836
III. Mokshariharma.
36. (13485.) und die verlorenen Veden wiederbringen ! Wer
hat mich heb genug dazu? — Indem Gott Brahmän so
jammerte, o Bester der Fürsten,
37. (13486.) kam ihm der Gedanke, o Bester der Denker,
dem Hari ein Loblied zu singen, und mit zusammengelegten,
vorgestreckten Händen trug der Herr die höchste Munne-
lung vor.
Gott Brahm&n sprach:
38. (13487.) Om! Verehrung dir, o Brahmanherz, Ver-
ehrung dir, der du vor mir geboren bist, Weltenerster, Bester
der Wesen, mächtiger Behälter des Sänkhyam und Yoga,
39. (13488) Schöpfer des Entfalteten und Unent falteten,
Unausdenkbarer, der du den Weg des Friedens wandelst,
Allgeniefser, inneres Selbst aller Wesen, Nichtmutterschofs-
entsprungener! (13489.) Ich bin durch deine Gnade geboren
als Stätte und Schöpfer der Welt.
40. Meine erste Geburt aus dir, welche die Zwiegeborenen
preisen, war aus deinem Geiste; (13490.) meine zweite uranfäng-
liche Geburt geschah aus deinen Augen.
41. Durch deine Gnade erfolgte meine dritte grofse Ge-
burt aus deiner Rede, (13491.) und aus deinen Ohren war meine
vierte Geburt, o Mächtiger.
42. Zu den Acvin's [Näsatya als Schutzgöttern des Ge-
ruchs, Nil.J in Beziehung stehend ist meine folgende Geburt
aus dir. (13492.) Aus dem [Welt-] Ei ist meine sechste Geburt
von dir erschaffen worden.
43. Und diese meine Geburt aus dem Lotos ist die
siebente, o Herr. (13493.) In jeder einzelnen Schöpfung bin
ich dein Sohn, o du Dreigunaloser,
44. dein erstgeborener, lotosaugig, aus dem obersten Guna,
dem Sattvam, gebildet. (13494.) Du freilich bist der Herr, die
Urnatur, die Werkfessel, der durch sich selbst Seiende,
45. ich aber bin von dir geschaffen worden, nicht alternd,
den Veda als Auge habend, (13495.) und nun ist mir mein
Auge, der Veda, geraubt worden und ich bin blind ! Erwache
4o\ und gib mir meine Augen wieder, lieb bin ich dir,
lieb bist du mir. — (13496.) Als der heilige, allwärts bückende
Purusha in dieser Weise gepriesen wurde,
Digitized by Google
Adhy&ya 349 (B. 347).
837
47. da gab er den Yogaschlummer auf und richtete seine
Aufmerksamkeit auf die Angelegenheit des Veda; < 13497.) und
durch Anwendung seiner Herrschermacht nahm er eine neue
Erscheinungsform an,
48. und indem er in einem Körper mit schönen Nüstern
wie der Mond erglänzte, (13498.) verwandelte sich der Herr in
ein schönes Rofshaupt zur Bergung der Veden.
49. Sein Haupt war der Himmel mit Mondhäusern und
Sternen, (13 499.) seine Haare waren lang und kamen an Glanz
den Sonnenstrahlen gleich.
50. Seine Ohren waren Luftraum und Unterwelt, seine
Stirn war die Wesen erhaltende Erde, (13 500.) Gaiigä und
Sarasvati waren seine Hüften, die beiden Ozeane seine Brauen,
51. Sonne und Mond seine Augen, die Dämmerung seine
Nase, (13501.) der Omlaut war sein gestaltendes Prinzip
(saiiskäraj, der Blitz seine Zunge,
52. seine Zähne waren die als Somatrinker bekannten
Väter, (13 50-2.) die Kuhwelt und die Brahmanwelt waren die
Lippen des hochsinnigen Rofshauptes,
53. sein Hals war die gunalösende Zeitnacht [nach dem
Weltuntergang]. (13503.) Nachdem Narayana sich zu diesem
mannigfache Gestalten zeigenden Rofshaupte gemacht hatte,
54. verschwand der mächtige Allherr und ging in die
Unterwelt ein. (13504.) In die Unterwelt gelangt, gab er sich
dem höchsten Yoga hin,
55. und indem er die in der (^ikshä gelehrte Aussprache
benutzte, liefs er den Udgitha ertönen. (13505.) Dieser Ton mit
seinem Nachhall, nach allen Seiten lieblich sich verbreitend,
5(5. durchdrang das Innere der Erde, mit den Reizen aller
W r esen ausgestattet und schön. (1350c) Darauf nahmen die
beiden Dämonen den Veden das Versprechen ab [ihnen ge-
horsam zu sein],
57. brachten sie in der Unterwelt in Gewahrsam und
rannten dahin, woher der Ton kam. (13507.) Während dieser
Zeit, o König, bemächtigte sich der rofshauptgestaltete Gott
58. Hari der sämtlichen in die Unterwelt verschleppten
Veden (13508.) und gab sie dem Gott Brahmän zurück. Darauf
begab er sich wieder in seine alte Lage,
838
III. Moksbiidliarma.
59. nachdem er das Rofshaupt in den nordöstlichen
Ozean versetzt hatte. (13509.) So vollbrachte der Rofshaupt-
gestaltete die Bergung der Veden.
00. Aber die beiden Dämonen Madhu und Kaitabha,
nachdem sie dort nichts gesehen hatten, (13510.) stürmten in
Eile zurück und sahen,
61. dafs die Stelle, wo sie die Veden verwahrt hatten,
leer war. (in 511.) Da gerieten die gewaltig Starken in die
gröfste Wut
02. und fuhren schleunigst aus der Rasa (Unterwelt) ge-
nannten Behausung heraus; (13512.) da sahen sieden Purusha,
den mächtigen Anfangsschöpfer,
03. weifs, von reinem Aussehen wie der Mond, in der
Erscheinungsform des Aniruddha, (13513.) unermefslich tapfer,
wie er sich dem Yogaschlummer überlassen hatte
04. auf dem seiner Gröfse entsprechenden, auf dem
Wasser schwimmenden, (135H.) aus den Windungen seiner
Schlange gebildeten Lager, welches von einem Kranze lodern-
der Flammen umgeben war.
05. Als sie ihn nun in fleckenlosem Sattvam und leuch-
tendem Glänze (13515.) daliegen sahen, da brachen die beiden
Dämonenfürsten in ein grofses Gelächter aus
00. und sprachen, von Rajas und Tamas besessen:
( 1351c) Da liegt ja der weifse Purusha und hat sich dem
Schlafe überlassen!
07. Der ist es also gewesen, der uns die Veden aus der
Unterwelt gestohlen hat! (13517.) Von wem stammt er und
wer ist er eigentlich? Und was hat er auf den Schlangen-
windungen zu schlafen?
08. Durch solche Ausrufe weckten sie den Hari auf.
(13518.) Als der weise, höchste Purusha sie voll Kampflust sah,
00. da mafs er die beiden Dämonenfürsten mit den
Blicken und entschlofs sich zu kämpfen. (13519.) Nun ent-
brannte ein Kampf zwischen den beiden und dem Närayana*
70. und die beiden Rajas und Tamas im Leibe haben-
den Madhu und Kaitabha (13520.) wurden, um die dem Gotte
Brahmän angetane Schmach zu rächen, von Madhusüdana
(dem Madhutöter) erschlagen.
Digitized by Google
Adhyfty» 349 (B. 347).
71. Dadurch aber, dafs er sie tötete und ihnen den Veda
wieder entrissen hatte, (13521.) stillte der höchste Purusha
alshuld das Leid des Gottes Rrahman.
72. Darauf schuf unter Hari's Heistand und mit Hilfe
der Ycden Gott Brahmän (n&a*) die gesamten Welten mit
allem Unbeweglichen und Beweglichen.
7:1. Gott Hari aber, nachdem er dem Urvater die höchste,
weltschatVende Einsicht eingeflöfst hatte, ri:i.i*:t.) verschwand
und zog sich wieder dorthin zurück, woher er gekommen war.
74. Nach der Tötung der beiden Dänava's und der Her-
vorbringung des Rofshauptes hm>'u.) nahm llari nochmals
dessen Gestalt an, um die Satzung der Aktivität zu befordern.
7;"). So hatte also der hochbeglückte Hari die Gestalt
als Rofshnupt angenommen, (i».v»y) welche an ihm als eine
uralte, gabens|>endende, göttliche gepriesen wird.
7ü. Wenn nun ein Brahmane diese Erzählung beständig
anhört und behält, (mm«.) so wird sein Yodastudium niemals
in Verfall geraten.
77. Diesen rofshaupttragenden Gott hatte durch furcht-
bare Askese für sich gewonnen (n.vjT.) Paficäla. da empfing
er auf dem von dem Gott gewiesenen Wege den kramapätha.
7*. So war es mit dem Kofshaupte, o König. und damit
habe ich dir na.v.»*» seine alte, mit <lem Veda in Einklang
siehende Geschichte erzählt, nach der du mich gefragt hast.
7 1 .». Welcher Art auch immer die Erscheinungsform sein
mag. die der Gott, indem er sich irgendwo eine Aufgabe setzt,
anzunehmen wünscht, n:iv»u die nimmt er an, indem er sieh
selbst durch sich selbst umwandelt.
h>. Er ist das herrliche Gcfiifs des Veda. er ist der Askese
Gefäfs. n:i:.:uu er ist Yoga und Sänkhvain, das uranf augliche
Rrahman. der mächtige Hari (mit ('.).
Hl. Narayana ist das Endziel des Veda, Narayana das
Wesen des Opfers, n:t:.:»i) Narayana ist das Endziel der A>ke>e
und das Endziel des Weges.
Narävana ist das Endziel der Wahrheit, Narayana
da* Endziel des Rechts, <t.v..i-j.) Narayana ist das Endziel der
Pflicht, welche eine Wiederkehr ausschliefst | immtnh rttti-
durlMuth, anders oben, Vers i ;
Digitized by Google
840
III. Mokshatllianna.
83. Aber auch die Pflicht, welche Aktivität fordert, ist
ihrem Wesen nach Näräyana. (13533.) Dem Näräyana gehört
in der Erde der beste Geruch an;
84. der Geschmack als Qualität des Wassers, o König,
ist seinem Wesen nach N&rayana; (13534.) und auch die herr-
liche Sichtbarkeit des Feuers ist Näräyana ihrem Wesen nach;
85. auch die Berührung als Qualität des Windes ist ihrem
Wesen nach Näräyana; (13535.) und auch der aus dem Äther
entspringende Ton gehört dem Näräyana an.
80. Und auch das die Qualität des Unentfalteten tragende
Mauas entspringt aus ihm; (1353c) Näräyana ist der Gebieter
der Zeit, und der Gang der Gestirne ist er.
87. Näräyana ist Herr des Ruhmes, ist Herr der Göttinnen
des Glückes und der Schönheit; (13537.) Näräyana ist das
höchste Ziel des Sänkhyara und das Wesen des Yoga.
88. Er, der Purusha, ist die wahre Ursache für alles,
was als Ursache sowohl die Prakriti (13538.) als auch die eigene
Natur, die Werke und das Schicksal hat.
89. Er ist Standort, Täter und auch das Werkzeug,
(13539 ) sowie die mannigfache Betätigung und das Schicksal
als fünftes.
90. Und so ist Hari die Summe der fünf Ursachen und
ihr tragender Grund allerwärts. (13540.) Wer mit überallhin
dringenden Mitteln die Wahrheit zu erkennen sucht,
91. für den ist die Wahrheit er allein, der grofse Yogin,
Hari Näräyana, der Herr. (13541.) Was Brahmän und die
Welten, was die hochsinnigen Rishfs,
92. die Sänkhyas, Yogin's, Selbstbezähmer und Selbst-
erkenner (13542.) ausdenken mögen, das durchschaut Kecava,
aber sie durchschauen nicht, was er denkt
93. Für alle, welche in allen Welten den Göttern und
Manen Opfer bringen, (13 543.) Gaben spenden und grofse
Askese üben,
94. für diese alle ist Vishnu in seiner Majestät der
tragende Grund. (13544.) Weil er die Heimstatt fäväsaj aller
Wesen ist, wird er Väsudeva genannt.
95. (13545.) Er ist der ewige, höchste, grofse W r eise,
ist Machtentfaltung, ist der Gunafreie, der doch mit
Digitized by Googl
Adhyaya 349 (B. 347).
841
Guna's sich alsbald verbindet, wie jenachdem die Zeit
mit Jahreszeiten.
96. (13546.) Von ihm, dem Hochgesinnten, findet nie-
mand, wohin er geht, woher er ist gekommen ; die grofsen
Weisen, die das Wissen pflegen, schauen ihn als ewigen
Geist, als Gunalosen.
So UuU»t im Moksbadharma die OcBchichte vom NArftyana
(S Irdyoniyam).
Adhyäya :*oO (B. »48).
Vers 13547-13G3G (B. 1-8S).
Janamejaya sprach:
1. (13517.) 0 wie sehr liebt doch der heilige Hari alle
Ekäntin's (ihm allein Ergebenen)! Wie nimmt doch der
Heilige die von ihnen vorschriftsmäfsig dargebrachte Ver-
ehrung gern entgegen!
2. (13548.) Sie, welche in der Welt frei von Gutem und
Bösem sind, wie eine Flamme, deren Brennholz verbrannt ist
[frei von Rauch], gehen ihren Weg, wie du ihn mir als über-
lieferten mitgeteilt hast.
3. (13 54».) Erst bei dem vierten Gange gelangen [durch
Aniruddha, Pradyumna und Sankarshana hindurch] jene
[anderen Menschen] zum höchsten Purusha, aber die ihm
einzig ergebenen Menschen fvhhüinah) gelangen [sogleich]
zur höchsten Stätte.
4. (13 550.) Gewifs ist dieser Weg der Ekantin's der beste,
und Narayana liebt es, wenn einer, ohne die drei vorherigen
Wege zugehen, zu ihm, dem unvergänglichen Hari gelangt.
ö. (13 551.) Von dem We<;e der Brahmanen, welche mit ge-
bührendem Eifer die Veden nebst l'panishad's vorschrifts-
mäfsig rezitieren, und auch von dem Weg derer, welche sich
die Askese zur Pflicht machen,
6. (13 562.) verschieden ist der Weg der Männer, welche
ihm einzig ergeben sind, das weifs ich; aber von welchem
Gotte oder Rishi ist diese Lehre mitgeteilt worden?
842
III. Mokshadharma.
7. (13 55:».) Welches ist der Wandel der einzig ihm Er-
gebenen, und wann ist er gelehrt worden, o Mächtiger? Diesen
Zweifel löse mir, denn höchste Wifsbegierde erfüllt mich.
Vaicampayana sprach:
8. (13554.) Als die Heere der Kuru's und Pändava's in
Schlachtordnung aufgestellt waren, und als Arjuna von Ver-
zagtheit befallen wurde (oben, S. 35 fg.), da wurde von dem
Heiligen selbst besungen
9. (13 535.) der Abweg und der Weg, wie ich dir schon
früher erzählte. Geheimnisvoll ist ja diese Lehre und schwer
erkennbar für solche, welche unbereiteten Geistes sind.
10. (13556.) In Einklang mit dem Sämaveda wurde vor-
dem im Zeitalter Kritam diese Lehre geschaffen und wird
noch aufrecht erhalten von ihm selbst, o König, von dem
Gotte Näräyana.
11. (13557.) Nach dieser Sache, o grofser König, wurde
von dem Prithäsohne (?) der hochbeglückte Narada im Kreise
der Rishi's befragt, wahrend Krishna und Bhishma zuhörten
[vgl. Vers 13443, anders unten, Vers lacnj,
12. (13558.) und mir (mama mit C.) wurde sie von meinem
Lehrer mitgeteilt, o Bester der Fürsten; vernimm sie so, wie
sie damals von Narada erzählt wurde.
13. (13550.) Als, o Erdeherr, die Geburt des Gottes Brah-
män aus dem Manas des Näräyana, aus dessen Munde er-
folgte, damals hat Näräyana selbst
14. (13560.) nach dieser Satzung das Götter- und Manen-
opfer geschaffen, und diese Satzung erlernten von ihm die
schaumernährten Rishi's.
15. (13561.) Von diesen schaumtrinkenden Bishi's haben
die Vaikhänasa's diese Satzung überkommen, und von den
Vaikhänasa's empfing sie Sorna. Dann ist sie wieder ver-
schwunden.
16. (13 562.) Als sodann die zweite Geburt des Gottes Brah-
män aus den Augen [Näräyana's] erfolgte, da (tadä mit C.)
lernte der Urvater (Gott Brahmän) die Satzung von Sorna.
17. (13 563.) Der Narayanahafte gab sie weiter dem Rudra,
Digitized by Google
Adhyftya 350 (B. 'M*).
843
o König; der im Yoga beharrliche Rudra hat dann vordem
im Weltalter Kritam, o Fürst,
IS. (13564.) diese Satzung allen Välakhilya-Rishi's über-
mittelt; und abermals verschwand sie durch die Zauberkraft
jenes Gottes.
19. (13 565.) Als sodann die dritte grofse Geburt des Gottes
Brahmän aus der Rede [Näräyana's] erfolgte, ist diese Satzung
aus Narävana selbst entstanden, o Fürst.
20. fiaftcc.) Sie erlangte ein Rishi mit Namen Suparna
von dem höchsten Purusha vermöge seiner Askese, Bezäh-
mung und Selbstbezwingung.
21. Weil Suparna diese höchste Satzung dreimal
[täglich] durchging, darum wird dieses Gelübde der Trisu-
parna-Ritus genannt,
22. (13 6G8.) und dieses im Rigveda [10,114, 3-5 J vor-
kommende Gelübde ist schwer zu vollbringen. Von Suparna
wurde diese ewige Satzung übernommen
23. (13569.) durch den das Leben der Welt tragenden Wind-
gott, dem er es mitteilte, o Bester der Zweifüfsler. Vom
Windgotte erlangten sie die von Überbleibseln lebenden
Rishi's,
24. (13570.) und von ihnen erlangte der grofse Ozean diese
höchste Satzung. Darauf verschwand abermals die von Nä-
räyana eingesetzte Satzung.
25. (13571.) Als wiederum die Schöpfung des hochsinnigen
Gottes Brahmän aus dem Ohre [Näräyana's] stattfand, o Mann-
tiger, was da geschah, das vernimm von mir.
20. (13572.) Als Huri Narävana selbst seinen Geist darauf
richtete, die Welt zu schaffen, da erdachte er einen mäch-
tigen Purusha, der die Weltschöpfung vollbringen sollte.
27. (13573.) Da ging, indem er daran dachte, aus seinen
Ohren ein Purusha hervor, nämlich der die Schöpfung der
Wesen vollbringende Gott Brahmän. Zu diesem sprach der
Herr der Welt:
28. (13 574.) 0 Sohn, schaffe alle Geschöpfe aus deinem
Munde wie aus deinen Füfsen, ich werde dir dazu Glück,
Kraft und Energie verleihen, o Gelübdetreuer;
29. (13575.) auch nimm von mir eine Satzung entgegen.
844
III. Mokshadharma.
welche den Namen Säfvata führt; mit dieser erschaffe und
stütze das Kritaweltalter nach der Vorschrift.
30. (18576.) Da zollte Gott Brahmän dem Gotte Hari-
medhas seine Verehrung und nahm von ihm die vorzügliche
Satzung nehst zugehöriger Geheimlehre und Auszügen in
Empfang.
31. (13577.) Und nachdem Näräyana dem unermefslich
kräftigen Gotte Brahmän die von einem Äranyakam begleitete,
seinem Munde entströmende Lehre mitgeteilt hatte,
32. (13678.) ging er mit den Worten: „Du sollst der
Schöpfer der Satzungen für die Weltalter sein" zu der jen-
seits der Finsternis gelegenen Stätte, in welcher das Unent-
faltete ruht und die den Namen „Werk ohne Wünsche" trägt.
33. (13579.) Darauf schuf der gaben verleihende Gott Brah-
män, der Urvater der Welt, die sämtlichen Welten mit allem
Unbeweglichen und Beweglichen.
34. (13580.) Zunächst nun entstand das Weltalter Kritam
als ein glückliches, denn in ihm bestand die Sätvatasatzung,
sich durch alle Welten verbreitend.
35. (13581.) Mit dieser uranfänglichen Satzung verehrte
Gott Brahmän, der Weltschöpfer, den Götterherrn Hari, den
mächtigen Näräyana.
36. (13582.) Und um die Satzung zu festigen, lehrte er sie
dem Manu Svärocisha aus Wohlwollen für die Welten.
37. (13583.) Svärocisha aber, der mächtige Herr der ganzen
Welt, belehrte vor Zeiten mit gesammeltem Geiste seinen
eigenen Sohn Qankhapada, o Fürst.
38. (13584.) Qankhapada belehrte weiter seinen leiblichen
Sohn, den Hüter der Weltgegenden Suvarnäbha. (13586.) Und
wiederum verschwand die Satzung, als das Zeitalter Tretä
anbrach.
39. Und als weiterhin die Geburt des Gottes Brahmän
unter Beistand der Agvin's [als Schutzgötter der Nase] statt-
fand, o bester Fürst, (13 586.) hat der mächtige Gott Hari Nä-
räyana selbst diese Satzung
40. verkündigt, er, der lotosaugige Gott. Von Gott
Brahmän, vor dessen Augen dies geschah, (13587.) hat sie weiter
erlernt der heilige Sanatkumära.
Digitized by Google
Adhy&ya 350 (B. 348).
845
41. Von Sanatkumära aber hat der Schöpferherr Virana
(13 588.) am Anfang eines [abermaligen] Zeitalters diese Satzung
gelernt, o Kurutiger.
42. Virana aber, nachdem er sie erlernt hatte, überlieferte
sie dem Weisen Raibhya, (13589.) und Raibhya hat sie seinem
reinen, gelübdetreuen, frommen Sohne
43. mit Namen Kukshi übergeben, dem pflichtkundigen
Hüter der Weltgegenden. (13590.) Dann aber verschwand aber-
mals die aus dem Munde des Näräyana hervorgegangene
Satzung.
44. Weiter wurde bei seiner Geburt aus dem Ei dem
aus Hari entsprossenen Gott Brahmän (13091.) wiederum diese
Satzung aus dem Munde des Näräyana mitgeteilt.
45. Gott Brahmän nahm die Satzung entgegen, o König,
verwendete sie nach der Vorschrift (13592.) und lehrte sie den
Muni's, o Fürst, die da Barhishadah heifsen.
46. Von den Barhishadah gelangte die Satzung zu einem
des Sämaveda kundigen Brahmanen, (13593.) dem berühmten
Jyeshtha, denn dem Hari gehört das Jyeshthasäman- Ge-
lübde an.
47. Von Jyeshtha gelangte die Satzung zum Könige Avi-
kampana, (13594.) dann aber verschwand sie wieder, o mäch-
tiger König, diese Satzung des Hari.
48. Als aber die siebente Geburt des Gottes Brahmän
aus der Lotosblume stattfand, o König, (13595.) da lehrte Nä-
räyana selbst diese Satzung
49. dem reinen, Welten tragenden Urvater zu Anfang des
[folgenden] Zeitalters. (1359«.) Der Urvater überlieferte weiter
diese Satzung vor Zeiten dem Daksha.
50. Weiter übergab sie Daksha seinem ältesten Tochter-
sohn, o bester Fürst, (1:4597.) nämlich dem Aditya, dem ältesten
Bruder des Savitar, und von diesem empfing sie Vivasvant.
51. Vivasvant überlieferte sie zu Anfang des Weltalters
Tretä dem Manu, (1359s.) und Manu gab sie zum Gedeihen
der Welt weiter an seinen Sohn Ikshväku.
52. Von Ikshväku wurde sie über die ganze Welt ver-
breitet und besteht in ihr, ( 13599.) aber am Weltende wird
sie wieder zu Näräyana zurückkehren, o Fürst.
846
III. Mokshadharmn.
53. Und auch dir, o Bester der Fürsten, ist diese Satzung
der Selbstbezähmer vordem (i36oo.) mitgeteilt worden in der
Harigitä (vgl. oben, Vers 13437 und 13564 fg.), zusammengefafst
in kurzer Vorschrift.
54. Närada aber empfing aufs beste mitsamt Geheim-
lehren und Auszügen (13goi.) diese Satzung unmittelbar von
Narayana, dem Herrn der Welt, o Fürst.
55. So steht es, o König, mit dieser grofsen, uranfäng-
lichen, ewigen Satzung, (ir.602.) und sie, schwer erkennbar
und schwer befolgbar wie sie ist, wird allezeit von den
iSatvata's beobachtet.
50. Durch die Erkenntnis dieser Satzung, wenn sie richtig
durch die Tat verwirklicht wird (13603.) und von dem Gesetze
der Nicht -Tötung begleitet ist, wird Hari, der Herr, erfreut.
57. mag er in einer Erscheinungsform oder auch in zweien
U3G04.) oder in dreien oder in allen vieren [als Aniruddha,
Pradyumna, Sankarshana und Väsudeva] angeschaut werden.
58. Hari ist als Xshetrajna, selbstlos, ohne Teile, (13605.) als
Jiva in allen Wesen, erhaben über die fünf Elemente und die
Guna's,
50. und auch als das die fünf Sinne bewegende Manas
wird er gefeiert, o König. (13606.) Er, der Weise, ist die Welt-
ordnung und der Schöpfer der Welt,
00. Nicht -Tater und zugleich Täter, die Wirkung und
auch die Ursache (isgot.) nach seinem Belieben spielend,
o König, als der ewige Purusha.
61. Diese Satzung der alleinigen Hingebung an ihn ist
dir, o bester König, mitgeteilt worden (isnoe.) von mir dank
der Gnade meines Lehrers, schwer erkennbar wie sie ist für
solche, welche unbereiteten Geistes sind.
62. Männer, die ihm allein ergeben sind (ekäntittj, sind
nicht leicht in gröfserer Zahl zu finden, o Fürst. (13609.) Ja,
wäre die Welt voll von solchen ihm allein Ergebenen, o Kuru-
sprofs,
68. von solchen Nicht-Schädigenden, Atmankundigen, am
Wohlo aller Wesen sich Erfreuenden, (iseio.) dann wäre das
Zeitalter Kritam wieder da mit seinen ohne W r unsch nach
Lohn geübten Werken.
Digitized by Google
Adhyaya 3f>0 (Ii. 'MX).
847
f>4. Das ist es, o Völkerherr, was mein Lehrer, der heilige
Vyäsa, (i:-;en.) der pflichtkundige Beste der Brahmanen, dem
gerechten Könige (Yudhishthira) erzählt hat
*)5. im Kreise der Rishi's, o König, während Krislina
und Bhishma zuhörten [anders oben, Vers 1:1*157]; (13612.) diesem
nämlich hatte vordem der grofse Asket Nurada Belehrung
erteilt
fjf>. über den allerhöchsten Gott, das Brahman, den weifsen,
mondglänzenden, unerschütterlichen, (l.ten.) zu welcliem die-
jenigen eingehen, die ihn allein verehren, die dem Näräyana
ganz ergeben sind.
.Tanamejaya sprach :
♦ >7. (i.u;i4.) Wie kommt es, dafs diese vielverzweigte, von
den Erweckten gepflegte Satzung von anderen, mancherlei
Gelübde befolgenden Brahmanen nicht angenommen wird?
Vaicampäyaoa sprach :
t>8. (i3i;i5.) O König, drei Naturen bestellen bei denen,
welche an die Leiblichkeit gefesselt sind, die sattvahafte,
rajashafte und tamashafte, o Bhärata.
♦>'.*. (nmc.) Unter allen, die an den Körper gefesselt sind,
o Kuruspröfsling, ist der beste Mensch der sattvahafte, o Mann-
tiger, und ihm ist die Erlösung gewifs.
70. (i:i«;i7.) Schon hienieden erkennt er den brahmun-
weisesten Purusha; die Erlösung hat Näräyana als Gipfel,
darum heifst sie sattvahaft.
71. (1:1 ms.) Den höchsten Purusha überdenkend, erlangt
das Ersehnte der, welcher mit alleiniger Liebe immerdar dem
Näräyana als Höchstem anhängt.
72. (13 61!*.) Nach ihm sehnen sich alle nach Erlösung
trachtenden Selbstbezwinger, und ihnen verleiht Stillung des
Durstes (trishmij und Frieden der Gott Hari.
73. (13620) Denn der Mensch, welchen bei seiner Geburt
Madhusüdana anblickt, der ist ein Sattvahafter und ihm ist
die Erlösung gewifs.
74. (13621.) Seine Satzung, mit alleiniger Hingebung be-
folgt, ist gleichwertig mit Sänkhyam und Yoga; in der den
848
III. Mokshadliurma.
Näräyana als Wesen habenden Erlösung erlangen sie das
höchste Ziel.
75. (13622.) Nur der Mensch kann ein Erweckter werden,
welchen Näräyana gnädig anblickt, aber durch eigenen
Wunsch, o König, kann keiner ein Erweckter werden.
76. (13 623.) Wo hingegen die rajashafte und tamashafte
Natur [dem Sattvam] beigemischt (vyami$ra) ist, einen solchen
Menschen, wenn er geboren wird, o Völkerherr,
77. (13624.) als ein mit den Merkmalen der Aktivität Be-
hafteter, blickt Gott Hari nicht selbst an, sondern Gott Brah-
män, der Urvater der Welten, blickt ihn an bei seiner Geburt,
78. (13625.) weil er von Kajas und Tamas in seinem Geiste
überschwemmt ist. Götter und Rishi's freilich wurzeln im
Sattvam, o bester Fürst,
79. (13626.) diejenigen aber, welche dieses feinen Sattvam
ganz entbehren, werden Anhänger des Vergänglichen {vaüä-
riJcaJ genannt.
Janamejaya sprach:
(13627.) Wie ist es aber möglich, dafs ein solcher An-
hänger des Vergänglichen zu dem höchsten Purusha gelangt?
80. Erkläre mir alles, wie du es geschaut hast, und auch
was sich daraus ergibt, der Reihe nach.
Vaicampayana Bprach:
(13628.) Zu dem überaus feinen, der Wesenheit teilhaften,
der drei Laute (a -f u -f- m = omj teilhaften
81. Purusha geht ein der Purusha, wenn er als Fünf-
undzwanzigster rein von Werken ist. (13G29.) In dieser Er-
kenntnis stimmen das Sänkhya-Yogasystem und das [die
Upanishad einschliefsende] Aranyakam des Veda
82. sowie die Päficarätralehre zusammen als gegenseitig
sich ergänzende Teile. (13630.) Das ist die Satzung der Ekän-
tin's, die in Näräyana das Höchste sehen.
83. (13631.) Wie Wasserfluten aus dem Ozean hervor-
brechen, o König, und wieder in ihn zurückströmen, so
gehen die grofsen Wasserfluten der Erkenntnis wieder
in Näräyana [als ihren Ursprung] zurück (vgl. Chänd.
Up. 0,10,1).
Digitized by Google
Adhyäya 3f>0 (B. 348).
849
84. (13 632.) Damit habe ich dir, o Kurusprofs, die Sätvata-
satzung erklärt, befolge sie nach der Vorschrift, soweit du
kannst, o Bhärata.
85. (13<33.) Denn in dieser Weise hat der hochbeglückte
Xarada meinem Lehrer den unvergänglichen, ihm allein
huldigenden Wandel der weisen Selbstbezwinger verkündigt.
86. (13 634.) Vyasa aber hat diese Satzung aus Liebe dem
weisen Sohne des Dharma (Yudhishthira) überliefert, und
ebendiese habe ich dir mitgeteilt, wie ich sie von meinem
Lehrer überkommen habe.
87. (13635.) So steht es mit dieser Satzung, o bester Fürst,
welche schwer zu befolgen ist; denn wie du so leben auch
die anderen hienieden in Verblendung.
88. (13636.) Denn Krishna ist es, der diese Welten bildete
und in Verblendung stürzte, der sie wieder in sich zurück-
rafft und die Ursache ihrer Neuentstehung ist, o Völkerherr.
So lautet im Mokshadharma
in der Geschichte vom Narayana «lai Wesen der ihm allein Ergebenen
(SdräyanUje ekA*tika>.hdca).
Adhyftya .151 (B. 349).
Vers 13037-13712 (B. 1-74).
Janamejaya sprach:
1. (i:t637.) Das Sankhyam, der Yoga, das Pancarätram
und das Aranyakam des Veda, diese Wissenschaften, o Brah-
manweiser, sind in der Welt im Umlaufe.
2. (13 63H.) Haben diese nun eine gemeinsame Grundlage
oder besondere Grundlagen, o Muni? I her diese Frage be-
lehre mich und über das, was sich daraus ergibt, der Reihe nach.
Vaicampäyana sprach :
3. (13 639) Ihm, dem vielerfahrenen, höchsten, nach
dem Höchsten strebenden, grofsen Rishi, den durch Hin-
gebung ihrer selbst mitten auf der Insel die Satyavati
als Sohn dem Paracara gebar, ihm, der die Finsternis
des Nichtwissens verscheucht, sei Verehrung!
Du mi», Mahabharatam. f>4
III. Mnkshatlharma.
4. (13640.) Ihn, den grofsen Rishi, rühmen sie als
Ursprung des Urvaters, als sechste Verkörperung des
Näräyana, mit heiliger Maohtfülle ausgerüstet, aus einem
Teile des Näräyana entsprungen, als einzigen Sohn auf
der Insel geboren und als grofsen Behälter des Veda.
f). (13641.) Ihn, den hochsinnigen Vyäsa, hat am An-
fang der Zeiten der grofsmächtige, hochstrebende Närä-
yana als seinen Sohn hervorgebracht, als den ewigen,
alten, grofsen Behälter des heiligen Vedawortes.
Janamejaya sprach:
6. (13 642.) Vordem wurde in betreff seines Ursprungs von
dir, o Bester der Z wiegeborenen, erzählt, dafs Vasishtha als
Sohn den (,'akti hatte und dafs Paräcara der Sohn des
Cakti war,
7. (i:i643.) und dafs der Weise Krishna Dvaipäyana der
Sohn des Paräcara sei; und jetzt behauptest du, er sei ein
Sohn des Xäräyana.
8. (13644.) Handelt es sich dabei um eine vormalige Ge-
burt des unermefslich kräftigen Vyäsa? Dann erzähle mir,
o du Hochweiser, von jener seiner Geburt aus dem Näräyana.
Vai^ampayana sprach:
9. (i:t 645.) Als den Inhalt des Veda zu erkennen ver-
langend, in Heiligkeit und Askese, mein Lehrer, in der Er-
kenntnis beharrend, am Fufse des Himälaya safs
10. (13646.) und, von Askese müde, mit Weisheit die
Erzählung von den Bhärata's verfafste, da waren wir, ihn aufs
höchste schätzend und ihm Gehorsam leistend, seine Schüler,
11. (13647.) nämlich Sumantu, Jaimini, der gelübdetreue
Paila und ich als vierter, sowie auch <>ka, der eigene Sohn
des Vyäsa.
12. (13 648.) Von diesen fünf vortrefflichen Schülern um-
geben, erglänzte am Fufse des Himälaya, wie der von seinen
Geisterscharen umgebene Herr der Geister (£iva), der hei-
lige Vyäsa,
13. (13649.) indem er den Veda samt Vedänga's und den
Inhalt der Bhärata-Erzählungen allseitig in seinem Geiste be-
Digitized by Google
AdhyAya 351 (B. 349).
851
wegte. Wir aber ehrten mit Hingebung seine geistige Kon-
zentration und Bezähmung.
14. (13650.) Während einer Pause in den Unterredungen
mit ihm befragten wir den Besten der Zwiegeborenen nach
dem Sinne des Veda, dem Sinne der Bhärata-Erzählungen und
so auch nach seiner Geburt aus Näräyana.
15. (13 651.) Und nachdem der Wesenskundige uns über
den Sinn des Veda und der Bhärata-Erzählungen belehrt hatte,
fing er folgendermafsen an von seiner Geburt aus Närayana
zu reden.
IG. (13 652.) Vernehmt, ihr Brahmanen, die folgende, höchst
vortreffliche, heilige Geschichte, welche sich zur Urzeit be-
geben hat und durch Askese von mir in Erfahrung gebracht
wurde.
17. (13 653.) Als die siebente, mit dem Lotos anhebende
Wesensschöpfung herannahte, da liefs Närayana, der über
Gutes und Böses erhabene grofse Yogin,
18. (13 654.) der unermefslich glänzende, zuerst aus seinem
Nabel den Gott Brahmän hervorgehen. Als dieser in die
Erscheinung getreten war, sprach zu ihm Närayana das Wort:
19. (i:t655.) Aus meinem Nabel bist du geboren als der
mächtige Wesenschöpfer; so schaffe denn, o Brahmän, die
mannigfachen Wesen, die ungeistigen wie die geistigen.
20. (13 656.) Auf diese Worte senkte Gott Brahmän mit
sorgeerfulltem Geiste sein Antlitz, verneigte sich vor dem
gabenspendenden Gotte, dem mächtigen Hari, und sprach:
21. (13657.) Welche Kraft hätte ich, die Geschöpfe zu
schaffen, o Gottherr, — Verehrung sei dir! — mir fehlt die
nötige Einsicht, o Gott, bestimme, was geschehen soll.
22. (13668.) Nach diesen Worten zog sich der Heilige in
die Verborgenheit zurück und erdachte die Buddhi (die Weis-
heit), er, der Beste aller Buddhibegabten.
23. (13659.) In leibhaftiger Gestalt stellte sich darauf die
Buddhi dem mächtigen Hari vor, und er, der über Aufgaben
Erhabene, gab ihr eine Aufgabe auf,
24. (13660.) indem der unvergängliche, mächtige Gott zu
der im Yoga der Gottherrlichkeit stehenden, zielbewufsten,
vortrefflichen Buddhi also sprach:
852
25. (13661.) „Gebe ein in den Gott Brahman, damit der
Zweck der Weltschöpfung erreicht werde." Und auf Befehl
des Herrn ging die Buddhi alsbald in jenen ein.
26. (13662.) Als Hari ihn mit der Buddhi ausgestattet sah,
sprach er abermals zu ihm das Wort: „Schaffe die mannig-
fachen Geschöpfe!"
27. (13663.) „So sei es!" sprach jener und verneigte sich
dem Befehl des Hari entsprechend mit dem Haupte, worauf
der Heilige in die Verborgenheit zurückging,
28. (13664.) alsbald jenen dem Gotte zukommenden Zu-
stand annahm und, zu seiner Natur zurückkehrend, zur Ein-
heitlichkeit gelangte.
29. (13665.) Da aber kam ihm wieder ein anderer Gedanke:
„Geschaffen sind von dem höchsten Gotte Brahman diese
mannigfachen Wesen,
30. (13666.) aber von den Scharen der Daitya's, Dänava's,
Gandharva's und Rakshasa's erfüllt, ist die Erde da zu einer
überladenen und gequälten geworden.
31. (136C7.) Auch werden die Daitya's, Dänava's und
Rakshasa's auf der Erde zahlreich und stark werden und
durch Askese ihre höchsten Wünsche verwirklichen.
32. (i:tG68.) Dann aber werden sicherlich durch sie alle,
wenn sie durch Erreichung ihrer Wünsche stolz geworden
sind, die Götterscharen und die askesereichen RishTs be-
drängt werden.
33. (nt6G9.) Daher ist es erforderlich, dafs ich eine Ent-
lastung bewirke, indem ich auf der Erde in verschiedenen
Formen der Reihe nach erscheine,
34. (13 670.) um die Bösen niederzuhalten und die Guten
zu fördern. Dann wird diese gequälte, wackere Erde im-
stande sein, sich zu halten.
35. (13 671.) Denn von mir als einer in der Unterwelt
hausenden Schlange wird sie getragen werden und von'mir
gestützt wird sie imstande sein, die ganze Welt der Lebenden,
Bewegliches und Unbewegliches, zu tragen.
36. (1367-2.) Somit will ich die Rettung der Erde voll-
bringen, indem ich in die Existenz eingehe." Nachdem der
Digitized by Google
Adhyfcya 351 (B. 349).
S53
heilige Madhusüdana in dieser Weise mit sich selbst zu Rate
gegangen war,
37. (13673.) schuf er zum Zwecke seines Entstehens in
einer Verkörperung mancherlei Gestalten: den Eber, den
Mannlöwen, den Zwerg und einen Menschen,
38. (13674.) in der Absicht, durch diese die bösen Feinde
der Götter zu töten. Nachdem er die Welt geschaffen hatte,
liefs er, indem er sie von dem Laute bhoh widerhallen machte,
39. (13 675.) die Rede (sarasvatij aus seinem Munde aus-
gehen; daraus entstand Särasvata, der aus seiner Rede ge-
borene, gewaltige Sohn, der auch Apäntaratamas heifst,
40. (13 676.) des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünf-
tigen kundig, Wahres redend und seine Gelübde haltend.
Zu diesem, der sich mit dem Haupte verneigte, sprach der
ewige Ursprung der Götter:
41. (13677.) 0 Bester der Verständigen, der Mitteilung des
Veda [durch mich] sollst du dein Ohr leihen! Befolge also
mein Wort dem Befehle gemäfs, o Muni.
42. (13 678.) Darauf wurden von diesem Rishi die Veden
in ihre Teile zerlegt in der Weltperiode des Manu Sväyam-
bhuva. Da freute sich der heilige llari über das von jenem
verrichtete Werk,
43. (13679.) über seine wohlgeübte Askese, Bezähmung
und Selbstbezähmung. „Auch in künftigen Manuperioden,
o Sohn, sollst du in derselben Weise verfahren,
44. (13 680.) dann wirst du unerschütterlich und immerdar
unüberwindlich sein, o Brahmane. Weiter aber, wenn das
Zeitalter Tishya (Kali) herangekommen sein wird, dann werden
Nachkommen des Bharata, welche Kuru's heifsen,
4f>. (13681.) als hochsinnige Könige in der Welt berühmt
leben. Bei diesen von dir Erzeugten wird ein Familienzwist
ausbrechen,
4G. (13682.) welcher zur gegenseitigen Ausrottung führen
wird, dich ausgenommen, o Bester der Zwiegeborenen. Auch
in diesem Zeitalter wirst du, durch Askese gefördert, die
verschiedenen Veden in ihre Teile zerlegen.
47. (13683.) Da das angebrochene Zeitalter ein dunkles
sein wird, so wirst auch du als dunkelfarbig geboren werden.
854 III. Mokshadharma.
Als Vollbringer vieler Pflichten und Hervorbringer der Wissen-
schaft
48. (13684.) wirst du zwar an Askese reich, aber doch
nicht frei von Leidenschaft sein; hingegen soll dein Sohn
frei von Leidenschaft sein und zum höchsten Atman werden
(13685.) durch die Gnade Mahecvara's; dies Wort wird nicht
unerfüllt bleiben.
49. (13 686.) Er, den die Brahmanen als einen geistigen
Sohn des Urvaters, als mit höchster Weisheit begabt
preisen, Vasishtha, dieses höchste Gefäfs der Askese,
dessen Glanz den der Sonne überstrahlt,
50. (13687.) wird als Nachkommen einen grofsen Weisen,
den hochmächtigen Paracara, haben, und dieser treff-
lichste Behälter des Veda, diese gewaltige Wohnstätte
der Askese wird dein Vater sein.
51. (13 688.) Als Jungfern söhn wirst du von diesem Rishi
von einem deinem Vater sich hingebenden Mädchen ge-
boren werden.
52. (13689.) Alle Zweifel in betreff vergangener, gegen-
wärtiger oder künftiger Dinge werden sich dir lösen. Denn
alle vordem gewesenen Wechselfälle der Tausende von Welt-
perioden
53. (13690.) wirst du, von mir belehrt, um deiner Askese
willen schauen. Und ebenso wirst du die Wechselfalle vieler
Tausend [künftiger] Weltalter schauen,
54. (i369i.) und auch mich, den anfanglos und endlos in
der Welt waltenden Diskusbewehrten, sollst du durch das
Denken an mich schauen, o Muni. Dies Wort wird nicht
unerfüllt bleiben.
55. (13 692 ) Dein Ruhm aber, o du Sattvareicher, wird un-
vergleichlich sein. Weiterhin wird (>naiccara (Saturn), der
Sohn der Sonne, als ein grofser Manu geboren werden,
56. (13693.) und auch in der Periode dieses Manu sollst
du als Oberster der Scharen dieses Manu geboren werden,
o Teurer, durch meine Gnade, so ist es beschlossen.
57. (13694.) Alles, was in der Welt geschieht, erfolgt auf
meine Veranlassung; mag einer diesen oder jenen Wunsch
hegen, ich bin es, der ihm seinen Willen verleiht.' 4
Digitized by Google
Adhyaya 3f>l (B. 349).
855
58. (13695.) Nachdem der Herr diese Worte zu dem Rishi
Särasvata Apäntaratama (sie!) gesprochen hatte, sagte er:
Du kannst nun gehen! (13696.) So bin denn ich [Vyäsa] durch
die Gnade dieses Gottes Harimedhas
59. zunächst als Apantaratamas auf Befehl des Hari ins
Leben getreten (13697.) und wiederum bin ich geboren worden
als der berühmte Nachkomme des Vasishtha.
tiO. Damit habe ich euch meine frühere Geburt erklärt,
(13C98.) wie sie durch die Gnade des Närayana und als ein
Teil des Närayana selbst stattgefunden hat.
Ol. Denn von mir ist sehr grofse, höchst furchtbare
Askese vordem geübt worden (13 699.) unter tiefster Versenkung,
o ihr Besten der Verständigen.
f>2. Damit habe ich euch, meine lieben Söhne, alles er-
klärt, wonach ihr mich gefragt habt, (l.aoo.) meine vergangene
und meine künftige Geburt, aus Liebe zu euch, die ihr an
mir hängt.
Vai^ampayana sprach :
b\3. (i3 7oi.) Damit, o König, habe ich dir die früheren
Geburten unseres Lehrers, des makellosen Vyäsa, nach denen
du mich fragtest, erzählt. Höre nun weiter.
f>4. (13702.) Das Sänkhyam, der Yoga, das Paficaratram,
die Veden und das Päcupatam, dies«' Wissenschaften, o Königs-
weiser, behandeln mancherlei Gegenstände.
65. (13 703.) Als Urheber des Sankhyam gilt der höchste
Rishi Kapila, als Kinführer des Yoga Iliranyagarbha und
kein anderer Weiser der Vorzeit.
0(i. (13 704.) Apantaratamas hingegen wird als der Lehrer
der Veden bezeichnet; diesen Weisen nennen einige Praeina-
garbha.
f>7. (i37oro Der Gatte der l'ma hinwiederum, der Herr
der Geister, (,'rikantha, der Sohn Rrahmün's, (,'iva war es,
welcher gesammelten Geistes das Päcupatam offenbarte.
f>8. (13700.) Der Einführer des gesamten Paficaratram ist
der Heilige selbst, und überhaupt ist für alle diese Wissen-
schaften, o bester Fürst,
f>9. (13707.) wie auch ihre Überlieferung und Lehre sein
850
111. Mokthadliarma.
mag, der herrliche Näräyana die Grundlage. Die in der
Finsternis Befangenen freilich kennen ihn nicht, o Völkerherr,
70. (13 708.) aber alle die einsichtigen Urheber der Lehr-
bücher preisen ihn, den weisen Näräyana, als die Grundlage
und keinen andern, so sage ich.
71 (1370».) Bei allen, die frei von Zweifel sind, wohnt
immerdar Hari, aber bei den zweifelbehafteten Disputierern
wohnt Madhava nicht.
72. (i3 7io.) Was aber die Kenner des Päncarätram, die
Höchsten in dieser Rangordnung, betrifft, welche mit alleiniger
Liebe ihm nahen, die gehen sicherlich zu Hari ein.
73. (i37ii.) Das Sänkhyam und der Yoga sind beide
ewig und ebenso alle Veden samt und sonders, o König;
von allen ihren Rishi's aber wird bekannt, dafs Näräyana
dieses alte Ganze ist.
74. (13 712.) Und alles, was an guten und bösen Werken
hervortritt und in allen Welten sich entwickelt, das stammt
von diesem Rishi her, mag es im Himmel, im Luftraum,
auf der Erde oder in den Wassern vor sich gehen, so
soll man wissen.
So lautet im Mokthadharma die Entatehungagcachicht« des DvaipAyana
(Dcaipdyana-utpaiti).
AdhyAya 352 (B. 350).
Vers 13713-13739 (B. 1-27).
Janamejaya sprach:
1. (13 713.) 0 Brahmane, gibt es viele Purusha' s oder nur
einen ? Und welcher unter allen ist der beste Purusha, welcher
ist als ihr Ursprung zu betrachten?
Vai£ampayana sprach:
2. (13 7H.) In der Welt gibt es viele Purusha's nach der
Betrachtungsweise des Sänkhyam und Yoga, und das heiXsen
sie nicht gut, o Kurusprofs, dafs es nur einen Purusha gäbe.
Digitized by Google
Adhyäya 352 (B. :3')0).
857
3. (13 71&.) Da [in Wahrheit aber] die vielen Purusha's nur
einen Ursprung haben, so will ich dir diesen allbefassenden,
kraftüberlegenen Purusha erklären,
4. (13716.) nachdem ich meine Verehrung meinem Lehrer
Yyäsa bezeigt habe, dem Atmankenner, dem askesereichen,
bezähmten, zu verehrenden höchsten Rishi.
5. (13717.) Denn diese Verherrlichung des Purusha, welche
in allen Veden, o Fürst, als das Rechte und Wahre verkündigt
wird, ist von jenem Rishilöwen durchdacht worden.
6. (13718.) In Darlegung und Bestreitung sind von Rishi's
wie Kapila und anderen, indem sie die innere Seele über-
dachten, die Lehrsätze aufgestellt worden, o Bharata.
7. (13 719.) In Kürze aber will ich dir das, was Vyäsa über
die Einheit des Purusha gelehrt hat, mitteilen dank der Gnade
des unermefslich Kraftvollen.
8. (13 720.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung des Tryambaka (Civa)
mit Gott Brahmän, o Völkerherr.
0. (13 721.) In der Mitte des Milchmeeres erhebt sich wie
Gold glänzend der herrliche Berg Vaijayanta, o Fürst.
10. (13 722.) Diesen Berg Vaijayanta besucht beständig
von seinem Strahlensitze aus der Gott [Brahmän], um in
der Einsamkeit das Wesen des innern Selbstes zu über-
denken.
1 1. (13723.) Als einstmals der weise Gott mit den vier An-
gesichtern dort safs, kam zufällig (,'iva herbei, der aus seiner
Stirn entsprungene Sohn.
12. (13 724.) Als grofser Yogin durch die Luft fahrend, liefs
sich damals der dreiaugige Herr alsbald aus dem Lufträume
herab auf den Gipfel des Berges.
V\. (13 725.) Erfreut trat er vor jenen und verehrte ihn zu
seinen Füfsen. Als Brahmän ihn zu seinen Füfsen sah, rich-
tete er ihn mit der linken Hand auf,
14. (13726.) und er, der einige, mächtige Prajäpati, der
heilige, sprach zu seinem ihn nach langer Zeit wieder be-
suchenden Sohne.
858
III. Mokshadharma.
Der Urrater sprach:
15. (13 727.) Willkommen, o Grofsarmiger ! Zur guten Stunde
bist du mir genaht! Steht es immer noch gut bei dir, o Sohn,
um Studium und Askese?
16. (13728.) Du bist ja allezeit ein gewaltiger Asket, darum
stelle ich dir immer diese Frage.
Rudra sprach:
17. (13 729.) Durch deine Gnade, o Heiliger, steht es gut
bei mir mit Studium und Askese und ebenso um das be-
ständige Wohlergehen der ganzen Welt.
18. (13 730.) Schon lange habe ich dich auf deinem Strahlen-
sitze beobachtet und bin nun zu diesem Berge gekommen,
der von deinen Füfsen betreten wird.
19. (13 731.) Dein Wandel in der Einsamkeit hat meine
Neugierde erregt, es mufs keine geringe Ursache sein, die
dich dazu veranlafst, o Urvater.
20. (13 732.) Wie kommt es, dafs du deinen herrlichen Sitz,
auf dem es nicht Hunger noch Durst gibt, der von Göttern
und Dämonen bewohnt, von unermefslich glänzenden Rishi's,
21. (13733.) von Gandharven und Apsaras immerfort be-
sucht wird, dafs du diesen herrlichen Berg verlassen hast,
um dich hier in die Einsamkeit zurückzuziehen?
■
Gott Brahman sprach:
22. (13 734.) Der vortreffliche Berg Vaijayanta wird immer
wieder von mir aufgesucht, weil ich hier mit ungeteiltem Geiste
nachdenken kann über den allerwärts strahlenden fvirätj
Purusha.
Rudra sprach:
23. (13735.) Viele Purusha's sind von dir, dem Durchsich-
selbstseienden , geschaffen worden, o Brahman, und neue
werden immer noch geschaffen, und dabei soll es nur einen
allwärts strahlenden Purusha geben!
24. (13736.) Wer ist denn dieser eine höchste Purusha,
o Brahman, über den du nachdenkst? Löse mir diesen Zweifel,
danach trage ich grofses Verlangen.
Digitized by Google
Adhyaya 352 (B. 350).
859
Gott Brahman sprach:
25. (13737.) 0 Sohn, allerdings gibt es die vielen Purusha's,
welche von dir erwähnt wurden; in diesem Sinne ist jene
Einheit als aufgehoben anzusehen und auch wiederum als
nicht aufgehoben.
20. (13 738.) Ich will dir aber den Bereich jenes einen
Purusha erklären, inwiefern er als der einzige Ursprung der
vielen Purusha s zu bezeichnen ist.
27. (13 739.) Denn darauf beruht es, dafs in jenen höchsten,
allergröfsten, ewigen, allbefassenden, gunalosen Purusha die
gunalos gewordenen (Purusha's) eingehen.
So lautet im Mokfhadharma
in der Geschichte vom Xarayana die Unterredung zwischen Gott IJrabman und Budra
(Sdrdyan lyr Brahma - Rwtra • tamrdda ),
Arihy&ya 353 (B. 351).
Vers 13740-13763 (B. 1-23).
Gott Brahman sprach:
1. (13 740.) Vernimm, o Sohn, inwiefern jener eine Purusha
als der ewige, unvergängliche, unzerstörbare, unermefsliche,
allgegenwärtige bezeichnet wird.
2. (13 741.) Dieser Purusha kann nicht von dir geschaut
werden, o bester, noch auch von mir oder von anderen, so-
fern sie gunahaft sind. Nur von (Junafreien kann der All-
befassende mit dem Auge der Erkenntnis geschaut werden.
3. (13 742 ) Körperlos wohnt Kr in allen Körpern, und ob-
gleich er in den Körpern wohnt, wird er doch nicht durch
die Werke befleckt.
4. (13 743.) Er ist meine innere Seele und die deine und
aller, die das Merkmal der Körperlichkeit an sich tragen, er
ist der Zuschauer fsäkwhiti) in allen und kann daher von
keinem irgendwo geschaut werden.
5. (13 744.) Allüberall ist sein Haupt, allüberall seine Arme
und Füfse, Augen und Nase, als einziger weilt er in den Fel-
dern (kshäraj, nach freiem Willen waltend, wie es ihm beliebt.
8(50
IIL Mokshadharma.
6. (13 746.) Die Felder ffohctraj sind die Leiber, und der
Same in ihnen ist das Gute und Böse, diese Felder erkennt
jener yogabeflissene Atman, darum wird er der Kshetrajna
genannt.
7. (13 74«.) Sein Kommen und Gehen in den Wesen ist für
keinen erkennbar. Durch Sänkhyamethode und stufenweise
gesteigerten Yoga
8. (13747.) überdenke ich seinen Gang, aber sein höchstes
Ziel kenne ich nicht. Aber soweit meine Erkenntnis reicht,
will ich dir den ewigen Purusha erklären.
9. (13748.) Er hat Einheit und hat Gröfse, er heifst der
eine Purusha, er, der Eine und Ewige, wird der grofse Purusha
genannt.
10. (13 749.) Er, der Eine, wird als das opferverzehrende
Feuer an vielen Orten entzündet, er, der Eine, ist als
Sonne die einzige Quelle der Glut, er, der Eine, weht
als der Wind vielfach in der Welt, er, der Eine, ist als
der grofse Ozean die Wiege der Gewässer; (13750.) er ist
der eine, allgestaltige, gunalose Purusha, zu ihm, dem
Gunalosen, gehen die Erlösten ein.
11. (13751.) Aufgebend alles Gunahafte, aufgebend das gute
und böse Werk, beide hinter sich lassend, die Wahrheit
und die Unwahrheit, so wird der Mensch von den Guna's
befreit.
12. (13 752.) Wer ihn erkennt als unausdenkbar, geheimen
Wesens, in seiner Vierfaltigkeit [als Aniruddha, Pradyumna,
Sankarshana, Vasudeva], und wer in Demut wandelt, der ge-
langt zu dem lichten Purusha.
13. (13753.) In dieser Weise lehren manche Gelehrten von
diesem Ätman, dafs er der höchste Ätman sei, und andere
Forscher erklären ihn für den einzigen Ätman.
14. (13754.) Sofern er der höchste Atman ist, wird er als
der ewig Gunafreie geschildert, und er ist Näräyana, das soll
man wissen, denn dieser ist der allbeseelende Purusha.
15. (13755.) Er wird nicht von den Werkfrüchten befleckt,
wie das Lotosblatt nicht von dem Wasser, aber als Werk-
behafteter ist er ein anderer, der Erlösung und Bindung
unterworfen.
Digitized by Google
Adhy&ya 353 (B. 351 1.
8f»l
16. (13756.) Als solcher ist er mit dem siebzehnfachen
Aggregate behaftet, und insofern ist dir der Purusha als in
sich vielfältig nach seinen einzelnen Teilen geschildert worden.
17. (13 757.) Er ist das, was man als die ganze höchste
Befassung des Weltgewebes erkennen mufs, er ist der
Erkennbare und der Erkenner, der Denker und das Denk-
bare, der Verzehrer und das Verzehrbare, Riecher und
Riechbares, Fühler und Fühlbares,
18. (13 758.) Seher und Sichtbares, Hörer und Hörbares,
Erkenner und Erkennbares, das Gunahafte und das Guna-
lose; er ist auch das, was als das allbefassende Pradhä-
nam (die Prakriti), das beständige, ewige, unvergäng-
liche, bezeichnet wird.
19. (13759.) Sofern er die erste Schöpfung des Schöpfers
erzeugt, insofern nennen ihn die Brahmanen Aniruddha;
und auch was in der Welt das löbliche vedische, mit
Wünschen behaftete Werk ist, (13 7G0.) auch das mufs ihm
zu Ehren dargebracht werden.
20. Alle Götter und wohlberuhigten Muni's spenden
ihm vor dem Altare den Opferanteil. (ia tci.) Ich, der
Gott Brahmän, der erste Herr der Geschöpfe, bin von
ihm geboren, und du bist wiederum von mir erzeugt
worden;
21. von mir auch stammt die Welt des Beweglichen
und Unbeweglichen, o Sohn, mitsamt den Veden und
den Upanishad's (rahasyam),
22. fi3 7ß2.) In seinen vier Erscheinungsformen treibt der
Purusha sein Spiel, wie er will. Und ebenso wird der Heilige
durch sein eigenes Erkennen zu einem Erweckten.
23. (13 7«3.) Damit habe ich dir, o Sohn, erklärt, wonach
du fragtest, wie es in der Sankhyalchre und im Yoga aus-
geführt worden ist.
8o lautet im M.'khiiHilli.irtn.t .l. r SoMuf» d« r Oen lii< l.t.- vom XArAyan»
; S>i> t'ni.tniaom <au> ij.t>im).
862 III. Mokshadharma.
Adhyftya 354 (B. 352).
Vers 13764-11774 (B. 1-11).
Yudhisbthira sprach:
1. (13 764.) Die schönen Pflichten, welche sich auf die Er-
lösungslehre beziehen, sind von dir, o Grofsvater, dargelegt
worden. Nun sollst du mir, o Herr, die höchste Pflicht der
die Lebensstadien Befolgenden nennen.
Bhlshma sprach:
2. (13765.) Allbefassend ist die Pflicht. Der Himmel ist
der grofse Lohn für die Wahrheit. Viele Eingangspforten
hat die Pflicht, keine Bemühung um sie ist ohne Frucht,
3. (13 766.) und wenn einer sich für einen Zweig derselben
entschieden hat, so pflegt er nur diesen und keinen andern
zu schätzen, o Bester der Bharata's.
4. (13 767.) So vernimm denn, o Manntiger, von mir folgende
Geschichte, welche vormals von dem grofsen Weisen Narada
dem (^akra (Indra) erzählt wurde.
5. (13 768.) Der grofse Rishi, der vollendete, von den drei
Welten geehrte Narada, durchwandert nacheinander die Welten
ungehemmt wie der Wind, o König.
6. (13769.) Einstraals, o grofser Bogenschütze, gelangte er
zu der Wohnung des Götterkönigs, und von dem grofsen
Indra gastlich aufgenommen, blieb er in seiner Nähe.
7. (13 770.) Indem er nun behaglich dasafs, fragte ihn der
Gatte der Q&c\ : 0 grofser Rishi, ist dir irgend etwas Wunder-
bares begegnet, o Untadliger,
8. (13 771.) dieweil du doch, o Brahmanenpriester, die drei
Welten mit allem Beweglichen und Unbeweglichen immer-
fort als ein Vollendeter, teilnehmend gleichwie ein Zuschauer,
durchstreifst ?
9. (13 772.) Es gibt ja nichts in der Welt, was dir, o Götter-
weiser, unbekannt wäre. Wenn du etwas gehört, erlebt oder
gesehen hast, so erzähle es mir.
10. (13773.) Da, o König, erzählte Narada, der Beste der
Digitized by Google
Adhyaya 354 (B. 352). 803
Redner, dem dasitzenden Götterfürsten auf sein Ansuchen
eine grofse Geschichte.
11. (13774.) Wie und auf welche Weise der Beste der
Zwiegeborenen jenem auf seine Frage die Geschichte erzählt
hat, so sollst auch du sie von mir zu hören bekommen.
So lautet im Mokihadbarma die Krziihlung vom Ährenleser
(uneharritti- upäkhy&namj .
Adhyftya 355 (B. Soli).
Vers 13775-137«3 (B. 1-9).
Bhishma sprach :
1. (13775.) Es lebte einmal, o Bester der Männer, in der
treft'lichen Stadt Mahapadmam, am rechten Ufer der Gangä,
gesammelten Geistes,
2. (13 776.) leutselig, aus der Familie des Sorna, im Veda
beschlagen, von Zweifeln frei, in der Pflicht beharrend, ohne
Zorn, allezeit zufrieden, mit bezähmten Sinnen,
3. (13777.) an Askese und Studium seine Freude habend,
wahrhaft, von den Guten geehrt, mit rechtlich selbsterworbenem
Reichtum und gutem Charakter ausgestattet,
4. (13 778.) in einer an Verwandten und Bekannten reichen,
einer Vereinigung von Tugenden vergleichbaren grofsen und
berühmten Familie, einer ausgezeichneten Lebensführung sich
befleifsigend [ein Brahmane].
5. (13 779) Er hatte viele Söhne, betrieb grofse Opfer-
werke, indem er die Familienpflicht treu erfüllte, o König,
und beharrlich war in pflichtmüfsigera Wandel.
f>. (13 78t).) Die vom Veda vorgeschriebene Pflicht, sowie
die von den Lehrbüchern geforderte und auch die von den
Weisen geübte, diese dreifache Pflicht überdachte er in seinem
Geiste.
7. (i378i.) Was erwächst mir daraus, dafs ich das Gute
übe, was habe ich damit erreicht und was ist mein höchstes
Ziel? Mit solchen Fragen quält er sich immerfort und kommt
darüber nicht ins Klare.
864
III. Mukshadhnruia.
8. (13 782.) Indem er eich so abquälte und sich der höchsten
Pflichterfüllung beflifs, kam einstmals ein Gast zu ihm, ein
wohlgesammelter Brahmane.
9. (13783.) Den nahm er gastlich auf. in zeremonieller
Weise, und als dieser, ermüdet, behaglich dasafs, sprach er
zu ihm folgendermafsen.
So Uutet im Mokihadharma die Erzählung vom ÄhrenleaeT
(uticMarritti - ttpdkhydnant).
Adhyftya 356 (B. 354).
Vera 13784-13799 (B. 1-16).
Der Brahmane sprach :
1. (13784.) Ich fühle mich zu dir hingezogen durch die
Lieblichkeit deiner Rede, o Untadliger; du bist mir ein Freund
geworden. Ich mufs dir etwas sagen; höre mich an.
2. (13 785.) Nachdem ich, o Brahmane, die Pflicht des Haus-
vaters, welche Nachkommenschaft fordert, erfüllt habe, möchte
ich gern die höchste Pflicht vollbringen. Welcher Weg führt
dazu, o Zwiegeborener?
3. (13 786.) Dem Atman zugewendet, sehne ich mich danach,
in dem Atman allein festgewurzelt zu sein, und wünsche es
doch wieder nicht, weil ich in den allgemein menschlichen
Fesseln fgunaj gebunden bin.
4. (13 787.) Ehe noch dieses auf die Erzielung von Nach-
kommenschaft gerichtete Lebensalter verstrichen ist, möchte
ich mich mit Wegekost für die Reise in die andere W r elt
versehen.
5. (13 788.) In dieser Weltflut befangen, trachte ich nach
dem jenseitigen Ufer, und die Sorge beschäftigt mich, woher
ich das aus Pflichterfüllung bestehende Schiff erlangen kann.
6. (13 789.) Wenn ich wahrnehme, wie in der W r elt auch
sattvahafte (gute) Wesen, nachdem sie sich zusammen-
gefunden haben, auseinandergesprengt werden, wenn ich
sehe, wie über den allwärts verbreiteten Menschen ein
heuchlerischer Heiligenschein schwebt,
Digitized by Google
Adhyaya 356 (B. im).
865
7. (13790.) und wenn ich sogar sehen mufs, wie die
Selbstbezwinger an fremden Türen betteln gehen, dann
gerät mein Geist nicht mehr in Erregung bei einer
Gelegenheit zum Genüsse; darum mögest du, o Gast-
freund, vermöge deiner auf die Kraft der Erkenntnis
sich stützenden Pflicht auch mich zur Pflichterfüllung
anleiten.
8. (13 791.) Als der Gast diese Worte des die Pflicht zur
Sprache bringenden ßrahmanen hörte, da sprach der Ver-
ständige mit sanfter Stimme das milde Wort.
Der Gast sprach:
i». (13792.) Auch ich bin hierüber nicht im klaren, auch
mich erfüllt dasselbe Verlangen wie dich, und doch kann ich
nicht zur Gewifsheit gelangen über die vielen Wege, die zum
Himmel führen sollen.
10. (13 7H3.) Einige rühmen die Erlösungslehre, andere
Hrahmanen den Lohn der Opferwerke, einige fufsen darauf,
dafs sie Waldeinsiedler, andere, dafs sie Hausväter sind,
1 1. (13794.) manche stützen sich auf die Königspflicht,
manche hoffen auf die Frucht des Atmanwissens, andere
empfehlen den Gehorsam gegen die Lehrer, und wieder andere
das Gelübde des Schweigens,
12. (13 795 ) manche sind für ihren Gehorsam gegen Vater
und Mutter zum Himmel gelangt, andere durch Schonung der
Wesen, und wieder andere durch Aufrichtigkeit,
13. (13 79r,.) viele boten im Kampfe dem Feinde die Krust
und gelangten erschlagen zum Himmel, andere suchten die
Vollendung durch das Gelübde des Ahrenlesens und sehlugen
diesen Weg zum Himmel ein,
14. (13797.) manche Edlen ergaben sich dem Studium, das
Vedagelübde befolgend, und sind als Weise, Zufriedene, be-
zähmte zum Himmel gelangt,
15. (13798.) wieder andere hielten fest an der Kechtsehaften-
heit, liefsen sich von den Ungerechten unterdrücken und
stiegen als Gerechte mit reiner Seele zum Kücken des Him-
mels empor.
i)rv»«Eif, M»hAbh»T»t»m r»r»
866
III. Mokshadharma.
16. (13799.) Da so mannigfache Himmelswelten durch
die Pforten der Pflicht offenstehen, so wird auch mein
Geist hin und her getrieben, wie ein Wolken streifen durch
den Wind.
So lautet im Mokahadbarma die Erziblnng vom Ährenleser
(unchaeritti - updkhydnam).
Adhyäya 357 (B. 355).
Vers 13800-13810 (B. 1-11).
Der Gast sprach [weiter]:
1. (13 800.) 0 Brahmane, ich will dir die Unterweisung in
folgerechter Weise übermitteln, wie sie mein Lehrer mir mit-
geteilt hat; vernimm von mir den wahren Sachverhalt.
2. (13801.) Wo einstmals in einer frühern Weltperiode
das Rad der Pflicht ins Rollen gebracht wurde, da hegt im
Naimishawalde am Ufer der Gomati eine nach den Xaga's
(Schlangen) benannte Stadt.
3. (13 802.) Dort war von den vereinigten dreifsig | Göttern]
geopfert worden, o Stier der Zwiegeborenen , und dort war
auch dem besten Könige Mändhätar die Überwindung des
Indra gelungen.
4. (13803.) Dort hat ein pflichtkundiger, grofser Schlangen-
genius seinen Wohnsitz aufgeschlagen, ein grofser Näga,
welcher Padmanäbha oder auch Padma genannt wird.
5. (13804.) In Worten, Werken und Gedanken, o Stier der
Zwiegeborenen, auf dem dreifachen Pfade [des Opfers, der
Erkenntnis und der Verehrung, Nil.] beharrend, macht er
sich die Wesen holdgesinnt.
6. (13805.) Mit Begütigung, Erregung von Zwietracht [unter
den Feinden], Schenken und Strafen, mit diesen vier Mitteln
regiert er, beobachtend und erwägend, die Ungerechten und
die Gerechten.
7. (13806.) Ihn besuche (atxkramya) und befrage ihn in
vorschriftsmäfsiger Weise nach dem, was du wissen willst
Digitized by Google
Adhyaya 357 (B. 355).
867
Er wird dir aufrichtig die Belehrung über die höchste Pflicht
geben.
8. (13807.) Denn dieser Näga ist allen Gästen freundlich
gesinnt, mit Weisheit und Gelehrsamkeit begabt und mit
allen wünschenswerten, unvergleichlichen Tugenden ge-
schmückt.
9. (13808.) Er ist von Natur immer zu Waschungen ge-
neigt, immer am Studium sich erfreuend, in Askese und Be-
zähmung geübt und von edlem Lebenswandel,
10. (13809.) opferfreudig, freigebig, nachsichtig, von vor-
trefflichem Benehmen, wahrheitliebend, nicht mifsgünstig,
charaktervoll, Herr seiner Sinne,
11. (13810.) Restspeise essend, leutselig im Reden,
wohlgesinnt, rechtschatten, vornehm, des Geleisteten und
Nichtgeleisteten eingedenk, keine Feindschaft hegend,
auf das Wohl der Wesen bedacht, von einer Familie so
rein wie die Wasserfluten der Gaiigä.
So lautet im Mukahadharma die Erzählung vom Ährenleser
(uTtcharritti • uj'dkhydnam).
Adhyftya 358 (B. 356).
Vers 13811-13821 (R 1-11).
Der Rrahmane sprach:
1. (13811.) Eine schwere Last lag auf mir, und ich fühle
mich jetzt bedeutend erleichtert, nachdem ich diese höchstes
Vertrauen einflöfsenden Worte von dir vernommen habe.
2. (13812.) Wie für den vom Wandern Ermatteten das
Lager, wie für den vom Stehen Ermüdeten der Sitz, wie für
den Durstigen der Trank, für den Hungrigen die Nahrung,
3. (13813.) für einen Gast die rechtzeitige Erlangung der
von ihm erbetenen Speise, wie für einen alten Mann ein
eigener Sohn, nach dem die Sehnsucht in ihm lange be-
standen hat,
f>5*
8f>K
III. Mokshadharrua.
4. (138U.) wie das Wiedersehen mit einem lieben Freunde,
den man im Geiste herbeigewünscht hat, so erfrischend ist
für mich das von dir gesprochene Wort
5. (13815.) Wie einer, der den Blick nach oben richtet,
schaue ich und überlege ich, denn von einer verständigen
Rede ausgehend ist die Unterweisung, die du mir ge-
geben hast.
6. (13816.) Gewifs werde ich nach dem handeln, was
du, o Herr, mir anrätst. Diese Nacht, o Guter, verweile
bei mir,
7. (13817.) erst morgen früh magst du erquickt nach be-
haglichem Verweilen weiterziehen, denn schon hat jener
heilige Sonnengott mit matteren Strahlen sein Haupt gesenkt.
Bhishma sprach:
8. (13818.) Nachdem der Gast von jenem gastfreundlich
aufgenommen war, o Feindetöter, verbrachte er die folgende
Nacht bei dem Z wiegeborenen.
9. (13819.) Während die beiden sich über das vierte Lebens-
stadium und was damit zusammenhängt unterhielten, ver-
strich die ganze Nacht, als wäre sie ein Tag, in angenehmer
Weise.
10. (138^0.) Als der Tag anbrach, wurde der Gast von
dem Brahmanen, der danach verlangte, seine Absicht aus-
zuführen, nach besten Kräften geehrt.
11. (i3 8'.»i.) Darauf begab sich der rechtschaffene Brah-
mane, nachdem er alle seine Geschäfte richtig besorgt
und von seinen Leuten Abschied genommen hatte, als-
bald mit wohlgefestigter Absicht zu der ihm bezeichneten
Behausung des Schlangenfursten.
So lautet im Mokshadharm« die Ereahhrog Tom Ährenleser
(uZchatrUti.updkhydnam).
Digitized by Google
Adhyaya 359 (B. 357).
869
Adhyftya 359 (B. :«57).
Vers 13822-13834 (B. 1-13).
Bhlshm» sprach :
1. (13822.) Nachdem er der Reihe nach an mancherlei
Wäldern, Furten und Gewässern vor übergekommen war, be-
gegnete er einem Muni.
2. (13823.) Den befragte der Brahmane in höflicher Weise
nach dem von jenem Weisen ihm beschriebenen Naga, und
nachdem er Antwort bekommen hatte, ging er hin.
3. (13824.) Als der Verständige der Unterweisung gemäfs
zu der Behausung des Naga gelangt war, sagte er mit an-
mutiger Wortwendung: Hier bin ich, o Herr!
4. (13 825.) Da liefs sich auf dieses Wort die anmutige,
pflichtergebene, ihrem Gatten getreue Gattin des Naga vor
dem Brahmanen sehen.
ö. (13826 ) Diese, ihre Pflicht hochhaltend, erwies ihm die
gebührende Ehrung, hiefs ihn willkommen und sprach : „Was
soll ich tun?"
Der Brahmane sprach :
(}. (13 827.) Als müder W anderer bin ich durch das freund-
liche Wort der Herrin geehrt worden; ich wünsche den gött-
lichen, trefflichsten Naga zu sehen, o Herrin.
7. (13828) Das ist mein eigentlicher Zweck, das ist mein
höchster Wunsch, in dieser Angelegenheit bin ich heute zu
der Schlangenwohnung gekommen.
Die Gattin des Naga sprach:
s. (13829.) Mein Gatte ist für einen Monat abwesend, um
den Wagen des Sonnengottes zu ziehen, mufs aber in sieben
bis acht Tagen sicher wieder hier erscheinen.
9. (13830.) Damit möge dir der Anlafs für die Abwesen-
heit meines Gatten bekannt sein; sage mir, was ich sonst
noch für dich tun kann.
870
III. Mokshadharma.
I
Der Brahmane sprach:
10. (13831.) Nur aus jener Absicht bin ich hierherge-
kommen, o gute Frau, und will nun in dem grofsen Walde
dort verweilen und seine Ankunft erwarten, o Herrin.
11. (13832.) Sobald er zurückgekehrt sein wird, möge ihm
unfehlbar meine Ankunft hier gemeldet werden, und der glück-
lich Zurückgekehrte möge mein Wort durch dich übermittelt
erhalten.
12. (13833.) Inzwischen werde ich dort auf jener schönen
Sandbank der Gomati wohnen, indem ich für die von dir ge-
nannte Zeit meine Nahrung einschränke.
13. (13834.) Nachdem der Weise der Schlangenfrau diese
Weisung zu wiederholten Malen erteilt hatte, begab sich der
Brahmanenstier auf jene Sandbank des Flusses.
So lautet im Mok«h»dharm» die Ewlhlong vom Ährenle««
(ȀchatriUi - updkhyAnam).
Adhyaya 360 (B. 358).
Vers 13835-13847 (B. 1-13).
Bhlshma sprach:
1. (13 835.) Als nun aber jener asketische, vortreffliche
Brahmane dort verweilte, ohne Nahrung zu sich zu nehmen,
da wurden die Schlangenleute besorgt.
2. (13836.) Alle Angehörigen des Näga, seine Brüder,
Kinder und Gattin taten sich zusammen und begaben sich zu
dem Brahmanen.
3. (ia «37.) Da sahen sie den Zwiegeborenen auf der ab-
geschiedenen Sandbank seinem Gelübde treu dasitzen, ohne
Nahrung und mit Murmelung beschäftigt.
4. (13838.) Alle Angehörigen des gastlichen [Näga] be-
gaben sich zu ihm hinüber, verehrten den Brahmanen zu
wiederholten Malen und sprachen zu ihm das offene Wort:
5. (13 839.) Nun sind es schon sechs Tage, o Askesereicher,
Digitized by Google
Adhyäya 360 (B. 358).
871
dafs du hier angekommen bist, und du redest nicht im min-
desten davon, zu essen, o Freund der Pflicht.
0. (13 840.) Du bist zu uns gekommen, darum suchen wir
dich hier auf; wir müssen für ihn die Pflicht der Gastfreund-
schaft üben, denn wir gehören alle zu seiner Familie.
7. (13 841.) Eine Wurzel oder eine Frucht, ein Blatt oder
etwas Milch, o Bester der Z wiegeborenen, oder etwas Speise
solltest du um der Ernährung willen geniefsen, o Brahmane.
8. (13S42.) Dadurch, dafs du, in diesem Walde wohnend,
die Nahrung verweigerst, fühlt sich diese ganze Gesellschaft,
jung und alt, beschwert von dem Bewufstsein, ihre Pflicht
zu vernachlässigen.
( X (13 843.) Unter uns gibt es keinen Embryotöter, keinen,
der bei einem eingetretenen Unfälle nicht das Rechte täte,
keinen in der ganzen Familie, der essen möchte, ehe Götter,
Gäste und Angehörige gespeist haben.
Der Brahmane sprach :
10. (13844.) Infolge eures Anerbietens nehme ich die Speise
als genossen an für die Zeit von zehn weniger zwei Nächten
bis zur Rückkunft des Nüga.
11. (13 845.) Sollte aber nach Verlauf von acht Nächten
der Schlangenherr nicht zurück sein, ho werde ich Nahrung
zu mir nehmen, denn auf ihn zielt mein Gelübde hin.
12. (13H46.) Ihr braucht euch nicht zu beunruhigen, geht
nur wie ihr gekommen seid, auf ihn zielt alles, was ich tue,
und darin dürft ihr mich nicht stören.
13. (13 847.) So wurden die Schlangenleute von dem Brah-
manen verabschiedet und gingen unverrichtetcr Sache wieder
nach Hause, o Männerstier.
So lautet im M<>kit>*))>iarmft <1i* KT/äh)nng vom Ahrrnlf k r
872
III. Mokshadharnia.
Adhyftya 361 (B. 359).
Vera 13848-13863 (B. 1-16).
BHshma sprach:
1. (13848.) Als nun lange Zeit verstrichen war, kam der
Schlangenherr nach Hause zurück, nachdem er seine Auf-
gabe erlullt hatte und vom Sonnengotte entlassen worden war.
2. (13 84» ) Ihm kam die Gattin mit der Fufswaschung und
anderen Leistungen entgegen, und als die Gute zu ihm heran-
trat, da fragte sie der Schlangenherr:
3. (13 860.) Bist du auch, o Schöne, fleifsig gewesen in
Ehrung der Götter und Gäste in der Weise, wie ich sie dir
vordem empfahl, und wie sie gleichfalls durch den Brauch
vorgeschrieben ist?
4. (13 8Bi.) Du bist doch nicht, während ich die Geschäfte
des Gottes besorgte, nach Weiberart lässig geworden und
hast dich während der Trennung von mir über die Schranken
der Pflicht hinweggesetzt, o Schönhüftige ?
Die Gattin des Naga sprach:
5. (13 852.) Sache der Schüler ist Gehorsam gegen den
Lehrer, der Brahmanen Auswendigwissen des Veda, des
Dieners der Befehl des Herrn, des Königs die Regierung
der Leute.
6. (13853.) Die Pflicht des Kshatriya ist es, alle Wesen zu
schützen, des Vaicya, zum Opfer mitzuwirken und Gastfreund-
schaft zu üben.
7. (13 854.) Die Aufgabe des £udra ist es, den Brahmanen,
Kshatriya's und Vaicya's zu gehorchen, die des Hausvaters,
o Schlangenfürst, für das Wohl aller Wesen zu sorgen.
8. (13855.) Beständige Beschränkung der Ernährung und
jenachdem Beobachtung eines Gelübdes [wie Keuschheit,
Schweigen usw.] ist die Pflicht der Sinnesorgane im einzelnen,
weil auch sie der Pflicht unterworfen sind.
9. (13856.) Wem gehöre ich an? woher stamme ich? wer
bin ich, und wer gehört mir an ? In diesem Bewufstsein soll,
wer auf die rechten Mittel hält, im Erlösungsstadium leben.
Digitized by Google
Adhyaya Ml (B. 3Ö9).
873
10. (13 857.) Treue gegen den Gatten ist die höchste Pflicht
der Gattin, das weifs ich durch deine Unterweisung und auch
schon durch die Sache selbst.
11. (13858.) Da ich somit meine Pflicht kenne und du als
ein in der Pflicht Beharrlicher mir zur Seite stehst, wie könnte
ich da vom rechten Wege abweichen und auf einen Abweg
mich verlieren!
12. (13 859.) Die Beobachtung der Pflicht gegen die Götter,
o Hochbeglückter, wird von mir nicht versäumt, und mit der
guten Aufnahme der Gäste bin ich unermüdlich beschäftigt.
13. (13^60.) Es sind heute sieben oder acht Tage, dafs ein
Brahmane hierhergekommen ist, aber was er will, sagt er
mir nicht, sondern wünscht dich selbst zu sprechen.
14. (i38i;i.) Inzwischen sitzt er, nach deinem Anblick ver-
langend, auf einer Sandbank der Gomaü und beschäftigt sich
mit Beten als Brahmane mit scharfem Gelübde.
15. (13862.) Ich bin aber von ihm, o Schlangenfürst, an-
gewiesen worden und mufste es ihm versprechen, dich, den
Besten der Schlangenherren, nach deiner Ankunft zu ihm zu
bringen.
16. (13 863.) Nachdem du dies von mir gehört hast, o sehr
Weiser, mufst du dich zu ihm begeben und ihm deinen An-
blick gewähren, o Schlangenherr.
So Uut«t im Mokahadharra» die Kr/uhlung min Ährenleser
(u >i-K„r>ttti - upnit.yä*. , ,„; .
Adliy&ya 302 (B. :*00).
Vers 13804 -13 Ks3 (B. 1 -->«>).
Der Naga sprach:
1. das«.) Wer ist es, den du da für einen Brahmanon
angesehen hast? Ist es blofs ein der Brahmanenkaste an-
gehöriger Mensch oder vielleicht ein Gott, o heiter Lächelnde?
2. (13865.) Welcher Mensch, o Herrliche, kann danach
verlangen oder ist imstande, mich zu sehen? Wer kann
874
III. Mokshadhunna.
hoffen, mich zu sehen, und dies in Form eines Befehls aus-
sprechen ?
3. (13866.) Sind nicht, o Liebliche, unter den Scharen der
Götter und Dämonen und unter den Götter- Rishi's die Schlangen
als Nachkommen der Surasä (lies: saurasetjäs) von grofser
Kraft und Schnelligkeit?
4. (13S67.) Wir Schleichenden müssen verehrt werden als
Gabenspender, und sind besonders für die Menschen nicht
zu sehen, so denke ich.
Die Gattin des Xaga sprach:
5. (13868.) An seiner Schlichtheit sehe ich, dafs er kein
Gott ist, o Windesser; sonst sehe ich nur das Eine an ihm,
nämlich dafs er voll Ehrerbietung ist, o du Zorniger.
6. (13869.) Er begehrt nach irgendeiner Sache, und wie
der wasserdurstige, regenfrohe Cätakavogel nach Regen, so
verlangt er nach deinem Anblick.
7. (13870.) Möge er doch nicht dadurch, dafs er deines
Anblicks verlustig geht, auf ein Hindernis treffen; keiner,
der gleich dir in einer edlen Familie geboren ist, kann bei
einem solchen Anlasse ruhig zusehen.
8. (13871.) Darum mufst du den dir angeborenen Zorn
beiseite lassen und den Mann aufsuchen; wenn du heute
seine Hoffnung nicht täuschest, so brauchst du dir hinterher
keine Gewissensbisse zu machen.
ih (13872.) Wer es versäumt, einem Hoffenden seine Tränen
zu trocknen, der, und wäre er ein König oder ein Königs-
sohn, macht sich einer Embryotötung schuldig.
10. (138-3.) Dem Schweigen wird die Erkenntnis zum
Lohne, durch Freigebigkeit erlangt man grofsen Ruhm, die
Beredsamkeit, wenn einer die Wahrheit redet, wird sogar im
Jenseits geehrt.
1 1. (13874.) Wer Land verschenkt, erlangt ein Ziel, das
dem Durchmachen der Lebensstadien gleichkommt; wer zur
Erlangung eines geziemenden Zweckes Hilfe leistet, erlangt
dafür auch dessen Frucht.
12. (13875.) Wer mit Bewufstsein eine nicht mit Welthang
Digitized by Google
Adhyaya 36'2 (B. 360).
875
verflochtene Handlung zum Heile seiner Seele vollbringt, der
fährt nicht zur Hölle, das weifs jeder Pflichtkundige.
Der Naga sprach:
13. (i387r,.) Mein Stolz beruht nicht auf Dünkelhaftigkeit,
sondern meine edle Abstammung ist daran schuld, dafs er
so grofs ist. Aber jetzt ist der aus meinem Willen ent-
sprungene Zorn, o Gute, durch das Feuer deiner Rede ver-
brannt worden.
14. (13877.) Auch ich, o Gute, sehe keine schlimmere Ver-
blendung als den Zorn, durch sein Übermafs kommen (yänti
mit C.) wir Schlangenherren ins Gerede der Leute.
15. (13878.) Weil er sich vom Zorne hinreifsen liefs, wurde
der Zehnköpfige (Ravana), der Widersacher des Gottes Qakra,
von Räma im Kampfe getötet.
1<>. (13879.) Für den Raub des in der innern Wohnung
befindlichen Kalbes [der Opferkuh) wurden von Räma, als er
davon hörte, die in Gewalttätigkeit und Zorn entbrannten
Söhne des Kärtavirya erschlagen.
17. (13880.) Und von demselben Räma, dem Sohne des
Jamadagni, wurde der dem Tausendaugigen (Indra) vergleich-
bare, gewaltige Kärtavirya um seines Zornes willen im Kampfe
erschlagen (vgl. Mahäbh. III, Adhy. lH>fg.; XII, Adhy. 49).
18. (i388i.) Darum habe ich jenen Feind der Askese, jenen
Zerstörer des Heils, meinen Zorn, niedergekämpft, nachdem
ich deine Rede vernommen habe?.
19. (13882.) l'nd ich preise mich besonders glücklich, o du
Getreue, dafs eine so tugendhafte Gattin wie du, o Grofs-
augige, mir angehört.
20. (138S3.) Ich gehe jetzt dorthin, wo jener Zwiegeborcne
weilt, er wird mir sein Anliegen vollständig vortragen und
nach Erreichung seines Zweckes von dannen ziehen.
Sn Untet im Mokahftdharm* «lio FrinhlunR vom Xlirenlracr
(n'.rh'iri Ith • »]-oLI* uin,i»,>.
876
III. Mokshadharma.
Adhyftya 363 (B. 361).
Vera 13884-13899 (B. 1-16).
Bhishroa sprach:
1. (13 884.) Darauf begab sich der Schlangenherr zu dem
Brahmanen, indem er auf ihn seine Gedanken richtete und
überlegte, welchen Zweck er wohl haben möchte.
2. (18885.) Nachdem der verständige SchJangenfurst ihn
erreicht hatte (attkramya) , o Männerherr, sprach er, der von
Natur Pflichtliebende, das freundliche Wort:
3. (13886.) O Freund, sei ruhig, ich will zu dir reden, zürne
nicht ; um welcher Sache willen bist du hierhergekommen und
was ist dein Begehr?
4. (13 887.) Indem ich vor dich trete, frage ich aus Liebe
zu dir, o Z wiegeborener, wer ist es, den du an dem abge-
schiedenen Ufer der Gomati verehrst?
Der Brahroaoe sprach :
5. (13 888.) Wisse, dafs ich Dharmäranya heifse und hier-
hergekommen bin, um den Naga Padmanäbha zu sehen,
o Bester der Z wiegeborenen , darin liegt mein Zweck.
6. (13889.) Als ich ihn nicht antraf, habe ich von seinen
Leuten gehört, dafs er fortgegangen sei, und ich harre auf
ihn wie der Pflüger auf den Regen.
7. (13890.) Inzwischen beschäftige ich mich, dem Yoga
hingegeben und ohne Ungemach, mit einer Gebetsübung, die
von ihm Beschwerden fernhalten und sein Heil befördern soll.
Der Näga sprach:
8. (13891.) 0, da hast du eine edle Beschäftigung, gut
bist du und ein Freund der Guten, du bist untadlig, o Glück-
licher, weil du mit Liebe an deinen Nächsten denkst.
9. (13892.) Ich, wie du mich hier siehst, bin jener Naga,
o Brahmanenweiser, sage mir nach deinem Belieben, was ich
dir Angenehmes erweisen soll.
10. (13893.) Von meinen Leuten habe ich gehört, dafs du
angekommen bist, darum bin ich selbst gekommen, um dich
zu sehen, o Brahmane.
Digitized by Google
Adhyaya 363 (B. 3<">1).
877
11. (13894.) Da du hierhergekommen bist, sollst du nicht
fortgehen, ohne deinen Zweck erreicht zu haben ; mache mich,
o Bester der Brahmanen, vertrauensvoll mit deiner Sache
bekannt.
12. (13895.) Wir alle sind durch deine Tugend ganz und
gar gewonnen worden, weil du, dein eigenes Wohlsein bei-
seite lassend, zu meinen Gunsten dich bemühst.
Der Brabmane sprach:
13. (13896.) 0 Hochbeglückter, ich bin hierhergekommen
voll Sehnsucht dich zu sehen, ich möchte dich befragen über
eine Sache, in der ich mir nicht zu helfen weifs, o Schlangenherr.
14. (13897.) Obgleich ich, im Ätman stehend, nach dem
Ziele des Atman forsche, verehre ich doch nur den hoch-
weisen Atman, sofern er, des festen Standortes ermangelnd,
noch mit dem wankelmütigen Cittam (Manas) behaftet ist.
15. (13898.) Du, der du mir erschienen bist mit den
tugendhaften, ruhmgeborenen Strahlen, welche, den Be-
rührungen der Mondstrahlen gleich, herzerfreulich dein Wesen
offenbaren,
IG. (13899.) du, o Windesser, mögest mir eine Frage, die
in mir aufgetaucht ist, lösen! Sodann will ich dir meine
Sache mitteilen, und du sollst sie hören.
So lautet im M<>k»badh»rma die Erzählung vom Ähretilocr
(u?t< huri itd ■ ujtnkhtjnnaiiij.
Adhyftya :*G4 <B. 302).
Vcr 9 13900-13917 (B. 1-18).
Der Brahmane sprach :
1. (is<»o<ü Du, o Herr, pflogst ja, wenn die Reihe an dich
kommt, zu gehen, um den einrädrigen Wagen des Sonnen-
gottes zu ziehen; wenn du dort irgend etwas Wunderbares
zu sehen bekommen hast, so mögest du mir davon Kunde
geben.
878
III. Mokshadhaniia.
Der Naga sprach :
2. (13901.) Der Schauplatz mannigfacher Wunder ist der
heilige Sonnengott, aus welchem alle die Entstandenen her-
vorgehen, die in den drei Welten geehrt werden,
3. (13902.) in dessen tausend Strahlen, wie die Vögel in
den Zweigen, die vollendeten Muni's samt den Göttern Zu-
flucht und Wohnung finden,
4. (layoa.) aus welchem ausgehend, auf die Sonnenstrahlen
sich stützend, der grofse Windgott dort im Lufträume her-
vorbricht, — welch gröfseres Wunder könnte es geben als das!
5. (13904.) Diesen [Windgott] zerteilend aus Wohlwollen
für die Geschöpfe, o Brahmanenrishi, läfst er in der Regen-
zeit das Wasser strömen; welch gröfseres Wunder könnte
es geben als das!
(5. (13 905.) Mitten in dessen Scheibe stehend, entflammt
sich der grofse Atman mit höchstem Glänze und überschaut
die Welten; welch gröfseres Wunder könnte es geben als das!
7. (13 906.) Er heifst der Glänzende, und doch trägt er in
Gestalt eines dunklen Strahles das Wasser im Lufträume
und ergiefst es zur Regenzeit; welch gröfseres Wunder könnte
es geben als das!
8. (13907.) Und wiederum hält er acht Monate hindurch
das ausgegossene Wasser mit reinem Strahle in sich zurück
zu seiner Zeit; welch gröfseres Wunder könnte es geben
als das!
9. (13908.) In dessen unvergleichlichem Glänze der Atman
selbst weilt, durch den der Same und diese Erde mit Beweg-
lichem und Unbeweglichem erhalten wird,
10. (13909.) in dem der grofsarmige, göttliche, ewige,
höchste Purusha ohne Anfang und Ende weilt ; welch gröfseres
Wunder könnte es geben als das!
11. (i39io.) Aber als Wunder aller Wunder vernimm dies
eine von mir, was ich vom Standort der Sonne aus in dem
reinen Äther geschaut habe.
12. (139U.) Einstmals zur Mittagszeit, während die Sonne
die Welten bestrahlte, wurde von überallher ein der Sonne
gleichkommender Schein gesehen,
13. (13 912.) welcher, alle Welten mit seinem selbstleuch-
Digitized by Google
Adhyäya 3*U flB. 3»Ji>).
879
tenden Glanz durchglänzend, den Ilimmelsraum gleichsam
spaltete und auf die Sonne zueilte.
14. (13913.) Wie ein aufflammender Opfergufs verbreitete
er Licht mit seinen Strahlen, unbeschreiblich an Schönheit,
einer zweiten Sonne vergleichbar.
15. (139U.) Als er herangekommen war, reichte ihm der
Sonnengott die Hände, und er, dem diese Ehre gebührte,
reichte dem Sonnengotte die rechte Hand.
10. (13915.) Sodann zerteilte er den Himmelsraum, ging
in die Sonnenscheibe ein und an Glanz mit ihr eins geworden,
ward er augenblicklich zur Sonne.
17. (13 916.) Da entstand, als der Lichtglanz der beiden
sich vereinigt hatte, in uns ein Zweifel darüber, wer von
beiden eigentlich der Sonnengott sei, der auf dem Wagen
Fahrende oder der zu ihm Herbeigekommene,
18. (i3yn.) und, in diesem Zweifel befangen, fragten wir
den Sonnengott, wer der sei, welcher wie eine zweite Sonne
zum Himmel aufgestiegen war.
So lautet im Moksbailharm» die Et*<Uiluntf vom Älirrnleicr
(ttTtrhitcritti ■ upäLhytinaiit).
Adhyftya :H»5 (B. 36»).
Vers 13918 13924 (B. 1-6).
Der Sonnengott sprach:
1. (13919.) Es ist nicht der dem Winde befreundete Gott
(des Feuers), auch kein Dämon oder ein Schlangenfürst, es
ist ein Muni, welcher zum Himmel emporgestiegen ist, weil
er durch das Gelübde des Ährenlesens die Vollendung er-
reicht hat.
2. (13919.) Von Wurzeln und Früchten lebend, von ab-
gefallenen Blättern sich nährend, Wasser trinkend und Wind
trinkend war dieser gesammelte Brahmane.
3. (13920.) Von diesem wurde Bhava (<,'iva) durch Samhita-
verse gepriesen; durch diese auf die Himmelspforte gerichtete
Bemühung ist er zum Dreihimmel emporgestiegen.
4. (1.J921.) Ohne Umgang und ohne Wünsche, allezeit vom
880
III. Mokshadharma.
Ährenlesen lebend, war dieser Brahmane stets um das Wohl
aller Wesen bemüht, o ihr Schlangenherren.
5. (13922.) Nicht Götter, nicht Gandharven, nicht Dämonen
oder Schlangen stehen höher als die Wesen, die dieses höchste
Ziel erreicht haben.
[Der Naga sprach:]
6. (18923.) Dieses und von dieser Art ist das Wunder,
welches ich da droben gesehen habe, nämlich der vollendete
Mensch, welcher, nachdem er zur Vollendung gelangt ist,
(13924.) mit der Sonne vereint, die Erde umkreist, o Brahmane.
So laut«« im Mokthadbann» die Ertfchlnng vom Ährenleser
(uHCharritti - updkhyAnam).
Aclhy&ya 366 (B. 364).
Vers 13925-18934 (B. 1-10).
Der Brahmane sprach :
1. (13925.) Ein Wunder ist es, daran ist kein Zweifel!
0 Schlangenherr, ich bin hocherfreut, und durch dein
treffendes, mir gespendetes Wort ist mir der Weg gewiesen
worden.
2. (13926.) Heil sei dir! Ich will jetzt gehen, o du Guter,
Bester der Schlangenherren, gedenke meiner, indem du zu
mir schickst und meine Dienste in Anspruch nimmst.
Der Naga sprach:
3. (13927.) W T ohin willst du denn schon gehen, o Herr,
ehe du noch über die Angelegenheit, die dir am Herzen liegt,
gesprochen hast? Sprich doch, o Z wiegeborener, über die
Angelegenheit, um derentwillen du hierhergekommen bist.
4. (13928.) Ist aber, ausgesprochen oder nicht, deine An-
gelegenheit erledigt, so magst du dich von mir verabschieden,
o Brahmanenstier, und von mir entlassen von dannen gehen,
o Gelübdetreuer.
Digitized by Google
Adbyaya (B. 3«4>.
881
;">. ( 13929.) Denn als mein Freund darfst du nicht, kaum
dafs du mich gesehen hast, mich wieder verlassen und fort-
gehen, o Brahmanenweiser, wie einer, der hlofs bis zur Wurzel
des Baumes gelangt ist [und nicht zu seinen Früchten].
6. (13 930.) [Als Freund] lebe ich in dir, o Bester der Brah-
manen, und du in mir, alle meine Leute gehören dir an, welches
Bedenken besteht bei dir gegen mich, o Untadliger?
Der Brahmane sprach:
7. (WHsi.) Es ist, wie du sagst, o hochweiser, ätman-
kundiger Schlangenherr, die Götter selbst sind dir nicht
überlegen in jedem Sinne wie es auch sei.
8. (13932.) Du bist es und ich bin es, und was ich bin,
bist auch du, in ihm, der mich und dich und die Wesen,
uns alle immerdar umfafst.
9. (13 933.) Es bestand bei mir ein Zweifel, o Schlangen-
herr, in betreff der Ansammlung eines Schatzes guter Werke,
jetzt aber bin ich entschlossen, o Guter, das Gelübde des
Ährenlesens auf mich zu nehmen als das, was zum Ziele führt.
10. (13934.) Diese Gewifsheit ist mir geworden, o Guter, ich
habe den höchsten Antrieb mir zu eigen gemacht. Ich grüfse
dich, Heil sei dir! Mein Zweck ist erreicht, o Schlangenherr.
So lautet im Mokshftdharma die Kr*hliliinif vi im ÄliPftiJeMT
(un<'/'tirrit(i - upö K t, >/ii>ttiti f
AdliyAya :MW <B. 305).
Vers VMM> 131*13 (H. 1— !»>.
Bhlslima sprach:
1. (13935.) Nachdem <h?m Brahmanen die Gewifsheit ge-
worden war, nahm er Abschied von dem Besten der Schlangen-
herren und begab sich, um die Weihe zu erlangen, zu Cya-
vana, dem Bhrigusprofs.
2. (13936.) Nachdem er von ihm die Weihe erhalten hatte,
widmete er sich der Pflicht und erzahlte ihm seine Geschichte,
o König.
Dmni, ll.h4bhir.tam « r >C
882
III. Moksliailharnut.
3. (13937.) Von dem Bhrigusohne wurde dann weiter in
dem Hause des Janaka diese heilige Geschichte dem hoch-
sinnigen Xärada mitgeteilt, o Fürst der Könige.
4. (13938.) Von dem nicht an Werken hängenden Närada
wurde sie, als man ihn darum fragte, in dem Hause des Götter-
fürsten (Indra) weitererzählt, o Bester der Bharata's.
5. (13939.) Aber von dem GötterfÜrsten wurde einstmals
diese schöne Geschichte weiter in einer Versammlung allen
preiswerten Brahmanen mitgeteilt, o Erdeherr.
(>. (13940.) Und als jener furchtbare Kampf zwischen mir
und Rama stattgefunden hatte (Mahäbh. V, Adhy. 179 fg.).
wurde diese Erzählung mir von den Vasu's berichtet, o König.
7. (13 9*1.) Auf deine Frage habe ich dir der Wahrheit
gemäfs diese reine, heilige Geschichte übermittelt, o Bester
der Gesetzesträger,
8. (13942.) und erklärt, worin jene höchste Satzung be-
steht, nach der du mich fragtest, o Bhärata. Jener Brah-
mane war weise und in der Erfüllung seiner Pflicht frei von
Wünschen.
9. (13 943. Metrum: Aparavaktram.) Nachdem er von dem
Schlangenherrn in dem, was er zu tun hatte, unterwiesen
worden war, zog er nach erlangter Gewifsheit, stark in
Zucht und Selbstzucht, in den Wald, indem er sich nur
von dem nährte, was das Gelübde des Ahrenlesens ge-
stattet.
So lautet im Mokthadharraa die Erifthlung vom Ährenleser
(uZehatritti- upAkhyAnamj.
Digitized by Google
IV.
AXÜUlTÄ.
Mabibbtnun Buch XIV, Adhyaya lrt-51, Vers 4<>7-1477, C.
(-buch XIV, Adhyaya 16-51, B |.
Digitized by Google
Adhyaya 16 (B. 10).
Vers 407-453 (B. 1-10).
Janamejaya sprach :
1. (407 ) Als der Vollhaarige (Krishna) und Arjuna, die
Hochherzigen, nach Besiegung der Feinde dort in dem Palaste
weilten, welches war die Unterredung, o Brahmane, die sich
zwischen beiden entspann?
Vai^ampayana sprach:
2. (408) Nachdem der Sohn der Prithä die vollständige
Herrschaft erlangt hatte, lebte er in Gemeinschaft mit Krishna
in jenem himmlischen Palaste von Freude erfüllt.
3. (409.) Daselbst begab es sich einmal, o Fürst, dafs die
beiden, von ihren Leuten gefolgt, zufällig in ein Gemach des
Palastes gelangten, welches einem Gemach des Himmels glich.
4. (410.) Da nun betrachtete der von Krishna begleitete
Sohn des Pändu, Arjuna, voll Freude den herrlichen Palast
und sprach dieses Wort:
5. (4ii.) O Grofsarmiger, als damals der Kampf begann,
da lernte ich deine Herrlichkeit kennen, o Sohn der Devaki,
und jene deine göttliche Gestalt [oben, S. 77 fg.].
6. (412.) Was du, o Heiliger, damals zu mir aus Freund-
schaft gesprochen, o Vollhaariger, das allos, o Manntiger, ist
mir vermöge der Hinfälligkeit meines Geistes verloren ge-
gangen.
7. (413.) Aber ich empfinde immer wieder und wieder ein
Verlangen nach jenen Dingen, und es wird nun nicht mehr
lange dauern, bis du nach Dvärakä aufbrechen wirst, o Ma-
dhava.
886
IV. Anugita.
Vaicampayana sprach :
8. (4U.) Als der herrliche Krishna also von dem unter
dem Gestirn Phalguni Geborenen (Arjuna) angeredet wurde,
da umarmte er ihn und erwiderte, er, der Beste der Redner,
dieses Wort:
Vasudeva (Krishna) sprach:
9. (416.) Ich habe dir das Geheimnis verkündet, ich habe
dich belehrt über die immerwährende, aus deiner Natur [als
Kshatriya] entspringende Pflicht und über die ewigen Welten.
10. (416.) Dafs du aus Unverstand das nicht begriffen hast,
das ist mir im höchsten Grade unerwünscht, denn nicht noch
einmal wieder wird mir heute die Rückerinnerung daran mög-
lich sein.
11. (417.) Sicherlich, es fehlt dir an Glauben, denn du
bist törichten Sinnes, o Pändusohn, und es ist mir nicht
möglich, dir alles noch einmal zu wiederholen, o Gutgewinner.
12. (4i8/> Jene Lehre war vollständig hinreichend, um die
Stätte des Brahman zu erlangen; es ist mir nicht möglich,
dir noch einmal das alles in derselben Weise zu wiederholen.
13. (419.) Jenes höchste Brahman hatte ich dir verkündigt,
weil ich im Yoga versenkt war. Aber es gibt eine alte Er-
zählung über diesen Gegenstand, die will ich dir mitteilen,
14. (420.) so dafs du, zu dieser Erkenntnis gelangend, den
höchsten Weg gehen kannst. Vernimm also von mir, o Bester
der Gesetzesträger, alles, was ich dir sagen werde.
15. (421.) Ein gewisser Brahmane, o Feindüberwinder, kam
herab aus der Himmels weit und der Brahmanwelt, und dieser
gewaltige Mann wurde von uns mit Verehrung empfangen.
16. (422.) Und als er von uns befragt wurde, was er da
antwortete, o Stier der Bharata's, nach himmlischer Satzung,
o Prithäsohn, das vernimm, ohne dagegen Bedenken zu hegen.
Der Brahmane sprach:
17. (423.) Das, warum du mich befragst, in betreff der
Lehre von der Erlösung fmokshadharma) r o Krishna, und was
imstande ist, die Verblendung zu heben, das, o Herr, will
ich aus Mitleid mit den Wesen
Digitized by Google
Adhy&ya IC (B.
18. (424.) dir verkündigen der Wahrheit gemäfs, o Madhu-
sudana, vernimm es mit Aufmerksamkeit, o Mädhava, wie
ich es dir sage.
10. (425.) Ein gewisser an Askese reicher Brahmane namens
Käcyapa, der Pflichten sehr kundig, besuchte einen gewissen
Z wiegeborenen, welcher die heilige ( berlieferung der Satzungen
kannte
20. (426.) und über das Gehen und Kommen [der Wesen]
vielfaches Erkennen und Wissen bis auf den Grund erfafst
hatte, welcher über Wesen und Zweck der Welt unterrichtet
war und die Bedeutung von Lust und Schmerz erkannt hatte,
21. (427.) welcher das Wesen von Geburt und Tod kannte,
das Böse und das Gute zu unterscheiden wufste und die Wan-
derung der infolge ihrer Werke zu einer hohen oder niedrigen
Stelle gelangenden Seelen durchschaute,
22. (428) welcher dahinwandelte wie ein Erlöster, voll-
endet, beruhigt, mit bezähmten Sinnen, und von brahmischer
Schönheit strahlte, wohin er auch immer sich begeben mochte.
23. (429.) Da nun Käcyapa der Wahrheit gemäfs über
diesen erfahren hatte, dafs er es vermochte, unsichtbar zu
wandeln und demgemäfs mit unsichtbaren Wesen, mit Voll-
endeten und Cakradhara s (vielleicht: himmlischen Musikern]
Verkehr zu pflegen,
24. (no.) mit ihnen sich insgeheim zu unterreden und
zusammenzusitzen, sowie auch nach Belieben und ungehemmt
wie der Wind umherzuschweifen.
25. (431.) so nahte sich ihm der Weise. Beste der Brah-
manen, und nach der Lehre begehrend, warf sich der an
Askese und Meditation Reiche zu seinen Füfsen nieder, m.;j ) wie
es sich geziemt, indem er die grofse Wunderkraft des Mannes
erkannte.
20. uxn Und mit Erstaunen die Wunderkraft erkannt
habend, erfreute Käcyapa jenen höchsten Brahrnanen als
seinen Lehrer mit grofs»-r Huldigung.
27. Auch war dieses alles angemessen und in l'berein-
stimmung mit der Schriftlehre und dem guten Lebenswandel,
1434.) denn er erfreute ihn durch seine Liebe, wie es einem
Lehrer gegenüber Brauch ist, o Eeindbezwinger.
Digitized by Google
88«
IV. Anu#t&.
28. Jener aber, erfreut und günstig gestimmt, redete zu
ihm, der von seinem Schüler begleitet war, die Rede, (435.) welche
du, o Janardana (Krishna), in betreff der höchsten Vollendung
von mir vernehmen mögest.
Der Vollendete sprach :
29. (43«.) Durch mannigfache Werke, o Freund, sowie
durch blofse reine Hingebungen erlangen die Sterblichen so-
wohl den Weg zu dieser Welt als auch ein Verweilen in der
Götterwelt.
3U. (437.) Aber nirgendwo wird ihnen ewiges Glück zu-
teil und nirgendwo eine bleibende Stätte; immer wieder und
wieder erfolgt ein Herabfallen aus der grofsen, schwer er-
rungenen Stellung.
31. (438.) Unschöne und für mich schlimme Wege wurden,
weil ich Übles tat, erlangt von mir, da ich von Lust und
Zorn überwältigt und von Durst ftrishnaj verblendet war.
32. (439.) Immer aufs neue wiederholt sich das Sterben
und immer wieder aufs neue das Geborenwerden; mancherlei
Speisen habe ich schon genossen, mancherlei Mutterbrüste
schon getrunken.
33. (440.) Mannigfache Mütter habe ich schon gehabt und
vielerlei Väter; die verschiedensten Freuden und Leiden habe
ich erfahren, o Untadliger.
3-1. (441.) Vielfach schon ist mir widerfahren, von Lieben
getrennt zu werden und mit Unlieben vereinigt zu sein [vgl.
die erste heilige Wahrheit des Buddhismus], vielfach schon
Verlust des Vermögens, nachdem ich es mit Mühe erworben
hatte,
35. (442.) sowie auch sehr peinliche Demütigungen von
seiten des Königs und seiner Leute, und überaus herbe
Schmerzen an Leib und Geist.
36. (443.) Erlitten habe ich furchtbare Erniedrigungen.
Ermordungen und herbe Fesselungen, sowie auch Herab-
stürzung in die Hölle und Züchtigungen in der Behausung
des Yama.
37. (444.) Auch habe ich fort und fort Alter und Krank-
heit und vielfaches Mifsgeschick in dieser Welt heftig erleiden
Digitized by Google
Adhyfcya 16 (B. 1«).
8*9
müssen, welches aus den Gegensätzen [Kälte und Wärme usw.]
entsprang.
38. (445.) Darum habe ich endlich aus t'berdrufs und in-
dem ich meine Zuflucht zu dem Gestaltlosen nahm, dem Welt-
getriebe entsagt, nachdem ich schwer von Leiden gequält
worden war.
39. (44G.) Und so habe ich nach dem, was ich in dieser
Welt auskostete, diesen Weg hier eingeschlagen: darauf
wurde mir durch die Gnade des Atman die gegenwärtige
Vollkommenheit zuteil.
40. (447.) Ich werde nicht wieder hierher zurückkehren,
ich betrachte die Welten und die glücklichen Wege meiner
selbst, die ich bis zur Vollkommenheit von der Schöpfung
der Kreaturen an durchwandert habe.
41. (44«.) Auf diese Weise habe ich, o Bester der Z wie-
geborenen, die höchste Vollendung erreicht; hinfort werde
ich wieder zu dem gehen, was höher als diese Welt ist,
42. (44y.) zu der verborgenen Stätte des Brahman, daran
mögest du nicht zweifeln; ich werde nicht wieder, o Bedränger
der Feinde, hierher in die Welt der Sterblichen zurückkehren.
43. (450) Ich bin zufrieden mit dir, o grofser Weiser,
sage, was ich dir tun soll; was du begehrtest, da du zu mir
kamst, dafür ist jetzt die Zeit gekommen,
44. om.) und ich billige das, um dessentwillen du zu mir
gekommen bist: aber bald werde ich hinübergehen; darum
habe ich dir diese Anregung gegeben.
4ö. (452.) Ich bin sehr erfreut über dein Verhalten, o du
Verständiger. Frage nur, was zu deinem Besten dient, ich
will dir sagen, was du zu wissen wünschest.
4t». (453.) Ich schätze deine Hinsicht hoch und erkenne
sie sehr an, weil ich von dir entdeckt worden bin, denn du
bist weise, o Käcyapa.
lautet in drr Anugia der ••mt«- A.ihjijr».
8<K)
IV. Anugita.
Adhy&ya 17 (B. 17).
Vers 454-496 (B. 1-42).
Vasudeva (Krishna) sprach:
1. (454.) Da umsehlang er (Käcyapa) seine [des Voll-
endeten] Füfse und legte ihm schwer zu lösende Fragen vor,
und er, der Beste der Lehrmeister, verkündigte ihm diese
Lehren.
K&cyapa sprach:
2. (456.) Wie fällt der Körper dahin, und wie ersteht er
wieder, und wie wird man, umwandernd, aus dem schlimmen
Wanderungsumlaufe erlöst ?
3. (456.) Und wie geschieht es, dafs der Atman die Natur
(Prakriti) losläfst und diesen Leib aufgibt? Und wie vermag
er, nachdem er von seinem Leibe befreit ist, in einen andern
einzugehen?
4. (457.) Und wie können an einem Menschen die guten
und bösen Werke, welche er begangen hat, vergolten werden,
und wo befindet sich sein Werk, nachdem er körperlos ge-
geworden ist?
Der Brahmane sprach [zu Krishua]:
o. (458.) Nachdem der Vollendete in dieser Weise auf-
gefordert worden war, beantwortete er diese Fragen der Reihe
nach, o Värshneya; das vernimm, wie ich es dir erzähle.
Der Vollendete sprach [zu Kacjapa]:
6. (4M.) Wenn die Werke, die ein Mensch als Leben und
Ruhm fördernde während der Innehabung eines bestimmten
Körpers betrieben hat, wenn diese vollständig abgetan sind,
7. (460.) dann legt er sich, da nun sein Selbst von der
Vernichtung des Lebens überwältigt wird, auf entgegengesetzte
[dem Leben schädliche] Handlungen, und auch sein Verstand
läfst ihn im Stich, wenn der Untergang bevorsteht.
8. (46i.) Und während er [ehedem] in dieser Weise seine
Natur und seine Kraft und die rechte Zeit wohl verstanden
hatte, so gestattet er sich jetzt, wo er nicht mehr Herr seiner
selbst ist, Dinge, die ihm [seinem Wohlsein] zuwider sind.
Digitized by Google
Adbyäya 17 (B. 17).
891
9. (462.) Wenn er sich dann alles mögliehe erlaubt, was
ihm sehr schädlich ist, wenn er [zum Beispiel] übermäfsig
ifst oder aber ganz und gar nichts ifst,
10. (463.) wenn er Speisen, Fleisch und Getränke geniefst,
die verdorben sind oder sich nicht miteinander vertragen,
oder wenn er Schwerverdauliches allzu reichlich geniefst, oder
ehe er noch vollständig verdaut hat,
11. (464.) oder wenn er in Körperanstrengungen oder im
[geschlechtlichen] Drauflosgehen nicht Mafs hält, oder ge-
wohnheitsmäfsig im Eifer der Arbeit den natürlichen Drang
zurückhält,
12. (4ii5.) oder wenn er ein Freund scharf gewürzter Speisen
und des Schlafens am Tage ist und dadurch, ehe noch seine
Zeit reif und gekommen ist, selbsttätig die Körpersäfte
fdoshaj in Störung versetzt,
13. (466.) dann zieht er sich durch die Störung seiner
Körpersäfte eine Krankheit zu, die zum Tode führt, oder
auch er entschliefst sich zu widerwärtigen Handlungen, z. B.
indem er sich aufhängt.
14. (467.) Durch diese Ursachen verfällt bei einem leben-
den Wesen der Körper und sodann auch das Leben; dies
lasse dir erklären und behalte es, wie es sich geziemt.
15. (468.) Wenn in dem Körper die Wärme gestört wird,
indem sie aufgeregt wird durch scharfe Windströmungen, so
durchzieht sie den Leib und behindert alle [fünf] Lebenshauche.
(469.) Wenn nun die Wärme in dem Körper aufgeregt
und übermäfsig stark wird, so dringt sie ein in die der Seele
als Sitz dienenden letalen Partien (mnrmau) , das wisse der
Wahrheit gemäfs.
17. (470.) Alsdann macht sich die schmerzempfindende
Seele alsbald von dem hinfälligen [Körper] los, und das Lebe-
wesen verläfst seinen Körper, nachdem die letalen Partien
verletzt worden sind,
18. (471.) und die Seele wird von den Schmerzen über-
wältigt, das wisse, o Bester der Brahmanen; und so leben
alle Kreaturen fortwährend in der Angst vor dem Geboren-
werden und Sterben.
19. (47u.) Man sieht sie, wie sie ihre Leiber verlassen,
Digitized by Google
892
IV. Anugit*.
o Stier unter den Z wiegeborenen, und wie sie beim Eingang
in einen Mutterschofs aufs neue in die Glieder hineinkriechen.
20. (473.) Einen derartigen Schmerz empfindet der Mensch
auch wiederum, wenn er sich die Glieder bricht, oder auch
er erfährt ihn als Nafswerden durch das Wasser.
21. (474.) Und so wie der Lebenshauch das Entstandensein
in den fünf Elementen unterstützt, so geschieht es auch, dafs
er im Körper von der Kälte aufgeregt und durch einen scharfen
Luftzug in Wallung gebracht,
22. (475.) dafs er, der in den fünf Elementen sein Be-
stehen in Aushauch und Einhauch hatte, nunmehr nach oben
hin steigt und aus den unglücklichen Geschöpfen entweicht;
23. (476.) und so verläfst er den Körper, und der Mensch
wird gesehen, wie er ohne Odem ist; und wenn er in dieser
Weise ohne Wärme, ohne Odem, ohne Schönheit, seines Be-
wufstseins beraubt,
24. (477.) von dem Brahman [der Seele] verlassen, da-
liegt, so wird der Mensch ein Leichnam genannt Und durch
die Strömungen [die Sinnesorgane, £vet Up. 1,5], durch
welche der Leibesträger die Sinnendinge erkennt,
25. (478.) durch diese erkennt er nicht mehr die aus der
Ernährung entsprungenen Lebensorgane [er erkennt seinen
Leib nicht mehr]; denn derjenige, der dabei im Leibe sich
betätigt, ist nur der ewige Jiva (die individuelle Seele).
26. (479.) Ferner: alles, was irgendwo im Leibe von der
Art ist, dafs es für die Zusammensetzung des Körpers wesent-
lich ist, das, wisse, ist eine letale Stelle (marnianj; denn dies
ist zu ersehen aus dem Schriftkanon.
27. (480.) Wenn nun diese letalen Stellen verletzt werden,
so bedrängt von ihnen aus jener [der Lebenshauch] das Herz,
dringt in dasselbe ein und verschliefst alsbald das Sattvam
[die geistige Kraft, das Manas] des betreffenden Wesens;
(48i.) dann geschieht es, dafs dieses Wesen, obgleich mit Be-
wufstsein begabt, doch nichts mehr erkennt.
28. Dann wird sein Bewufstsein vom Tamas umhüllt,
nachdem schon die letalen Teile davon umhüllt worden waren,
(482.) und die individuelle Seele ist ohne festen Stand und
wird vom Winde hin und her bewegt.
Digitized by Google
Adhyäya 17 (B. 17).
893
20. Dann stöfst die Seele heftig jenes furchtbare Röcheln
aus, (483.) und indem sie auszieht, macht sie alsbald den be-
wufstlosen Körper erzittern.
30. Dann geschieht es, dafs die Seele aus ihrem Kör-
per herausgetrieben und von ihren Werken umhüllt wird,
(484.) beiderseits, sowohl von den guten und heiligen, als auch
von den bösen.
31. Brahmanen, welche mit Erkenntnis begabt sind und,
wie es sich gehört, Gewifsheit aus der Schrift geschöpft
haben, (485.) erkennen an bestimmten Zeichen den, welcher
Gutes getan hat, und den andern.
32. Wie einen im Dunkel hier oder da verschwindenden
Leuchtkäfer (486.) diejenigen, welche gute Augen haben, noch
erkennen, so ist es auch mit denen, welche das Auge des
Geistes besitzen.
33. Die Vollendeten schauen mit göttlichem Auge die
Seele in dieser Lage, (487.) sowohl wenn sie aus dem Körper
fällt, als auch wenn sie, um geboren zu werden, in einen
Mutterschofs eingeht.
34. Eine dreifache Stätte der Seele gibt es, wie schon
hienieden aus der Schrift zu ersehen ist. (4hs > Diese Erde,
auf der Kreaturen wohnen, ist das Land der Werke.
35. t'nd sodann, je nachdem sie Gutes oder Höses ge-
tan haben, empfangen die Verkörperten [den Lohn] dafür:
(489.) schon hienieden empfangen sie hohe und niedrige Ver-
geltung für ihre eigenen Werke.
3ti. Diejenigen, welche hier böse Werke tun, gelangen
für ihre Werke in die Hölle; (4»o) dies ist der schlimme Weg
nach unten, auf dem die Menschen gepeinigt [wörtlich: ge-
braten] werden; aus ihr [der Hölle] ist es sehr schwer los-
zukommen, und man mufs seine Seele sorgfältig vor ihr
behüten.
37. (4»i.) Hingegen die Stätten, an welchen die Seelen
weilen, die nach oben gegangen sind, diese, wie sie schon
hienieden uns verkündigt werden, vernimm von mir der Wahr-
heit gemäfs.
3-S. (492.) So mögest du, nachdem du die zuverlässige Er-
kenntnis vernommen hast, die Gewifsheit in betreff der Werke
894
IV. AnugU*.
erfahren. Alle die Gestalten der Gestirne und jene Mond-
scheibe dort,
39. (493.) wie auch die Welt, in welcher mit eigenem
Glänze die Sonnenscheibe strahlt, diese alle wisse als die
Stätten der Menschen, welche heilige Werke geübt haben.
40. (494.) Aber nachdem ihre Werke verbraucht sind,
müssen sie alle immer wieder aufs neue herabsinken: auch
ist dort oben im Himmel eine Unterscheidung zwischen
Niedrigem, Hohem und Mittlerem;
41. (495.) und auch darum ist dort keine volle Befriedi-
gung, weil man ein glänzenderes Glück vor Augen sieht.
Damit habe ich dir alle jene Wege im einzelnen erklärt.
42. (496.) Nunmehr aber will ich dir das Eingehen in einen
Mutterleib erklären; und auch dies vernimm von mir, wie
ich es dir darlege, mit Aufmerksamkeit, o Brahmane.
So lautet in der Anugttt der zweite Adbjaym.
Adliy&ya 18 (B. 18).
Vers 497-531 (B. 1—35).
Der (Vollendete] Brahmane sprach:
1. (497.) Für gute und böse Werke gibt es keinen Ver-
gang; sie kommen zur Reife, indem man in den ihnen jedes-
mal entsprechenden Körper eingeht.
2. (498.) Wie ein Fruchtbaum, der zeugungskräftig ist,
viele Früchte hervorbringt, so wird von einem reinen Gemüte
(manasj eine grofse Menge verdienstlicher Werke hervor-
gebracht.
3. (499.) In derselben Weise wird das Böse durch ein
böses Gemüt bewirkt, denn die Seele verfährt in der Weise,
dafs sie das Gemüt [wie ein Fürst seinen Purohita] beauf-
tragt (purodhayaj , das Werk zu tun.
4. (500.) Wie nun ein Mensch, mit seinem Werke beladen
und in Lust und Zorn gehüllt, in einen Mutterschofs eingeht,
auch dies vernimm, wie ich es dir beantworte.
5. (5oi.) Der [männliche] Same, mit dem [weiblichen]
Blute vermischt, gelangt in den Uterus des Weibes und
Digitized by Google
Adhyftya 18 (B. 18).
895
erhält dort einen aus seinen Werken entstehenden Leib, sei
es einen schönen oder nichtschönen.
(3. (502.) Und wegen seiner Subtilität und seines unoffen-
baren Wesens hängt er [der Purusha, die Seele] nirgendwo
[an den Körperelementen] fest [vgl. asango hy ayam purushah,
Brih. Up. 4,:Uö]; darum wird er, wenn er als ßrahmane sein
Verlangen erreicht hat, zu jenem ewigen Brahman.
7. (503.) Dieses [Brahman] ist der Same aller Wesen,
durch dieses leben alle Kreaturen; dieses, als individuelle
Seele alle Glieder des Embryo Stück für Stück erfüllt habend,
8. (504.) erhält sie aufrecht vermittelst des Bewufstseins,
sofort seinen Standort in den Lebensorganen nehmend; als-
dann versetzt der mit dem Geistigen ausgestattete Embryo
die Glieder in Zuckungen.
9. (505.) Wie der sich ergiefsende Flufs des [geschmolzenen]
Eisens die bestimmte Form der Statue ausfüllt, so, wisse, ist
das Eingehen der Seele in den Embryo.
10. (5<>6.) Wie die Feuersglut, in einen Eisenklumpen ein-
gehend, ihn durch und durch erhitzt, so ist, das sollst du
wissen, das Eindringen der Seele in den Embryo.
1 1. (507.) Und wie die Lampe leuchtet, welche in einem
Zimmer brennt, in ehen dieser Weise erleuchtet das Bewufst-
sein die I^eiber.
12. (508.) Alle Werke, die einer vollbringt, seien sie gut
oder böse, alles, was in einer frühern Verkörperung begangen
wurde, das wird unfehlbar abgebüfst.
13. (509.) Damit wird es abgetragen, aber zugleich sammelt
sich wiederum anderes Werk an, bis dafs einer zur Erkennt-
nis derjenigen Pflicht kommt, welche in der Hingebung an
die Erlösung besteht.
14. (5io.) Nun will ich dir das Werk verkünden, durch
welches einer selig wird, und wie er es wird, während er in
abwechselnden Geburten immer wiederkehrt, o Bester.
15. (511.) Freigebigkeit, Gelübde, Vorschrift smäfsiges Leben
als Brahmanschüler, Behalten des heiligen Wortes, Bezäh-
mung, Beruhigtsein und Mitleid mit den Wesen,
lt>. (512.) Selbstbeherrschung, Freiheit von Übelwollen,
Vermeidung des Sichvergreifens an fremdem Gute, Nicht-
896
IV. AnugiUL
begehen von Übeltaten auch nur in Gedanken gegen irgend
welche Wesen auf der Welt,
17. (ßia.) Gehorsam gegen Mutter und Vater, Ehren-
erweisung gegen Götter und Gäste, Ehrung des Lehrers, Mit-
leid, Reinheit, beständige Beherrschung der Sinne
18. (5U.) und Beförderung edler Handlungen — dies wird
der Lebenswandel der Guten genannt; aus ihm entspringt
die Gerechtigkeit, welche die Wesen in alle Ewigkeit beschützt.
19. (515.) Daher wird man sie immer bei den Guten sehen,
bei ihnen hat sie ihren beständigen Standort, ihr Wandel
zeigt an, was Gerechtigkeit ist, in welcher sie ruhig und fest
beharren.
20. (sie.) Ihnen ist dieses Werk anvertraut, nämlich diese
ewige Gerechtigkeit; wer ihr sich zuwendet, der wird sich
nicht auf einen Abweg verlieren.
21. (517.) Hierdurch wird die Welt aufrecht erhalten, wenn
sie von den Wegen der Pflicht abirrt; aber ein dem Yoga
Ergebener, ein Erlöster zeichnet sich auch noch vor jenen aus.
22. " (518.) Wenn aber einer der Pflicht gemäfs einen guten
Wandel übt, wo und wie es immer sein mag, ein solcher
wird erst nach langer Zeit über den Sarisära hinausgeführt.
23. (5i».) In dieser Weise gelangt ein Mensch allemal zu
dem früher begangenen Werke, und dieses ist die ganze
Ursache, um derentwillen einer in verwandelter Gestalt hier-
her zurückkehrt.
24. (520.) Aber durch wen ist es zu Anfang angeordnet
worden, dafs einer [als Sühne für frühere Werke] einen
Körper annehmen mufs? — Darüber besteht in der Welt
Zweifel; das will ich dir nunmehr erklären.
25. (621.) Als der Urvater aller Welt sich selbst einen
Leib geschaffen hatte, da liefs er, der Gott Brahman, die drei
Welten aus sich hervorgehen, alles Unbewegliche und Be-
wegliche.
2G. (522.) Darauf entliefs er aus sich das Pradhänara [die
Urnatur, d. h. doch wohl seinen eigenen Leib] als die Prakriti
[die Urraaterie] der zu verkörpernden Seelen, von welcher
diese ganze Welt erfüllt ist, und die man gemeiniglich für
das Höchste ansieht.
Digitized by Google
Adhy&ya 18 (B. IS).
SS»7
27. (523.) Diese wird bezeichnet als das Veränderliehe
fksharinn), das andere aber ist das Unsterbliche, Unveränder-
liche. Als eine Verbindung von den dreien [d. h. von den
drei Guna's, aus denen die Prakriti besteht, vgl. auch müh tont,
Sänkhya-Kärikä 12], für jedes Einzelwesen in besonderer
Weise, hat er alles,
28. (524.) hat er alle Wesen geschaffen, nachdem er als
Schöpfer (Prajäpati) vorher zum Vorschein gekommen war
[vgl. Manu 1,6—7 pradur äsit, udbabhau], sowie auch die
Pflanzen; so lehrt es die althergebrachte Schrift.
29. (525.) Aber für jenes [Annehmen eines Körpers] ver-
ordnete der Weltvater eine Zeitgrenze und ebenso die Um-
wanderung unter den Wesen und die immer neue Wiederkehr.
30. (526.) Was ich dir als ein weiser Mann, der den Atman
in einer frühern Geburt erkannt hat, sagen werde, das ist
alles der Wahrheit gemäfs.
31. (527.) Wer erkennt, wie Lust und Schmerz ganz und
gar vergänglich sind, und dafs der Körper eine unreine An-
sammlung, und dafs sein Untergang durch die Werke be-
dingt ist,
32. (5J3 ) und wer bedenkt, dafs alle Lust im Grunde doch
Leid ist, der wird den furchtbaren Ozean des Sansära über-
schreiten, so schwer das ist.
33. (52».) Er, der mit Geburt, Tod und Krankheit behaftet
ist, aber die [Illusion der] Materie durchschaut, er erkennt
in allen geistigen Wesen ein und dasselbe Geistige.
34. (r>3o.) Dann wird er der ganzen Welt überdrüssig und
erforscht die höchste Stätte. Hierüber will ich dir, o Bester,
der Wahrheit gemiifs Belehrung geben.
3f>. (53i.) Und was die höchste Erkenntnis von jenem
Ewigen, Unvergänglichen ist, das, o Brahmane. sollst du, wie
ich es dir sagen werde, vollständig vernehmen.
So lautrt in der AntitfltiV drr .Iritte A.lhjiy»
IM L ast:*, MahibhftraUin
898 IV. Anugita.
Adhy&ya 19 (B. 19).
Vers 532-598 (B. 1-66).
Der [rollendete] Ii rahm an e sprach :
1. (532.) Wer beharrt, in das einzige Ziel vertieft, schwei-
gend, nicht denkend woran es auch immer sei, und alles
Frühere hinter sich lassend, der ist über die Bindung hinaus-
geschritten.
2. (633.) Wer allen Freund ist, alles duldend, der Ruhe
ergeben, die Sinne besiegt habend, frei von Furcht und Zorn
und Herr seiner selbst, der Mann wird erlöst.
1\. (534.) Wer alle Wesen wie sich selbst behandelt, be-
zähmt, rein, ohne Stolz und Hinterlist ist, der ist von allem
erlöst.
4. (535.) Wer bei beidem, Leben und Tod, bei Freude und
Schmerz, bei Gewinn und Verlust, bei Liebem und Unliebem
gleichmütig bleibt, auch der wird erlöst.
o. (536.) Nicht begehrt er nach irgend etwas, nicht ver-
achtet er irgendwas, er ist frei von den Gegensätzen [z. B.
Liebe und Hafs] und in seiner Seele ohne Leidenschaft; ein
solcher ist in jedem Sinne erlöst.
(}. (537.) Wer ohne Freunde, ohne Verwandte, ohne Nach-
kommenschaft ist, wo es auch immer sein mag, wer das Gute,
Nützliche und Angenehme hat fahren lassen und frei von Be-
gierde ist, wird erlöst.
7. (538 ) Wer nicht mehr am Guten, nicht mehr am Bösen
hängt, von dem früher Aufgehäuften [Verdienste der guten
Werke] sich frei macht, durch Aufreibung der Stoffe seines
Körpers seine Seele beruhigt hat und von den Gegensätzen
sich losgesagt hat, der wird erlöst.
8. (539.) Wer ohne Werke, ohne Begierde hinblickt auf
die vergängliche Welt, wie sie, dem Feigenbaum [d. h. der
Vielheit seiner Zweige, Käth. Up. 6,1] vergleichbar, immerfort
an Geburt, Tod und Alter gebunden ist,
9. (540.) wer mit dem Bewufstsein der Leidenschaftslosig-
keit immerfort auf seine Fehler achtet, der vollbringt die
Digitized by Google
Adhy&ya 19 (B. 19).
Befreiung seiner Seele von der Bindung, man kann wohl
sagen, in kurzer Zeit.
10. (54i.) Wer den unriechbaren, unschmeckbaren, unfühl-
baren, unhörbaren, unfafsbaren, unsichtbaren, unerkennbaren
Atman schaut, der wird erlöst.
11. (542.) Wer den von den Qualitäten der fünf Elemente
freien, gestaltlos-ursachlosen, gunalosen Geniefser der Guna s
schaut, der wird erlöst.
12. (5*3.) Durch die Erkenntnis alle Wünsche, die körper-
lichen wie die geistigen, aufgebend, erlangt er nach und nach
das Nirvänam (das Erlöschen) wie das Feuer, dessen Brenn-
holz verbrannt ist.
13. (544.) Wer frei von allen Nachwirkungen [der frühern
Geburt], frei von den Gegensätzen, frei von allem Anhang
[Familie usw.] ist und durch die Schar der Sinne mittels
Askese hindurchgeht, der ist erlöst.
14. (545.) Wenn er von allen Nachwirkungen befreit ist,
alsdann erlangt er das ewige, höchste, ruhige, unbewegliche,
beständige, unvergängliche Brahman.
15. (546.) Weiterhin nun will ich dir die unübertreffliche
Wissenschaft des Yoga mitteilen und wie, dieser sich hin-
gebend, die Yogin's den vollkommenen Atman schauen.
K>. (547.) Über diesen will ich dir die Unterweisung mit-
teilen, wie es sich gehört; dies vernimm von mir, durch
welche Pforten, sich selbst in sich selbst eindringen lassend,
man das Ewige erschaut.
17. (64*.) Die Sinnesorgane in sich hineinziehend , soll
man das Manas in sich selbst feststellen, und nachdem man
vorher scharfe Askese geübt hat, den zur Erlösung führen-
den Yoga betreiben.
18. (541».) Dann möge der Asket in dauernder Hingebung
die Yogawissenschaft betreiben, indem er als Weiser an
Verstand, als Brahmane das [höchste] Selbst in seinem
Selbste schaut.
19. (550.) Wenn er dann als ein solcher Tüchtiger es
vermag, sich selbst in sich selbst zu vertiefen, dann wird
er, einzig dessen beflissen, das [höchste] Selbst in seinem
Selbste schauen.
57*
900
IV. Annita.
20. (551.) Bezähmt, immerfort hingegeben, Herr seiner
selbst und die Sinne im Zaume haltend, so wird er, welcher
sich völlig hingegeben hat, durch sein Selbst das Selbst
schauen.
21. (562.) Denn so wie ein Mann im Traume, wenn er
einen [im Wachen] gesehen hat, hinschaut und sagt: „Er
ist es", ebenso sieht der in rechter Weise Hingegebene den
Ätman, als wäre er eine körperliche Gestalt.
22. (553.) Und wie einer den Halm aus dem Schilf heraus-
zieht und vorzeigt, so zieht auch der Yogin aus seinem Leibe
den Atman heraus und schaut ihn an (Rath. Up. 6,17).
23. (554.) Das Schilf, so erklärt man dies, ist der Leib,
der Halm trifft zu auf den Atman; dieses unübertreffliche
Gleichnis ist von Yogakennern verkündigt worden.
24. (555.) Denn wenn der Verkörperte vollständig sein im
Yoga begriffenes Selbst schaut, dann gibt es für ihn hienieden
keinen Herrn mehr, und wäre er der Gebieter aller drei Welten.
25. (556.) Andere und wieder andere Gestalten, in die geht
er ein nach Wunsch, und ob er schon wiederkehrt zu Alter und
Tod, so härmt er sich doch nicht und freut sich auch nicht.
20. (5/i7.) Auch das Gottsein der Götter weifs der dem
Yoga Hingegebene, Mächtige sich zu verschaffen; und das
unvergängliche Brahman erlangt er, nachdem er den nicht-
beständigen Leib verlassen hat.
27. (558.) Und wenn auch die Wesen zugrunde gehen, so
ergreift ihn doch keine Furcht, und wenn die Wesen gequält
werden, so erleidet er doch keine Qual von irgend jemandem.
28. (559.) Durch fürchterliche Schmerzen, Leiden und Be-
ängstigungen, wie sie aus dem Hängen und Kleben [am Da-
sein] hervorgehen, bleibt der dem Yoga Hingegebene uner-
schüttert, ohne Begierde und ruhigen Herzens.
20. (5«o.) Ihn durchbohren keine Geschosse, für ihn gibt
es keinen Tod ; es gibt nichts irgend auf der Welt, was glück-
licher wäre als er.
30. (56i.) Sein Selbst völlig dahingegeben habend, steht
er fest gewurzelt in dem [höchsten] Selbste; Alter und
Schmerz haben sich von ihm abgewandt, und so kann er
ruhig schlafen.
Digitized by Google
Adhyaya 19 fB. 19).
001
31. (562.) Nach seinem Belieben fährt er ein in die Körper,
indem er seinen menschlichen Leib verläfst, aber l berdrufs
wird ihn in keiner Weise überkommen, indem er [das Da-
sein in fremden Leibern] geniefst.
32. (563.) Wenn er in völliger Hingebung sein Selbst nur
in dem [höchsten] Selbste sieht, dann empfindet er keinen
Neid, auch nicht einmal dem Gott Indra gegenüber.
33. (564.) Wie aber einer, der sich dessen einzig be-
fleifsigt, den Yoga erlangt, das vernimm. Uberdacht habend
die früher gesehene Gegend [die Aufsenwelt], nimmt er seinen
Wohnsitz in einer Stadt [dem eigenen Innern],
34. (565.) und im Innern dieser Stadt mufs man das Manas
feststellen, nicht aufserhalb derselben. Und wenn er, im Innern
der Stadt verbleibend, in einer ihrer Wohnungen weilt, (566.) so
soll man in dieser Wohnung das Manas mitsamt allen äufseren
und inneren [Organen, lies: abhyantaram] einschliefsen.
35. Und während der Zeit, in welcher er, das All über-
denkend, in dieser Wohnung weilt, (567.) während dieser Zeit
ist sein Manas in keiner Weise von aufsen her [beeinflufst;
tasmin mit B., sonst nach C.].
3t>. Und indem man die Schar der Sinnesorgane bändigt,
so dafs sie lautlos in dem menschenleeren Walde verharrt,
(5r,8.) soll man den ganzen innern Körper unabgelenkt über-
denken,
37. die Zähne, den Gaumen, die Zunge, die Kehle mit-
samt dem Halse, (scy.) und auch das Herz soll man über-
denken und ebenso die Adern Verbindung des Herzens.
38. So wurde von mir zu jenem verständigen Schüler
gesprochen, o Madhusüdana, (570.) da fragte er mich wiederum
nach jener schwer zu erklärenden Erlösungslehre.
30. Wie wird die immer wieder und wieder genossene
Nahrung in den Eingeweiden verdaut, (:»7i ) wie geht sie in
den Zustand des Saftes, und wie weiter in den Zustand des
Blutes über?
40. Ferner, wie kommt es, dafs Fleisch, Fett, Sehnen
und Knochen in dem Weibe wachsen, (572 ) und wie, dafs
alle diese Körper der Verkörperten
41. wachsen, wenn man wächst, und wie wächst zugleich
902
IV. AnugltiL
jemandes Kraft, (578.) und wie vollzieht sich der Abgang hin-
dernder Stoffe und der Ausscheidungen je nach ihrer Art?
42. Oder wie kommt es, dafs einer einatmet und wieder
ausatmet, (674.) und welchen Ort des Körpers einnehmend weilt
der Atman in unserem Selbst?
43. Und wie kann die individuelle Seele, indem sie sich
bewegt, den Leib in Bewegung setzen, (575.) und in einen
[Körper] von welcher Farbe (Kaste) bettet sie abermals einen
wie beschaffenen ein?
44. Das mögest du mir der Wahrheit gemäfs erklären,
o Heiliger, Sündloser. (576.) Mit diesen Worten wurde ich
von jenem Brahmanen befragt, o Mädhava,
45. und ich antwortete ihm, o Grofsarmiger, der Schrift-
offenbarung gemäfs, o Feindbezwinger. (577 ) Wie einer, der
einen Schatz in seiner Schatzkammer niedergelegt hat, auf
den Schatz aufmerksam bleiben mufs,
46. so soll man das Manas in dem Körper einschlief sen,
sich der Ausgangspforten wohl versichern (578.) und in sich
den Atman aufsuchen, indem man die Lässigkeit meidet.
47. Wenn man sich in dieser Weise immerfort in Be-
reitschaft hält, so wird man mit freudigem Geiste in kurzer
Zeit vielleicht schon (579.) in Besitz jenes Brahman gelangen,
welches geschaut habend man auch des Pradhänam (der
Prakriti) kundig wird.
48. Nicht mit dem Auge ist Er zu erfassen und nicht
mit allen Sinnesorganen, (580.) sondern mit dem Manas als
Leuchte wird der grofse Atman (mahän atmäj geschaut.
49. Nach allwärts ist er umgeben von Händen und Füfsen,
nach allwärts ist er Augen, Haupt und Mund, (581.) nach allen
Seiten hin hörend, die Welt umfassend steht er da (£vet.
Up. 3,16, frei).
50. Die (individuelle) Seele schaut sich selbst, wie sie
aus dem Körper herausgetreten ist. (58-.\) Und indem sie
diesen ihren eigenen [Atman] in dem Körper loslöst und zur
Trägerin des absoluten Brahman wird,
51. schaut sie sich selbst an im Geiste gleichsam lächelnd.
(583.) Und indem sie in dieser Weise jenes Brahman zu ihrem
Digitized by Google
Adhyaya 19 (B. 19).
Stützpunkt gemacht hat, gelangt sie darauf zur Erlösung in
mir [sofern ich der höchste Ätman bin].
;V2. Dieses ganze Geheimnis habe ich dir mitgeteilt,
o Bester der Zwiegeborenen. (584.) Ich sage dir Lebewohl,
ich mufs aufbrechen, ziehe hin, o Brahmane, wie es dir
gefällt.
53. Nachdem in dieser Weise, o Krishna, jener askese-
reiche Schüler damals von mir belehrt worden war, (.wr..) ging
er, wohin es ihm gefiel, der Brahmane mit scharfem Gelübde.
Vasudeva (Krishna) sprach:
54. (*»si>.) Nachdem in dieser Weise damals, o Sohn der
Pritha. jener Beste der Zwiegeborenen die Rede gesprochen
hatte, gab er sich völlig der Erlösungslehre hin und ver-
schwand daselbst vor meinen Augen.
55. (r»87.) Hast du wohl jetzt, o Sohn der Pritha, dieses
mit ungeteilter Aufmerksamkeit angehört? Denn auch da-
mals schon, als du dich auf deinem Streitwagen befandest,
hast du ja das alles gehört.
5<>. (.ws.) Denn freilich ist dies nicht leicht zu fassen,
o Sohn der Pritha, wie ich denke, von einem zerstreuten
Manne, der noch nicht sein Bewufstsein bereitet hat durch
ein geläutertes Innere.
57. f.w«i.) Jetzt ist dies ausgesprochen worden, o Stier der
Bharatas, was auch für die Götter ein grofses Gebeimnis ist;
und dieses ist doch gewifs noch niemals, o ^ohn der Pritbä,
von einem Menschen vernommen worden.
bH. ib9i).) Denn kein anderer Mensch aufser dir, o Un-
tadliger, ist würdig, dieses zu hören, und auch jetzt ist es
nicht wohl zu fassen von einem ungesammelten Gemüte.
5 ( .>. (f,»i.) Denn die Götterwelt, o Sehn der Kunti, wird
von den Opferbringern in ihrem Bestände geschützt, und es
ist den Göttern nicht erwünscht, dafs das Menschengeschlecht
[durch Eingang in die Erlösung) schwinde.*
bX). (592.) Denn das, o Prithasohn, ist der höchste Gang,
* Cankara zu Brih. Up. 1.4.10 p. 2:14.'» liest: nvirtwir upan -rurtanam.
mit anderer Wendung des (iedankens.
904
IV. Anugita.
was jenes ewige Brahman ist, in welchem man nach Ver-
lassen des Körpers ewig selig' die Unsterblichkeit erlangt.
61. (593.) Die, welche dieser Lehre sich zuwenden, auch
wenn sie einem schlechten Mutterschofse entsprossen, auch
wenn sie Weiber, Vaicya's oder C udra ' s smd > aucn diese
gehen den höchsten Weg.
62. (594.) Um wieviel mehr die Brahmanen, o Sohn der
Prithä, und Kshatriya's, wenn sie eifrig die Schrift studieren,
an ihrer Pflicht Freude haben und allezeit die Brahman weit
für das Höchste halten!
63. (595) Und dieses ist mit Gründen bewiesen worden;
auch gibt es Mittel, um es zu vollbringen; die Frucht aber
des Yollbringens (lies: siddhiphalam) ist die Erlösung und
die völlige Beseitigung des Leidens.
64. (596.) Über dieses hinaus gibt es kein Glück, von
welcher Art es auch sein möge, o Stier der Bharata's. Wer
verstandig ist und gläubig und tapfer, o Pändusohn,
65. (597.) welcher Mensch durch diese Mittel zum Ver-
zichten auf die wertlosen Werte der Welt veranlafst wird,
der findet alsbald den höchsten Weg.
66. (598.) Soviel ist darüber zu sagen ; es gibt nichts, was
darüber hinaus noch als Ziel gelten könnte; wenn einer sich
sechs Monate lang immerfort des Yoga beflissen hat, so wird
bei ihm der Yoga gedeihlich fortschreiten.
So lautet in der Anngltä der vierte Adby&jra.
Adhy&ya 20 (B. 20).
Vera 599-627 (B. 1-28).
Vasudeva sprach:
1. (599.) Auch hierüber erzählt man sich diese alte Ge-
schichte, o Sohn der Prithä, von der Unterredung, welche
zwischen zwei Ehegatten gepflogen worden war, o Stier der
Bharata's.
2. (600.) Als einen gewissen Brahmanen, der an das End-
ziel der Erkenntnis und Wissenschaft gelangt war, die Brah-
Digitized by Google
Adhyäya *20 (B. 20).
manenfrau in der Einsamkeit sitzen sah, da sprach sie, die
Gattin, zu ihrem Gatten:
ii. (601.) In welche Welt werde ich gelangen, die ich zu
dir, meinem Gatten, meine Zuflucht genommen habe, der du
das Opferwerk aufgegeben hast und nun dasitzest wie ein
Tölpel und unansehnlich?
4. fcos.) Die Frauen erlangen die von ihren Gatten er-
rungenen Welten, wie die Schrift uns sagt. Ich habe dich
als Gatten erlangt; welchen Weg werde ich wohl gehen?
f>. f <;<>:*.) Nachdem er so angeredet war, sprach er mit
ruhigem Geiste und gleichsam lächelnd : O Holde, nicht bin
ich ungehalten über diese deine Rede, o Untadlige.
t». (604.) Greifbar und sichtbar oder real ist das, was
für ein Werk gehalten wird ; bei diesem als ihrem Werke
bleiben die Werk voll bringer stehen und nennen es Werk.
7. (t;oi.) Nur in der Verblendung befestigen sie sich durch
ihr Werk, sie, die der Erkenntnis entbehren, und das Unter-
lassen von Werken wird in dieser Welt auch nicht eine
Stunde lang festgehalten.
*. <6o*o In Taten, Gedanken und Worten bleibt das Werk,
sri es ein gutes, sei es ein böses, von der Gehurt an bis zur
Trennung von dem Leibe hin unter den Wesen in Übung.
i*. (6»;.j Aber während die Wege, auf denen sichtbare
Stoffe geopfert werden, von den Dämonen Angriffe erfahren,
so habe ich für sie [die Wesen] durch meinen Annan einen
im Atman beruhenden festen Stützpunkt ersehen.
10. ohm.) Wo jenes von den Gegensätzen freie Hrahinan,
wo der [wahre] Sorna und das Opferfeuer ist, dort verkehrt
der Weise beständig, indem er [sieh als Krahman wissend]
die Wesen trägt,
11. <«<>!>) dort, wo die Brahmanen und die übrigen in
Hingebung jenes Unvergängliche verehren, dort, wo die
Wissenden, ihrem Gelübde Treuen mit beruhigtein Selbste
und bezähmten Sinnen weilen.
kku Nicht ist es durch den Geruchsinn zu riechen,
nicht ist es durch die Zunge zu schinecken, noch auch durch
den Tastsinn zu betagten, aber mit dem Mauas wird es erkannt,
n. 0:11.) Nicht kömnm sich die Augen seiner bemächtigen.
Digitized by Google
906*
IV. Anugiti.
und es ist erhaben über alles, was man irgend hören mag,
ist ohne Geruch, ohne Geschmack und Fühlbarkeit, die Un-
sichtbarkeit und Unhörbarkeit hat es als Merkmal.
14. (612.) Es ist dasjenige, von welchem das Gewebe der
Schöpfung ausgeht und in welchem es gegründet ist; der
Aushauch, der Einhauch, der Allhauch, der Zwischenhauch
und der Aufhauch,
15. (613.) sie alle gehen von ihm aus und in dasselbe ein,
in ihm bewegen sich zwischen Allhauch und Zwischenhauch
der Aushauch und der Einhauch.
H\. («u.) Wenn dieses sich verbirgt, so verbergen sich
auch der Allhauch und der Zwischenhauch, und zwischen
Einhauch und Aushauch nimmt der Aufhauch, sie durch-
dringend, seine Stelle; (eis.) daher kommt es, dafs der Aus-
hauch und Einhauch den Menschen, auch während er schläft,
nicht vertätet.
17. Weil die [übrigen] Lebenshauche durch ihn regiert
werden, darum heifst er der Aufhauch; (616.) durch diesen
[als den beherrschenden Lebenshauch] geschieht es, dafs die
Brahmanlehrer sich der auf das Ich hinzielenden Askese zu-
wenden.
18. Unter diesen [Lebenshauchen], welche wechselseitig
voneinander zehren und alle den Körper durchstreichen,
(6i7.) strahlt in ihrer Mitte von innen her das Feuer Vaicvä-
nara [das Verdauungsfeuer als Lebensprinzip und Symbol des
Atman, Brih. Up. 5,9] in sieben Richtungen:
19. Geruch und Geschmack, Auge, Tastsinn und Ohr
als fünftes, (618.) ferner Manas und Buddhi, das sind die sieben
Zungen des Vaicvanarafeuers.
20. Das Riechbare und das Sichtbare, das Trinkbare,
Fühlbare und Hörbare, (6is.) ferner das Verstehbare und Er-
kennbare, das sind die sieben Brennhölzer für mein Ich.
21. Der Riechende, der Schmeckende, der Sehende, der
Fühlende und der Hörende als fünfter, (620.) ferner der Ver-
stehende und der Erkennende, das sind die sieben obersten
Opferpriester.
22. Was ferner die Objekte des Riechens, Schmeckens,
Sehens , Fiihlens und Hörens (621.) sowie des Verstehens und
Digitized by Google
Adhyftya 20 (B. 2<»).
907
Erkennens betrifft, so wisse, o Holde, dafs sie allemal da-
durch zustande kommen, dafs
2-5. die sieben Opferpriester, die die Opfergaben [die Data
der Perzeption] siebenfach in die sieben Feuer [die sieben
vom Atman auslaufenden Organe der Perzeption], («22.) wie
es sich geziemt, werfen und dadurch als Weise [Priester] die
genannten Objekte an der ihnen zukommenden Stätte [der
Aufsenwelt] erzeugen.
24. Die Erde, die Luft, der Äther, das Wasser und das
Feuer zu fünft (623.) sowie Manas und Buddhi, diese sieben
werden dabei als die Stätten bezeichnet.
25. Nämlich die zur Opfergabe gewordenen Qualitäten
der Dinge gehen dabei alle ein in die aus dem [Ätman-]
Feuer entspringende Qualität [der Aperzeption ] , (624.) und
nachdem sie dort innerlich gewohnt haben, werden sie an
den ihnen zukommenden Stätten [der Aufsenwelt] geboren.
20. Dort, in dem Erzeuger der Elemente [d. h. in dem
Atmanfeuer], werden sie beim Untergange eingeschlossen,
(«Sri.) und aus diesem wiederum entsteht der Geruch, entsteht
der Geschmack,
27. aus diesem entsteht auch die Gestalt und das Tast-
bare, (es«.) aus diesem auch der Ton, die Überlegung [als
Objekt des Manas] und die Überzeugung [als Objekt der
Buddhi), so ist diese ihre Geburt siebenfach.
2H. («27.) In dieser Weise ist es von den Altvordern be-
griffen worden (Kaush. l'p. 8). Durch drei vollständige Opfer-
güsse werden die ganz vollständigen [drei Welten] durch
das Feuer [des Ätman] eingefüllt.
S<> latitrt in der Annita der filnfte AdlryAja.
Adhvftva *>i (11. ♦>!).
Vers tii'S-CM (B. 1-20».
Der Bnilnnane sprach:
1. («2S j Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte. Vernimm nunmehr, o Liebliche, welches die
Einsetzung der zehn Opferpriester ist.
908
IV. Anugitt.
2. (629.) Das Ohr, die Haut, die Augen, die Zunge und
die Nase, die Füfse, die Hände, das Zeugungsorgan, das
Entleerungsorgan und die Rede (lies: päyur vag //?), dies
sind, o Schöne, die zehn Opferpriesterheiten.
3. (630.) Der Ton und das Gefühl, das Gesicht und der
Geschmack, der Geruch, die Rede, das Greifen, das Gehen
und die Entleerung des Samens sowie die von Harn und Kot,
das sind die zehn Opfergaben.
4. (6.n.) Die Gottheiten der Himmelsgegenden, des Windes,
der Sonne, des Mondes, der Erde und des Feuers nebst Vishnu,
Indra, Prajäpati und Mitra, das sind, o Schöne, die zehn
Opferfeuer.
5. (632.) Zehn Sinne sind als Opferpriesterheiten und
zehn [Stoffe der Wahrnehmung als] Opfergaben, o Holde;
Sinnesobjekte aber heifsen die Brennhölzer, welche in den
zehn Opferfeuern [in den genannten Naturgöttern] geopfert
werden.
6. (633.) Das Denken ist der Opferlöffel und der [beim
Opfer gespendete] Reichtum; die Erkenntnis ist die beste
Opferseihe. Diese ganze Welt war [zum Zweck dieses Opfers]
richtig eingeteilt, wie die Schrift lehrt (Rigveda 10,90,6).
7. (634.) Dabei bezieht sich Denken und Erkennen auf
alles Erkennbare; in dem Körper aber, welcher der Träger
des feinen Leibes fretah^ariram — sükshmaQariram) ist, ist der
Erkenner der Träger dieses Leibes.
8. (635.) Dieser Träger des Leibes [der Erkenner] ist das
Gärhapatyafeuer, aus ihm wird das andere Feuer abge-
leitet; das Manas hingegen ist das Ahavaniyafeuer, in dieses
wird die Opfergabe [der Stoff der Sinneswahrnehmung] ge-
worfen.
9. (636.) Aus jenem [dem Erkenner, d. h. dem Atman] ist
hervorgegangen der Herr der Rede [das ewige, weltschaffende
Vedawort] ; auf ihn [auf das Vedawort] blickt das Manas [der
weltschaffende Wille] hin, und die Gestalt [der Aufsendinge]
entsteht; das Manas läuft hinter dem Buchstaben [des Veda]
her [d. h. die Dinge werden im Hinblick auf das ewige Veda-
wort geschaffen].
Digitized by Google
Adhyaya 21 (II. 21).
909
Die Brahmauin sprach:
10. (637.) Wie kommt es, dafs die Rede zuerst und das
Manas hinterdrein entstanden ist, da doch die Rede das über-
nimmt, was vom Manas vorher gedacht worden ist?
11. (G38.) Ferner: durch welche Tätigkeit des Erkennens
erlangt die Mati (das Manas) den Gedanken und erlangt ihn
doch nicht in dem erhöhten Zustande [des Tiefschlafes und
des Yoga], wer hindert alsdann das Manas?
Der Brahmane sprach:
12. (<;:uo Der Apäna hindert es, indem er es übermeistert;
dadurch versenkt er das Manas in das Apanasein; dies wird
als der Weg gelehrt, welchen das Manas [im Tiefschlafe und
Yoga] geht; darum blickt das Manas [auf das Vedawort]
hin. [Das Manas funktioniert intermittierend, während das
Vedawort ewig ist.]
VX (64o) Was aber deine [erste] Frage betrifft, in der
du mich nach dem Verhältnis zwischen Rede und Manas be-
fragtest, so will ich dir die Geschichte von dem Rangstreite
dieser beiden erzählen (lies: vartayishyämi).
14. (64t.) Beide, die Rede und das Manas, gingen zum
Bhütätman (zur individuellen Seele) und befragten ihn: Sage,
wer von uns beiden der Beste ist, löse uns diesen Zweifel,
o Herr.
IT). (642.) Das Manas, so antwortete der Erhabene. Da
sprach Sarasvati (die Rede): Aber ich bin doch für dich die
Wunschkuh; so sprach die Rede zu ihm.
Der Brahmane sprach [als Vertreter <les Manas |:
Di. (643.) Das Unbewegliche und das Bewegliche, diese
beiden wisse als zwei mir eigene Arten des Mauas: das Un-
bewegliche ist mir [als dem Manas] beigeordnet, das Beweg-
liche gehört in deinen Bereich [du, die Rede, bist das Manas
in Bewegung].
17. (644.) Alles, was in diesen Bereich gehört, sei es ein
Vedaspruch, sei es ein Laut oder ein Akzent, das ist das
Manas als Bewegliches, darum bist du, o Rede, die Geehrt ere ;
18. (645.) sowie auch darum, weil dir die Meditation zu-
Digitized by Google
910
IV. Anugita.
kommt; darum komme ich aus freien Stücken zu dir, du
Holde, und indem ich mich dem Aushauche anschliefse, werde
ich [mit deiner Hilfe], o Sarasvaü, aussprechen [was ich als
Manas denke].
19. (646.) [Hier scheint der Brahmanengatte wieder das
Wort zu nehmen.] Ehemals hatte die Göttin Rede ihren be-
ständigen Standort zwischen Präna [hier Einhauch] und Apäna
[hier Aushauch], und wenn sie sich aufserte, so geschah es,
o glückliche Gattin, indem sie ohne den Einhauch [also nur
sehr schwach] aushauchte. (647.) Da lief sie [hilfesuchend]
zu Prajäpati und sprach: Sei mir gnädig, o du Erhabene!
20. Da trat der Präna in die Erscheinung, welcher die
Rede [wenn sie erschöpft war] wiederum kräftigte ; (648.) daher
kommt es, dafs die Rede niemals spricht, wenn sie sich an
den Aushauch anschliefst.
21. Sie äufsert sich allezeit, sei es in lauter, sei es in
lautloser Weise, (649.) und auch von diesen beiden steht die
lautlose Rede höher als die laute.
22. Wie eine Milchkuh lafst sie die Dinge und ihren
Wohlgeschmack ausströmen, die überaus reiche; (650.) denn
immerfort strömt sie, das Brahman verkündigend, für und für.
• 23. Die Göttin der Rede ist wegen ihrer himmlischen
Macht eine himmlische Milchkuh, o du Frau mit dem heitern
Lächeln. (661.) Siehe da den Unterschied der beiden Subtilen
[Rede und Manas] in ihrem Dahinströmen.
Die Brahmauin sprach:
24. (652.) Damals, als noch keine Worte entstanden waren
und sie [die vorweltliche Vedarede] sich getrieben fühlte von
dem Verlangen zu reden, was hat wohl damals die Göttin
Rede zuerst gesprochen?
Der Brahmane sprach:
25. (653.) „Sie, welche durch den Präna (Einhauch)
in dem Körper geboren wird und vom Präna in den Apäna
(Aushauch) eingeht, wenn diese, zum Udäna (Aufhauch)
geworden, den Körper verlassen hat, so erfüllt sie durch
den Vyäna (Zwischenhauch) den ganzen Himmel,
Digitized by Google
Adhyaya 21 (B. 21).
911
20. (ö5i.) und alsdann hat sie ihren Standort in dieser
Welt [nicht mehr in einem individuellen Leibe, sondern
in kosmischem Sinne] im Samäna (Allhauch)." Das sind
die Worte, welche die Göttin der Rede [ihr kosmisches
Wesen offenbarend] vordem gesprochen hat. — Somit
hat das Manas die Unbeweglichkeit als Merkmal und die
Göttin Rede die Beweglichkeit.
So Uutct in der Anutflti der seehMe Adhy&ya.
AdhyAya 22 (B. 22).
Vers 655 - 683 (B. 1-29).
Der Brahmane sprach :
1. (•;&:».) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, o Schöne, von der Art, wie die Einsetzung der
sieben Opferpriester war.
2. («»♦;.) Die Nase, das Auge, die Zunge, die Haut und
das Ohr als fünftes, das Manas und die Buddhi, das sind
die sieben Opferpriester, welche ihren besondern Sitz haben.
iJ. (e.'n.i Da sie an schwer wahrnehmbarer Stätte weilen,
so können sie sich gegenseitig nicht sehen; diese sieben
Opferpriester sollst du, o Schöne, nach ihrer eigentümlichen
Natur kennen lernen.
Die Brahmanin sprach:
4. («äs.) Wie kommt es, dafs sie, an schwer wahrnehm-
barer Stätte befindlich, sich gegenseitig nicht sehen? t nd
wie ist ihre eigentümliche Natur, o Erhabener? Das sage
mir, o Herr.
Der Brahmane sprach:
5. d,yj.) Wer ihre Qualität nicht kennt, der kennt sie
auch selbst nicht, und wer ihre Qualität kennt, dem sind
auch sie bekannt; sie selbst aber kennen gegenseitig ihre
Qualitäten in keiner Weise.
<>. (660.) Zunge, Auge, Ohr, Haut (lies: tvafi), Manas und
Buddhi erkennen nicht die Gerüche, sondern die Nase ♦»r-
kennt sie.
912
IV. Anuglta.
7. (66i.) Nase, Auge, Ohr, Haut, Mauas und Buddhi er-
kennen nicht die Geschmäcke, sondern die Zunge erkennt sie.
8. (662.) Nase, Zunge, Ohr, Haut, Manas und Buddhi er-
kennen nicht die Gestalten, sondern das Auge erkennt sie.
9. (663.) Nase, Zunge, Auge, Ohr, Manas und Buddhi er-
kennen nicht die Gefühle, sondern die Haut erkennt sie.
10. (664.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Manas und Buddhi
erkennen nicht die Töne, sondern das Ohr erkennt sie.
11. (665.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Ohr und Buddhi er-
kennen nicht die Überlegung, sondern das Manas erkennt sie.
12. (666.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Ohr und Manas er-
kennen nicht die Entscheidung, sondern die Buddhi erkennt sie.
13. (667.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich den Rangstreit der Sinnesorgane mit dem
Manas, o Holde.
Das Manas sprach:
14. (668.) Ohne mich kann die Nase den Geruch nicht
riechen, die Zunge den Geschmack nicht empfinden, das Auge
die Gestalt nicht erfassen, die Haut das Gefühl nicht wahr-
nehmen,
15. (669.) und auch das Ohr vernimmt in keiner Weise
den Ton, wenn es von mir verlassen ist; ich bin das vor-
züglichste unter allen Wesen für und für.
16. (670.) Wie verödete Behausungen, wie Feuer, deren
Glut erloschen ist, so erglänzen die Sinnesorgane nimmer-
mehr, wenn sie von mir verlassen sind.
17. (67i.) Wie trocknes Holz, das noch feucht ist [nicht
die Flamme annimmt], so können auch mit angestrengten
Sinnesorganen alle Geschöpfe ohne mich die Objekte der
Qualitäten nicht ergreifen.
Die Sinnesorgane sprachen:
18. (672.) Das wäre richtig, so wie du es meinst, wenn
du ohne uns die Genüsse, welche unsere Objekte sind, ge-
niefsen könntest.
19. (673 ) Wenn es ein Genufs ist, noch weiter zu leben,
wenn wir erloschen sind, dann wollen wir einräumen, dafs
Digitized by Google
Adhyftya 22 (B. 22).
913
du wirklich die Genüsse [ohne uns] zu geniefsen vermagst,
so wie du es meinst.
20. (674.) Oder auch [wir wollen es einräumen], wenn bei
unserm Erlöschen unter Fortbestehen der Sinnesobjekto du
durch dein blofses Vorstellen die Genüsse je nach den Ob-
jekten geniefsen könntest.
21. («75.) Oder glaubst du vielleicht, dafs du in jedem
Falle deinen Zweck in bezug auf unsere Gegenstände erreichen
kannst, so versuche es doch und ergreife die Gestalt mit der
Nase, ergreife den Geschmack mit dem Auge.
22. («<«.) ergreife mit dem Ohr die Gerüche, ergreife die
Gefühle mit der Zunge, ergreife mit der Haut den Ton oder
mit der ßuddhi das Gefühl.
23. (r,77.) Wer stark ist, der unterliegt ja keinem Zwang;
gezwungen zu werden ist das Los der Schwächeren; versuche
doch die Genüsse zu ergreifen, ohne uns den Vortritt zu lassen,
und du hast nicht nötig (lies: arhasi), nur zu geniefsen, was
wir dir übriglassen.
24. (67s.) Ja, wie ein Schüler zum Lehrer gehen mufs,
um den Veda zu lernen, und erst nachdem er ihn erlernt
hat, seine Vorschriften befolgen kann.
2f>. («79.) so kannst auch du die Sinnesobjekte erst er-
kennen, nachdem wir sie dir gezeigt haben, die künftigen so
gut wie die vergangenen, die im Traume so gut wie im
Wachen.
2b*. (»J8o.) Und auch bei Geschöpfen, welche ihren Verstand
fmanas) verloren haben oder nur geringe Einsicht besitzen,
bleibt doch das Leben erhalten, indem das dazu Nötige ge-
tan wird als unsere Angelegenheit [ohne dich |.
27. (68i.) I nd wenn einer auch viele Vorstellungen [des
Mauas] besäfse und sich in Träumen [durch das Manas]
wiegte, so müfste er doch schliefslich, vom Hunger gequält,
zu den [von uns verschafften | Sinnendingen seine Zuflucht
nehmen.
28. («;8'„m Wer sich einschliefsen wollte wie in ein tür-
loses [also schutzloses] Haus in die [blofs ideellen] Ge-
nüsse des Vorstellens, ohne dafs sie mit den Sinnen-
dingen verknüpft wären (lies: ambaiUihan), der würde
914
IV. Anugltä.
schliefslich damit zur Ruhe kommen, dafs sein Leben
erlöschte , wie ein brennendes Feuer, dessen Brennholz
verbraucht ist.
29. (683.) Zugegeben, dafs jeder von uns nur auf seine
eigene Qualität beschränkt ist, zugegeben auch, dafs wir
unsere gegenseitigen Qualitäten nicht wahrnehmen, so
steht doch fest, dafs du ohne uns nicht wahrnehmen
kannst und dafs, ohne dafs du soweit uns zur Hilfe
nimmst, ein Genufs dir nicht zuteil werden kann.
8o lautet in der Anojrlta der siebente Ado j Aya.
Adhy&ya 23 (B. 23).
Vers 684-710 (B. 1-24).
Der Brahmaue sprach:
1. («84.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte. Vernimm nunmehr, o Liebliche, welches die Ein-
setzung der fünf Opferpriester ist.
2. (685.) Der Präna und der Apäna, der Udäna, der Sa-
mäna und der Vyäna, von diesen wissen die Weisen, dafs
sie fünf Opferpriester und zugleich die höchste Macht sind.
*
Die Brahmamn sprach:
3. (686.) Von Natur aus gibt es sieben Opferpriester, dies
war bisher meine Meinung; inwiefern hingegen fünf Opfer-
priester das höchste Dasein ausmachen sollen, das erkläre mir.
Der Brahmane sprach:
4. (687.) Der durch den Präna zusammengebrachte Wind
wird weiterhin zum Apäna; der im Apäna zusammengebrachte
Wind wird weiterhin zum Vyäna.
5. (688.) Der durch den Vyäna zusammengebrachte Wind
wird weiterhin zum Udäna; der im Udäna zusammengebrachte
Wind wird sonach zum Samäna.
6. (689.) Diese Präna' s befragten in der Vorzeit den vor
ihnen entstandenen Urvater (den Gott Brahmän): Wer unter
Digitized by Google
Adhyaya 23 (B. 2."J).
915
uns der Beste ist, das sage uns an; der [welchen du dafür
erklärst] soll unter uns der Beste sein.
Der Gott Brahmau sprach:
7. (690.) Derjenige, bei dessen Untergang alle Präna' s
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen und bei
dessen Hervortreten sie wieder hervortreten, der ist der
Beste. Nun geht, wohin es euch beliebt.
Der Präna sprach :
8. (69i.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna's
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.
Der Hrahmane sprach:
9. (692.) Da ging der Präna unter und trat darauf wieder
hervor. Da sprachen der Samäna und der Udäna zu ihm,
o Schöne, das folgende Wort:
10. (693.) Du weilst doch nicht in diesem Leibe, so dafs
du ihn ganz durchdringst, wie wir es tun; du bist also nicht
der Beste von uns, o Präna, denn nur der Apäna ist dir
Untertan. (694.) Nachdem der Präna wieder hervorgetreten
war, sprach zu ihm der Apäna.
Der Apaua sprach:
11. (695.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna' s
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.
Der Brahmaue sprach:
12. (6D6.) Als er so sprach, da sagten zu ihm der Yyäna
und der Udäna: O Apäna, du bist nicht der Beste, sondern
nur der Präna ist dir Untertan.
13. (697.) Nachdem der Apäna wieder hervorgetreten war,
sprach zu ihm der Vyäna : Ich bin der Beste von allen, ver-
nehmt aus welchem Grunde.
IV. Anagtta.
14. (698.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna's
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.
Der Brahraane sprach:
15. (69i*.) Da ging der Vyäna unter und trat darauf wieder
hervor. Da sprachen zu ihm der Präria, der Apäna, der Udäna
und der Samäna:
16. (7oo.) Du bist nicht der Beste von uns, o Vyäna, son-
dern nur der Samäna ist dir Untertan. Nachdem der Vyäna
wieder hervorgetreten war, sprach der Samäna : (701.) Ich bin
der Beste von allen, vernehmt aus welchem Grunde.
17. (702.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Prana's
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.
18. (703.) Nachdem der Samäna wieder hervorgetreten war,
sprach zu ihm der Udäna: Ich bin der Beste von allen, ver-
nehmt aus welchem Grunde.
19. (704.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Präna's
in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei
meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin
also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.
20. (705.) Da ging der Udäna unter und trat darauf wieder
hervor. Da sprachen zu ihm der Präna, der Apäna, der Sa-
mäna und der Vyäna: (706.) O Udäna, du bist nicht der Beste,
sondern nur der Vyäna ist dir Untertan.
Der Brahmane sprach:
21. (707.) Da sprach zu ihnen der Gott Brahmän, zu allen
zusammen, der Prajäpati : Ihr seid alle die Besten oder auch
nicht die Besten, denn ihr seid alle voneinander abhängig.
22. (708.) Ihr seid alle die Besten, ein jeder in seinem
Bereich, aber ihr seid auch alle voneinander abhängig. Also
sprach zu ihnen allen zusammen der Prajäpati.
23. (709.) Jeder einzelne von euch, o ihr fünf Winde, in
seiner Besonderheit ist selbständig und auch nicht selbständig
Digitized by Google
Adhyaya 23 (B. 23).
917
denn es ist nur mein eigenes und einziges Selbst, welches
auch in eurer Vielheit wahrgenommen wird.
24. (7io ) Als Freunde voneinander und euch gegenseitig
fördernd, sollt ihr euch gegenseitig unterstützen. Lebt wohl,
geht hin, Heil möge euch zuteil werden! *
Bo Uutet in der AnuglU der »chte AdhyAya
AdhyAya 24 (B. 24).
Vers 711-727 (B. 1—17).
Der Brahmane sprach:
1. (7ii.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen den Weisen
Narada und Devamata.
Devamata sprach:
2. (712.) Wenn ein Geschöpf entsteht, was entwickelt sich
dann zuerst in ihm, der Prana, der Apäna, der Samana, der
Vyana oder der I danaV
Narada sprach :
M. (713.) Zu demjenigen [Prana], durch den das Geschöpf
entsteht, gesellt sich ein von ihm verschiedener als erster
[vor den übrigen] hinzu, denn man mufs wissen, dafs es eine
Zweiheit von Präna's ist, welche in die Ouere, nach oben
und nach unten wirkt.
Devamata sprach:
4. (7U.) Welches ist der Prana, durch den das Geschöpf
entsteht, und welches ist der von ihm verschiedene, der sieh
zuerst zu ihm gesellt? Und sage mir, welches die Zweiheit
von Prana's ist, die in die Quere, und diejenige, welche nach
oben und nach unten wirkt.
Narada sprach :
5. (715.) Durch die Vorstellung wird die Geschlechtslust
rege, sie wird auch rege durch den Ton, auch wird sie rege
I
I
918 IV. Anugit&.
durch den Geschmack, und sie wird auch rege durch die
Gestalt.
6. (716.) Aus dem [männlichen] Samen, wenn er sich mit
dem [weiblichen] Blute vermischt, entwickelt sich zuerst der
Präna, und nachdem der Samen durch den Präna umgewan-
delt ist, entwickelt sich aus ihm der Apäna.
7. (717.) Er entsteht auch aus dem Samen und entsteht
auch aus der Flüssigkeit [des Blutes]. Dieses ist die Form
des Udäna, nämlich die Geschlechtslust bei der Begattung.
8. (718.) Aus der Lust geht hervor der Same, aus der
Lust (lies: kämät) geht auch hervor das Blut, Same aber
und Blut waren gleicherweise hervorgebracht worden durch
den Samäna [der die Nahrung verdaut] und den Vyäna [der
den Nahrungssaft assimiliert].
9. (719.) Der Präna und der Apäna, das ist die Zweiheit,
welche nach oben und nach unten geht, der Vyäna und der
Samäna, diese beiden heifsen die in die Quere gehende Ver-
zweiheitlichung.
10. (720.) „Agni fürwahr ist alle Gottheiten", das ist (Ait.
Br. 1,1) die Lehre des Veda (lies: vedasya), aus welchem das
Wissen des Brahmanen entspringt, das von Verständnis be-
gleitet ist.
11. (72i.) Von diesem sehr glänzenden [Agni, Feuer] ist
der Rauch das Tamas, und seine Asche ist das Kajas; aus
ihm entspringt alles, wenn die Opfergabe hineingeworfen wird.
12. (722.) Aus dem Sattvam [der Flamme dieses Feuers]
entspringen Samäna und Vyäna; so wissen es die, welche
das Opfer verstehen ; der Präna und der Apäna sind die beiden
Buttergüsse, zwischen ihnen flammt das Feuer.
13. (723.) Dieses ist die Form des Udäna, in welcher die
Brahmanen das Höchste erkennen; warum diese [im Gegen-
satze zu den gepaarten Präna' s] zweiheitios ist, das vernimm
von mir, der ich es dir verkünden will.
14. (724.) Tag und Nacht bilden die Zweiheit, in deren
Mitte [bei Tagesanbruch] das Opferfeuer flammt; dieses ist
die Form des Udäna, in welcher die Brahmanen das Höchste
erkennen.
15. (725.) Das Seiende und das Nichtseiende bilden die
Digitized by Google
Adhyaya 24 (B. 24).
919
Zweiheit, in deren Mitte das [als Brahman über beide er-
habene] Opferfeuer flammt; dieses ist die Form des Udäna,
in welcher die Brahmanen das Höchste erkennen.
IG. (72<;.) Nach oben Hammen der Samana und der Vyäna;
durch letztern wird das Opferwerk [wie das Verdauungswerk
im Körper] ausgebreitet [vyasyatc als Erklärung von vyäna];
zum dritten aber [nachdem es emporgeführt und ausgebreitet
wurde] wird es von dem Samana wiederum zum Stillstände
gebracht.
17. (727.) Dem Zwecke der Ruhe dient die Meditation
[dhyanam statt des unverständlichen vyänam], und die Ruhe
ist das Eine, das ewige Brahman; dieses ist die Form des
Udäna, in welcher die Brahmanen das Höchste erkennen.
So lautet in il«»r Antigitä der neunte Aribyaya.
AriliyAva *>5 (B. 25).
Vers 728-745 (B. 1-17).
Der Brahmatie sprach:
1. (728.) Auch hierüber erzählt man sicli folgende alte
Geschichte, nämlich wie in dieser Welt die Einrichtung der
vier Opferpriester eingerichtet wurde.
2. (729.) Von diesen allem wird die Einrichtung, wie sie
vorschriftsmäfsig geschah, überliefert; höre von mir, o Holde,
wie ich dir dieses wunderbare Geheimnis mitteile.
3. (730.) Das Organ, die Tat, der Täter und die Er-
lösung, das sind, o du Liebliche, die vier Opferpriester,
von denen diese Welt erfüllt ist.
4. (73t.) Auch das, was sie als Verursacher ausrichten,
vernimm alles vollständig. Die Nase, die Zunge, das Auge,
die Haut und das Ohr als fünftes, (732.) das Manas und die
Buddhi, diese sieben soll man wissen als die Ursachen [der
Erkenntnis] der Qualitäten [das Organ als Ursache).
5. Der Geruch, der Geschmack, die Gestalt, der Ton
und die Berührung als fünftes, (733.) ferner das zu Erkennende
und das zu Verstehende, diese sieben sind die Tat als
Ursache.
920
IV. Anugitik.
0. Der Riechende, der Schmeckende, der Sehende, der
Redende [vaktä, besser: sprashtä^ der Berührende] und der
Hörende als fünfter, (754 ) der Erkennende und der Verstehende,
diese sieben sind der Täter als Ursache, das soll man
wissen,
7. sowie auch, dafs diese sieben, an den Qualitäten haf-
tend, die ihnen entsprechende gute oder böse Qualität ge-
niefsen, (735.) dafs ich selbst aber qualitätlos und unendlich
bin. Diese sieben [in dieser Weise als Nicht-Ich erkannt)
sind die Erlösung als Ursache.
8. Für diejenigen, welche wissen und die Stellung jedes
einzelnen, wie es sich gehört, begreifen, (736.) werden jene
Qualitäten zu Göttern, welche fort und fort die Opfergabe
geniefsen. [Wie beim Pränägnihotram das Essen, so werden
hier auch das Sehen, Hören usw. als ein den Göttern der
Sinnesorgane dargebrachtes Opfer aufgefafst.]
9. Hingegen der Nichtwissende, wenn er die Speise ge-
niefst, hat es durch Egoismus verrichtet, (737.) und indem
er nur um seiner selbst willen die Speise bereiten läfst,
wird er durch Egoismus vernichtet.
10. Ihn vernichtet das Essen des Verbotenen und das
Trinken des Berauschenden; (738.) er vernichtet die Speise,
und die Speise ihn ; vernichtend wird er wiederum vernichtet.
1 1. Aber der dieses Wissende, wenn er die Nahrung ver-
nichtet, erschafft sie als Gottschöpfer wieder, (739.) und durch
die Ernährung wird bei ihm auch nicht die kleinste Uber-
tretung begangen.
12. Alles, was durch das Manas erkannt, durch die Rede
gesprochen, (740.) durch das Ohr gehört, durch das Auge
gesehen,
1;3. durch den Tastsinn gefühlt und durch die Nase ge-
rochen wird, (741.) alle diese mit Einrechnung des Manas sechs
Opfergaben von allen Seiten her in sich aufnehmend,
14. strahlt das alle Qualitäten tragende und in meinen
Leib eingegangene Feuer [der ÄtmanJ. (742.) Das Yogaopfer
ist bei mir im Gange, welches durch sein Entstehen das Feuer
der Erkenntnis verleiht, dieses Feuer, welches den Präna als
Digitized by Google
Adbyaya 2;» (B. 25).
921
Lobgesang, den Apäna als Rezitation und den Verzicht auf
alles als schönen Opferlohn hat.
15. (743.) Der Täter [der Ahankara] und der Einwilliger
[das Manas] sind der Priester Brahmän, der Atman [nach
dem Kommentar die Buddhi] ist Hotar, Adhvaryu und Udgä-
tar; die Wahrheit ist der Pracästar, das Tad [das Brahman]
ist das (,astram und die Erlösung ist der Opferlohn bei
diesem Opfer.
10. (744.) Auch Verse rezitieren bei diesem Opfer die den
Närävana Kennenden zu Ehren des Gottes Närävana, darum
dafs sie vordem die Opfertiere [angeblich die Sinnesorgane]
gefunden [als von Atman verschieden erkannt] haben.
17. (7*5.) Auch Sämanlieder singen sie dabei und erzählen
eine Geschichte zur Erläuterung. Diesen Gott Xäräyana, o du
Schüchterne, erkenne als die Seele der ganzen Welt.
So lautet in der AmitrIM der zehnte AdhyAva.
AdhyAya 20 (B. 26).
Vers 74G -TW iB. 1-181
Per ttrahmane sprach:
1. <74<;.) Ein Gebieter ist, es gibt keinen andern Ge-
bieter: ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm
getrieben, wie das Wasser von einem Abhänge, so wie
ich angetrieben bin, fahre ich hin.
2. C47.) Ein Lehrer ist, es gibt keinen andern aufser
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm
als Lehrer unterwiesen wurden immerdar in der Welt
sogar alle die verhafsten Schlangen.
:\. (7i*.> Ein Freund ist, es gibt keinen andern aufser
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm
unterwiesen, sind befreundet die Verwandten, erglänzen
am Himmel, o Sohn der Prithä, die sieben Kishi's [das
Siebengestirn des Grofsen Bären).
4. (749.) Ein Lernender ist, es gibt keinen andern aufser
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; bei ihm als
922 IV. AnupU.
Lehrer hat die Lehrerschule durchgemacht der Gott Indra
(Chänd. Up. 8,7-12) und ist dadurch zur Unsterblichkeit
in allen Welten gelangt (Chttnd. Up. 8,12,6).
5. (750.) Ein Hassender ist, es gibt keinen andern aufser
ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm als
Lehrer unterwiesen wurden immerdar in der Welt sogar
alle die verhafsten Schlangen.
0. (75i.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich das Zusammenkommen der Schlangen
und der Götter -Rishi's bei Prajapati.
7. (752.) Die Götter- Rishi's, die Schlangen und die Dä-
monen befragten den Prajapati, indem sie, ihn verehrend,
sich nahten: Sage, was für uns das Beste ist.
8. (753.) Zu ihnen, da sie ihn gemeinsam befragten nach
dem, was für sie das Beste sei, sprach der Heilige : Om, diese
eine Silbe ist das Brahman! Nachdem sie das gehört, liefen
sie nach allen Richtungen auseinander.
0. (754.) Unter ihnen, die herbeigelaufen waren, um sich
zu belehren, hatte sich bei den Schlangen aber die Neigung
zu beifsen schon vorher entwickelt,
10. (755 ) während hingegen bei den Dämonen sich die
ihnen angeborene Neigung zum Truge entwickelt hatte, und
hinwiederum die Götter sich für das Geben und Nehmen,
die grofsen Rishi's aber für die Selbstbezähmung entschie-
den hatten.
1 1 . (75«.) Zu einem und demselben Lehrer hatten sie sich
begeben, und durch eines und dasselbe Wort waren sie ge-
heiligt worden, und doch entschieden sie sich alle für etwas
Verschiedenes, die Schlangen, die Götter- Rishi's und die
Dämonen.
12. (757.) Es hört einer, was ihm gesagt wurde, und fafst
es auf, je nachdem es ist [es ihm zusagt], und auch wenn er
dann noch weiter fragen wollte, einen andern Lehrer [als ihn
selbst, je nachdem er das Gesagte aufnimmt] gibt es nicht,
13. (758.) und nach dessen [also seiner eigenen] Zustim-
mung richtet sich dann weiterhin das Tun; man hat den
Lehrer und den Tarnenden und Hörenden, ja auch den Feind
im eigenen Herzen und aus diesem kommend.
Digitized by Google
Adhyaya 26 (B. 20).
923
14. (759.) [Nicht die Belehrung ist das Entscheidende,
sondern :] Wenn man mit einem schlechten Menschen im
Leben verkehrt, so wird man einen schlechten Wandel führen,
und wenn man mit einem guten Menschen verkehrt, so wird
man einen guten Wandel fuhren.
15. (760.) Aber nach Willkür lebend seiner Lust gemäfs
ist der, welcher dem Sinnengenusse huldigt; und ein heiliges
Leben fuhrt (ein Brahmacärin ist) der immerdar, welcher an
der Überwindung seiner Sinne seine Freude hat.
U\. (761.) Wer aber alle Gelübde und Werke von sich
tut, nur in Brahman steht und, zu Brahman geworden, in der
Welt dahin wandelt, der führt ein wahrhaft heiliges Leben
(ist ein wahrer Brahmacärin).
17. (762.) Für ihn ist Brahman das Brennholz, Brahman
das Feuer, Brahman das Zusammenleben [mit den anderen
Schülern], Brahman das Wasser und Brahman der Lehrer,
er ist in Brahman aufgehend.
18. (763.) Das ist es, was die Weisen als den verborgenen
heiligen Wandel (das verborgene Brahmacaryam) erkannten
und erkannt habend befolgten, von ihrer eigenen Seele ß-shc-
trajnaj unterwiesen.
8o lautet in der AnugltA der elfte Adby&y».
Aclhyftya 27 (B. 27).
Ver 8 7»U-7*7 (B.
Der Brahmane sprach :
1. (764.) Wünsche sind seine stechenden Mücken, Leid
und Lust sind seine Kälte und (ilut, die Nacht der Verblen-
dung ist seine Dunkelheit, Begierde und Krankheit sind sein
schleichendes Gewürm,
2. (765.) die Sinnendinge sind der einzige gefährliche Pfad,
der hindurchführt, Begierde und Zorn sind sein hemmendes
Gestrüpp, — das ist das grofse Dickicht, durch welches ich
durchgedrungen und in diesen grofsen Wald gelangt bin.
924
IV. Aimgltä.
Die Brahroanin sprach:
3. (766.) Wo ist dieser Wald, o grofser Weiser, welches
sind seine Bäume und seine Gewässer, seine Berge und Hügel,
und auf welchem Wege erreichbar ist dieser Wald?
Der Brahmaue sprach :
4. (767.) Dieses eine [das Wohnen in dem Walde] ist keine
Vereinsamung, und kein anderes Glück kommt ihm gleich;
jenes andere [das Wohnen in der Welt] ist keine Nicht-
vereinsamung, und es gibt kein gröfseres Leid als dieses.
5. (7cs.) Dieser Wald ist von allem das Kleinste und von
allem das Gröfste, er ist von allem das Feinste, und kein
anderes Glück kommt ihm gleich.
6. (769.) Die Zwiegeborenen , die in diesen Wald einge-
gangen sind, fühlen keinen Kummer mehr und keine Freude
mehr, sie fürchten sich vor niemandem, und niemand fürchtet
sich vor ihnen mehr.
7. (770.) In diesem Walde gibt es sieben grofse Bäume,
sieben Früchte und sieben Gäste, sieben Einsiedeleien,
sieben Meditationen und sieben Weihen; so ist dieser
Wald beschaffen.
8. (77i.) Es sind himmlische Blüten und Früchte von
fünferlei Farbe, welche von den Bäumen hervorgebracht
werden, die diesen Wald erfüllen.
9. (772.) Von schöner Farbe, von zweifacher Farbe sind die
Blüten und Früchte, welche von den Bäumen hervorgebracht
werden, die diesen Wald erfüllen.
10. (773.) Von schönem Geruch, von zweifacher Farbe sind
die Blüten und Früchte, welche von den Bäumen hervor-
gebracht werden, die diesen Wald erfüllen.
11. (774.) Von schönem Geruch und einfacher Farbe sind
die Blüten und Früchte, welche von den Bäumen hervor-
gebracht werden, die diesen Wald erfüllen.
12. (775.) Zahlreich und von unbestimmter Farbe sind die
Blüten und Früchte, welche von zwei grofsen Bäumen her-
vorgebracht werden, die diesen Wald erfüllen.
13. (77r>.) Das eine Feuer, welches in diesem Walde
brennt, ist der wohlgesinnte Brahmane, und seine fünf
Digitized by Google
Adhyäya 27 (B. 27).
925
Sinne sind das Brennholz; als Befreiungen von ihnen er-
weisen sich fruchtbar die sieben Weihen. Die Guna's
sind die Früchte, und die Gäste sind die, welche die
Früchte essen.
14. (777.) Die Gastfreundschaft nehmen entgegen hier und
da in dem Walde grofse Weisen ; nachdem sie geehrt worden
und verschwunden sind, erglänzt ihnen ein anderer Wald,
15. (778 ) dessen Bäume Weisheit, dessen Frucht die Er-
lösung, und der mit Gemütsruhe als Schatten ausgestattet
ist; seine Einsiedelei [lies: ä^rama] ist die Erkenntnis, sein
Gewässer ist die Zufriedenheit und seine Sonne ist die
innere Seele.
H>. (779 ) Für die Guten, welche diesen Wald erlangen,
gibt es weiter keine Furcht mehr. Nach oben, nach unten
und in die Quere ist das Ende dieses Waldes nicht zu er-
reichen.
17. (780 ) Sieben Frauen hingegen wohnen Tag für
Tag dort [in dem erstgenannten Walde], nach unten
blickend, glanzvoll, zeugungskräftig; sie [die fünf Sinne,
Mauas und Buddhi] benehmen den Geschöpfen allen Ge-
schmack für das Höhere sowie die Realität und die Ver-
gänglichkeit [die ihre Objekte sind, den Geschmack für
das Höhere benehmen].
18. (78i.) Dort hinwiederum [in dem himmlischen Walde]
haben ihre Stelle und dort ziehen herauf die vollendeten
sieben Sieben- Rishi's [das Siebengestirn] mitsamt denen,
welche von Vasishtha [dem Stern r im Grofsen Bären] an-
geführt werden.
19. (782.) Ihm, dessen Kraft vollkommen ist, gehört Ruhm,
Glanz, Glück und Sieg, ihm folgen die übrigen sieben Sterne
als ihrer Sonne.
20. (7H3.) Auch Berge sind daselbst mit Hügeln im Verein
sowie Ströme und Flüsse, welche das Wasser führen, das
aus Brahman quillt.
21. (7S4.) Die Vereinigung aber dieser Ströme findet statt
an dem geheimen Orte der drei Opferfeuer; von diesem aus
^ehen die, welche sich an ihrem Atman ersättigt haben, ge-
raden Weges zum Urvater hin.
Digitized by Google
926 IV. Anugitä.
22. (785.) Wenig sich nährend, nach ihrem guten Gelübde
sich nährend und ihre Sünde durch Askese verbrennend, so
gehen sie in ihrem Atman in den Atman em und verehren
zugleich [exoterisch] den Gott Brahmän.
23. (786.) Und auch die Geistesruhe preisen an diesem
Wissenswalde, die ihn kennen, und indem sie auf diesen Wald
[lies: aranyam] zustreben, wird er ihnen zuteil je nach ihrer
Einsicht.
24. (787.) Von dieser Art ist dieser heilige Wald, den die
Brahmanen kennen, und wenn sie ihn kennen, so streben sie
ihm zu, indem ihre eigene Seele ihnen den W r eg zeigt.
So leatet in der Anuglti der zwölfte Adbj-iy».
Adhyftya 28 (B. 28).
Vera 788-816 (B. 1-28).
Der Brahmane sprach:
1. (788.) Ich bin es nicht, der die Gerüche riecht, die
Geschmäcke empfindet, die Gestalt sieht und berührt,
auch bin ich es nicht, der die mannigfachen Töne hört
oder irgendeine Vorstellung fafst.
2. (789.) Es ist die Natur (svabhava = pral-ritij y welche
nach den erwünschten Dingen trachtet, und es ist die
Natur, welche alles Hassenswerte hafst; und auch das-
jenige, wodurch Prana und Apana entstehen und Liebe
und Hafs in die Leiber der Geschöpfe pflanzen, das ist
die Natur.
3. (790.) Auch noch andere Eigenschaften als diese,
welche jenen Geschöpfen beständig anhaften, werden
[von den Yogin's] erkannt als der im Körper weilende
natürliche Atman fbhütätmanj; in ihm habe ich meinen
Sitz und bin doch in keiner Weise mit Lust und Zorn,
mit Alter und Tod behaftet.
4. (79i.) Ich aber begehre nicht mehr nach irgend-
einer Lust und verabscheue nicht mehr irgendein Übel,
und durch die Naturbeschaffenheiten werde ich so wenig
befleckt, wie der Wassertropfen durch die Lotosblume.
Digitized by Google
Adhyaya 28 (B. 2s ).
027
ö. aas.) Und diesem Ewigen, welches in mir bemerkt
wird, haften viele ewige Naturbeschaffenheiten [lies:
svabhävä/j] an, aber das Netz der Genüsse klebt nicht
an meinen Werken, wie das Strahlennetz der Sonne nicht
am Himmel.
G. (793.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die Unterredung zwischen einem Adhvaryu
(Priester des Yajurveda) und einem Yati (Asketen); das ver-
nimm, o du Rühmliche.
7. (794.) Ein Asket, der dabeisafs und zusah, wie bei
einem Opfer das Opfertier geweiht wurde, sprach zu dem
Adhvaryu in tadelnder Weise: Dieses ist eine hihsä [Schädi-
gung eines lebenden Wesens].
8. (795.) Zu ihm sprach der Adhvaryu: Dieser Bock geht
nicht zugrunde, vielmehr wird dieses Geschöpf der Seligkeit
teilhaftig, wenn anders die betreffende Schriftstelle dieses
verheifst.
9. (796.) Der Teil von ihm, welcher erdartig ist, geht
wieder zur Erde, und alles, was an ihm aus Wasser geworden
ist, das geht in das \V r asser ein.
10. (797.) Sein Auge geht zur Sonne, sein Ohr zu den
Himmelsgegenden und sein Lebenshauch zum Himmel. Da
ich dabei nach der heiligen Vorschrift verfahre, so trifft mich
kein Vorwurf irgendwelcher Art.
I>t»r Yati sprach:
1 1. (798 ) Wenn du glaubst, dafs diesem Bocke die Tren-
nung vom Leben zur Seligkeit gereicht, so geschieht also das
Opfer dem Bocke zuliebe; was für einen Zweck kannst denn
du für dich dabei verfolgen?
12. (79n ) Ist dem aber so, dann dürfte dir auch der Bruder
des Bockes zustimmen sowie sein Vater, seine Mutter und
sein Freund; besprich dich mit ihnen, indem du diesen Bock
zu ihnen bringst, besonders da er noch von anderen ab-
hängig ist.
13. (800.) Darum müssen sie ihre Zustimmung geben, du
mufst sie deshalb aufsuchen; hast du dich erst ihrer Ein-
willigung versichert, so läfst sich die Sache weiter überlegen.
Digitized by Google
028
14. (8oi.) Übrigens werden ja die Lebensorgane dieses
Bockes an die ihnen zukommende Stätte befördert, und nur
der Körper bleibt ohne Bewegung zurück, so denke ich.
15. (so*) Der Körper aber ohne Bewufstsein ist doch nur
dem Brennholze vergleichbar, und die, welche aus der Tötung
einen Vorteil ziehen wollen, haben das mit dem Namen Opfer-
tier bezeichnete Brennholz [ohne das dazu erforderliche Feuer].
16. (803.) Nichtschädigung ist [die oberste] aller Pflichten,
so lautet das Gebot der Altvordern; nur dasjenige Werk darf
vollbracht werden, welches ohne Schädigung geschehen kann,
das wissen wir.
17. (so*.) Man darf nicht schädigen, das ist meine Be-
hauptung, und wenn ich [um sie zu erweisen] noch weiter
reden soll, so könnte ich das Werk, welches von dir aus-
geführt werden soll, in vielen Beziehungen tadeln.
18. (806.) Kein Wesen zu schädigen, das ist der Grund-
satz, der uns unter allen Umständen einleuchtet; wir handeln
aber nach dem, was uns vor Augen liegt, und was darüber
hinaus liegt, achten wir nicht.
Der Adhvaryu sprach:
19. (8og.) Du geniefsest von der Erde die Qualitäten der
Gerüche, du trinkst die aus dem Wasser stammenden Ge-
schmäcke, du siehst die den Lichtern angehörige Gestalt, du
fühlst die vom Winde kommenden Qualitäten,
20. (807.) du hörst die aus dem Äther geborenen Töne,
und du bildest die Vorstellung mit Hilfe des Manas: alle
diese Wesen sind belebt, wie du weifst,
21. (808.) und du hörst gar nicht auf [lies: anivritfo], von
ihrem Leben zu nehmen, du lebst fort und fort in Hinsa
(Schädigung lebender Wesen). Es gibt gar kein Existieren
ohne Hinsä, oder wie denkst du darüber, o Z wiegeborener?
Der Yati sprach:
22. (809.) Das Unvergängliche und das Vergängliche
raachen die zwiefache Existenz des Atman aus. Das Unver-
gängliche ist seine wahre Wesenheit, das Vergängliche wird
seine Natur (svabhava = prakritij genannt.
Digitized by Google
Adhyava '28 (B. 28).
<»29
23. (8io.) Lebenshauch, Zunge, Manas, Sattvam nebst
Kajas bilden die Natur [lies: svabhdvo]: wer von allen diesen
Wesenheiten erlöst, frei von den Gegensätzen des Lebens
[Lust und Leid, Hitze und Kälte usw.] und frei von Wün-
schen ist,
24. (8ii ) wer alle Wesen für gleich achtet, ohne Ichheit
ist und sein Selbst überwunden hat, der ist vollständig er-
löst, und keine Furcht wandelt ihn an, wo es auch sei.
l>er Adhvaryu sprach:
2f). (812.) Nur mit dem [empirisch] Realen haben wir auf
dieser Welt zusammen zu leben, o Bester der Weisen; gerade
dadurch, dafs ich deine Meinung gehört habe, leuchtet meine
Meinung mir als die richtige ein.
2(5. (813.) Ich bin, o Heiliger, mit deiner Denkungsart ein-
verstanden, und trotzdem sage ich : (*u.) Mich, indem ich die
vom Veda vorgeschriebene Satzung ausführe, trifft keine
Schuld, o Zwiegeborener.
I>er Brahmane sprach :
27. (815.) Infolge dieser Argumentation verhielt sich der
Yati von da an schweigend, und der Adhvaryu schritt un-
beirrt in der grofsen Opferhandlung weiter.
28. (81«.» So haben die Krahmanen in dieser Frage eine
solche gar feine Freisprechung von Schuld erkannt, und
nachdem sie dieselbe erkannt durch ihren die Wahrheit er-
kennenden (ieist (KshttrajnaJ. verfahren sie dementsprechend.
S<i UuUt in d^-r AtiuyltA «1er <lr««i/»hnl<* A«UiyA>».
AdliyAya >0 <B. 29).
Vers Hl7-s:»s ( B. 1-22 .
Der Brahmane sprach:
1. <Ki7 ) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte (ie-
schichte. nämlich die Unterredung zwischen Kärtavirya und
Samudra (dem Ozean», o Holde.
Dirw», M»htbhAr»Utn. f>9
Digitized by Google
!
<>30 IV. Anugita.
2. (818.) Arjuna Kärtavirya war ein König mit tausend
Armen, von welchem die meerumgürtete Erde mit seinem
Bogen erobert worden war.
3. (819.) Einstmals, als er, stolz auf seine Kraft, am Ufer
des Ozeans wandelte, überschüttete er mit Hunderten von
Pfeilen den Ozean, wie wir vernommen haben.
4. (820.) Ihn verehrte der Ozean mit gefalteten Händen
und sprach : Schiefse deine Pfeile nicht ab, o Held, sage was
ich dir tun soll.
5. (sei.) Die Geschöpfe, deren Zuflucht ich bin, werden
durch die von dir abgeschossenen grofsen Pfeile getötet,
o Tiger unter den Fürsten ; lasse sie in Frieden, o Mächtiger.
Arjuna sprach:
6. (822.) Wenn es irgendwo einen mir im Kampfe eben-
bürtigen Bogenträger gibt, den sage mir an, damit er es mit
mir im Kampfe aufnehme.
Der Ozean sprach:
7. (823.) Wenn du, o König, von dem grofsen Rishi Ja-
madagni gehört hast, so wisse, dafs er einen Sohn hat, der
würdig ist, mit dir einen Waffengang in gehöriger W eise zu
machon.
8. (824.) Da ging der König fort, von grofsem Grimm er-
füllt, gelangte zu der bezeichneten Einsiedelei und wandte
sich an Rama.
9. (82&.) Da beging er Feindseligkeiten gegen Rama und
seine Leute und erregte dadurch den Verdrufs des hoch-
herzigen Rama.
10. (826.) Da entflammte die Kraft des unermefslich kräf-
tigen Rama, und er, o Lotosaugige, der die Heere der Feinde
verbrannte,
11. (827.) Rama, erfafste darauf die Axt und fällte mit
Macht jenen Tausendarmigen wie einen Baum mit vielen
Zweigen.
12. (828.) Als sie ihn erschlagen und niedergestürzt sahen,
scharten sich alle seine Leute zusammen, ergriffen Schwerter
und Speere und umstürmten den Bhrigusprofs.
Digitized by Google
Adhyäya 2% (B. Iii)).
13. («•-".•.) Da ergriff Räma seinen Bogen, sprang eilig auf
seinen Streitwagen und, indem er das Heer des Fürsten mit
einem Regen von Pfeilen überschüttete, blies er es aus-
einander.
14. (8:w.) Da geschah es, dafs eine Anzahl Kshatriya's,
von Furcht vor dem Jamadagnisohne gequält, in die Berg-
schluchten flüchteten wie Antilopen, die der Löwe verfolgt.
15. («31.) Weil diese aus Furcht vor ihm die ihnen ob-
liegende Pflicht nicht erfüllten, sanken ihre Nachkommen in-
folge ihres Getrenntlebens von den Brahmanen zum Stande
der Elenden (Vrishnlas = (,'üdra's) herab.
lt>. (832.) So geschah es, dafs diese als Dravida's, Abhira's,
Pundra's und (abara's in den Stand der Elenden (( udra's)
gerieten wegen der Unterlassung der Pflicht, die sie als Ksha-
triya's hatten.
17. (833.) W eiterhin wurden die mit den Kshatriyafrauen
nach Tötung ihrer Männer von den Brahmanen fdvijaj er-
zeugten Kshatriya's immer wieder und wieder vom Jama-
dagnisohne ausgerottet.
18. (834.) Am Ende von einundzwanzig dieser Menschen-
opferungen geschah es, dafs eine körperlose, himmlische,
milde, in der ganzen Welt vernehmbare Stimme zu Räma
sprach :
19. (835.) Räma! Räma! lasse ab! Welches Verdienst
siehst du darin, o Freund, diese Kshatriyaburschen immer
wieder und wieder ums Leben zu bringen?
20. (836.) l'nd ebenso sprachen sodann zu dem Hoch-
herzigen seine Vorväter mit Ricika [dem Grofsvater des Räma]
an der Spitze und sagten: Lasse ab, du Vortrefflicher!
21. (837.) Aber Räma, der die Ermordung seines Vaters
[durch die Söhne des Kärtavirya] nicht vergessen konnte,
sprach zu diesen Rishi's: Euer Gnaden dürfen mich hieran
nicht hindern.
IMe Ahnen sprachen:
22. (838.) Du darfst, o Bester der Sieger, nicht diese Ksha-
triyaburschen töten, denn es geziemt sich nicht, dafs du, der
du ein Brahmane bist, die Fürsten tötest.
So Uutet in der AuugltA der TienebnU Adhy&y»
f»9»
Digitized by Google
932
IV. AiiUKttA.
Adhyftya SO (B. SO).
Vers 83i>-872 (B. 1-33).
Die Ahnen sprachen:
1. (839.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte Ge-
schichte, und wenn du dies gehört haben wirst, so mutet du
danach handeln, o Bester der Brahmanen.
2. (840.) Es war einmal ein Königs-Rishi mit Namen Alarka,
von grofser Askese, pflichtkundig, die Wahrheit redend, hoch-
herzig und sehr festen Gelübdes.
3. (84i.) Der hatte mit seinem Bogen diese meerumgürtete
Erde erobert, und nachdem er dieses schwere Werk voll-
bracht hatte, richtete er seinen Geist auf eine feine Sache.
4. (842.) Während er an den Wurzeln eines Baumes ver-
weilte, richtete sich sein Gedanke, indem er sein grofses Werk
aufgab, auf eine feine Sache, o du Hochsinniger.
Alarka sprach:
5. (848.) Ein Heer hat sich gegen mich erhoben aus meinem
Manas; besiege ich das Manas, so ist raein Sieg vollkommen;
auf andere Gegner [als die bisherigen] will ich meine Pfeile
richten, denn ich bin von Feinden rings umgeben.
6. (844.) Gegen dieses Ding, welches durch seine Flatter-
haftigkeit alle Menschen zu zerstreuen strebt, gegen mein
Manas will ich die Pfeile mit scharfer Spitze losschiefsen.
Das Manas sprach :
7. (S45.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn
sie zertrennt sind, so mufst du sterben.
S. (84«.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach
er mit Bedacht das folgende Wort.
Alarka sprach:
(847.) Wenn der Geruchsinn manche Gerüche riecht,
so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will
ich die scharfen Pfeile gegen den Geruchsinn losschiefsen.
Digitized by Google
Adhyaya 30 (H. 30).
933
Der Geruchsinn sprach :
10. (848.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn
sie zertrennt sind, so mufst du sterben.
1 1. (849.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach
er mit Hedacht das folgende Wort.
Alarka sprach:
12. (850.) Wenn diese Zunge die süfsen Geschmäcke
schmeckt, so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen;
darum will ich die scharfen Pfeile gegen die Zunge losschiefsen.
Üie Zunge sprach:
13. (851.) () Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn
sie zertrennt sind, so mufst du sterben.
14. (852.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach
er mit Bedacht das folgende Wort.
Alarka sprach:
15. (853.) Wenn die Haut manche Gefühle fühlt, so wird
man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich die
Haut mit manchen befiederten Pfeilen durchlöchern.
Die Haut sprach:
16. (854.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn
sie zertrennt sind, so mufst du sterben.
17. (855.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach
er mit Bedacht das folgende Wort.
Alarka sprach:
18. (856.) Wenn das Ohr manche Töne hört, so wird man
von Begierde nach ihnen ergriffen ; darum will ich die scharfen
Pfeile gegen das Ohr losschiefsen.
Digitized by Google
934
IV. Anugita,
Das Ohr sprach:
19. (857.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und in-
folge davon mufst du dein Leben lassen.
20. (868.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach
er mit Bedacht das folgende Wort.
Alarka sprach:
21. (839.) Wenn das Auge manche Gestalten sieht, so wird
man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich das
Auge mit den scharfen Pfeilen töten.
Das Auge sprach:
22. (860.) O Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn
sie zertrennt sind, so mufst du sterben.
2'6. (8f.i.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den
Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach
er mit Bedacht das folgende Wort.
♦
Alarka sprach:
24. (862.) Diese Buddhi trifft durch ihre Erkenntnis Ent-
scheidungen in vielfacher Weise; darum will ich die scharfen
Pfeile gegen die Buddhi losschiefsen.
Die Buddhi sprach:
25. (863.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs
durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn
sie zertrennt sind, so mufst du sterben. (864.) Ersinne andere
Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst.
Der Brahmaoe sprach [richtiger: die Ahnen sprachen]:
20. (865.) Darauf gab sich Alarka ebendort einer furcht-
baren, schwer zu vollbringenden Askese hin, aber auch so er-
langte er nicht den Pfeil, der durch seine Kraft jenen sieben
[Sinnesorganen] überlegen war.
27. (866.) Dann aber sammelte der Gewaltige vollständig
Digitized by Google
Adhy&ya 30 (B. HO).
935
seinen Geist und dachte nach, und nachdem er, Alarka, lange
Zeit nachgedacht hatte, o Bester der Brahmanen,
28. (»«7.) so fand er, der Vorzüglichste der Verständigen,
kein höheres Gut als den Yoga, und indem er seinen Sinn
einzig darauf richtete und unentwegt dem Yoga nachhing,
29. (868.) schlug der Held alsbald mit diesem einzigen
Pfeile die Sinnesorgane nieder, und mittels des Yoga in den
Ätman eindringend, gelangte er zur höchsten Vollendung.
30. <nr,9.) Und mit Stolz sprach er, der Königs-Rishi, den
folgenden Spruch: O welches Elend, dafs wir allen diesen
Aufsendingen nachstrebten,
31. (s7o.) dafs wir vordem, von Durst nach Genüssen er-
füllt, unsere Königswürde hoch schätzten! Erst später habe
ich begriffen, dafs es kein höheres Glück als den Yoga gibt.
32. (87i.) Darum, o Rama, gewähre auch du Verzeihung
und töte die Kshatriya's nicht; wende dich vielmehr gewalti-
ger Askese zu; dann wirst du erlangen, was das Beste ist.
33. (872.) Als die Grofsväter also zu dem Sohne des Ja-
madagni gesprochen hatten, da wandte er sich der gewalti-
gen Askese zu, und durch sie ging der überaus Glückliche
in die schwer zu erreichende Vollendung ein.
So luutet in der AnutfltA der fünfzehnte Adtiyitya
Aclhyftya »1 (B. M).
Vers 878-HSr, (H. 1—13).
Der Hrulimaue sprach :
1. <87:i.) Fürwahr, es gibt drei Feinde auf der Welt, welche,
den drei Guna's entsprechend, als neunfach aufgezählt werden.
Freude, Liebe und Wonne, das sind die drei Qualitäten des
Sattvam.
2. (874 ) Durst, Zorn und l'ngestüm, diese gelten als die
Qualitäten des Kajas. Ermüdung, Trägheit und Vollendung,
das sind die drei Qualitäten des Tamas.
3. (875.) Indem der Charakterfeste diese mit Scharen von
Pfeilen unermüdlich niederkämpft, ist er imstande, sie als
Digitized by Google
93«
IV. AnugUÄ.
Feinde zu überwinden, mit beruhigtem Selbste und mit be-
zähmten Sinnen.
4. (876.) In bezug hierauf rühmen Kenner der Vorzeit die
Verse, welche einstmals von dem Könige Ambarisha, als er
zur Ruhe gelangt war, gesungen wurden.
5. (877.) Als nämlich seine Fehler sich mächtig erhoben
und seine guten Eigenschaften zurückgedrängt wurden, da
ergriff der hochberiihmte Ambarisha die Herrschaft mit Un-
gestüm.
C>. (878.) Nachdem er aber dann seiner Fehler Herr ge-
worden war und seine guten Eigenschaften zu Ehren gebracht
hatte, da gelangte er zu grofser Vollendung und rezitierte
folgende Verse:
7. (879.) Zum gröfsten Teile sind meine Fehler besiegt und
alle meine Feinde niedergekämpft worden; nur ein Fehler,
der gröfste von allen, bleibt noch zu bekämpfen und ist noch
nicht von mir überwunden worden:
8. (880.) so lange meine Person mit diesem behaftet bleibt,
kann sie nicht zur Begierdelosigkeit fvaitrishnyum) gelangen ;
so lange der Mensch mit Durst (IrishnaJ behaftet ist, läuft
er Gemeinem nach und ist nicht weise.
i). (88i.) Sie, mit welcher behaftet hienieden der Mensch
treibt, was er nicht sollte, die Begierde (lobhaj, müfst ihr mit
scharfen Schwertern ausrotten [lies: nihrivtatd] und immer
wieder ausrotten.
10. (8*2.) Denn aus der Begierde entspringt der Durst,
und aus ihm entwickelt sich die Sorge; die Begierde will er-
langen, und was sie erlangt, das sind zumeist die Qualitäten
des Kajas; (88a.) hat man aber erst diese angenommen, so
erlangt man meistenteils auch die Qualitäten des Tamas.
11. (H84.) Und durch diese Qualitäten knüpft sich neu
des Körpers Bindung; immer wieder und wieder wird er
geboren und strebt nach Werken. Geht der Lebenslauf
zu Ende, wird sein I^eib von ihm getrennt und zerstreut,
so mufs er wieder durch neuen Lebenslauf zu neuem
Tode eilen.
12. (885.) Darum soll man die Begierde ganz durch-
schauen und, mit Festigkeit sie zügelnd, sich ein Reich
Digitized by Google
Adhvaya 31 (B. 31). 937
im Atman gründen; dieses ist das wahre Reich, kein
anderes gibt es hienieden, und der Ätman ist der König,
wenn er nach Gebühr erkannt ist.
13. (886.) So wurde von dem König Ambarisha, dem ruhm-
begabten, dieser Spruch gesprochen; die Oberherrschaft hat
er sich errungen, indem er die Begierde ausgerottet.
So lautet in der Aiiuglta der aechzehnte Adhyäya.
Adhvaya (B. :Vi).
Vers 887-012 (Ii. 1-26.1.
Der Hrahmaue sprach :
1. (887.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte Ge-
schichte, nämlich die Unterredung eines Brahmanen mit dem
Könige Janaka, o du Holde.
2. (8H8.) Zu einem Brahmanen, der in irgend eine
Verschuldung geraten war, sprach der König Janaka, um
ihn zu strafen: Du darfst nicht mehr in meinem Reiche
wohnen.
3. (H89.) So angeredet, sprach der Brahmane zu dem Besten
der Könige: Zeige mir, o König, dein Reich an, und wie weit
es sich in deiner Gewalt befindet.
4. (89o.) Ich, der ich hier stehe, will, o Herr, in dem
Reiche eines andern Königs wohnen, ich will nach deinem
Worte tun, dem Gesetze gemäfs, o Landesherr.
:"). (891.) Als nun aber der König so von dem herrlichen
Brahmanen angeredet wurde, da stiefs er plötzlich einen
heifsen Seufzer aus und erwiderte nichts.
t). (S92.) Als nun der unermefslich mächtige König in Ge-
danken versunken dasafs, da überfiel ihn eine Bestürzung,
dem Dämon Rahu vergleichbar, der die glänzende Sonne
überfällt.
7. (893) Als sodann der König wieder aufatmete [lies:
samäcvusya] und seine Bestürzung gewichen war, sprach er
alsbald zu dem Brahmanen das Wort.
Digitized by Google
938 IV. AnugltA.
Janaka sprach:
8. (au.) In der von meinem Vater und Grofsvater über-
kommenen Herrschaft, in dem meinem Willen unterworfenen
Lande kann ich kein Reich erblicken, wenn ich an die [ganze]
Erde denke.
9. (895.) l'nd als ich, in der ganzen Erde nicht mein Reich
sehend, raeine Aufmerksamkeit auf Mithilä richtete, und auch
in dieser Stadt es nicht erblickte, richtete ich meine Auf-
merksamkeit auf meine Familie.
10. (896.) Und als ich auch in ihr nicht ein [mir völlig
angehöriges] Reich erblicken konnte, da überkam mich Be-
stürzung. Als aber dann die Bestürzung wich, kehrte mir
das klare Bewufstsein zurück.
11. (897.) Nunmehr glaube ich, dafs ich überhaupt kein
Reich habe, oder dafs mein Reich allumfassend ist: auch
mein eigener Leib ist nicht mein, oder auch die ganze Erde
ist mein,
12. (8ns.) und wie sie mir gehört, so auch den anderen,
so denke ich, o Bester der Brahmanen (vgl. Mahäbh. XII, 750
und 6470 S. 112); bewohne sie, soweit du vermagst, und ge-
niefse sie, soweit du sie bewohnst.
Der Brahmane sprach :
13. (89!*.) In der von deinem Vater und Grofsvater über-
kommenen Herrschaft, in dem deinem Willen unterworfenen
Lande, sage, was hast du im Sinn, wenn du dein Eigentums-
recht ablehnst,
14. (wo.) und was meinst du damit, dafs dein Reich all-
umfassend ist, so dafs du gar kein Reich als dir gehörend an-
erkennst, und doch behauptest, dafs dein Reich allumfassend sei.
Janaka sprach:
15. (9oi.) Als vergänglich sind die Zustände aller Dinge
in dieser Welt bekannt, und darum habe ich nichts gefunden,
was so wäre, dafs ich sagen könnte: Es ist mein.
16. (902.) Und auch der Veda sagt [wo? wüfsten wir
ebensowenig zu sagen wie Nilakantha, der auf Ipa-Up. 1 ver-
weifst]: „Wem gehört dieses ?" und „\Vem ist etwas eigen?"
Digitized by Google
AdhyAya 32 (B. :J2).
939
Indern icli nachdachte, habe ich nichts gefunden, was so wäre,
dafs ich sagen könnte: Es ist mein.
17. (9o:*.) Das hatte ich im Sinn, wenn ich mein Eigen-
tumsrecht auf irgend etwas ablehnte; höre nun auch, wie ich
es meine, dafs mein Reich überall sei.
18. (904.) Für mich verlange ich nicht nach den Gerüchen,
auch wenn sie in meine Nase steigen; dadurch habe ich die
Erde [das Element des Geruches] besiegt; sie befindet sich
für immer in meiner Gewalt.
19. (905.) Für mich verlange ich nicht nach den Ge-
schmäcken, auch wenn sie in meinem Munde sind; dadurch
habe ich das Wasser [das Element des Geschmackes] be-
siegt; es befindet sich für immer in meiner Gewalt.
20. (906.) Für mich verlange ich nicht nach der Gestalt
und dem Lichte des Auges; dadurch habe ich das Licht be-
siegt; es befindet sich für immer in meiner Gewalt.
21. (907.) Für mich verlange ich auch nicht nach den
Gefühlen, welche meine Haut berühren; dadurch habe ich den
Wind besiegt; er befindet sich für immer in meiner Gewalt.
22. <9os.) Für mich verlange ich nicht nach den Tönen,
auch wenn sie in mein Ohr dringen; dadurch habe ich die
Töne besiegt; sie befinden sich für immer in meiner Gewalt.
2^5. (909.) Für mich verlange ich für immer nicht nach
dem Manas in meinem eigenen Manas [als dem Organ des
Verlangens]; dadurch habe ich das Manas besiegt; es be-
findet sich in meiner Gewalt.
24. (9io.) Für die Götter, die Väter, die Wesen und die
Gäste, für diese dienen alle die erwähnten Anstrengungen
[meiner Sinnesorgane].
2:"). (9U.) Da sprach der Brahmane zu Janaka mit Lächeln:
Wisse, dafs ich heute hierhergekommen bin als der Gott
Dharma, um dich auf die Probe zu stellen.
2t). (912.) Du bist für dieses zu Brahman führende, un-
widerstehliche, unrückläufige, mit Sattvam als Radkranz um-
gebene Rad der einzige Beweger.
So lautet in «Irr AnuglU <lfr MrWHinte Adhväy»,
Digitized by Google
940
IV. Anugitä.
Adhy&ya 3» (B. 33).
Vers <U3-<»21 (B. 1-8).
Per Brahmane sprach:
1. (»13.) Nicht so ist mein Wandel in der Welt, dafs
du mich, o Schüchterne, durch dein verständiges Fragen
in Angst versetzen könntest; ich bin ein Brahmane, ich bin
erlöst, bin ein Waldeinsiedler, und ebensosehr bin ich einer,
der die Hausvaterpflicht erfüllt hat, seinem Gelübde treu.
2. Und ich bin nicht so, wie du mich siehst, be-
haftet mit Gutem und Bösem; von mir ist diese ganze Welt
durchdrungen und alles, was auf Erden lebt.
3. (9iü.) Für alle Geschöpfe in dieser Welt, bewegliche
und unbewegliche, bin ich der Vernichter, wie das Feuer der
des Holzes.
4. (916.) Mein Reich erstreckt sich über die ganze Erde,
ja über den dreifachen Himmel; dieses weifs mein Bewufst-
sein, und mein Bewufstsein ist raein Reichtum.
5. (917.) Es gibt nur einen Weg der Brahmanen, auf
welchem gehen, die solches wissen, sei es im Hausvaterstand.
im Einsiedlerstand, in der Schülerschaft bei einem Lehrer
oder als Bettler (d. h. Sannyäsin).
*). (918.) In mannigfaltigen, auf dasselbe Ziel gerichteten
Erscheinungsformen wird die eine Erkenntnis verehrt von
solchen, welche, in Lebensstadien von verschiedenen Er-
scheinungsformen weilend, die Erkenntnis besitzen, welche
Beruhigung gibt.
7. (yi9 ) Sie alle streben dem einen Zustande zu, wie die
Flüsse dem Ozean; durch Erkenntnis wird dieser Weg be-
treten, nicht wird er betreten durch den Körper. (920.) Anfang
und Ende habend sind die Werke, die Körperlichkeit aber ist
durch die Werke bedingt.
8. Darum, o du Glückliche, brauchst du keine Befürch-
tung in betrefl' der andern Welt zu hegen; (921.) da du an der
Liebe zu jenem Zustande deine Freude hast, so wirst du in
meinen Atman eingehen.
So lautet in der Anugiti d*r achtzehnte Adbyäya
Digitized by Google
Adhyaya 34 (B.
941
AdhyAya 34 (B.
Vers 922-W3 (Ii
Die Brahmanin sprach:
1. (»22.J Das ist nicht zu begreifen, solange man kleinen
Geistes, unbereiteten Geistes ist: und mein Denken ist viel-
fältig und klein, ist eng und zerfahren.
2. (923.) Darum sage mir das Mittel, durch welches diese
Einsicht erreicht wird; die Ursache möchte ich von dir er-
fahren, aus welcher diese Erkenntnis hervorgeht.
Der Brahmaae sprach:
:\. (924.) Die Brahmanin wisse als das Reibholz, ihr Lehrer
ist das obere Reibholz; Askese und Vedastudium versetzen
es in Drehung, und das Feuer der Erkenntnis geht daraus
hervor.
Die Brahmauin sprach :
4. (925.) Wenn es ein Kennzeichen des Brahman gibt,
welches Kshetrajfia (das Subjekt des Erkennens) heifst, wo
finde ich dieses Kennzeichen des Brahman. durch welches es
ergriffen werden kann?
Der Brahmaue sprach:
ö. (yj»u Er [der Kshetrajfia, das Subjekt des Erkennens ;
das Brahman] ist ohne Kennzeichen, ohne Qualitäten, und
keine Ursache desselben ist zu ersehen; aber ich will dir
ein Mittel angeben, durch welches er erkannt oder auch
nicht erkannt werden kann.
<>. (927.) Ein vollständiges Mittel ist gefunden worden,
durch welches er gesehen wird wie von Bienen [welche emsig
nach dem Honig suchen]: dies Mittel ist die Erkenntnis durch
gute Werke [sie läutern und erhellen den Geist); zwar ist
es [das Brahman] kein Gegenstand der Erkenntnis, aber doch
kommt man ihm nahe durch die [ihm beigelegten] intellek-
tuellen Merkmale.
7. (928. > Allerdings sind die Vorschriften, dies zu tun und
jenes zu lassen, nicht anwendbar, wo es sich um Erlüsunjjs-
Digitized by Google
I
I
I
942 IV. Amigitä.
fragen handelt, bei denen vielmehr eine Erkenntnis des sehen-
den und hörenden Atman [des Subjekts des Erkennens] ent-
stehen mufs;
8. (929.) aber doch tut man wohl, soviel Erkenntniselemente
wie möglich zu sammeln, undeutliche und deutliche, hundert-
fach und tausendfach,
9. (930.) welche sich sämtlich auf vielerlei Objekte be-
ziehen, sämtlich auf die Wahrnehmung sich gründen; denn
auch bei fleifsiger Betreibung desjenigen, aus welchem das
Höchste nicht erkannt wird, kann es einem zuteil werden.
Der Heilige (Krishna) sprach:
10. (93i.) Darauf geschah es, dafs in dieser Brahmanen-
frau unter Vernichtung des Kshetrajfia durch die Tätigkeit
des Kshetrajfia selbst die über die Kshetrajfia's hinausführende
Erkenntnis sich entwickelte.
Arjuna sprach:
11. (932.) Wo ist wohl jene Hrahmanin, o Krishna, und
wo ist jener gewaltige Brahmane, durch welche diese Voll-
endung erreicht wurde? Diese beiden zeige mir an, o Un-
erschütterlicher.
Der Heilige sprach:
12. (933.) So wisse denn, dafs jener Brahmane mein eigenes
Manas und jene Brahmanin meine eigene Buddhi ist, der Kshe-
trajfia aber, von dem die Rede war, der bin ich selbst, o Ge-
winner der Güter.
So lautet in der Anuglta der nenmehnte Adhyaya.
AdhyAya 35 (B. 35).
Vers 934-986 (B. 1-50).
Arjuna sprach:
1. (934.) Das Brahman, welches das höchste Objekt der
Erkenntnis ist, das wolle mir erklären; denn durch deine
Gnade erfreut sich mein Geist an dem Geheimnisvollen.
Digitized by Google
Adhyaya :tf> (B. 35).
94.3
Vasudeva iKrishna) sprach:
2. C935.) Auch hierüber erzählt man sich folgende alte
Geschichte, nämlich die 1'nterredung eines Schülers mit
seinem Lehrer in betreff der Erlösung.
3. (936.) Einen Brahmanen, welcher dasafs als Lehrer mit
geschärftem Gelübde, befragte, o Feindbedränger, ein gewisser
verständiger Schüler nach dem, was wohl das höchste Gut sei.
4. (9^7.) Ich bin dir genaht, o Heiliger, einzig beflissen,
das höchste Gut zu erreichen: mit geneigtem Haupte bitte
ich dich, o Brahmane, mir zu sagen, was ich als solches er-
klären kann.
5. (938.) Zu diesem Schüler, als er also sagte, o Sohn
der Prithä, sprach der Lehrer: Ich will dir alles verkündigen,
worüber du zweifeln magst, o Zwiegeborener.
f>. (939.) Von seinem Lehrer so angeredet, o Bester der
Kuru's, höre, o Hochverständiger, das, was flies: yat tat]
er, der Liebling des Lehrers, mit zusammengelegten Händen
fragte.
Der Schüler sprach:
7. (940.) Woher bin ich und woher du? Erkläre mir diese
Realität, welche die höchste ist; woraus sind sie entstanden,
die unbeweglichen und die beweglichen Wesen?
8. (94i.) Wodurch leben die Wesen, und welches ist ihr
höchstes Lebensalter? Was ist die Realität, o Brahmane,
und was ist Askese? Und welches sind die Guna's, welche
von tüchtigen Männern verkündigt worden sind?
9. (942.) Welches dürften die glücklichen Wege sein, was
ist Lust und was ist Übeltat? Diese Fragen, o Heiliger,
mögest du mir der Wahrheit gemäfs, o du Pflichttreuer,
10. (943.) erklären, o Brahmanenweiser, wie es sich hier-
bei verhält der Wahrheit nach. Denn kein anderer aufser
dir vermag diese Fragen zu beantworten.
11. (944) Sprich, o Bester der Pflichtkundigen! Ich
empfinde die gröfste \V T ifsbegierde; denn du wirst in aller
Welt gefeiert als erfahren in der Erlösung, dem Guten und
dem Nützlichen.
Digitized by Google
944 IV. Anugita.
12. (945.) Keinen gibt es aufser dir, der alle diese Zweifei
lösen könnte; wir aber fürchten uns vor dem Sansara und
verlangen nach der Erlösung.
Vasudeva (Krishna) sprach:
13. (946.) Diesem ihn angehenden und geziemend be-
fragenden Schüler, dem tugendhaften, beruhigten, liebge-
wordenen,
14. (947.) wie ein Schatten anhänglichen, bezähmten, streb-
samen, in Brahman wandel beharrenden, beantwortete diese
Fragen, o Prithäsohn, der weise, in seinem Gelübde feste
(948.) Lehrer, o Bester aus dem Kurustamme, samt und son-
ders, o Feindbezwinger.
Der Lehrer ßprach:
lf>. (949.) Diese ganze vom Brahman offenbarte, von vor-
züglichen Weisen gepflegte, auf die Vedalehre sich stützende,
die Wahrheit über die Realität enthüllende,
16. (96u.) höchste Erkenntnis ist uns bewufst als Entsagung
und äufserste Askese; wer aber die unwiderlegliche, durch
diese Erkenntnis erlangte Realität mit Gewifsheit erkennt,
(95i.) nämlich den in allen Wesen weilenden Atraan, von dem
gilt, dafs er allgegenwärtig ist.
17. Wer, dieses wissend, den Einheitsstand und den
Einzelstand [der Wesen] schaut (962.) sowie ihre Einheit und
Mannigfaltigkeit, der wird von Leiden frei.
lft. Wer nicht das Geringste mehr begehrt, nicht das
Geringste mehr beabsichtigt, (953.) der ist, schon während er
in dieser Welt weilt, zur Brahmanwerdung geeignet.
19. Wer das Wesen der Prakriti (pradhänamj und ihrer
Gunas begreift, wer ihre Verteilung in allen Wesen kennt,
(954.) der wird als ein von Selbstsucht und vom Ahankära
Freier erlöst; daran ist nicht zu zweifeln.
20. Ein grofser [Baum] ist: er erwächst aus dem Un-
oflen baren (avydktam = prakriti) als Samen; die Buddhi ist
sein Stamm, (955.) der grofse Ahankära ist sein Astwerk, die
Indriya's sind seine Zweige und Höhlungen,
Digitized by Google
Adhy&ya 35 <B. 35).
945
21. seine Zerteilungen (vircshaj sind die grofsen Elemente
(mahäbhiUa, Äther, Wind, Feuer, Wasser, Erde), seine Ver-
zweigungen sind ihre besonderen Eigenschaften (vircsha, Ton,
Gefühl, Farbe, Geschmack, Geruch), (9r>»;> immer treibt er
Blätter, immer Blüten, immer bringt er schöne Früchte hervor;
22. er ist der aus Brahman als Samen erwachsene, ewige
Beieber aller Wesen. (957.) Wer dieses weifs und die genann-
ten Prinzipien fiattvaj mit der Erkenntnis als vorzüglichem
Schwerte abhaut, der erlangt Unsterblichkeit und wird frei
von Tod und Geburt.
23. (»58. ) Den alles Vergangene, Gegenwärtige und Zu-
künftige befassenden, die Gewifsheit des Guten, Angenehmen
und Nützlichen gewährenden, den Scharen der Seligen be-
kannten, vorweltlichen, ewigen,
24. (!>™.) höchsten Ort will ich dir jetzt verkündigen, du
sehr Verständiger, welchen erkannt habend hienieden die
Weisen schon hier zur Vollendung gelangen.
25. (900.) Einstmals kamen, nach Erkenntnis verlangend,
zueinander die Weisen Prajapati und Bharadväja, Gautama
und Bhargava,
2t». (»ei.) Vasishtha, Kacyapa, Vievämitra und Atri. Da
sie alle Wege durchlaufen hatten und ihrer Werke müde waren,
27. (96-2.) stellten diese Zwiegeborenen den alten W'eisen
Angirasa an ihre Spitze und kamen, um in dem Hause des
Brahman den sündlosen Gott Brahman zu besuchen.
28. (9G3.) Vor ihm, dem Hochherzigen, welcher zufrieden
dasafs, verneigten sich die grofsen Weisen und befragten ihn
in gehorsamer Weise nach jener höchsten Glückseligkeit.
29. (964.) Wie wird durch Betreiben der Werke Gutes
erlangt, wie wird man erlöst von der Sünde, welche Wege
führen uns zum Heile, was ist die Wahrheit und was die
böse Tat?
30. (965.) Und welches sind die beiden Wege, die man
durch Werke erlangt, und wie erlangen die Wesen Vergang
und Erlösung, Entstehen und Untergang?
31. (»66.) Als er so von den Besten der Muni's angeredet
wurde, was da der Urvater antwortete, das will ich dir ver-
künden; vernimm es, o Schüler, wie es überliefert worden ist.
Dii'iiu, MfthAbh4»tMa 60
Digitized by Google
946
IV. AnugttA.
Der Gott Brahmän sprach:
32. (967.) Aus dem Satyam (der Realität, der Wahrheit)
sind die Wesen entstanden, die unbeweglichen und die be-
weglichen, und durch das Tapas [des Schöpfers] leben sie,
das wisset, o ihr Gelübdetreuen.
33. (968.) Über diesen ihren Ursprung hinausschreitend,
leben sie jetzt auf Grund ihres eigenen Werkes [in einer
frühem Geburt] ; das Satyam aber, mit Qualitäten verbunden,
bestimmt sich zu dem fünf Merkmale Habenden [zu den Ele-
menten].
34. (969.) Das Satyam ist Brahman, das Satyam ist Tapas,
das Satyam ist auch Prajäpati; aus Satyam sind die Wesen
entstanden, Satyam ist die aus den Wesen bestehende Welt
der Lebenden.
35. (970.) Darum halten die aus Satyam bestehenden Brah-
manen den Yoga immer als das Höchste, überwindend Zorn
und Leiden, sich selbst bezwingend und die Pflicht übend.
36. (971.) Sie, welche sich gegenseitig in Zucht halten, die
Vedakundigen, welche die Brücke der Gerechtigkeit spannen,
diese will ich euch verkündigen, die ewigen Erhalter der Welt.
37. (<>72.) Ferner die vierfache Wissenschaft [vom Guten,
Nützlichen, Angenehmen und von der Erlösung], sowie die
Kasten und die in den vier Lebensstadien Weilenden ins-
besondere. Das eine Gesetz mit seinen vier Füfsen (vgl. oben,
S. 334) erklären die Weisen für ewig.
38. (973.) Den Weg will ich euch verkünden, o Zwie-
geborene, den seligen, zur Ruhe führenden, den zur Brahman-
werdung vorgeschriebenen, von den Weisen der Vorzeit be-
tretenen.
39. (974.) Ihr, die ihr hier zu mir redet, sollt jetzt von
mir diesen schwer zu findenden, höchsten Weg erfahren,
o ihr Glücklichen, und vollständig den höchsten Ort.
40. (975.) Das Lebensstadium des Brahmacarin gilt als der
erste Schritt, das des Hausvaters ist der zweite, das des W r ald-
einsiedlers folgt zunächst; (976.) was darauf folgt und die innere
Seele betrifft, das soll man wissen als den höchsten Schritt.
41. Das Licht, der Äther, die Sonne, der Wind, Indra
Digitized by Google
AdhyAya 35 (B. 35).
947
und Prajäpati, — (977.) solange einer die innere Seele nicht
versteht, solange kennt er auch diese nicht.
42. Das Mittel, sie zu verstehen, will ich euch verkündigen;
vernehmt es von vorn an. (978.) Die von den an Früchten,
Wurzeln und Wind sich nährenden und im Walde wohnenden
Muni's geühte
43. Waldeinsiedlerschaft wird für die drei zwiegeborenen
Kasten vorgeschrieben. (979.) Hingegen wird für alle [vier]
Kasten die Hausvaterschaft verordnet.
44. Die Pflicht hat als Merkmal den ,,Glauben", so ver-
künden die Weisen [Chänd. Up. 5,10,1; Brih. Up. «,2,15],
(980.) mit diesem Worte werden euch die Wege des Devayäna
gepriesen, welche von Guten und Weisen betreten werden
und durch die Werke als Brücke zur Pflicht überleiten.
45. (981.) Wer aber, verschieden von diesen, mit scharfem
Gelübde der Pflicht [des Opferns] obliegt, der bekommt [auf
dem Pitriyana] nach langer Zeit immer wieder Entstehung
und Vergang der Wesen zu schauen.
4<>. (»8s) Weiter nun will ich dir mit einer der Wahr-
heit entsprechenden Begründung die Prinzipien nennen, ent-
sprechend ihrer Einteilung, wie sie alle miteinander, in den
Objekten verkörpert, sich vorfinden.
47. (983.) Der Mahän Atmä, sowie das Avyaktam und d«*r
Ahankara, die elf Indriya's und die fünf Mahäbhüta's,
48. (984.) sowie die Vicesha's (spezitischen Qualitäten) der
fünf Kiemente, das ist die ewige Emanation; als vierund-
zwanzig und eins, als soviel wird die Zahl der Prinzipien
gelehrt.
4t>. (98. ) Wer nun Entstehen und Vergehen aller dieser
Prinzipien versteht, der allein unter allen Wesen ist weise
und gerät nicht in Betörung.
50. (986.) Wer nach der Wahrheit alle die Prinzipien,
alle die Eigenschaften und alle Götter kennt, der schüttelt
die Sünde ab und löst die Bindung, der geht ein in alle
reinen Welten.
So Unttt in clrr AnugltA der xwtuntfitc Adkijrija.
60*
Digitized by Google
948
IV. Anugita.
Adhy&ya 3(5 (B. 36).
Vers 987-1022 (B. 1-36).
Der Gott Brahman sprach:
1. (»87.) Jenes Unoffenbare, Unerschöpfliche, Alldurch-
dringende, Feste, Beständige soll man wissen als die Stadt
mit neun Toren , als aus den drei Guna's und den iiinf Ele-
menten bestehend,
2. (»88.) als von den elf [Sinnesorganen] umgeben, als
das Manas zum Unterscheider, die Buddhi zur Beherrscherin
habend ; somit ist jenes Höchste elffach [aus drei Guna's, fiinf
Elementen, Sinnesorganen, Manas und Buddhi bestehend].
3. (989.) In ihm befinden sich drei Strömungen, welche
immer wieder und wieder anschwellen; diese drei Flufsarme
treten in Wirksamkeit, ihrem Wesen nach aus den Guna's
bestehend.
4. (990.) Tamas, Kajas und Sattvam, das ist, was man
die Guna's nennt; sie paaren sich alle miteinander und sie
leben alle voneinander [vgl. Sankhya-Kärikä 12],
5. (99i.) sie unterstützen sich gegenseitig, richten sich
nacheinander und sind miteinander verflochten; das sind die
aus den fünf Elementen bestehenden drei Guna's.
(>. (992.) Das Tamas paart sich mit dem Sattvam, das
Sattvam mit dem Rajas, das Kajas mit dem Sattvam und
das Sattvam mit dem Tamas.
7. (993.) Wo das Tamas unterdrückt wird, da entwickelt
sich das Rajas ; wo das Rajas unterdrückt wird, da entwickelt
sich das Sattvam.
8. (994.) Nachtartig nach seinem Wesen ist das Tamas;
es hat drei Eigenschaften und wird Verblendung genannt,
auch hat es die Ungerechtigkeit als Merkmal und ist auf
böse Handlungen beschränkt. [Der folgende Halbvers nur
in B.] Diese tamas -artige Natur aber erstreckt sich auch
[in die anderen hinein].
9. (995.) Das Rajas ist seinem Wesen nach Wirkung und
Umwandlungen veranlassend, in allen Wesen sich entwickelnd,
sichtbar werdend und Entstehung als Merkmal habend.
Digitized by Google
Adhyaya :$6 (Ii. 36).
949
10. oyt>.) Helligkeit in allen Wesen, Leichtigkeit und
Gläubigkeit, das ist hingegen die Natur des Sattvam; die
Leichtigkeit ist mit dem Guten verwandt.
11. (997.) Das Wesen dieser Guna's wird erklärt werden
nebst den Gründen für dieses Wesen sowohl im allgemeinen
als auch im besondern; vernehmt es der Wahrheit gemäfs.
12. (9»8.) Verblendung, Nichtwissen, Geiz, L T nentschieden-
heit im Handeln, Schlaf, Steifheit, Feigheit, Habsucht, aus
freien Stücken Bemängelung der Woldtaten,
13. (99n.) Vergefslichkeit, Unreife, Nihilismus, Vielgeschäf-
tigkeit, Urteilslosigkeit und Blindheit, das ist das Verhalten,
welches aus dem letzten Guna entspringt.
14. (iooo.) Einbildung, dafs man etwas tut, wo man nichts
tut, dafs man etwas wisse, wo man nichts weifs, Unfreund-
lichkeit, Mangel an Beweglichkeit, Unglaube, verwirrte Ge-
mütsverfassung,
15. (looi.) Mangel an Geradheit, Unbesonnenheit, böses
Tun, Gedankenlosigkeit, Schwerfälligkeit, Mattherzigkeit,
Mangel an Selbstbeherrschung, Niederträchtigkeit,
U>. (1002.) alle diese werden als Eigenschaften genannt,
welche aus dem Tamas entspringen, und was man sonst noch
an Xaturbeschafienheiten aufzählen mag, welche in dieser
Welt [schonenderweise] als Naturell bezeichnet werden.
17. (ioo3.) Alle diese Eigenschaften des Tamas linden sich
hier und dort als eingewurzelt vor. Das beständige Führen
von übler Nachrede gegen Götter, Brahmanen und Veden,
18. (ioo4.) der Geiz, der Hochmut, die Verblendung, der
Zorn, die Unduldsamkeit und die Selbstsucht, diese, wo sie
bei den Wesen vorkommen, sind anzusehen als die Wirkung
des Tamas.
19. (1005.) Alle ungeregelten Unternehmungen, alles un-
geregelte Geben und ungeregelte Essen, das alles gilt als
Wirkung des Tamas.
20. (loot;.) Mafsloses Reden, Mangel an Ausdauer, Egois-
mus, Hochmut und Unglaube sind anzusehen als Wirkung
des Tamas.
21. (ioo7.) Alle, welche auf der Welt von dieser Art sind,
Digitized by Google
IV. AnugltA.
alle Übeltäter und schrankendurchbrechende Menschen, diese
alle werden als tamas- artig betrachtet.
22. (1008.) Ihre [künftigen] Geburten will ich dir ver-
kündigen, wie sie für die Übeltäter bestimmt sind, welche
ein Dasein niedriger Art oder in der Hölle erleiden und in
Tiere oder in die Hölle fahren werden.
23. (ioo9.) Unbewegliche Wesen (Pflanzen), Vieh und Zug-
tiere, fleischfressende Tiere und alles, was da beifst und kriecht
und fliegt und tlattert,
24. (loio.) die Arten der Eigeborenen und alle Vierfufsler,
die Verrückten, Tauben, Stummen und an schlimmen Krank-
heiten Leidenden,
25. (lon.) diese Unglücklichen sind versenkt in das Ta-
mas und haben den Charakter, der durch ihre Werke ver-
dient wurde; Abwärtsströmende können sie heifsen, in
Tamas versenkt und von Tamasart.
26. (ioi2.) Nun will ich dir weiter erklären, wie diese [in
Tamas Versunkenen] sich emporarbeiten und höher steigen
können, und wie sie durch heilige Werke glückselige Welten
erlangen mögen.
27. (ioi3.) Wenn sie eine andere Richtung einschlagen,
so können sie hinauswachsen über das Werk und, von Brah-
manen, die auf ihre Werke verzichtet haben und nach dem
Schönen trachten,
28. (1014.) geläutert, emporsteigen und, nach Weltgemein-
schaft mit ihnen strebend, in den Himmel der Götter eingehen,
wie es die Offenbarung des Veda lehrt.
2*J. (1015.) Und wiederum, wenn sie eine andere Richtung
einschlagen und in der Vollbringung ihrer Werke sich klug
erweisen, dann fallen sie unter das Gesetz der Wiederkunft
und werden wieder auf der Erde zu Menschen.
30. (loie.) Dann können sie in einen schlechten Mutter-
schors geraten als Candala's, Stumme und Stammelnde und
nach und nach immer höhere Kasten erlangen.
31. (lon.) Aber auch wenn sie die Geburt als Oüdra's
und sonstige [Folgen von] tamas -artigen Qualitäten über-
schritten haben und in die mittlere Strömung gelangt sind,
befinden sie sich immer noch in der Qualität des Tamas.
Digitized by Google
Adhyaya 30 (B. 36).
9M
32. (1018.) Denn alles Hängen an Lüsten ist grofse Ver-
blendung (mahämoha), so wird es gelehrt, und auch die Rishi's,
Muni's und Götter unterliegen dieser Verblendung, solange
sie noch nach Lust begehren.
33. (1019.) Finsternis (lamas), Verblendung (inohaj, grofse
Verblendung fmahämohaj und Verünsterung (tamisra), die da
Zorn heifst, — denn blinde Verfinsterung (andhatamisra) ist
der Tod — Verfinsterung wird der Zorn genannt [vgl. Sankhya-
Kärikä 48],
34. (1020.) nach Farbe, Qualität. Ursprung und Wesen ist
das alles als Tamas euch erklärt worden nach der Vorschrift,
o Brahmanen.
35. (1021.) Wer ist es nun, der dies richtig versteht, wer
ist, der es richtig sieht? Das ist das wahre Merkmal des
Tamas, dafs einer in dem Nichtrealen das Reale sieht.
36. (1022.) Damit sind die mannigfachen Qualitäten
des Tamas aufgezählt und das nach oben und nach
unten sich erstreckende Tamas gebührend besprochen
worden; der Mann, welcher alle diese Qualitäten immer-
fort erkennt, der wird von allen Qualitäten des Tamas
erlöst.
9o lautet in der Annita dcT einuintzwanziirnte Adhyaya.
Aclhyftya 37 ( B. 37).
Vers 1023-1041 (B. 1-1*).
Der Gott Brahmäu sprach:
1. (1023.) Nun will ich euch das Rajas der Wahrheit ge-
mäfs erklären, o ihr Besten; vernehmt es, o ihr Glücklichen,
sowie die aus dem Rajas sich entwickelnden Eigenschaften.
2. (1024.) Qual, Schöngestalt, Anstrengung. Lust und
Schmerz, Kälte und Hitze, Herrschaft, Krieg und Frieden,
Räsonieren, Unzufriedenheit und Ausdauer,
3. (1025.) Gewalt, Heroismus, Verwegenheit, Zorn, Streit
und Zank, Neid, Begehrlichkeit, Klatschsucht, Kampf, Egois-
mus, Beschützung,
Digitized by Google
952
IV. AnugiU.
4. (1026.) Mord, Gefangenschaft und Not, Kauf und Ver-
kauf, von den Rufen: „Schneide, brich, spalte!" begleitetes
Abschneiden der Feindesrüstung,
5. (1027.) Gewalttat, Grausamkeit, Beschimpfung, Hin-
weisung auf die Schwächen anderer, Weltsinn und Sorge,
Selbstsucht , Beschützung,
fi. (1028.) falsche Rede, falsches Spenden, Zweifel, Schmäh-
sucht, Tadeln, Loben und Preisen, Übermacht und Ver-
gewaltigung,
7. (1029.) Pflege, Gehorsam, Bedienung, Durst, Unter-
stützung, Strategik und Politik, Unbesonnenheit, Tadelsucht
und Begünstigung,
8. (loso.) ferner alle Vorkehrungen, welche in der Welt
im einzelnen getroffen werden in bezug auf Männer, Weiber.
Wesen, Sachen und Wohnungen,
9. fioai.) Qual und Mifstrauen, Gelübde und Verpflichtungen
sowie alle auf einem Wunsche beruhenden und seine Erfüllung
nach sich ziehenden Werke von mannigfacher Art,
10. (1032.) die Ausrufe svähä! (Heil), namas ! (Verehrung).
svadhä ! (Labung), vashat ! (Spende), beides. Opfernlassen und
Lehren, sowie Opfern und Lernen,
11. (io33.) Schenken und Annehmen, Sühnung, glückliche
Vorzeichen und die aus diesem Guna entspringende Neigung,
sich dieses oder jenes zuzueignen,
12. (1034.) Nachstellung, Täuschung, Herabsetzung und
Ehrenerweisung, Diebstahl, Schädigung, Ekel, Reue, Wach-
samkeit,
13. (1035.) Trug, Stolz und Leidenschaft, Verehrung, Liebe
und Freude, Spiel, Gerede der Leute und Liaisons mit Weibern.
14. (1036.) Gelegenheiten zum Tanzen, Musizieren und
Singen, wo sie immer vorkommen — alle diese Beschaffen-
heiten, o ihr Brahmanen, werden erwähnt als aus dem Rajas
entspringend.
15. (1037.) Die Menschen, welche auf der Welt an die
vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Möglichkeiten
denken, welche immerfort an der Dreischar des Guten, Nütz-
lichen und Angenehmen sich freuen,
Ifi. (1038.) in Lüsten sich bewegen und an der Erfüllung
Digitized by Google
Adhväya 37 (B. 37).
953
aller Lüste ihr Gefallen linden, Herwärtsströmende können
sie heifsen, die Menschen, welche vom Rajas umhüllt sind.
17. ü<>:)9.) Sie freuen sich, immer wieder und wieder in
dieser Welt geboren zu werden; darum streben sie nach dem
Dasein nach dem Tode und zugleich nach einem Wieder-
kommen in diese Welt; fio4o.) darum schenken sie und nehmen
Geschenke und opfern den Manen und Göttern.
18. (um.) Damit sind die mannigfachen Qualitäten des
Rajas aufgezählt und das sich aus ihnen Entwickelnde
gebührend besprochen worden; der Mann, welcher alle
diese Qualitäten immerfort erkennt, der wird von allen
Qualitäten des Rajas erlöst.
Sr, lautet in der Anugttä der zweiundzwanzigate Adhyävft.
Adhyaya i*8 (B. »8).
Vers 1012-1057 (R. 1-15).
Der Gott Hruhmau sprach:
1. (104-j.) Weiterhin will ich den dritten Guna, den höchsten,
erklären, der zum Heile aller Wesen in der Welt dient und
das untadlige Gesetz der Guten bildet.
2. f n>4;».) Wonne. Freude, Überflufs. Helligkeit und Lust,
Fassung, Haltung, Zufriedenheit. Glaube.
3. (io44.) Geduld. Festigkeit. Schonung, Gleichmütigkeit,
Wahrhaftigkeit, Geradheit. Nichtzürnen. Nichtmurren , Rein-
heit, Tüchtigkeit, Tapferkeit.
4. (1045.) zweckloses Erkennen, zweckloses Handeln, zweck-
loser Kultus, zweckloses Bemühen — wer so sich seiner Pflicht
hingibt, der erlangt im Jenseits die Unendlichkeit.
;"). (1046.) Selbstlos, ichbewufstseinslus, hoffnungslos, gleich-
mütig in allen Dingen, frei von Begierde, so ist beschaffen
die ewige Satzung der Guten.
«». (Hut.) Vertrauen. Schamhaftigkeit, Ausdauer, Freigebig-
keit, Reinheit. Unermüdlichkeit, Nichtübelwollen, Nichtver-
blendung, Mitleid mit den Wesen, Nichtangeberei,
Digitized by Google
954
IV. AnugitJL
7. (1048.) Freudigkeit, Zufriedenheit, Stolz, Zucht, gutes
Betragen, Reinheit im Erstreben der Ruhe, lichtvolle Ein-
sicht , Versöhnlichkeit,
8. (KU9.) Gleichgültigkeit, Keuschheit, Verachten auf
alles, Selbstlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, unverkürzte Pflicht-
erfüllung,
9. (1050.) umsonst geben, umsonst opfern, umsonst stu-
dieren, umsonst Gelübde erfüllen, umsonst annehmen, umsonst
die Pflicht erfüllen, umsonst Askese üben —
10. (1051.) alle, welche so beschaffen sind in dieser Welt
und sich auf das Sattvam stützen als ßrahmanen und in
Brahman s Schofs Sitzende, die sind weise und von richtiger
Einsicht.
11. (1062.) Schon als Menschen alles Böse hinter sich
lassend und von Kummer befreit, erlangen diese Weisen den
Himmel und schaffen sich dort Verkörperungen [nach Be-
lieben].
12. (1053.) Schöpferkraft, Beherrschung der Wesen, Leich-
tigkeit [und die übrigen Siddhi's] verschaffen sich auf ihren
Wunsch diese Hochherzigen, gleichwie Götter alle drei Himmel
durchziehend ;
13. (1054.) Aufwärtsströmende können sie heifsen, und
Götter, die ihre Gestalt wandeln, werden sie genannt, da sie
sich vermöge ihrer Natur verwandeln können, nachdem sie
zum Himmel gelangt sind, in dieses und jenes.
14. (1055.) Was sie immer wünschen mögen, das alles
verschaffen sie sich bald so, bald so. Damit habe ich euch,
o Brahmanenstiere, mitgeteilt, was sich aus dem Sattvam
entwickelt. (1006.) Wer dies verstanden hat, der empfängt
von Rechts wegen alles, was er wünschen mag.
15. (1057.) Damit sind die Qualitäten des Sattvam im
einzelnen aufgezählt und das sich aus ihnen Entwickelnde
gebührend besprochen worden; der Mann, der alle diese
Qualitäten immerfort erkennt, der geniefst die Qualitäten
und ist doch nicht an die Qualitäten gebunden.
So lautet in der AnuglU der droiundzwauxlgate Adhyijr*.
Digitized by Google
AdhyAya 39 (B. 39).
955
AdhyAya :J9 (B. :*»).
Vers 1058-1083 (h. 1-25).
Der Gott BrahmÄn sprach:
1. (i<»58.) Es ist nicht möglich, die Guna's, einen jeden
in seiner Besonderheit, zu erklären, denn ungetrennt treten
auf das Kajas, Sattvam und Tamas.
2. (losu.) Denn sie färben aneinander ab, und sie leben
für die gegenseitigen Zwecke, stützen sich alle gegenseitig
und richten sich nacheinander.
3. (1060.) Soweit das Sattvam sich erstreckt, reicht auch
das Kajas, daran ist kein Zweifel; soweit das Tamas und
das Sattvam sich erstrecken, soweit wird auch das Kajas
anerkannt,
4. (loei.) Miteinander verbunden gehen sie ihren Weg;
als Gefährten in Gesellschaft wandelnd und in Gemeinschaft
ihre Funktionen übend, wirken sie als Ursachen und nicht
als Ursachen.
5. (1062.) Von ihnen, welche zusammenwirken, indem sie
übereinander hinausreichen und sich übertreffen, soll erklärt
werden, inwiefern sie überall einander unterlegen und über-
legen sind.
(). (hm».) Wo das Tamas überwiegt, da findet ein Ein-
gehen in tierische Existenzen statt; in ihnen ist das Kajas
nur in geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm
das Sattvam.
7. (iui>4.) Wo das Kajas überwiegt, da findet ein Eingehen
in die mittlere Strömung statt; in ihr ist das Tamas nur in
geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm das Sattvam.
8. (louft.) Wo das Sattvam überwiegt, da findet ein Ein-
gehen in die Aufwärtsströmung statt; in ihr ist das Tamas
nur in geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm
das Kajas.
5). (1066.) Das Sattvam ist für die Sinnesorgane die in
sie sich umwandelnde und ihnen das Licht spendende Quelle,
denn es gibt keine andere Eigenschaft, welche höher wäre
als das Sattvam.
Digitized by Google
IV. Anuglt*.
10. (io«7.) Nach aufwärts gehen die im Sattvam Stehenden,
in der Mitte befinden sich die Kajashaften, und abwärts gehen
die mit dem untersten Guna behafteten, tamashaften Menschen.
11. (io68.) Das Tamas ist dem (.todra, das Rajas dem Ksha-
triya eigen, das Sattvam als Höchstes dem Brahmanen; so
treten in den drei Kasten die drei Guna's auseinander.
12. (1069.) Schon von weitem zeigt sich, dafs Tamas, Satt-
vam und Rajas, obgleich sie in Verbindung miteinander zu-
sammengehen, doch in ihrer Verschiedenheit bestehen, wie
sie uns überliefert worden ist.
13. (io70.) Aber auch durch die Sonne, wenn sie sie auf-
gehen sehen, werden die Übeltäter in Furcht versetzt, und
die Wanderer werden von ihrer Hitze gequält und empfinden
Schmerz.
14. (io7i.) Zwar ist die Sonne überwiegend Sattvam, aber
die [von ihr in Schrecken versetzten] Übeltäter sind Tamas,
und die [gleichfalls von der Sonne herrührende] Hitze und
Qual der Wanderer ist als eine Eigenschaft des Rajas zu be-
trachten.
15. (1072.) Als Erhellung ist die Sonne Sattvam, ihr Er-
hitzen ist eine Eigenschaft des Rajas und ihre Verfinsterung
beim Durchgang durch die Knoten ist als Tamas anzusehen.
16. (107a.) In dieser Weise kehren bei allen Himmels-
lichtern alle drei Guna's wieder und treten abwechselnd auf
bald hier, bald dort, bald so, bald so.
17. (1074.) Bei pflanzlichen Wesen herrscht das auch in das
tierische Dasein hinüberreichende Tamas; vermöge des Rajas
aber wandeln sich diese Wesen um [zu höheren Formen],
und die in ihnen enthaltenen öligen [sich anschmiegenden]
Bestandteile stammen aus dem Sattvam.
18. (1075.) Dreifach [aus Sattvam, Rajas, Tamas bestehend)
ist der Tag, das soll man wissen, und dreifach ist die Nacht,
sind die Monate, Halbmonate, Jahre, Jahreszeiten und Däm-
merungen.
19. (1076.) Dreifach werden die Gaben gegeben, dreifach
geht das Opfer vonstatten, dreifach sind die Welten, dreifach
die Götter, dreifach ist die Wissenschaft und dreifach der
Weg [ins Jenseits].
Digitized by Google
Adhvaya 39 (R Mi
9Ö7
20. (1077.) Das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige,
das Gute, Nützliche und Angenehme, der Prana, Apäna und
Udäna, alles dies ist aus den drei Guna's bestehend.
21. (1078.) Abwechselnd treten sie hervor, bald hier, bald
dort, bald so, bald so; alles was auf dieser Welt ist, alles
das sind die drei Guna's.
22. (io7y.) Die drei Guna's üben ihre Funktionen, sie
selbst aber bleiben ewig unoffenbar, das Sattvam, Rajas und
Tamas, das ist die ewige Gunasehöpfung.
23. (1080.) Das Tamas, das Unentfaltete, die selige Wohn-
stätte [des Sattvam], das Rajas, die ewige Wiege, Entstehen,
Sichwandeln und Vergehen, das Pradhanam (die Urnatur),
Ursprung und Vergang,
24. (io8i.) das Unvermeidbare und Unverminderbare, Un-
erschütterliche. Unbewegliche, Seiende und Nichtseiende, dieses
alles ist das aus den drei Guna's bestehende Unentfaltete:
• *
(io*2.) seine Namen müssen gekannt werden von Männern, die
über das innere Selbst nachdenken.
2;">. (1083.) Wer alle Namen und Eigenschaften des Un-
entfalteten und die zur Absolutheit führenden Wege kennt,
der wird, wenn er des Leibes ledig ist und das Wesen
der Einteilungen des Unentfalteten versteht, von allen
Guna's erlöst und frei von Leiden.
So lautet in «lor Anuglt» ilrr virrtinrizwan/itf *t« AclhyAya.
ArihyAya 40 (B. 40).
Vers 10*4-10% iB. 1-13).
Der Gott Bralimün sprach:
1. u<»K4.) Aus dem Unentfalteten {nnjnhtam) ist zuerst
hervorgegangen der Mahän Atmä (die grofse Seele, die Welt-
seele), der grofse Weisheit Besitzende: er wird als der An-
fang aller Bestimmungen fyunnj und als die erste Emanation
bezeichnet.
2. (io85.) Der Mahan Atmä ist Weisheit, ist Vishnu, der
Siegreiche, und (/ambhu (Civa), der Gewaltige; er ist Buddhi
Digitized by Google
958
IV. Amitft&.
(Bewufstsein), Erkenntnis und Wahrnehmung, er ist auch
Ruhm, Stärke und Erinnerung.
3. (low.) Mit diesen synonym gebrauchten Worten wird
der Mahän Atmä aufgezeigt; der weise Brahmane, welcher ihn
erkennt, gerät nicht in Verblendung.
4. (1087.) Nach allwärts ist er Hand, Füfse, nach allwärts
Augen, Haupt und Mund, nach allen Seiten hin hörend, die
Welt durchdringend steht er da (Qvet. Up. 3,16).
5. (1088.) Als Purusha von grofser Macht zeigt er sich
klar in eines jeden Herzen, als Atomfeinheit, Leichtigkeit,
Allberührung, als Gottherr, Licht, als Ewiger.
6. (1089.) Durch ihn sind mit Bewufstsein (buddhi) begabt
die Welten und alle, die an wahrem Sein sich freuen, die
Meditierenden, immer des Yoga Beflissenen, dem Versprechen
Treuen, die Sinne Bändigenden,
7. (1090.) und alle, welche reich an Erkenntnis, ohne Be-
gierde und frei von Zorn, beruhigten Herzens, standhaft,
selbstlos und ohne Ichbewufstsein sind.
8. (1091.) Alle diese, nachdem sie erlöst sind, gehen in
seine Grofsheit ein, und auch der, welcher den heiligen,
höchsten Weg des Mahän Atmä kennt,
9. (1092.) nämlich, dafs aus dem Ahankära die fünf grofsen
Elemente hervorgehen, Erde, Wind, Äther, Wasser und Licht
als fünftes,
10. (1093.) und dafs die Wesen in diese fünf grofsen Ele-
mente verstrickt sind. Diese [die Wissenden], obgleich sich
befassend mit Tönen, Gefühlen, Gestalten, Geschmäcken und
Gerüchen,
11. (1094.) sind beim Untergang der grofsen Elemente,
und wenn die Vernichtung bevorsteht, unter allen Lebenden
die Weisen, [während für die übrigen] eine grofse Frucht
entsteht.
12. (1095.) Aber er, der Weise, verfällt in allen Welten
[die er bewohnt] nicht in Verblendung, sondern er wird zu
Vishnu, wird zu dem über die Urschöpfung herrschenden
Svayambhu.
13. (1096.) Wer in dieser Weise den in der Höhle des
Herzens wohnenden Herrn kennt, den höchsten, alten,
Digitized by Google
Adhyäya 40 (B. 40).
959
allgcstaltigen Purusha, den Goldfarbigen, der die höchste
Zuflucht der Weisen ist, der besteht als Weiser, als über
alle Weisheit Erhabener.
So lautet in der Anuglta der lunfundzwanzifrMe Adhyaya
Aclliyftya 41 (B. 41).
Vers 10U7-1101 (B. 1-5).
Der Gott Bralimän sprach :
1. f iot»7.) Jener zuerst entstandene Mahan wird weiterhin,
wenn er sich zu dem Bewufstsein, ein Ich zu sein, fort-
entwickelt, Ahankära genannt und heifst die zweite Emanation.
2. (1098.) Der Ahankära ist [einerseits] der Ursprung der
Elemente und ist schon Produkt eines Produkts [nämlich des
Mahan]; vermöge des [in ihm enthaltenen] Tejas ('-_- Rajas)
und sofern er die Geistigkeit [des Purusha] in sich befafst,
wird er zur Schöpfung der Geschöpfe, d. h. zu Prajäpati.
3. (109».) Er ist als Ursprung der Götter ein Gott und als
Ursprung des Manas der Schöpfer der drei Welten; er führt
seinen Namen davon, dafs er in dem Bewufstsein des Ich auf
das ganze Weltall seine Absicht richtet.
4. (uoo ) Diese ewige Welt aber wird denen zuteil, welche
als Muni's sich an der Erkenntnis der innern Seele sättigen,
ihr Selbst zubereiten und in Vedastudium und Opfer zur Voll-
kommenheit gelangt sind.
ö. (not.) Dem vermittelst des Ahankära jene Guna's
an sich Raffenden [Purusha] schafft er [der Ahankära]
als Ursprung der Elemente [die Welten], und als Schöpfer
der Wissen bringt er, das Produkt-Produkt, diese ganze
Welt in Bewegung und belebt sie vermöge des ihm inne-
wohnenden Tejas ( Rajas |.
So lautet in der Anuglt;i .Irr »notnundx wanogit« AdhyA};»
Digitized by Google
960
IV. Anugita.
Adhyftya 42 (B. 42).
Vera 1102-1169 (B. 1-67).
Der Gott B rahm an sprach:
1. (iiu2.) Aus dem Ahankära sind erzeugt worden die
fünf grofsen Elemente, die Erde, der Wind, der Äther, die
Wasser und das Licht als fünftes.
2. (1103.) In diese fünf grofsen Elemente sind die Wesen
verstrickt, nämlich in Töne, Gefühle, Gestalten und in die Ver-
richtungen des Schmeckens und Fühlens (vgl. oben, Vers 1093).
3. (1104.) Beim Untergang der grofsen Elemente, und wenn
die Vernichtung bevorsteht, [sind nicht verstrickt] unter
allen Lebenden die Weisen, [während für die übrigen] eine
grofse Furcht verkündigt wird.
4. (1105.) Dann löst sich jedes Element in dasjenige Ele-
ment auf, woraus es entstanden ist [Erde in Wasser, Wasser
in Feuer, Feuer in Wind, Wind in Äther], sie lösen sich auf
in der umgekehrten Ordnung, als wie sie auseinander ent-
standen sind.
5. (1106.) Wenn dann jedes unbewegliche und bewegliche
Wesen sich auflöst, dann sind es die Weisen, Gedenkenden,
welche sich nimmermehr auflösen.
6. (1107.) Aber Ton, Gefühl, Gestalt, Geschmack und Ge-
ruch als fünfter, diese Tätigkeiten, welche immer blofse Organe
sind, sind vergänglich und werden Verblendung genannt.
7. (1108.) Durch Begierde und Zeugung entstanden, ohne
Unterschied [aus den fünf Elementen bestehend], ohne Realität,
als Aggregate von Fleisch und Blut voneinander zehrend,
8. (1109.) werden sie äufserliche Selbste genannt und sind
elend und erbärmlich lebend. — Ferner der Präna und Apana,
der Udäna, Samana und Vyäna,
9. (1110.) diese bestimmten fünf Winde gehören schon dem
inner n Selbst an; zusammen mit Rede, Manas und Buddhi
bilden sie die achtwesenhafte Welt.
10. (im.) Haut, Geruch, Gehör, Gesicht, Geschmack und
Rede, wer diese im Zaume hält und sein Manas rein und seine
Buddhi nicht abirrend hat,
Digitized by Google
Adliy&va iJ (Ii. 42).
11. (1112.) bei wem diese acht Feuer nicht fort und fort
den Geist verbrennen, der geht ein zu jenem lautern Brah-
män; über den hinaus gibt es nichts Höheres.
12. (ins.) Nun will ich die elfe, welche man die Sinnes-
organe nennt und welche aus dem Ahankära erzeugt sind,
euch, o Rrahmanen, im einzelnen erklären.
13. (hu.) Das Ohr, die Haut, die Augen, die Zunge und
die Nase als fünftes, die Füfse, das Entleerungs- und
Zeugungsorgan, die Hände und die Rede als zehntes,
14. (ins.) das ist die Schar der Sinnesorgane, und das
Manas ist das elfte; diese Schar mufs man zuerst überwinden,
dann kommt das Brahman zur Erscheinung.
15. (lim.) Unter ihnen zählt man fünf Erkenntnisorgane
und fünf Tatorgane; nämlich fünf, das Ohr usw., gibt es,
welche ihrem Wesen nach mit Erkenntnis verbunden sind,
U\. (1117.) hingegen sind da die anderen, welche kein
rnterscheidungsvermögen besitzen, aber mit einer Tätigkeit
verbunden sind; zu beiden Arten gehört das Manas; aber die
Buddhi ist die zwölfte.
17. (HIB.) Damit sind diese elf Sinnesorgane der Reihe
nach aufgezählt; die Weisen halten ihre Aufgabe für voll-
endet, wenn sie diese kennen.
18. (Uli») Weiterhin will ich jedes Organ nach seinen
verschiedenen Beziehungen erklären. Zuerst entstanden ist
der Äther; in bezug auf das Selbst heifst er das Ohr,
19. (U20.) in bezug auf die Dinge der Ton, in bezug auf
die Gottheit die [Gottheiten der] Himmelsgegenden. Das
zweite Element ist der W r ind; in bezug auf das Selbst heifst
er die Haut,
20. (1121.) in bezug auf die Dinge das Gefühlte, in bezug
auf die Gottheit der Blitz. Das dritte Element heifst das
Licht; in bezug auf das Selbst heifst es Auge,
21. (1122.) in bezug auf die Dinge die Gestalt, in bezug
auf die Gottheit die Sonne. Das vierte Element ist das
Wasser; in bezug auf das Selbst heifst es Zunge,
22. (1123.) in bezug auf die Dinge der Gesc hmack, in bezug
auf die Gottheit der Sorna (Mond). Die Erde ist das fünfte
Element; in bezug auf das Selbst heifst sie die Nase,
Dki'mcw, M*hAbhAr»Um. (JJ
Digitized by Google
<J62
23. (ii24.) in bezug auf die Dinge der Geruch, in bezug
auf die Gottheit der Vuyu (Wind). Damit ist von den fünf
Elementen ihre Beziehung zu den dreien erklärt.
24. (U25.) W eiterhin will ich jedes [Tat-] Organ nach
seinen verschiedenen Beziehungen erklären. In bezug auf das
Selbst wird das erste von den ßrahmanen. welche die Wahr-
heit schauen, die Füfse genannt;
25. ni26.) in bezug auf die Dinge heifst es das zu Be-
tretende, in bezug auf die Gottheit der Vishnu. Das Ent-
leerungsorgan heifst in bezug auf das Selbst der nach unten
gehende Apuna,
2<>. (1127.) in bezug auf die Dinge die Entleerung, in bezug
auf die Gottheit der Mitra. Das Zeugungsorgan heifst in
bezug auf das Selbst der Erzeuger aller Wesen,
27. (1128.) in bezug auf die Dinge der Same, in bezug
auf die Gottheit der Prajapati. Die Hände werden so ge-
nannt in bezug auf das Selbst von Menschen, welche wissen,
was sich auf das Selbst bezieht,
28. (ii2i>.) in bezug auf die Dinge heifsen sie Handlungen,
in bezug auf die Gottheit der (,'akra (Indra). Die von hier
zunächst folgende ist in bezug auf das Selbst die alle Götter
preisende Rede,
2U. diso.) in bezug auf die Dinge das Gesprochene, in
bezug auf die Gottheit der Vahni (das Feuer). Das Manas.
welches das Wesen der fünf Elemente auskundschaftet, heifst
so in bezug auf das Selbst,
30. (1131.) in bezug auf die Dinge heifst es Sankalpa (Vor-
stellung, Wille), in bezug auf die Gottheit heifst es der Can-
dramas (Mond). Der Ahankära, der den ganzen Sansära be-
wirkt, heifst so in bezug auf das Selbst,
31. (1132.) in bezug auf die Dinge heifst er die Ichbeziehung
(nbhiniäna), in bezug auf die Gottheit der Rudra. Die Buddhi,
welche die sechs Sinnesorgane [Manas und Erkenntnissinne]
durchwaltet, heifst so in bezug auf das Selbst,
32. (1133.) in bezug auf die Dinge das Erkennbare, in
bezug auf die Gottheit der Gott Brahmän. — Drei Orte gibt
es für die Wesen, ein vierter ist nicht vorhanden:
33. (Iis*.) das feste Land, das Wasser und der Äther.
Digitized by Google
Adhyäya V> (B. 12).
Vierfach ist die Entstellung der Wesen, als Eigeborene, Sprofs-
geborene, Schweifsgeborene (samsvedujaj und Eihautgeborene.
34. (1135.) In dieser Weise wird als vierfach die Geburt der
Wesenschar erkannt. Noch andere Wesen nebst den Vögeln
.*»;*). diu;) soll man als Eigeborene wissen, sowie auch
alle kriechenden Tiere. Schweifsgeborene heifsen die Würmer
und andere Geschöpfe nach ihrer Ordnung;
'M. (U37.) dieses wird die zweite Geburt und auch die
geringere genannt. Diejenigen Wesen aber, welche geboren
werden, indem sie im Verlaufe der Zeit die Erde durchbrechen,
37. (ii38.) werden Sprofsgeborene genannt von den besten
Brahmanen. Die Zweifüfsler und die Vielfüfsler, welche wage-
rechten Gang haben,
3*. ui3}».) heifsen Eihautgeborene und sind auch von
mancherlei Art, o ihr Besten. — Zweifach ist aber weiter die
ewige Zugangspforte zu Brahman,
3'.). (lue.) nämlich Askese und heiliges Werk; so lehren
es die Wissenden. Mannigfach ist das Werk ; Opferwerk und
Geschenke bei seiner Feier,
40. (ii4i.) sowie auch heilige Belehrung der Jugend; das
ist das Gebot der Alten. Wer dieses nach der Vorschrift
weifs und ihm ergeben ist, der ist, o Brahmanenstiere,
41. du-».) erlöst von allem Bösen; darum sollt ihr es
wohl merken. Der Äther ist als erster entstanden; in bezug
auf das Selbst heifst er das Ohr,
42. (1U3 n.M. ) in bezug auf die Dinge der Ton, in bezug
auf die Gottheit die [Gottheiten der] Himmelsgegenden. Das
zweite Element ist der Wind; in bezug auf das Selbst heifst
er die Haut,
43. (1144 1121.) in bezug auf die Dinge das Gefühlte, in
bezug auf die Gottheit der Blitz. Das dritte Element heifst
das Licht; in bezug auf das Selbst gilt es als das Auge,
44. (ins ii22.) in bezug auf die Dinge als die Gestalt,
in bezug auf die Gottheit als die Sonne. Das vierte Element
ist das Wasser; in bezug auf das Selbst gilt es als die Zunge,
45. (lue vjji, U2H.) in bezug auf die Dinge als der Mond,
in bezug auf die Gottheit als das Wasser. Entsprechend ist
die Lehre in bezug auf das Selbst [sowie auf die Dinge und
Digitized by Google
964 IV. AnugitÄ.
die Gottheit bei den übrigen]; sie ist euch schon von mir
mitgeteilt worden [oben, Vers 112s— 1133].
46. (1147.) Denn die Erkenntnis davon habt ihr, o Pflicht-
kundige, hier vernommen von denen, welche Kenntnis haben
von den Sinnesorganen, den* Sinnesobjekten und den fünf
grofsen Elementen. (iu8.) Dieses alles nehme man in sich
auf und überlege es in seinem Geist.
47. Wenn der Geist vollständig erlischt, so ist kein an-
genehmes Dasein möglich, (1149.) ein solches kommt nur den
mit Erkenntnis begabten Wesen zu, wie die Weisen lehren
48. Nun aber will ich euch verkündigen jene ein ver-
borgenes Dasein bewirkende, selige (nso.) Einkehr, welche in
der Mitte aller Wesen erfolgt durch milde oder rauhe Mittel.
49. Das Verhalten, welchem Tugend nicht mehr für
Tugend gilt, welches ohne Anhänglichkeit, einsam und frei
von den Unterschieden ist, (nsi.) dieses ganz in Brahman auf-
gehende Verhalten nennt man das auf die einzige Stätte ge-
richtete Glück.
50. Der als Weiser die Begierden von überallher in sich
zurückzieht wie die Schildkröte ihre Glieder, (1102.) ein solcher
leidenschaftsloser und nach allen Seiten freier Mann ist
immerfort glücklich;
51. die Begierden in sein Inneres zurückdrängend, den
Durst (trishnaj vernichtend, absorbiert (115s.) und gegen alle
Wesen wohlwollend und freundlich, wird er tauglich zum
Brahmansein.
52. Durch Niederhaltung aller nach den Dingen trachten-
den Sinnesorgane (1154.) wird in dem Muni, indem er die
Wohnstätten der Menschen meidet, das Feuer des eigenen
Selbstes entzündet.
53. So wie das durch Brennholz entflammte Feuer mit
grofsem Scheine aufleuchtet, (iiöb.) so wird durch Nieder-
haltung der Sinnesorgane der grofse Atman (mahän ätmdj
aufleuchten.
54. W r enn einer alle Wesen mit ruhigem Selbste in seinem
eigenen Herzen schaut, (1156.) dann „dient er sich selbst als
Licht" (Brih. Up. 4,3,6) und gelangt aus dem Verborgenen
zu dem allerhöchsten Verborgenen.
Digitized by Google
Adhy&va 42 (Ii. A'2).
965
55. Seine Sichtbarkeit ist Feuer, sein Fliefsendes ist
Wasser, seine Fühlbarkeit ist Wind, 11157.) sein scheufsliches
Schmutztragendes ist Erde und sein Hörbares ist Äther;
56. von Krankheit und Leid ist er erfüllt, von den fünf
Strompforten [den fünf Sinnen] umgeben, (nr»8.) aus den fünf
Elementen zusammengeflochten, mit neun Toren, von zwei
Göttern [der höchsten und der individuellen Seele] bewohnt,
57. unsauber, unansehnlich, dreigunahaft, dreigrundstoff-
haft [Schleim, (lalle, Wind], (ii5y.) berührungssüchtig und voll
Torheit, — das ist der Leib, das ist gewifs.
58. Überall in dieser Welt schwer zu behandeln und die
Intelligenz fsattvam) als Stütze habend, (lico.) rollt der Leib
in dieser Welt auf dem Wagen der Zeit dahin.
59. Diesen furchtbaren, unergründlichen, grofsen Ozean,
der da heifst Verblendung, (1101.) soll man abtun, soll man
vernichten und die unsterbliche. Welt in sich zum Erwachen
bringen (vgl. unten, Vers 124:1).
60. Begierde, Zorn, Furcht, Habsucht, Tücke und Un-
wahrheit, (1162.) diese alle wirft er durch Unterwerfung der
Sinnesorgane ab, obgleich sie schwer abzuwerfen sind.
61. Wer diese, die Dreigunahaften, Fünfelementhaften in
der Welt überwunden hat, < 1 ig3.) dessen Stätte ist im Himmel,
dem wird Unendlichkeit zuteil.
62. Ihn, der die fünf Sinne als grofse Ufer, der den
Drang des Manas als mächtige Strömung hat, niß-u den Flufs,
der sich zum See der Verblendung ausbreitet, soll man
durchschwimmen und beides überwinden, die Begierde und
den Zorn.
63. Dann schaut man, befreit von allen Gebrechen, jenes
Höchste, (1165.) sein Manas in seinem Manas einschliefsend
und das Selbst in seinem Selbste schauend.
64. In allen Wesen allwissend, findet er in seinem Selbste
das Selbst, (1106.) indem er sich in eines oder in viele wandelt,
bald hier, bald dort.
65. Dann durchschaut er völlig die tiestalten, so wie
man mit einer Fackel hundert Fackeln entzündet, nn;7 ) dann
ist er Vishnu und Mitra, Varuna, Agni und Prajapati;
66. dann ist er Schöpfer und Ordner, der Herr, der All-
Digitized by Google
96Ci
IV. Anugltä.
gegenwärtige, (lies.) dann wird er als das Herz aller Krea-
turen, als der grofse Atman erstrahlen;
(37. (U69.) dann werden ihm Brahmanenscharen, Götter,
Dämonen, Halbgötter, Unholde, Manen und Vögel, Ko-
boldscharen, Gespensterscharen und alle grofsen Weisen
für und für lobsingen.
So lautet in der AnugltA der slobenundswanzigst« AdhyAya.
A dli y Aya 43 (B. 43).
Vers 1170-1211 (B. 1-42).
Der Gott Brahman sprach:
1. (li'o.) Der mittlere Guna [Kajas] ist vertreten unter
den Menschen als der Räjanya, der Kshatriya, unter den Zug-
tieren als der Elefant, unter den Waldbewohnern als der Löwe,
2. (lni.) unter allen Haustieren als das Schaf, unter den
Höhlenbewohnern als die Schlange, unter den Kühen als der
Stier, unter den Weibern als der Mann.
;>. (1172.) Der Nyagrodhabaum, der Jambubaum, der Pip-
pala, der (."älmali, der (^incapäbaum und der Meshacringa,
sowie die Rohre und Schilfe,
4. (ins.) diese sind die Könige unter den Bäumen, daran
ist kein Zweifel. Der Himälaya, der Päriyätra, der Sahya,
der Vindhya und der Trikütavan,
5. (1174.) der £veta, der Nila, der Rhäsa und der Berg
Koshthavan, der Guruskandha, der Mahendra und der Berg
Mälyavan,
6. (ins.) diese sind die Könige unter den Bergen; ebenso
sind es die Maruts* unter den Götterscharen, die Sonne ist
der Fürst unter den Planeten, der Mond unter den Sternen;
7. (1176.) Yama ist der Fürst unter den Abgeschiedenen,
der Ozean unter den Flüssen; Varuna gilt als König der
Wasser, Indra als König der Winde.
8. (1177.) Die Sonne ist der Fürst unter den Glutkörpern,
der Mond unter den Himmelslichtern, das Feuer ist für immer
der Herr der Elemente, Brihaspati der Brahmanen,
Digitized by Google
Adhyaya Vi (11. 13).
967
9. (1178.) Sorna ist der Herr der Pflanzen, Vishnu der
Oberste unter den Starken, Tvashtar (der Bildner) ist der
Oberherr der Gestalten, der Beherrscher der Tiere ist (,'iva;
10. (iny.) höher als die Weihen steht «las Opfer, höher
als die Götter Maghavan (Indra); an der Spitze der Himmels-
gegenden steht die nördliche, an der der Brahmanen der
mächtige König Sorna.
11. (iiso) Kubera ist der Herr aller Schatze, Purandara
t Indra) aller Gottheiten; diese Schöpfung ist der Oberherr
über die Kiemente und Prajäpati über die Geschöpfe.
12. (ii8i.) Aber der Oberherr aller Wesen bin ich, der
aus Brahman bestehende Grofse, und es gibt kein höheres
Wesen als mich oder auch als Vishnu |der mit mir identisch ist].
V\. (ii8i) Der Oberkönig aller Könige ist Vishnu, der
aus Brahman bestehende Grofse; erkennet seine Gottherrlich-
keit, erkennet ihn als den Schöpfer, den l nerschaftenen,
als Hari.
14. (ns:>) ("her Menschen, Kinnara's. Yaksha's, Gan-
dharva s, Schlangen, Rakshas, Götter, Dänava's, Xaga's, über
diese alle ist er der Herr.
1T>. (1184.) Aber über alle, denen die Verehrer der Ge-
schlechtslust nachstellen, ist Herrin die schönaugige Mahe-
cvari, Mahadevi, denn sie ist es. welche Parvati genannt wird.
B>. (lis.v) Sie. die Göttin l'ma. die Schöne, ist die höchste
unter den Frauen, das sollt ihr wissen, aber unter den [übri-
gen | Weibern sind e< die an Schützen der Liebesfreuden
reichen Apsaras.
17. (HH6.) Könige sind Freunde des Rechts, alier die
Brücke des Rechts sind die [den Veda lehrenden Hrnhmnncn|;
darum soll der König bemüht sein, die Brahmanen zu be-
schützen.
LS. (Iis:.) Denn Könige, in deren Reich die Guten Not
leiden, gehen aller ihrer Vorzüge verlustig und geraten na< h
dem Tode auf Abwege.
19. uistO Aber Könige, in deren Reich die Guten Schutz
linden, haben Freude in dieser Welt und geniel'sen nach dem
Tode Glückseligkeit.
20. (iis«.> Das ist es, was die Hochherzigen erlangen.
Digitized by Google
IV. Anugttfr.
das sollt ihr wissen, o Beste der Brahmanen. Weiter will
ich verkündigen, welches das bestimmte Merkmal der Ge-
rechtigkeit ist.
21. (liöo.) Nichtschädigung ist die höchste Gerechtigkeit ;
Schädigung ist das Merkmal der Ungerechtigkeit. Das Merk-
mal der Götter ist das Licht, das Merkmal der Menschen
das Werk.
22. (ii9i.) Der Äther hat als Merkmal den Ton, der Wind
als Merkmal das Gefühl; das Merkmal der Lichtelemente ist
die Sichtbarkeit; das Wasser hat als Merkmal den Geschmack.
23. (U92.) Die Trägerin aller Wesen, die Erde, hat als
Merkmal den Geruch; die aus Vokalen und Konsonanten sich
gestaltende Bhärati (Rede) hat als Merkmal den Schall.
24. (ii93.) Das Merkmal des Manas ist die Wahrnehmung,
die Wahrnehmung hat die Erkenntnis als Merkmal; und die
durch das Manas wahrgenommenen Objekte werden determi-
niert durch die Buddhi;
25. (ii94.) denn für die Buddhi ist charakteristisch das
Determinieren, so dafs kein Zweifel mehr bleibt. Meditieren
ist ein Merkmal des Manas. Im übrigen ist es das Merkmal
eines guten Menschen, im Verborgenen zu leben.
2<>. (U95.) Das Merkmal des Yoga ist Tätigkeit [Pränä-
yama usw.]; die Erkenntnis ist das Merkmal der Entsagung;
darum soll der Weise die Erkenntnis ins Auge fassen und
sodann entsagen.
27. (1196.) Der mit Erkenntnis ausgerüstete Entsagende
erlangt das höchste Ziel; die Gegensätze überschreitend, er-
langt er es, indem er Finsternis, Tod und Alter hinter sich läfst.
28. (U97.) Was mit der Charakteristik der Gerechtigkeit
zusammenhängt, habe ich euch nach der Vorschrift mitgeteilt
Weiterhin werde ich vollständig darlegen, wie die Eigen-
schaften [der Elemente] perzipiert werden.
2t*. (U98.) W as zunächst den der Erde angehörigen Ge-
ruch betrifft, so wird er perzipiert durch die Nase, und der
in der Nase wohnende Windgott wird zur Erkenntnis des
Geruches verwendet.
30. (ii99.) Die Essenz des W r assers ist immer der Ge-
schmack, er wird perzipiert durch die Zunge, und der in der
Digitized by Google
Adhyaya 43 (Ii. 4.i>.
Zunge wohnend«? Sorna (Mondgott) wird zur Erkenntnis des
Geschmackes verwendet.
31. (laut).) Die Qualität des Lichtes ist die Sichtbarkeit;
sie wird perzipiert durch das Auge, und der allezeit im Auge
wohnende Sonnengott wird zur Erkenntnis der Sichtbarkeit
verwendet.
32. (1201.) Dem Winde ist allezeit angehörig das Gefühl,
und es wird perzipiert durch die Haut, und der allezeit in
der Haut wohnende Windgott wird beim Fühlen verwendet.
33. (1202.) Die Qualität des Äthers ist jene bekannte und
wird perzipiert durch das Ohr, und die Gottheiten der Himmels-
gegenden, welche sämtlich im Ohre wohnen, werden genannt
als helfend bei der Erkenntnis des Tones.
34. (120:1.) Die Qualität des Manas ist die Wahrnehmung,
und sie wird perzipiert durch das Uewufstsein, und die im
Herzen wohnende geistige Essenz wird verwendet bei der Er-
kenntnis des Manas.
3f>. (1201.) Die Huddhi wird an dem Determinieren [er-
kannt] und der Mahän am Erkennen; durch ihr determinieren-
des Perzipieren wird das l ndeutliche zum Deutlichen, so dafs
kein Zweifel bleibt.
3»>. U20&.) Ohne Merkmal wird perzipiert der beständige,
seiner Natur nach gunalose Kshetrajna {das Subjekt des Er-
kennens); darum ist der Kshetrajna ohne Merkmal und hat
als Kennzeichen nur das Bewufstsein.
37. (1206.) Das Avyaktam (die Prakriti) wird als Kshetram
[Wohnsitz des Kshetrajna] bezeichnet und als das, aus wel-
chem die Guna's hervortreten und worein sie wieder zurüc k-
gehen; wenn ich mich in dasselbe aufgelöst haben werde,
dann werde ich es beständig sehen, hören und erkennen.
35. (i2»>7.) Dieses [Kshetram | erkennt der Purusha, darum
wird er Kshetrajna genannt; und auch die Entwicklung der
Guna's, wie sie vor sich geht, schaut der Kshetrajna voll-
ständig.
31». U20*.) Anfang, Mitte, Niedergang und Ende erfährt
das I ngeistige, indem es geschaffen wird; die Guna's können
den Atman nicht erkennen, obgleich sie immer wieder und
wieder geschaffen werden.
Digitized by Google
970
IV. Anngltik.
40. (1209.) Keiner findet die Wahrheit, sondern der Kshe-
trajfia ist es, der sie findet, sie, die Grofse, Allerhöchste,
welche über Guna's und Gunaprodukte erhaben ist.
41. (i2io.) Darum soll der des Rechten Kundige die Guna's
und sogar das Sattvam hinter sich lassen und frei von Sünde
und über die Guna's erhaben in den Kshetrajfia eingehen.
42. flau.) Frei von den Gegensätzen, vom Verehren und
vom Svähä-rufen, wird er zum unerschütterlichen, heimat-
losen Kshetrajfia, welcher der höchste Herr ist.
8o Uutet in der AnutfltA der »chtuiid/.«ranzig«tc Adby&ya.
Adhyftya 44 (B. 44).
Vers 1212-1233 (B. 1-22).
Der Gott Brahman sprach:
1. (1212.) Was Anfang, Mitte und Ende hat und ein Mittel
besitzt, durch das es perzipiert wird, und was auch mit dem
Merkmal eines Namens verbunden ist, das alles will ich der
Wahrheit gemäfs erklären.
2. (1213.) Der Tag ist der Anfang, und ihm folgt die
Nacht. Die Monate haben die helle Monatshälfte als Anfang.
Die Sternbilder beginnen mit dem Sternbilde Qravanä (Aquila),
die Jahreszeiten mit dem (,'icira (der kalten Jahreszeit, Mitte
Januar bis Mitte März].
3. (i2ii.) Die Erde ist der Ursprung (Anfang) der Ge-
rüche, das Wasser der Geschmäcke, das Licht, die Sonne,
der Gestalten, der Wind der Gefühle,
4. (121-..) und der Äther ist der Ursprung des Tones. Das
ist die Qualität, wie sie von jedem Element hervorgebracht
wird. — Weiter will ich den letzten Ursprung der Wesen
erklären.
5. (i2i«5.) Die Sonne ist der Ursprung der Lichter, das
Feuer (die Wärme) der Ursprung der Wesen, die Sävitri [die
Sonnenstrophe, Rigveda 3,62,10] aller Wissenschaften, Prajä-
pati aller Götter.
6. (1217.) Der heilige Laut Om ist der Ursprung aller
Digitized by Google
AdhyAya 44 (B. 44).
971
Veden, der Aushauch aller Worte; alles was in dieser Welt
vedisches tiebot ist, wird unter dem Worte Savitri befafst.
7. n »i«) Die Gayatri ist der Anfang der Versmafse, die
Schöpfung der Anfang der Geschöpfe; die Kühe sind der An-
fang der Vierfüfsler, die lirahmanen der Mensehen.
s. (lsiii.i Der Adler ist der erste unter den Vögeln, das
Opfer die höchste unter den Verehrungen, das edelste unter
allen kriechenden Tieren ist die Sehlange, o Beste der
Hrahmanen.
!>. n*3o.) Das erste aller Weltalter ist ohne Zweifel das
Kritam, unter allen Kleinodien steht das Gold, unter allen
Pflanzen die Gerste am höchsten.
10. l'nter allein Ffsbaren und Geniefsbaren gilt als
Höchstes die [Reis-] Speise, und unter allem Flüssigen und
Trinkbaren das Heste ist das Wasser.
11. tiT-i \ ) Aber unter allen pflanzlichen W esen ohne Aus-
nahme steht obenan der Plnksha (Feigenbaum! als ewig ge-
heiligter Wohnsitz des Hrahman.
\'J. a.»M> Ich überrage alle Prajapati's (Schöpfer) ohne
Zweifel, mich aber Vishnu: als der l'nansdenkbarc. Durch-
stehselbstseiende wird er gefriert.
Y.\. d."ii ) Von allen Hergen gilt der grolle Meru als Frst-
geborener, über Himmelsgegenden und Zwi«hongcgendcn er-
haben steht als eiste die östliche HimmeNgegend da.
14. iiäi Ebenso gilt die auf drei W iegen [Himmel. Frde
und Intcrwclt] llicf>endc Ganga als die Erstgeborene unter
deu Flüssen, aber unter allen tiewii<-ern und \\ as>»'rbehii!tern
als Erstgeborener gilt der O/ran.
l.\ (i?j.t.i l'nter Göttern. Dämonen, tiei-t-rn, Kobolden,
Schlangen, l'nholden, Menschen. Halhmen»chen and Halb-
göttern ist tevara |</iva| der Höchste.
l»*i. t\j-:i ) Aber der l'rsprung der ganzen W «-1t i-t Whnu,
der aus P.ralnmm bestehende Grotte; höher als er i*t kein
Wesen in dieser ganzen dreifach» n Welt.
17. i\Tix) l'nter allen l.eben-stndien steht ohne Zweifel
der Stand de-* Hausvaters obenan; der 1 rsprung der Wehm
und ebenso das Fnde von allem im »las Avyaktam il'rakntil.
15. (i i Das Fnde der Tage ist der Sonnenuntergang, das
Digitized by Google
972
IV. Anugitä.
Ende der Nacht der Sonnenaufgang; das Ende der Lust ist immer
Leid, das Ende des Leides ist immer Lust (vgl. oben, S. 1 13).
19. (1230.) Alle Anhäufungen endigen mit Vernichtung,
alle Erhebungen mit Herabstürzen; Verbindung endet mit
Trennung, das Leben mit dem Tode.
20. (1231.) Alles Entstandene endet mit Vergang, allem
Geborenen ist der Tod gewifs; nicht dauernd ist in dieser
Welt stets das Unbewegliche und das Bewegliche.
21. (1232.) Opfer, Schenken, Askese, Vedastudium , Ge-
lübde und Observanzen, alles dieses geht zu Ende, aber ein
Ende der Erkenntnis gibt es nicht.
22. (1233.) Darum soll man durch reines Erkennen sein
Selbst beruhigen, seine Sinne bezähmen; dann wird man ohne
Selbstsucht, ohne Ichbewufstsein und erlöst von allem ( bei
werden.
So Jautet iu der Anugltä der neunundswanzigtte Adby&ya.
Adhyftva 45 (B. 45).
Vers 1234-1258 (B. 1-25).
Der Gott BrahmÄn sprach:
1. (1234.) Die Buddhi ist sein Kernstück, das Manas ist
sein Speichenwerk, die Schar der Sinnesorgane ist sein Rad-
kranz, die grofsen Elemente sind seine Felgen [die Schulter-
stücke des Radkranzes], die Gründung des Haushaltes ist
sein Reifen;
2. (1235.) mit Alter und Kummer ist es behaftet, in Krank-
heit und Leidenschaft sein Dasein fristend, in Raum und Zeit
hinrollend, von Ermüdung und Anstrengung knarrend:
3. (1236.) Tag und Nacht umstäuben es, Kälte und Hitze
umkreisen es, die Zustände von Lust und Leid umschlingen
es, Hunger und Durst umnageln es;
4. (1237.) durch Schatten und Glut zerkratzt, im Schliefsen
und Öffnen der Augen erzitternd, von dem furchtbaren Wasser
der Verblendung bespritzt, rollt es dahin ohne Bewufstsein.
5. (1238.) Monate und Halbmonate zählen seine Um-
drehungen, so rollt es holpernd durch die Welt, aufgehalten
Digitized by Google
Adhyaya 4o iB. 4. r >).
durch den Schlamm des Tamas, fortget riehen durch den
Drang des Rajas;
6. (1239.) vom grofsen Ahankära in Glut versetzt, von den
üuna's in Drehung erhalten, erleidet es den Widerstand
hemmender Unlust und rollt hin in krampfendem Schmerze;
7. (1240.) an Tätigkeit und Ursache gekettet, von Leiden-
schaften aufgehalten, lang hinrollend, von Begierde und Hab-
sucht geschüttelt, in mannigfachem Nichtwissen sein Dasein
fristend,
8. (12U.) von Furcht und Verblendung umhüllt, bewirkt
es Verwirrung der Wesen, bewegt sich durch Lüste und
Freuden, verstrickt sich in Begierde und Zorn;
9. (1242.) das ist das vom Mahan bis zu den Vicesha s
(spezifische Qualitäten) sich erstreckende, unaufhaltsame,
ewig neu entstehende, wie die Wünsche schnell und von den
Wünschen gehätschelt dahinrollende Rad der Zeit.
10. (124:;.) Dieses an die Gegensätze gebundene und des
Geistigen ermangelnde Rad der Zeit soll man abtun, soll
man vernichten und die unsterbliche Welt in sich zum Er-
wachen bringen (vgl. oben. Vers 1101).
1 1. (1244.) Wer sich die Bewegung und den Stillstand
des Rades der Zeit der Wahrheit gemäfs immerfort zum Be-
wufstsein bringt, der Mann bleibt unter den Wesen ohne
Verblendung.
12. (1245.) Befreit von allen Kinprägungen (smnskaru), er-
löst von allen Gegensätzen, befreit von allen Übeln, erlangt
er das höchste Ziel.
13. (1246.) Der Hausvater, der Brahmanschüler, der Wald-
einsiedler und der Bettler [d. h. der Sannyäsin], das sind die
vier Lebensstadien; sie alle haben ihre Wurzel im Stadium
des Hausvaters.
14. (1247.) Alle heiligen Lehren, welche in dieser Welt
anbefohlen werden, diese zu Ende durchzurühren ist das Beste,
ihre Anbefehlung ist eine ewige.
15. (i24s.) Durch Weihen zuerst zubereitet und das Ge-
lübde gehörig befolgend, möge der Wahrheitswisser in einem
durch Tugend ausgezeichneten Lebenslaufe verharren.
Digitized by Google
974
IV. Aaugttä.
16. (124» ) Mit der eigenen Gattin sich immer begnügend,
den Wandel der Guten führend und seine Sinne bezähmend,
soll er hienieden die fünf grofsen Opfer [für die Götter. Rislns,
Manen, Menschen und Tiere] im Glauben darbringen,
17. (12"j0.) essend, was Götter und Gäste übriglassen, an
den Vedawerken sich erfreuend und Opfer und Spenden übend
nach Kraft und mit Lust.
18. (iäöi.) Nicht hastig mit Händen und Füfsen, nicht
hastig mit den Augen ist der Muni, noch auch hastig mit
Rede und Gliedern, so ist der Kreis, in dem sich der Gute
bewegt.
19. (1252.) Immer trage er die heilige Opferschnur und
ein weifses Kleid mit reinem Gelübde, beständig in Bezähmung
und Geben, weile er immer in Gesellschaft der Guten.
20. (1253.) Geschlechtsglied und Bauch im Zaume haltend,
freundlich und den Wandel der Guten befolgend, trage er
den Bambusstab und den Wasserkrug.
21. (1254.) Studieren und Lehren betreibe er, sowie das
Opfern für sich und andere, das Geben und das Nehmen,
diese sechsfache Tätigkeit soll er üben.
22. (1255.) Drei Tätigkeiten, das soll man wissen, dienen
zu der Brahmanen Lebensunterhalt: das Opfern für andere
und das Lehren, diese beiden und das Annehmen der Gaben
von einem, der rein ist.
23. (1256.) Forner was die übrigen drei Werke betrifft,
nämlich Geben, Studieren und Opfern, so liegen ihm diese
als Pflicht ob.
24. (1257.) In diesen drei Werken soll der Pflichtkundige
behutsam sich üben; bezähmt, freundlich, geduldig und bei
allen Wesen gleichmütig soll der Muni sein.
25. (1258.) Wenn der Brahmane alles dieses nach Kräften
und in reiner Absicht ausübt, dann wird er als ein diesem
hingegebener und sein Gelübde scharf ausübender Hausvater
den Himmel erwerben.
So lautet in der Anugita der drelfsfgate Adhyaya.
Digitized by Google
Adliyäyu !»"> <B. 4ß).
AdliyAya 4« (B. H>).
Vers 12f>t>-I31»i iH. 1 -.'»*).
Der Gott Hrahmäu sprach:
1. fr-»:»;*.) Wenn er so auf «lern vorher beschriebenen Wege
der Vorschrift gemäfs nach Kräften studiert und ebenso die
Keuschheit beobachtet hat,
2. (i26o.) an seiner Pflicht sich erfreuend, weise, alle Sinne
bezähmend, schweigsam, hingegeben dem, was dem Lehrer
lieb und nützlich ist, Wahrheit und Recht als das Höchste
schätzend und rein,
3. (12 i.) möge er mit Erlaubnis des Lehrers die Nahrung
zu sich nehmen, ohne sie zu tadeln, von Opfergaben und Er-
betteltem sich nährend, stehend, sitzend und wandelnd [wie
es der Lehrer befiehlt],
4. (126:;.) zweimal am Tage im Feuer opfernd, sich rein
haltend und gesammelt. Er möge allezeit den Stab aus Bilva-
holz oder Paläcaholz tragen.
i). (12<;:5.) Aus Leinwand, Baumwolle oder aus einem Anti-
lopenfelle gefertigt, ganz gelblich oder rot oder wie es sonst
der Zwiegcborene trägt, sei das Gewand.
t). (I2<;i ) Sein Gürtel sei aus Munjagras, er trage die
Haarflechte und habe immer Wasser zur Hand; mit der Opfer-
schnur sei er umgürtet, dem Studium ergeben, nicht begehr-
lich, treu in seinem Gelübde.
7. djr.r, > Allezeit mit reinem Wasser Erfreuung der Gott-
heiten bewirkend und in seinem Charakter beständig, so ist
der Brahmacärin des Lobes würdig.
X. 02<r, j In derselben Weise hingegeben, erobert die
Himmelswelten der seine Sinne überwunden habende Wald-
einsiedler (r<\u<ipnistha)\ er wandert nicht mehr um in Wieder-
geburten, nachdem er die höchste Stätte errungen hat.
!*. U2<;7.) Geheiligt durch alle Sakramente und ebenso [wie
der Brahmanschüler] Keuschheit beobachtend, möge er das
Dorf verlassen und im Walde als Einsiedler heimatlos wohnen.
10. (i2»,8.) Sich kleidend in Tierfelle oder Gewänder aus
Baumbast, möge er abends und morgens die Waschungen
Digitized by Google
976
IV. Auugitu.
vollziehen, für immer im Walde seinen Aufenthalt nehmen
und das Dorf nicht mehr betreten.
11. (isey.) Die Gäste zur Essenszeit ehrend, gewähre er
ihnen auch Unterkunft, während er selbst sich mit Früchten,
abgefallenen Blättern, Wurzeln und Hirse behilft.
12. (1270.) Er halte sich an das vorhandene Wasser, den
Wind und alles, was im Walde vorkommt, und geniefse es
eins nach dem andern, seiner Weihe entsprechend und ohne
es müde zu werden.
13. (i27i.) Mit Wurzeln, Früchten und Erbetteltem möge
er den Gast ehren, der ihn besucht; was er zu essen hat.
das Erbettelte, davon gebe er mit, allezeit unermüdlich.
14. (1272.) Er esse allezeit erst nach den Göttern und den
Gästen, indem er das Reden unterdrückt, wenig essend, doch
ohne darein seinen Ehrgeiz zu setzen, auf die Götter ver-
trauend.
15. (1273.) Bezähmt, wohlwollend, geduldig, Haare und
Bart wachsen lassend, opfernd und fleifsig im Studieren,
Wahrheit und Gerechtigkeit vor allem schätzend,
16. (1274.) rein am Leibe und allezeit wacker, beständig
im Walde lebend, gesammelten Geistes, — diesem sich hin-
gebend, wird der Waldeinsiedler seine Sinne überwinden und
den Himmel erwerben.
17. (1275.) Als Hausvater und als Brahmanschüler oder
auch als Waldeinsiedler möge, wer die Erlösung zu erlangen
wünscht, der vollkommensten Lebensweise sich befleifsigen.
18. (1276.) Allen Wesen Furchtlosigkeit gewährend, möge
er in Untätigkeit verharren, an allen Wesen sich freuend,
wohlwollend, alle Sinne bezähmend und schweigsam.
19. (1277.) Unerbetenes, Unbereitetes, wie es sich gerade
trifft, erlangt er, Almosen sammelnd, indem er dies des Vor-
mittags tut, bei Leuten, wo es nicht mehr raucht und die
schon gegessen haben.
20. (1278.) Erst nachdem die Teller aufgeräumt sind, soll
der Erlösungskundige um Almosen bitten; er soll sich nicht
freuen, wenn er es erhält, und nicht ungehalten sein, wenn
er nichts erhält. [Der folgende Halbvers nur in B.] Er soll
Digitized by Google
Adhyäya W (H. 4»',).
977
nicht im Übermafs Almosen Ibrdern, da er nur sein Leben
erhalten will.
21. (i27u.) Um sein Leben zu erhalten, soll er mit ruhigem
Gemüte betteln, indem er die Zeit abwartet. Er soll nicht
mit anderen zusammen betteln und er soll nicht essen unter
Ehrenbezeigungen.
22. (1280.) Denn als Bettler soll er es vermeiden, Ehren-
bezeigungen zu empfangen. Wenn die genossenen Speisen
bitter oder herb oder scharf schmecken,
23. (i28i.) so soll er den Geschmack nicht beachten, wenn
er ifst, und ebensowenig den süfsen Geschmack. Nur soviel,
um zu leben, soll er essen, nicht mehr als hinreicht, das
Leben zu unterhalten.
24. (1282.) Ohne andere Wesen zu beeinträchtigen, soll
der Erlösungskundige nach seinem Lebensunterhalt streben.
Auch soll er, wenn er bettelt, niemals andere [lies: anyad]
Speise fordern [als die, welche man ihm gibt].
25. (1283.) Er soll sich nicht mit seiner Frömmigkeit
brüsten, sondern ohne Leidenschaft in der Einsamkeit wan-
dern; eine leere Behausung, einen Wald, die Wurzel eines
Baumes oder einen Flufs
2k\. (12X4.) soll er als Obdach aufsuchen oder auch eine
Berghöhle. Im Sommer soll er nur eine Nacht durch Be-
sucher eines Dorfes sein, aber während der Regenzeit mag
er an demselben Orte verbleiben.
27. (1285.) Sein Weg wird ihm durch die Sonne gezeigt.
Die Erde soll er durchschweifen wie ein Insekt. Zur Schonung
der Wesen soll er, auf die Erde blickend, wandern.
28. (1286.) Er soll keine Vorräte ansammeln und keine
Lieblingsorte haben ; sondern mit reinem Wasser soll er, der
Erlösungskundige, allezeit die Pflicht ausüben.
29. (1287.) Waschen soll sich der Mensch stets mit frisch-
geschöpftem Wasser: Nichtschädigung, Keuschheit, Wahr-
haftigkeit, Geradheit,
:J0. (12H8.) Zornfreiheit, Nichtmurren, Bezähmung allezeit
und Nichthinterbringen, diesen acht Gelübden soll er immer
treu bleiben, seine Sinne bezähmend.
31. da«».) Immer soll er ein nicht boshafte*, nicht tückisches,
Dri MKW, M»UAbhArH*m. ( -J
Digitized by Google
978
IV. Anugitft.
nicht krumme Wege gehendes Betragen einhalten; als Nah-
rung soll er sich den dargebotenen Imbifs schmecken lassen
ohne Neid.
32. (im.) Nur um sich zu erhalten, soll er essen, und
nur soviel, wie zu seinem Lebensunterhalte dient; so möge
er sich nähren von dem rechtmäfsig Empfangenen und nicht
seinen Lüsten nachhängen.
33. (1291.) Was über Ernährung und Bedeckung hinaus-
reicht, das soll er unter keinen Umständen annehmen ; soviel,
als er zur Nahrung bedarf, mag er annehmen, und nicht mehr.
34. (1292.) Für andere soll er nichts annehmen, noch auch
ihnen etwas mitgeben, nur dafs er als verständiger Mann
immer abgibt, wo er ein Wesen im Elend sieht.
35. (1293.) Er soll nicht nehmen, was anderen gehört, noch
auch zugreifen, ohne aufgefordert zu sein; in keinem Falle
darf er, wenn er etwas genossen hat, wiederum danach Ver-
langen tragen.
3t>. (1294.) Erde und Wasser (äpas als Acc), Nahrungs-
mittel, Blätter, Blumen und Früchte mag er nehmen, soweit
sie nicht eingezäunt sind und frei wachsen, wenn er sie
braucht.
37. (1296.) Er soll nicht von einem Kunstgewerbe leben,
noch auch nach Gold trachten; er soll nicht hassen und seine
Belehrung nicht aufdrängen, sondern ohne Zuriistung leben.
38. (1296.) Er soll essen, was kraft seines Glaubens ge-
reinigt ist, soll Zeichendeutungen meiden, wohlgemut leben,
ohne an etwas zu hängen und ohne sich bemerkbar zu machen,
bei wem es auch sei.
39. (1297.) Alles, was mit Wünschen verbunden ist, und
alles, was mit Schädigungen verbunden ist, sowie alle Ver-
anstaltungen, die Menschen zu regieren, soll er nicht be-
treiben, noch auch betreiben lassen.
40. (1298.) Sich allen Verhältnissen enthebend, soll er
leichtgeschürzt umherschweifen, gleichmütig gegenüber allen
Wesen, den unbeweglichen wie den beweglichen.
41. (1299.) Er soll keinen andern erzittern machen und
auch vor keinem erzittern, allen Wesen Vertrauen einflöfsend,
dann wird er ein höchster Kenner der Erlösung genannt.
Digitized by Google
Adhy&ya 4»l (B.
979
42. ii*iü.) Für die Zukunft soll er nicht sorgen, über das
Vergangene nicht grübeln und das Gegenwärtige nicht achten,
unbekümmert um die Zeit und ruhigen Gemüts.
43. (i3oi.) Nicht mit Blicken, nicht mit Gedanken, nicht
mit Worten soll er irgendwo verletzen, nicht offen und nicht
heimlich soll er irgend etwas tun, was verletzen könnte.
44. (1302.) Die Sinnesorgane von überallher in sich herein-
ziehend, wie die Schildkröte ihre Glieder, die Sinne, das Manas
und die Buddhi vernichtet habend, verharrt ohne Streben der
aller Wesenheit Kundige.
45. (I3(u) Frei von Gegensätzen, von Verehrungen und
von Heilsrufen, selbstlos, ohne Ichbewufstsein , ohne Erwerb
und Besitz, des Atman teilhaft,
4t>. (I.H04.) ohne Wünsche, ohne Qualitäten, beruhigt, ohne
Anhänglichkeit und ohne Abhängigkeit, an den Atman sich
haltend und die Wesenheit erkennend, wird er erlöst, daran
ist kein Zweifel.
47. (i3o;..) Jenes, welches ohne Füfse, Hände und Rücken,
ohne Kopf und ohne Bauch ist, Ihn, der frei von Qualitäten
und Werken, absolut, fleckenlos und beständig ist,
48. (130*;.) jenes, welches ohne Geruch, Geschmack und
Gefühl, ohne Gestalt und Ton ist, jenes Nachfolge Verdienende,
Nichtanhängende und Fleischlose,
49. (1307.) das Sorgenfreie, Unvergängliche, Himmlische,
überall Heimische, den in allen Wesen wohnenden Atman, —
wer diesen sieht, der ist unsterblich.
50. (1308.) Zu ihm dringen nicht die Buddhi, nicht die
Sinne, nicht die Gottheiten, nicht Veden, Opfer und Welten,
nicht Askese, noch auch Gelübde,
51. (i.w9.) zu ihm, dessen nicht durch Merkmale ergreif-
bare Erlangung den Wissenden vorbehalten blieb; darum wird
nur der, welcher seine merkmallose Beschaffenheit kennt, das
AVesen seiner Beschaffenheit erreichen.
52. (1310.) Hingegeben der häuslichen Pflicht, soll der
Weise einen Wandel des Wissens beobachten; nicht töricht
wandle er dahin, als wäre er töricht, doch ohne seiner Pflicht
Unehre zu machen.
53. (Uli.) Selbst auf die Gefahr hin, dafs die anderen
«2*
Digitized by Google
9H<>
IV. AnugltA.
ihn beständig verachten, wandle er in dieser Weise ruhig
dahin, doch ohne die Satzung der Guten zu tadeln.
54. (1312.) Wer diesen Wandel sich angeeignet hat, der
wird ein vollkommener Muni genannt, wenn er dabei Sinne
und Sinnendinge sowie die fünf grofsen Elemente
55. (1313.) nebst Manas, Buddhi [lies: buddkim], Ahankära,
Avyaktam und Purusha, dieses alles, wie es sich gehört, durch-
zählt, weil ihm die Prinzipien zur Gewifsheit geworden sind.
56. (13H.) Alsdann erlangt er den Himmel, erlöst von allen
Banden. Indem er, der Prinzipienkundige, dieselben in dem
genannten Umfange durchzählt, möge er sie, wenn das
Ende naht,
57. (1315.) meditieren, feststehend tn dem einen Ziele;
dann wird er erlöst, keiner Stützen mehr bedürftig, frei von
allem, was ihm anhing, wie der Wind in dem Welträume,
5*. (1316.) und frei von Hüllen (fcofa, cf. Taitt. Up. 2) und
ohne Bedrängnis, erlangt er sodann jenes Höchste.
So lautet in der AnugltA der einunddreifaigete AdhyAy*.
Adhyftya 47 (B. 47).
Vers 1317-1333 (B. 1-17).
Der Gott Brahman sprach:
1. (1317.) Als Askese haben bezeichnet die Entsagung die
Alten, deren Aussagen Gewifsheit sind; und die Brahmanen,
die im Schofse des Brahman weilen, wissen, dafs die Er-
kenntnis als höchstes Ziel das Brahman hat.
2. (1318.) Überaus entfernt nach seinem Wesen ist das
Brahman ; es beruht auf dem Wissen des Veda ; ohne Gegen-
sätze ist es und ohne Eigenschaften, ewig, von unausdenk-
barer Natur und das Allerhöchste.
3. (1319.) Durch die Erkenntnis und durch die Askese
schauen die Weisen jenes Höchste, sie, welche gereinigten
Geistes und geläutert, frei von Leidenschaften und flecken-
los sind.
4. (i32o.) Durch die Askese gehen den ruhigen Weg zum
Digitized by Google
1
Adhy&ya 47 (B. 47). 981
höchsten Herrn die Menschen, welche allezeit sich an der
Entsagung freuen, und die, welche des Brahman kundig sind.
5. (i32i.) Die Askese ist eine Leuchte, so sagt man« ist
der rechte Wandel, der die Pflicht erfüllt, aber die Erkenntnis
fiirwahr ist die höchste Entsagung und der Gipfel der Askese,
das soll man wissen.
»>. (132S.) Wer aber die keiner Stütze bedürfende Erkenntnis
vermöge der Gewifsheit über die Prinzipien besitzt, wer den
in allen Wesen weilenden Atman kennt, der gilt für allgegen-
wärtig.
7. (13-is.) Wer als ein Wissender das Einwohnen in den
Wesen und das Getrenntwohnen [ des Brahman J von ihnen
sieht, und ebenso seine Einheit und seine Vielfältigkeit, der
wird von Leiden erlöst.
H. (13*4.) Wer nichts mehr begehrt und nichts mehr ver-
achtet, der ist schon während er in dieser Welt weilt zur
Brahmanwerdung tauglich.
i>. (13».) Wer die Prakriti, die Gunas und die Prinzipien
kennt, wer die Prakriti in allen Wesen weifs. der ist selbst-
los, ohne Ichbewufstsein und wird erlöst, daran ist kein Zweifel.
10. (ia*;.) Ohne Gegensätze, ohne Verehrung und ohne
Svadharuf geht er ruhevoll zu dem Gunalosen, Ewigen, Gegen-
satzlosen ein.
11. (i3>.'7.) Aufgebend alles, was aus den Guna's besteht,
und das gute wie das böse Werk aufgebend . beides , das
Wahre und das Unwahre, wird der Mensch erlöst, daran ist
kein Zweifel.
12. (isisj Entspringend aus der Prakriti als Wurzel, die
Buddhi als Stamm habend, grofs, den grofseii Ahanküra als
Ast habend, die Sinnesorgane als Zweige und Höhlungen
haltend,
U\. < 13-ii» i übertrifft er, durch die grofseii Elemente mächtig
entfaltet, alle Bäume, stets voll Blätter, stets voll Blüten, gute
und schlechte Früchte hervorbringend
14. (1330 > und allen Wesen den Lebensunterhalt gewäh-
rend, — das ist der ewige Brahmanbaum. Der Weise haut
diesen Baum ab und spaltet ihn mit der Erkenntnis der Prin-
zipien als Axt;
Digitized by Google
IV. Anugita.
15. (1331.) er löst sich von den Stricken der Weltanhäng-
lichkeit, welche aus Geburt, Tod und Alter stammen, und
selbstlos und ohne Ichbewufstsein wird er erlöst, daran ist
kein Zweifel.
16. (1332.) Jene beiden ewigen Vögel [vielleicht Buddhi
und Ahankära] sind alle beide miteinander ungeistig; aber
der andere, welcher höher als diese beiden ist, der wird ge-
nannt der Geistige.
17. (1333.) Der [wegen seiner Behaftung mit den Guna's]
ungeistige innere Atman [cf. Maitr. Up. 3,2; Sechzig Upa-
nishad's, S. 323], nachdem er von der ganzen Anzahl
der Wesenheiten befreit ist, wird das über die Wesen-
heiten Erhabene inne. Er, der als Ortskenner jene ganze
Anzahl erkannte, überschreitet dann die Guna's und wird
von allem Übel erlöst.
So lautet In der AnugttA der «weiunddreirsigste Adhyaya.
Adhyftya 48 (B. 48).
Vers 1334-1347 (B. 1-13).
Der Gott Brabman sprach :
1. (1334.) Einige glauben, dafs der aus Brahman bestehende
Baum, einige, dafs der grofse Brahmanwald, einige, dafs das
Brahman und das Unentfaltete, einige, dafs das höchste Leid-
lose, (1335.) dafs alles dies aus dem Unentfalteten entstehe und
wieder vergehe.
2. Derjenige, welcher, und wäre es auch nur beim letzten
Aushauche, zur Zeit des Endes gleichmütig auf alles blickt
(1336.) und sich auf den Atman zurückzieht, der ist reif für
die Unsterblichkeit.
3. Wenn er, und wäre es nur für einen Augenblick, seinen
Atman in dem Atman befafst, (1387.) so geht er durch die Gnade
des Atman zu dem ewigen Endziele der Wissenden ein;
4. indem er dabei durch die Regelungen des Atmens die
Lebenshauche wieder und wieder bändigt, (1338.) sei es durch
zehn oder zwölf solcher Regelungen, — geht er ein in das,
was höher als das Vierundzwanzigste ist.
Digitized by Google
Adhy&ya 4* (Ii. 4M).
5. Wer auf diese Weise vorher seinen Atman zur Ruhe
gebracht hat. der erreicht alles, was er wünscht; man.) sein
Sattvam, das [übrige) l'nentfaltete überragend, ist geeignet,
ihm die Unsterblichkeit zu schaffen.
tf. Es gibt nichts anderes, was höher wäre als das Satt-
vam, als solches rühmen es hienieden die, welche es kennen ;
(i:uo > durch Folgerung erkennen wir den Purusha, der sich
auf das Sattvam stützt.
7. Nicht kann man auf andere Weise zum Purusha ge-
langen, o ihr Besten der Zwiegeborenen. (1:111.) Geduld, Festig-
keit und NichtSchädigung, Gleichmütigkeit, Wahrhaftigkeit,
Geradheit, Erkenntnis, Freigebigkeit und Entsagung, diese
gelten als die Funktionen des Sattvam.
8. (1342.) Durch eben jene Folgerung erkennen die Weisen,
dafs es ein Sattvam und einen Purusha [als verschieden]
gibt, daran ist kein Zweifel.
'J. (1343.) Einige Gelehrte, die in der Erkenntnis wohl-
bewandert sind, behaupten die Einheit des Kshetrajna [Purusha]
und des Sattvam; aber das geht nicht an:
10. (1344.) denn das Sattvam ist von jenem verschieden,
daran ist nicht zu zweifeln, und man mufs ihre gesonderte
Existenz anerkennen, sowie auch, dafs dieselbe in Wahrheit
durch Verwandtschaft verbunden ist.
11. (1345.) In dieser Weise ist ihre Einheit und Verschieden-
heit nach der Lehrmeinung der Kenner anzunehmen, wie man
ja auch zwischen der Fliege und dem Blatte des Feigenbaumes
eine Einheit und zugleich eine Verschiedenheit wahrnimmt.
12. (134«) Es ist, wie der Fisch von dem Wasser ver-
schieden ist und doch eine Verbindung zwischen beiden be-
steht, oder wie die Verbindung der Wassertropfen auf dem
Blatte der Lotosblume mit diesem.
Der Lehrer sprach:
13. ( i:*47.) Nachdem jene Brahmanen sich in dieser Weist?
mit dem t rvater der Welt besprochen hatten, gerieten die
Besten der Muni s abermals in einen Zweifel und fragten
wie folgt.
Sm Um.-! i» <[>-r Ai.'Hfitä «1«t «lrriumlilrcihnf-t«* A<lt>>.ya
Digitized by Google
984
IV. AnugitÄ.
AclhyAya 49 (B. 49).
Vera 1348-1365 (B. 1-17).
Die Kishi's sprachen:
1. (1348.) Welche von den Pflichten gilt hier wohl für
die am meisten zu befolgende? Im Widerspruch gleichsam
sehen wir den mannigfachen Weg der Pflicht.
2. (ms.) Einige behaupten, sie bestehe über den Leib
hinaus, andere sagen, dafs dem nicht so sei; einige halten
die ganze Pflicht für zweifelhaft, andere für unzweifelhaft.
3. (1350.) Sie sei unvergänglich oder sie sei vergänglich,
behaupten manche, sie sei nicht real oder sie sei real, meinen
wieder andere. Sie sei einfach oder sie sei zweifach, be-
haupten manche, und wieder einige, sie sei beides zugleich.
4. (i35i.) Und auch von Brahmanen, welche das Brahman
kennen und die Wahrheit schauen, meinen einige, sie sei ein-
fach, andere, sie sei mehrfach, und wieder andere behaupten
ihre Vielfachheit.
5. (1352.) Einige behaupten, dafs beide, Raum und Zeit,
real sind, andere leugnen es; einige tragen Haarflechten und
Ziegenfelle, andere gehen kahlköpfig und unbekleidet.
6. (1353.) Man brauche sich nicht zu baden, lehren die
einen, man müsse sich baden, die anderen, und so behaupten
auch Brahmanen (lies: eva), welche das Brahman kennen
und die Wahrheit schauen.
7. (1354.) Einige sind der Meinung, man müsse essen,
andere freuen sich am Fasten; einige empfehlen die Werke,
andere die Untätigkeit.
8. (1355.) [Einige behaupten, dafs beide, Kaum und Zeit,
real sind, andere leugnen es ; — diese Wiederholung aus Vers 5
nur in C] Einige rühmen die Erlösung, andere die Genüsse
von mancherlei Art; (i356.) einige trachten nach Reichtum,
andere nach Besitzlosigkeit; einige sind für die Befassung
mit Objekten der Verehrung (upäsyasädhanam) , andere ver-
werfen dieses.
9. (1357.) Einige halten fest an der Nichtschädigung, andere
legen den gröfsten Wert auf die Tötung [von Tieren beim
Digitized by Google
AdhyUya 4i* (B. 49).
Opfern]; einige halten auf religiöses Verdienst oder auf Ehre,
andere behaupten, dafs es nichts damit sei.
10. (1358.) Einige haben ihre Freude an der [metaphysi-
schen] Realität, andere bleiben beim Bezweifeln derselben
stehen; wieder andere lassen, die einen aus dem Leiden, die
anderen aus der Lust, die Meditation entspringen.
11. (1359.) Einige Brahmanen empfehlen das Opfern, andere
das Almosengeben, wieder andere die Askese und noch andere
das Studium.
12. (i*;<>.) Einige behaupten, dafs die wahre Wissenschaft
in der Entsagung bestehe, andere finden sie in der Natur
und grübeln nach über die Elemente; einige loben alles und
andere nicht alles.
IM. (istsi.) Da in dieser Weise die Pflicht verschieden auf-
gestellt und vielfach in abweichender Weise gelehrt wird,
su kommen wir zu keiner G»«wifsheit und sind verwirrt,
o Bester der Götter.
14. (1363.) „Dies ist das Beste!" „Nein, dies ist das Beste!"
mit solchen Behauptungen stehen sich die Leute gegenüber,
und jeder sehätzt jedesmal dasjenige als Pflicht, woran er
gerade sein Gefallen findet.
lf>. M3«.3.) Darum ist unsere Erkenntnis unsicher und
unser Denken nach vielen Richtungen getrieben, und wir
wünschen dies erklärt zu haben, was das Beste ist, o du Guter.
Iii. uia) Aber auch das Geheimnis, was noch dariil>er
hinaus besteht, sollst du, o Herr, uns erklären, nämlich durch
welche Ursache die Verbindung des Sattvam mit dem Kshe-
trnjfla (der Seele) bedingt ist.
17. (is«5.) Nachdem der Weltensehöpfer in dieser Weise
von jenen Brahmanen angeredet worden war, teilte t«s ihnen
der Pfliehthes»M»lte, Weise der Wahrheit gemüfs mit.
!».. Iiult'l in d«r Aoutfi«'» » irtuii.(ilrrtf»m»tf A.Uiji»».
Digitized by Google
IV. Anuglti.
Adliyftya 50 (B. 50).
Vem 136«~1423 (B. 1-561.
Der (iott Brahman sprach:
1. (1366.) Wohlan, ich will euch verkündigen, o ihr Besten,
wonach ihr mich fragt. Vernehmt denn, was von einem
Lehrer zu seinem Schüler, der ihm genaht war, einstmals
gesagt wurde.
2. (1367.) Vernehmt es hier vollständig und haltet durch-
aus daran fest. Nichtschädigung aller Wesen, das ist das
grofse, das höchste Gebot.
3. (i»6s.) Und dieses ist das unerschütterliche Ziel, das
Höchste, was als Pflicht bezeichnet wird: die Erkenntnis ist
das höchste Gut; so sagten die Alten, welche die Wahrheit
schauten.
4. <i3«».) Darum wird man durch reine Erkenntnis von
allen Sünden erlöst. Aber alle, welche die Tötung [beim
Opfer] hochschätzen und welche das Leben eines Nihilisten
führen, (1370.) behaftet mit Begierde und Verblendung, die
fahren zur Hölle.
5. Die aber, welche unermüdlich die mit Wünschen ver-
bundenen Opferwerke vollbringen, (i37i.) die freuen sich in
dieser Welt, in der sie immer wieder geboren werden.
6. Die aber, welche gläubig und weise die Werke so
vollbringen, (1372.) dafs sie dabei eine wünschelose Hingebung
üben, die sind verständig und sehen das Richtige.
7. Weiter nun will ich euch verkündigen, wie zwischen
dem Sattvam und dem Kshetrajfia (1373.) die Verbindung und
die Trennung erfolgt, das vernehmt, o ihr Besten.
8. Das Objekt- und das Subjektsein, das wird die Ver-
bindung genannt; (1374.) das Subjekt ist immer nur der Purusha,
und das Sattvam wird das Objekt genannt.
9. So, wie es in der obigen Weise (Vers 1345 fg.) an der
Mücke und dem Feigenblatte erläutert wurde, U375.) hat das
Sattvam als Objekt des Genusses keine Erkenntnis und ist
allezeit ohne Bewufstsein; wer aber so [mit Bewufstsein be-
gabt] ist, der erkennt sowohl den, welcher geniefst, als auch
den, welcher genossen wird.
Digitized by Google
Adhvava 50 <B. 'HM.
<<s7
10. (i:i7»i.) Das Sattvam ist allezeit mit den Gegensätzen
behaftet, so sagen die Weisen; ohne Gegensätze, ohne Teile,
ewig und seinem Wesen nach frei von Guna's ist der Kshe-
trajna.
11. (1377.) Dieser weilt überall in gleicher Weise, dem
Erkennen nachgehend, und geniefst allezeit das Sattvam, wie
ein Lotosblatt das Wasser.
12. (1378. i Obgleich er, der Weise, mit allen Guna's ver-
flochten ist, wird er doch von ihnen nicht befleckt, wie der
bewegliche Wassertropfen, der auf einem Lotosblatte sich
befindet.
i:i. (kW.) So ist auch der Purusha nicht gebunden, daran
ist kein Zweifel, und das Sattvam dient nur als substantielles
Objekt für den Purusha, das ist gewifs.
14. <i:wto Wie zwischen einem materiellen Objekt«* und
dem, der es bearbeitet, so ist die Verbindung zwischen jenen
beiden. Wie man eine Lampe nimmt und mit ihr im Dunkeln
geht, (1381.» so gehen die, welche nach dem Höchsten trach-
ten, mit dem Sattvam als Lampe.
1T>. Solange das Ol fdraryam) und d««r Docht Ojh\m) be-
stehen, solange leuchtet die Lampe; (138-.M vergehen aber Ol
un«l Docht, so geht auch das Licht verloren.
1*'>. In ähnlicher Weise ist der Guna Sattvam offenbar,
und der Purusha ist nicht offenbar: (i3s;;.i das, o Brahmanen,
sollt ihr wissen: wohlan, ich will euch noch mehr sagen.
17. Auch durch tausend [Belehrungen] gelangt der Tor
nicht zur Einsieht: r i:ih4.i auch durch den vierten Teil [einer
Belehrung] gelangt der Verständig«' zu glücklichem Gedeihen.
is. So mufs auch «Ii«' Vollbringung der Pflicht durch
das recht«- Mittel erkannt werden, (unri.) und der W eis««, welcher
dieses Mittel k*'nnt , erlangt unendliches Glück.
Ii». Wie etwa «'in Mann, der eine Reise unternimmt ohne
Wegzehrung, h:n;.) nur mit grofs»»r Beschwerde vorwärts-
kommt, ja wohl gar unterwegs zugrunde g«'ht,
2<>. so mufs man bei d«*n Handlung«'n überl«*gen, ob sie
fruchtbringend sin«! oder nicht; (13*7.1 für eine.11 Mensehen
aber ist die Einsicht in Gut««s un«l Böse* für s«'ine S«'«'l<« das
allerheilsamste.
Digitized by Google
988 IV. AnugltA.
21. Und wie einer einen weiten Weg, den er nicht vor-
her kannte, (1388.) unbedachterweise zu Fufs unternimmt, so
ist der, welcher der Einsicht in das wahre Wesen entbehrt.
22. Aber wie einer, der ebendenselben Weg mit einem
schnell dahinrollenden Wagen, (1389.) der von Pferden gezogen
wird, durchläuft, so ist die Fahrt der Verständigen.
23. Er will einen hohen Berg besteigen und beachtet
nicht die Beschaffenheit des Bodens; (1390.) siehe, wie er, auf
seinem Wagen hinauffahrend, sich abquält, der Unverständige;
24. aber jener andere fährt auf dem Wagen nur soweit
der Fahrweg reicht, (1391.) und wo die Wagenspuren auf-
hören, da verläfst er, der Weise, den Wagen und geht zu Fufs.
25. Und so wird der Weise, der die Ordnung der Prin-
zipien und des Yoga kennt, (1392.) der sie völlig durchschaut
und die Guna's versteht, von dem Hohen zu Höherm und
immer Höherm sich aufschwingen.
2t>. So wie einer sich in den furchtbaren Ozean stürzt,
ohne Schiff (1393.) und nur mit Hilfe seiner Arme, und in
seiner Verblendung unzweifelhaft dem Untergange zustrebt,
27. und wie hingegen der Weise, der den Unterschied
begreift, ein Schiff mit guten Rudern benutzt, (139*.) ohne Er-
müdung auf dem Wasser hinfährt und schnell das Meer
durchschifft,
28. aber nach seiner Durchschiffung zum jenseitigen Ufer
gelangt und dort das Schiff [seine empirische Daseinsform]
frei von Ichheit aufgibt, (1395.) das ist in der vorher be-
sprochenen Weise zu erklären wie bei dem Wagen und dem
Fufsgänger.
29. Wer aber aus Haftung [an dem Irdischen], etwa wie
der Fischer an seinem Boote, in Verblendung gerät, (1396.) der
wird vom Egoismus überwältigt und bleibt in ihm befangen.
30. Es ist ja nicht möglich, ein Schiff zu besteigen und
mit ihm auf dem festen Lande zu fahren, (1397.) und ebenso-
wenig kann man einen Wagen besteigen und mit ihm auf
dem Wasser vorwärtskommen.
31. Ebenso werden mannigfache Werke vollbracht, welche
sich bald auf diesen, bald auf jenen Gegenstand beziehen,
Digitized by Google
Adliyaya :><> (B. :>0).
989
(1308.) und wie das Werk in der Welt vollbracht worden ist,
so kommt es ihnen [den Tätern] heim.
32. Das, was als geruchlos, geschmacklos, gestaltlos,
unfühlbar und unhörbar (i3i»9 .) die Weisen durch ihre Einsicht
erkennen, das nennen sie Substanz [Pradhanam = Prakriti].
33. Hierbei ist das Unentfaltete [die Prakriti] die Sub-
stanz, und eine Modifikation fyuna) des Unentfalteten ist der
Mahan. (wno.) Ferner von dem Mahan als Substanz ist eine
Modifikation der Ahankara.
34. Aus dem Ahankara aber entspringt eine Modifikation,
welche zu den grofsen Elementen wird: mm.) nämlich als
Modifikationen der einzelnen Elemente gelten dann weiter die
Sinnendinge.
35. Hierbei dient das Unentfaltete als Same und ist seiner
Natur nach erzeugend. (1402/1 Weiter dient der Mahan Alma
als Same und ist auch erzeugt; so ist es uns überliefert.
3t». Und wiederum dient der Ahankara als Same und
auch er ist erzeugt, (uoa.) Aber auch die fünf grofsen Ele-
mente dienen als Same und sind auch erzeugt.
37. Als Same dienend sind sie [alle die vorgenannten:
Prakriti, Mahan, Ahankara, Mahabhütani] und sind zugleich
erzeugt. (uoo Die Unterschiede fricvslwh) der grofsen Ele-
mente werden an ihnen als unterscheidende Merkmale (virrsha-
rtatnj wahrgenommen. [Nämlich:]
38. Hierbei hat der Äther eine Qualität (<junaj. der Wind
zwei Qualitäten, (uos.) das Feuer drei Qualitäten, das Wasser
vier Qualitäten.
39. Fünf Qualitäten hat die Erde, welche von dem Be-
weglichen und Unbeweglichen erfüllt ist, nmc.) die Göttin,
welche alle Wesen schafft und [in ihren Lebensläufen] die
guten und bösen Werke zur Offenbarung bringt.
40. Ton, Gefühl, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch
als fünfter, (1407.) diese soll man wissen als die fünf Quali-
täten der Erde, o ihr Besten der Zwiegeborenen.
41. Der Geruch gehört immer nur der Erde an; er ist
aber von vielerlei Art; (uns.) ich will euch ausfuhrlich die
vielen Qualitäten dieses Geruches mitteilen.
42. Angenehmer und unangenehmer Geruch, süfser, saurer
Digitized by Google
990
IV. AnugUä.
und stechender , <hih».) durchdringender, stickiger, milder,
scharfer und reiner,
43. als solcher ist zehnfach anzunehmen der Geruch,
welcher der Erde angehört, mio.) Ton, Gefühl, Sichtbarkeit
und Geschmack (lies: rasa) sind die Qualitäten des Wassers;
44. die Wissenschaft vom Geschmack aber will ich mit-
teilen; der Geschmack aber ist von vielerlei Art, (un.) als
süfser, saurer, stechender, bitterer, herber und salziger;
45. in dieser Weise ist der dem Wasser angehörige Ge-
schmack von sechsfacher Verbreitung, (uia.) Ton, Gefühl
und Sichtbarkeit, diese drei Qualitäten hat das Feuer.
40. Die Eigenschaft des Feuers ist die Sichtbarkeit, die
Sichtbarkeit aber ist von vielerlei Art, (ui3.) als weifs, schwarz,
rot, blau, gelb und rötlichgelb,
47. als kurz, lang, dünn, dick, viereckig und rund.
(1414.) In dieser Weise ist die dem Feuer angehörige Sicht-
barkeit von zwölffacher Verbreitung.
48. Dies soll man erkennen, wie es von den alten, pflicht-
kundigen, wahrheitredenden Brahmanen gelehrt worden ist
(H15.) Ton und Gefühl, durch diese beiden wird der Wind als
zwei Qualitäten habend gelehrt.
4 ( J. Die Eigenschaft des Windes ist das Gefühl, das Ge-
fühl aber ist von vielerlei Art, (uis.) als rau, kalt und warm,
zart und geschmeidig,
50. als steif, schlüpfrig, glatt, schleimig, hart und weich.
(H17.) In dieser Weise ist die dem Winde angehörige Qualität
von zwölffacher Verbreitung [nur elf waren genannt] gelehrt
worden
51. der Regel gemäfs von vollkommenen, pflichtkundigen,
wahrheitschauenden Brahmanen.
52. (uis.) Der Äther hat nur eine Qualität, und als diese
gilt die des Tones; die vielen Qualitäten des Tones will ich
ausführlich mitteilen.
53. (uis.) Sie sind Tonika, Sekunde, Terz, Quart, Quinte,
ferner Sexte und Septime, (uso.) angenehmer Ton und un-
angenehmer und ein solcher, der aus Teilen zusammengesetzt
ist [ein Akkord].
54. In dieser Weise ist der aus dem Äther entspringende
Digitized by Google
Adhyaya f>0 (H. .*>()).
Ton als zehnfach zu vorstehen, (1421.) Der Äther ist das oherste
Element, üher ihm steht der Ahankara,
;Y). über dem Ahankara die Huddhi, über der Huddhi
der Atman, (1422.) über diesem das l nenttaltete, über dem
l'nentfalteten der Purusha.
iM). Wer dies«' Rangstufe der Wesen kennt und zugleich
die Reihenfolge aller ihrer Funktionen, (uss.) der wird zum
Selbste aller gewordenen Selbste und geht ein zu dem un-
vergänglichen Selbste.
So lnutot in <ler Auu^lti «1er fünf iitiddrcifsigAtc AiüijAy».
YdhvAvii 51 ( Ii. 51).
Vers 1424- 1477 <K. 1- .Vi).
l>or (iott Urahmau sprach:
1. (U2i.) So wie das Manas der Beherrscher jener fünf
Elemente ist und wie beim Vergehen und Entstehen das
Manas der Element-Ätman ist,
2. (14J5.) so ist das Manas auch allezeit der Lenker der
grofsen Elemente; die Huddhi proklamiert die Herrschaft, und
der, der sie übt, wird der Kshetrajfia genannt.
3. (ua«.) Das Manas schirrt die Sinnesorgane an, wie
gute Pferde der Wagenlenker: die Sinnesorgane, das Manas
und auch die Huddhi werden allezeit vereinigt unter der Herr-
schaft des Kshetrajfia.
4. (i4-.'7.) Auf diesen von grofsen Pferden gezogenen und
von der Huddhi gelenkten Wagen steigt jener Elcment-Atman
und fährt nach überall hin.
:>. (14-jM.) Durch die Schar der Sinnesorgane gezogen, das
Manas als Wagenlenker und die Huddhi als Zügel ha1n»nd,
so besteht immerdar der grofse. brahmanartige Wagen.
6. (142!>.) Wer in dieser Weise als Wissender allezeit den
brahmanartigen Wagen kennt, der unter allen Wesen ist
weise und verfällt nicht in Verblendung.
7. (US«».) Vom l'nentfalteten an bis zu den Vicesha's sich
erstreckend, alles Unbewegliche und Bewegliche befassend.
Digitized by Google
IV. Anugitä.
einen Anblick gewährend gleich dem Glänze der Sonne und
des Mondes, mit Planeten und Sternbildern geziert,
8. (1431.) überall mit Flufsnetzen und Bergketten ausge-
schmückt und allerwärts durch mancherlei Gewässer ver-
schönert,
9. (1432.) alle Wesen ernährend und alles, was Odem hat,
erhaltend, — so ist der ewige Brahmanwald und in ihm wandelt
der Kshetrajfta.
10. (1433.) Alle Wesen, wie sie in dieser Welt sind, be-
wegliche und unbewegliche, diese sind es, welche zuerst zu-
grunde gehen, und nach ihnen die aus den Elementen stam-
menden Eigenschaften, (1434.) und nach den Eigenschaften die
fünf Elemente, so ist die Stufenfolge der Wesen.
11. Götter, Menschen, Gandharva's, Picäca's, Dämonen
und Rakshasa's, (143&.) sie alle sind durch ihre eigene Natur
geschaffen, nicht durch Tätigkeiten oder die Verursachung
[eines Schöpfers].
12. Auch jene weisen Weltschöpfer werden hienieden
immer wieder und wieder geboren, (1436.) und die, welche von
ihnen in jenen fünf grofsen Elementen erzeugt werden, die
gehen mit der Zeit wieder zugrunde, wie die W r eilen in
dem Ozean.
13. (1437.) Aber von den selbst auch entstandenen Welt-
schöpfern stammen die grofsen Geschöpfe allenthalben. Aber
nur wer von allen fünf Elementen sich befreit hat, geht den
höchsten Gang.
14. (1438.) Der Herr, der Schöpfer, hat diese ganze Welt
durch sein Manas erschaffen; aber auch durch das Tapas
sind die W'eisen zu den Göttern hinaufgelangt.
15. (1489.) Und durch die Stufenfolge des Tapas werden
die, welche nur Früchte und Wurzeln essen, nachdem sie
durch ihr Tapas zur Vollkommenheit gelangt sind, schon
hienieden die Dreiwelt im Zustande der Meditation schauen.
16. (1440.) Auch Heilkräuter, Arzneien und mancherlei
Wissenschaften allerwärts werden durch das Tapas zustande
gebracht, denn ein solches Mittel hat als Wurzel das Tapas.
17. (1441.) Alles, was schwer zu erlangen, schwer zu lehren,
schwer zu bezwingen, schwer zurechtzubringen ist, das alles
Digitized by Google
AdhyAya 51 (B. 51).
993
ist durch Tapas vollbringbar, denn das Tapas ist schwer zu
überbieten.
18. (U4*i.) Der Branntweintrinker, der Brahmanenmörder,
der Dieb, der Töter der Leibesfrucht, der Beflecker des Bettes
des Lehrers, sie alle werden durch wohlentzündetes Tapas
von ihrer Sünde erlöst.
19. (U43.) Menschen, Väter, Götter, Haustiere, Waldtiere
und Vögel und was sonst noch an Wesen, beweglichen und
unbeweglichen, vorhanden ist,
20. (1444.) sie alle schätzen Tapas als Höchstes, sie alle
erlangen durch Tapas stets die Vollendung, und auch die
mit grofsen Wunderkräften ausgerüsteten Götter sind nur
durch das Tapas zum Himmel gelangt.
21. (H45.) Diejenigen, welche unermüdlich von Wünschen
begleitete Opferwerke vollbringen und mit Ichbewufstsein be-
haftet sind, gelangen nur bis zu Prajapati.
22. (mc.) Die aber, welche durch eine reine Hingebung
an die Meditation selbstlos und ohne Ichbewufstsein sind,
diese Hochsinnigen erlangen die grofse, die höchste Welt.
2tt. (1447.) Hingebung an die Meditation übend und alle-
zeit beruhigten Geistes, gehen in das l'nentfaltete mit seiner
Fülle von Freuden die vollkommenen Atmankenner ein.
24. (1448.) l'nd von der Hingebung an die Meditation aus-
gehend, gelangen sie, frei von Selbstsucht und Ichbewufst-
sein. schon hienieden zu dem L'nentfalteten , der höchsten
Welt der Grofsen.
25. (i4t9.) l'nd aus dem l'nentfalteten wiederum geboren
und zum Bewufstsein der Gleichheit (mit allen Wesen] ge-
langend, wird Kr, von Tamas und Kajus befreit und nur dem
reinen Sattvam hingegeben,
2<>. (UM») erlöst von allem Bösen, die Welt samt und
sonders abstreifend, — und das ist der kshetrajna. das soll
man wissen; wer diesen weifs, der ist vedafest.
27. (1451.) Von einer Erkenntnis zur andern vordringend,
möge der Weise dasitzen voll Selbstbeherrschung, dann wird
er sicherlich zu dem, was er erkennt, zu jenem geheimnis-
vollen Ewigen.
Dtr»RE*, M»li4bhir»t»m. C..'t
Digitized by Google
994
IV. Anuglt*.
28. (im.) Alles, von dem Unentfalteten an bis herab zu
den Vicesha's, hat als Merkmal das Nichtwissen, als solches
sollt ihr diese Welt wissen, und dafs ihr Charakter durch
die Guna's bedingt ist.
29. (hm.) Zwei Silben bedeuten den Tod, drei Silben
das ewige Brahman, mama (mein) bedeutet den Tod, na mama
(nicht mein) das Ewige.
30. (H54.) Manche Menschen, die sich eines trägen Denkens
erfreuen, preisen das Werk ; aber die hochherzigen Alten preisen
das Werk nicht.
31. (1456.) Durch das Werk entsteht der Mensch mit seinem
Körper, mit seinen sechzehn Teilen [cf. Chänd. Up. 6,7,1 ; Qvet
Up. 5,14; Mund. Up. 3,2,7; Pracna Up. 6 und unsere einleiten-
den Bemerkungen dazu Sechzig Upanishad's, S. 571]; aber
das Wissen schlürft den Purusha, das ist der Trank derer,
welche Amritam geniefsen.
32. (1456.) Darum kleben nicht mehr an den Werken alle
die, welche das jenseitige Ufer schauen; aus Wissen bestehend
ist jener Purusha, nicht aber aus Werken bestehend.
33. (U57.) Wer dieses weifs, wer den unsterblichen, ewigen,
unfafsbaren, immerwährenden, unvergänglichen, freien, unver-
flochtenen Atman kennt, der ist nicht mehr sterblich.
34. (U58.) Wer den uranfänglichen, unerschaffenen, ewigen,
unzweifelnden Ätman erlangt, den unangreifbaren, Amritam
essenden, (1459.) der wird unangreifbar und unsterblich und
steht aus diesen Gründen fest
35. Alle Lebenseindrücke überwältigend und sich selbst
in sich selbst ergreifend, (ueo.) erkennt er jenes schöne Brah-
man, über welches hinaus nichts mehr zu wissen bleibt.
36. Und wenn sein Sattvam erst zur Ruhe kommt, er-
langt auch er die volle Ruhe; (uei.) das Kennzeichen der Ruhe
aber ist, dafs er [das Dasein] wie einen Traum betrachtet
37. Dieses ist der Weg der Erlösten, die festgewurzelt
im Wissen sind, (H62.) und alle Begebenheiten, wie sie da
sind, sie sehen sie an als dem Veränderlichen angehörig.
38. Dieses ist der Weg der Leidenschaftslosen, dieses
ist die ewige Satzung, (1463.) dies ist, was die Erkennenden
erlangen, dies ist das untadlige Verhalten.
Digitized by Google
Adhyaya 51 (B. 51).
39. Wer gleichmütig gegen alle Wesen, wer ohne Be-
gierde und ohne Wunsch ist, (1464.) wer überall ein und das-
selbe sieht, der kann diesen Weg gehen.
40. Dies alles ist euch von mir erklärt worden, o ihr
Besten der Brahmanenweisen, (1465.) und dementsprechend un-
gesäumt richtet euren Wandel ein, dann werdet ihr die Voll-
kommenheit erlangen.
Der Guru sprach:
41. (1466.) Nachdem jene Muni's in dieser Weise von Gott
Brahmän als Lehrer belehrt worden waren, handelten die
Hochherzigen demgemäfs und erlangten infolgedessen die
Himmelswelt.
42. (1467.) Und auch du, o Glücklicher, mögest dich nach
dieser von mir mitgeteilten Rede des Gottes Brahman voll-
ständig richten, o du Geistigreiner, dann wirst du die Voll-
endung erlangen.
Väsudeva (Krishna) sprach:
43. (1468.) Das ist die Rede, durch welche damals jener
Schüler von seinem Lehrer belehrt wurde; er erfüllte voll-
ständig die höchste Pflicht, o Sohn der Kunti, und erlangte
darauf die Erlösung.
44. (1469 ) Und nachdem sodann der Schüler das Ziel er-
reicht hatte, so gelangte er, o Sprofs der Kurufamilie, zu
jener Stätte, wo man kein Leid mehr empfindet.
Arjuna sprach:
45. (1470.) Wer war denn jener Brahmane, o Krishna,
und wer war jener Schüler von ihm, o Menschenbedränger?
Wenn es mir geziemt, dieses zu hören, so sage es mir an,
o Herr.
Vasudcva sprach:
4tf. (1471.) Ich selbst [d. h. der Atman] war der Lehrer,
o Grofsarmiger, und das Manas sollst du als jenen meinen
Schüler wissen. Und aus Liebe zu dir habe ich dir jenes
Geheimnis mitgeteilt, o Gutgewinner.
63*
Digitized by Google
IV. Anugtta.
47. (1472) Wenn deine Liebe allezeit mir zugewandt ist,
o Sprofs der Kurufamilie, dann mögest du, nachdem du in
betreff des Atman dieses vernommen hast, völlig danach leben,
o Gelübdetreuer.
48. (1478.) Dann wirst du, o Feindbedränger, nachdem du
diesem Gesetze gemäfs vollständig gelebt hast, von allem
Bösen befreit, die absolute Erlösung erlangen.
49. (U74.) Schon vormals habe ich dir dieses mitgeteilt,
als die Zeit des Kampfes bevorstand, darum, o Grofsarmiger,
nimm es dir zu Herzen.
50. (1475.) Aber es ist schon lange her, o Bester der
Bharata's, dafs ich meinen Herrn Vater gesehen habe; ihn
möchte ich mit deiner Erlaubnis besuchen, o du unter dem
Phalgunigestirn Geborener.
Vaicarapayana sprach :
51. (H76.) Zu Krishna, als er dieses Wort gesprochen
hatte, versetzte er, der Gutgewinner: Noch heute, o Krishna,
gehen wir zusammen zu der nach den Elefanten benannten
Stadt [Hastinäpuram].
52. (1477.) Dort wirst du mit dem gesetzestreuen Könige
Yudhishthira zusammenkommen, und nachdem du dich von
dem Könige verabschiedet hast, magst du nach deiner Vater-
stadt wandern.
So Uutet in der AougiU der lochiunddreifiigtt« AdbjAya
Digitized by Googl
INDEX
BEMERKENSWERTER NAMEN UND BEGRIFFE.
(Di* Zahlen Terweiten auf die Selten de« Werke«.)
A.
Abhauen von Bäumen bei Mondwech-
sel verboten 5<Hi.
Abschreckungstheorie 44? fg.
Abwartsströmende (avtikarotas) durch
Tamas 9f)0.
Abzeichen wertlos 677.
äcara 177 fg.
ä^rama'B | Lebensstadien), vier Uli fg.
113 fg. m 4ü3 fg. 112 fg. 946;
Lebensrichtuugen f>4^ fg.
A^vattha 92 fg.
A^vatthanian, Sohn Drona's 32.
Adern 2ft9.
adhyatman (das innere Selbst) 180 fg.
Agastya, der ljisbi, von Nahusha ge-
treten iMHL
Agui, Feuer, Gott des Feuers.
Ahalya von Indra vergewaltigt 803.
ahankära (der Ichmacher), Ichbewufst-
sein, Egoismus, psychisch und kos-
misch AiL Uh fg. Ü1L HL 775 ;
= Brahmäu 834 ; = Prajapati 959.
ahiiisä (Nichtschadigung) 921 fg. 986 ;
vgl. Opfer.
Airävana (Airärata), Elefant Indra's
29L iiüL
Ajagara, unterredet sich mit Prahrada
132 fg.
Akkumulationstheorie 33L 9*9 ; vgl.
Mischungstheorie.
Aktivität und Passivität (pravritti und
ntrriftO 21& 183 fg. IßÖ fg. Z9AL
792. 839 . 8 tu. 848. 9*1. illii.
Alarka als Bekämpfer des innern
Feindes 932 fg.
Allegorien 341 fg. 350_fg. 393, 4fiQfg.
m 59L ÜU3 fg. ß9jL 229 fg. 23Ü.
923 fg. Uli fg. 9f& 912 fg. 9ÜL
992,
Allgegenwart durch Atmanerkenntnis
1LLL 98_L
Almosen 9 fg. usw.
Alte Jungfern 691.
ämäraya 1 *>6.
Amritam, L'nsterblichkeitstrauk (vgl.
Ambrosia und Nektar der Griechen)
7_i usw. usw.
Angehörigkeit i>48.
Anhänglichkeit au die Welt (safign)
44, 46. 47, -1*. Wl f t 6 usw.
Aniruddha (Sohn Pradyumna's, Enkel
Krishna'st, vierter Vyuha (s. d.) des
Yishnu, dem Aliankara entsprechend
113. 786; Vater des Gottes Brah-
män 77<;
auvikahiki 662. 663.
Apäna (nach unten geheudi 962; vgl.
Prana's.
Arunyaka'%, Anhange der Brahmana's
des Veda, in der Hegel die l'pani-
shad's einschliefsend 771.
4
998
Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.
Arjuna, dritter Sohn des Pän<}u, Stamm -
vater des Abhimanyu, Parlkshit,
Janamejava 33 fg. usw. ; Arjuna und
Krishna identifiziert mit Nara und
Näräyana 128.
Arjuna Kartavtrya 92Ü fg.
Arundhati (Stern) 658.
Ärzte, Polemik gegen sie 7:K
dsanam 59.
Asita Devala 7J. (das Komma ist zu
tilgen) 221 fg. 478 fg.
Askese (topos) 12 fg. 98. 26L 284 fg.
570. 992 fg.
Asuri (Lehrer des Pancacjkha) 271.
Atemhemmung (prdndydma) 53.
Atharvacjras-Upanishad 769.
Atharvan Iii
Ätroan (das Selbst, die Seele) 43. 4&
979. 994 usw. ; sieben Ätman's 337.
Augenbrauenpunkt 5JL 6L 212.
Auslander, als Schmach des Landes
223,
Avatdra's (die Verkörperungen des
Vishnu, ihre Zahl schwankt) 779.
853.
Aryaktam (das Unentfaltete, Unoffen-
bare) = Prakriti (s. d.) 6JL 730. 957.
962 usw.
Ayurveda (vedische Heilkunde) 795.
B.
Badari (Einsiedelei des Nara und
Näräyana) 148, 149, Z8& 8J& 82L
balatn (Kraft) als sechstes Tatorgan
4*0,
Bali (Dämon) 13L 2UQfg. 302 fg. 777.
Bäna, Sohn des Bali TJX
BegattUDg, während der Periode ver-
boten 507.
Beispielsammlungen aus der Ge-
schichte 344 fg- usw.
Bergnamen 966.
Bescholtene Gewerbe 566.
Besitzlosigkeit gerühmt 123 fg. usw.
Bestattung, rühmliche 581.
Bhägavata's 283, 823, 826j vgl. Ekän-
tin's, Päücarätra's und Sätvata's.
Bhagavadgitä 842j vgl. Harigttä.
Bharadväja IM fg. 809.
Bharata, Stammvater der Kuru's;
Bharata's, die Nachkommen des B.;
Bhärata, ein Nachkomme des B.
Bhdratanx varsham (Land der Bhara-
ta's, Indien) 708.
bhdvdh (Zustände) 64, 23*
bhikshu 329. fg.
Bhima (zweiter Sohn des Pän<}ui 33 fg.
Bhlshma (Sohn des £äntanu von der
Gangä) 33 fg- usw.; sein Sterben
beim Nord gang der Sonne 6<>!».
Bhrigu IM fg.
bhüfa\ s. Elemente.
Bhütdtman (Element -Ätman) 181. 2LL
222. 224, 360, 36_L 399, ÖI9_, £12.
909. 926. 991.
Bodhya 130 fg.
Böses, sein Ursprung 49.
Brahmacdhn IS fg. 37« > fg. 97").
brahmacaryam ( Brahman w au del) IS,
258. 92L
Brahman neutr. (das weltschöpferische
Prinzip) = Prakriti 89j brahman
und kshatram 801 fg. ; vgl. Wort-
brabman.
Brahman masc. (das personifizierte
brahman, im Mahäbh. Sohn des
Vishnu) 775. 22fi ; seine sieben Ge-
burten 83JL 842 fg.
Brahmanen, ihre Macht £03 fg.; der
wahre Brahmane &
Brahmanenmord , s. Brahmavadfujä.
Brahman's Tag und Nacht 68.
brahmasutra 86.
Brahmavadhyd (Brahmahatyd) 505 fg.
505 fg. 806, 808.
Brihaspati 521 ; sein Gesetzbuch 757.
Buddhi (Erkenntnis) im System =
Mahan, Mahdn Alma (selten Ma-
hat sc. tattvam) 103, 38ü fg. 388 fg. ;
kosmisch and psychisch 182 fg.;
unterschieden vom Mahän 969; im
Körper allgegenwärtig 5_Ü5; als Weis-
heit des Närävana, weltschaffendes
Prinzip 85_L
uiyiuz
ö
Index bemerkenswerter Namen uud Begriffe.
Buddhismus, heilige Wahrheiten 888;
Buddhisten 213 fg.
C.
(,'acl (Gemahlin des Indra) BÜti fg.
(aivya 33.
Cäkhäs (Vedaschulen ) &LL
(,'akra, Beiname Indra's.
Cakradhara's 887.
(,'ambhu (Civa) als Weltschöpfer 6_Ui;
= Ätman tili.
<>mpäka 122.
Cändäla's (Unterart der C/udra's) Uli.
{(trimm 3117 ; vgl. Leib.
Qitaiiatha-Bri'thmiinam 601. tw;-2. SOt>
Caunaka, seiu Opfer 783.
( ckitana 33,
cetatui \ Bewußtsein ) 277. R37.
Chinesen (cina) 708.
(icupäla 779.
Cikhandas 5ü8_ Anm.
Tikhandin 34.
fikihd (Phonetik) 8_LA. H37.
Cirakarin (der langsam Handelnde)
431 fg.
Citracikhandin's, aufgezählt 7f>5.
Cifffim (Manas) 229. 312. 3Ö3. 693.
870; vom Mann« unterschieden 4 SQ.
(TVrrt (vgl. Hudru und (Jtimbhu), Ge-
mahl der rWi (Pfircati), neben
Vishnu und Brabmän die dritte
«berste Gottheit 553 fg. Iß3 fg. ; mit
Vishnu identisch 817; — Kala H18:
seine Blauhalsigkeit 803. 8 1 5.
$raddhä 434 fg.
fravanaphalam 106 usw.
£r! (Glücksgöttin» 2£lö fg. 31fi fg.
Crivatw iML 8Ji
(,'ruti, die heilige l'berlieferung des
Veda, in Anpassung an okziden-
tale Anschauungen durch ..Schrift"
übersetzt
(,'üdra 3, 525 usw. ; milde zu behan-
deln 563 fg.; als Lehrer 668; Er-
lösung auch für ihn 904.
£uka(SohnVyasa's) 12G. 833 fg. 692 fg.
IÜ2 fg.
1 (,'ukra d'lauet Veuus, Samei *> 5"». ftii-J.
, Tunah^epa 562.
■ C^etadvipa 135 fg. ZÜÜ fg. im fg. IM,
8JL 82üfg.
i i>.
1
Dadhica, seine Knochen 805.
Dadhlci 51Ü fg. 8JJL
Daksha (ein Prajapati i 234. 51Q fg.
515 fg. 803. öüä fg. 815. M5 ; - Ka
938.
Dämonische Menschen 35 fg.
Däuava's "M\ usw.
Devai/äna (Götterweg) 12t. 947 ; mifs-
verstanden ÜÖ fg. f>79. 609.
dhäräna's (Fesselungen des Manas
im Yoga) 351. 595. 597.
Dharma, in Gestalt der Gazelle 473.
Ührishtadyumna 31.
Dhrishtaketu 33.
Dhritarashtra (Sohn des Vicitravlrya
und des Vyäsa von der Ambikä,
blinder König der Kuru's) 3 fg.
33 fg.
Dialektik, getadelt lAL 3ü4. S5fi.
Dirghatamas. seine Geschichte 799.
Diti, Tochter Daksha'* 234. 24iL
Draupadi (Gattin der füuf Pändava's);
ihre Söhne 33 fg.
Drona 35.
Drupada (Vater der Draupadi i 33 fg. :
sein Sohn (Dhrishtadyumua) 33.
Duryodhana (Sohn des Dhritarashtra)
33. 35.
Dyumatsena 445 fg.
Dväpara. s. Yugam.
Dväraka i Stadt des Krishna ) 778.
222, 8*5.
K.
Echo, seine Kntstehuog 74t'».
Egoismus des Hausvater» 569.
Ekäntin's (die dein Vishnu allein Er-
gebenen) üll ; selten zu rinden 846;
Verschwinden und Wiederaufkom-
men ihrer Lehre K42fg. ; vgl. Bhäga-
vata's.
1000
Index bemerkenswerter Nameu und Begriffe.
Ekata, Dvita, Trita 758 fg. 771. 778.
7JKL
Elemente (bhütdni, mahäbkütani) 145.
149. UAL IfiL 385 fg. 960j als Wel-
teastoff 4IS fg. ; im Leibe IIS; ihre
Qualitäten 1ÜL 402j Elemente, Or-
gane, Objekte und Schutzgottheiten
261 fg. 968 fg.
Embryologie 684 fg. 236 fg. 825, »18.
Entsagung LA. 85, 1DQ fg. usw. ; E. und
Erkenntnis 968. 980 fg.
Erfordernisse der Rede, fünf 680 fg.
Erkenntnistheoretisches 48J1 ; vier Pra-
mäna's 194.
Erlösung 828 fg. 981; als Befreiung
des Purusba von der Prakriti 6JLL fg. ;
auch für den £üdra 904,
Eschatologisches 209, ML Hü3 fg. 923 ;
Gang zur Sonne nach dem Tode 740;
den Organen entsprechende Statten
nach dem Tode 658.
Etymologien der Namen Vishnu's
128 fg. 811 fg. ; von Väsudeva 840.
Evolutionsstufen 246 fg. <UL 62g fg.
642, 22Q fg. ; vgl. Prinzipien.
Extreme, gerühmt 1 14.
F.
Farben der Zustände der Seele 123 fg.
431 fg.
Fastenbufse (kricchra) 258,
Fehler 90.
Fieber 5ü2 fg. 513 fg.
Fleischesseu 134, 14AL 128, 323.
Fliege und Feigenblatt, Fisch und
Wasser (Purusha und Prakriti)
6Jä fg. 283 u. ö.
Freigebigkeit, empfohlen 5_61 fg.
Freiheit, die wahre 550.
Freundschaft 24.
Gälava 542 fg.
Gandiva (Bogen des Arjuua) 36.
Gangä 318 u. ö.
Gangädvara 511. 51f>.
Geben 28 fg.
Gebetsmurmeln 189 fg. 122. 123 fg.
125 fg. 21Q fg.
Geburtsstunde, Stern dabei 141.
Gegensätze der Lehrmeinungen 384 fg.
Gerechtigkeit, vierfQfsig 334, 29_L 946.
Geruch usw., eingeteilt 9 ( .»0.
Geschlechtslust 126\ 322,
Gesellschaft, schlechte und gute 545 fg.
Gesetz als Erfindung der Schwachen
4LL
Gewissen 559.
Gbritäcl (Apsaras) IM fg.
Glaube 65. 97 u. ö.
Gleichmütigkeit 52. 21 fg. usw.
Glück HL
Gnade 265.
Götteraufzählung 238 fg.
Gottheiten als Opferfeuer 908.
Götterweg, 8. Derayäna.
Grihastha ( vgl. dp-ama 1 's) 372 fg. 453 fg.
guda (Verdauungskaual) 155*
Guha (= Skanda, Kriegsgott) 534.
Gutta (Faktor, Qualität). — Die drei
Günnes (Sattvam. Kajas, Tatnag).
aus denen die Prakriti besteht, sind
die Faktoren, deren Produkte alle
Evolutionen der Prakriti Bind; oft
abgeblafst „Qualitäten" 42. 46. 48*
5L 64, 8L 88, 2Q fg. 182 fg. 253.
278 fg. SSL 536 fg. ; aus dem Ätman
stammend 538 ; als weifs. rot
schwarz 613. 645. 649 fg. ; als Feinde
zu überwinden 235 fg. ; sich paarend
948. 9f>r» : ihr Wirken an der Sonne
erläutert 956; als Prinzipien 627.
630. 644; = Vicesha's 643, 786;
Fesseln 864; vgl. Erlösung.
Ha
Häbä und HfthÜ (Gaudharvent 515,
IÖ6_.
Hara » £iva.
Hari « Vishnu.
i Hari (Berguame) IDA
Harigttä (vgl. Bhagavadgitä) 83L 846.
Härha 4M,
Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.
1001
Hausvaterstand s. Grihastha.
Hemmnisse des Yoga, fünf 363. 477.
Herz 388.
Herzensknoten f>s7.
Himalaya HL 222,
Himmel 8j keine Befriedigung ge-
während HILL
Hiranyagarbha (Erstgeborener der
Schöpfung, Urquell der Weisheit;
= Brahmäni 6-14 ; = Buddhi, Maban,
Virinci 610; Urheber des Sank hy am
ÜÜI; Urheber des Yoga Kfrfi.
Hiranyakacipu (ein Dämon) 804.
Holleu, symbolisch 131. 2111
Hunnen ihüna) 708.
I.
Identität der Wesen 5fi fg.
l$rara (der „Herr", der persönliche
Gott) 50j auf Egoismus beruhend
2&L m
lkshväku (Stammvater der Sonueu-
dynastie, Sohn des Manu Vaivas-
vata» ülL
Indra (König der Gölten 131 fg.; seine
Flucht und Rückkehr Hütt fg.
indriya's (die fünf Sinuesorgane und
fünf Tatorgane) 278. 961 ; zu be-
siegen 1*40; als Lampe 538 ; kennen
sich gegenseitig nicht 912; als zehn
Opferpriester 908; als sieben Opfer-
priester 9_1L 9LL
d.
Jaigtshavya 3J7 fg.
Jäjali JIM fg.
Jamadagni 930 fg.
Jauaka (König von Mithiläi IL 130.
270 fg. 937 ; legt wegen Erkenntnis
seine Herrschaft nieder 669; J.
Oharmadhvaja fi!3 fg. : vgl. Karäla-
janaka.
Janamejaya, König, Nachkomme des
Arjuna, dem Yaicampäyana beim
grofsen Schlangeuopfer das Mahä-
bhäratam erzählt.
Janardana (Meuschenquäler, Beiname
Vishnu-Krishna's) 3fi fg.
Jaräsandha 778.
Jlva (individuelle Seele; ihr entspricht
Sankarshana, s. d.) läü fg. IM fg.
aiiii, HU
jnnna-ntman (Erkenutnis- Selbst) =
Purusha 248.
Jye#A/Aa««»«a«-Gelubde 84/i.
Jyotisham (Vedakalender) 7uf).
K.
Ka (Beiname Prajäpati's) 662, 663,
KäyJ (Benares) 33. fg.
Käcyapa (Kacvapa) 131 fg. 231 fg. 238.
Kala (die Zeit als zerstörende Gott*
heit) 2113 fg. 3QÜfg ; Rad der Zeit
973; vgl. Zeitalter, Zeit.
Kälayavana 778.
Kali, s. Yugam.
Kalpa (Weltperiode von einer Welt-
schöpfung bis zur entsprechenden
Weltvernichtung reichend) 20 u. ö.
493; vgl. Weltschöpfung , Weltver-
nichtuug. Yugam.
Käma (Begierde) 127 fg.
Kansa ( König vou Mathurä, von
Krishna erschlagen) 7 7s
Kapila, urspr. — Hiranyagarbha. dem
persönlichen Brahmäu fi'.»8. 776.
814 (von Hiranyagarbha unter-
schieden 8. r >. r > ) ; als Urquell der
Weisheit mythischer Urheber des
Sänkhyasystems TA i>7_L HiL
8. r )7 ; seine Lehre 707 ; K. usw. als
geistige Sohne Brahmän's 7lH).
Karälajanaka 6QM.
Karna i Heerführer) 33*
Kasten (rttrna , jtitit Üj2fg. lülfg.;
ihre Pflichten lül. 563 fg. 56üfg.
67">; ihre Schöpfung 23fi ; ihre Ver-
menguug 37_; Mischkasten 673; auf-
gehoben 72^ vgl. Brahmanen. Ksha-
triya, Vaicja, (^üdra.
Kaiü.ika 8( >3.
Klebas 1 14.
Königtum, seine Schattenseiten üBüfg.
1002
Index bemerkenswerter Kamen und Begriffe.
Kosmographisches 146 fg.
Körperteile von Vater und Mutter
620; vgl. Leib.
Körperfeuer
Kramapätha (eine besondere Methode, i
den Veda zu rezitieren) 814.
Krähe und Palmfrucht 126.
Kripa 33,
Krishna (Vasudevai, Sohn des Vasu-
deva und der Devakl, Bruder des
Balaräma, schon im MaluiMiäratam
eine Inkarnation Vishnu's 33. 35 fg.
233, 243, 245, 885 fg. usw.; seine
Geburt in Mathura 778; ihm feind-
liche St&mme 236,
Krishna Dvaipäyaua, s. Vyäsa.
Kritatn, 8. Yugam.
Kshatriya (Kriegerkaste — kshatram,
Räjanya) 9 usw.; Pflichten iL 577;
vou Räma ausgerottet 931.
Kshetrajna („Ortskenner", Subjekt
des Erkennens, das höchste Prinzip
- Purusha) 86 fg. lfiL 181 fg. 250,
267. 271. 280. 350. 363. 368. 383.
lisL 382. 320, 41L 480. £35, 536,
■>37. 53*. 027. C3it. 652. 773, 771.
790. 812. 24L 942, 969 fg. 982,
993; individuell gefafst 606; -
antardtman 750. 751; mit Väsu-
deva identifiziert 826. 846. 860.
223- 929j Kshetrajfia und Sattvam
(vgl. Purusha und Prakriti) 283,
ÜSiifg.; Gleichnisse darüber 287 fg. ;
Kshetrajna, Buddhi, Manas, Siune
991; vgl. sdkahin.
Kshetram („Ort", der Leib) 86 fg. u ö.
Ku^aliu 559.
Kucasthali (Stadt) US,
Kubgewinner (govhtda = Krishna)
36, 39 u. ö.
Kumjadliara 466 fg.
Kuntibhoja 33.
Kuru, Stammvater der Kuru's und
Pandava's.
Kuruiand 33,
Kuntl = Pritha, Mutter des Yudhish-
thira, Bhlma und Arjuna 34 fg. u. ö.
Laster 13 fg. 23» 24 usw.
Lebensstadien, s. dgramas.
Lehrbücher 542,
Leib 578; geschildert 601 ; pessi-
mistisch 130, 965; als Aggregat der
Elemente 360. 534 fg.; Pforten, vier
590; seine dreifsig Qualitäten 683
der feine Leib (vgl. Litigant) 655.
908; vgl. Körperteile, Körperfeuer.
letale Stellen (murman) 821 fg.
Litigant (der feine Leib, s. d.) 2L
297. 625; = Körper 2211. 223.
Literaturkreis 215; vgl. Aranyakam,
Brahmasütra's, Qatapatbabrähma-
nam, Pur&nam, Vedasütram, Wissen-
Schäften, Yäjnavalkya.
Lockiger (guddkega = Arjuna) 35.
32 usw.
Lust und Schmerz 113 u. ö.
M.
Mädhava (Krishna) 34, 36. u. Ö,
Madhu (Dämon) 234j nnd Kaitahba
835 fg.
Madhusüdana (Madhutöter — Krishna)
36, 38 usw.
Mabäbhäratam, als fünfter Veda 785;
vou Vyäsa verfafst 831; besteht ans
hunderttausend Versen *19.
mahdbhütdni, s. Elemente.
Mahän, Mahdn Atmd (in der Regel
«= Buddhi, s. d.) LüL 3m 1SL
610. (vergänglich 612. > 790. 902.
957 fg. 264, 266, 988; höher als
jndnam und buddhi 225; = Purusha
2-18 ; als fünfundzwanzigstes Prinzip
(s. d.) 612. 62L »iH4.
Mahäniyama (eine Askese) 787.
Manas als Regierer der Erkenntnis-
organe dem Verstand, als Lenker
der Tatorgane dem (bewufsten)
Willen entsprechend 60 fg. 773;
beim Yoga 188. 212; weltschaffeml
249; als Zustand der Buddhi 536;
als Organ des Sehens usw. 64>>;
als Zentralorgan G82; mit den In-
Index bemerkenswerter Namen und Hegriffe.
1(103
driya's sich gegenseitig bedingend
912 fg.; mit Iiuddhi %8; mit Ahan-
kära und Buddln 968.
Mänasa 145 fg. 14& i£L
Manenklassen 454. 775.
Manibhadra 4ÜI fg.
Manki 125 fg. 137.
Manovaha, eine Ader 259 fg.
Manu 50. 73j sein Gesetzbuch T.~>7 :
M. Svärocisha 844.
Manulöwe 804; vgl. Vishnu.
Märtaiida, Geburt aus der Aditi tiÜiL
Materialismus 212 fg.
J/rii/ä HL iüL 1LL UHL ÜiL 774j von
Vishnu ausgehend 255,
Meditation ti u. ö.
Menschseiu, erfreulich :">h< > ; ein Un-
glück Ü12. 22L
Meru 14Ä 509.
Mischkasten, s. Kasten.
Mischuugstheorie 397 ; vgl. Akkumu-
lationstheorie.
Mithilft (vgl. Janaka» 130. 4*3,
Mitleid 2ÜL 3HÖ. älk
Moralisches 640 fg. 812 fg. 974j vgl.
Sitten, Strömungen, Tugendeu.
Muni (Schweiger, Einsiedlerl 18. 43.
58 usw.
Mutter, gepriesen 440.
X.
Nahrung und Schlaf 59 fg.
Nahusha (alter Konig, Sohu des Avus. |
Vater des Yayftti, Stammvater der
Kuru's und Yadu's, zu deuen Krishna
gehört) 130. 42L 44JL 806. fg.
Naighantukam H13.
nakshatra* (Sterubilder, Moudhauseri
Nakula (vierter Sohu des Pandui 34. !
Namensammlungen 311. 376 fg.
Namuci 13L 303 fg.
Nandin (Diener Tiva bi 510. 512- 534.
Nftrada (mythischer Weiserl 14,. 177.
33Qfg. 4M fg. 511L 24Äfg. 83L
Narftyana (Name Vishnus, besonders
im monotheistischen Sinne ) 2<ÜL
2ia 148 fg. I8L 919.
Nästika < Nihilist) 213 u. ö.
Niruktam Ü12.
Niri'nmim i Erloschen. Seligkeit i 45.
5L 51L liiü. 114. mL 18&
iH4.8i2.89iL
<>.
Objekte als Opfergaben 908.
Om- Laut fii fil u. ö.
Om. 7af, 6'rt< 93,
Opfer, umgedeutet 52 fg.: Polemik
dagegen 429 fg. ; ohne Wünsche
darzubringen 797; ohne Tiertötung
auszuführen 4M fg. 451 fg. 413.
750. 7f>4. 791: Opfertier zum Him-
mel eingehend 927; vgl. Ahinsa.
Organe, s. Indriya's.
P.
Pacupata's (Anhänger Civa'sl 533_. 855.
Päderastie 324.
Pakvacaya 1">6-
Pancacikha (alter Sankhyalehrer,
Schüler des Asuri) 2I0fg. fill fg.
615. fim
Pancala (Verfasser des Kramapatha,
a, d.» 839.
Pancaratralehre l Paficaratralehrei 155.
162. 7m 848. 855 fg. ; vgl. Bhaga-
vata's.
pancikaranam H12; vgl. Mischungs-
theorie.
Pändava's iSöhne des Pftndu: Yu-
dhishthira. Bhlma, Arjuna. Nakula
und Sahadeva) 33. 34 usw.
Para<;ara (Vater des Vyftsai 55iifg.
Passivität, a. Aktivität.
Perzeption als Opfer 906 fg.
Pflanzen beseelt 151.
Pflicht 413 fg. 416 fg. ; gegen die Eltern
43äfg.
Pinftka, Etymologie 553.
Pinda's. ihr Ursprung 828 fg.
Pihgalft (Hetärcl 117.
Pitrivana (V&terwcg) 947; mifsver-
standen 68 fg.; vgl. I)evayana.
1004 Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.
Pn&dyumna (dritter Vyüha, s.d.); vgl.
Aniruddha.
Prädestination 896 fg.
Pradhänatn, s. Prakriti.
Prahräda 132 fg. 13L 286 fg. HL
Prajapati (Personifikation des schöpfe-
rischen Prinzips) 46; einundzwan-
zig 25L
Prakriti ( — Pradhänam = Avyaktam,
s. d.), die erkenntnislose Urnatur
ans den drei Guna's bestehend 4iL
43, öö, 86 fg. ,246 usw.; achtfach
63; P. und Purusha 8& 651 u. ö.;
aus B rahm an entsprungen 896; aus
dem Purusha 786.
Pramäna's, s. Erkenntnistheoretisches.
Präua's (die fünf Lebenshauche, die
Organe derNutrition): Prana,Apäna,
Vyäna, Idäna, Samana 1 52. üü
256. 724. 906. 917. 960; P. und
Apäna (s. d.) 910; ihr Rangstreit
Uli» fg.; als Opferpriester '.»14.
Pränägnihotram 53.
Pritha, s. Kuntt.
Prinzipien (der Sankhyalehre) , fünf-
undzwanzig 42 fg. 941 ; vierund-
zwanzig 611 ; elf 398; das vierund-
zwanzigste Prinzip 666 fg.; der
Fünfundzwauzigste 012. Ü22* 623.
62A im 633, GM fg. 6JK
665, fiß!i%. III Iii m 982;
der Sechsundzwanzigste 634 fg. 665.
666 fg. ; vgl. Evolutionsstufen.
Psychischer Organismus 86.
Pulkaaa's 140.
Pupillenbild 658.
Puranam 238j vedisches 66Jj = Bräh-
raanam 795.
Purujit 33,
Purusha (= Kshetrajna, das reine
Subjekt des Erkennens) 5JL 66 fg.
209;
86 fg. 24,
Einheit 856 fg. 852 fg.;
seine Vielheit und
Identität
aller Purusha's 690j P. und Prakriti '
(vgl. Kshetrajna und Sattvam) als
Mann und Weib 620; widerlegt .
623; beide völlig verschieden 63JL I
654; beide •= Vishnu 834, 861j als
Icvara 623; vgl. säksltin.
K.
Kajas (Leidenschaft, was Unlust be-
reitet, s. Guna) 4JL arväkttrotas
251 fg.
Rama (Sohn des Jamadagni) 875.
23öfg-
Rangstreit zwischen Mauas und Rede
902 fg.
Rantideva 562,
Kasa (Unterwelt) 8^8.
Bathantaram 5ÖCL 511.
Ratselfragen 591 fg.
Raum und Zeit nicht real 984.
Raumya's (Dämonen) 518.
Raupe ihr Gehäuse spinneud 614.
Rävana und die Affen 778.
Reizmittel beim Yoga, sameodana
625; codand 656,
rhetorische Regeln 681 fg.
Rishi's, sieben 234, 237.
Rofshaupt 76JL 125, 122, 814, 833,
832 fg.
Rudra (älterer Name für £iva, s. d.i.
sein Ursprung 224, 290, 796; mit
Käräyana identisch 797.
8.
Sütlhya'8 („die zu Verehrenden", eine
Götterklasse) 587 fg.
Sahadeva, fünfter Sohn des Pändu 34.
sähtshin (Zuschauer, Subjekt des Er-
keonens) 387. 536; vgl. Kshetrajna,
Purusha.
Samanga 5JJ2 fg.
Same 252 fg.
saipkalpa (Funktion des Manas) 342.
saniskära (Einpra jungen von einer
frühern Geburt her haftender Ein-
drücke) 223,
Sanatkumära 490 fg. 510. 727. 844.
Sanatsujäta 3 fg.
Safijaya 33 fg.
Safikarshana (Bruder Krishna's), zwei-
ter Vyüha (s. d.) Vishnu's, dem
Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.
KM »5
Jiva entsprechend (vgl. Pradyumna,
Aniruddba) 234 u. ö.
Sänkhyam (von sankhyä, Reflexion),
die an die Atmanlehre der Upani-
shad's sich anschließende Re-
flexionsphilosophie (im Gegen-
satze zum Yoga, der reflexionslosen
Vertiefung in das Selbst, den
Ätman), später Name eines philo-
sophischen Systems 4_L 4<>. 55. fcM,
101; Sänkhyam und Yoga IDLL äil3.
633. 6ft. r > ; Sänkhyatraditiou ü3I fg.;
Sänkhya-Auhäuger nach dem Tode
fiÜifg.
Sauuyäsin (vierter d^rama) biL 37 <i.
3Ii fg. u. ö.
Sarasviita Apautarat amas als frühere
Existenzform des Vyäsa K35. 8nf>.
Sarusvali (Güttin der Rede) 14JL IM,
Sattvam (erster der drei Guna's, was
Lust erregt) ; (ürdhcasrutas)
Üä3fg. t«83: *= Mauas M>: im
Gegensätze zu den Guua's 3»U) •.
ahulich wie Lingain 3*>1» : als Ver-
treter der Prakriti 53L Ü33, 98G fg.
sättcika, n/zim/ff"*!, vutkörika 847 fg.
Sätvata's (eigentlich das Volk des
Krishna, daun Name einer mono-
theistiseh-vishnuitischen Sekte; vgl.
Bhägavata'si Iii», &12, *_LL >iliL
S I *. » ; ihre Lehre 754. 7 ■'>:'>.
Satyakasprofs (Yuyudhana) 31*
Satt/am t Wahrheit, Kealitäti Hiti. i»4ii.
Satyavant 44. r > fg.
Saubha (die Lufi&tadt) 778.
Sauti erzahlt dum Tauuaka das von
Vai«;ampäyaua ( s. d. i ihm Über-
lieferte Mahähuäratam.
Savitrl (die Sounengöttini 17:i.
Schildkröte und Glieder IL Uli ÜliL
Schicksal 114, 1 43 ; Tat. Natur, Schick-
sal 33iL 35_L
Schlaf
Schmerz '2'ü.
Schöpfung L
schöpferische Wesenheiten, acht,
rici usw. 7 SO.
Schrift, 8. Cruti.
Schutzgottheiten der Organe ti4fifg.
Schwan (hahsa — Brahmän) 5S7 fg.
Schweigen 1_L
Seeleuwanderung fi!4. (>3S. 888.
'JöQ u. 6.; vgl. Vergeltung, Wieder-
geburt.
Selbstmord ÖäL
Selbstzucht 282 usw.
Seuajit 112 fg.
Siddhi's (die durch den Yoga erlang-
baren acht übernatürlichen Kräfte)
254,
Sinnesorgane, a, Indriya's.
Sitten, gute und schlechte 322 fg. ;
vgl. Moralisches.
Suiriti (die Tradition im Gegensatz
zu Gruli, s. d.) 244 u. ö.
Sorna ( Opfertrank , Mond ) SüU fg ;
s. Teil.
Somadattasohn (Bhüricravas) 34.
Sterbestunde iül fg. ^82^ vgl. Tod.
j Sterne als abgeschiedene Seelen 4H3.
Strafen, Abmessung derselben 44Gfg.;
nach dem Tode <»D. r >.
'Strömungen, drei moralische Ü13 fg.
Ü4* fg.
Struppiger (hrishikern — Krishna)
iL 3ä, 311 usw.
Subhadtäsohn (Abhimauyui 33 fg
j Subjektivität der Auffassung des Lehr-
stoffs Ü22,
Sulabhä ti73 fg.
! Su rasa S7-1
Surya, Sonne, Sonnengott.
snilthüra t die eigene Natur) 22L 3*<>-
:YM) ; Prakriti LiL 2*1 fg. Ü2*i
1>2S. <)44; vgl. Schicksal.
, Syümarac.nn 44t» fg.
T.
Tag und Nacht des Brahman t» 14 ;
des Brahman t> |*>; des Ahankära
♦i4'>; der Kiemente, Yi»;esha's tiud
des Mauas *>4fi fg.
- Tamas i Finsternis i dritter der drei
| Guua's, alles beladend, was weder
lcX«
Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.
Lust noch Unlust bereitet, gleich-
gültig lafst 20. fg.; (aväksrotas)
949 fg. usw. ; vgl. Guna's.
Tapas, s. Askese.
Teil der Mondscheibe, sechzehnter,
unvergänglich Kl'.».
Tieropfer, s. Opfer.
Tishya - Kali 263 fg. 85a,
Traum 263 fg. 399. 480. 994.
trishnä (Durst, Begierde) Ii. 90. 11h,
117. 126. 130. 139. 269. 2Ii.
2ü& 463. 4IL 482, 54L 59fi. 841.
888. 936. 964.
Trisuparna - Ritus 843.
Tugenden, aufgezählt HL 1& 15, 23.
fififg. 24 fg. 122, 895 fg. ; vgl.
Moralisches.
Tulädh&ra 418 fg.
Tochter 374^
Tod, ist nicht 3 fg. 5. 119 fg. 4£M fg.
512 fg. ; auf dem Schlachtfelde 577;
Vorzeichen des Todes 696; schmäh-
licher 579; erst nach AbbUfsung
der Werke 890 fg.; Todesstrafe
mißbilligt 415 fg.; Todeswind 696;
vgl. Sterbestunde.
Töne der Tonleiter 15L
U.
U<;anas 488 fg. 552 fg. 803j sein Ge-
setzbuch 757.
Umä (Gemahlin ^iva's) 511 fg. 511 fg.
810 fg.; ihre Beinamen 96 7.
Umgang, sein Einflute 590.
Unentfaltet : fahetram, sattvam, i$vara
628.
Unsterblichkeit 39 fg. u. ö. ; Unsterb-
lichkeitstrank, s. Amritam.
Uparicara (Vasu) 754 fg. 758 fg.
IM fg.
Upacruti (Göttin der Erhörung)
ML
Urelemente, acht 479.
Urgeschlechter, vier 574.
Urmaterie, Urnatur, s. Prakriti.
Uttamaujas 33.
V.
Vadavämukha (Xäräyana) 810.
Vaicampäyana (Schüler des Vyisat
erzählt dem Janamejaya beim
grofsen Schlangenopfer das Malä-
bhäratam 4 fg. u. Ö.
Vaicvänarafeuer 1KH',.
Vaicya, die dritte Kaste, s. d.
Vaikhäuasa 376.
Vaitaranl (Höllenflufs) 695.
Väjapeya-Opfer 532.
Väuaprastha, Waldeinsiedler, dritter
Äcxama (s. d.) 375 fg. u. ö.
Vaaishtha 500.
asor dhärä 766.
Väsudeva 64 u. ö. ; s. Krishna, Vyüha's.
Väyu als Psychopompos 412,
Veda, von den Dämoneu geraubt 835;
Veda und Lehrsystem 620; Veda-
polemik 2341 fg. 254. 324, 4^
449 fg. 670j s. Cruti.
Vedänga's (Hilfsschriften des Veda,
vgl. Qikshä, Jyotisham, Xiruktamj
195 u. Ö.
Vedänta (= Upanishad, später Name
eines Systems) 24 u. iL
Vedasütram 789.
Vergeltung 557.
Verwandtenheirat getadelt 679.
Vigesha't (Unterschiede, im Mah&bh.
die spezifischen Qualitäten der Ele-
mente) 611, 626, 629. 643. 645.
913, ML ÜÜL 99_4j vishaya =
vifesha 247.
Vicvarüpa als Götterfeind 804 fg
Vicvävasu (ein Gandharva) 662.
Vidarbha'8 (Volksname) 472.
Vidura 3. fg.
Vikarna 34.
Vlrabhadra oJiL
Viraj TM,
Viräta 33 fg.
Vishnu (ursprünglich der „wirkende 4 *
Sonnengott), im Mahähh. meist
die oberste Gottheit, identifiziert
mit Näräyana, Krishna (Väsudeva),
Index bemerkenswerter Namen und Hegriffe.
1007
Kshetrajna und gelegentlich mit Werke t> I 5 fg. 'i">?
(,'iva 817; mit ihm kämpfend 81H. Wiedergeburt Iii fg. ; vgl. Seeleu-
^«'>9. 4SQ fg. ; als Zwerg •235; als Wanderung.
Eber 242 ; als Eber. Mannlöwe (804), Winde, sieben liiitL 724 fg. ; der siebeute
Äditya. Parac,u-Käma, Käma 777 ; t>< >4.
als Vrishäkapi 813.. 821»; — Jlva
840; = Purusha und Prakriti 83i.
8G1 ; vgl. Vyüha's.
Vivasvaut 50,
Vorzeicheu, unheilvolle 658 fg.; vgl.
Tod.
Voll haariger \ke$aca = Krishna) 3iL
43. 45 usw.
Vrishäkapi, a. Vishnu.
Yrishni 3jL
Vritra fiKS fg. 49Ji fg. 8IÜL
Vyäsa (Krishna Dvaipäyana). Sohn
des Paräcara von der Satyavati
(Gandhavati), Vater des Tuka, Ver-
fasser des Muhäbhäratam (s. d.) 74.
333 fg. lüäfg. ; seine meuschliche
Genealogie 85»; Beine frühere
Existenzform s. Surasvata Apäntara-
tamas ; seine Schüler ( Yaic,ampäyana.
Jaimini, Paila, Sumantu uud (,'uka)
llö. 131h 85AL
Vyühaa, die vier Entfaltungen des
Vishnu als Väsudeva (k.she(rnjna).
Sankarshana (jim). Pradyumna
(manas), Aniruddha (ahankdra)
82«». 846. HÜLL
w. I
Wahrnehmung 273.
Wahrheit 2U2 fg.
Waldeinsi»'dler, s. Vanaprastha.
Wallfahrten, überflüssig 4M,
Waaser, seine Verunreinigung ver-
boten 507.
Weiber, verachtet 255 fg. ML 2QÜ,
905; zum Yoga berufen 3ftL 394 :
zum Studium zugelassen 533.
weifse Männer (Hewohner von £veta-
dvlpa) 82^
Weltschöpfung L15 fg. : Weltvcrnich-
tung646fg. 773. H34. 1*00 ; vgl, yugam.
Wissenschaften 240.
Wortbrahman Ü2. 331L 11511 35JL 3iÜL
Wunder, bei (,'uka's Flug TAI fg.
Y.
Yäjüavalkya belehrt den Janaka
042 fg. ; empfangt ton der Sonne
den weifsen Yajurveda Gl>U.
Yama (Höllenfürst) 5. MEL
Yäska | Verfasser des Niruktam i 8_L1 fg.
Yayätt 1LL
Yoga (Anspannung), L die Methode,
durch Verinnerlichung i Vertiefung
in das eigene Selbst) mit dem Atman
(Brahman) eins zu werden; 2, die
Yogapraxis,später Name eines philo-
sophischen Systems ; 3. Yoga = Yogin
(Anhänger des Yoga) 41. 13. 55.
5* fg. 1*1 fg. 212. 242* 8ÜIL 935 ;
qualitäthaft und qualitätlos 655 fg. ;
Yogakraft 593 fg.; Yogamacht 708 :
Yogapraxis Iii.. (>24 fg. <>55. III ;
Yogaverzückung Ü25_; Yogavoll-
kommenheiten . acht > j.'>5 ; Yoga-
j Zauberkunst t>74; Theismus des Y.
üii2; Yoga bezw. Yogin 4iL 5L
! 58. 52 fg. ; wo er hineinfahren kann
597 ; seine Nahrung und Kleidung
52iL ÜÜl
Yudhämanyu 33,
Yudhishthira (ältester Sohn desPändu)
31 u. ö.
t/ugain 23»>. 448 : und Ä/i/;xi 610.
Z.
Zeit, ihr Rad 973; ihre Einteilung
333 fg.; vgl. Käla.
Zeugung 894 fg.
Zorn 116.
Zweckloses Tun das höchste 953.
ZITATEN -INDEX.
Kipveda:
1,154,5
21
3,62,10
970
6,16,1
801
7,33,11
609
10,90,3
497
10,90,«
908
10,90.12
573
10,90,15
IM
10,114,3-5
S-13
io,i;kj
25«
Aitareja- H rahm u natu :
Li aifi
7,13 374
7 13 fg. 562
Altareja-l panUliaii :
1,3,13 fg. m
2A fg. 512
Kaushitaki-Upanisbad :
a 9öi
Pancavin^a-
Ilrähmanaiii :
16.3.3 450
Chandoa-y a-Cpaaishad :
3,11,1 302
3.11.4 381
3,14,1 400
3,19 044
4.14,3 654
5,3-10 G9
5,10.1
5.1» fg.
6^3
6.3.2
M
6A1
6A1
6,10,1
IAA
7,25,2
8^1
8,3,2
8,6,6
*ufg.
8,12,6
8.13
8,15
Sil!
4:30
22, 25
381
613
3ii2
994
81s
Ifiä
342
43.47.185.396
3Q
304. 686
57'.*
4. m 922
r,
370
Kena-Cpanishad :
29 268
Talttirifa-Upanishad :
2 2üL 382, 280_
2,4 Iii
2£ 21
Katbaka-Dpanlshad :
2£ 5
2J H
2,15 fil
2.18 40. 482
2.19 40. 294
3,10 49, 3**
3,10 fg.
225, 3Ö3_
3,12
161
4,14-15
29
5,15
23
6,1.
2fi 22, 898
49
6,9
26, 28
6,15
5-37
6,16
579
6,17
19. 37. 354.
653. 900.
("TetÄ^vatara-
rpanisbad :
271. 892
350
8L 362, 522.
610. 6 902.
H5S,
L2
23
3,16
3.17
4,5
5j2
5.14
75_. 6JiL
81
613
Uli
•J9»
Maitr&janija-
Cpanlsbad :
Li 134
3j2 ßäi, 982
M 22Q
6,22 6^ 339
Yäjasanejri-Sainhita :
31,18 2L 22, 81
32,2 26S
uiyiuz
ö
Zitaten -Index.
1009
Brihadäranvaka-
Ipanishad :
19=»
»Iii:
1 Q 7
-)w 1
o' 'O
i a in
1,4, H »
».> A.
1 ,.», 1 1
1 ,.), H — 1_Q
7^1
O A IO
«)«■)
'-l 7
d i«
•XI
d,if,4
i). '.i
4,ö,b
ÖZo. .v>4
l ' \ i<l
-*,■>. lo
UUP»
o.iO
ü 7
tj.i. »
t ,t, 1 1 >
K7
4 i 99
1 29
1,4.23
älM
ru
21
5,9
906
•; ? u i
451
69
6,2,15
947
«,4,4-5
2dÜ
6,5,:}
Ü6Ö
t<ä-l panlshad :
i aaö
4 297
Atharvavcda:
11,4,21 21
11,8,32 523
Mundakn-lpanishad :
1,1,5 19a
2,2,8 54. 30iL 391
3.1.4 II
3.2.7 994.
3.2.8 280
1 rtt^Ilu*L |)UUlMlUU
•
«
6
994
6,3
600
Män<Jükja-Karika :
2.26
Ü31
Brahinabindii*
Upanisbad :
12
219
Manu :
1,6,7
897
1,10
798
1.12.13
644
1,29
:i:t7
1,65 fg. 331 fg.
1,74
»;io
2,87
35s
4.7-9.55
379
4,179-185
311
6,2
375
6,18.22-23
am
11,213
258
Harham a :
üOü fg. 334 fg.
Säükhja-Kärlkä :
12 897.
94H
23. 44-45,18
744
iü
951
Sankbja-Süträpi :
4,5
131
132
4,11
IM
4,12
IM
4.13
Ui
4.11
lül
Yogra-Sutrani :
1,41 583
2^3 114
2,30.32 527
Brahina-Sütrani :
I, 2.32 51
raiikarazu.3,2,10 UU
VedanUsara :
$ 99 Böhtl. 156
§ 124 „ 321
Bliäiravata-Puränam :
II, 9,2 131
Panlnl:
6,1.127 697
Piaton :
(iorgiasp.523E. 691
Phaedon p.60B. L13.
Er. Hattbaei:
5,23 590
5,29 1J5
6.2Q 696
10,14 112
Ev. Johannis :
4.14 430
8,57-58 5U
14.20 ^
(«alaterbrief :
3.28 7_li
Die»**, MahAbhlrttim.
64
101U
Stammtafel.
Digitized by Google
Von demselben Verfasser sind erschienen:
Commentatio de Piatonis Sophistae compositione
ac doctrina. Bonn, Marcus, 1809. 1 M. 20 Pf.
Das System des Vedanta nach den Brahma- Sütra's des
Badarayana und dem Kommentare des (,'ankara über
dieselben als ein Kompendium der Dogmatik des Brah-
manismus vom Standpunkte des (,'ankara aus. Leipzig,
F.A. Brockhaus, 1SS3. Zweite Auflage lOOtt. 8. Geh. 12 M.
Geb. 14 M.
Die Sütra's des Vedanta oder die Qariraka-Mimansä des
Badarayana nebst dem vollständigen Commentare des (,'an-
kara. Aus dem Sanskrit übersetzt. Leipzig, F. A. Brock-
haus, 1887. 18 M.
On the philosophy of the Vedanta in its relations
to Occidental Metaphysics, an address delivered before
the Bombay Brandl of the Royal Asiatic Society, the
2ö lh February 1893. Bombay 1893. One Ana. Leipzig,
F. A. Brockhaus. 10 Pf.
Zur Erinnerung an Gustav Glogau. Gedächtnisrede,
gehalten an der Christian -Albrechts- Universität am
11. Mai 1 s<>f). Kiel, Lipsius K Tischer, 18!>:>. fiO Pf.
Uber die Notwendigkeit, beim mathematisch -natur-
wissenschaftlichen Doktorexamen die obligatorische Prü-
fung in der Philosophie beizubehalten. Kiel, Lipsius
iV Tischer, 1S<>7. fiOPf.
Jacob Böhme. I ber sein Leben und seine Philosophie.
Rede, gehalten (in kürzerer Fassung) zu Kiel am s. Mai
18<>7. Kiel, Lipsius & Tischer, 1S<»7. f>0 Pf.
Sechzig Upanishad's des Veda, aus dem Sanskrit über-
setzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen.
Leipzig, F. A. Brockhaus, ist>7. Zweite Auflage \\H h">.
Geh. 2< » M. Geb. 22 M.
Digitized by Google
Allgemeine Geschichte der Philosophie mit beson-
derer Berücksichtigung der Religionen (2 Bände in 6 Ab-
teilungen).
Erster Band, erste Abteilung: Allgemeine Einleitung und
Philosophie des Veda bis auf die Upanishad's. Leipzig,
F. A. Brockhaus, 1894. Zweite Auflage 1906. Geh. 7 M.
Erster Band, zweite Abteilung: Die Philosophie der Upa-
nishad's. Leipzig, F. A. Brockhaus , 1899. Geh. 9 M.
Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. Mit einem
Porträt und drei Briefen in Faksimile. Leipzig, F. A. Brock-
haus, 1901. Geh. 2 M. 50 Pf. Geb. 3 M. 50 Pf.
Die Elemente der Metaphysik. Als Leitfaden zum
Gebrauche bei Vorlesungen sowie zum Selbststudium zu-
sammengestellt. Dritte, durch eine Vorbetrachtung Über
das Wesen des Idealismus vermehrte Auflage.
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1902. Geh. 5 M. Geb. 6 M.
(Englisch, London, Macmillan & Co., 1894. Fran-
zösisch, Paris, Perrin et Cie., 1899.)
Outlines of Indian Fhilosophy. Bombay 1902. (Indian
Antiquary.)
Discours de la Methode pour bien etudier Thistoire
de la Philosophie et chercher la veritä dans
les systemes. Paris, Armand Collin, 1902.
Der kategorische Imperativ. Rede. Zweite Auflage,
Kiel , Lipsius & Tischer, 1903. 50 Pf.
Erinnerungen an Indien. Mit einer Karte und sechzehn
Abbildungen. Kiel u. Leipzig, Lipsius & Tischer, 1904.
Geh. 5 M. Geb. (5 M.
Digitized by Google
Digitized by Google
THE RORROWER WILL BE CHARGED
THE COST OF OVERDUE NOTIFICATION
IF THIS BOOK IS NOT RETURNED TO
THE LIBRARY ON OR BEFORE THE LAST
DATE STAMPED BELOW.
B00
L
üiiiiiraüsmii
3 2044 051 093 870