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TI 337
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914
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BÜCHER 1
SAMMLUNG
»
Umon©eutfd}e 13 erIagögefeU|'ci)aftinStuttgat:t, 25 ei:lin,geiv 3 ig.
Das überfeeifcfye Deutfcfylanb.
Die beutfcfjen Kolonien in tDort unb Bilb.
■ (^ujeite, ocrme^rte Auflage.
©earbeitet uoit .iiauptmanu a. 2>. dritter , ©rof. Dr. SS. Sobe, f&einrirf)
Sciöel, Dr. ^raiu '.Heinecfe, SMrtl. ?lbmiralitätbrat Dr. Sdiramcier,
Dr. Cbft, ©rof. Dr. 9t. ©ttttner, Sireftor <£. t>. ©etf.
ÜJlit 22 ctit= unb nteljrfnvlHgen harten, 23 ganjfeitigcn Unfein
unb 250 Stejtabbilbungcn.
\ 3roei elegante Seinenbnnbe. $ßrei§ 15 3)tnif.
. j
„Sa8 iibcrfeeifdie Seutfrfilnub" ift fiiv ©eftörbcu, ASolouinlßcfcairiiaften
unb »oereinc, ©ibliotbefcn unb Welebrte, SJii litäre, bie Urportinbuftric, ben
.Oanbeleftaub , bie ©reffe, bie ©tiffionCßcfeUfdjnfteit, für uitferc umrferen
Ihilturpiunicre mtb bereu Slußeljüriße von bermmaßcnber ©ebciitunß. ,}bncn
nUcn mirb c8 a!8 ein auf ber -C>öf)e ber3eit ftebenbec nutbentifdicc 9tarf)=
fdilaßcmcrf ßute Sicuftc leiften, ben (Xebilbcten nfler Stäube will ec in
anfliebenber '.Seife bie iittereffan te McmttniC bec .ttulturftanbce nuferer
Kolonien »ermitteln. Sic einzelnen Slbfdjnitte finb »on betuorraßcuben
ISenncrtt non Vmtb unb Leuten oerfnfit; bie Porten enthalten bie ncueftett
©rmitteluiißen. (ilönißsberßcr ültlßcm. 3cituuß.)
3u l?abcn in allen Sticfytyanblungen.
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I
Ittforrtf fr in ber -efbliotf>*r der Unterhaltung und de« tDllfene’ flauen infolge
VtlfCAUi* fa^gemä^er Derbreihmg in allen S<f)ld}tcn ber BeoöTherung bauembe
tDirhungshraft. ©egen ber 3nfcrtionspreife, insbefonbere ber pretfc für torjugefeiten,
roenbe man |id) an bie flnjeigengejdiäftsitclle der „Bibliothek ber Unterhaltung unb bes
UMfieus" in Berlin SW 61, Biüd)crilra&e 31.
Infantina. i
(Di. Theinhardrs Kindematirung.)
Zuverläliiger Zuiatz zur verdünnten Kuhmilch für die Ernährung
der Säuglinge ln gefunden und kranken Cagen. 3n pielen Elrzfe. y
familien, Säuglingsmilchküchen, Krankenhäulern uiw. ieit über A
24 3ahren Händig Im Gebrauch.
— Preis der V« Büchfe ä 500 gr. IR. 1.90. -
11B. Ehe eine ITlufter zur kflniflichen Ernährung übergeht, leie lie die von der
Dr. Chelnhardfs nahrmiltel.Selellichaft m.b.ß. Stuttgart-Cannftatt herausgegebene
und in den Verkaufszeiten gratis erhältliche Brolchüre: »Der Jungen lllutter
gewidmet", welche viele praktilche Winke lür die rationelle Pflege und Ernäh-
rung Ihres Lieblings enthalt.
Wohllchmeckend. — [relchtverdaulich. - Billig.
Beltgeeignetes Frühftücks- und Abend-
getränk für Gefunde und Kranke Men Hiters. Pon eriten y
Srzten Ieit über 24 3ahren als vorzügliche „Bereicherung der Kranken- A
kott" gefchätzt und uorzugsweiie verordnet. 1
— Preis der */» Büdiie ä 500 gr. III. 2.50. — I
i Hygiama-Tabletten.l
I Gebrauchsfertige Kraftnahrung. I
I für Sporttreibende, Cheaterbeludier und alle Diejenigen, welche A
T nicht regelmäßig zu ihren üblichen ITlahlzeiten kommen, von ganz |
Y beionderem Wert.
A Preis einer Schachtel mit 20 Doppeltabietlen m. 1.—. £
I = Vorrätig in den meiften Apotheken und Drogerien. = I
I ÜB. man verlange die von Dr. Cheinhardt’s nahrmiltet-SelelllAaft m. b. ß. A
T Stuttaart-Cannltatt herausgegebenen und unter Berufunq auf die .Bibliothek der y
X Unterhaltung und des Willens" gratis erhältlichen Brolchüren 1
T „Ratgeber lür die Ernährung in geiunden und kranken Cagen» J
j und „Bugiama-Cabletten und ihre Perwendung"! J
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Äör^er4)ftc(jc
bebingt
©efunbpeit
unb fanget £e=
ben, erhält bie
Energie unb 6pann--
fraft, bie £>aupf=
faftoren für ba$ heutige
nnrtfcpaftlicpe ^ortfommen !
@htc rationelle
Säiilirfj 1 /+$tüutirf)eu8anajr= s I) l iapfle
ift bie befte unb bequemfte Körperpflege, feftigt
©efunbpeit unb Körperhaft, beugt ber ©nt--
rt>icftung non Kranfpeiten nor unb entfernt
eftoaige Kranfpeitäftoffe unb franfpafte 2lb=
lageruttgen au$ ben ©etoeben. Q33er fiep gefunb
erpalfen n>iü, mufj für bie 6anay--3fta|fage
7 4 6tünbcpen täglicp erübrigen.
3u belieben burep alle ©efepäfte,
□ u>o obige q3lafate ausliegen. a
Sonax-FabtlK: BERUH N. 24, Friedrichstr. 131 ü.
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Twin Cities Campus
der Unterhaltung
und de« ÜM0en$-
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I
3u bet grjäljlung „91c!lame mufe fein!“ ton 28. ©wnoiUe
©cfmiibt. (<S. 14)
Original3eicf)nung pon £f>. 23olä.
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7 $
ibüotbcf
der Unterhaltung
und dea U)tfjen$~
mit
(Drigmalbeiträgen
der hrroorragendflen
ScfjrififteUer und belehrten
foroie 3ablrei<ben
3Uuftrationen
<*>
Jahrgang 1914 ♦ Jroeiter ßond
Union Deutf<f)e tterlagsgcfeUfcbaft
Stuttgart <• Berlin ❖ ieipjig
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Gopyrigt)* 1413 bp Union Ocutf<i)c EcrlngegcfeUfoaff in Stuttgcrt
ürutf der Union &cutftf)s öcrlagsgcfcüiihaft in Stuttgart
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>./•*- t >, c i 5
kn-^bo- 1
Inhalte - üerjenftnis.
Kcflame mufj fein!
®inc ©auncrgefcfcic^te pon 2B, ©ranpiüe @c|>mibt.
Siit Silbern pon $f>. Solj 5
Kupplerinnen.
©er Vornan eines Leutnants. Son £orjt Sobenier
(Sfortfe^ung) 20
X>Q0 6äugling0beim in ft>ei 0 enfee.
Son Dr. %t. ^dritter. 9Hit 7 Silbern 83
Hegenidplle.
StopeUe ron 9?ubolf Kleinere ........ 94
titeln $ri0(p.
2lbenteucr eines ©renäoermeffers in 2llasfa. Son
Senno 2tlepanber. 3Kit 11 Silbern ..... 130
3 *»if<ben den 6 tunden.
3Tö 4> einer toasten Scgcbenl>cit crjä^It pon 4). Schobert 1 49
$rücf)te, die der fterbft bewert.
Son S. £albp. 2Hit 14 Silbern nacf> Originalauf-
nalnuen bes Serfafjers 192
Mannigfaltige©:
©ie Unglücfsfal;rt bes „Septun" 210
©as 2left ber Rronprinjeffin 215
Sine ^elbbienftü'umg bes cnglifctjcn freitpilligcn
^rauenfanitütsforps 217
SÜJit 2 SBtirei-n.
©elungene £ift 219
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4 3nt>alts-93cr3cid>nie. ö
Seile
S>ic grüne im geben bcs Rin bcs . , , , « . , 221
gkrbtecfretifdier Seicfrenbanbcl 224
33etpiefener Ginflufo 22 5
Gin tpitlfamcr gnjialationsapparat 226
9)iit 3 ©iltcrii.
S)ic Scfrtpurfingcr 229
©efälfcfrte unb geborgte fronen 250
Sonbetbate Gier 232
SSie bic gftarotfancrin ifrren 9Kann feffelt .... 254
Slutomobilreifctpagen 234
9J?it SBilb.
„Sic ftarb am gebrodenen ffer^en" 236
Gejcfeüftsgrunbfäije bcs 9Rittclaltecs 238
23otn Gr^er^cg Rainer 239
38as ben grauen perjagt ift 239
S>ie tönigiiebe fhtfr 240
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♦
RcHomc muß fein!
(fine 0auncr0efd)id)te oon tö. 6ranpillc 6d>midt.
ITiit ßildcrn oon *
51). Ü0I3. incdjörutf cerbottn.)
0 0, bas Jütten u>ic hinter uns! Slcfjtjelm Monate
in biefent haften nehmen bod) bös mit."
©er (Sprecher, ein ungefähr breißigjätmiger SHann
mit fdjeuem SMid unb pcrfd)lagcnen ©cfidjtsjügen,
warf noch einen haßerfüllten Solid auf beti büfteren
Soadfteinbau bcs 3'-'nttalgcfängniffes unb 30g bann bie
febmere cifernc Slusgangspfortc hinter fid) ins <Sd>loß.
6cin jüngerer ©efährtc nidte unb entgegnctc in
einem Slnflugc oon ©algenhumor: „S 3 orteill>aft f>abcn
mir uns jebcnfalls nid;t oeränbert. ©u fictjft im (Scficht
u>ic eine 2Dajfcrleid;c aus, unb id), als f)ätt' man mief)
eben aus ber SKcßltifte gejogen. ©einen 6pißnatnen,
ber ,fchöne Stbolf, oerbienft bu n>ahrt>aftig nid)t met)r.“
©er anberc faß ingrimmig an feinet fdüotternbcn
fölcibung l>inab unb brummte: „S3ier3ig ^funb t>abc
id) miubeftens abgenommen. Unb in biefer S^luft tonnen
mir uns in ber 6tabt nid)t fetjen laffen. SBir müffen
uns por allen ©ingen neu cintleiben.“
„SZee, oor allen ©ingen moebt' id) anftänbig effett
unb mein ,©incr' fclbft beftimmen."
©er Siltere lad;tc raut) auf, ermiberte aber nidjts.
6d)meigenb fdoritten fic ben ftaubigen ^elbrneg ent-
lang, ber nach ber 0tabt führte.
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SRe Harne mufj fein!
mit innerer Befriebigung feft unb jupfte fid>
noch einmal bie Söefte feines mausgrauen Kadett-
anäuges jured>t.
2lud> ber jüngere machte fiel) ganj oorteühaft in
feinem neuen ©ommeranjug. Bon Seit ju Seit ftreiften
feine Blide wohlgefällig bie fefjarfgefniffte Bügelfalte
in ben Beinfleibern.
Sine Gtunbe fpäter oerliefjen bie beiben ©enoffen
neueingefleibet ein £röbelgefd?äft in ber Borftabt.
»3<h fühle mich wie neugeboren,“ ftcllte ber„fd;öne
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Bon 23. ©canoille ©dnmbt.
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„TBie’n ©raf!“ fpöttelte bereitere, ber bie©itelteit
feines Begleiters tannte. ©mfter merbenb fügte er
tjinju: „Bim ift mein Bermögen aber auch mächtig
jufammengefchmolscn. SBenn mir nid>t halb tt>as
,brehen' tonnen, fitjen mir auf bem trodenen!"
„Sich mas! 3et}t mollen mir erft einmal ba brüben
in bie Söcinftube. SKir ift ganj fd^maef». ©as macht ja
mof>l bie ungemolmte Freiheit. ©ine Bulle Söein tonnen
mir uns fd>licßlid> jur freier bes ©ages nod) genehmigen.
2Bir tönnen ba gleich ungeftört über unfer näcbftes
©efd)äft fprecf>cn."
©er „fdjöne Bbolf“ 30g mißmutig bie0dniltern hoch,
folgte aber bod; feinem jüngeren ©enoffen über bie
0 trafje. Bor bem Sofal mufterte er fid; nod) einmal
fdmellen Blides. ©ie ©emifobeit, gut getleibet 3U fein,
gab ihm fdmell bie alte, im ©efängnis ocrlorene 0id>er-
t>eit mieber, unb mit einem herablaffenben ^opfneigen
ermiberte er ben ©rüg bes Kellners.
Behaglich liefen fie fid> in einer oerftedten ©de
auf bem ^lüfdjfofa nieber, unb als ber 2Bein oor ihnen
ftanb, leerten fie bas erfte ©las oergnügt auf bie micber-
gemonnenc Freiheit.
©ine SBeile faf$en fie fo in flüfternbem ©efpräd), als
3mci fet?r elegant getleibete Herren bas fiotal betraten.
2lugenfd)einlid> fdnenen fie in ber SBeinftube betannt
3U fein, benn ber eine Staber felbft begrüßte fie fcl>r
entgegenfommenb.
©ie Herren nahmen in einem Berfd>lag neben
bem bie beiben ©enoffen fafcen. ©ort unterhielten fie
fid) siemlid) laut.
60 erfuhren bie Saufchenben balb, baf} ber eine
£err fein ©eringerer mar als ber berühmte ©eigen-
oirtuofe Bittot 3 fuw. Sein Begleiter mar 5meifello&
fein gmprefario.
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9tcflame mufj fein!
Anfangs horchte ber„fchöne 2 lbolf“nur gewohnheits-
mäßig; aber plötjlid) ftclltc er fein SBcinglas geräufd;-
los niebcr unb ermahnte ben ©enoffen burd? einen
warncnbcn 33licf, ftill ju fein, benn bic Unterhaltung in
ber 3tcbenbop nahm eine unerwartete 58enbung.
33iftor 3faro fchien fchlcchter Saune ju fein. ©eine
Stimme t>attc einen grämlichen Klang, als er, ju bctn
3 ntprefario gewanbt, meinte: „ 3 d> hin gar nicht recht
&ufrieben, mein lieber Sanbsfp. ©as porige Konjcrt
war oicl beffer bcfudrt. damals waren fd>on am Sage
oor meinem Auftreten alle Karten ausocrfauft, biesmal
waren' s faum fechshunbert. ©S ift, als ob bas 3 ntercffe
bes ^ublifutns für mich erlahmte."
©er ^mprcfario rieb fich finncnb bic ©tim.
„ 3 a, ©ie fmbcn recht. 2 Dir tnüffen mal wieber
etwas ausfinbig machen, bas 3 h rcn kanten wieber mehr
in ben 2 Runb ber Scute bringt, ©o ein fleines ©en-
fatiönd)cn formte abfolut nicht fchaben. Voriges gahe
hatten wir ja bic ©ache mit ber ticinen Slmerifanerin,
bie ©ie wegen 23ru<h bes Sheperfprcchens auf eine
halbe Million ©chabcncrfah ocrflagte. 33ot jwei 3alwen
bie ©uellgcfchichtc. 3 «, ja, ich fage immer: 9teflame
muß fein!“
23iftor 3l*aro winftc ungnäbig ab. „©er ©chwinbcl
hat mich Selb genug gefoftet. ©rft gab ber Kerl fich
mit fünf blauen Scheinen jufrieben, unb nachher oer-
langtc er noch weitere fünf unter ber ©rof>ung, es fonft
in bic treffe 511 bringen, baß bas ganje ©ucll nur eine
pon mir in ©jene gefctjtc Komöbie war unb baß wir
mit ^piatjpatroncn gefchoffcn haben. — Stein, Sartbsfp,
eine etwas originellere Steflarne müßte es fdron fein,
etwas ganj Steues, bamit fein 33erbad>t erwedt wirb."
©er 3 in P cc fario ftarrtc nachbentenb in fein ©las.
©annfagteer: „Schon — fallen ©ie haben. 28enn nicht
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Sou 28. ©ranoillc 64>miöt.
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morgen bie ganje Stabt oon 3f>nen fpricf)t, bann rnill
id) — id) molltc fagert, bann foll mein befter greunb
auf ber Stelle tot Umfallen!"
„Sdncfjen Sie los, £anbsfp! Sic miffen, ©elb fpiclt
bei mir feine 9?olle."
£anbsfp nat)m einen tiefen gug aus feinem ©lafc.
„Sic miffen bod), toas für einen 2lufruf)r cs gegeben
f>at, als bie ,9Jlona £ifa‘ geftoblen mürbe. 9Kit einem
Schlage mar ^aris unb ber fiouorc in jebermanns
2Runb. 2Bas meinen Sic nun, menn 3l>nen plötjlid)
bie ©eige abljanben tarne, 3l>re berühmte Strabioari,
auf ber jd>on ^aganini gefpielt t>at? ©as märe eine
Scnfation allererften langes. ©ie treffe mirb ben
ftall bearbeiten, in ben $affeel)äufcrn mirb man oon
nid)ts anberem reben — furj unb gut: Sie bilben bas
©agesgefpräd).“
©er 23iolinoirtuofe f>ob entfett bie £>anb: „2lber,
befter Sanbsfp, mcld)e mabnfinnige 3bce! 9Keine
33iolinc follte id) mir ftctjlen laffen? 27lcine Strabioari,
bie einfad) unerfetjlid) ift, für bie mir ^ierpont Morgan
fofort eine Million ©ollar in bar auf ben ©ifd) jaulen
mollte? — 9lein, id) begreife einfad) nid;t — "
„33ercl)ttefter, moju bie Slufrcgung! 9?atürlid) foll
bie ©eige nur jum Schein geftof)len merben. $örert
Sie mid) an. %d) fennc t)ier in ber Stabt einen ^ilm-
fabrifanten, ber Slufnaljmen für S?inematograpl)cn-
ttjeater liefert. 2ltt ben menben mir uns oertrauensooll.
©r mirb uns ein paar als ©inbred)ct oerflcibcte OTit-
glieber feiner ©ruppe fcf>icfen, unb Sie fönnen fid)
barauf oerlaffen, bafj bie Seute ben ©inbrud) bis ins
fleinfte täufd)enb infjenieren merben. ©r l)at nur be-
mährte Kräfte, auf beren ©l)rlid)feit unb ©efd)ictlid)feit
mir* uns oollauf oerlaffen fönnen. Somie bie ^3feubo-
einbredjer bie ©eige im 33efit$ fmben, merben fie fid)
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9?eflame taufe fein!
□
mit if>rer 23eute ju §errn 53angelon> begeben, unb pon
bort fjolen mir fie ju gelegener Seit tpiebet ab. (Ss
Reifet bann eben, ein pon uns engagierter ^ripatbetettip
t>at fie tpieber aufgefpürt, aber ber 5>ieb f>at fie, ppn
©etpiffensbiffen gepeinigt, anonpm jurücfgefanbt, nad;-
bem er erfahren, tpeldjem gottbegnabeten Zünftler fie
gehört. 2tUf>t roaf>r, ber ^lan ift famos unb ofme
91ifito?“
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Von 33. ©tanoille Schmibt.
□
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„Sie finb ein ©enie, üanbstp t" tief Qfaro begeiftert
unb fd)entte neu ein. „28ahrf)aftig, bas wirb eine Sen-
fation werben, unb id> werbe mit meinet ©eige einmal
wieber bas £agesgefpräd). ©ie fieute toerben allein
fd;on beshalb in gellen Scharen tommen, um ju l>ören,
ob id> mein 9?eferoeinftrumcnt ebenfo beherrfd>e. Söiffen
Sie was — meine ©l>rengaben oon ^ürftlid>fcitcn
muffen mit 3l>re famofen ©inbred)er and; nod; ftef>len.
©ie Sifte bet geftohlencn Sachen wirb ja in allen Sages-
jeitungen unter2lngabe bes Sdjentcrs oeröff entlieht wer-
ben. ©ann wirb bas ^3ublifum bod> einmal wiebet baran
erinnert, bafj mir ber 0ar eine foftbare Uhr, bet J^önig
oon Spanien eine wunberoolle Vufemtabcl unb ber
Sultan einen prächtigen ©iamantring ocrebrt haben. ftd)
fann ja meinen Schmudfchrant offenftehen laffen, ba-
mit bie ,©inbred>et' nid;t ju oiel 3eit oerlicrcn.“
„91ein, es ift beffer, wir ocrfd^liefjen bie Sad;en.
©as Schloß ift ja fetjr leid;t herausjunehmen. 2Benn
nid)t ein bischen ©ewalt angewenbet wirb, Jönntc es
leicht Verbaut erregen. 3h rc »ft übrigens oor-
jüglich.“
„Sd;meichler!“ entgegnete ftfaro lächelnb unb fuhr
bann eifrig fort: „Natürlich müffen wir biefen ^lan
unocrjüglid) ins 3Bert feijen. 3cf) brenne barauf, wieber
2Rittelpuntt su werben unb bie £eutc reben ju machen.
— 28artn fann bie Sache alfo gemacht werben?“
„9Zocf> morgen in aller grühe, bamit fchon bie
9Korgenjeitungen berichten fönnen. Vielleicht wirb gar
ein ©jctrablatt erfcheinen." ©er Qmprcfario rieb fich
fchmunjclnb bie £änbe, ehe er fortfuhr: „ftch geh^
noch I?cute nachmittag ju ©irettor Vangelow. 3a>ei
fieutc ftehen uns immer oon feinen bewährten Kräften
jut Verfügung. So äwifchen oier unb fünf Uhr morgens
finben bie meiften ©inbrüche ftatt r benn um biefe 8«ü
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9tellame muf} fein! □
fd;lafcn t*ic 9Renfcben am tiefften. ©s genügt u>obl,
u?cnn bie beiben Seute um t>alb aber ein Viertel fünf
tommen. 2Bir oerfteden uns normet im fleinen ©arteu-
heiuseben. 23on boct tönnen mit bie ganje
ber 53illa überfeben, unb 0ie tönnen fid) bucd> bett
2lugcnfd)ein überzeugen, uüc gcroanbt bie £ cute arbeiten.
0otoie bie ,©inbrccbcr‘ oerfdnounben finb, oerlaffen
u>ir bett ©artenpaoillon, begeben uns ins $)aus unb
legen uns jur 9tul)C, als ob nichts paffiert fei. SGDenu
bann bie S>icnftboten um fcd;s jutn 9lcinmacbcn
tommen, werben fie uns febon toeden. 5llfo, abgemacht:
bie ©eige follen fie bolcn unb bie ©cfd)ente ber ftürft-
lid;Eeitcn ! ftd) toerbe £jerrn 33angeloa> nod; inftruieren,
baf$ feine Seutc bas 0d)lo$ oont 0ilberfcf>ränfd)en nicht
fprengen unb baburd) ben ganzen 0d>rant oerberben,
fonbern baß fie es möglicbft glatt f)erausftcmmcn.“
„teilen 0ic bem §errn aud) mit, bafe id) bie ©eige
unb ben 0ilberfd)rant im 23altonjimmer beiaffen null,
batnit bie Seilte nid)t mit0ud)en juoiel Seit oerlieren,“
toarf 3faro ein.
„SSirb alles gemacht! 0ie follen fd;on mit mir
jufricbcn fein," t>crficf>crte ber ftmprefario fiegesgeroig.
„0ie follen feben, ber ©rfolg mirb enorm. 2üie gefagt,
meine §>et>ife ift: 9tetlame mufj fein!"
©leid) barauf jaulten bie Sperren unb oerlieren bas
Sotal.
2lud) ber „fd)önc Slbolf“ tointte ben Kellner heran,
unb toährcnb er bie 8ed?e berichtigte, t>c*vcbtc er ben
jungen 92tenfcf)en gefebidt über bie Sage ber Sfarofcben
33illa aus.
3lls bie beiben ©enoffen ins ftreie traten, fallen fie
fid) mit oerftänbnisinnigem ©rinfen in bie Slugcn, unb
ber jüngere meinte: „£>u, id; glaube, bie ftlafd)c 2Bcin
macht fid) be&al)lt. — ftd; bin piinttlid; ba unb toerbe
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93cm 28. ©ranpillc Scfmiibt.
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noch t>cute abenb telephonieren, bamit toir freie 23ahn
hoben.“
©inen feften ^önbebruc! toecbfelten fie nod;, bann
trennten ficf> ihre SSege.
* k
*
S^urj nach oier Ht>c morgens Hopfte ber ^mprefario,
ber bas ^rembenjimmer in ber Sfarofcben 33illa be-
wohnte, an bic Scblafftubentür bes 33irtuofcn.
23ittor 3faro öffnete ihm oerbrießlid?. „geh habe
eine red)t unruhige 9Iad?t gehabt, mein lieber fianbstp.
Sie ipiffen ja, wie neroös id; bin. 2Bcnn nur alles
orbentlid) Happt!“
„Steine Sorge!“ tröftete ber ^mprefario. „©in
Heiner 9lcrocntihel lafct fid> nicht oermeiben. ©rofec
©reigniffe roerfen eben ihre Schatten ooraus.“
©r lachte fclbftgcfällig über feine ©emerhmg unb
fd;ritt bem Zünftler leife ooran bie breite kreppe oom
Oberftocf hinab. Unten öffneten fie geräufcblos bie
Haustür.
©s toar Spätfommer, unb braunen anirbc es eben
erft bämmerig.
ftröftelnb traten fie in ben Vorgarten hinaus unb
eilten nach bem He inen ‘■paoillon, ber hart an bent
©ittec lag, bas ben ©arten oon ber Strafe trennte.
Slls fie bie fenfterlofe ©ür hinter fid; sugejogen hatten,
ftelltcn fie fid> an bas toinsige ooale Seitenfenfter auf
ihren 33eobact)tungspoften. 33on hier aus hatte man
bie fjront ber 33illa gerabe oor fich unb tonnte bas
23altonjimmer 511 m £cil überfeben.
Reichlich eine 53iertelftunbe oerging, bic ben Jjatrcn-
ben ju ©toigteiten tourbc, ba tnarrtc leife bie ©arten-
pforte, unb jioei Scanner betraten ben fticstoeg. 2 ln bem
paoillon oorbei gingen fie.gerabestocgs auf bas fjaus ju.
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14
9teflame mufe fein!
□
„51 ha, enblid)!" feufjte gfaro.
„5tun paffen Sie nur gut auf!" mahnte Sanbstp.
„Sie werben ghr SBunber erleben, wie bie Seute
llettern tonnen."
2 Birtlid> entwidelten bie beiben Männer eine fabel-
hafte ©efd>winbigteit. ©er größere pon beiben tlettcrte
auf bes ©enoffen Schulter unb oon ba, bie SÖtauer-
porfpriinge benütjenb, auf ben 33alton im erften Stocf.
21u8 einem Sad, ben er bei fid; führte, halte er eine
Stridleiter herpor unb befeftigte fie am ©elänber.
geht flomm auch ^er Surücfgebliebene mit Seicbtigteit
hinauf*).
Sad;gemäf$ brüdte ber eine einen mit Seife be-
ftrid;encn Sappen gegen bie Scheibe ber 33altontür,
bis bas ©las mit leichtem Stiftern barft unb bie Splitter
an bem Sappen hängen blieben.
©ann perfchmanben bie beiben im gnnern bes
3 immers.
gfaro hatte ben Vorgang mit gefpanntefter 2 luf-
mertfamteit perfolgt, „gabelhaft," lobte er, „wie bie
S^crle gefdnpinb unb geraufd?los 31 » SBerte gehen!
53effer batten profcffionclle ©inbrecher es auch nicht
getonnt.“
„3ta ja, hab' id/s nicht gefagt !" triumphierte Sanbsfn,
ber fich fchon im 23efit$ einer fürftlid;cn Belohnung
für feine fmarte 9tetlameibce fah. ^lo^lid; jueften bie
beiben 33eobad;tcr jufammen. ©in febweret Schritt
näherte fid> auf ber Straße, unb tpenige 5lugcnblicte
fpäter flinttc roicbcrum bie ©artenpforte.
„O web, bas ift ber 2 Bäcbtcr !" ftöhnte gfaro. „geh
habe pergeffen, ihn geftern abenb abjubeftellen. SBcnn
er bas jertrümmerte genfter fieht, fd;lägt er Särm unb
*) 6icbc bas litdbilb.
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23on 23. ©ranoille ßdjmibt.
15
bringt uns bamit in eine fatale Sage. (£s Ijilft nichts,
a>ir müffen if>n eintveiben, tnenn and) nod> ein blauer
Sappen flöten gct>t.“
3n biefem Slugcnblid l>atte ber 5öäcf>ter and) fd>on
bie fd>eibenlofe 33alfontür bemerft. Sr säuberte unb
machte bann OTiene, auf bas £aus sujueilen.
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16
9tetlamc muß feilt! □
©efdtminb ftedte ber Qmprefatio ben $opf jur ©ür
hinaus unb minttc ben 9?lann burdt einen leifen 2 lnruf
Iteran.
©er machte ein redtt einfältiges ©cjidtt, als ec Sfato
felbft gemattete; aber als ber iltm in S^ürjc ben maltrcn
©admerftalt mitteilte unb iltm ein blaues papierenes
©dtmcigegclb in bie £>anb brüdte, molltc er fidt föniglidt
amüfierctt unb ftcllte fidt ebenfalls mit ans fünfter.
8 eftn Minuten pergingen, ba tauchten bie beiben
©inbtedtcr mieber im Türrahmen auf. ©er eine trug
ben ©cigcntaften, ber anbere einen jiemlidt prall-
gefüllten ©ad.
Vcftcnbc tlctterten fie bie ©tcidleiter ttinab.
„ 21 a ja," meinte bet 2 Bäd;tcr bebädttig, „ba ift es
fein SBunbcr, menn bie Vilber im $ientopp immer fo
natürlich firtb. ©ie tönnen's reidtlidt fo gut mie ein
paar abgefeimte ©pit$buben. ©er eine t>at 'n richtiges
©algengefid;t unb b>at eine getoiffe 3ijtnlidtfeit mit bem
berüchtigten Slbolf Ringel — utiffen ©ie nieftt mcltr,
ber erft oor smei ftaltren ju gudttltaus oerurtcilt
mürbe. ftdt Itab' fein 23ilb batnals in ber Scitung
gefeiten.“
©ic beiben „©inbrcdtcc" Itatten injmifdtcn bie ©tbe
erreicht, ©ic tarnen nidtt mieber an bem ^aoillon
porbei, fottbern überquerten im ©efdtminbfcltcitt ben
91afen unb fdtamngcn fidt über bie feitlictteSinfriebigung,
bie auf eine Vebenftrafte fültrte.
©omie fie oerfchmunben mären, perlicftcn bie bret
ittren 23eobadttungspoftcn.
„ 2 Bas mobl in bem ©ad mar?" focfchtc 3 faro rtadt-
bentlich.
„ 3 ftr ©efchirr. Vielleicht Itabett ©ie auch nodt ’n
bijjdtcn anberen ^lunbcc mitgelten laffen, um bie ©achc
natürlicher 3 U machen,“ meinte ber 3 mprefario, ber
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□
23on 23. ©canpille ßcbmiöt.
17
fc^>r t>icl Don bec ©acftellungsfunft biefec „^ientopp-
fd>aufpielec" t)ielt.
©ec 33ictuofe fcf>ictte ben 2Bäd>tec nad> §aufe unb
begab ficf> bann mit bem Qmpcefacio lautlos naef) oben.
2 lls ec bie £üc jurn SBaltonjimmec öffnete, blieb
ec mit einem 2 luscuf pcinlidtftec ftbeccafcfmng fielen.
3n bem 3immec faf> cs toüft aus. 2llle 33el>ältec
toacen ecbcod?en, unb bec Snfjalt bec <Sd?ccibtifcf>fcf>ub-
laben lag jccftceut auf bem spccfectcppicj).
„3um Seufel," jücnte bec S?ünftlec, „bie Seute
Ijaben itjcc Tftiffion abec gac $u natucgetceu ausgefüljctl
©tioas mel)C 0d)onung tjätte icf) bocf? ectoactet!“
^piö^lid; toeiteten fid; feine Slugen, unb feine ginget
umfeampften bes Qmpcefacios 2 lctn.
Äeudjenb tarn es übcc feine Sippen: „SanbsEp,
um ©ottes toillcn, bas ©el;eintfacf) im 0 d>ceibtifd),
bas gefd)loffen toac, ift ja aud> geöffnet! ©oct lagen
nod; ungefüge fünf^el^ntaufcnb 2 Ract in SBectpapieren.
— Unb bie beiben fdwecfilbecnen Seud)tec auf bem
S?amin — too finb bie geblieben?“
— id> K>c*f$ nid;t!" ftammelte bec 3mpcefacio
ecbleid>enb unb bliefte mit ftiecen 2lugen uml?ec.
©a toueben unten im ©acteti leifc, Enicfdjenbe
0 d>citte oecnelmtbac,
91id)ts ©utes afmenb tcat Sfaco auf ben 93alfon
hinaus unb bemeefte bcei Tftännec, oon beiten bec eine
gecabe eine Seitec an bie Sjaustoanb leimen wollte.
„ 2 Bas toollcn 0 ie t>iec?" cief bec Zünftler oom
93alton. — „Saitbsfp, fd;rtell tommen 0ie l;ec unb
beingen 0 ie meinen 9?eooloec aus bem 0 d;lafjimmec
mit!"
©ec auf bec£eitec 0 tel>cnbepcallte ecfcficocfen jucüct
unb 50 g fdfmell ein ^Oapiec aus bec 23cufttafd;c. ©nt-
cüftct cief ec bann: „ 2 lbcc £ccc, toas toollcn 0 ie eigent-
1914. 11 . 2
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9lcDame muf$ fcinl
licf>? SBh: fommen pon £erm 93angelotP unb fini> t>iet
ju bcr Seit f>atte id) fic aud> beftdlt. — SBarum fommcn
6ic bcnn jetjt erft?“
$>cr 9Hann auf bcc Leiter jucftc bdcibigf bie öctyul-
fcrn. „SBir fiub pünftlicb gcfommcn. 3t?r Smprcfario
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93on 93. ©ranpüle 6<hmibt.
19
□
hat noch geftern abenb telephoniert, mir follten crft
um fünf tommen, |>alb fünf fei 3t>ncn noch 5U früh."
„Oas ift mir nicht eingefallen," beteuerte fianbstp,
ber auch auf ben 93alton hinausgetreten mar. „ftd;
bin geftern nachmittag perjönlkh bei 3h^m ©h e f 9«'
mefen unb meifj nichts oon einer telephonifchen 93e-
ftellung.“
„$>ann finb mir 'reingelcgt morben butd) ein paar
echte ©auner!" ächjte Bfaro ganj gebrod;en. „Oh,
Sanbstp, 6ie finb ein — finb ein — !"
©r fprach lieber nicht aus, mas er bad>te, fonbern
mantte ins 3inimer surüd.
<£in mcifjcr 3^1, ber ihm jetjt erft auffiel unb ber
auf ber Spante bes ©d>reibtifd;es lag, enthielt folgenbe,
mit 93leiftift hingetritjelte SBortc : „©eehrtcr ©önner!
91ach einer längeren 9*uhepaufe, bie mir uns unfrei-
millig auferlegcn mußten, hatten mir nun enblich einmal
miebet ©elcgenheit, ju bemeifen, bap mir unferc9lrbeit
noch nicht oerlernt hoben. Oen 9?uhm molltcn mir uns
nicht nehmen laffen, unb 6ie miffen ja — Sleflame muf*
feint"
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Kupplerinnen.
Der Roman eines Leutnante. Don $orß Moderner.
(Jortfcfjung.) (ttacf)öru<f oerboten.)
CJI\^ocia Jjoffmann martete in Urtgebulb. 33icr
Söochen rnaren eine lange ! llnbmie follte
fie ben überhaupt fermen lernen, ber if?r QJtann merben
mürbe, menn fie nicht in ©efellfdwft ging?
Oa rebete fie ficf> in füllen ©tunben ein: ber Onfel
ift meine SMte; an ber fann id) zerren, fo oiel id; toill,
id> merbe fie nid>t los ! SBarum frat mir ber 93ater bas
angetan? $d; märe hinausgezogen nach bem 2Beftcn,
hätte 5üf)lung mit ben Greifen befommen, in bie meine
©enfer ^enfionsfreunbinnen geheiratet Imben. 6s
mär' alles ganz anbers gcmorbenl
37lit Onfel S^onrab formte fie bort natürlich feinen
(Staat mad;en. Oer fanb fid> in biefe Streife gar nicht
hinein, ber ehemalige Unteroffizier unb ^elbmebcl.
©emift, er mar ein chrenmerter 9ftann, ehrenmerter
oielleid;t mic mancher, ber im SBcftcn bas grofje 3Dort
führte, aber —
Oa fcufjte bie lebenshungrige 9Karia £)offtnann,
ihre Sippen zitterten, £räncn traten ihr in bie Slugen,
bie Ringer fpreizte fie unb brüdte fie mieber zu Ränften
Zufammen. 93ierunbzmanzig mar fie fd;on gemorben,
eine milbe ©efmfucht fraf? ihr am Kerzen. ©ic mar
hoch reid; unb hübfd? ! — 2lber Onfel S^onrab lieft fid>
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Vornan von §orft Sobemer.
□
21
nicht abfcbütteln, ber nicht! 2 ßas ber gelobt, f?iclt ec
aud). Sin fpöttifebes fiädjeln judte um ihren Sftunb.
ftür ben mar <El>riftian OTeinbolb ein freier, ber in
jebec 33eätebung milltommen ju beiden mar! —
Sin Snbe mufjte gemacht coecben, bies Seben hielt
fie nicht länger aus.
Ss maren jtoac laum brei SBocbcn oergangen, aber
marutn follte fie nicfjt beute fdron jur ftrau ©tobromstp
geben? Ss mar ja fo erftaunlid), toas bie harten gefagt
Ratten, es grenjte faft ans SDunbcrbarc!
Sine ©tunbe fpätec rnelbete bie Vertraute bec
Kartenlegerin, bafj bas reiche ^räulcin mieber ba fei.
^rau ©tobromstp erhob fiel;. ©ie batte ein gutes
©ebädjtnis. ©ic oier SSocben maren noch nicf>t oorüber.
Slbec es paftte fomeit alles ganj gut.
©ann ging fie in bas referoierte gimmer, in bem
3?laria martctc. „©uten ©ag, mein liebes fträulein!
Schabe, bafe ©ie gerabe beute tommen ! 2 lbcr id> tann
leiber jet^t unmöglich eine ©iljung mit glmen abbalten t
Sine ^tinjeffin bat fief? bei mir angefagt. ©old) b°be
©amen barf man nicht märten laffen. 22 tir liegt ja auch
befonbers oiel baran, gerabe gegen bas Vorurteil biefec
hoben Krcife anäutämpfen. ©ie SÖahrheit brid)t fid> ja
immer nur fehr langfam 93ahn. — Slber beftitnmen
©ie mir Sag unb ©tunbe, bann halte id> mich frei
für ©ie!“
©er fommenbe Montag, nachmittags oier Uhr,
mürbe oerabrebet.
ftrau ©tobromsfp notierte es fich. ©arm gab fie
OTaria freunblich bie §anb, nidte ihr aufmuntecnb 5 U
unb begab fich mieber in it>c „©ibungssimmer“. —
2 lm ©onntag gab cs mieber einen Sanj mit bem
Ontel. OTaria mar in ihrer Qtcroofität red)t ausfallenb
gemorben.
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22
Kupplerinnen.
□
,,©u oerftebft mich eben nicfjt, tannft mid) gar nicf>t
oerfteben! gd) bin hoch in ganj anberen Greifen grofj
geworben wie but — gd> mach' bic feinen 23orwurf
— wie foflte id) ! 2lber bafj bet 33ater bid> mir oor bie
2fafe gefegt — bas — bas — “
0ie würgte nach SBorten unb fanb fie nicht.
5>er 9fed)nungsrat blies bebäcf?tig bcn 2faud) feiner
gigarre oor fiel) t?in. „§>ein guter 23ater f?at fein fiebtag
gewußt, was er tat. ©tänbeft bu ganj allein in ber 2Belt,
ba möchte id) wetten, bu wäreft fd)on freujunglüdlid)
geworben. geh aber l;alte bie 2lugett offen. — Hnb
bafj bu bid) immer nod> fperrft gegen ein 33erlöbnis
mit bem jungen 22ieinf)olb, bas ift bireft töricht! ©ieb
mal, S?inb, ber braucht bod; nur bie Ringer ausjuftreden !
2Ber fo — "
SBeiter fam er nid?t, benn 97taria t>iclt fid) bie Of)ren
ju. ,,©u unb bein ©bnftian 2fteinf>olb! ©s ift jum
Sachen! gum £ad;en ift's!“
©ie oerliefj bas gimmer unb fdjlug bie £üre hinter
fid) au.
2lls ber 9?ed>nungsrat nebenan it>r ©d;lud;jen
hörte, wollte er ben 6d>aben wieber einrenfen. @t
ging ju ihr hinein. „Herrgott, SHaria, ich bränge bicb
bod) nidjtl gd; ftelle bir nur oor, bafj mir biefe 23er-
binbung in jeber 2Bcife oortcill>aft für bid) erfd>cint.
0o weit fenne ict) mich bod) in bir aust §>u möd)teft
gerne tjeiraten, bas ift aud; ganj felbftoerftänblid;.
Hub ber $t)riftian 9fteinf)olb bereut ehrlich, baß er
— bm jo — f» fcf)arf oorgegangert ift ! 2lber er ift bod),
©ott fei $>anf, aud; jung! ©s war nid)t red)t, aber cs
war begreiflich ! — Unb nun fei nicht fo ! Unfer 23erEel)t
ift boeb befd)räntt, was feine großen Vorteile l;at — "
„Stein,“ fcf>rie fie ihren Onfel an. „§>as ift ja gerabe
bas traurige! §>a bodt man Inec oben im Storben,
Vornan oon §orft Sobcmct.
□
23
lernt leinen oernünftigen 3Kenfd)en tennen, benn bie
einem in unfeten Greifen über ben 2 Beg laufen — ach
bu liebet ©ott!"
$üt fold;e 2 (nficf>ten hatte ber 9?cd>nungsrat nicht
bas geringfte 33erftänbnis. §>ie ^offmanns waren ein-
fache, anftänbige Seute, unb 9ftaria follte einfach unb
anftänbig bleiben, bas hatte er feinem 53ruber in bie
§anb gelobt.
©ine weitere Sluseirianberfetjung hatte jeljt aber
leinen Ginn, ba oerliefj er a<hfel$udenb bas Sinmier.
9Baria aber fafj ba mit jufammengelniffencn Sippen
unb geballten Rauften, ©s war ja Htifinn, wenn bie
Kartenlegerin ihr gefagt, bajj fie in allcrnächfter Seit
ben tennen lernen follte, ben fie heiraten würbe. Gie
tarn ja mit teinem „oernünftigen“ 9?knfchen jufammenl
2 lber am SJtontag fanb fie fich boch pünttUch um
oier Uhr bei fjrau Gtobrowstp ein.
Oie fah fofort, bajj es in bem jungen 9Häbd;en
ftürmte unb wetterte. „9 ta, nun wollen wir einmal
fehen, ob uns bie Karten mehr oerraten ! 93itte brcimal
abjuheben — nach fich 3 U » liebes Fräulein!“
Gehr langfam legte grau ©tobrowslp bie oier
Leihen 511 je acht Karten, hielt manchmal inne, bann
aber lief ein Gtrahlen über ihr freunblict>e$ ©eficht.
„9llfo wir erfahren heute mehr! 2 lbet bitte 9?uhe,
mein gräulein!“
Gie lehnte fich »n ihren Geffel jurüd unb fchlofc bie
klugen.
Oann öffnete fie fie wieber, tat, als ob fie halb
im Traume fei, gab fich einen 9?ud unb beugte fich übet
bie Karten: „Gehr, fehr balb lernen Gie ben tennen,
bem Gie angehören werben ! ©s tann fiel? nur nod; um
Sage, Dielleicht um Gtunben hanbcln ! — Oh ! Oh ! Oh !
— ©r ift grofj, fehr oornehm unb hat eine lange gahrt
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24
Kupplerinnen.
□
über bas SBaffer hinter fic^ ! — Steicf) ift er aber nicljt!
— ©r fcfjeint aucf) nicht ganj gut ju fefjen ! — gm SUter
paftt er fel>r gut ju gbnen!“
SBicber lernte firf) bie Kartenlegerin in ifjren Seffel
jurüd. ©anj erfdjöpft fd>ien fie ju fein.
SHarias Sternen aber maren angefpannt bis jum
Siufjerften. Sie fonnte es nicf?t glauben! 2 Bie follte
fie eine foldje 23 efanntfd;aft mad>en? Slber mas grau
Sfobromstp if>r bisher gefagt, t>atte bod) alles geftimmt l
Oie §auptfacbe mollte fie enblid) miffen. Oie SSortc
5ifcf?ten burcf) il>rc 3äl)ne. „SBcrbe id) mit iljm glüdlid;?"
©rft betatn Sftatia teine Slntmort. Oie Kartenlegerin
fdjlofj bie Slugen unb rührte fid> nid)t. Oann enblid)
nal)m fie bie Karten jufammen, mifcf>te fie fcf>r lange
unb lieft miebet abfteben.
Hnb biefes Sftal bauerte bas Stuflegen nod> länger,
©anj leife fprad> grau Sfobromsfp, als fei fie mit tyret
Kraft 5U ©nbe: „ga! Sef>r, fet>r glüdlid;! — Oas
Reifet, ganj glatt gel>t nieftt alles. 6ie merbett Söiber-
ftanb ju überminben ftaben, heftigen fogar. tränen
tperben babei überreicf>lid> fliegen. Slbcr (Sie fetten g^ren
SBillen burch. Hnb bas fdjlägt gut aus. — ©in paar
©nttäufcfmngen — ba unb ba — bleiben gimen allerbings
nid)t erfpart! SBer erlebt benn bie nieftt? — Slber
bie jerrütten gt>r ©lüd nid;t, im ©egenteil, nadlet
mirb bas Seben für Sie — unb ifm — hoppelt fd)ön l"
Oa fan? grau Sfobromsh) jum britten SHale in
timen Seffel juriid — ganj teilnaftmlos.
Sttaria erf)ob fid?. Straff ftanb fie ba unb mit bliftcn-
ben Slugcn. SBcnn bas maftr mürbe! Ol), menn bas
mäht mürbe ! Sie mar ja teid>. SBenn ber SKann groft
unb oorneftm mar unb fie liebgemann, ad> ©ott, bann
mar es if?r bod> ganj einerlei, ob er arm mar.
gt?re £anbtafd)c flapptc fie auf unb 30g einen ^unbert-
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9toman oon §orft SJobemer.
25
□
martfchein heraus. „Siebe grau ©fobromsfp! 2ßcnn
0ie recht Ratten! Unb id> tomme mieber unb fag's
3f)nen, menn ich mirtlich ben gefurtben habe, ben 0ie
mit prophezeit haben. — gd> tann’s nod; gar nicht
glauben — mirtlich nicht!"
©ie alte grau lächelte unb faf> 9Karia banfbar an.
,,©as ift mieber fo eine 0tunbe, bie mit gefällt! 0ie
finb nid?t bie erfte, bie fttal;lenb oon mir gef>t — unb
ftrafdenb mieberfommt. greilich, nicht oielen twb' ich
fo ©utes oermelben tonnen. Ilnb t)ätt' es bocf) immer
fo gern getan! Slber bie 2Bat>rl>eit ift unerbittlich. —
ga, tommen 0ie, wenn 0ie ihn gefunben haben. g<h
brauche greube bei meinem ferneren 23eruf. — Neulich,
bie ^rinjeffin, in hdler 33erätociflung mußte ich fie
gehen laffen! Hub fie ift ficher eine liebe, gute grau.
2Bie leib mir bas immer tut! — ©a gibt's Kämpfe,
liebes gräulein, ba möchte man fo gern fct>meigen!
2lber 2öiffenfd;aft ift Söiffenfchaft!"
0chtoerfällig erhob fie fich, nahm ben S?opf bes
jungen Räbchens in il;re beiben S)änbe unb fitfote es
auf bie 0tirn.
„0ie finb gut! ga, 0ie finb gut!"
©as 33lut braufte Sflatia ^offmann in ben Ohren,
Stränen ftürjten ihr aus ben 2lugen. 0ie ging, bie
linfe Jjanb auf bie Slugen gebrüeft. „2Bcnn bas malm
toäre! SDenn bas mäht märe!"
grau 0fobromsh) aber fetjte fid> mieber mürbeooll
in ihren 0effel, um bie nächfte ©ante ju empfangen.
2lber erft perfchmanb mit rafd;em ©riff ber Rimbert-
mactfdbein in ber mciten ©afchc ihres 9?ocfes.
* *
*
SHaria mar fo erregt, baß fie ganj oergeffen hatte,
ben 0d;leiet mieber herunterjujiehen, beoor fie grau
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26
Kupplerinnen.
«Stobromsfps Simmer pcrliefe. 2lls fic auf bie ©trafee
trat, mar bte Dämmerung fcf>on f>erdngebrod>cn, bie
Laternen flammten getabe auf, ©dmceflocfcn mitbeiten
pcreinsclt pom Semmel, 3h c ^erj mar übcrooll.
3 mmer mieber fagte fic por ftcf> f>in : „SBenn bas mäht
märe! Söenn bas mäht märe!"
5>a blieb eine deine Same por if>r ftehen. Sin
leifer ©chrei, fie Rumpelte junt nächften Saternen-
pfat>l unb t>iclt ficf> an betn feft. $>abei blidte fie 92taria
bittenb an.
Jjelfen, ©utes tun, banad) perlangte jefet if>r $erj!
©ie trat fofort tjeran an bie 5>ame unb fragte teil-
nehmend „©näbige ftrau, ift Ql>nen nicht mot>l?"
,,©s mirb ja meiter nichts fein. Qcb bin ausgerutfeht
bei ber ©lätte. Unb ba id) an S?rampfabern leibe, emp-
finbe id> ungeheure ©dnnerjen. SSÖürbcn ©ie fo freunb-
lid) fein unb fo lange bei mir fielen bleiben, bis ein
leeres Automobil porüberfät>rt, es anrufen unb mit
in ben SBagen Reifen? — Qd) mof)ne nämlich ganj
braunen im heften."
§>ie ältliche 5>ame machte einen fo l?ilflofen ©inbruef,
ber 6 d)merj judte fo bcutlid) über it>r ©cfid)t, bafe
9flaria gar nicht anbers tonnte, als eine 5 ufagenbe 9lnt-
mort 3 U geben. ©ie tat's mit fjrcubcn. gi>r S)erj mar ja
fo poll, nur fprecf>cn jefet — unb menn es bie gleich-
gültigen SBorte maren! SDas follte fie auch 3 U
§aufe? 9ftit Ontel S^onrab liefe fich hoch nicht reben!
2 Hit bem begann suerft ber Sanj — falls fjrau ©fo-
bromstp recht behielt. 2 Benn fie ihm fagte, fic rnerbe
einen fehr pornehtnen, aber armen 9üann heiraten, ba
mufete fie fchon, mas er antmorten mürbe. $>ic ©to-
bromsfp h a tte ihr ja auch perraten, piele tränen blieben
ihr nicht erfpart, benn fie müffe fich it>r ©lüd ertämpfen!
3n ber 93runnenftrafee fauchen aber leere Sluto-
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9?oman oon §orft Sobemet.
27
mobile niefjt fnn unb l>er wie Unter ben Sinben. ©a
ftanb fie nun neben ber ©ame, faf> nad> ber gaf>r-
ftrafoe, aber Minute oerftrid) auf Tltinute. Ilnb ba bie
©djmeräen ber ©ame einen leifen 6eufjcr nacf> bem
anberen entrangen, fragte fie teilnat>nwoll, ob ficf> bie
©ame nid>t lieber in einen £aben feljen wolle unb bort
warten.
„QZein — id) banfe fef)r. ©er @d>red, als id> aus-
glitt, l>at aud) auf mein £erj eingewirü, es fteljt mit
if>m nid>t jum beften. ©a tut mir frifd>e Suft beffer."
„2Benn 6ie aber o^nmäd;tig werben, gnäbige
grau 1"
,,©as fürchte icf> niefjt. 3d; tenne ben guftanb bei
mir. <£s bauert ein falbes @tünbcf>en, bann ift's
porüber l"
(Snblid) tarn ein leeres 2luto. Sftaria t>ob bie $anb,
ber Chauffeur fuf?r £>eran an ben gufjfteig.
„3d> werbe Sie nacl> £aufe bringen, gnäbige grau,
(>abe wirflict? nichts ju perfäumen.“
,,©arf id> benn fo oiel £iebenswürbigfeit nur an-
nef>men?"
9 Karia machte furjen ^rojefj, t>alf ber ©ame in ben
SBagen, bettete if>r bie güfje ^>ocf>, lief} fid> bie Slbreffe
fagen unb rief fie bem Qtyauffeur ju.
©anfbar ftredte bie ©ame bem jungen 9 üäbd;en
bie §anb I?in. „Sie finb wirllid) 311 rütjrenb! £s gel?t
mir fd)on beffer! SBenn icf> in folgern Suftanbe nicf?t
allein bin, beruhigt fid> mein £erj immer fdmell
wieber. — Allein 9 Zame ift grau £eifterlot>."
Sftaria nannte ben irrigen, bann fd>wiegen bie beiben
einige Seit.
0d>liej}lid) fagte grau ^eiftcrlof): „0clten genug
fomme id? t>icr heraus nad> bem korben. 9 tur, wenn
id) für bie gungens meiner 0d;wefter Sinfäufe mad>e.
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28
Kupplerinnen.
3n ber Vrunnenftrajje ift nämlich ein S?onfettions-
gefchäft, in bem man fchr gut unb preismert tauft. ©a
mar id; gcrabc.“
Vtaria nal>m ben 9lorben in Sdmtj. Sie mohnc
felbft ba. So fdjlimm, wie bie £eute im 923eften it>n
machten, märe ec mirflich nicht.
3 rau S)eifterlob fcfjien ihre Schmcrsen gattj oer-
geffen ju hoben. 6 ie mürbe fel?r fccunblich, fragte
alles mögliche, unb OTaria ftanb if>r millig 9?ebe unb
Slntmort. Sie mar ja fo froh, jetjt harmlos plaubcrn
3 U tonnen.
©a fuhr bas 2 lutomobil fd)on ben fturfürftenbamm
entlang, beg red;ts ein, unb eine SKinute fpäter I?ielt
es poc bec SDohnung ber ftrau $ciftcrlof>.
©ie 30 g bie 3 üf 5 e oon bem ^olfter. ,,©ott fei
©anf, ber Unfall ift faft gan 5 übermunben. SSommt
man auf anbete ©ebanten, fühlt man bie Sd;mcr 3 cn
nid;t fo — unb bas £> cr 3 beruhigt fid?. — 2 Tun müffen
Sic aber eine Saffe See bei mir trinten, Sie gütige
Samariterin !“
„©näbige fjrau, in Syrern Suftanb ! 34 ) fürchte, id)
bin 3 h n<?n läftig."
3 rau ^ciftcrloh perfid;ecte, bajj baoon gar teine
9lebe fein tönne. „©rftens tut mir bas jetjt nur gut
unb 3 mcitcns mill id> l>offen, bei ber flüchtigen 93e-
tanntfd)aft bleibt es nid;t."
©as $cr 3 fcfüug S^acia fdmcllcr. Vielleicht er-
öffneten fid> ihr burd; biefe ®amc Vtöglid;teitcn, in
Greife 311 tommen, bie ihr bisher ocrfd;loffen gemefen
maren. ©ec 3 ufaH geht jo fo abfonbcrliche 2 Bcge.
Xtub mas hotte 3 f ou Stobromstp gejagt? 3n ben
allcrnächftcn Sagen , vielleicht fd;on in Stunben,
mürbe fie ben tennen lernen, ber fie heiraten
merbe!
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Vornan pon Sjorft SSoöcmer.
29
©a nal>m fie bantbat an.
3m 2lufjug fuhren fie jurn ^weiten «Stodmcrt.
©as ©ienftmäbdjen öffnete unb griff auf eine $)anb-
betpegung bet gnäbigen f^rau glcicf> ftumm unter ben
Sinn. Sie fd)ien beren „Unfälle" 511 tennen.
$ünf Minuten fpäter fafjen fid> bie beiben ©amen
in bem netten ©mpirefalon gegenüber, ben Seetpagen
mit bem btobelnben Samotpar 5 tpifd>en ficj).
grau S;eifterlof) ertunbigte fid> fefjr teilnetjmenb
unb jartfüt)lcnb nad) ben ftamilienperfjältniffen pon
gräulein §offmann. „O u>et> ! O tpef)! Steine ©Itern
mel;r — unb gar teine ©efd;tpifter t Sic müffen fic^>
bod> fet)t pereinfamt füllen!“
Sftaria nafmi fid> tein 23latt por ben SHunb. grau
Stobrotpstp batte if?r 23lut in 2Ballung gebracht.
„3a, fcljcn Sie, ba t>aufe id; nun mit meinem alten
Ontell SBie ein ©ornrösd;en tomme id) mir poc,
ba oben im Qtorben!"
$rau £jciftertot> begriff polltommen. „Slbet tparuin
leben Sic benn fo jurüdgejogen? Sin junges 9fläbcf>en
tpill fid) amüfieren ! 3 ^ Berlin ift es bod) nicf?t fd)tpcr,
geeigneten Slnfdjlujj ju finbenl"
„ 2 Bcnn man tnid> nid;t in bie ©ettfer ^enfion
geftedt l;ätte, gnäbige f?ättc id> pielleid)t gar nid>t
bas 23ebürfnis baju empfunben. 2lbcr id; roar nun
einmal bort. gufammen mit ben ©öd;tern Pieter
guter beutfefjer Familien, ©ie fjaben fid; nachher
amüfiert, perlobt, perfjeiratet , einige l;abcti fd>on
Einher. 3d; aber tourbe unter 33 erfd;luf 5 gehalten l“
ftrau §eifterlot) fd)üttelte erft nur ftumm ben S?opf,
bann aber rebete fie — einbringlicf) unb bod; tattooll.
„ 3 d? tann bie 3 fW 9 en pcrftet)en. Slber id) tann auef)
6 ie perftel)en. ©anj getpifj tann id) bas J — ilnb bie
Sebenben fwben befanntlid) rcd;t! — 2 Uin, icf> t)abe
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30
Kupplerinnen.
o
einige SBe^ieljungen, allerbings nicf>t aüjuoiet. 2Benn
id> gfmen alfo auf biefe SBcife meinen ©ant abftatten
tann, ©ie liebe ©amaritcrin."
SJlaria tr>ifcf>le fid? bie tränen aus ben Slugen.
„SBic banfbat u>ürbc id) Simen fein, gnäbige graul
greilid; mein Onfcl — "
grau heiftcrlol) rointtc fet>r energifd) mit ber S)anb
ab. ,,©en laffen mir aus bem ©piele. 2Bir leben in
93erlin — nid?t in einer S?leinftabt !“
SItaria atmete erleichtert auf. ,,©a märe id> aller-
bings über ein großes hinbernis tünmeg!"
©s flingeltc, bas ©ienftmäbd;en trat ein unb
melbetc: „©näbige grau, grau 23aronin Selmburg-
95lantenbacf) fragt an — "
,,3ct) laffe bitten, Sin a !" — Slls bas ©ienftmäbdjen
perfd>munben mar, griff grau heifterlofc nact) Marias
§anb. ,,©as pafjt ja ausgejeidjnet l 6ie merben ber
93aronin gefallen, benn fie ift eine tjerjensgute grau,
piele 233pbltätigfcitspcranftaltungen legen SBcrt auf
ihre SHitmirfung, fie fennt ganj 23crlin. Söenn bie
©ie unter it>re gittid>e nimmt, merben ©ie ficf> balb
mol>l füllen ! Saffen ©ie tnid) bas nur machen !"
©as junge Sfläbdjen fdjloft bie Singen unb hielt ben
Sltcrn an. 2Bar es ju begreifen, baft cs fo fomifd) auf
ber Söelt äuging? S3or anbertlmlb ©tunben hatte fie
nod> bei ber grau ©tobromstp gefeffen, l;alb ungläubig,
halb fmffnungsfrcubig ihrer 2Beisf>eit gelaufctjt — unb
nun? llnb nun?
©a öffnete fid> bie £ür, bie 93aronin fam tjerein-
geraufebt, ganj ©amc ber großen SBclt.
„Steine liebe grau 5>cifterloh 1 Sf>r 3ftäbcf>en fagte
mir, ©ie Ijätten mieber einen Sljrer böfen Slnfälle
gehabt. O mef>! O mef)l" — llnb als bie läcljclnb
ermibert hatte, baß bas fd>on faft ganj iibermunben fei.
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Vornan pon-^orft Siobemer.
31
gab bic 23aronin ihrer f>cr 3 licf>cn fjreube 2lusbtud.
„Das ift aber frf>ön ! 3a, ja, jünger merben rote nicht!"
Qe^t erft ftellte 3 r °u ^eifterloh 92taria ber 23aronin
por. Die nahm Me Lorgnette an Me 2lugen unb
niefte recht hochmütig. 2 lls aber ^ rau fjeifterloh er-
zählte, mie ungeheuer t>tlfrcicf> gräulein ^offmann
gemefen fei, perfchmanb ber hochmütige 2 lusbrud aus
bem ©efid)t ber 23aronin. Sie mürbe hinreifjenb liebens-
mürbig, Sjerjlich brüefte fie bem jungen 9Häbcf>en bie
§anb.
„Da mufe ich 3*men auch banten, liebes 3*äulein!
Das läjjt auf ein fehr gutes §erj fchliefeen. heutzutage
eine (Seltenheit. 3eber bentt ja nur an fid> — es ift
ein Slenb!“
2 ftaria mürbe ganz permirrt. „Ss mar bod> einfach
meine ^3flid>t, bie ich gern erfüllt h>abc !"
„ 3 <h gebe fetm fiel auf ben erften Sinbrud, liebes
fjräulein. ilnb id> glaube 3h ncn > frofj Sie gern meinet
ftreunbin 3hcen 23eiftanb gemährt haben.“
Die 33aronin blieb 511 einer Saffe See. ftrau
§eifterloh fchmiebete bas Sifen. Sie erzählte ber
23aronin, baft fi<h ^räulein hoffmann als „Dornröschen“
fühle. Sehr ausführlich erzählte fie, mas fie mujjte.
2 !taria mar bas nicht recht, ein paarmal unterbrad;
fie fd?üd>tern ben 9*ebef<hmall ber 3 c <m ^eifterloh.
2 lber bie lieft fich nicht ftören.
Die 23aronin führte oft bie Lorgnette an bie 2lugen
unb mufterte fie. 2 Bie furchtbar peinlich bas mar!
3mmer fchmächer mürben ihre (Srinmenbungen, immer
mieber muftte fie baran benten, mas ihr 3^au Sto-
bromsfp h cu *e nachmittag gefagt. 2 llfo mochte bas
Schidfal feinen £auf nehmen ! Sid> bagegen ftemmen,
märe hoch töricht gemefen! Die elegante 23aronin
mit ihren Pielen ^Beziehungen — ba cröffneten fich
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32
Kupplerinnen.
□
pielleid>t 2 lusblide, an tue fic por ein paar ©tunben
nid)t im Traume ju benfen gewagt fcatte. 3^ Ontel
erfd)icn auf einmal por it)rem geizigen 2 luge in feiner
ganjen bieberen 23ebäbigfcit, mit feinem befc&räntten
©efiebtsfreis — unb l?ier faft eine, bie nur ben 22 Utnb
aufjutun brauchte, um fie ins braufenbe, locfenbe
Scbcn 311 bringen!
©anj ftill tpar 9Haria geworben, unb 3 *uu $eifterlof>
rebete immer nocf> weiter. 2 ln ben fdnnalen §änben
ber 93aronitt bluten bie ©iamanten, bas pornefnne
©efidjt tjatte einen nad>benflid;en Slusbrud betommen.
5lber fein 2Bort entfd>lüpfte ilwcn Sippen.
Marias §erj fct>Iug ftürmifd?. 3Bas würbe nun tom-
men? ©ollte $mu ©fobrowsfp wirflid) recf>t bemalten?
„®o, liebe 93aronin,“ fagte ftrau §eiftcrlot> cnblicf)
mit einem ©eufjer. „ftd; lege 3 fmcn alfo bie junge
©ame bringenb ans $crj. 9tet)incn 0 ic fie unter 3 f>re
bewährten gittidje."
©a glitt ein tjerjgewinncnbes Sädjeln über bas
©efid>t ber 33aronin Selwburg. „5Bas f)abcn 0ie fi<$
bod? für einen brillanten Anwalt erwählt, fträulein
^offmann! — Ol;, bitte, es feilte nur eine tleine
©dnncidjelci für bie liebe f^rau $eifterlof> fein ! — 0 ic
tonnten mir fogar fofort einen großen ©cfallen tun. SDeil
0 ie mir fo fcl?r gut gefallen. 3 d> fitje nämlid? etwas in
ber ©inte, ©er 2 Birflid;e ©el^eime Obecregierungsrat
^Pfungftebt, ein alter lieber §err — er war bis su feiner
^Penfionicrung 33ortragenbcr 9?at im fjanbelsminifte-
rium — unb bie ©räfin SReinstorff tommen f>eute
abenb jum 2öl;ift ju mir. Unb nun t?at fiel? ein 9tcgi-
mentstamerab meines oerftorbenen OTamtes — er
ftanb einige 3af>rc bei feiner ©djwabron — ber Oberleut-
nant p. Uffeln pon ben ©arbejägern ju ^ferbe, bei
mir angefagt. Qcf) sollte il>m nid)t abfdjrciben. ©s
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Aoman »on §orft Vobemet.
33
ift bod) rührenb, menn fo ein junget, lebensluftiger
§err mid) nid>t ganj oergifjt in meiner ©runemalbet
©infamteit. Aber et mürbe fid? fidjer heute fürchter-
lich langmeilen. — Vun rnie mär' es ba, menn Gie mit
aus biefet Verlegenheit fjclfcn mürben?“
3ht bejaubernbftes £äd;eln t?atte fie aufgefe^t.
Alaria braufte bas Vlut in ben Gchläfen. ©in ©arbe-
!apallerieoffijier l Vielleicht bet, ben ihr fjrau Gfo-
bromsh) aus ben harten perraten? — ga, fie mollte
mit 5*eubcn annehmen, aber erft mufjte fie fich etmas
fperren.
„SBirflid) ju liebensmürbig, ^tau Varonin t Seiber
bin ich nur ganj einfad) angejogen unb — "
,,©s gibt in Verlin bod) Automobile, liebes faulem
^offmann, menn Sie fich noch fchöner machen mollert !
— §alb neun, bitte — je%t ift’s hoch erft reichlich) fed)s!“
„Aber ich ntufj 3(men hoch eigentlich erft meinen
Vefud; mad;en — "
„O je, biefe Umftänbe! ©>as holen Gie einfach
nach t — 3d) fagte Sfmen hoch fchon, ich fih c in ber ©inte !
Unb ich rnill nicht, baf$ es bei meinem lieben, alten
Regiment h c *fe t: 33e* ber Varonin Sehrburg mopft
man fich jn ©obe t — Alfo Gie tun mir mirElich einen
©efallcnl Unb $err o. Uffeln oerftcht ju plaubern.
©r hat auch ben gelbjug in Gübmeftafrifa mitgemacht.
Von bem erjählt er gern.“
©in Süden lief burch Atarias Körper. AMe hotte
fjrau Gfobromsfr) gefagt: ttbers große Söaffer ift er
gefahren! — Gollte er’s mirllid) fein? ©r, ber für fie
beftimmt mar porn 6chidfal?!
Gie erhob fich unb tüfjte ber Varonin bie $anb.
„Vielen, oielen ©>ant!" 6ie manbte fid; an fjrau
§eifterloh. „©näbige grau, unter biefen Umftänben
barf id; mid; mol)l ocrabfd;ieben?“
1914 . II. 3
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34
Kupplerinnen.
C
„Natürlich — natürlich!“
Unb währenb bie beiben Kupplerinnen bie Kbpfe
jufammenftedten unb jid; jufrieben bie f)änbe rieben,
ful;r Maria ^offmann irn Slutomobil nacf> Ejaufe.
9*ote Rieden brannten auf ihren Mangen, ftürmifch
hob unb fentte {ich if>re 23ruft. (Ein tpilber Taumel
I?attc fie erfaßt. Qfjr war's, als hätte fie eine Kette
jerfprengt. war fie, unabhängig, nur nod; ein
Sachen hatte fie für ben fpiefjbürgerlichen Ontel unb
feinen (Ehriftian Meinholb übrig! Siebenten tarnen
ihr gar nicht. 3h r « ffceunbin ©orothee hatte einen
leibhaftigen ©rafcn geheiratet, ber ab ^auptmann
im ©eneralftab in Me4j ftanb. SBatum folltc fie nicht
aud> nach ben «Sternen greifen? —
Oie beiben Mäbchen su Ejaufe mußten fpringen.
93icr Toiletten lagen auf 95ett unb ©haifelongue ausge-
breitet, bie grifeufe waltete ihres Mntes. Sie mufjte
ihren guten 9tat auch geben. (Eine tirfchfarbene, toff-
bare Seibenrobe, reich mit 23alencienncfpitsen garniert,
ftanb ihr unjweifelhaft am beften. 3war meinte bas
eine Mäbchen, picffcin fei ja bas Kleib, aber in ihm
fähe fie nicht wie ein Stäbchen, fonbetn wie eine
junge, fel;r fchöne grau aus.
Oa lachte Maria, jagte bie brei jum 3>nimer hinaus
unb bejah ficf> in bem großen Spiegel, Oas fatte 9?ot hob
ihre jugenbliche ©eftalt, ihr 23lonbf>aar flimmerte,
bas Bläschen judte, bie blauen Slugen ftrahlten, ein
gefunbes 9Sot lag auf ben Mangen ihres fchmalen
©efichtes. 3a fic tonnte fich fehen laffen!
23eoor fie bie Mohnung oerliefj, ging fie in ihrer
Fracht jum Ontel, ber beim 2lbenbbrot fag. Sein
£ieblingsgerid>t hatte er fid; beftellt. Matjeshering
in Sahnenfofje mit ‘•ßelltartoffeln. ©in großer Krug
93icr ftanb oor ihm.
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Vornan Dtm 0orft ©obemer.
35
„§>u wülft fort 1“ fragte ec oerwunbert.
„Sa, Onfel.“
„SBoinn benn?“
2leugier fchwang burcf) feine fjcagc. S>a lad;te fie
i(m aus,
„hinaus will ich fliegen — ins Sieben!“
$>a würbe ec ärgerlich. „§>as ift feine Antwort
auf meine ftrage, Kinb!"
„9tun, bas ,Kinb* wirb fiel) f<$on nicht bie ftlügel
perbrennen 1“
hinaus war fie. 33or bec Haustür ftanb bas 2luto-
mobil fd>on bereit.
§>em 9iedmungsrat aber fd>medte fein Siieblings-
gecidjt gar nicht mehr.
* *
*
Helmut v. Uffeln ftanb im gcaugrünen flbecrod
bec ©arbejäger ju ‘•pferbe in feinem Simmec mit
nact>benflicf)cm ©eficht. ©urch ein Knopfloch gezogen
trug ec bas fchwarj-weifje 23anb bcs Kronenorbens
mit Schwertern, ben ec fiel) in Sübweft erworben.
2luf feiner h<>h«n Stirn judten bie 2teroen. ©ie Kriegs-
jeiten, in benen ec l;alb oerbueftet burch bas wüfte,
ausgetrodnete £anb gejogert war, jeben Slugenblid
gewärtig, aus ben hornigen 93üf<hen, bie bie moefetjen
Kleiber ‘in fte^en tiffen, eine feinblid;e Kugel in bie
Rippen ju bekommen, waren bie reine SBonne gewefen,
gegen ben heutigen Suftanb. $>cr elenbe 9Rammon!
Slls ob feine ©laubiger ficf> oerbunben hatten gegen
ihn! Sie h^ten ihm einen 3<*hlungsbefehl nach bent
anbecen ins fjaus. llnb bec Onfel half nicht mehr.
§>ie beiben Schweftern waren perheiratet, bie eine
an einen Stanbrat in öftpreufoen, bie anbere an einen
§>eutjer Kürafficr, hatten Kinber. 28cnn er an fie
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36
Kupplerinnen.
fdjrieb, |>o!tc ec ftd> bod> nur einen $orb, ober fie fcfndten
tym ein Summeen, bas nicht fnnrekfrte, um auch
nur bie allernotmenbigften £ö<her jujuftopfen. ©o
l?attc if>tn bie 3tot noch nie auf ben Nägeln gebrannt!
2 lls er f>eutc mittag oom ©ienft gefommcn mar,
hatte er einen 9tohrpoftbrief oon bcr 93aronin porge-
funben. „33ielleicht lernen ©ie heute abenb bie junge
$>ame bei mir fennen. 3 d> habe noch ein paar Seute
eingelaben, unb fo fiefjt bie ©ad>e ganj harmlos aus.
kommen ©ie pünftlid? um act>t, bamit mir porfjer noch
einiges befprecf>on tonnen!“
2 Bat bas etcltjaft! Slber toas blieb ihm anbetes
übrig, als in ben fauren Slpfcl 511 beiden? 2 Senn
fie nur erträglich toar!
2 öenn fie ihn aber fofort mit einer ^anbbemegung
abtat?
5>a fd>o^ Helmut p. Uffeln bie 9töte ins ©efid)t.
©omeit mar's alfo fd>on mit ü>m getommen? 5>a
ftanb er pom $opf bis ju ben güfjen in ©d;ulben
gefüllt! §>as ©elb pertcümelte fid; ober and; gerabc-
ju unter feinen Ringern * 3ta ja, er hatte ja aud)
mand;cn ©paf$ bapon gehabt! Slber nun tarn bet
$at(cnjammer!
§>a rieb er fid) bie ©tim, fchüttelte ben $opf.
Stein, ein fcf>lechter $erl mar er nie gemefen ! ®in bi^c^cn
arg forglos f>öd>ftene ! llnb menn er nicht jugtiff,
bann mar alles aus!
2 lber menn er bas Sttäbchen, bas ihm pertrauens-
poll bie §anb reichen mürbe, nicht in Sf>rcn hielt,
bann märe er ein tompletter ©d)uft ! Stein, bas mürbe
nicht gefd>ehen! @r mürbe es ja allein ihr perbanten,
menn er mieber feften 33oben unter bie $üf$e befamt
©er 2 $urfcbe brachte ihm ben ©tal;ü)elm mit bem
’angen Sta<fenfd;ut 3 , über ben Slrm trug er ben grauen
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Vornan t>on S>orft 93obcmer.
37
SHantel mit bem grünen trogen. „Oas Slutomobil ift
oorgefabren, S)etr Oberleutnant!" melbete er.
Uffeln nidte unb bad>te habet: Oie 53atonin meifj
fd>on, marum fie in einer fo oerfcbmibten Sde tPof>nt.
$n bie fcf>nüffelt fo leicf)t teine ^riminalpolijei.
Sin cifiger 6 d;auer jagte über feinen bilden f?in.
2ld) mas! fje^t nur teine Sternen!
Sntfdjloffen marf et bie £iit be& Slutos hinter
ficf) ju. —
93eibe £änbe ftredte ihm bie 33aronin entgegen,
ab er bei it>r eintrat.
„Fimmel, mas für ein ©eficbt 6 ie machen!" rief
fie ladfjenb. „Sturt, cs mirb eine erfreuliche Snttäufcfmng
für ®ie geben!"
Oa atmete Uffeln tief auf. „Söenn man in einer
S)aut ftedt toie icf>, ba gibt es mabrbaftig nichts 3 U
lachen !"
Oie 23aronin mürbe ernft. „föann eine {ich in 3h^
Sage oerfeben, bann bin hoch ich es ! — 2Bas meinen 6 ie,
mie mir aumute roar, ab aus heiterem £immel bas
Ilnglüd über mich h^tdnbrach ! Unb ich f«f} utit 5 tr>ei
Meinen ^inbertt ! gafjt man ba nicht feft au, hält man
ba fich nid;t gcroaltfam auf ber ?>öhd bann ift man oer-
loren! — Slber fe^en 6 ie fich, bitte. 98ir merben nicht
lange mehr allein fein. Oer Öberrcgierungsrat ^fung-
ftebt tommt unb bie ©räfin Steinstorff. Oie ift amar
gräflich neugierig, aber abfid>tlich bub' id> fie eingelaben
— gimetmegen. Oie oerfebrt ja bei Pontius unb Pilatus,
unb menn bie bas Sob bes jungen Stäbchens fingt,
betommt bie ganae ©efd;ichte einen barmlofen Slnftrich !
Sllfo feien 6 ie au bet recht liebensmürbig. — fta, unb
nun büren 0 ie meiter!"
Hffelnö ©eficht mürbe recht lang. Oer Steclmungs-
rat mufcte an bie 28anb gebrüdt merben — ba butte
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38
Kupplerinnen.
bie 33aronin cntfd?iebcn recht. llnb trenn fic bie junge
S)ame berausftrid; trie ein ^Pferbebänbler jeinen ©aul,
fo trar bas pom gefd)äftlid;en Stanbpunlte aus ganj
begreiflich. Sin Schlauberger trar biefe ftrau ! — Slber
trenn ec nun merlte, es ginge übec feine Straft — tras
bann?
6 c fagte feine 53ebenlen bec 53aronin, abec bie
lad;te ihn aus.
„©u liebec Fimmel, neunten Sie bod; nicht alles
fo teagifef), mein liebec fjerc p. Uffeln! Sie pccftel;en
ficf> bc*cf> aufs flirten — bas tneifj id) ja pon früher her!
— 9la, tras macht man ba, trenn einem jtrei Millionen
in erreichbarer 9lät>e minien? 9ftan gel;t mit bem ganjen
^ad unbezahlter Rechnungen ju einem 9lntralt, 311
bem id> Sie führen treebe, bec fd>reibt einfad) 3l;ccn
©laubigem: ,^errf<^>aften, ein falbes 3al)t Scbonjeit
füc herrn r. Uffeln ! 93is babin cangiect ec fid;. 28ec
nicf>t märtet, belommt leinen coten Pfennig!' — §>ann
trieb einec nad) bem anbecen 0 l>cec ©laubiger fid) jum
9lnmalt begeben, weil bod) leinec fein ©elb recliecen
trill unb bec rnicb ben Leuten ettras roegeigen, fehc
leife, fehc cinbringlid; — unb man trieb fid) ge-
bulben 1 "
Uffeln atmete ecleichtect auf, ectribectc abec nid;ts.
©ie 93aronin fuhr eneegifd) fort: „Sie allein
bringen bas ficher nicht fertig, benn gtmen trieb man
gar nid>t glauben! Saffen 6 ie bas alfo meine 6 orge
fein!"
llnb bann tarn nod; ein fehc peinlid;ec 9tugenblid.
Hffeln mufjte feinen tarnen unter fünf 3®cd)fel ju je
jehntaufenb 9ttarl fetjen.
,,9latürlid) treeben bie nuc pcäfentiect," eclläcte
bie 93atonin, „trenn bie heirat juftanbe lammt. §>af$
Sie bas nötige ©elb bietju rrn Sb*^ ©taut erhalten
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Moment oon $orft SSobemer.
39
unb mR bctcäcf>tlicf> mefjr, bafür laffenSie mR forgen!
— Oas ift übrigens nRt alles für mR, es gef?t in Diele
Seile! 3a, man mill leben, $etr d. Uffeln t“
2öie fürd?terlid? bas mar! 2lm liebften f)ätte er bec
©aronin ben fteberfwlter, ben fie il?m in bie S)anb ge-
brüdt, ins ©efRt gemorfen. ©ber bie Schlinge t?ing
if?m ju feft um ben §als. Söürbe nichts aus ber Beirat,
mürbe fid? bie ©aronin Rön fjüten, bie 58ed?fel fur-
fieren ju laffen. Oa fonnte et if>r einfad? bas ©enid
bredjen — unb ju l>olen mar boef) nichts oon if?mt
©iit einem tiefen Seufset Rob er bie unterRrie-
benen Rapiere oon fR.
„So 1" Oie ©atonin Rloft bie 9Bed>fel toeg unb Rüt-
telte fR. „3a, ja, §err d. Uffeln, fo ganj los toirb man bie
Ronen Seiten oon einft, bie gute ©rjieRng, bod? nRt!
— ©tadjte R aber bas ©eRäft nRt, machte es eine
anbere, unb mir beiben Ratten bas ©ad>fef>en l SBäre
uns bamit geholfen? — Unb RliefjlR machen mir es
mR oerfmltnismäfjig anftänbigt ©orausgefetjt, Sie
oergeffen nRt, bafc ein ©tenRenleben in 3^« £anb
gegeben mirb, bas 3&nen oertraut!“
Oas mar in ber Sat ein ©ntlang aus ben befferen
Sagen.
©r fagte gar nRts; er niefte nur. Seine ©ugen
aber maren feiRt gemorben.
★ *
¥
Suerft tarn ber SöirtlRe ©efjeime Oberregierungsrat
'•Pfungftebt. ©in §err, bet fR trotj feiner fiebrig 3Rce
mR ftramm aufrecht f>ielt. Oer lange, am $inn aus-
rafierte meifjc ©ollbart, bie breite, edige Stirn, ber
ruhige, gemeffene ©ang gaben it>m ein fel;r mürbe«
oolles ©usfefjen. ©t fügte ber ©aronin bie $)anb.
Sie ftellte tym Uffeln oor.
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40 Kupplerinnen. □
„2lf> — ©arbejöget ju ^ferb! — 2llte 2lnl?äng-
lid)Ecit! ©>as ift red?t, Jjerr p. Uffeln!“ llnb bann
lächelte ec bec 33aronin ju. „2Ber tarne nicf>t gern
in Qbren molligen 3Bintel, ju einer Hausfrau, unter
beren ©>a<$ man fid> bicett fet^nt!"
§>ie 93aconin brofjte tym mit bem Ringer. „3f>te
beiben Söfme, bie Straßburger ^ufaren, fmben alfo
oon g^nen bas flirten gelernt! — Qd) jage Sfmen,
^err p. Uffeln, toenn bie Eommen, ba fefnoeb' i<f> immer
in ©obesängften, baß einer pon il;nen mir alten
nocl) einen §eiratsantrag mad)t!"
„Sllte $rau?I Of>! Of>! 34> rneiß 93efcf>cibl llnb
rocr es nidjt toeiß, tariert t>öd)(tens auf bceißig! —
§ab' icf) nicf)t rcd;t, £err p. Uffeln?“
§>ie 33aroniu ladjte if>r fonnigftes £ad>en. ©in
bißchen flirten gehörte ju intern 2Bof>lbefinben. B^i-
fcf>cn if>r unb bem alten S)etrn praffelte ein geiftreidjes
fteueripert f>in unb f>er, bis bie ©räfin 9teinstorff,
eine Kleine, runblicfje ©ame mit fd^neeipeißem §aar
unb jugenbli<$-f>aftigen 23etoegungen, ecfcfüen. &aum
u>ar if>r Uffeln porgeftellt, mußte fie fct)on in ber ga-
miliengefd)id)te 33efd;eib.
„Uffeln, furfjeffifcfjer Hrabel — nid>t tpa(>r? —
Selben Sie, id> bin im 3Mlbe ! — 2Bar bas 3t>t §err
33ater, ber in Gaffel bie ^ufaren tommanbiert t>at?"
„3<*, gnäbigfte ©räfin.“
„Statürlid?! §>iefe $fmlid>teit! So eine bumme
grage pon mir ! ©in eleganter 22tann toar's. ©in Slrifto-
trat porn Scheitel bis jur Sot>le! — 3^ Söiesbaben
f>ab’ id> if>n poc 3^cen einmal Eennen gelernt. —
3f>re beiben Sct)toeftern toaren bamals nod? 2ttäbeld>en
mit langen, golbblonben paaren. Ratten ju balb bie
32Uitter perlocen — icf> toeiß!"
§>ie ©räfin £öcte nicf>t auf mit fragen.
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Vornan pon §ocft 33obemer.
41
©ie 23aconin mürbe ungebulbig. „(Sitten Slugen-
blicE, bitte, meine $ercfd>aften ! ©s foinmt noch eine
junge ©ante, ein fträulein §offmann. £err p. Uffeln
batte ficb beute t>ct mit angefagt — mieber einmal
im lebten SlugenblicE ! Unb mir alten Seutcben — pro-
teftieten Sie nid>t, SDicElicbes ©ebeimräteben — mollen
abet boeb nicht um unfecen 3öt?ift tommen. ©a bub'
icb mit bie junge ©ame eptra megen £ert p. Uffeln
perfebrieben. Sft bas nicht rübrettb pon mir?"
©8 mar rübrenb, barübet mar man ficb einig.
©in Slutomobil tutete. Uffeln fdjlug bas §erj bis
jum §als hinauf. ©a fafe ec brinnen im ^ejenteffel !
Slun biefe cs mit ben SBölfen beulen t ^öffentlich
mürbe es ihm nicht ju fcbrncc gemalt.
©ie 93aconin nicEtc ihm aud> noch aufmunternb
ju. ©s mar etelbaft!
©as ©ienftmäbeben melbete feierlid? an. Uffelns
^ecjfcblag fe^tc aus. ©a tarn fie ja febon, bas „Objett“,
©ie Stunbmintcl bes Offiziers juetten — unb bann
riß ec bie Slugen meit auf.
©s mar mirElicb eine angenehme ©nttäufebung
— nein, es mar mehr!
©ie 93aronin mar Staria mit ausgeftrecftcc §anb
entgegengegangen, ©ut erlogen mar bas junge Stäb-
chen in ihrer ^3enfion. Sie tüfcte bie §anb bec ©amen,
neigte refpettooll bas §aupt oor bem ^Sittlichen ©e-
beimen Stat unb lächelte als ihr Uffeln porge-
ftellt mürbe. 23ei bem ftanb es fofoct feft: bie mufjte
nicht, mas man mit ihr oorbattel
Stan nahm ^3lab. ©er 93aronin fcibbelte es in ben
Ringern, gu pide Spitjen an bem fonft febr gut
gearbeiteten SUeib Starias, ba hätte fie am liebften bie
Schere jur £anb nehmen mögen, ©ie fchöne ftigut
märe meit beffet ^ur ©eltung geEommen.
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Kupplerinnen.
42
□
2lls fwbe flc immer in biefen Greifen pertefnt,
fo bemegte fid? 9ttaria ^offmann. Sie füllte, i)ier
gehörte fie i)in, ber £on, ber angefd;tagen mürbe,
fd>mang bei il?r nad>, traf bie gleichen Saiten.
Hnb bann ging man ju £ifcf>. ©er 9öir£lid>e ©e-
fjeime 9lat führte bie 23aronin, Hffeln bie ©räfin.
©ie 33aronin rief if>m ju: „9tel>men Sie Fräulein
£offmann an ben anberen 2lrm! ©s tommt fdjliefr-
lief? fd>on einmal por, bafj bie ©amen in ber Hbet-
jaf)l finb!"
©as betätigte ber SBirtlidje ©efjeime 9?at mit einem
£ad>en.
9Haria fafj lints neben Hffeln. 3m erften Slugen-
blid, als fie it?n fat>, fwtte firf> it>c §erj jufammen-
getrampft. 2Bas t?atte $rau Stobromstp gefagt?
,,©t“ fcficint nicf>t ganj gut ju fel>on ! Hnb Hffeln trug
Sttonofel! ©s ftimmte aber aud) alles!
©in 3Jläbd?en mie fie lieft fid; aber nid)t aus ber
Raffung bringen. 9Iur jeftt nid>t an bie Kartenlegerin
benfen, fonbern allein an bie ©egenmart! ©ie mar
ja fo fd>ön I
8mar mar £err p. Hffeln erft etmas einfilbig,
aber it>r fd;arfet 93erftanb arbeitete. Sie mollte it>m
fd>on bie gunge löfen.
Hnb es gelang it>r balb. ©enn bie ©räfin fjafpelte
mit bem 9Sirflid>en ©eljeitnen 9*at bie 9ftinifter unb
Staatsfetretäre burd>, unb bie 33aronin fd>ien bas
fef)t ju intereffieren. Sie forgte bafür, baft bies ©e-
fpräcf) nid>t jur 9Uif>e tarn.
OTaria S^offmann gütete fict> fef>r, ficf) eine SBlöfee
ju geben. Sie fprad) nicf>t pon ©ingen, pon benen fie
nichts perftanb. ©en ftelbjug in Sübmeft f>atte fie
einft mit groftem Qntcreffe perfolgt. Hffeln muftte
pon ben Strapazen ba unten erjagen. 2öie häufig
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□
Momart oon §orft SSobemcr.
45
|>atte er bas nid;t fcf>on getan, oft recht wiberwillig!
§euto aber war er ganj bei ber Sache. llnb wenn fie
bann ein „Schredlid) — fcf?redlicf> !" bajwifchen warf,
lachte er.
„$a, j<^t benft on bie Seiten mit einem oet-
gnügten Scfnnunjeln, bamals freilich toar's feinem
oon uns jum Sachen.“
Es tourbe fdmell forciert, jwei Stäbchen bebienten.
Qtacf) einer fjolben 6tunbe erhob man fid? oom 2Tifd?e
unb fel;rte in ben Salon jurüd. §>a toar ber Spieltifch
fdjon aufgefd>lagen.
„Unfere liebe ©räfin fartn es ja hoch nid;t erwarten,“
fagte bie 93aronin lachenb. llnb bann toanbte fie fiel)
au Sftaria. „§>a nebenan ift ein Heines 3immerd>en.
entführen «Sie ben S^riegshelb borthin unb laffen Sie
ficf> gut unterhalten, oon Seit 311 Seit ftede id) bie
Stafe fcf>on herein ! Stuf Söiebetfehen, glüdlict>e gugenb l“
$>er SBirfliche ©eheime S?at meinte: „Eigentlich
follte man Sie felbft ju bet ftugenb fteden!“
„§>a traute Sfmen bie ©räfin bie Singen aus.
SBeitn ich t>en Strohmann beim Spiel höbe, werben
Sie $h*e SBunber erleben, benn natürlich bringen Sie
bie falfche Sparte heraus!"
©ie ©räfin mifd;tc fchon eifrig. SBhift fpielen toar
eine ernfte Sache, ber man fich mit Eingabe ju wibmen
hatte, ^amiüenbejiehungen, Sftinifter unb Staats-
fefretäre waren ihr jetjt ganj gleichgültig.
Sftit einem luftigen Sachen hotte STlatia Uffelns
Slrm genommen, ©as fchmale, einfenftrige Sonntet,
bas eine rotoerhartgene Sampe matt erleuchtete,
hatte eine nette ^piaubetede mit bequemen ^olfter-
ftühlen.
Uffeln nahm bem jungen SHäbchcn gegenüber <ipial$.
Sluf einem Einehen ftanben SBein unb 3*9oretten.
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44
Kupplerinnen.
©r f>ielt if?r bie 6 <f>ad)tcl Inn.
„$>antet 2 lber, bitte, raudjen 6 ie nurl gd) t>ab’
bas gern!"
©r bcanute ficf> eine Qigarette an, rüdte an feinem
2Konolcl unb beugte fid> Por. ©r wollte 92taria $off-
mann auf bie ^3robe fteüen.
„©näbiges gräulein, nun aber ecjäijlen 6 ie, bitte,
junäcf>ft aud? etwas pon ficf>.“
„ 3 ntereffiert es @ie wirtlicf>?“ fragte fie fd>elmifcl>.
„ 3 a,“ erwiberte er etjrüd).
6 ie faf> it>n an. 9tuf>ig unb feft. ©t war ein fdjöner,
eleganter 9Kann. ©in ©arbefapallcrieoffijier. 3Bas
für ein ©efidjt würbe er maefjen, wenn fie tym bie
9Bof?rt?eit fagte? ©>icfe Herren mit intern 5>ünfel!
2 lber jebcnfalls — reiner ©ifdjt
6 ie erjagte pon if>rer gugenb, pon bes 95aters
gieifj, pom frühen £ob ber Butter, pon ben ©enfer
©agen, bem Onfel SRedmungsrat. 33on if>rem Sieicfrtum
unb ©f>riftian ^Heinljoib fagte fie aber nid>ts.
Uffeln fafj ba, pornübergeneigt, bie gefpreijten
ftingerfpißen gegeneinanberbriidenb, unb t?örte ben
ltnterton, ben fie it>m unter ein paar luftigen 33emer-
fungen perbergen wollte. „9ttid> hungert nad; bem
Seben! 34> bin pierunbjwanjig unb l;ab' 6 etmfucf)t
nad; einem Spanne, ber mid) in bie Slrme reißt !“ — 6 o
lautete ber.
„9tun wiffen 6 ie 23efd>eib,“ fd?lof$ fie mit judenben
Sippen, „©ine ©nttäufdjung — niefit wal)r?“
©r aber fagte nichts, 50 g nur it>re §anb an feine
Sippen.
Xlnb fie ließ il?m bie £janb für einige Stugenblide.
©erabe als bie £anb wieber in iljren 6 cf>ofj ^urüd-
gefallen war, ftedte bie 33atonin ben S?opf bucd> ben
33orf>ang. „60 fefweigfam?“
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Vornan pon §oefi S5obemer.
45
©a erf)ob ficf> Helmut t>. Uffeln unbfagteernft: „3Bir
unterhalten uns ausgeseic^net, 23aronin."
„Siecht fo t 2 Bir fitib nämlich bei ber Slrbeit, bie
©räfirt ein n>enig einjufeifen. ©as gelingt feiten,
©er Sag mufc ausgenüi^t merben!"
©er Süroorhang fiel jurüd. Uffeln bifj bie gähne
aufeinanber. Sr t>attc bie 93aronin oerftanben. Söie
etelfwft bas mar ! 2 Bie gräßlich ! — Slbet je^t nur um
Rimmels millen nicht oerfpiclen ! Ss tarn ja ein Sag,
er muftte fomrnen, an bem er oot Sttaria |joffmann
auf ben S?nien lag. ,,©u, t>ör 511 — unb bemalt mich
Heb!" — Sr t>attc fie tr>itllicf> lieb, bas Sttäbel ohne
ftalfd;, bie f>ier gefchmort merben follte an einem tjölli-
fcf>cn geuer! — Unb menn er £err über Millionen
gemefen märe unb bie ba ein armes Sjafcherl — er
hätte fie lieb gehabt! — fjerrgott, marum mar es
nicht fo?!
Sin ©rud lag jetjt auf ben beiben. «Sie faf>en ficf>
nicht mehr gerabe in bie Singen, ©as ©efpräd) fdjleppte
ficf> t>in. Söaren benn bie ba brüben immer noch nicht
fertig?
Snblid)! ©ie beiben ftanben auf, fal;en ficf> an
eine Sefunbe lang. 21m beiber SJiunb lag ein mübes
Säbeln.
©ie 33aronin tarn l?ereingeraufd)t. „92a, mar's
nett?"
SHaria ^offmann bog fich banferfüllt über ber Baro-
nin §anb, unb Helmut o. llffeln betam einen roten ^opf,
als if>m bie §ausl?errin einen nicht mifjjuoerftehenben
33lid 5 umarf.
SKan brach auf.
„Sieber §err o. Uffeln! Sie bringen mol;l ft-räulein
#offmann nach $aufe? 3 <h f>ab' fc^on nach einem
Slutomobil gefefjidt!"
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46
Kupplerinnen.
□
(St- f4>lug bie 6poren jufammen. „SBenn bas
gnäbige jfräulein cs geftattet.“
©>ie u>ar ganj $>ame geworben. $üf>l war ibr
23lid, l>od>aufgerid)tet ftanb fie ba. „3cf> geftatte cs gerne,
9ert p. Uffeln!“
©r faf* it)r refpeftooll gegenüber auf bem Slüdfitj
in ber anberen ©de. 6ie Ratten fid> nichts su fagen mit
SBorten. Slber bie ©ebanten arbeiteten.
Sie begriff bas nocf> nid>t ganj. 2Sie tonnten bie
Sparten fold>c $>inge oerraten? Söar bis je^t alles ein-
getroffen, toarum follte nid>t aud; bas letzte nocf> ein-
treffen?
©>iefe fd>weigcnbe ftaljrt! — SSebten ba nidjt
3aubermäd?te ein feftes 93anb? ©ines, bas l>ielt ein
ganzes, langes Scbcn?!
©l>riftian 9Reinf>olb fd)ob fid; mit einem SHale
oor it?r geiftiges Singe. §öl>nifct> trümmten fid> itjre
Sippen. ©>icfer alberne Stüpel unb t>icr — ber S?aoalier,
ber fid;befd>eibenin bie anbcrc©de brüdtc unbrpartete,
bis er angerebet tpurbe. 9Bie eine Königin bef>anbe(te
er fie!
5>a faufte bas Slutomobil fd>on an ber ©ebädjtnis-
tirct>e porüber. ©>as rig fie aus tyren träumen, 3eljt
an bie ©egenwart gebadjt, benn bie gutunft lag nic^t
in iljren §änbcn, fonbern in ben (einigen Steiterfäuften
ba brüben.
„$)err p. Uffeln, id> f>ab' eine Söitte!"
©r redte fid; auf. „Sie brauchen nur ju befehlen,
gnäbiges fträulcin."
„Sc^en Sie tnicf> je^t in ein anberes Stutomobil!
§>a, im Storben por meiner Haustür mödjt' id? nidjt
mit gbnen oorfal>ren. 0ie begreifen, man mürbe reben !“
©ie «Sporen flirrten, eine ftumme 93etbeugung.
2lm 23ranbenburger £or brüdte er auf ben ©ummi-
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0 Vornan pon $orft ©obcmer. 47
ball, ©as Tlutomobil fuf>r an ben Smfefteig unb
l>ielt.
Uffeln fprang l;eraus, rpintte einem leer porbei-
faljrenben Tluto. ©ann reid>te ec THaria bie §anb.
(Sin Töeib brängte fid> an bie beiben, ein S?ötbd;en
in bec £anb. ^öt>nifd>c Tlugen fallen it?n an, aus
einem perlebten @efid>t. ©ie feifenbe ©timmc bettelte:
„§ert Oberleitnant, e ©träufeeten poc bet gcailein
33raut! 3rofcf>cn nur!"
(Sr breite ficf> um. 3el>n ©träumen minbeftens
lagen nod> in bem $orb. kleine, bürftige, (mlbpec-
rneltte ©ingetefjen.
©eine §anb griff in ben S?ocb, raffte bie ©träufe-
d>en jufammen, legte fie neben bas junge Tfläbd>en.
©ann fuf>r bie £aub on ben ©taf>ll>elm. ,,©cf>lafen
©ie gut, gnabiges ^raulein!"
„©ante — baute!"
©er 6 cf>lag fiel 311 , fort faufte bas Tlutomobil.
©em TBcib rnaef er einen £aler in ben leeren $orb.
★ *
*
©er 9?ed)nungsrat t>atte auf bie 9tücftet>t feiner
3tid)te getpactet. 77Uttcrnad)t tpar längft poeüber, als
fie enblid) tarn mit blifeenben Tlugen, bie Ijalbtpelten
T3eild>cnfträufed>cn in bec £anb.
„TBo u>arft bu benn nur?“ fut>r er fie an, bepor fie
nod> ein 23egrüfeungsiPPtt fagen tonnte.
„gd) f>ab’ mid; gut unterhalten, fel)r gut fogar,
Ontel !“
,,©as fel>' id; bic an. Tiber es ift teine Tlntroort auf
meine Stage.“
©ie fefete fid> unb legte bie T3eilchenfträufechcn por
fid> bin. ftefet begann alfo ber ©anj ! 9lur teine ©d>tPäd>e
gezeigt! ©ie ging jefet it>ren TSeg allein unb liefe fict>
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48 Kupplerinnen. □
Port feinem Vtcnfchcn jur Geite führen. Sange genug
hatte fie nach Gelbftänbigfeit, nad; bem ©lud ge-
hungert.
„©rlaube, lieber Onfcl, id> bin pierunbjtpanaig
$ahre alt unb niemanbem mehr Sfccfeenfchaft fdjulbig 1"
Oer 9 fe<hnungsrat 50g bie 2 lugenbrauen ho<$*
©in <£on fchwang bucd> Marias SBorte, ihre Slugen
ftrahlten, ein Sächcln lag um ihren 9 Runb, ein Sticheln,
bas ihn ahnen liefe, ba hatte einer ihre ^fabe gefragt,
ber ©inbrud auf fie gemacht hotte. Oa hiefe es x>orfid>tig
fein.
,,$)ab' ich bicf) je beoormunben wollen?" fragte er.
„Oft genug, Onfelchen."
„Vein, mein Kinb, bas ift mit nie eingefallen.
Unb u>enn bu cs fo aufgefafet hoft, tut es mir leib.
Sch fühle mich nur perpflichtet, bas Verfprechen, bas
ich beinern fterbenben Vater in bie §anb gelobt, ge-
treulich ju erfüllen. — Vielleicht hob' ich babei nid;t
immer bcn richtigen £on getroffen. Qd) bin eben nur
ein einfacher Vtann! Slbcr an meinem guten SBillert
bir gegenüber 51t 3weifeln, bafüt liegt roohl fein ©runb
per !"
Oa mar f<htoer 311 antworten! — 2l<h was, jefet
nur nicht ben flcinen Bürger hingehalten!
,,©s ftimmt in ber £at ! Öu haft oft nicht bcn richtigen
£on getroffen, Onfcl Konrab! Sluch heute abenb
nid;t! — Hnb ich brauche jefet meine ganse Kraft.
Sur rechten Seit wirft bu fd;on erfahren, was bu wiffeit
mufet unb follft. Slbcr fd>on jefet barüber 311 reben,
hat gar feinen Ginn! — Vitte, mach' mir bas Seben
nid;t fdjrner ! Vie habe i<h einen fo Haren Kopf gebraud;t,
wie gerabe jefet! ftd; taumle nicht leicfetfinnig an eine
Vtännerbruft, ba barfft bu bid; brauf perlaffen 1 " Gie
erhob fid>. ,,©ute Stacht, Onfcl!"
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Vornan pon §orft Sobctner.
49
©et Stedjnungsrat faf) U>r perblüfft nad>. 2llfo
if)c $erj l>atte bod) gefprocfjen! Tr jetmarterte fid>
ben $opf, aber er fanb fid> in feiner 9?id>te nid>t mefjt
jurecfit. 2B o mochte fie biefe 23etanntfd)aft gemalt
fjaben? 2öie mar fie ju biefet Tinlabung f>eute abenb
getommen? ©iefe £eimlid>tuerei mar jebenfalls per-
bärtig. — Unb tr>ic fpät fie jutüdgelommen marl
2llleinl Tat bas ein 27iäbd>en aus guter ^amütc?
©em alten, brapen 2ftann trat bet Sd;meif$ auf bie
Stirn. SDas nun? 28as nun? 2ln u?en follte er fief)
um 9?at tpenben?
©er ^eefmungsrat fanb in biefer 2tacf>t leinen
6d>laf. Taufenb ^läne toätjte er burd; ben $opf unb
alle pertparf er mieber. Seiner 9öeist>eit lebtet Sdjluf}
mar: 2lbgemartet, tpas bie Sutunft bringt, unb jur
rechten Seit, menn es fein mu^, ba}u>ifd>en gefaxten
mit ftarler §anb! — Qa, mann mar aber bie „rechte
Seit"? ©a fdmtterte ein Krampf bureb feinen maffigen
Körper. Ratlos ftarrten feine 2lugen in bie fdwarje
9tacf>tl
* *
*
Uffeln t>atte fein Slutomobil beja^lt unb mar mit
l>od)gefd)lagenem 9ftantel£ragen unb bie §änbe in bie
Tafd>en pergtaben in ben Tiergarten Inneingebummelt.
Unter feinen Sadftiefeln Inirfdjten 6anb unb Schnee,
23itter!alt mar's gemorben.
Slber nur jeijt allein fein mit ben ©ebanfen! ftm
Traume !>ätte er ja nid>t gebad>t, bafj bet 2lbenb fo
enbigen fönnte. Tr, bet fo oft über bas ^ofpartett
gegangen mar, ber fo manches 9ttäbel im 2lrm gehalten,
nad> bem fic^> anbere bie Ringer geledt — er liebte
biefes 9Häbcf)en aus bem Qtorben, bie bort jufammen
mit intern Onlel 9tecfmungsrat Raufte!
1914. u. 4
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50 Kupplerinnen. □
Stun, bas mar feine ©ebanbe! ©ine ©ebanbe aber
mar's, menn bies ^erjige, taufrifebe SHäbel pertuppelt
mürbe ! llnb menn cs auch an if>n mar ! Sin if>n, bet
fic lieb Rattel
Söeun et Sftatia ^offtnann flaten Söein einjebenfte?
Sld>, et es ja pou fersen gern getan l Slber tpenn
fie jicb bann pon ibm abmanbte? 3 a, läge ibm bet «Stricf
nur nidjt jo feft um ben £als! llnb am ©nbe mufjte
et bod) aud) bic 23aronin jd;üt$en!
Slun, tpenn et aud> bic jen ©ebritt in jeinet 93erjmeif-
lung getan batte, ein ©djuft mar et besbatb nod> nidjt,
tpollte es au<b nicf?t jein SKaria ^offmann gegenüber.
SBenn et jie auf |)änben trug, tpenn jie übet 5 eugt mar
pon jeiner Siebe, bann tarn jct>on einmal bie grofje
©tunbe, bie ifm por if>r entjünbigen mürbe!
§>a fnirjd>te er mit ben Säbnen. Stljo jo lange
mürbe gcfrcpelt — gefrepelt an einem Sfläbcbenberjen.
Sr jdjlug milb mit ber $auft in bie Suft. fjetjt
mufcte ©d>lujj gemacht, ©d>lag auf ©d;lag geführt
merben, bamit ber ftreoel nid>t länger bauerte, als et
unbebingt bauern mujjte!
* *
*
$>ie 23atonin Sebrburg batte am näd)jten borgen
jeitig ihre S3illa perlajjen. ©ie fuhr 51 t $rau ^eifterlob.
„Silles mirb mimberjcbon tlappen ! tiefes SHal ift's
ein leichtes ©ejdjäft ! — §>a, ein 2Bcd;fel über jebn-
taujenb Sttarf für ©ie, bie beiben anberen geben ©ie an
$rau ©tobromsfp! fahren ©ie jofort bin! ©r braucht
minbejtens bunberttaujenb SHart in bie eigene £anb l“
Sangjam jd;lenberte bann bie 93aronin an bem
falten SSintermorgen nad; £aujc. S?am bas ©ejdjäft
jujtanbe, machte fie ihre fleine 23illa ganj laftenfrew
60 picl unb jo glatt mürbe jetten perbient !
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h
Stoman oon §orft &obemer.
51
SUs bas Oienftmäbctjen auf il)t klingeln bie £aus-
tüc öffnete, fagte es: „©er £ett Oberleutnant o. Uffeln
toartet fd)on feit einet falben 6tunbe auf bie ftrau
©aronin."
Oa bluten itjre braunen Singen.
Oer ©edmungsrat fmtte am nackten SHorgen
nochmals fein $eit probiert — in aller Slufje. Slber
SHaria ^>attc nur ftumm unb energifd? ben ßopf ge-
rüttelt.
Unb bocf> toar if>r bange. Unmöglich) toar's nid)t,
bafc bie ©aronin ju il>t tarn. Ober £err o. Uffeln!
Oas toar fefjr toaf>rfd)einlid). Slatürlid) erfdjien et in
Uniform, benn ^offentlid) t><dt« Uffeln fie geftern
nad)t oerftanben unb toar fo tattooll unb !am nid?t
ettoa in Bioül
Oas t>atte man aber baoon, toenn man im Storben
tooljnte ! SMntungen biefer Slrt toar man f?ier ausge-
fc^t!
Silo it>r öntel jurn Oämmerfd>oppen gegangen toar,
atmete fie auf. Kam er jetjt, fo tonnte fie iljn toenig-
ftens allein empfangen — unb beutf<$ mit U>m reben !
Oas mufjte fein, fo fd>toer es it?r fallen toütbe — fdjrecf-
licf? fdnoer!
Unb toenn bann alles — getoefen toar?
3t>re Slugen tourben feucht. Oie Sleroen melbeten
fid).
Oa brachte if)t bas ©laberen einen 9tol>rpoftbrief.
©rof$e, eefige Scf>rift 5 üge — fie toufjte fofort, bet tarn
oon bet ©aronin. ©deidjtert atmete fie auf unb öffnete
ben Umfdjlag fo Saftig, bafj it>r ber Siegellad ins ©e-
fid>t fplitterte.
Oie ©aronin fd;rieb: „6ie frnben mir ba ein fcfjönes
Unheil angericljtet ! Oenfen 6ie nur, £err o. Uffeln
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52
Kupplerinnen.
d
mar beute morgen fd>on mieber bei mir — Sijtehoegen I
Unb gebettelt bat er jurn Gteinermeicben ! — 3a,
mas foll man ba tun? — Sllfo ich bitte Gie, mit morgen
um fünf Hf>r fttyten offijiellen 93efud) &u machen,
jum See ju bleiben — unb l>offcntUd> auch jurn
2tbenbbrot! ■»— 53in neugierig, ob Gie tommen merben?
SBürbe es Gie fet>r munbetn, menn Gie einen getoiffen
Semanb bei mir antreffen mürben? — ©>er möchte
3f?nen gern feinen 93efud> mad;en, rnill aber bocf>
liebet erft morgen abroarten ! 3<h bin nicht recf>t baraus
tlug gemorben, er meint aber, bas märe mof>l in Syrern
Ginne! 9iein, bin ich neugierig! Unb oiele ^erjlic^c
©rüfee oon
3bret
©ertrub o. 2ef>tburg."
9ttaria liefe ben 3$ogen finfen. Sllfo mirtlid)? 2Ufo
mirtlid) !
Unb menn fie beging, oergab fie fid) ba etma&?
§>ocb mol>l nicht! Gie liebte it>n bod>! Unb er?!
©6 mar nicht au&jubenten, bas grofee ©lüd.
Slbet fie mürbe ber 93atonin nicht antmorten! ©r
follte jappeln!
Unb bann fprang fie auf, fang ein luftiges Siebten
unb — oerftummte plöfelid;.
2lm anberen borgen ganj früh ging fie jur fttau
Gtobrom&fp. 53is jefet batten bie harten nicht gelogen,
marum follten fie es auf einmal tun?
§>ie Kartenlegerin hätte gar nichts miffen brauchen,
fie fab es bem jungen Räbchen fofort an, mie bie 5>inge
ftanben.
„Gcbon mieber ba?“
„$cb glaube, ich habe mirtlich ben fchon fennen
gelernt, ben ich braten merbe!“
23ei bem QUicbfafee mürbe fie über unb über rot.
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□
9tomon pon §orft 33obemer.
53
$>ie Kartenlegerin fa^> fic trculjerjig an unb lacf)te
bann. ,,©un foll icf> gfmen tool)l fagen, ob es n?al>r-
Ijaftig it>r jufünfttger ©räutigatn ift?“
»3a» 3*au ©fobrotpslp — bitte!"
©taria fafj fd)on ungebulbig auf bem ©tut>le,
neroös fuhren il)re S^önbe auf ber Xifdbplatte t)in unb
f>er.
$>ie Kartenlegerin machte ein ernftes ©efid)t unb
bad>te babei: „@s ift bod> sum Sachen, mie bumm bie
©knfd>en finb!"
Unb bann mifdjte jie lange. $>as junge ©täbc(>en
l>ob ab, ju ficf> ju — breimal. fiangfam legte f^rau
©tobromstp bie Karten auf. 2lbcr fie fagte nichts,
3 ät>lte blofj immer toieber ab.
„Slber fo reben ©ie bod>!“ fagte ©taria erregt.
„©Jollen ©ie bie polle 2Bal)rt>eit miffen?"
©s lag ein ©rol>en in iljret ©thnme. 97laria mar
bie Keljle mie jugefdmürt. ©ote Rieden tanjten
it>r por ben 2lugen, in ben Oljren lag ein ©raufen.
„$a!" preßte fie enblid) heraus.
,,©>er, ben ©ie tennen gelernt t>aben, mirb 3f>r
©t>emann! ©bet nur ©ebulb, benn fo einfad) liegen
bie ©>inge nid)t! ©rofje ^inberniffe fielen im Söege.
Stuf feiner ©eite toic auf ber gt>ren. — SBarten ©ie,
matten ©ie! — ©in ©erufsmedjfel liegt ba. ©eine
2lngel)örigen fdjeinen ben nicf>t jugeben ju toollen!
— §>ocf> bas mirb ju regeln fein! — Slber ba — o mef>,
o mef>!" ©ie tippte auf bie £reffaetm. „§>a liegt ber
£afe im ©feffer! — ©Jiffen ©ie, toas bas bebeutet?
©cfmlben, piel ©d;ulben!"
$>a lad)te ©taria l)ell auf.
©rftaunt fat> bie Kartenlegerin fie an.
„Qa, tonnen ©ie fid> benn einen ©arbetapallerie-
offijier porftellen, ber leine ©cf)ulben f>at?“ §>a mertte
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54 Kupplerinnen. O
JHatia, baft fic fiel) oerfdmappt „2ta, toas hilft
cö t 9lun toiffen Sie es ja t" fdjloft fic.
ftrau Sfobrotosfp machte grofte 2lugen. „<?in
nobler Garbefaoallerieoffijier?"
„Unb ein bilbhübfcher, eleganter, lieber Vtenfch!
— Unb toenn bie Schulben bas fchlimmfte ^inbernis
finb — na, bann reift’ id> bas herunter, inbem ich unter
einen Scl>ed meinen tarnen fd>rcibc ! s5>er toiegt
nämlich aiemlicf> ferner, f^rau Sfobrotosfp !"
„freilich, toenn Sie fo reich finb ! 9ta, toir toollen ein-
mal fehen l" — SBieber begann fie ju jaulen. „3a, bann
toär' bas Schlimmfte übertounben l — Slber es fcheint,
es fd>eint, liebes fträulcin, es ift bo<f> eine fet?r be-
träcf)tlid;e Summe l“
2ftaria erhob fid>. „3f>re SSeistmt ift mir gut noch
einmal tjunbert SHart teert t — $>at Slbieu, ftrau
Sfobrotosfp! $n bie £uft muft id> jeftt — in bie fiuftl
2lm liebften möd)t' ich fliegen!"
grau Sfobrotosfp lieft fiel) von ihrer Vertrauten
gebet unb Rapier bringen unb fchrieb einen feht
ausfüt>rlid;en 9?ot>rpoftbrief an grau ^eifterloh. $>cnn
feitbem bie Varonin grau S^eifterloh einmal hotte
„ausfchalten" toollen, ioünfd>te fie mit ber oornehmen
©ame feinen bireften <Sefd?äft6t>erfef>r mehr.
Qn ©elbangelcgenheiten muftte cs reell jugehen
— ftreng reell!
* *
*
$>ie Varonin gab 3Katia einen $uft auf jebe Söange,
f?ielt fie auf Slrmlänge oon fid) unb fctmttelte ben
S^opf. „Soll man bas für möglich holten? — Sie fam,
fie fat>, fie fiegte ! — geh bin Uffeln geftern morgen gar
nid>t toieber los getoorben, fo übcrooll toar fein ^erj, 9fur
gut, baft Sie nid>t bie ganje Vekhte gehört höben !"
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D Kommt oon SJotft 93obemer. 55
SHaria ^offmann Hangen bie SSorte tote ©pfjären-
mufif. ©ie tourbe übet unb übet rot unb faf> fid> um.
©ie 93aronin lad)te. „Kein, et ift nocf> nid?t bat
®r tommt erft in einet ©tunbe. gd> f>ab’ if>m bas bei-
gebrad;t!" ©ie feufzte. „3cf> Benne if>n feit breijefm
Sagten! 2lls blutjunger Leutnant fam er zur ©cf)u>a-
bron meines Cannes. Xlnb wenn id> aud> nidjt t>iel
älter bin als et, immer f>at et mit fein S)etz ausgefd?üttet,
unb bann f>ab' id> il>m toieber ben Stopf grabe auf bie
©cfmltern gefegt! — ©iefe Leutnants! ©iefe leid>t-
finnige Kaffelbanbe ! — 2lbet laffen ©ie fief? erft einmal
beawnbern, mein liebes gräulein ^offmannt —
#m! §m! ©iefes elfenbeinfarbige Stleib mit bem
rofigen Unterton fteljt Sinnen famos! Überhaupt, ©ie
Imbcn ©efdjmacf. $n jeber ©cjiet^ung — ja, ja! gn
93alltoilette muffen ©ie Ijerrlid) ausfe^en. 93lonb f)at
Zarte, meifje fjaut! Unb es ftet>t fd)on in ber 93ibel:
bie ^rau aber fef>c, toie fie bem Ktann gefalle, ©as
ift alfo ganz in bet Orbnung t — Slber nun roollen mir
uns fetten unb £ce tänBcn. 35or allen ©ingen meinen
tjerjlidjften ©anB für gi)ten offiziellen 93efud> t"
©ie 23aronin lad>te toieber, gab Klaria no<f> einen
Stufe, biefes Ktal auf ben Klunb unb brüdte fie in einen
bequemen ©effel.
„Kun fagen ©ie mir, bitte, toie ftellen ©ie fiel) benn
ju biefen unerwarteten (Sreigniffen?"
Klaria fwtte am üebften laut tjinausgejubelt, aber
fie betjerrfd>te ficf>. Srft reiner ©ifd) ! Unb ben Ktännern
gefiel es ganz fi<$et nidjt, wenn fie nid)t auf ein roenig
SBiberftanb ftiefecn. ©ie gefcllfd;aftlid>en Unterfcf>iebc
waten bocf> reid>lid> gtofe, ba l;iefe es hoppelt oot-
fidjtig fein.
„fjtau 93aronin," fagte fie, „cs Bann bocf> niefjt
alles im Seben mit ®ilzugsgefd>winbigBeit gement
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56 Kupplerinnen. □
gd) fenne §cmt p. Uffeln taum. Unb er mkf> nicf>t
beffer!“
§>iefe Slntroort f>atte bie 23aronin ni<f)t im Traume
ern>ortet. $>ie tonnte ja iljren ganjen ^lan über ben
Raufen toerfen! $as burfte nid)t feinl „9tun, nun
— Siebe auf ben erften 23lid! ^Keinen Sie toirtlicf),
es tarne im Seben nid)t por?"
Sttaria tourbe pcrlegen. ,,©anj fid>er. 2lber icf>
meine, au<f> an #inberniffen fef)lt es nid>t."
5>ie 93aronin atmete auf. $>a tarn fie toieber ins
recfrte ftal>rtpaffer. 0efet bas Steuer aber nid)t toieber
aus ber fjanb gegeben ! SBenn Uffeln tarn, mußten bie
„^inberniffe" pöllig befeitigt fein, ,,©anj getoife finb
aud> ^inberniffe oorljanben. Uber bie f>ab' i<$ geftern
mit Uffeln lange gefprodjen unb bestmlb tourbe icf>
if>n ja gar nidjt toieber los! ©r i>at mid) gebeten,
als feine gute 5**unbin bie Steine bes Slnftofees aus
bem SBege ju räumen. 9tur tein fataler 9teft, ber bod)
fpäter ans £ageslid;t tommt unb bie Harmonie ftörtl
2ln mangelnber ©l>rlid>teit gef>en ja fo oiele ©l>en
jugrunbe ! — ©>as feigen Sie bod) ein, liebes Fräulein
^offmann — nid>t toal)r?"
9ttaria nidte nur. S^ein SSort brachte fie aus ber
S?ct)le, benn jefet mufete ficf)'s ja jeigen, ob bie harten
aud) in biefem fünfte redf)t bedielten.
„SDiffen Sie, bas ift für micf> eine fef>r peinlid;e 9luf-
gäbe," meinte bie 33aronin feufjenb. „Unb toenn mir
Uffeln nicf>t fo nal)e ftänbe, liefe id) bie ffinger lieber ba-
pon.“
2lbficf>tlicf> fefnoieg fie jefet. Qltaria ^offmann follte
fie brängen. 2lus ber 2lrt, toie bas gefd>al>, liefeen fkf>
Sdüufefolgerungen sieben.
Über 9Zlaria toar eine 9tul>e getommen — eine
eifige 9tuf>e. ,,0rau 93gtpjiin> fpreetjen Sie boef) unge-
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□ Vornan oon §orft Sobcmcr. 57
f<4>cut ! %<i) tpeifo, ©ie meinen es aud) mit mit gut.
3$ t)«be für ©l)rlicl)feit unbebingtes S3erftänbnis."
©>a fafjte bie 23aronin nad> Marias $anb. ,,©>as
trat eine pernünftige, eine anftänbige Slnttoortl ltnb
übclnef>men gibt es nid)t — nicf)t toaljr?“
„Stein t"
©>ie 93aronin lieft bie £anb Sttarias nüfrt los. „3cf>
tpeift nicf)t, ob ©ie bas Sieben in unferen Greifen,
bei ber ©arbetapallerie, beurteilen tönnen. glaube
es nicf)t. Stehen riefigem Steid)tum — ©ie brauchen
nur einmal bie Stanglifte aufjufdjlagen, S^erjöge,
dürften unb ^rinjen ftef>en ba in Sttaffen bei biefen
Stegimentern — finben ©ie aber aud) Herren pon
altem Slbel, bie nid)t übermäßig mit ©lüdsgütern ge-
fegnet finb, Stamen, bie fid) auf ben ©d)lacf)tfelbern
tpie im ^ofbienft betoäl>rt l>aben, beren S3äter mit biefen
ftoljen Stegimentern tnnausgejogen finb gegen ben
ffeinb. $a, bu lieber ©ott, bas ift red)t unb gut. ©s
ift £rabition. Stuf bie l)ält ein anftänbiger Sttenfd).
Stun aber !ommt bie ^eljrfcite ber SHebaille! Sttan
lebt t>eute nicf?t mel>r fo einfad) tpie por jtpeil>unbert,
fmnbert, por fünfjig 3at>ren. §eute ift ein Sefmmart-
ftüd ni<t)t mel>r fo piel tpert tpie por fünfzig ftatnren
ein Scaler ! Söas foll nun fo ein ©arbctaoallerift machen?
©r tann fiel) bod) nid)t jurüdäietjen ! ©r mad;t alfo
©d;ulben. Unb bie läppern fid) auf — rafenb fdmellt
©ie glauben gar nid)t, roie fdmell, liebes gräulein
^offmannl ©in ©arbefapallerieoffijier f>at ja S^rebit.
©r toirb il>m förmlid) aufgebrängt. Sllter Stame,
f>erporragenbes Stegiment, bie Sperren meiftens aud)
fef>t elegant, pon gutem Slusfeljen — alfo es t)at teine
©efafjrl Unb toenn fd)on mal an bem einen Perloren
toirb, ba beJommen bafür bie anberen eben ein biftefjen
mel>t angetreibet. ©>ie ©efd)äftsleute fommen auf
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58 fhipplertnitcn. q
tf)tc Soften. ©>enn eines Soges heiraten bod; bie fetten,
bie Schtoeftern reichet S^ameraben — ober in bie h<><h'
finanj hinein! §>af} ber £err Sd>toiegerpapa einen
93acten Sd)ulben, meistens einen tüchtigen, ju bejahen
hat, bamit rechnet et oon allem Anfang an als eine
fclbftoerftänblid)e 33orausfehung ! — Qn ©in^clheiten
möcht' icf) mid? nid>t toeiter oerlietcn. — können Sie
ficf> bas oorftellen, mein liebes gräuleüt hoffmann?“
©>ie fchlofo bie Slugen. 9tur ein ©ebanfe hatte ooll-
fommen 93efi^ oon ib>c genommen: bie harten! SBar
es benn überhaupt bentbar, bajj bie fo beutlid) alles
pertaten tonnten? Unb toas t>atte $rau Stobrotosh)
nod) gefagt? Sel)t gtüdlicf> toürbe fie toerben! $>as
toar ber fpringenbe ^untt!
§>ie Slugen rift fie auf unb lächelte oerfonnen.
„ftrau 53aronin, i<f> tann es mir oorftellen."
„$>as f>ab' id) mir gebadet, bafj Sie fo oernünftig
fein mürben. SBollen (Sie es and) toeiter fein? §>enn
nun muf$ id) aud) ehrlich über Sie felbft fptecfjen
bürfen.“
Sie toufete, toas nun fommen toürbe — ber „53e-
rufstoed)fel". §>as fal> fie ohne toeiteres ein, in ben
Steifen ber hetjbge, dürften unb ^rinjen f?atte fie
nichts 51 t fud>cn.
,,hab' id) in bem einen ‘puntt 93erftänbnis gezeigt,
toarum follte id) es nid)t in bem anbeten?"
,,©ott, toie finb Sie oernünftig! gtjr 9Jiann toirb
einmal ein leichtes Slusfommen mit 3fmen haben. Unb
bas oerbürgt ein glüdlidtes Seben. — 2llfo hören Sie !
£crr 0 . Uffeln hat gerabe barüber fel)t ausführlich
mit mir gefptochen. Sagt er es felbft, Hingt es unge-
heuer peinlich* Unb ich tenne aud) angenehmere ©inge,
als 3 fmen bas mitjuteilen. 9tun, toir toollen cs turj
machen, ©r hat Sie fo lieb, baft er feine glän^enbe
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Stoman »on $orft Sobemet.
59
Uniform ausjiehen mill. 2lber er toill arbeiten. ®en
^rinjgemahl fpielen, mär' ihm 51t erbärmlich! —
2Bürbe es nid;t möglich fein, baf$ ©ie ein ©ut taufen?
©r toill fief? einarbeiten, es bemirtfehaften mit aller
pflichttreue. Unb ©ie, mein liebes gräulein £off-
mann, hätten if?n bann ganj für fid?l"
$>a öffneten fich ihre »ollen Sippen. Oer Sltem pfiff
i!?t burd? bie gähne. ©ie glaubte, il?t #erj tönne jer-
fptingen. — Oa roat ja bas ©lüd, bas grojje ©lüdt
Oer elegante Xlffeln brauchte bod? nur bie £anb aus-
juftrecten, bie ^ochfinanj l>ätte it>n mit offenen Firmen
aufgenommen! Unb er 30g bie glänjenbe Uniform
aus — ihretmegen ! Stur il?retmegen !
Oes 93aters 95lut ermachte in ihr. fterjengcrabe
fetjte fie fid? in ihren ©effel. ge^t ganj reiner ©ifch.
geben Stugenblid tonnte er ja fommen!
„grau 33atonin, roie oiel braucht S)err 0. Uffeln?"
„©in runbes ©ümmdjen. ©r mufc auch nod? ettoas
in ber §anb bemalten. Oas toirb ihm angenehm fein,
benn feine einzige Slngft ift, bafj ©ie ihn jum »Prinz-
gemahl' begrabieren tonnten. Sllfofagenmir: hunbert-
taufenb 92tart!"
„Oie 21ngft foll er nid?t haben. ©r bringt mir bocf>
and) ein Opfer! geh merbe ihm hunbertfünfjigtaufenb
jur Verfügung {teilen."
Oa fprang bie 93aronin auf unb brüdte 9ftaria an
fid?. „©0 ebel — fo gut ! gft hoch ein 92lenfd?entenner,
ber ©eufelsterl, baf} er ghren SDert fofort erfannt t>at !
Saffen ©ie fid? füffen, 2Haria ! ©0 — unb fo ! Unb u>ie
lieb ©ie fief? »erraten haben 1 — Oh, oh, merben ©ie bod?
nid?t rot! gd? hatte fold?e gurcl?t oor heute nachmittag!
Unb nun — es toar füfj, einfad? hitnmlifd?! — 9?od?
einen Shift auf gute greunbfehaft, 9Hatia! 9tun aber
toollen mir ©ee trinten unb märten ! 2luf ihn ! ©r mirb
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Kupplerinnen.
nid>t Dürft haben auf bas lapprige 8 eug, fonbern auf
fein feiges Atäbell“
* Ä
*
Das Dienftmäbchen melbete Uffeln an. deinen
A3agen Ijattc man porfahren Ijbcen, Eeine Klingel
fchrillen.
Die 93aronin judte jufammen. SÖährenb fie fafjen
unb warteten, war fie bie Angft nicht losgeworben,
im lebten Augenblict Eönne bod> fid) noch irgenb etwas
ereignen, bas ben ganjen ^lan über ben Raufen warf.
Uffeln war fo fchredlkh aufgeregt geftern gewefen unb
fie l>atte if>n burd)fd>aut. Dajj er fid) in ben §anbel
eingelaffen l>atte, empörte ihn. Aber er fafj in bet
ftalle, tonnte fict> nicht mehr rühren. ®telt>aft war es
if>m fidjer, f?ierl?cr ju tommen. llnb er mufcte hoch 1 —
3n ähnlichen Sagen war bie 23aronin fdjon felbft
ein paarmal gewefen. £eute war fie abgebrüht. Cie
wufote: finb bie erften Cd>ritte getan, f>at man bie
2 Sed)fel ber Herren in ber £af<he, bann bürfen fie nicht
mehr mudfen!
Aber Uffeln betrachtete bie Angelegenheit nicht
rein gefchäftlid). Cein ^erj h a ^te wiber Erwarten
gefprochcn. Qn folchem Suftanbe macht ein Atenfd)
leidet Dummheiten. Cie h«ttc bie Abficht gehabt,
ihn abjufangen, erft einmal beutfeh mit ihm unter
oier Augen 311 reben, fet>r turs unb fehr bünbig. Aun
war's 3 u fpät!
Die ©ebanten 3 udten blitzartig burch ihren $opf.
Cie fah Ataria ^offmamt an. Die fafz glutübergoffen
ba, wagte es nid>t, ben 93lid 311 heben.
Cporen flirrten; Uffeln trat ein unb fdjlug bie
#aden 3 ufammen. 8 a?ei Aofenfträufje trug er in ber
0 anb.
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O Vornan pon 6orft £obemet. 61
5>ie 93aronin »erlief i^rc ©panntraft nid;t. ^offent-
ü<4> genügte ein warnenber ©lief, ein aufmunternbes
Aiden.
„5>o finb ©ie jol — Ah, 5 tx>ei Aofenftriiufje ! ©ie
fehen, ©ie traben fid> nicht »errechnet 1"
©anj bicf)t war fie vor ihn getreten, ihre Augen
fprad>en. ©r verftanb fie. Hnb bod) judten feine
Alunbwintel — gerabeju I?5^nifd> fat> bas aus.
Aun, jtaansigtaufenb Atari waren lein ^appen-
ftiel für fie ! Hnb wenn et erft verheiratet war, ging fie
bie Angelegenheit nid;ts mehr an. 5>ann mochten fich
bie beiben allein aurechtfinben !
Ataria hotte fich auch erhoben, ©ie fah Uffeln an
unb fentte bie Augen oerwirrt nieber, als et auf fie
5 utrat.
„Atein gnäbigftes Fräulein! — Hub vielen, vielen
beglichen 5)anl, baf} ©ie getommen finbt“
©o viel gnnigteit fchwang burch feine AOorte, bajj ihr
bas £era weit würbe, ©ie wollte einen ©d;cra mad;en,
aber ihre Sippen veraogen fich nur.
$>a holf bie 93aronin, wie fie cs immer tat, mit
einem luftigen Sachen. „3<h fühle mich wahrhaftig
überflüffig hier ! — AÖollen ©ie wieber ba hinübergehen?
3a? — ©s wirb wohl bas einaig richtige fein. — Steine
©orge um mich l 3<$ hob' einen ausgeacidmeten Aoman,
riefig fpannenb, ber wirb mit bie Seit bis aum Abenb-
effen vertreiben, benn vor Atitternad;t lafj id; ©ie beibe
nid;t wieber fort!"
Uffeln verbeugte fid; vor Ataria. „ADenn 3h nc n ber
93orfchlag red;t ift, mein gnäbiges $räulein — “
©tumm reichte fie ihm ben Arm, wie im £raum
ging fie bahin. 5>unfelrote Aofen trug er in ber §anb.
$ür fie! ftür fie!
Hnb was bann tarn? ©ab es überhaupt ein folches
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ßupplermnen.
62
ä
©lüd? ©>er grofce, elegante ©arbefapallerieoffijier
liebte fic. Me SHatia £offmann?
©6 war fein gweifel t Sie t?örtc es an feinet Stimme,
füllte cs aus jebem 23lid!
©>et fernere Vorhang fiel 5 urüd. ©r brüdte ihr
bie9?ofen in bie^anb, fah ihr in bieSlugen. ©in ftummes
SBcrben war's.
„97latia!“
©anj leije fprad) et bas SSort unb mit einet Snnig-
feit, bie it>t bie tränen in bie Slugen trieb-
„Farial"
Seine §anb umfaßte itjce Schultern.
„OTatia, id> t>ab' bi<t> ehrlich liebl“
©a fant fie an feine 93ruft, füllte ben ftürmifchen
Schlag feines ^erjens. ©t fat? auf fie niebet. Siebe
unb Schmach ftritten einen Ratten Stampf in feinem
#erjen. SBenn er je^t beichtete, war bas nkf>t ftreoel?
Greuel an biefer reinen 9näbd)enblüte? — 2 lnb bod>
wollten ftef) bie SSotte auf feine Bunge brängen. ©t
t>atte es ficb genau überlegt, wie et es it>r fagen wollte
— fdjonenb unb bo<h ehrlich.
2 lber ba l>ob fie ben S?opf unb fah ihn felig an.
SBartete auf feine $üffe.
©in 23eben ging burd> feine ©lieber, fefter 50 g et
fie an fid?, ihre Sippen lagen aufeinanber. 3mmer
wiebet! ftrnmer tpteber ! fteft Hämmerten fid> tt>re
2ltme um feinen §als. So feft, als fei er ihre Rettung.
Q2ein — jetjt ni<hts fagen! ©>ie grofje Stunbe
tarn fd)on noch! SSenn et erft bewiefen hotte, wie er
fie liebte! — ßc^t nur Scligfeit — Seligteit!
„9Karia!“
Bmmer wieber legten fiel) feine Sippen auf bie
ihren, tonnten ficf> nicht fatt trinten an biefer 98äbchen-
blüte. SDonnefchauet jagten über bie beiben — nur
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Vornan pon $orft 55obemec.
□
63
ausbelmen biefen feligen Sugenblid ju Minuten — au
Siertelftunben t
„Siatia — tt>ie t)ab' icf) bid) lieb ! 28ie ^ab' »4)
bid) lieb!"
„öu! Ou! O bu! — ltnb icf) tenne nicf>t einmal
beinen Sornamen!"
„Helmut l"
Oas überoolle Siäbcbenbera fanb gleich einen $ofe-
namen.
„geller — mein geller!"
Stürmifcf) rif$ er fie an fid>. 28ie bas Mang! 38ie
lieb unb füfj unb gut! 2ln biefem Siäbcbentjeraen toar
feine Heimat. 2Bas feierte it>n bet äußere ^runf?
©ine Heimat tjutte er gefunben! Öl), er roollte es il>t
banten 1 — Stellet — u?ie bas Mang ! Sid)t nur lieb unb
füjj unb gut — tampfesmutig Mang es! Herrgott,
tvas tonnte bie Siebe aus einem Spanne machen!
Oer 6d>mu^ mürbe oon il>m abfallen ! ©r ftanb feinen
Siann im Seben — unb fie ftanb an feiner Seite!
Oa 50g er fie auf feinen Sd)of$. Öen Srm legte
Siaria um feinen $)als, ben ®opf auf fein 2lcl>felftüc!.
„6 i^ ftill, geller, gana füll ! So ift's fd)dn ! Unb icf>
lann bid; anfeljen. ©rabe unb ftart bie Safe. 2llfo
— bu Ijaft ©nergie. Sange Söimpern unb tleine Obren.
Sein, toie tann ein Stann nur fo Meine Obren fjaben!
ltnb bein Stunb, ©ott, ift ber füfc, geller! Oie Stirn
f>od) unb edig. 3a, ja, geller, bu toeifjt, toas bu millft !
— Ol), toerbe bod) nid)t ungebulbig ! $d) bin noch lange
nicht fertig! — Qn bem blonben £aar haben freilief)
bie Stäusdjen fd;on ein bijjefjen gekauft, Oas tommt
rooljl oon Sübmeftafrita?"
Oa mufjte er lachen. Unb fie Mdjerte mit. Orüdte
ben S?opf noch fefter auf fein 2ld)felftücf.
,,Of), bu follft aud) über beine ftrau lad>en. Slle
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Kupplerinnen.
fiebert Sage in bet 2Bod>e. ©ocf>, menn bu fteinalt bift!
— geller, btef> beinen S^opf mal ein bif}d)en 'tum ju
mitl ©eine guten, lieben, blauen Slugen will id>
fef>en!"
Sr tat es unb tüfjte fie gleich mieber. Qe^t in biefe
reinen Slugen bilden — es mar eine Qual! ©as
brachte et ni<$t fettig l ©ber er mürbe es fd>on lernen
— halb, halb!
,,©ift bu ftiirmifct), bift bu füfj, geliert — ©u, unb
morgen fpred;en mir oon ber gufunft, nid;t f>eute! —
SBenn bu nur millft, bann gefrt alles Sd)lag auf
Schlag I“
Uffeln befam einen roten S^opf.
©a t)ing ©taria fd;on mieber an feinem §alfe.
,,©ie Söolten fd)eud>’ id) bir »on ber Stirne! 3öir finb
ja nun eins! ©3ir finb ja nun eins!"
Stumm 50g er ii>re §änbe an feine Sippen.
,,©un — unb mein ©tunb?"
Herrgott mar biefes taufrifd>e ©täbcl füfo! ©ur
je^t nid)t an bas ©öfe benten! 21n bas reine, liebe,
gute ©täbel, bas er in feinen Firmen hielt! — ©er
grofje Sag tarn fd)ott — unb mürbe übermunben!
©ie beiben fuhren auseinanber, als bie ©aronin
eine f>albe Minute mit einet flehten Schelle läutete
unb bann erft ben ftopf burcf> ben ©orljaitg ftedte.
Sin marmes ©efül>l mailte in ©taria auf. Sie fiel
if>r um ben £als. „$rau ©aronin — $rau ©aronin!
©ein, mie glüdlid) bin id)!"
$eft fie bas junge ©täbd>en an it>re ©ruft
unb fat> mit einem oielfagenben Säckeln Hffeln an.
©er nagte an ben Sippen unb machte ein finfteres
©efid;t.
©bet bas ftörte bie ©aronin nid>t meiter, fie lad)te
il>n aus, gab ©laria oollct Überfdjmang ein falbes
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Vornan »cm #orft SJoöemer.
65
©ut^enb S^üffc unb toünfdjte mit t>cc 5 lid?cn 2öorten
©liid. ©ann aber legte jie fid; 9teferoe auf. Uffeln
l;atte moralifdjen Katzenjammer, unb toenn fie ju
tjeftig £t>eater fpielte, tonnte ein ©rauerfpiel aus bem
6d;toanl toerben.
©ie Scanner toaren bod? ju fomifdje ©efd)öpfe!
©in 2Beib mar ganj anbers, toenn es galt, mit biplo-
matifdjem ©efd;id fjäben ju jietjen. ©as einmal ©e-
toollte oerfolgte ein 2Bcib mit unerfd>ütterlid?er Kraft,
f>ielt alle unnützen ©ebanten oon fid> fern. ©as be-
griffen bie Scanner, bas „ftarte ©efd?lcd?t", fo feiten. —
9tad> bem Slbenbbrot brannte Uffeln ber 23oben
unter ben güfjen.
93iaria aber bettelte: „9tod> ein ganj fnappes
0tünbd>en, geller l"
„5Bir finb bod> morgen toieber l;ier, müffen je^t
9tüdficf>t auf bie grau Baronin nehmen!“
©ie mehrte fel)t gefetndt ab. „Sta, ein 6tünbd;en
nod>, §ert o. Uffeln l #errfcf>aften, bann ift's aber
toalirtjaftig für l>eute genug ! ©as ging ja alles rafenb
gefdztoinb l"
©r toar toieber nett mit SKatia. 0ie mertte gar nid;t,
bafz er fd;liefzlid; red?t ungebulbig tourbe.
2lls fie aber enblid; im Automobil fafjen, griff er
nad> it>rcr £anb. „SHaria, i<# bitte bid>, lafj es morgen
bei ber 33aronin jum lebten 92tale fein! 3d) tomm'
bod) taufenbmal lieber ju bir!"
©a nidte fie. ,,©as follft bu aud;. 33on übermorgen
an! ©ann f>ab' id? mid> mit meinem Onfel ausge-
fprod;eti."
©r öffnete tyren £anbfd>uf>, brüdte ftumm einen
Kufz auf bie innere ^janbflädje unb fetzte fie am 93tanben-
burger ©or toieber in ein anberes Slutomobil.
2lls 9Haria nad; Sjaufe fant, brannte nod; £id)t in
i9u. ii. 5
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66
Kupplerinnen.
□
if>rcö Ontels Bimmer. 2lbet fie gleich in it>r
0d>lafäimmer. 2tur jetjt allein fein mit ihrem überoollen
^erjen ! borgen mar auch ein Sag. Unb gleich in her
Brühe follte bie grofje Schlacht gefdjlagen merben. Oaju
mürbe fie alle ihre Kräfte brauchen.
* ★
*
Stachbem Ontel unb Qtichte gemeinfchaftlich Kaffee
am nächften borgen getrunfcn, fagte 2Raria: „3<h
möchte bich bitten, Ontel, bie 33ermögenspermaltung
pon jetjt ab mir ju überlaffen."
9tulng antmortete ber 9?cchnungsrat — er hatte
ja fchon feit einiger Seit mit biefer SJtöglichteit ge-
rechnet — : „eigentlich fällte ich es nicht. 8<h h<*b' ben
SBunfch beines 23aters ju refpettieren. Slber ich meifc,
gefetjlich tann ich nichts bagegen tun. Sogar gejmungen
tann ich metben, burch bas ©ericht, beinern 2lnfu<hen
nachjufommen."
„®u bift ja ausgezeichnet informiert l"
„2Bie bu foeben gehört haft — ja. 9teben mit nicht
meiter batüber. — Sllfo in einigen Sagen metbe ich bit
bie 23ücher unb 3?antauszüge übergeben."
„3ch bitte bich, bas liebet fofort ju tun."
Sangfam hob ber SRechnungsrat ben $opf unb fah
feine Stichte fcharf an. „Sch mill oon bit entlaftung
in aller B°tm haben. Oa müffen alle 33ücher abge-
fchloffen, alle 33elege jur S)anb fein. §>as macht mir
ein paar Sage 2lrbeit."
„9tun, bie Sntlaftung erteile ich bir auf ber Stelle,
Ontel t SBenn bu es haben millft, fogar fd?riftlich t"
„Selbftocrftänblich mill id> es fchriftlid; hoben !
Orbnung mufj fein. 2lber orbnungsgemäfj mufe auch
alles übergeben merben."
9tur jetjt 9Uit>e! fagte fich 9Raria, benn binnen brei
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o
Vornan von 0ocft £obemec.
61
Gtunben muftte fie übet ihr ©uthaben auf ber Q3anf
perfügen tonnen. „Riit ben Käufern — id? fel>' bas
ja ein, bei all ben tleinen Reparaturen unb was fonft
noch brum unb bran hangt — baju braucfjfi bu Seit.
Slber mas auf ber Vanf Hegt, bas madjt bir bod; feine
Rrbeitl ©ib mir einfad) bas Gchecfbud) heraus, id>
hab' ja bocf> immer meinen Ramen barunter fetten
müffen, toenn mir etmas brauchten, ©ie SBerte finb
auf meinen Ramen beponiert, gehören mir ja auch
allein."
„9®est)alb toillft bu benn bas Gd>ecfbud; haben,
Rtaria?"
Gie tat gleichgültig. „Gagte ich bir's, fo rempelten
mir uns bod> nur mieber an. Seiber ift bas in ber lebten
Seit fef?r häufig porgefommen. Sn Sufunft möcht'
ich bas permeiben. Safj es alfo porläufig mit biefem
©runbe genug feinl" *
$>er Red^nungsrat hatte fid> fcf>on längft feinen Vers
gemacht. Sllfo nun tarn bie Gtunbe l ©t hatte nicht ge-
glaubt, baft fie fo rafd) fcfüagen mürbe. „3d> merbc
gar nichts ermibern. Gag mir nur ruhig bie oolle 2Bahr-
heit, Rtaria! £$>u haft allerlei ^läne. Rlangelt es bir
an Vertrauen, bie mir mitjuteilen?"
„Rein, Ontel, bie finb blofo noch nicht ganj fpruchreif.
— 2lber icf> benfe morgen.“
„Unb tro^bem brauchft bu heute unbebingt bas
Gd;edbuch?"
„3a."
„®u, ba fommt man auf allerlei ©ebanten!"
„5>ie bir fein Rlenfch permehrt. Über mein Ver-
mögen aber hab’ hoch nur ich ju perfügen l“
$>er Rechnungsrat fah feine Rid>te lange an, bann
holte er tief Sltem, ging in fein Rrbeitsjimmer unb
entnahm feinem Gdjreibtifd? bas Gchcdbucf). Sange
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68
Kupplerinnen.
hielt er's in bet £anb, fal> nad>benflid) auf bas {dmtale
§eft. £>ann brachte er es {einet 9*lid>te.
„92taria, als bein 93ater {eine Sache auf {einen S?opf
unb {eine |)änbe fefete, ba f>at er fd)werlich getourt,
was ein Schedbud) ift. 34) t>abe aud) nie eines be{e{{en
unb »erbe aud) feines befifeen. (Ss geht aud) fo. — 2lud)
an red)tmäfeig erworbenem (Selbe fleben Sorge unb
$rgor unb {d>laflo{c 9?äd)te, 27taria! Anfangs f>at es
bein 93ater talerweife auf bie 93an! getragen. (Sr f>at
mir's oft gefagt, wenn id) ju 93e{ucf> tarn: §>as ®inb
{oll es einmal leicht im Scben tjaben! — 0unbert-
taufenb auf fmnberttaufenb {ammelten {ich bann an,
aber übermütig ift bein 93ater nie geworben — ganj
im (Segenteil, et ift ber einfache, {parfamc 9ftann ge-
blieben. Hnb beshalb l>at Segen auf {einer recht-
{chaffenen Arbeit geruht. — (Sin 5<^ cr {t c i4> *>on bir,
unb ^unberttaufenbe werben bir auf bie gatübretter
gelegt. — SBenn bu al{o bas 95uch jur £>anb nimmft,
bann frag bich immer: 98as würbe mein 33ater baju
{agen? — 0d) will hoffen, bei bie{er ftrage form foin
^erj ftets ruhig {«plagen t"
§>er 9ted;nungsrat nahm wieber am grüh{tüdsti{4>
^lafe. 5tun würbe feine 2Iid)te wohl SBorte finben.
3lber bie legte bie Stirn in galten, {d>ob bas Scf)ecf-
bud) jur Seite unb griff nad; ber geltung.
getm Minuten wartete ber alte 9Kann, bann erhob er
fid) mit einem Seufjer unb ging in fein Slrbeitsjimmer.
$aum f>atte fid) bie £ür hM*t if>m ge{d)lofjen,
{taub 9Haria auf, nahm bas Schedbud) unb oerliefe ben
9taum.
2lls {ie aber an ihrem Scbreibtifd) fafe, war ifjr’s
boct>, als {tänbe ber 93ater hinter ihr. $>er hätte {d)ön
gebrummt unb gewettert. Qtun, er wie {ein SJrubet
waren aus bem engen Nahmen nie herausgefommen.
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o Station poh £ocft Sobctncr. 69
6ie aber mar nun l;inausgetreten in bie grofje 28 elt.
©as mar ja ber ©lütter ©tjrgeij gemejen. ©ie fjatte
bafür geborgt, bafj jie eine tabeüofe ©cjielnmg gc-
nofjen, l;atte jie hungrig gemacht nad> bctn 3 Tifcf>e ber
£jöd?ften. ltnb $offmannfd>es ©lut oerfolgtc jäl? jeine
^läne.
©ul;ig füllte jie ben näd>jten Scfiecf aus, je^te tyren
©amen barunter, löjte it?n aus bem ©udt, faltete if>n
jäuberlid) jujammen unb jtedte it>n in einen Hm-
jd;lag. geller jollte jcften, mie lieb jie it?n Ijatte. ©aten
bemcijen, nid)t SBorte! ©er tjerjige geller, ber jollte
ben $?opf ganj frei tmben. ©er oornefmie ©arbe-
taoallericoffiäier jollte ertennen, bafe nid?t nur er ju
opfern fäl)ig mar. Unb balb begann ja nun ein fieben
an feiner Seite, in jeinen ©rment
©a lad>te jie im jtillen iljren alten, einfachen Ontel
aus. ©a ja, ber t>atte grauenliebe mof)l nie jo red;t
511 tojten befotnmen, »ielleidjt einmal fd>ön getan mit
einem fleinen £abentnäbd>en, einer brallen $öd)in,
mie es bie ©arbefüjiliere mad>ten, bie in ber ©äf>e
lagen, ©ian jaf> jie ja abenbs an ben Haustüren,
Sonntags ©rm in ©rm mit i(?ren Sdmtjen.
* *
*
©er ©ed;nungsrat mar aucf> ein ^offtnann oom
alten Schlage. 3 äf> unb gemijjent>aft. ©ber er jtaf
mirflid) brinnen im engen ©al>men, tjatte jid; in bem
immer mot>l gefühlt unb t>atte immer getreulid? er-
füllt, mas er feinem ©ruber gelobt.
©a ftanb er nun an ben Scftranfen l Söenn bie jeine
©id>te nid?t refpettierte, er tonnte nichts tun ! — Ober
bod;? Sie oor einer ©ummtjeit bemalten? — ga,
bu lieber ©ott, mie jollte er bas? Sie jagte ja nichts!
Unb menn jie erft rebete, mar es fielet ju jpät!
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70
Kupplerinnen.
9tadjbentlid> ging er in feinem 3 »mrner auf unb ab,
fdjüttclte immer wieber ben S^opf. 2ldj was, jet}t
burfte nidjt rneljr ber 2 Iiunb blo^ gefpitjt, jet}t mufjte
audj gepfiffen u>erben! llnb wenn es ber ©eneral-
agent falfdj auslegte, tonnte er's aud; nid)t änbern.
Sr Ijatte bann jebenfalls getan, was in feinen Kräften
ftanb.
§>a 50 g er fidj an unb perlief} bas £aus.
3 m ^rwatbureau ber ©cneralagentur fdjüttete er
Verrn THeinfjolb fein $erj aus. Seljr grünblidj tat er
bas.
„$m — f>m,“ brummte 9neint>otb pon Seit ju Seit,
unterbrach aber feinen Stammtifdjfreunb nidjt.
Srft als ber geenbet, tniff £err Tfteinljolb bas rechte
2luge 511 . „2ta, S)err 9tat, perftefjen «Sie benn bas
nicht?"
„Sie meinen wegen bes Sdjcdbucfjes?"
„Slllerbings! Sinfacfjfte Sache pon ber SBelt! Sie
ift einem ^odjftapler in bie $änbe gefallen!"
„Ilm ©ottes willen!“
„Ob, ‘bas tommt in 23erlin alle Sage por! — $a,
warum Ijaben Sie fidj benn nicht einfadj auf bas
Scljecfbucfj gefegt, tlaren SSein perlangt, unb es nicljt
Ijerausgerücft?“
„©efcblicb — "
„2ldj was — gefetjlid; ! Ratten Sie bodj Qtjrc 2lidjte
auf Verausgabe tlagen laffen! 23is baljin wäre S^t
gewonnen worben. Hnb bas ift fetje oiel wert, wenn
man's mit einem perliebten 2 ?läbel ju tun Ijat. — ©eben
Sie jei}t nadj V<*ufe, unb nehmen Sie 3b ccc 9tidjte bas
Sdjcdbudj fdjleunigft wieber ab!"
„Sie gibt tnir’s nidjt wieber! Oa tenn' idj fie ju
gut!"
„$>ann weif} idj nur einen SBeg. Xlnb ganj ficljet
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Stoman »on §orft 93obemer.
71
□
ift bet auch nid;t: ©ie nehmen einen ^ripatbeteftio.
3<b temte einen ganj ausgezeichneten, bet fd;nüffelt
alles heraus. — Xlnb bann fjeifct es bem ©täbel bie
Slugen geöffnet, aber toas noch beffet toäre, man tönnte
ben S?erl beim Etagen nehmen unb ihn nach ©toabit
bringen."
„$err ©teinbolb, tun ©ie mir ben 5«unbfcbafts-
bienft unb fe^cn ©ie ficb gleich mit bem $>etettip in
©erbinbung. Oie Soften trage id> felbftperftänblid)."
©teinbolb toicgte ben $opf bin unb her. „Sa freilief),
bas toftet eine ©lenge (Selb t ©a, barauf täm’ es in
biefem ftalle toobl toeniger an. 9lber nach bet bummen
©efd)id)te mit meinem ©briftian — toie fict?t bas
benn aus?"
„3d> binbe es bod) meinet 9li4>te nicht auf bie ©afe I
Ilnb toenn fie es fpäter erfabten follte, ba hätte fie
3bnen unb $etrn (kt>riftian bod) nur bantbar ju fein l“
9Zteinf)olb rieb fid> bas $inn unb fagte fcf>lief$licf>:
„©leinettoegen benn, §err 9?at I ©bet nur aus purer
SPeunbfcfjaft für ©ie fted' id> meine £änbe in bie ©e-
fd)id)te! ©eben ©ie jetd fdf>leunigft nach $)aufe unb
forgen ©ie bafür, bafj Sb« S^ic^tc oor brei ©tunben
bas £au s nicht perläfjt. Unb toenn fie ©tiefe febreibt:
in oierunbjtoanzig ©tunben tommen bie auch noch
früh genug jut ‘■poft — oerftanben?"
„Sa, aber toenn fie nun fd)on — "
„©rtoifeben ©ie nur erft bas ©ebedbuef)! Oann
toerben toir toeiter feben. ©s toirb nichts fo beiß ge-
geffen, toie es gefod;t tpirb t 3°, ja, tommen bie ©täbels
erft in bas heiratsfähige ©Iter, ba beifct cs bie Obren
fteif halten ! 3<$ tönnte Sbnen auch ein Siebeben oor-
fingen, oon meiner ©Iteften!“
Söenigftens ettoas beruhigt tebrte bet ©edmungsrat
nach S)atife jurücf. ©eine ©iebte war nod) ba, unb bie
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Kupplerinnen.
OTäbeben Ratten feinen 23rief jur Söeforgung er-
halten. — •
2fteint)olb aber hotte eine Tlusfprache mit feinem
0otme Shriftian. „Vielleicht läßt fid) bod) alles mieber
cinrenfen! 8mei Millionen finb fd;on einiger 97^üt>c
inert! itnb bu fannft zeigen, baß bu ein tüchtiger
S?erl bift — bas imponiert ben OTäbels immer!"
darauf fc^tc fid) <St>riftian telcpt>onifd? mit bem
5?riminalmachtmeifter a. ©. SSacfernagel in 33erbin-
bung.
Sine halbe Stunbc Später fprad; bet im 23ureau
oor unb erhielt feine 3Nft cl *ftionen.
★ *
♦
2lm Nachmittag erft ging Ntaria aus, hielt auf
ber Straße bas erfte leere Automobil an unb fuhr
hinaus jur SBaronin £eht'burg.
3f>r geller mar fchon ba. Sr tüßte ihr bie S)anb,
etioas förmlich, aber fie fanb es in ber Orbnung, benn
bie 33atonin ftanb ja hinter ihm.
23on ber befam Ntaria einen 5?uß. „Qa, ja, liebes
Fräulein §offmann, bes Gebens ungemifd>te ^reube
toarb feinem Sterblichen juteil ! ©as heißt, folange er
nid?t fein eigener §ett ift t ©enfen Sie, ber gltidlid;e
93räutigam muß heute abenb eine Tlbfiitterung mit-
machen bei feinem ^omntanbeur! ©a barf er nid;t
abfagen; benn 23orgefeßte jinb fehr empf inblich! Na,
rnas tut's? ©a heißt's eben bie Stunben nüßen ! ©ie
Sßlaubetecfe ba brüben märtet auf jmei perliebte
Ntenfchentinber."
Ntaria tourbe perlegen, „grau Naronin, ba mären
mir hoch fchmählichc Sgoiften!"
„O bitte — Verlobte finb bas naturgemäß. Hub
bas ift nur in ber Orbnung."
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Römern pon £orft Sobemer.
73
Uffeln hatte fid? erhoben unb niefte Sttaria ju. Oa
bing fie fchon lachenb an feinem Tlrm — unb nad;bem
ber bide Vorhang jutüdgefallen mar, an feinem SRurib.
„geller — mein geller i — Tld;, es ift ja bumm, bafj
bu b^ute abenb ju beinern ^ommanbeut mufjt, aber
bas ift boeb ju ertragen ! SHad? alfo tein böfes ©eficht,
geller — bitte, bitte!"
§>a 50g er fie auf feinen ©chofe. „SRaria, ich l;ab'
geknurrt! — 3a, tt>ic brüd’ id;'s nur aus? — §ab
©ebulb mit mir unb glaub an meine Siebe! — Tiber
bas Bufammentreffen b^r bei bet ©aronin toirb mir
läftig !"
„Ob, bas oerftebe icf?. SRorgen fommft bu 511 mir.
97 tad?ft meinem öntel beinen ©efueb — id; bab' il;m
febon ein paar Tlnbeutungen gemacht. — Statürlicb
toollte er genauere Tlustunft höben. $>a bab' ich il;n
aber jappeln laffen. 9 tun brummt er — tüd;tig fogar !
— ^erjiger geller, toie mag es bir oortommen, u>enn
bu einen einfachen Stedmungsrat um bie #anb feiner
Stiebte bitten follft? ©s ift aber ftmwfache, unb bu
roirft bie 5° r,n mähten — nicht rnabr?"
©r 30g SItaria biebt an fid> unb Juchte nach SBorten.
©r batte herausgebört, baft es einen ©anj mit bein Ontel
gegeben batte. Unb er fafe ba mit feinen ©cbulben
— neben feiner ©raut, bie er oon ^erjen lieb batte!
— ©orbin batte ihm bie ©aronin gehörig bie Seoiten
gelefen. „Töas toollcn ©ie eigentlich, £err 0. Uffeln?“
batte fie ju ihm gejagt. „SBcr fo in ber ©inte fi^t, follte
mir gegenüber bod> nicht fo ein ©efid)t auffe^en,
toie ©ie es 511 tun belieben! — SBas mär' benn aus
Bbnen getoorben? Unb ju ben rübrfeligeti Staturen
gehör' ich nid)t mehr. ©äf$’ ich fonft b^r in meiner
tleinen ©illa? geh müftte mabrfcbcinlich als ^ausbamc
mir mein ©rot oerbienen ober in ähnlicher ©tellimg als
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Kupplerinnen.
fünftes Ttab am Töagen. Ttein, ba ftift' ich fd>on lieber
@l>en unb oerbiene babei! Orbentlid), £err o. Uffeln !
Oenn wenn icf> genug für mich unb meine beiben
TItäbels jufammengefcfiarrt t)abe, mad>' ich Schlufj.
^öffentlich recht balb! Oann jiet>e i<h in eine Meine
Ttefibenj, führe bort meine Möchtet auf bie SBälle
— fie werben ftanbesgemäfj Ijeiraten, unb ich f>ab'
mir einen Sebcnsabcnb 5 ured)tgcjimmert, wie ich it>n
mir wünfd;e. Titan fetjt elegant über einen ©raben,
wenn es auch aus bem übel buftet. 3ft man hinüber,
fielet man fid> nicht mehr um." 3a, gewife — fie hotte
red>t. TZid>t mehr fid> um^ufehen brauchen — wer bas
tonnte! ftlmt war's nicht gegeben.
„Oas ift's ja — bie ganje Situation bebrüdt mich !
Sie mufc ein ©nbe neunten ! Ttatürlich tjaltc id> in aller
3=orm um bid; bei beinern Ontel an! — TScifjt bu,
id> möchte aber oorläufig nicht, bafj bein Ontel bie
näheren Mmftänbe erfährt, wie wir uns fennen gelernt
haben."
Tltaria begriff bas nid>t. Tiber fie machte fid> nid?t
oiel ©ebaoten — wenn es geller fo wollte, war's
recht fo. Ttur erft einmal bie leibigen Sdmlben aus ber
TBelt gefcfjafft ! Oie waren es, bie it>n fo arg bebrüdten !
Sie griff nad> ber ^anbtafdje, bie auf bem £ifcf>e
lag, unb f)änbigte ihm beti Scfjcd im gefdjloffenen
Umfchlag aus. „Oa, geller ! Sted's ein ! — Ttein, nein
— nicht öffnen!"
„TBaruin benn nicht? £>aft wot>l gar ein ©ebicht
auf mich oerbrodjen? — Ou, bas war' eigentlich meine
Sad)e! Tiber fo etwas liegt mir nid;t."
TItaria würbe über unb über rot unb barg ihren
Kopf an feiner T3ruft. „geller, l aft hoch!"
Tiber ber hotte ben Schecf fd>on entfaltet unb
fchüttelte ben Kopf. „Tiein, bu Siebe, ©ute ! 3<h bante bir
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9?onum t>on §orft SJobcmer.
75
gewifj oon fjerjen, aber bamit wollen wir warten,
bis id> bet beinern Onfel gewefen bin!"
„21$, geller, bet ift ein fo einfacher TKannl §>er
fällt auf ben 9?üden, wenn bu $m fagft, bafj bu einen
foldjen Raufen 0$ulben !?aft t 2Bol>er foll ber’s au$
oerftefjen? — 3$ oerftel>’s ja felbft nod> ni$t, baf*
bu mi$ fo lieb l>aft!“
Uffeln tonnte eine Seitlang gat ni$ts jagen. 2Benn
er bod> erft aus biefent 0utnpf tjeraus wäre!' — SDafw-
Ijaftig, bie Kuppelei brachte ein f$önes ©clb ein!
— Unb ba auf feinem 0d;of$e fafj feine 2$raut, bie er
non £erjen lieb l)atte! §>ie wollte er nicf>t oerlierenl
2?ur bas ni$t! 2Tur bas nict>t !
S>a legte er ben 0$ed toieber in it?re Safdje, brüdte
ben 23erfd;h$ ju unb gab SKaria einen langen ftttfo.
0ie füllte, wie lieb er fie t>atte. 0ie f$lang bie
2lrme um ifm.
0o fafcen fie ftumm. $>ann fprang fie auf, legte
it>re $änbe auf feine 0$ultern unb faf> $n feft an.
„§>u mufet ni$t glauben, i$ t><itte tein 93erftänbnis
für beine Jjanblungsweife, gellet ! — 3Beifj i$ bod>, wie
lieb bu mid> l?aft ! Unb id; will bir’s oergelten ! — S^ontm !
©el>en wir jetjU gd; werbe t>eute abenb mit meinem
Ontel fpred>en. — 2Bann wirft bu morgen tommen?“
„S^urj nad; jwblf Ml>r, TKaria."
0ie gingen jur 33atonin hinaus.
„0$on fortgetjen? 2lber bas tut mir leib.“
0ie waren beibe frot?, als fie oor bem §aufe ftanben.
„23ummeln wir langfam ber 0tabt ju, 9flaria!
3ft bir's re$t?"
„2ln beiner 0eite, geller!“ erwiberte fie mit
bli^enben 2lugen.
233as waren all bie ltnannel>mli$teiten, bie bie ttäd;-
ften Sage bringen würben gegen bas ©lüd, balb mit
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76
Kupplerinnen.
if>m ganj pereinigt 311 fein? Sine S^lcinigfeit! ßie
Ratten ja fo lieb! ltnb ©elb mar ja porhanben in
§ülle unb ftülle!
§iec braufeen lag ber ßcfmee t>od>, bie Dämmerung
toac fd>on hereingcbtochen. 2 lb unb 311 briidten fie
ficf> einmal hershaft bie £>anb unb faljen fid> an.
6 ie fallen nicf>t riicftpärts, fahcn nicht ben THann,
bem ein grauer 33ollbart laug auf ben Sjapelod bcrunter-
rnallte, fahen nicht bas Automobil, bas tjunbert 2 ftetec
langfam hinter bem Spanne herfuhr. ßie gingen ja
ßdmlter an 6 dnilter — felig, bafe fie fid> fo nahe
toaren.
23is 3 m ^alenfeer 33rücfe gingen fie. Oort beftiegcn
fie ein Automobil, gellet brachte SKaria tpieber bis
311 m 93ranbenburger <£or.
„ 2 Bas machft bu heute abenb?" fragte fie.
»%$ fife' 31 » §aufe unb benr an bicf>. — Oie Ohren
toerben mit Hingen, u?ät)renb bu um mich lämpfft.“
ßie lad;te. „2lch bu ! «Stell bir bas nid>t fo fcblimm
oor! bin bod> miinbig unb unabhängig!"
Oa fal; er fie feft an. „Qch möchte aber in ^rieben
mit beinern Ontel leben, 91taria!"
©s mar fein ehrlicher SBunfch, fie t>örte es heraus.
„Oas foilft bu — bafür toerb' id> Jörgen! $)ab
bu nur Vertrauen 311 mir! — ftet) geh' non hier 31 «
gufe nach £aufe. 3efet fifet mein Ontel bod; noch beim
Oämmerfd;oppen. Oie frifd;c £uft tut mir gut, —
£eb mohl, geller! Stuf morgen! 2luf morgen! 2Bie
ich mid) freue!"
Stod; ein 2 ticfen, unb fie ging.
£ehnut p. Uffeln fd>lenbcrte langfam bie Sinben
hinab nach £ciufe. Oec 9Kann im ^aoelocf fchritt
bid;t hinter il;m her.
* *
*
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Vornan t>on §orft Sobemer.
77
Sftaria wartete lange auf ihren Ontel. ©s würbe
acf>t, es würbe neun Uhr — er tarn nicht. Gie fragte
bie 97täbd;en, ob er etwas gefagt, bajj er oielleicht
länger toegbleiben würbe. Gie tonnten fiel? nid)t er-
innern.
Oa ajj fie ju Slbenb, blieb nod) auf bis 9Hitternad)t,
bann legte fie fid> ju 93ett. Gie fanb leinen Gd;laf.
©nblid), gegen t>alb jwei, hörte fie, wie er bie ftotribor-
tür auffchlojj.
9lun, morgen früt> mufjte fie ü)m beibringen,
bafj geller tarn, um fie anjut)alten. Oa lieferte fie
oor fiel) t>in. Slugen würbe er mad>en — Slugen!
llnb ben TTiunb auffpetren, wenn ber elegante geller
feine Gd)ulben beichtete!
Gie bereitete it>n natürlid) oor, bamit bie bumme
©efd>id)te, wie fid)’s gehörte, mit einet ^anbbewegung
erlebigt war. llnb ber Ontel $onrab t)atte natürlid)
Slefpett ab ehemaliger Hnteroffijier oor einem Offizier
bes ©arbejägerregiments ju ^fetbe.
9iud? bie 9lachbarfd)aft würbe 2lugen machen — unb
©hriftian 9fteinholb ! 33ei biefem ©ebanten würbe it>r be-
fonbers wohlig jumute, unb bann fd>lief fie enblid) ein. —
2lls THaria am nächften borgen bas ©fföhnmet
betrat, ftoefte ihr G<$ritt. Oer Ontel fafc am $tüh-
ftüdstifd), ganj äufammengefunten, bide ©ränenfäde
unter ben 2lugen.
„33ift bu nicht wohl, Ontel?"
„Ood>, Tftaria. 9la, wir fprechen nachher barüber."
„geh wollte bich auch um eine Unterrebung bitten."
„Oa beden fich ja unfere 2Bünfche."
Gie liefe fich junächft bas ftrühftüd fchmeden. Oer
Ontel afe faft nichts. Gie nötigte ihn, er fd>üttelte nur
ben Stopf, ©r fah feine Qlid^te gar nicht an. Oie Sippen
hielt er jufammengetniffen unb wartete.
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78
Kupplerinnen.
d
Snblid) war fic fettig. Oa fagte et mit müber
Stimme: „3Bir gef>en wot>l beffet in mein Simmer,
bort finb wir ungeftörter. Oas 28äbd>en wirb tner halb
abräumen."
SJtaria etfwb fid) fofort. St lief* fie potangeljen.
Sie fetzte ficf> in bie Sofaecte. St ging mit gefenttem
S?opf im Simmer auf unb ab.
„Tllfo, Ontel, freute !ann ict> bit fagen, n>ie bie
Oinge liegen."
Sr wintte mit bet £>anb ab. „3<$ weift. Ou I?aft
bid; — perlobt. 9ftit einem Oberleutnant p. Uffeln pon
ben ©arbejägern ju ^pfetbe. ©eftern warft bu mit il>m
jufammen bei einer 93aronin fie^tburg im ©rune-
tpalb."
9tur einen Slugenblicf ipunbette fie fid;, benn als
©roftftäbterin reimte fie fid> fofort jufammen, auf
welche SDeife bas il>t Ontel erfahren l>aben fönnte.
„Oit l;aft gana red>t. Qcf> wollte es bit eben fagen.
Oen Oetettio tjätteft bu bir fparen tonnen. £err
p. Uffeln fommt f>eute ju bir, um in aller ftorm um
mid; anjutjalten. — Ou fielet, Ontel, ©eljeimniffe
wollte id; nid>t oor bir l)aben. Slber alles im Seben
muft boef? erft fprudjreif werben."
Oa lachte ber alte 9?ed>nungsrat fwlmifd) auf.
„ftreilid) — bas muftte fogar fet>r fd>nell ,fprucf>reif'
werben! Oenn biefer £crr p. Uffeln ftetjt por bem
Sufatnmcnbrucf). Ou follft fein 9tettungsanter fein!
— S?inb, $inb, für fo — untlug tjätt’ id> bid> wirtlid;
nid;t gehalten!"
Oa fpamtte fid> jeber 0ug in THarias ©efidjt. „34>
weift es beffer. Sr l>at mid> entlief) lieb!"
„5Benn er bir bas weisgemad)t t?at, bann ift er
ein ganj gemeiner $etl!“
„Ontel!"
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9toman pon f)orft TSobemer.
79
6ie war aufgcftanben, it)re Tlugen fprüf>ten.
©er Stecfmungsrat blieb ganj ruf>ig. ,,©u magft
in oielem flüger fein ab id), Tltaria. 3m Ttiiütär finbe
icl) mid) aber beffer jurecf)t. TBenn ein befd)eibener
ftnfanterieleutnant aus ber ^roainj bit bas gefagt
l)ätte — na, »bann war' es immerhin moglid) gewefen.
Tibet fo ein l)od)näfiget fjerr pon bet ©arbefapallerie !
Stein, mein liebes $inb, bann ftct)t bem bas TDaffer
bis an ben §als 'ran l — Hnb wenn bu es nicf>t glauben
willft, icf> fann bit fogar ben 93eweis erbringen, bajj
bei ifmt fd)on gepfänbet worben ift. Unb oerfteigert
werben feine 6acf)en, wenn er nid)t fct)leunigft itgdnb-
woljer ©elb befommt — unb jwar einen recl>t l;ol>en
^often ! — Srfä^rt aber fein ftommanbeur, wie es
um it>n ftef>t — unb an ben wenben fid? feine ©läubiger,
wenn fte nid)t befriebigt werben — ober tommt es
gar jur T3erfteigerung, triegt er fcfüeunigft ben Tlb-
fd)ieb unb liegt auf ber ©trafje."
©a fdjlug SItaria bod) bas $erj bis jum £als t)inauf.
„©a& es fo fdjlimm um it>n ftet)t, wufjte icf) allerbings
nicht — unb glaub' es aud> nid)t! — Tiber toenn's
jd>on fo wäre, was l?at bas mit unfeter Siebe ju tun?"
„llnfere Siebe? $a — t)a!"
„Sacf> nid?t, Ontel ! TDarte ab, lern ifm erft tennen !"
„3<f> bin nid)t begierig barauf. Tiber aus bem TBege
gef)' id) if)m aud) nid)t. — Qa, nun fag mit blofj, wie
fommft bu ju ber T3eEanntfd)aft mit ber 93aronin
Sef)rburg? ©as ift fo jiemlid) ber einjige ^3unft, über
ben id) nod) uid)t Har fef)e. Tiber id) werbe fefcon nod;
baf)interfommen."
,,©ann fomrn bahntet ! ©as ift augenblidlid)
wirf lief) gattj nebeufädüid) ! Qe^t f)anbelt es fid; um
§errn o. Uffeln. — ©r t)at ©cfmlben, f>ol)e fogar, an
l;unbcrttaufenb Ttiarf !“
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80
Kupplerinnen.
©er Olechnungsrat mufjte fid; fet$en. „Ota i>rum!
01a brum! — ©a t)ei^t's fccilict) fdmell sugegciffen,
was fkh gerabe bietet 1 — Olllethanb 2ld)tung! ©iefer
Uffeln l>at eine feine Olafe! ©enn bu bift reid;, f>aft
feine Eltern mehr, bie bic bie ftlügel befcfmciben
fönnten! ©ec alte Onfel Olechnungsrat wirb mit
einem hocfmäfigen Olchfeljucfen an bie OBanb gebrüdt —
bie einfad>fte 6act>e non ber OBelt!"
©a tifs Oltaria it>re ^anbtafche auf. ,,©a ift ein
6d)ed. Sr follte it>n geftern nehmen, um ben S?opf
frei ju befommen ! Sr hat ihn nid>t genommen, trotj-
bcm er, toie bu meinft, in einer verzweifelten Sage
ift ! ©as binbet mid) nur nod) fefter an ü>n, roenn bas
überhaupt möglich ift! — Olein, erft toollte er fid; bir
oorftellen, ehrlich mit bir reben ! £anbelt fo ein Schuft?"
©ec Oledmungsrat lachte laut auf. „93ravo ! SHug
pon ihm — fel>r flug! — ©ann fann er fpäter fagen:
OBas toollt it>r benn? S)ab' ich ohne weiteres bas viele
Selb genommen? Bf* mir nicht im ©raume eingefallen.
Scft l;ab' id> gebeichtet. Qhc habt mic's ja förmlid;
aufgebrängt 1“
„OBenn bu ihn fennft, toirft bu fo ettoas nid;t mel;t
fagen."
„Oleg bid? nicht fo auf, Oftaria! OBir müffen uns
bod) ausfpred)en ! Offen unb ehrlich ! ©u tannft bann
tun, was bu willft. 3ch will nur mein ©ewiffen rein-
halten, fo weit es in menfd;li<hen Kräften fteht, ben
lebten OBillen beines 03aters getreulich erfüllen, ©er
foll alfo gefpart unb gebarbt haben, bamit irgenb ein
©unichtgut fein Vermögen oerpraffen, fein einziges
$inb unglüdlich machen fann?"
,,©as wirb Uffeln nicht tun — verlafj bich brauf!"
„Qa, ja, bie eleganten ©arbefavallerieoffiziere ver-
gehen fid> aufs OBortebrcchfcln !“
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Sloman t>on §orft 93obcmer.
81
,,©ar nid>t perftel)t ct fid> brauf!"
„SSann er biefen Slnfdjein ertpeden — um fo
mer! ©ann ift ec gcriffen für fiebert! — Übrigens
bad;te id> mit fo ungefähr geftern bie 6ad>e fdjon, als
bu burdjaus bein @d)ccfbud> t)aben mollteft! — Hub
f>ab' id> oortnn ied>t gehört, fprad>ft bu pon annätternb
Ijunberttaufcnb Hart ©cfnilben! — hunberttaufenb!“
Haria trumpfte auf. ,,©a, lies! gd; l;ab' tym
fogar fünfjigtaufenb Hart meljr jur Verfügung ge-
teilt. Sr foll etrnas in feinen $änben bemalten, über
bas er frei perfügen lann."
©er Lat feftlug bie §änbe jufammen. „fünfjig-
taufenb Hart nennft bu ,etu>as‘ ! Sr tpirb feine 6d)ulbcn
fotpiefo fd)ort orbentlid; ttad) oben abgerunbet traben!
— fünfjigtaufenb Har t ! — (Sin Vermögen, 5?ittb ! La,
bas tann gut toerben, toenn it>c beibe jufamnten
tpirtfdjaftet !“
„SBic toerben fogar fette pernünftig fein. Silles ift
fd?on befprod>en! Sr nimmt ben 2lbfcf?ieb — “
„Latürlict) ! Ss bleibt it>m ja gar nid;ts anberes
übrig!“
„höt>ne bod; nidtt forttPäl>cenb, Onfel ! gd> bente,
mir tpollen uns in Lul>e ausfpredjen? — gef) taufe ein
©ut, unb er tpirb’s beipirtfdjaften — mit aller ^Pflicht-
treue !"
,,©o, fo! Hfo ben ©roftgrunbbefitjer rnill er
fpielen? Latürlid) in einer feubaletr Scfe! — La, ba
bereite bid> mal immer auf red>t einfame Stbenbe
pot, benn ber £err p. Uffeln tpirb fid? feftc gut mit
feinen Ladjbarn unb 6tanbesgenoffen amüfiecen.“
Hatia jitterte am ganjen Körper por Srregung.
„Hit fold;en Lebensarten tonunen mit nietjt meitec!
Uffeln tpill arbeiten — unb er foll! — Hit haben uns
lieb, finb uns genug! — ©u micft's erleben!"
191t. II. G
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62 Kupplerinnen. □
„3<i, mas fall ich ba nod) oiel reben? ©u rennft
bireft in beiu Unglüd. Vielleicht erleb' id; ben 8u-
fammenbrud) nod). Sänger als ein paar 3 <farc bauert
bie §errlid)teit ja bod; nid;t. 91 a, unb ba*möd>t' id;
menigftens, baf$ bir ber 3 ®eg 31t mit jurüct ni<h>t oer-
baut ift. 9 llfo, id) merbe §ertn o. Uffeln empfangen.
2öas er mir ju fagen t?at, ift mir gleichgültig. 9 lbet
id> merbe fan rtfaig anhören. — Unb nun laf$ mich,
bitte, allein, SUnb, bie lebten oierunbjtpanjig ©tunben
haben mich furchtbar mitgenommen!"
©äs fah fie. ©äs $erj anirbe ihr mcit. Onlclchen
mad;te feine 6d;mierigteiten mehr! ©er hielt fein
SBort — unbebingt! — 9 lun umr’s an geller, ju be-
roeifen, mas an ihm mar!
Unb er mürbe C5 bemeifen! Swcifcl mar $ r et>el!
©a fchritt fie auf ihren Onfcl 311 unb briiefte einen
SUift auf feine 6tirn. „ 9 Bit finb beibe §offmanns ! Unb
eine Sfaffmann merbe id) auch als grau p. Uffeln bleiben !
Verlag bid> brauf! — Unb id; bemeif' bas auch je^t»
benn id; ftede nicht ben S^opf in ben ©anö, fonbern
räum’ bie 5 >iubcrniffe meg mit feftcr $anb, bie auf
bem SBcge liegen, bamit ein neues Seben für ben be-
ginnen fann, ben ich liebhabe. SBenn es fein mufj,
greif' ich auch 511, bag bie gunfen fprühen! ^ag bu
nur auf!"
(&ottfcf}>u>fl folgt.)
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Dos Säuglingsheim in tbeigenfee.
Don Dr. Je, Partner.
Hilf 7 öildew. ^ (tta<!>drucf oerboten.)
CYY^an hat unsere Seit bas Sahrhunbert bcs $inbes
♦VV genannt. OJtag biefe 93cjctd>nung nad) ber Er-
forfchung ber tinblichen Seelenrcgungen unb bet inbi-
oibuellen Eichung t)in t>ielleicf>t anfechtbar fein, fo
beftefjt fie 3 wcifellos 311 9?ed;t nad> ber Seite bin, bie
ben !Kinberfchuh umfaßt, ^leinlinberbewahranftalten,
S?inberhorte, SBartefdmlen, S?inbergärten, Süinberoolts-
fi'id;en, S^inberheilftätten, fterientolonien — fie alle
jiclcn im herein mit einer ©efehgebung, bie bie ge-
werbliche 23efcf)äftigung ber Kinber im milbernben
Sinn ju regeln trachtet, baranf ab, ber törperlichen unb
geiftigen Entwicflung bes $inbes einen förberlicpctt
Schuh angebeihen 311 taffen.
8 u biefen lobenswerten 23eftrcbungen hat fich in
letzter Seit noch eine neue gefeilt, bie fich 2 >i« wichtige
Aufgabe gcftellt hat, im befonberen ben Säuglings-
fchuh wirffaih 311 erweitern unb aussugeftalten.
Shren 2 lnftof$ erhielt biefe Bewegung oon ber
erfd)redlichen $ohe ber Säuglingöfterblicbfeit. Slad;
ben ftatiftifchen Erhebungen ftarben oor Slblauf bes
erften £ebensjaf)ccs oon 100 Sebenbgeborenen beifpiels-
weife in Reffen 14,9, in Elfajj-Sothringen 17,2, in
97le<flenburg-Sd;wetin 19,4, in ‘preufjen 20, in 23aben
20,5, im ©eutfd;en 9^eict> 20,7, in SDürttemberg 22,1,
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84 $>as Säuglingsheim in SBeifeenfcc. o
in Bapern 23,9 unb in ©ad>fen 25,7 Kinber. Slufserbem
tourbc feftgeftellt, bafc bie ©äuglingsfterblichfeit im
erften Blonat nach ber ©eburt ben größten Btojentfatj
erreicht unb non ba ab allmählich finft Bon 23 088 in
Berlin geborenen unb im erften Lebensjahr oerftorbenen
Kinbern entfielen auf ben erften Blonat nicht meniger
als 6847, alfo faft 30 ‘Jkojent ber ©cfamtjahl.
2lm gefährlichften finb für bie Säuglinge, ba bie
977ilch als ihre Hauptnahrung burch bie fommcrliche
Sjitye leicht ben Bcrbauungsapparat fchäbigenbe 0er-
fehungen erleibet, bie Btonate $uli unb Buguft. 3n
ben 287 größten Orten Oeutfchlanbs tarnen in einem
Berichtsjahre oon 22 957 oerftorbenen Kinbern bes
erften Lebensjahres 14 632 auf bie Btonate Quü unb
Sluguft, roährenb für bie übrigen jehn Btonate nur
8325 £obcsfälle berechnet tourben.
Unter ben STobesurfachen nehmen Störungen ber
Berbauungstätigteit bie erfte ©teile ein. Unter ben
bereits ermähnten 23 088 Säuglingen Berlins ftarben
an Brechburchfall, Btagentatarrh unb Btagenbarm-
tatarrh 9519, an Lebensfchtoäche 4757 unb an Krämp-
fen 1475.
Oerartige (Erfahrungen toaren es, bie baju antrieben,
ber ©äuglingsftcrblichteit (Einhalt ju tun burch eine
jidbetoußte ©tärtung bes Säuglingsfchuhes. 8« ben
ju biefem S^ecf getroffenen Blaprcgeln gehört bie
Errichtung oon Krippen. $n biefe Söohlfahrtsanftalten
toerben bie Kinber ben Sag über ober auch nur ftunben-
toeife gebracht unb hier fachgemäß gepflegt, toähtenb
bie Btütter ihrem (Ertoerb nachgehen tönnen.
Ein anberer 3Bcg tourbe eingefchlagen burch bie
Eröffnung oon Btild;füchcn. 3n biefen oon ben ©c-
mcinben unterftütjtcn Btilcbtüchen lönnen bie Btütter
eintoanbfreie Btild; in trintfertigen Portionen ju einem
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85
93on Dr. %x. '•Partner.
SMid in einen Rorribor bes Säuglingsheime*
geringen ^reis eintaufen. (Sin entfteijenbes ©efijit
u>irb burd; 3ufd?üffc bet ©emeinbe gebeeft.
86
©äs Säuglingsheim in 23eigenfee.
□
S>er neuefte unb umfaffenbfte $ottfcl)vitt 51t einer
tt)ohlburchbad;ten pflege bet SUnbcr in gejunben unb
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Sin ßranlenjimmer.
67
□
5?on Tr. Jr. '■Partner.
Haltung bcs ßinbes beim Sinlegon in bas 35ab.
tränten Sagen ift Me Bebauung Port Säuglingsheimen,
toie ein foldjes unlängft in mnftergültiger Steife in
SBeißenfec ins £ebcn gerufen worben ift.
5>iefes S^eim befte^t ans einem Säuglingstranfcn-
l;aus, einer 9Kild;turanftalt mit eigener OTiId;wirtfcbaft
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88
$>as Säuglingsheim in ©cigenfcc. □
unb einer 6äuglingöfürforge. Aufeerbem werben in
ii>r fiehrfutfe jur Ausbilbung Don 6äuglingspflege-
rinnen abgehaltcn.
§>as im länblicben 6til gehaltene ©cbäube, i>or bem
Sklleibung nach hem ®abe.
fid? weite Aafenflächen hinji^hen, erweeft mit feinem
runben, turmartigen 93orbau, feinen Sattelbächern unb
feinen hoh cn > lichten fjenftern einen äufcerft gefälligen
Ginbrucf. Aod) wohltuenber aber wirb ber 23efucher
berührt, wenn er bas innere betritt unb luec häufte
gefunbheitlicbe Swecfmäfoigteit mit fünftlerifchcm ©e- (
fchmact vereinigt finbet. SBahre ©chmucttäften finb
beifpielswcife bie ^orribore, oon benen bic £ürcn ju
ben einzelnen Abteilungen abgehen. $n bellen Farben l
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93on Dr. gr. ^Jarfner.
89
gehalten, finb Me <-piafonbs burd> anmutige Malereien
belebt, unb fogar an 93lumenf4>mucf fet>lt es nid;t. eine
jierlid>e Vignette umrahmt bie Kummer einer jeben
Kranfenftube. Qn bie S?orriboru?änbe finb bie 9Bäfd>e-
fdjränte eingelaffen. $>urd> eine ©lastür fann man alle
bie netten 6äct>eld>en betounbern. Gie tönnen oon ben
Kranfenjinuncrn aus ben Getränten entnommen n>er-
ben, fo bafj bas 93ebienungsperfonal bie ^ranlenftuben
nicf>t ju betreten braucht.
2Birb ein trantes S^inb in bie 9lnftalt gebrad;t, fo
SSinbcn ber 2Binbcln bei 33abps über '/*
erfolgt im Slufnatnnejimmer burd; einen ber 9lrjte eine
genaue llnterfud?ung unb ^rototollierung bes 93c-
funbes. 3e nacf> ber S^ranttjcit, ob anftedenb ober nid>t,
tpirb ber Meine Trante bem betreffenben $?rantenjimmer
jugeteilt.
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CO ©<u> Säuglingsheim In 93eif>cufee. □
$n jebem bcr S?ranfenjimmer, bic einer 9veit>e oon
Pflegerinnen untcrftel;cn, hetrfcht peinficf>fte Saubcr-
feit. 2lllcs, was baju bienen tonnte, Staub ju ent-
wideln ober it>n fcftjuhalten, ift bei bcr (Einrichtung
oermieben worben, fo baß bic grünblid;e Reinigung
in turjer Seit ausgeführt werben tann. fte jwei
^rantenjimmer finb burch ©laswänbe oon einem ge-
meinfamett Vabetaum getrennt. Vci bern täglichen
9?unbgang burd; ben Leiter ber Slnftalt unb feine
Slffiftenten wirb bas Vefinben ber Säuglinge cin-
gehenb geprüft unb ber Pflegerin bie angemeffene Ve-
hanblung unb pflege ihres Schützlings aufgetragen.
$>ie Verabreichung ber 9teinigungsbäber gefdneht
in ftreng oorgefchriebener SBeife fowohl nad; Tempe-
ratur als aud; nach ^ cc ©oucr. §>ie Pflegerinnen finb
oon ben $rjten barin gefdwlt, wie fie bie SÜinber beim
©inlegen in bas Vab 511 halten hüben, wie biefe mit ben
S)embct>en ju betleiben finb unb wie fie mit ben Söinbeln
umwidelt werben müffen, fo baß fie ihren 3u>ed er-
füllen, babei aber nicht ben tinblid;cn Körper beengen
unb burch 5>rud beläftigen.
2Bie fchon erwähnt, befißt bie 2lnftalt eine 2Hilchtur-
abteilung mit eigener VHtcbwirtfchaft. Vei ber 33c-
beutung bcr Vtild; für bie (Ernährung ber S^inber ift
biefe (Einrichtung oon höchftem 2Bcrt. ©>ie $?üt)e, bie
gehalten werben, finb forgfältig auf pcrlfucht unter-
fud;t, bamit nicht etwa burch Vajillen bic Tuberfulofe
auf bie Kinber übertragen werben tann. Von Seit 511
Seit wirb ben $ühen ein Vab ocrabfolgt, inbem fie
abgefprißt werben, ©benfo wirb bas ©utcr auf bas
forgfältigfte gereinigt, ba fid> b' er leicht Vatterien an-
fiebeln, bie als ©rreger ber Sommerbiarrhöe bcr Säug-
linge unb bcr ©»armentji'mbungan jufehen finb. ©asOTelt-
pcrfonal muß fid; bcr größten Saubcrteit befleißigen,
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□ 93on Dr. g=r. Harfner. CI
unb Me OTMfgefäfec werben jur 53erl?inberung ber OTild;-
fäuregärung bei 150 bb 160 ©rab (Selfitis fterilifiert.
©ie 9Ki(cbfücbc.
92 $08 Säuglingsheim in SSeifeenfec. n
3n ber OTild)füd;>e läfet man bic OTild; jur Slbf^cibung
etwaiger Verunreinigungen, bie trot} aller Verfid;t beim
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©as Untcrfuctmngsj immer in ber Säuglingsfürforge.
93on Dr. g=r. Harfner.
□
93
9Mfen in bic OTild) geraten fein tonnten, burch OTilch-
reiniger mit eingelegtem fterilifierten SBattefilter fließen
unb tühlt fie bann burd> ben 9flild>tühler unter 33er-
wenbung oon Sole auf 2 bis 5 ©rab ©clfius ab. $>ie
gefüllte 921ild> wirb in fterilifierte glafchen gegoffen
unb luftbid;t oerfdüoffen. «Diejenigen glafdjen, bie
nach äugen hin abgegeben werben, werben plombiert.
3n ber 9Hil<hfü<he erfolgt augerbem bie Zubereitung
ber übrigen Kinbernäfjrmittel.
Die angeglieberte S^inberfürforgc t>at ben gweef,
ratbebürftige Süüttcr in ber 33el>anblung ihrer Lieb-
linge ju unterftü^cn. ©s werben breimal wöchentlich
Sprechftunben abgehalten, jri benen fid; bie Mütter
mit ihren Ambern cinfinben. Über jebes jum erften
92tale oorgejeigte S?inb wirb eine llnterfudmngstarte
angelegt. Sie ift bei ben weiteren 33cfuchen ntitju-
bringen, fo baf$ fid? bie Öirjte über injwifchen ein-
getretene 33eränberungen leid>t unterrid;ten tonnen,
©leichjcitig werben ben füttern bie entfprechcnben
9?atfd)läge für bie erforberlictje 33et)anblung ber S^inber
erteilt, beren Ergebnis bei ber nächften ünterfuefjung
auf bie fachgemäße 2lusfüf)rung hin geprüft wirb.
3n ber Pflegerinnenfchulc enblid) werben bie jungen
©amen, bie fid) ber «Säuglingspflege wibmen, burch oon
ben 3irjten abgehaltene S^urfe mit ber Slbwartung, bet
©rnährung unb ber S^ranttjeitsbefjanblung ber Säug-
linge allseitig oertraut gcmad;t, bamit fie fowotü in ber
Slnftalt als aud) in ben Familien ihre Obliegenheiten
fachgemäß unb jurn §eil ihrer tleinen Pfleglinge ju
erfüllen imftanbe finb.
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Kcgcniöulle.
Hoodle oon Rudolf fildnetfe.
(na<J)öra:f o:rb#tM.)
/ßine f>albe SBegftuube com ©>orfe ftromauf Hegt ein
Vi- einfames ©aftyaus am ©Wnauufcr. ©in plumper,
tlobiger 33au, ber fd;on oft bie SSellen bes «Stromes an
feine dauern braufen gehört t>at. 92Ht ber 9Züdfcite
letmt fiel; bas §aus an bie 23crgwanb, mit ber 33orber-
feite, bie in ber gleichen §öt>e bes rüdwärtigen ©rb-
gefdjoffes ein Stodwert trägt, !el;rt es fid; ber Straße
ju. Unb nur bie Straftcnbreite trennt es nod? oon bert
fluten bes Stromes.
©>as §aus ift mit guter 33ered>nung gerabe au biefer
Stelle aufgerid^tet worben. ©in Stüd weiter ftromab
ftellt ficf> ein tro^iger 3ds bem braufenben ^Baffer in
ben SBeg unb jwingt es ju einem weiten 53ogcn. So
bilbet fid? bort eine 9?üd)tauung, unb bie SBellen fließen
oor bem alten §aufe in fanftem 3i<Se ein Stüd ftrom-
auf. §>aburd> ift es bei jebem $)od>waffcr oor ©cfat>r
gefiebert, unb bieZlfcrftcllc bilbet einen ibealen£anbungs-
platj für bie Flößer, wenn fie auf ber ©alfafjrt, bie fie
oft bis ins ferne Ungarn fi\f)rt, furje 9\aft galten wollen.
3m §erbfte fann man oft bas oerfd)iebenartigfte
„Stromfubrwert“ l;ier oerantert liegen fe^en: bie aus
mächtigen SBalbftämmen gejimmerten fjlöfte, bie felt-
fam gebauten, mit ©ranitwürfeln bclabenen „Stein-
gamfeu" ober bie ebenfo feltfam gebauten „brauner",
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□ Stooclk mm Stubolf ßkinccfc.
95
£>ic feit gahthunberten bas eble Salj aus ben 0 ub-
werten bes Salstammergutes auf bem natürlichen
Söafferwege in bie weite SDclt oerfrad;ten.
0n ben fdjönen Sagen bes Sommers aber ift’s
meift recht ftiü um bas alte £aus. 2 Bellenraufchen,
2 lmfelfchlag unb ^intenruf — unb barüber bas Schwei-
gen bes SBalbes, ber Sauber ber ©infamteit. SBeitab
liegt bie ©egenwart mit ihrem fmftenben ©etriebe.
9ftan würbe fid; faum oerwunbern, tarne plö^lid> ein
Fähnlein reifiger ©efellen bas ftüle Sträßchen baher-
gejogen. fernab fdjweifen bie ©ebanten — jurüct
in bie Seit, ba bie wilben „S^unbe oon ©Imenring“
noch oon ihrer gelfenburg Slggftein aus wanbernbes
Krämeroolt branbfd>ahten, wo bie 9tuine ©ürrenftein
noch bie ftolje ^efte war, oor ber 53lonbel fein Sieb
fang, als er feinen gefangenen dortig 9?kharb Söwen-
herj befreien wollte . . .
3n ben Sommertagen bes burch feine 9tcgengüffe
unb Überfd;wemmungen bentwürbigen gaf>res fah man
ju beftimmten Sagesjeiten immer jwei 92leitfchen unter
ben breitäftigen, 511 ber alten ©aftwirtfd;aft getwrenben
9?uf$bäumen filjen. ©leid; neben bem Sjaufe, im ©art-
eben an ber Kegelbahn, nahm ein blonbhaariges Fräu-
lein feine OTahljciten ein. ©>ie QBirtsleute wußten nur,
baß fie £el;rerin u>ar unb S^lara 2 ßiefinger htefe.
übrigen hatten fie nid;t oiel 95ertehr mit ihr, benn bas
blonbe Fräulein ftreifte meift mutterfeelcnallein im
Söalbe umher, unb wenn fie baheim war, war fie immer
oollauf befchäftigt mit einer Sd;reiberei, einem 93uche
ober irgenb einer Sjanbarbeit. 5>afj fie, aufjer ben 9Hahl-
5 citcn, je aud; nur bie tleinfte ©ienftlciftung gewünfeht
ober geforbert hätte, war wäl;renb ber jwei SDochen, bie
fie nun fchon hier bet ©rl;olung lebte, nod; tein einziges
9Hal ber Fall gewefen.
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StegenibpUe.
96
5a, bas hatte Klärchen SBicfinget von ihrem Vater
gelernt: auf eigenen ftüfjen ftchen! Von niemanb
etwas verlangen — feinem ju ©an! verpflichtet fein!
©et 9Hann mufcte trübe Erfahrungen gemacht haben in
feinem arbeitsreichen £ebcn, bafj er feinem einzigen
Kinbe ben Sah wie ein letztes Vermächtnis mit auf ben
Lebensweg gegeben hotte, lltib klärchen muftte ben
Sat$ wohl für richtig befunben haben, weil fie gar fo
ftreng unb faft eigenfinnig baran fefthiclt. Ober fie
hatte wohl auch fc^on felber ihre bitteren Erfahrungen
gemacht. Sonft wäre ber trotzige ßug in bem weichen,
fanften 97täbchengefi<hte fo wenig ju beuten gewefen
wie ber ftrenge Ernft, ber manchmal ihre lachenbcn
Kinberaugen überf<hattete.
9lls ©ottor Hermann Schöne, ber anbere Sommet-
gaft bes alten Kaufes, klärchen jutn erften Vtale auf
ihrem ^la^e unter ben Stufjbäumen hatte fitjen
fehen, hatte er oerwunbert auf fie hingefchaut wie auf
etwas nicht higher ©^höriges, erjürnt faft, wie auf
etwas Störenbes. Kaum bafj er ju flüchtigem ©ruf$
ben §ut gelüftet, bann war er auf feinen gewohnten
^piah gegangen, ber von £aus unb Stebengärtchen burch
bie Kegelbahn getrennt war, hatte fi<h jum Vtittag-
effen gefegt unb hatte fich, wie es feine ©ewohnheit
war, auch uw.hrenb bes Effens in irgenb eine gelehrte
Slbhanbtung vertieft, ©ie Vlonbe ba vorn hatte er
}d;on beim erften ©ang ber SHah^it, beim erften 0atj
feinet fieftüre wieber vergeffen.
©u lieber ©ott, was war bem gelehrten $etrn
©oftor Sd>öne benn überhaupt ein weibliches SBefen!
2lus befcheibcnften, ärmlichften Verhältniffen fich nur
burch eigenes SBollen, burch eigene Kraft emporringen
&U einer leitenben Stellung im Reiche ber 2Biffenf<haft —
ba hat einer nicht viel 0eit, an bie fogenannte beffere
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Kopdte r>on 9?ut>olf f?(elne<fe.
97
Hälfte bet 37lcnfd>t>c!t ju benfent ltnb bic menigen
©jcemplare ber ©attung, mit benen ec jufällig in 23e-
rüfmmg getommen, maren eben aud> nid)t banacf) an-
getan, fein gnteceffe für bas ©migmeiblicf>e ju förbern.
Kuf bec einen ©eite unreife ©änsd>en unb beforgte
Klütter, bie in if?m nur bas fefmlidjft begehrte Objefi
ifjrer eljefreunblidjen 93emüf>ungen erblidten, auf ber
anberen fürcfrterlid) ernft tuenbe ©amen unb ©ämcf>en,
bie bei all il>ren tt>iffenfcf>aft(id?en Veftcebungen immer
nur bas eine 8iet, bie ©leicf)berecf)tigung ber ftwuen,
oor Kugen ju fjaben fdjienen. „SBeiber, bie einen Klann
fud>en", nannte ©oftor ©djöne J>öcf>ft geringfdiätgg bie
einen, unb „SBeiber, bie bas 2Beib in ficf> feibft nid)t
finben fönnen", bie anberen. Ober, menn ec befonbers
fdüedjter Saune mar, nur turj : „©orte Kummer eins"
unb „©orte Kummer jtoei". ©ine britte gab es für
ben gelehrten $)ecrn einfach nid;t.
Kls er bas ecfte Kial an &lärd>en SDiefinger oorbei-
fcfjritt, toar ec bat)er mit feinem Urteile fcfmell fertig.
„93lonbe 8öpfe, blaue Kugen unb eine ^ätelarbeit baju:
©orte Kummer eins." ©amit mar ber für if>n
eclebigt. ltnb ba fträulein S?lärd>en an jenem Vor-
mittage aucl> bie Krbeit nur aus alter ©emofmf>eit in
ben §änben tjielt, babci aber müfjig unb ooll feligen
©eniefjens in bie blauen SSeiten bes ©tromtales unb
ber Söalbberge fnnausträumte, blieb ber oorüber-
gefjenbe $err, beffen turjen ©rufj fie ebenfo turj unb
gebanfenlos ermibecte, gerabe fo Suft für fie mie fie
für it>n.
ltnb jmei 2Bod)en oergingen, otrne bafj ^lärdjen
SSiefinger für ©ottor ©d?öne ober ©ottoc ©d)öne für
5?lärcf>en SGÖiefingec auf bec K3elt gemefen märe.
©a tarnen bie Kegentage — trüb, feucht, lang-
rneüig. S^ein reinigenbes ©emitter mit leudjtenben
1914. IT. 7
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98
Stegenibnlle.
93li^cn unb tracf>enbcn Oonttcrfchlögen — ein ununter-
brochen gleichförmiges ©eriefel unb ©eplätfcf>er nur,
bas einesteils einfehläfernb toirfte, anberenteüs burd)
feine etoige ©leichförmigtcit bie 2tcroen aufregte, Oie
^euchtigteit brang burch Oüren unb ftenfter, fie trod?
burch bie biden dauern bes alten Kaufes unb oerbarb
ben 93eroohnern Stimmung unb Saune.
„8um S?udud!“ brummte Ooftor Schöne oer-
broffen oor fich tw. »3$ mufe bod; irgeubtoo unb
irgenbtoann in meinem Seben fd>on ein 9?cgemoctter
mitgemacht höben? Oag mir nie auffiel, wie geift-
tötenb fo ein ©eplätfeher wirten tann!"
©r toollte fich noch tiefer in feine Stubicn oerfenten
unb hielt fich mit beiben §änben bie Ohren &u. Slber
fo oft er einen Sah ju lefen ober einen ©ebanten ju
oerfolgen begann, faufte ein SÖafferfturj bie Dachrinne
herab unb rig ihn unbarmherjig aus feinen fd;önften
©ebanten heraus. Oa padte er bie 93üd?er unb Schriften
jufammen unb toarf fie oerbroffen in bie Sabe. Unb
weil ein 32tenfd>, ber oon frübefter gugenb an ftete
Arbeit gewöhnt ift, hoch nicht einen £ag lang ohne jebe
33efchäftigung fein tann, oerfiel Oottor Sd>öne auf
ettoas, an bas er in ben bisherigen fonnenheiteren
£agen noch nie gebacht hatte: er oerfiel auf bie bei
feinen Sebensgetoohnheiten ettoas ungewöhnliche ftbee,
einen Spajiergang ju unternehmen.
Oie ^apuje feines Söettermantcls über ben $opf
gezogen, trat er ins ^reie, ftapfte im ftrömenben Ste-
gen burch ben SM ber Sanbftrajje unb fanb, bah
Spajierengehen eigentlich gar nicht bie bumme Sache
fei, für bie er es bislang immer gehalten. Oa tonnte
man ja ben oertoideltften Problemen beffer nad)finnen
als bei bem Stilleren im gimmer, too oon jehn ju
jehn Sefunben immer ber oertoünfehte SBafferfturj bie
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□ SIodcIIc »on 9tubolf KIcinedc. 09
§>admnne b^rabgebrauft Jam! 2luf bie Schönheit
bet £anbf<baft batte er babei nid>t im geringsten
ad>t. ©r merJte nid>t einmal, bafj et längft oon bet
breiten £anbftrafje in ein enges Seitental einge*
bogen mar, in bem bas Strafen immer mehr
ju einem fcbmalen Söalbfteige äufammenfebrumpfte.
©rft als feine güfje auf bem glitfdjerigen 93oben
plöt}lid> ben §alt oerloren, Jam es ihm jum Sßemufet-
fein, bafj es aufjer miffenfcbaftlicben Problemen auch
nod) anbere $>inge auf bet 2Belt gibt, um bie fiel)
5 u Jümmern manchmal notmenbig unb nützlich ift.
2lber ba mar bie ©rtenntnis fd)on ju fpät. 2Bie ein
^feil feboffen bie eigenen ftüfce unter bem Seib meg,
unb balb fitjenb, I?alb liegenb rutfd)te ber arme ©>oJtor
ber <33l)ilo}oplne ben 93ergl>ang hinab unb märe unten
unfehlbar in bas Jalte SBaffet bes angefcbmollenen
SBacf)es gejauft, menn nid>t im lebten SlugenblicJ eine
energifd) jufaffenbe £anb feiner unfreimilligen g=af>rt
ein anbercs Siel gegeben hätte.
So faf$ er nun, owi oben bis unten mit Sel>m be-
furniert, im naffen Söalbmoos unb — fdjämte ficf>.
Hnb unbanJbar, mie bie 97lenfd)en nun einmal finb,
bad>te er: „SBas bat benn biefe ©ans bei bem 9?egen-
metter ba im SBalbe ju fueben?" 5>ann febämte er
ficb aber bod) auch ein menig feiner UnbanJbacJeit,
fcblenterte ficb juallererft einmal bie befebmu^ten
Sjänbe im 33ad)maffer rein unb trat bann oor fjräulein
klärchen bin» um ibt für bie unermartete fjilfeleiftung
5 u banJen.
§err §>ottor Schöne, als gebilbeter 2Hann, bat ba
mabcfd)einlicb eine febr moblgefe^te 9*ebc gebalten,
unb Fräulein SHärcben, als biplomierte £ebrerin, bat
gemife ebenfo b^fUct? unb oerbinbücb geantmortet —
oerftanben aber bat eines oom anberen nicht ein SBort.
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100
Kegen ibplte.
Oas fonft fo jal)me 9Balbbäd>lein mar burd> bie 9?egen-
güffe ber lebten £age jum braufenben SBilbmaffer an-
gefcfjmollen, bas bei bem ©turj übet bie ©teinbroden
fold> ein ©etöfe oerurfad)te, bafc ©oftor ©d)öne ganj
unvermittelt feine ©^mnafialjeit in Erinnerung fam,
in bet er nod) ©ebid)te gelefen l)atte. „Unb es mailet
unb fiebet unb braufet unb jifdjt, mie menn SBaffer mit
fteuer fid> mengt . . ."
£iet aber mar roeber ber Ort, fd)öne sieben ju
galten, nod) ber Ort, ©ebicf)te 511 rejitieren. Er fptad)
jmar, um nur über bas Sädjerlicfje ber Situation f>in-
megjufommen, immer nod) auf fjtäulein S?lärd)en ein,
er fal) aud), mie biefe einige OTale ben 3?lunb bemegte,
alfo mal)rfd)einlict) ebenfalb irgenb etmas Zinsbares
fprad) — im übrigen aber lugte er aufmertfam nacf>
allen ©eiten aus, um nur enblicf) bie gortfeijung biefes
oermünfdjten SBeges entbeden ju fönnen.
Oa bemegte bie „©ans“ miebet ben 9ZUmb unb
beutete mit ber S)anb nacl) bem SBilbmaffet. 28af)t-
fdjeinlid) fagte fie: „§ier gef)t's berjeit nid)t meiter.“
Oann beutete fie nad[) ber ©teile, über bie Sjerr §>ottor
©d)öne vor fünf Minuten fo unglaublid) rafd) l)erab-
gefauft mar, unb es fd)ien, als mürbe fie fagen: „Oa
müffen mir miebet jurüd."
Oen §errn Oottor überfiel ein gelinbes ©rauen.
$erab mar's ja allerbings fe^r rafd) gegangen. 2lber
hinauf? Unb nod) baju oor ben Slugen biefes SKäbels,
bas nid)ts ©efd)eiteres ju tun Ijatte, als bei foldjem
£eufelsmetter im SBalbe umtjerjuftreifen ! Ooltor
©d>one fanb, baf$ bas ©pajierengeljen benn bod> bie
bumme ©ad)e märe, für bie er cs bislang immer
gehalten.
8um ©lüd mar bie junge Oame menigftens felb-
ftänbig genug, feiner S)Ufe nict)t ju bebürfen, unb fo
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□ Stopeüe pon jtubolf fdeinede. iÖl
Zartfüblenb babei, bafc fie ficf> überhaupt nicht um
feine bergfteigerifeben gäbigteiten fümmerte. Otnt-
fcbloffen nxmbte fie fid> ber bebentlicben «Stelle $u,
fafjte ba ein giebtenftämmeben, bort einen Jjafelnufj-
buf<h, um fiel) bacan emporjujie^en, unb mar faft
ebenfo fdjnell oben, a>ie $>oftor Schöne oorbin b»n-
untergefegelt mar.
&eud>enb folgte er ihr nach unb febritt, oben an-
gelangt, febmeigfam hinter ihr brein. <£rft auf bem
SCDalbmieslein, too bet ftufjfteig 9taum genug bot für
Zmei ^erfonen, trat er mieber an ihre ©eite.
„9Ucbt mabr," fagte bie 93lonbe unb fab mit gtänjen-
ben Slugen unter ihrer Kapuje in bie graue 9?egen-
lanbfcbaft, „bet 28alb ift auch bei folgern SBetter fd;ön?
§>iefes ©litjern unb Schimmern tro£ ber halben
©unfelbeit! Unb biefe zarten ©cbleier, bie ber 9?cgen
über jeben 33aum unb fjelfen breitet! — 3<h habe nie
oerfteben Eönnen, marum bie meiften 3Henfd)en immer
nur bei ©onnenfebein im 2Balbe betumlaufen. Slber
freilich — i«h glaube, biefe ©orte meifj feinen Sauber
auch beim b^Ilften ©onnenfebein nicht ju faffen!“
§>ottor ©d;öne gab ficb einen 9lucf. 28as erlaubte
ficb benn bas bumme ©änsd;en ba? Meinte fie oiel-
leicbt ihn mit „biefer ©orte"? ©cbon mar er im 93c-
gtiff, ihr eine jureebtmeifenbe Slntmort ju geben, ba
fiel es ihm aber noch rechtzeitig ein, bafj er mobl bie
©cbbnbeitsfcbäbe unzähliger 9ftufeen unb ßunftfamm-
lungen mit beifoem Semüben ftubiert batte, bajj es ihm
aber noch fein einziges 9Hal in ben ©inn gefommen mar,
eine Sanbfcbaft auf ihre ©«hönbeit b*n ins 2luge zu
faffen. SBeber bei S'tegcnmetter noch bei ©onnenfebein.
<St brummte baber nur einiges llrmerftänblicbe oor ficb
bin unb fuebte bureb bie angelaufenen ©läfer feiner
93rille bie gerühmten ©«hönbeiten oielleicbt jetjt einmal
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102
Stegen (bplte.
d
entbeden ju fönnen, faf> aber nichts als tropfenbe
33äume, eine naffe SBiefe unb barüber bie trüben fte^en
regenfd?toangeren ©etoölfs.
„§>as l>icr ift überhaupt mein Sieblingspläijdjcn,"
ful)t bie 23lonbc fort, olme fid? um fein unoerftänblid^es
©ebrumm ju fümmern. „SDort auf bem §ang" —
fie jeigte mit bem Ringer i>in, aber u>as bort für ge-
toöbnüd) Sttertroürbiges märe, erfuhr ber §ert $>oftor
nidjt mel>r. §>enn im felben Slugcnblid fjörte man t>on
bort oben ein fonberbares ©luctfen unb ©urgeln, ber
Stafen roölbte fid; budelförmig empor, unb mit einem
Sttale fcf>o^ ein modriger SBafferftrafd aus bem ©oben
l;eroor. ^latfdjcnb fielen bie naffen ©rbmaffen u>ot>l
jtoanjig Schritte in ber Stunbe untrer, unb bie fd;mu^igen
SBcllen eines neugeborenen 33ad>es {türmten in roitbem
Sauf ben £ang fünab, um fid> unten mit ben gifd)tenben
Sßaffern bcs alten 93act>es ju oereinen.
STtit angetjaltenem Sltem t>attc bie junge Seherin
bas merftoürbige Sdjaufpicl oerfolgt, bann, als alles
toieber jur Stuf>e gefommen toar unb nur bas neu ent-
fprungene 93äd;lein nod) in eilfertigem Sauf über ben
£ang ber SBalbtoiefe eilte, f>atte fie fid> ftill abgetoenbet
unb fdjtoeigfam tyren SBeg fortgefe^t.
2lud> ©oftor Sd>öne mufote' fid> nun eingeftefjen,
baß es neben Sttufeen unb ©alerien aud) in ber Statur
fo manches gäbe, toas bes 2 lnfel>ens toert toäre. linb
fo manches — toenn nid;t alles — an bem er bislang
blinben Sluges oorübergegangen mar. Stur ärgerte er
ficf> babei ein toenig, baf$ erft biefes blonbe ©änsd;en
tjatte tommen müffen, um it>m bie Slugen ju öffnen.
Seine Saune tourbe aucf> in nichts gebeffert, als er
roieber in feinem Bimmer fafj, ofme Stimmung jur
Slrbeit finben 511 fönncn, unb nichts mit fiefj unb ber
SBelt anjufangen toufcte, als burd> bie regennaffen
Google
Stopdle oon 9?ubolf fMdnede.
103
ftenfterfcheiben auf bie trüben gluten bes angefd;mol-
lenen Stromes hinausjubliden. 28eift ©ott, bas Meine
SBäfferchen, bas fid> auf ber 28albmiefe burd) ©eftein,
©rbreich unb Olafen feinen 98eg ins ^reie gebahnt, hatte
if>m einen befferen begriff oon bet Schönheit ber
Otatur, einen größeren Olefpett oor ihrem machtoollen
SBalten beigebracht als ber breite Strom, ber ba in
emigem ©leichmaft SBelle auf 2BeUe meitermäljte. ©ine
trübe, graue fläche oon einem Ufer 5 um anberen, laum
unterbrochen oon einer ab unb ju ^>öl>cc aufgifchtenben
SSelle.
„fiangtoeilig!" brummte ber ©>ottor unb manbte
fi<h ärgerlich oom fjenfter ab.
Später mürbe es aber hoch intereffant. $>as £od>-
toaffer muftte bereits ben großen ^oljlagerplaft über-
flutet haben, auf bem — eine SEOegftunbe ftromauf —
bas Sdjeitholj aufgeftapelt liegt. OZun trug bas SBaffer
bie Scheite reiftenb fdmell mit fich, fie balb in tollem
OBirbel btehenb, bann untertauchenb unb toieber empor-
fd;nellenb, als mären es bünne Späne, unb eine
93iertelftunbe lang mar oon einem Ufer bis jurn anberen
nichts ju fehen als bas ireibenbe, mirbelnbe S)olj.
§>a ftanb nun ber junge ©eiehrte am griffet unb
fudjte in gahlen au faffen, melch ungeheures Vermögen
ber Strom ba entführte. Olber et tarn auch mit biefem
einfachen Problem nicht ins reine. $>enn unten am
Ufer ftanb ber ^ausmirt unb fpieftte mit einem langen
geuerljaten bie treibenben S)ölaet an, um fie bann mit
einem ftarten Schmunge auf bie Strafte ju fchleubetn,
bie fchon felber halb oom Söaffer überflutet mar. llnb
auf ber Strafte ftanb „bas blonbe ©änsd>en", ganj
oermummelt in ihren unförmigen Söettermantel, unb
jog bas geborgene ^olj oollenbs ins trodene.
„Scheint bod; nicht au Sorte Otummer eins ju gc-
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104
9tegenibi)He.
hören," fagte ©oEtor Schöne ju fid> felber. „2öalb-
{pajiergänge bei SEegenmetter, S^oljflöfjen — mirb eher
SEummer jmei {ein: eine, bie bas SBeib in fid) nicht
finben fann unb es beshalb uns Scannern glcichtun
mill!"
2 lnb ,,{o eine" mollte ihm, bem ©oEtor ber ^ilo-
fopt>ie, Vorträge galten übet bie 6 ct>ön|>eit in bet
SEatur, bafj er babeiftehen mufjte u?ie ein 0 chulbube,
ber {eine Aufgabe nicht gelernt t>at! „§ol ber $uctuct
alle Söeiberl“ brummte er oerbroffen t>or fid> t)in unb
machte nod? einen lebten oerjmeifelten 23erfuch, {ich
mieber in {eine gelehrten Probleme tjinüberjuretten.
Unter gemiffen Hmftänben unb SDorausfeljungen er-
tt>ei{en {id> aber blonbe §aare, blaue Slugen unb tröp-
felnbe ©achrinnen ungleich ftärEer als bas fe{te{te 23or-
nelnnen eines an ©enEarbeit gemöhnten Sltänncrtopfes.
2 lls ©oEtor 0 chöne ju biejer traurigen (SrEenntnis
gelangt mar, mufjte er aud>, ba gibt es nur ein einiges
Mittel bagegen — fchleunigfte ^lud)t.
„$jert SBirt," {agte er baf;er nach bem 2 lbenbe{{en,
„geben 0ie mir meine 9Eedmung. 34> rei{e morgen ab."
2 lber ber ^ausoater lachte ihm ins ©eficht. „ 2 lb-
rcifen? 23ei bem SBetter? 3a, mohin benn?“
ltnb ber arme ©oEtor erfuhr 311 {einem 0chreden,
bafj ber 0chiffoertehr infolge bcs ^oefjmaffers {eit Sagen
{d>on eingeftellt mar unb bafj auf bem biesfeitigen Ufer
eine SEücEEeht jur 0tabt nur mehr ju gufo auf tage-
langen llmmegen möglich {ei. Unb er erfuhr ferner, ba{}
aud; ber 33ahimertcht am jenfeitigen Xlfer burch eine
©annnrut{chung unterbrodjen mar unb baf} es über-
haupt SBahnfinn fei, unter ben gegebenen 23erhältni{{en
an eine Bahnfahrt über ben reifjenben 0 trom ju benten.
,,©ann quartiere ich mich unten im ©orfc ein,"
cnt{d)ieb ber ©oEtor.
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D Stooclle oon Stubolf ßleinede. 105
©er ^auspater meinte fchmunjelnb unb ad>fel-
judenb: ,,©o probieren ©' i?ait 3h r ©lüd!“
@s regnete immer noch in Strömen, als fkf) ©oftoc
Schöne am nächten borgen aufmad)te, um über bie
naffen Söiefcn unb aufgeweichten $der auf weiten Um-
wegen ins ©orf ju gelangen, ©od) t>atte er feinen
©ang umfonft getan, ©ie 23ewohner bec tiefer liegenben
Raufer Ratten if>te §eimwefen oor ben fteigenben
SBaffern räumen müffen, unb jo gab's in ben t>öl?cr ge-
legenen fein 2Binfelcf)en, bas nicht mit allem möglichen
Hausrat oerftellt war, fein ©emad), bas nicht fchon
oon founbfopiel 2Henfd>en geteilt werben muftte. ffü*
einen ruljebebürftigen ©eiehrten war nirgenbs ein
<?3lät$chen frei.
„ftatum nannten es bie Sllten!" brummte ©d)öne
oor fid) b^, als er nach einer ©tunbe pergeblidjec
SBobnungsfucbe feinen naffen Heimweg antrat. „Unb
ob man's ftatum nennt ober cinfad) ^ecf) — es ift bas-
felbe unb mu^ getragen werben. Unb fchliefjlich müffen
fid) bie SBafjer ja bod) enblid) einmal aud) wieber
perlaufen.“
53orberf)anb machten aber bie SBaffer gar feine
OJliene, es ju tun, SBeber biefen £ag, nod) ben nädjften,
nod) all bie fommenben ©age. ©ie fielen in ©trömen
porn Fimmel, bie ledten pon ber ©onau herauf immer
höher unb höher, riefelten in ben Hausflur bec alten
©aftwirtfdjaft unb riefelten bie Kellerftiege hinab, bis
ber Keller gefüllt war, brangen burd) bie Saiten ber
unteren ©emäd)er unb fluteten f<hlief$lid) ju ben
ftenffern aus unb ein.
2Bie eine Snfel im Öjean lag bas alte £>aus porn
SBaffet umflutet, ©erabe bafe nod; auf bec 93ergfeite
ein Sugang offen blieb. Unb bie 53ewot)ner hatten bas
alles fommen fehen unb hatten bod; nichts getan,
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106
9?egemt>nUc.
um biefer ©efangenfchaft 511 entgegen. §>oftor ©d)öne
unb Fräulein 28iefinger, meil fic eben nichts tun tonnten,
bie SEDirtsleute, meil fic tourten, bafo feine ©efahr für
bas alte, fefte $aus beftanb. ©s mar ja nid>t bas erftc
S^odnoaffer, bas fie tuet erlebten. Stur bafj cs jo arg
mürbe, Ratten fie nicht geahnt, fonft Ratten fie il>rc
0ommergäfte aufmertfam gemacht unb jieljen laffen,
folange noch bie Sttöglichfeit baju oothanben getoefen.
Fräulein SBiefinger betrachtete übrigens bie ©ad;e
oon ber beften ©eite. Für fie mar bas ©anje ein
„©rlebnis“. ©ie i?alf ben Leuten bie ftäffer im Heller
ftütjen, bafj bas Söaffer nicht bie ©ebinbe in bie £i>he
höbe unb baburch bas $aus gefährbe, fie half ihnen bas
33ieh aus ben ©tällen jiehen unb auf ben 93erg treiben,
mo es beim Stachbar Salmhofer in S^oft unb Quartier
gegeben mürbe, ©ie half bie ©inrkhtungsgegenftänbc
aus ben unteren gimmern in bas obere ©toefmert fchaffen,
unb fie half ber SBirtin, als auch biefe mit ihren SMdjen-
gerätfehaften jum £ahnf>ofer auf ben 93erg überfiebcln
mufjte. 3h r ^n trotzigen SBahlfpru'ch : „2luf eigenen
Füfeen ftehen! 93on niemanb etmas oerlangen, fei-
nem 511 ©ant oerpflichtet fein!" fchien fie eben aus-
fdjliefjlich auf ihre eigene ^erfon anmenben ju mollen.
Slnbere mochten ruhig auf ihre SMlfe bauen. Ober mar
ihr im Drange ber ©reigniffe bie ©rfenntnis aufgc-
bämmert, bafe ber SHenfch troh all unb allebem ein
„gefelliges £ier" ift, unb bafj ihrem ftoljen „Sluf eigenen
Füfcen ftehen!" milbernb unb ergänjenb ein anberes
Söort gegenüberfteht, bas fd;öne Söort: „©iner für
alle — alle für einen!" —
©>oftor ©d>öne mar fchlimmer baran. 5>ie Fort-
führung feiner geiftigen 93efchäftigung hatte • er als
oolltommen ausfichtslos für bie nächfte Seit aufgegeben,
für bie Arbeiten aber, bei benen Fräulein klärchen
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□ Stooelle »on Stubolf ßleinede. 107
mityalf, füllte er webet Steigung nod> Salent. ©o
ftanb er benn meiftens ben Leuten im Söege unb
war jcjwn bantbar, wenn eines ober bas anbere ficf>
3cit naf>m, ein paar SBorte mit tym zu plaubern.
3wei ©tunben mären aber bo<$, auf bie er ficf> £ag
für £ag freute. 5>ie ©tunbe bes SItittageffens unb bie
©tunbe nad) ber Slbenbmaljlzeit. ©em 3®ang bcr 93er-
fjältnijje folgenb, f>atte bie SBirtin, fobatb bie unteren
Stäumlictjteiten bes Kaufes unbewohnbar geworben
waren, für bie beiben ©ommergäfte im oberen £anz-
faate ben $ijd> gebedt. Unb — ba bet ganze Staum
mit ben £iet geborgenen ©inrichtungsgegenftänben ooll-
gepfropft war .«=- wirtlid) nur einen £ijcf>. ©a ergab
es ficf> bann ganz oon felbft, bafe währenb bes ©jfens
über alles mögliche gejprod;en würbe, unb fo tlug wufete
fttäulein fölätcljen babei it>re 2lnjicf>ten geltenb zu madjen,
bafe ber $>ottor eine förmliche Hochachtung oor ihr be-
fam unb jid) nebenbei einige Sttale auch weiblich ärgern
mufete, wenn er ihr bei manchem 3Tf>ema wieber gegen-
überjifeen mufete „wie ein ©djulbub, ber jeine Slufgabe
nicht gelernt Ijat".
Slbet — bas 3*ugnis tonnte er ihr nicht oerjagen —
wo er jelbjt jid> mit feiner 2lnji<f>t im Steckte mufete, ging
jie auch gern auf feine 23eweisgrünbe ein unb liefe ji<h
willig überzeugen. ©0 bafe fiel) ber §>ottor manchmal
oerwunbert fragte, was benn bas wohl eigentlid? für
ein. fonberbares ©efcfwpf fei. 33erftänbig bentenb
unb togijef? folgernb wie ein SRann unb babei bod> jo
ed)t weiblich in ihrem ganjen ©ehaben — webet
„©orte Stummer eins", noch „©orte Stummer zwei".
©ollte es hoch noch eine ihm bislang unbetannt
gebliebene britte ©orte weiblicher SBejen geben?
§>ie jrocitc ©tunbe, auf bie jid> §>ottor ©cf)öne
immer freute, war ber Sttujit geweift, ©obalb bas
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108
&egen!bp(le.
ö
2 lbenbeffen porüber war, Ijoltc ^räulein SHärchen bi«
alte 3 itf>cr herpor, bie fic in einem ftaubigen SBintel
bes £anjfaales gefunben hotte, unb begann mit ihren
jarten Ringern allerhanb £änje unb Sieber ju fpieten.
SHanchmal tarn fogar bet Unecht, bet jut Betreuung
bes 93ie^)cs jum Salmhofer übergefiebelt war, eigens
biefer ^3robuttion juliebe porn Serge ijerab unb tanjte
mit ber jungen Kellnerin jtpif 4 >en all ben im Sßege
ftehenben Stiften unb haften einen gemütlichen Sänbler
— manchmal fang auch ber §auspater luftige ©ftanjeln
unb ©chnaberhüpfeln baju. Ilnb ©ottor Schöne, ber
fo etwas noch nie gefehen unb gehört, ertappte fid>
manchmal bei einem lauten 2 tufla<hen, übet bas er
felber erfchrat. §atte er fi<h bo<h im,Seben nie gebacht,
bafj man bei folchem SBetter fo luftig fein tonnte!
©af$ man überhaupt fo luftig fein tonne!
©a$ Sdjönfte tarn aber immer am Schluffe. SBenn
bie Saune bes #ausoaters gar 5 U übermütig unb feine
©ftanjeln baburch gar ju urtpüchfig werben wollten,
brach fträulein klärchen plötjlich bie luftigen „ 2 Dalb-
bäurifchen" ab unb leitete langfam über in eine jener
einfachen, gemütoollen SBeifen, wie fie ju £unberten
in unferem Solte leben. Unb fang mit einer Haren,
warmen Stimme bas Sieb baju. ©ie SBirtin fummte
in ihrem tiefen 2 Ut mit, unb berSBirt brummte benSafj.
©as geht fo bei ben dauern pon felber — ohne Schu-
lung, ohne Soten.
9tur ber S)err ©ottor tonnte nicht mittun. ©er faf$
mäuschcnftill auf feinem <?5lah, fah unoerwanbt auf
bie jupfenben Ringer &er Sehrerin unb wagte taum
Sltem ju ho^n. &cin taufchenbes S^onjertftücf, teine
tiefgrünbige Sinfonie hotte noch folgen Sinbruct
auf ihn gemacht als biefes ftille Singen ber einfachen
Soltslieber in bent bämmerigen Saume. Zlnb er
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9lo»d(e pon 9lubo(f Rleinecfe.
109
□
münfcbte jebesmal, cs möchte tiefer 2lbenb fein ©nbe
nehmen unb es möchte regnen unb regnen, immer-
au...
(Sin Seil feines ©ebnens ging ja in ©rfiillung: es
regnete mirtlicb immerju. Oas ^odnoaffet mollte nicht
fallen.
©ines Vormittags brachte ber Unecht eine ©«bredens-
botfd>aft ins £aus. Oie SBirtin mar, als fie jum £abn-
bofer ging, um für it>re ©ommergäfte bas ©ffen ju
bereiten, auf bem glitfd>erigen Vergbange ausgerutfebt,
batte fid) ben ftufe oerftauebt unb mufote nun ba broben
im Vauernbaufe im Vette liegen, meü fie unfähig mar,
einen «Schritt au tun.
Unb gerate heute butte man auch bie Kellnerin
jur 5}ilfeleiftung bei einer erfrantten Vermanbten ins
Oorf abberufen! Oa fragte nun ber SBirt mit einer
jämmerlichen Vtiene, mas ben §errf<baften mobl liebet
märe — etmas kaltes au Mittag ober eine Vlilcbfuppe,
bie ihnen bie fiabnboferin betrieben tonnte. Ober ob
oielleicbt er, ber SBirt, probieren folle, bas ftkifcb, bas
im £aufe mar, au braten, können täte er’s freilich
nicht recht, aber —
Fräulein klärchen befreite ihn oon feinen bangen
©orgen. „SBenn nur ber armen 2Birtin nichts ©rnfteres
gegeben iftt“ fagte fie. „Oa ift unb bleibt bas befte
SKittel: 9tube — unb talte Xlmfcbläge. ©eben ©ie fofort
ju ihr hinauf unb legen ©ie ihr naffe Südjer auf. 32lit
bem Stochen mill ich fd>on fertig merben. 3d> bring' ihr
bann au 9Kittag eine fräftige ©uppe hinauf.“
Ooftor ©cböne rif$ Vlunb unb Slugen auf. „© i e
mollen toeben?" rief er, als fei tiefes Vorhaben bie
mertmürbigfte oon allen Vtertmürbigfeiten, fo er in
ben lebten Sagen in tiefem £aufe erlebt.
„SBarum nicht?" gab gräulein klärchen lacbenb aur
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Stegenibplle.
Slntmori. „So gut rote bie Suppe bet Sahnhoferin
mirb's immer noch merben. Sie brauchen {einerlei
Slngft um gi)ren ©autnen ober SHagen ju Ijaben.“
llnb ernfter fügte fie hinju, rnobei micber bet it>r eigene,
ftolje, troftige 8ug bie eben noch lacftenben Sippen um-
fpielte: „3<h bin gemohnt oon 3ugenb auf, mid) in
jebe Sage finben ju tonnen unb jebe Arbeit felbft ju
tun. $>as f>at mich mein S3atec gelehrt: burd> eigenes
SBollen unb können unabhängig ju fein oon ben
onberen SHenfchen.“
£ätte $>ottor Schöne einen £ut auf bem Kopfe
gehabt, er hätte ihn in biefem Slugenblid abgenommen
unb fid? tief oerneigt oor fold? ftoläem Selbftbemufttfein
eines jungen Stäbchens, bas toeber ju ber gefürchteten
Sorte Stummer eins noch ju ber oerabfetjeuten Sorte
Stummer jrnei gehörte. §>a er aber barhäuptig oor
ihr ftanb unb auch nicht gleich bas rechte SSort jum Slus-
bruef feiner 93emunberung fanb, lieft er ben ^ausoater
für ficf> fprechen.
$>er h^tte, gleich nad>bem ihm bie ©etoiftheit ge-
toorben, baft feine eigene roerte ‘■perfon nicht in Sftit-
leibenf<haft gejogen mürbe, feinen ^umor toieber ge-
funben unb meinte nun fchmunjelnb: „Sonft hat er
ftfmen nir g'lernt, ber §err Sßapa? $>a merben S' nit
meit fpringen bamit. Schau'n S’, mann ich 3h n en jum
93eifpiel jeftt bas ftleifd) nit gib, mas tochen S' benn
nachher? Hnb mann uns ber ffleifthhacfet bie Odjfen
nit fchlagt, mo trieg'n mir benn alle miteinanb ein
fjleifch her? 93töd)ten S’ leicht felber Ochfen fchlag'n
ober Sehmern' abftechen?"
„3n biefem Sinne ift bas ja aber auch gar nicht
gemeint gemefen,“ ereiferte {ich §>ottor Schöne, ber
plöftlid) bie S3erpfli<htung fühlte, bem ftoljen Sftäbchen
ju $)ilfe ju tommen.
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9loodle »on 9tubolf ßldrtede.
111
n
Slber bet SBirt liefe i!?n nicf)t toeiterreben. „Ob in
bem «Sinn ober in ein' anbetn — Sinn is überhaupt
leinet bein! Sin 92tenfcf> aüein rid;t't gar nijc aus.
92lüffen jum minbeften it>rer jtoei fein. ©iner, ber ju-
f?aut unb einer, ber ficf> t>au'n lafet.“
„©aoon toar bod> aucf> nicf>t bie 9?ebe!" roenbete
©oltor Sd>öne ärgerlid? ein.
©er Jjausoater fut>r ladjenb fort: „Sllsbann oom
©egenteil. 2lbet jurn ©emljaben g'ljören f>alt allemal
erft red?t il>rer ätoei. Ober möchten Sie fi<^> ettoan gar
In fief? felber oerlieb'n? Sie fein ja ein fdjöner 921ann,
§err ©oftor, aber id) an 3f>ret Stell' tät's bod> nit. ©a
oerliebet id> mief) fdjon lieber in b' fjräul'n 2Biefinger.“
2lun toar bie 91eil>e bes $rgerlicf>toerbens an Fräu-
lein S?lärd>en. „©eben Sie jefet enblid) einmal bas
Fleifd) f>er !" f)errfcf>te fie ben Stlten an. „Zinb bann
gef>en Sie ju 3f>ter F™u unb machen il>r $Jrnifa-
umfd>läge l“
Sd>ön langfam, toie es feine 2lrt toar, jeigte ber
Jjausoater ber Fü^nenbert bie Vorräte, bie nod> im
§aufe toaren, bann ftopfte er fid> umftänblicf) bie pfeife
unb brannte fie gemäd>lid> an, beoor er feinen Sama-
ritergang antrat. 9?ur leine Aufregung ! Ob fein 2Beib
bie lalten Xlmfd?läge nun eine 33iertelftunbe früher
ober fpäter belam, bas fpielte bod) toirllid) leine 91olle.
Fräulein S?lärd>en aber machte fi<$ ans $od>en.
©as toar unter ben obtoaltenben Zlmftänben eine oiel
fefnoierigere Sacf>e, als fie's oon ju S)aufe getoofmt
getoefen. ©inen Seil bes S?üd>engefdnrtes tjatte bie
2öirtin jum £al>nf>ofer mitgenommen, ein anberer Seil
l)ing in ber S^ücf>e im ©rbgefdjofe, in ber bas SBaffer
aus unb ein lief. So mufete erft alles 3 ufammengefud>t
toerben, toas fid? in bem Ijcrrfdjenben ©ur<$einanber
eben finben liefe. 2lucf> ber £erb in bem oom Söaffer
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1 1 2 9tegenibr>f Ic. □
freien ßtodwerfe war wofei lange nicfet mefer in 93e-
nüfeung gewefen — bet mufete erft grünblicfe gereinigt
werben, beoor fid? ba überhaupt ein fteuer anmacfeen
liefe, llnb — was bie ^auptfacfee war — im ganzen
$)aufe gab'e feinen tropfen £rin!waffer mefer, nacfebem
ber 53tunnen längft pom S)ocfewaffer überflutet war
unb ber SBirt es natürlicfe unterlaffen featte, frifcfees
Quellwaffet pom Serge mitjubringen.
fträulein S^lätcfeen ftedte ben S^opf jut £üre hinaus
unb rief ifercn £eibensgefäferten ju S)ilfe.
Slber §>oftor 6cfebne marfcfeterte im STanjfaale mit
langen 6cferitten auf unb ab wie ein wilbes £iet im
engen Ääfig unb war fo in feine ©ebanlen pertieft,
bafe er ben Suf ganj überfeörte.
„9Bas bocfe oft für swingenbe Sogit in ben Sieben
folcfe einfacher fieute liegt!" brummte er por ficf> fein.
„Sin 97lenfcfe allein ricfetet gar nicfets aus. 92lüffen jum
minbeften iferer jwci fein Siner, ber ^ufeaut unb
einer, ber ficfe feauen läfet — "
fträulein $lärcfeen rief ein jweites 92lal. 2lber
©oftor 6cfeöne ftedte piel ju tief in ber 9le!apitulation
ber gaftwirtlicfeen SBcisfeeit, ab bafe et auf ben Suf
geadjtet feätte. „8um ©ernfeaben gefebren allemal erft
recfet iferer jwei. Ober möcfeten 6ie ficfe etwa gar in
ficfe felbet perliebcn?"
„Sein!“ fcferie Ooftor ©cfeöne förmlicfe auf unb
feielt in feinem aufgeregten 6pajiergang innc. Oa
lieber nocfe in biefes mertwürbige blonbe ©efcfeöpf,
bas arbeiten tann wie ein S)austnecfet unb fingen wie
ein Sngel, bas bisputiert wie ein ^rofeffor unb jefet
am §erbe ftcfet, um ifem ein Slittageffen ju focfeen.
„§err Oottor!" fcferie gräulcin S^lärcfeen nun jum
britten 9Kale, unb jefet featte er ben Suf enblicfe gc-
feört.
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n Stooclle t>on Stubolf t?(etnede. 113
2 Bie ein SBilber ftürjte ec aus bem ©aale unb bet
®üd>e 5 U. „Sräuletn beferen?“
„ 3 d> befere nichts, id> möchte ©ie nur um etwas
bitten," fagte fie unb tramte babei mit tyren jarten
£änben in bem oerftopften §erbe Return. „ 2 Benn
nämlicf) aus unferem OTittageffen nict)t ein ftünfuljttee
werben foll, müffen ©ie mit Reifen. ©s ift fein Stopfen
2 Baffer im §aufe — “
„Slbet unten ftefjen bod> alle Simmet ootl!" wollte
©>o!tor ©cfjöne oerwunbert eintoenben, nur liefe ifm
Fräulein SUärd;en ni<$t baju fommen.
„Stinfwaffer natürlich," oerbeffette fie fid>. „SBiffen
©ie bie Quelle am 93erg oben? Unb möd;ten ©ie mit
oon bott einen $tug ooll bringen?“
„ 2 lbet natürlich" tief bet ©>ottoc unb wollte fcfwn
bienftbeceit aus bet $ü<$e ftürjen.
§>ocl> Ijielt ifm bie neue $üd>enbel)errfd>erin nod)
jurüd. „Qletwen ©ie 3 f>ren Söettermantel uml ©s
regnet ja in ©ttömen!"
Qn einet Minute I?atte bet S>oJtor bem 91at ^olge
geleiftet unb Jam wiebet burd> bie $üd>e geftütjt.
Unb abermals mufete fie ifm äurüdfjalten. „91id>t
ba hinaus t §>ie ©tiege ftef>t ja bod) juc Hälfte unter
2 Dafferl ©>urd> bie rüdwättige Süte müffen ©ie —
auf bet 53ergfeite!" Unb als et fiel) eilfertig bal?in
wanbte, fefete fie lacfjelnb Ijinju: „Unb ein ©efäfe
müffen ©ie aud> mitnefjmen, §ett ©>ottor, wenn ©ie
28affet bringen wollen."
Sa freilid) — batan Ijatte er wirtlid) gat nicf>t
gebadjt. ©s war ja aucf> bas erfte 2Jtal in feinem Sieben,
bafe et bamit betraut würbe, SSaffet oom 93erge tjolen
ju bütfen. ©ine SHiffion, beten 93ebeutung unb ©<f>wie-
rigJeit tym fo ganj etft jum 93ewufetfein Jamen, als es
galt, ben fcfüüpfrigen QSiefenweg su benüfeen, ot^ne
1911. 11. 8
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StegenibpUe,
ben Dollen SBaffereimet babei feines 3nhalts 8 U ent-
leeren.
Slber bas Kunftftüd gelang. SKit einem füfoen
„Oanfe f4>ön 1“ marb es gelohnt, unb Oottor Sd;öne
harrte meiterer Aufträge. Unb ba gräulein klärchen
enblich ben £erb in Orbnung gebracht unb mit miebet
blühmeifjen ^änbe^en an bie Subereitung bes Offene
ging, ohne fict> um ben gebulbig SDartenben ju lümmern,
fagte ber fchliefjlich felbet: „Kann ich oielleid)t noch
etmas helfen?"
Sac^enb fab fie ju ibm auf. „SBenn Sie Seit unb
Suft haben — o ja. SKit bem ^oljDorcat fieht’s fehlest
aus. Vielleicht finben Sie irgenb etmas ©rennbates."
Q'lad? einer langen 2Beile tarn Oottor Schöne mit
einem betrübten ©eficht jurüd. ©in langes ©rett hatte
er unterm Slrm. „Silles ift naf$ 1" jammerte er. „3$
fürchte, es mirb nicht brennen, ©erabe nur biefe
©retter finb troden. Slber bie finb mieber su grofc für
ben £crbt“
„Oann müffen mir fie eben sertleinern," entfehieb
Fräulein Klärchen turj entfdüoffen. „3ft Staat fchabe
brum, aber marum hält ber SDirt nicht beffer Orbnung
in feiner Söirtfchaft! — Können Sie Sjolsfägen?"
Ooltor Schöne mufete etmas lleinlaut geftehen,
bafj er es allerbings noch nie oerfud?t habe.
„So tommen Sie," fagte bas refolute Klärchen.
„3<h mill es 3(wen scigen."
gm Schuppen, bet auf ber ©ergfeite an bas §aus
angebaut mar, lagen Säge unb 2l*t. Unb in fünf
©tinuten hatte ©ottor Sdjöne bie Kunft gelernt, ein
langes ©rett su ©rennhols su sertleinern. 8mar taten
ihm bie §änbe unb ber ©üden fchauberhaft meh, als
er bas Stüdbols eine halbe Stunbe fpäter in bie Küche
gefdjleppt brachte, aber bas smeite füfje „Oante fchön !",
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a 9Welte »on Stubolf ßlcinede.
bas er bafüt einheimfen tonnte, büntte ihm bod> ein
überreichet Sohn für feine SJlühe. ©an} abgefehen
baoon, bafj er eine neue $unft erlernt hatte unb bafc
ihm toährenb bes 0 ägens unb Badens plöljlid; eine
©ebantenceih« toiebet aufgebämmert toar, bie ihm bas
eintönige ©eriefel bes Segens unb bas neroenauf-
peitfehenbe ©eplätfeher ber Dachrinne oor ©agen fd;on
rein toie aus bem ©ehirn toeggetoafchen hatte.
„ 60 , jet$t fann ich Sie nicht mehr brauchen," hatte
gräulein klärchen gefagt, als ec ihr beim Wochen
müfcig im Söege ftanb. Unb ba toar ec auf fein
Simmer gegangen unb hatte gearbeitet — gearbeitet
toie feit einer SBodje nicht mehr. Ohne bas ^lätfchem
bes Segens }u hören unb ohne auf ben SBafferfdjwall
}u achten, ber in beftimmten Seiträumen immer noch
toie bamals bie ©achrinne herabgebrauft tarn.
^öchft 5 uftieben mit fich unb ber 933elt feijfe er fich
jtoei 0tunben fpäter an ben 921ittagstifcf>. Unb er lam
babei }u ber ©rfenntnis, bafc bas ©ffen, bas er bislang
immer nur für eine jeitraubenbe, aber leibec jum Seben
nottoenbige 0 ache gehalten hatte, fogar ein Vergnügen
bebeuten tönne. 2Bar es bie S?od>tunft bes jungen
Räbchens ober toar cs bie rei^enbe 2 lrt, mit ber fie
bie 0 peifen feroiecte? ©r roufete es nicht, ©r toufjte
nur, bafe ihm bas lederfte SJlenü im feinften Steftaurant
noch nie fo gemunbet hatte toie bie einfachen ©erichte,
bie ihm ba heute oorgefeht mürben.
2 lm nächften ©age lief} ber Stegen enblich etroas nad;,
unb bie büfteren Söoltenmaffen begannen fich 5 U }ec-
teilen. Unb amjroeitnächften blidtc aus bem trüben ©rau
fchon h»e unb ba ein 0 tüdd>en blauer Fimmel heroor.
SRählich fanten bie fluten ber ©>onau in ihr gelohntes
3?ett jurüd, unb bamit tarn auch m bem alten £aufe fo
nach unb nach alles mieber in bas gewohnte ©eleife.
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116 Ncgenibplle. O
fttäulein klärchen erfdnen bas fehlen bes riefelnben
Segens tpie ber ©erdicht auf ettoas Slltoertrautes, £ieb-
getporbenes. Hnb am etften fomtenhcllen borgen
ftanb fic lange jögemb por bet S)austüre, unentfd?loffen,
ob fic ihre früheren Spajiergänge totebet aufnehmen
folle ober nicht. 2 lls aber bann plötzlich §>ottor Schöne
unertpartet um bie ©de trat unb ii>r einen guten borgen
bot, toäre fie hoch am liebften auf unb baoon gelaufen
tpie ein erfchredtes $inb.
Nur toat es jeijt freilich ju fpät baju.
60 ftanben fie ficf> eine 2 Beile gegenüber, flauten
»erlegen aneinanber oorbei unb fprachen faft mechanifch
einige l>ertömmlid?e ^Ijrafen über bas SDetter, übet
bie 23ern?üftungen bes S^ochtoaffers unb tourten nicht,
toas benn eigentlich fo trennenb jtoifchen fie getreten
mar. gm Spange ber 33ert>ältniffe h°tt en fi<h S u "
fammengefunben gehabt tpie jtpei alte ftreunbe, nun
ihnen bie llmftänbe tpieber oolle Nemegungsfreiheit
gegeben, toar es ihnen, als bürfe eines bem anberen
nicht mehr im SSege ftehen, als müffe jebes pon ihnen
frei unb unbehelligt oom anberen feine Strafte jiehen,
toie es por ber Überfd;tpemmung ber ftall getoefen toar.
Fräulein S?lärd;en h^tte biefen Vormittag toenig
Vergnügen oon ihrem Spajiergange. 8 um erften 9Hale
feit bem £obe ihrer Eltern fiel ihr bas Nileinfein, ihr
Sllleinftchcn in ber Söelt fchroer aufs §erj, unb fie
bachte, es toäre tpohl bas gefcheitefte, fobalb als möglich
in ben Trubel ber ©roftftabt jurüdjufehren, ftatt hto
im SBalbe mutterfeelenallcin h^umjulaufen. 3>et
Nachmittag toar lang genug, ihre Siebenfachen ju-
fammenjupaden, morgen toollte fie noch oon ihrem
fiieblingspläftchen Nbfchieb nehmen, unb mittags tonnte
fie bann mit bem Schiffe bie Heimfahrt antreten.
$>as arme klärchen tpurbe ganj traurig, als es bei
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D 9lopelte pon 9tubolf Rletnecfe. 117
feinem füllen Tlachfinnen ju biefem ©ntfchlujj gelangt
war. ©>o<h gleich barauf fiel ihr mieber ein, was ihr
fdjon ben ganjen Vormittag ungewollt butch ben ftopf
gegangen mar: wie feltfam oeränbert, wie fremb unb
fchweigfam hatte ficf> ©>oftor Schöne heute morgen
ihr gegenüber gejeigt. ©>a l)ob fie bas Köpfchen tro^ig
in bie §öf>e unb mar mit fid; im reinen: morgen toirb
abgereift t
©>oftor Schönes Stimmung toar um feinen ©rab
fröhlicher. 2 lls fträulein Klärchen oon ihm gegangen
toar, flaute er ihr nach, bis ihre ©eftalt 5 toifd?en ben
93äumen oerfchwanb, bann lief er ein paarmal $iel-
unb jwedlos ums #aus herum unb liefe fi<h fehliefelich
auf feinem oon früher f?er gewohnten ^lafee unter ben
Vufebäumen nieber, um ficf> in feine Stubien 511 oer-
tiefen. ©8 wollte jeboch mit ber Arbeit nicht recht
oorroärts gelten. gi>m fehlte irgenb etwas, oon bem et
nicht wufete, was es eigentlich war. 5>er ©ebanfe, bafe
biefes ©twas ein 2 Beib fein fönne, lag $ertn 5>oftor
Schöne felbftoerftänblich oiel ju fern.
Unb biefes unbehagliche ©cfütjl, etwas ju oer-
miffen, bas er felbft nicht fannte, wollte ihn ben ganjen
£ag nicht mehr oerlaffen. §>as begleitete ihn bis ins
93ett unb erwachte mit ihm am nächsten borgen.
©>a aber hielt er's nicht länger mehr aus. ©r nahm
feinen TDettermantel über bie Schultern — bas war
er fo gewohnt geworben in ben lebten Kegenwochen —
unb trat einen Spajiergang an. ©inmal hatte er ja
fchon bie ©rfahrung gemacht, bafe man bei folch äiel-
lofem Unterlaufen bie ©ebanfen beffer fon 5 entrietcn
fönne als bei bem erjwungenen Stilleren. Vielleicht
gelang's ihm biesmal wieber.
Unwidfürtich, unbewußt oiellei<ht, fchlug er ben
2öeg ein, ben er bei feinem erften Spajiergange an
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118 SlegenibpH«. D
jenem Regentage gegangen mar. ©in ©tüd bie £anb-
ftrafje entlang, bann hinein in ben engen Söalbgraben,
mo bas fcf>male ©teiglein fid) burcl) 93ucf)engef>ölä unb
STannengeftrüpp minbet, bis f)in ju bet Meinen Söalb-
miefe.
,,©>a ftanben mir bamals," mufcte er benten. „Unb
bort oben t>at fiel) plöt}licf) ber 9?afen gehoben unb ift ein
2Daffet aus ber ©rbe gefprungen."
Unb babei faf> er, bafj ringsum noef) immer bas
fatte ©rün ber Söiefe überfät mar mit grauen £ef)m-
Ijügeln, mie fie bamals bas milbe SBaffet um fid) ge-
morfen f>atte.
„$eist mürbe fie mol)! mieber £obesf)t)mnen an-
fümmen auf bie ©d)önf)eit ber Statur,“ backte et meiter
unb ärgerte fid) babei im füllen, bafs if>m felber biefe
oielgerüljmte ©4>önf>eit fo gar nid)t red)t jum ©enuffe
merben mollte. damals maren bie 23äume oon Stebel-
fetjen umhüllt gemefen, unb f>eute ftanben fie fd)ön
grün oot it)m, bamals mar ber Fimmel grau gemefen,
unb l)eute ftrafüte er in lid)ter 93läue. ©>as mar ber
ganje Unterfd)ieb. Unb er tonnte fid) bes 95ilbes nid)t
freuen, ©ine innere Unraft trieb ifm meiter, als müffe
er nod) irgenb etmas fucf>en, bas er felber nicf>t tannte
unb bas er boef) als etmas ^elüenbes empfanb.
®o fcf>ritt et bas SBeglein meiter bis jur ©teile,
mo et bamals feine unfreimillige £alfaf>rt angetreten
l)atte. Unb ba fd)lug plötsüd) eine ängftlidje ©timme
an fein Öl>t: „2ld)tung, §err ©>ottor! ©>er 93oben l>ier
ift nod) immer fo rutfdng mie beim Stegenmetter 1"
S?aum bafs aber fträulein JUärcfjen ber Sutuf ent-
fcf)lüpft mar, bereute fie il)n aud) fd)on mieber. Unb als
$>ottor ©d)öne in froher Ubertafdmng ftillftanb, er-
rötete fie bis in bie blonben Siebten hinein. gagljaft
unb permirrt ermiberte fie feinen ©rufe unb fing, um
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9looeHe oon 9tubolf ftlcincde.
□
119
ihre Verlegenheit ju Derbergen, ein lebhaftes ©e-
plauber an.
„$>as bumme SBaffer, bas bamals aus bem Voben
gebrochen ift, hat mich oon meinem fiieblingsplä^chen
auf bet SBalbtoiefe oertrieben. ©s ift eben hoch nicht
alles fcf>ön, toas bie 9tatur heroorbringt. §>ie fchmu^igen
©rbmaffen bort ftören mit bas liebe Vilb. So hab' ich
mich je^t hierher jurüdgejogen. ©>a fann man bie
häßlichen Rieden nicht fehen unb hat bafür einen noch
fchöneren Slusblid auf bas Hochgebirge. Schauen «Sie
nur, n>ie herrlich fich bas rötlich leuchtenbe ©eftein
oon bem blauen Himmel unb bem grünen SBalbe
abhebt!"
Sie hätte vielleicht noch fo toeitergeplaubert, toenn
fich ber neugierige ©>oftor nicht plötzlich lebhaft für ben
SSahrheitsbeioeis ihrer Vehauptung intereffiert hätte.
SSeil ihm aber hierbei ein mächtiger Sannentoipfel bie
2lusfid>t oerbedte, mufjte er gan& nahe ju ihrem 91uhe-
plä^chen treten, mufjte fich tief büden babei unb fich
fd>liepch auf ben geftürjten Vaumftamm fetjen, auf
bem fie felber fafj. 3tun erft hatte er ben Slusblid frei
unb fchaute mit ftaunenbem Sluge in bas leuchtenbe
Vilb oor ihm.
§>ann hob ein tiefer Sltemjug feine Vruft, unb toie ju
fich felber rebenb fprach er leife oor fich hin: „Vor
acht Sagen habe ich mich geärgert über 3hte SBorte unb
mich gef<hämt babei, Heute bante ich Shnen. §>enn
ob Sie mir's glauben ober nicht: i<h fet>e bas alles jetjt
3 um allererften Vtale.“
Fräulein klärchen fah ihn oerftänbnislos oon ber
Seite an, unb eine lange SDeile büeb’s füll jtoifchen ben
beiben. So füll, bafj bet ftint im Vaumtoipfel übet
ihnen ganj !ed feine luftige SSeife ju pfeifen begann,
als roäre er allein im Söalbe.
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120 9?cgcnit>püc. □
©ann fragte ftwulein klärchen, immer noch mit
bem oerftänbnislofen 23üd nach ihm: „2Bie tann bas
fein? 6ie fpredjen oft, als ob 0ie überhaupt in Syrern
Seben nie ein gntereffe an 9taturf<bönbeiten gehabt
Ratten. 97lir fiel bas fd>on einige 2Itale auf, als mir in
ber 9tegenperiobe — " fie ftodte, als fänbe fie nicht gleid>
bas rechte SBort, fut>r aber bo<b gleich furj entfcbloffen
fort: „näheren 53ertebr miteinanber batten. Ilnb babei
mußten 6ie taufenb intereffante $>inge über €5<bön-
beiten ber S^unft, ber Literatur ju erzählen, bie mobl
ben meiften OTenfcben unbetannt finb, fo mie fie mir
bis babin unbetannt geblieben maren. Ilnb bei fo
oiel @cbönbeitsfinn folltcn 6ie gerabe nur für bie
©cbönbcit ber Statur blinb fein? §>as oerftebe icb nicht l“
©ottor 6cf>öne manbte ficb ibt läcbelnb ju. „93iel-
leicbt bin id? aud; gar nicht blinb !“ entgegnete er luftig.
„§>as 23üb menigftens ba oor uns gefällt mir ausnebmenb
gut. gd; glaube beinahe, ich tonnte mit ber Beit fogar
ben betnooften gelstloß ß oc t 0 ß cn finben, mie er
ficb an bie jerjaufte Sanne lehnt, bie aber möglichermeife
oielleicbt gar feine Sanne, fonbern eine Richte ift. 9Hit
ift, als ob ich bas fd>on einmal auf irgenb einem ©emälbe
gefeben hätte. Stur meifc ich augenblidlicb nicht, mar's
ein 33ödlin ober ein alter Stuisbael. 0n ber Statut hab'
ich mich um betlei bislang mirtlid? nie gefümmert."
gräulein klärchen fdjüttelte mieber oerftänbnislos
ben $?opf, unb es Hang beinahe traurig, als fie fragenb
fpracb: „2Bie tann bas nur fein?“
Slbet ber $>oftor fdjien ben traurigen Son nicht
oernommen ju haben. Sr judte nur leicht bie Slcbfeln
unb fpracb frohgelaunt meiter: „Sitein ©ott, SMlbungs-
mängel hat ja fchliejjlicb jeber Sltenfd;. Ilnb einet meiner
23ilbungsmängel ift eben ber, baß id; nie flauen ge-
lernt habe, $>enn ich glaube, fo mie man bas bei ©e-
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Stoodle Port Stubolf ßldnecte.
P
121
mälben erft lernen muß, mufe man es in bet Statur
auct). Sei Silbern t)ab' id>'s fd)lief}lid) gelernt — bas
gehörte mit ju meinem Serufsftubium. Slber wer hätte
mich's in ber Statur lehren follen? Sltit ber bin id) ja
überhaupt nie in nähere Serührung gefommen. Stteine
frü|>cftc Sugenb »erlebte ich in einem |>immelt>ol>en
Sorftabthaufe — ba hing jahrein, jahraus etwas wie
eine graue Slegenwotfe barüber, unb id) glaube, bie
Sonne machte allen Staturgefetjen jurn £roh ejtra einen
Umweg, um nur nicht in biefes £aus hineinfd)einen
ju müffen. Später aber hatte ict) abfotut feine Seit,
mich mit fo brotlosen fünften, toie bas , Schauen'
eine ift, ju befaßen, §>a mufcte ict) lernen unb lernen,
unb mufjte bajwifchen Stunben geben, um nur über-
haupt lernen ju fönnen. ©anj toie bas SUnb, bas für
jeben fiöffel Lebertran, ben es nimmt, einen S^reujer
betommt unb fiel) bann für bie erfparten S^reujet
toieber Lebertran tauft?“
Fräulein SUara hatte mit »erhaltenem Sltem feinen
SDorten gelaufcht. Stun er lacfjenb geenbet, fragte fie
brängenb: „Slber fpäter? §>a Sie fid) hoch burct)-
gerungen hatten?“
$>oftor Schöne lachte toieber: „Später? 3a, Sie
tennen hoch bas Sprichwort: SDas Manschen nicht
lernt . . . Später hatte ich eben toieber feine Seit baju.
Sch machte wohl unterfchiebliche fogenannte ©rholungs-
reifen. Slber ohne bafc ich es wollte unb wufcte, würben
hoch immer Stubienreifen baraus. $>ie führten mich
ja manchmal auch öurd> gepriefene £anbfchaften, aber
in Söirfüchfeit fuhr ich öod) nur oor. einem STUifeum
jum anberen, oon einer ©alerie in bie anbere. $>ie
Statut war für mich noch nicht entbeeft."
„Unb Sie hatten nie Sehnfucht banact>?" fragte
klärchen mit gepreßter Stimme.
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122
Stegcntbpde
□
Unb ber §>oftor jagte ganj ruhig „nein“ barauf.
Vacf) einer längeren Vauje, wätjrenb meiner beibe
red>t angelegentlich ben SBalbboben ju ihren ftüfjen be-
trachtet hatten, wiberfprad) er ficf> jebocf> felbft.
„Vielleicht h^ttc ich ja Gehnjucht banach,“ jagte er
jtill unb ernft oor jich hin. „Vur fanntc ich *>en ©egen-
jtanb meiner Gehnjud;t jelber nicht. Viir ijt ba plöhlid)
eine Erinnerung aufgetaucht, ein Vilb, bas meinem
©ebächtnis entfehwunben u>ar mahl feit ber Seit
meiner Sugenb. damals, wenn ich mübe oon meinen
Gtubienheften aufblicfte, traf mein Vlicf immer auf
ein rotblühenbes Vlumenftocfchen, bas in einem ber
oielen ftenjter unferes himmelhohen grauen Kaufes
ftanb. Unb ich meift jet^t plö^Iid) wieber, baf$ ich da-
mals ein ungeheures Verlangen trug, auch jo ein
Vlumenftocfchen &u bcjiijen ober lieber gleich mehrere,
Diele, ein ganjes ^enfter doII. Unb bie Gönne jollte
barauf fcheinen, bie Gönne, bie ich wenigftens auf bem
Heimweg oon ber Gchule manchmal ju jehen befam.
Sch glaube, bas ijt Gehnjucht nach Freiheit, Gehnfucht
nach ber unbefannten freien Vatur gewejen.“
Vach einer längeren f^jweigjamen “ipauje jprach er
toeiter, als jpräche er ju jich felbft: ,,2lud) jpäter hatte
ich noch oft basfetbe ©eftihl. Unb meijt ganj unoer-
mittelt. SBenn ich in einer ©alerie nichts fanb, bas in
näherer Vcjiehung ju meinen Gtubien ftanb, ober toenn
mich fcas Derjtänbnisooll tuenbe ©efchtoäh ber anberen
Vefucher anetelte, ba hätte ich &en falten Räumen
immer entlaufen mögen, ohne ju toijfen wohin. Unb
bann fah id> immer jo etwas Socfenbes oor mir wie
bie Gönne ober wie bas rotblühenbe Vlumenftocfchen in
bem grauen S)aufe . . . Vielleicht war bas auch nur
Gehnjucht nach ber freien Vatur. Slber ich wufete es
nicht. Sch wanberte alfo gebulbig weiter oon Vilb ju
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□ Stoodte von Kubolf l^ldnede. 123
93ilb unb bachte hächftens: 23enn ich nur wenigftens
einen intimen 93etannten, einen ftreunb hätte, bann
märe es fchon beffert $>a {5 id) mich hoch einmal aus-
plaubern fönnte nad) ^erjensluft."
„Unb Sie hatten niemanb?" fragte SUärdjen leife.
„Stiemanb.“ (Er fagte bas SBort ganj ohne Erregung,
ohne Sentimentalität. Söie etwas Selbftoerftänbliches.
2lber bann redte er fi<^> plöhUd) in bie £öl)e, ab wolle
et etwas Störenbes oon fid? abfchütteln, unb fuhr in
bem früheren ^eiteren £on fort: „55erjeit)en Sie —
id> rooUte f^nen gewifj nicht ben fd)önen Sommer-
morgen ftören mit (Erinnerungen an bie ©efühls-
bufeteien meiner Qugenb. 2Bie id) fehe“ — er beutete
babei auf ein Meines rotes 23ü<hlein, bas it)r im Sdw&e
lag — „haben Sie intereffantere ©efellfdjaft in 3h*a
grüne SBalbeinfamleit mitgenommen. 93ei 3f>nen ift
es ja nid)t inbistret, ju fragen: 923as tefen Sie benn?“
SUara i)ielt ihm bas 23üct)lein t)in. Sh* mar fo
eigentümlich ferner ums S)er 3 , fo wef), bafj fie nicht
antworten tonnte. SBeinen hätte fie mögen, wenn fie
fich nicht gefchämt hätte, meinen über ben einfamen
2ttann neben ihr, beffen fjugenb ohne ®onne, ohne
Siebe gemefen, ber nicht einmal wufjte, mie arm er
mar, menn ihm nicht ab unb ju einmal bie (Erinnerung
tarn unb bie Sehnfucht nach bet rotblühenben 95lume . . .
9Bie reich, mie unenblid) reich mar 3ugenb, mar
ihr Seben bagegen gemefen t (Elternliebe, JUnbheits-
freuben — all bas ©lüd, bas, nid;t genoffen, auch
oerloren ift für immer — fie hatte es tennen gelernt.
Unb hätte es fo gerne geteilt mit ihm.
(Er hatte bas 93uch aus ihrer £anb genommen unb
ben £itel aufgefd)lagen. $>a wanbte er fid) lä<helnb ju
ihr unb fragte: „9Itärd>en? 3Die tann ein ermachfener
STtenfd) Härchen lefen?“
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124 Kcgcnibptlc. n
9tun redte fid? gräulein klärchen in bie $)öt>e,
wie eben Iura oort>er ©oftor ©chötte ftd> emporgeredt
f>atte. Unb es flang ganj gefaxt unb fad>li<h., als fie
mit mühfam erjtpungenem Lächeln entgegnete: „SSinber
haben's freilief) beffer. ©ie laffen fid; bie Härchen
erjagen. 2öir ©rwachfenen müffen fic eben lefen.“
„2lbcr warum? Ober woau? gd> für meine epet-
fon l >abe nie welche gelcfen. Unb man hat mir auch nie
welche erjä^lt. ©inb benn ^Härchen fo intereffant?“
Fräulein Klärchen f>atte 2Hül>e, bei ber ©ad)e ju
bleiben, ginn hatte man nie 2Härd?en erjätjlt ! ©er
2flann an it>cer ©eite tarn if>r immer ärmer, immer
bebauernswerter oor. 2lbcr tapfer tämpfte fie ihre
©cfühle nieber unb antwortete fo leichthin, als es
il>r nur möglich war: „Allein ©ott, man fann bod>
nid>t immer nur gelehrte Söerfe lefenl Ober nur
©oethe 1 ©as Süchlein ba hab' id) lieb, ©s ift wie ein
©traufe oon ^elbblumen. Unb wiffen ©ie, in manchem
93lümd>en, bas oft recht beleihen unb unfeheinbar am
SBalbcanb fteht, lebt eine ftarfe fjeilfraft für mancherlei
©ebred>en. Unb in ben Meinen ©efdnd>ten, bie uns
93aumbacf> in feinen ©ommermätchen erjä^lt, liegt
auch r^t tiefe Lebensweisheit. Unb fdjön finb fie
beibe: bie 93lumen unb bie Härchen. Sch glaube, bas
allein fd>on gibt ihnen bas stecht, au fein. 2Boau alfo
©rwachfene Härchen lefen fallen? 28enn um feines
anberen ©runbes willen, fo hoch bem ©onnenfehein
auliebe, ber uns aus bem 33iichlein entgegenlacht, ©as
93üd;lein hab' ich fel>r lieb.“
klärchen hotte fid) in bem 33emühen, ihre ©mp-
finbungen au oerbergen, in eine förmliche 53egeifterung
hineingerebet.
Lächelnb fal? ihr ber ©oftor in bas oot ©ifer ge-
rötete ©eficht. 2lber es war ein überlegenes Lächeln —
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□ Stopclle pon OtuboCf ßleincde. 125
wie fich's etwa seigen mag, wenn man über ben ©rnft
lächelt, mit bem uns ein S?inb oon ben fieiben feinet
©uppe erjät)lt. „6ie machen mich ja wahrhaftig ganj
neugierig auf biefe 3 Bunbergef 4 >ict)ten t“ fagte er, fd)lug
bas ©üd>lcin auf unb begann 311 lefen: ,,©s war ein-
mal — " 2lber ba unterbrach er fid> fct>on wieber fetber
unb rief lachenb: „2ta natürlich, fo fangen fie wohl
alle an. $>as weife fogar ich, trofebem man mir niemals
9 Härd>en erjätjlt I?at. ©ur glaubte id> immer, es Ijiefee:
©s war einmal eintönig. $)iet ftef>t aber: ©s war ein-
mal ein junger ©tagifter."
fträulein klärchen gab feine 2lntwort. §>a las bet
§>oftor weiter in bem roten ©üchlein, las, wie ber junge
©tagifter oon bem 5^mben, beffen ©ame ©riesgram
war, bie graue ©rille befam, unb wie er mit ber Seit
ein grämlicher 3unggefelle geworben war, ber es oer-
lernt hatte, fiel; an ber 28 elt 311 freuen. Mählich oer-
fchwanb babei bas überlegene Säbeln aus bem ©efid)te
bes Sefenben, unb immer eifriger wanbte er ©latt um
©latt.
klärchen fafe baneben unb wagte fid> nicht 3U rühren.
6ie oerwünfehte nur im füllen ben Sufall, bet ben
©oftor gerabe heute i>a h^^S^fü^rt, fie oerwünfehte*
fich felber, bafe fie ben achtlos ftortfd>reitenben an-
gerufen hatte unb bafe fie ihm jefet bas ©uch in bie $anb
gegeben hatte, ©ah's nicht wie Slbficht aus, wenn er
nun etwa felber barauf oerfallen follte, bafe ba fo eine
gewiffe Öilmlichfeit hewfdje swifchen ihm unb bem
jungen SHagiftcr? SBahrhaftig, ber Vergleich lag hoch
nahe genug t ©erabe fo wie ber lief er burchs Seben, mit
ber grauen ©rille bes ©riesgrams auf ber ©afe, unb
hatte es oerlernt, fich an ber 2Bclt 3U freuen.
S^lopfenben ^ersens fagte fich klärchen bas ganse
©lärchen oor: wie ber SBiefcngeift 9 tanunfulu$ bie
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126 Stegenibplle. q
beiben, ben Vtagiftcr unb bie SHüllerstochter, oor bie
2öid;tleinshöhle bcftcllt, too ber Vtagifter bic feltene
93lume Herjfreube unb bie Vlüllerstochter einen 6d>ah
finben foll, toie bie Vtüllerstochter bort, bem ©eheifc
bes SBiefengeiftes jufolge, ben fd)lafenben Sttann
füffen mufj, baf$ biefem bie graue 93rille oon ber Olafe
fällt unb im ©eftein jcrfplittert. „Unb er fat> roieber
nach langer Seit fonnenbeglänjtes grühlingsgrün,
bunte 93lumen unb blauen Fimmel unb mitten in all
ber £errlid>teit ein QTtäbdjen, fd)ön toie eine Vlaientofe
unb fd>lanl toie eine fiilie. Unb et umftridte ihren Seib
unb gab il>r bie brei $üffe jurüd, unb biefen folgten
anbere ungejäljlt.“
$>ottor Schöne Happte bas 93ucf> ju unb gab es
JHärchen jurüd. „Sie haben recht, es ftedt oiel Sebens-
toeisheit in biefen Sommetntärchen. Söenigftens in
bem erften, bas oon bem SHagifter mit bet grauen 23rille
bes ©riesgrams erjä^lt. 2Beif$©ott, icf> habe oiel gebadet
unb nachgebacht in meinem £eben, übet alte möglichen
^Probleme — nur über mich fetber nie. Unb toie ich
jet^t bie Heine ©ef<f>id>te ba las, mar mir's plöijlich,
als fei ich felber ber junge Viagifter, ber mit ber grauen
93tille oor ben Slugen burd> bie Söelt rennt, ohne ihre
Schönheit ju fehen, ohne fiel) an ihr erfreuen ju tonnen.
Haben Sie biefe ©efd>id>te gelefen?"
Fräulein $lärd)en toünfchte fid>, fie fäfje fieben
Klafter tief unter ber (Srbe. 6ollte fie ja fagen ober
nein?
Slber ber ©ottor roartete auf gar feine Slnhoort.
Ohne if>re hilflofe Verlegenheit ju bemerten, rebete er
aufgeregt roeiter: „fte^t aber toeifo icf>, roie fd)ön bie
98elt ift ! Oiefer herrliche Slusblid auf bas Hochgebirge“
— babei fdjaute er ihr ©efid)t an — „biefe intimen
Schönheiten bes SSalbes" — er jeigte nach rechts unb
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Ropelle oon Rubotf ßleinecfe.
127
nach lints unb blicfte bocf> nicht I?in — „bas blaue
£immelsgemölbe unb bie leudjtenbe ©onnenfebeibe
baran" — unb habet batte fkb längft eine febmarj-
brobenbe Rkttermolte oor bie ©onne gehoben unb
bie ganje Sanbfcbaft in ein büfteres Siebt getauft.
„Qcb meifj jettf auch, mie etgreifenb fd>ön ein einfaches
93oltslieb fein tann, fogar ein frohes Sachen habe irf>
gelernt, Unb alles bureb ©ie. Unb rnenn mich jeijt
mieber einmal bie ©ebnfuebt meiner Qugenbjabre über-
fommen feilte, bann merbe id> nicht mehr bie rot-
blübcnbe 93lume bes grauen Kaufes oor mir feben,
fonbern bas einfame £aus an ber ©onau, ben Rklb
hier unb ©ie, Stäulein SUata. 3 d> bin ein anbeter
Rlenfcb gemorben, ein froherer — butd) ©ie. Saffen
©ie mich 3 bnen banten."
®t hatte ihre £anb ergriffen, bie fie millenlos
feinem §>ructe überließ.
Run aber febreette fie plötzlich empor unb roollte
auffpringen. ,,©s regnet l" 2 Bie eine ©rlöfung tarnen
ihr bie ferneren Stopfen oor, bie burd) bas ©eäft
auf fie bemiebertlatfcbten.
Rtit fanfter ©emalt 50 g ber S>ottor fie auf ihren
©ib aucücf unb legte feinen Regenmantel um ihre
©cbultern. Rur ein ganj flein menig ftreifte feine £anb
babei bas jarte ©elod bes golbfebimmetnben §aares,
eine ©etunbe lang nur berührte fein Singer ben meinen
©amt ihres Radens, aber bie furje ^Berührung trieb
ihm bas 93tut jurn ^erjen, unb ihm mar, als müffe er
feine £anbe oergraben in bem febimmerrfben ©eloct,
als müffe er bas liebe ©efid>t umfaffen unb an feine
Sippen preffen. Unb feine ganje feböne Sbcorie oon
„Rleibern, bie einen Rtann fueben" unb oon „Rteibetn,
bie bas R3eib in ficf> nicht finben tonnen" mar plötzlich
oergeffen unb er mufjte nun mit einem Riale: bas mar es
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128
Stegenibplle.
□
gewefen, was ü>rt fo ruhelos gemacht bie leiste Seit,
bas war es gewefen, was ec gefud>t wie etwas get)lenbes,
bas war es, was if)m bie 28elt eine Seitlang in fo
rofiges £id)t getaucht: biefes liebe blonbe ©efdjöpf an
feiner (Seite, bas fo tlug war wie ein Reifer, fo gut
toie eine Sftutter unb fo unfd>ulbsooll wie ein S^inb.
„28ir finb l)ier unter ben 23äumen gefd)ütjter als
im freien braunen," fagte er gepreßt. Unb es war,
als ob nun aud> in feiner Stimme bie Slngft jitterte.
„Xltib überhaupt — Sie bürfen jet}t nid)t fo fort oon
mir. I>abe S^nen nod) für anberes ju banfen.
Sie fjaben mid) ja nod) etwas gelehrt, was ict> bisher
nid;t wufote: bafj es grauen gibt, bie fo ganj anbers finb,
als id) mir bisher immer alle oorgeftellt. — fjräulein
SHata — id) weiß nid)t, wie id) Simen bas Jagen foll,
id) l )abe borlei nie gefprodjen, weil i<$ es nie emp-
funben t)atte, aber wenn wir jeijt ooncinanber gefjen
Jollen auf 3limmerwieberfef)en, bann finb3f)re fd;önen
Sommermätdjen eine traurige Sügc, unb es wäre
beffer gewefen, bie graue 93cille nid>t oon ben Slugen
ju nehmen. Siebet fein Seben lang blinb fein, als einen
23lid tun bürfen in bie Sonne unb bann wieber jurücf
müffen in bie Sinfternis!"
Fräulein 5dätd)en, bie boct) oon Sugenb an gelernt
l)atte, fo feft auf eigenen güfeen 5 U ftefjen, wufjte fid)
feinen 9tat unb Sluswcg mel>r. Slngftooll richtete fie
ben 95ticf auf ben 2Kann neben it>r, unb als fie faf>,
wie aud) ai^s feinen Slugen bie t>dle Slngft l)erausfaf>,
ba fonnte fie nichts anberes tun, als it)re Slrme um if>n
fd)lingen, baf$ ber fd;ü^enbe Söettermantel oon il)ren
Schultern auf ben naffen SSalbboben fiel.
Unb cs war ganj wie im 3Kärcl)en
2lls bie beiben nad) einer Stunbe f)alb burdmäfjt
bem einfamen ©aftl;aufe an ber §>onau jufdjritten,
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□ Slooelle pon 9iubolf ftleinede. 129
rief bie SBirtin ganj entfett intern Spanne ju: „ga im,
unfere 0 onunerleut' ! ©ie f>at aber ber Siegen orbent-
lieb bera?ifd>t !“
©er $ausoater blidte burd) bie naffen 6d)eiben,
wadelte fcbmunjelnb mit bem Kopfe unb meinte:
„Slbct fdjön langfam tommen f’ batjer. ltnb £anb in
Sjanb get)n f' roie jwei fiiebesleut'l Sa, ja, id) fag's
ja aUetocil: all’s braucht feine 3eit unb 's rechte SSetter
baju. SBann b' 6onn’ febeint, pfeifen bie Slmfeln,
unb wann’s regnet, quaten bie ^röfd)'. ©ie jwei bort
Ratten bei fd;önem SBetter if>r Sebtag nit s'fantm-
g'funben. 60 b<*t I>alt unfet Herrgott b^ut wieber
regnen laffen. ©er weife allemal am beften, was fid>
g’bört."
3wei Süinuten banacb rief er ben Kommenben
einen munteren ©rufe 311. „6d>ön's Söettcr f>cut !
©eiten 6', §crr ©oftor?"
Unb bie beiben fdmttelten bas talte Qiafe oon fi<b
unb antworteten ftrablenben Sluges wie aus einem
92 Umbe: „Sjerrlid? ift's!"
19U. 11.
9
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ttlefn 6u0ly.
Abenteuer eine» <&ren3oermcf)Ter0 In AlaePa.
Don ßenno Blcxandcr.
mit J1 Oildctn. t (ttadjdeucf mrtoUa.)
e cit 3 al>r unb Sag bin id> an ber alasHfd)cn ©tenj-
permeifung mitbeteiligt gewesen, bic surjeit ge-
meinfd)aftlicf> t>on ben Regierungen S^anabas unb ber
bereinigten Staaten betn ©nbe jugefübrt wirb. ©He
©renjlinie jwifeben SUasta unb bem tanabifeben Rufon-
gebiet jiet)t fid> oom St. ©liasberg burd> wilbe ©inöben
längs bes 141. Rteribians bis jum ©ismeere gen Ror-
ben bin.
©nbe Ollai 1909 ^atte unfere betmejfungsexpebi-
tion an ben jähen, unerforfd)tcn Rotbabbängcn ber
St. ©liasulpcn, im Sd>attcn bes 3600 Rleter t>d;cn
©renjbcrges Ratajlm ihr einsames Säger aufgefd>lagen.
©incs Rlorgens begab id> mich auf bie Suche nacf>
unieren ^adpferben, bie fid> nacf>ts jiwor perlaufen
batten. Spät am Radmiittage ocrlcr id; ihre Spur
auf bem felftgen ©runbe, unb plötjlid; trieb porn Stillen
Rleere ber burd) bie ©ebirgspäffe einer ber hier fo
häufigen, oft lange anbaltenbcn grübjabrsnebel herein,
ber mit jebe Slusficbt raubte. 3 d; ftillte meinen junger
notbürftig mit perborrten beeren, bie bie unb ba
nod) po>n borjabre her an ben büfd;en hingen, unb
etiblid) blieb mit nichts weiter übrig, als im freien 511
übernachten. 3 d> erwartete beftimmt, am näcbften
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33on Scnno SUejcanbcr.
131
S>cr SJcrfoffer in feinem gelt.
borgen bei Harem SBetter alsbalb ben redeten 3Beg ju
finben.
23ei meinem grameren t>atte fid) inbes ber 91ebel
in eine gerabeju ägpptifdje ^infternis oecbidjtet. 34)
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132
92tein ©cislp.
t?attc atlerbings meinen $}interlaber unb zwei Patronen
mitgenommen, mufcte aber natürlich bei fold>er 3Bitte-
rung auf etwaige ftagbbeute oerjidjtcn unb wieber
bie u>enig einlabcnben 23eeren oerfudjen. §>ann fafj
ict> ungebulbig ba unb raud)te meine pfeife. 2lls ficf>
cnblkf) ber 9tebel ein wenig lichtete, fetzte id) meinen
2Bcg fort in ber Hoffnung, irgenbwelcbe £anbmatfen
wieberzuertennen, ba id) in ber §aft bcs 2lufbru<hes
leibet meinen ^ompafj im S?amp äurüdgelaffen hatte.
3war blieb bie @onne oerborgen, bod) beharrtc id)
bei meinen 33erfud>en. ©clegentHd) bemerfte id) 9Jenn-
tierfäbrten; ein anberntal hätte id) einige 6 chnee-
t)üf)ner gadernb burd> ben Skbel entfcf)wirren. 3d)
tonnte fie allerbings nicht fehen, aber ihre 2tät)e erl)öt>tc
meinen Sjunger.
©s ift bierjulanbe nirf>t wcibgerecht, ein 6tad)cl-
fdjwein ju fchieften, ba biefes fo unbeholfen bahin-
watfcbelt, bafj es leicht eingeholt unb mit einem Knüttel
getötet werben tann. S>as £ierd;en wirb beshalb oft
,,©olbfud)crs gteunb“ genannt unb hat fd)on manchem
Verirrten bas Seben gerettet. £eutc fat> id) natürlid)
teins.
©egen Slbenb ftiefe id) am fd)lammigen Ufer eines
ftlüßd)ens auf beunrul)igenb große 23ärenfpurcn, bie
meine 32larfchrid)tung treujten. S>iefer unwilltommene
„©phraim", wie man l)ier ben ©rislp, ben ©raubären,
nennt, war offenbar ein alter ©efelle, benn feine
drallen waren ftart abgenützt unb bie britte am linten
33orberfuße fehlte ganjlid). ©>iefe ©ntbccfung oer-
uriachte mir ein ert)öt)tes ©efütjl bet 93erlaffenh«it,
unb mein fdnoeres ©ewchr fd)icn plötzlich oiel
leid)ter.
3um ©lüde wußte ich bamals noch nicht, wie zahl-
reich gerabe hier biefe grauen 91iefenbären finb. SBenige
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□
93on ©enno 2Ucjanbcr.
133
2Bod)cn fpäter erlegte mein ftreunb ©idie Slartinbale
binnen wenigen Stinuten brei biefer ilnholbe.
grüf) fant abermals bie nebeltrübe 2Zad)t hernieber.
Sei einem 93äd)lein not einem übertjängenben $ e lfon
jünbete id) ein mächtiges Lagerfeuer an. Stein lang-
jähriger 3«ltgcnog Salph Sobfon unb id) felbft fanben
©in ©renjpermeffer, SSilbgänfe fütternb.
hernad) bie 6telle jufällig wieber. Sor mir lag eine
Meine grafige (Ebene, balunter umjirtelte mid> büftcrer
Sann. Lange fafj id>, nad>bcntlid> raudjenb, r>or meinem
fteuer ober taute jur 2lbwed>flung wie bie Eingeborenen
S^orncllenjweige, um meinen ungebulbig tnurrenben
Stagen ju befd>wid)tigen. 2lb unb ju entfdjleierten fiel?
einige 6terne, bod> mein fetmfüd>tigft erwarteter 2®eg-
weifer, ber Sorbftern, blieb »erborgen. Suletjt über-
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134
92?ein ©risli).
O
mannte micf) Me 9 ZlüMgteit. 3 d> legte einen tüd)tigcn
2lrmooll $013 auf bas geuer unb ftrecfte mid) baneben
auf l)od)gef)äuften gmeigen ber 33 alfamföf>re 311m
0d;lummer nicbcc.
2Bie lange id) fo im 0d)lafe gelegen, unb ob icf>.
geträumt, bas oermag id) nid;t 311 jagen. Hrplötjlid;
aber ful;r icj> mit einem 0d;rei bcs ©ntfeijens auf.
©er Slngftfdjmeift perlte auf meiner 0tirn, unb
eifige 0d)auer riefelten mir am 9 ttidenmarf l>ernicber,
mie id) jie feit bert grufeligen $Räubergefcf)id)ten aus
meinen S?inbertagen nid>t gefüllt.
©ie ©lut mar niebergebrannt. 0d)nell toarf icl>
neue Smeigc auf bie ^ofjlen, fafj neben ben empor-
jagenben flammen, ©ie 23 üd;fe fdmfjfertig, martete
unb ftarrtc id) angeftrengt hinaus in bie ^infternis. 2tun
fcf)iertcn fid; enblid; meine toirren ©ebanten 3U fatnmeln.
©ort, bort hinten, mir gegenüber, mo ber nächtige
SBalb, ben id; bod) nid;t fel>en tonnte, aufragen mufjto,
bort lauerte etmas auf mid; — bort fd;lid; bas 0d)id-
fal! 2Bas meine 2lugen rtid;t mal;rnaf)men, bas füllte
id): id) mar nicf>t mehr allein!
3et$t mar bas namenlofe ©tmas 3U meiner 9 ted)ten,
fid) miegenb unb }d;leppenb, je^t oor mir, jetjt 3ur
hinten — nun teerte cs mieber um.
22lein ©efid;t unb mein ©cmef)r folgten bem un-
l;eimlid;cn, fd;redlid;en ©cbeimnis ba brüben im ©unfel
unb ©rauen, &ein Sufoug rührte fid;, rings alles ftill
mie bas ©rab. ©ann tnatterte bas jjeuet plb^lid; mie
©otcnfaloen.
Xtnb nun, 0 SBunber, fd;nell mie bas ©raufen ge-
tommen, mar meine $urd;t baf)in. $cf) rnufjte über mid)
felber lad;en. Silles febien mir gan3 tlar: unter bem ©in-
flufj müfter ©raumgebilbe batte id) mict) jcbenfalls oor
ben blofjen, fd;mantenben 0cf)attcn ber 2tad;t geängftigt.
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93on Senno 2llcyanber.
135
gd> fd>ürte bas geuer,
3ünbete meine pfeife an,
fudjte mein Säger toieber
auf, ftarrte ins ftlammen-
geflacfer unb toat unoer-
fehensioiebereingefchlafen.
Kaum glaubte ich bie
Slugen gefd>loffen ju haben,
ba rijj es mich jählings aber-
mals empor. 5Kit gefträub-
tem £aare, Eeudjenb unb
fchroihenb in unnennbarer
23angigEeit, faß ich ba. 2Bie-
ber auf ben Knien, 30g id)
bie 23üd)fe an mich. 28ie-
ber mar bas fteuer faft er-
lofchen. §>as @d)tDeigen,
bie ©infamEeit, bie Öbe
unb bie 2tad>t fchienen mir
mit Enochigen Ringern ben
Sltem aus ber Kehle 311
preffen. 92tit fliegenben
§änben entfad;te ich bie
©lut. O ©ntfe^onl €>a
ift es mieber, bas töbliche
ilnbing, bas mir toie mit
3=untelaugen bie 6eele
burd;bohrt. £in unb toie-
ber fchmanEt es — h* n unb
toieber— unb bereits fcheint
es oiel näher getommen!
geh tyabe oft oom fo-
genannten „(Schrecfen bes HnbeEannten" gehört, gn
jener 91ad>t tyabe ich ihn Eennen gelernt.
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2lm 6t. Stiasbcrcj Dtnbci.
136 9Rein ©rieh). □
Unheimliche, mirre ©ebanlen jagten einanber burch
mein £irn, als id> fo eine lange, lange Seit mit bec
23üchfe im 2lnfd)lage auf ben Knien lauerte. S>as
plötzliche, taute Slufpraffeln ber glommen brachte mich
enblich mie juoor ju mir felbft jurüd, unb mieber
war bas 2lngftgefüt>l blitsgleid> entfehmunben. $>od>
biesmal fpottete ich meiner eigenen ©orheit nicht mehr,
unb mit bem Schlafe mar es ein für allemal porbei.
Mächtige 2lfte fdjleppte id> tjeran, bis f?ot?e flammen
por mir auflobcrten. —
©nblich — enblich ftat>l ficf> bie graue 92torgen-
bämmerung burd> bas £anni<ht. ©s mar lälter ge-
morben, unb ber 2tebel hatte fid> in einen ftetigen
Sanbregen perbichtet. 9lad)bem id> meinen Seibgurt —
es mar jetzt mir£lict> ein „Schmachtriemen“ gemorben —
enger gefdmallt, überfdjritt ich ben halbrunben ©ras-
plan, ber meinen £agetfclfen potn ©etjölj trennte.
2Jm SBalbranbe ftu^te ich, benn ich betnerltc ungeheure
23ärenfputen. 33ormärts unb rüdmärts beuteten fie,
immer pormärts unb rüdmärts, in ftets fid? perengern-
bem 93ogcn tief in ben lehmigen 33oben cingeprefzt.
91atph 9?obfon, bem id> bie Ehrten fpäter jeigte,
fctjmur barauf, fie feien adjtjelm Soll lang unb neun
Soll breit gemefen. §>as ift fo 9?atpf>s Sanier, aber er
übertrieb biesmal nicht alljufehr.
Schliefzlid) begegnete mir auch ber Slbbrud ber
linlen 23orbertatje mit ber perlorenen Kralle.
gemährte ich, mas mir tags jupot entgangen, bafz
bas liitfe Hinterbein lahm fein müffe, benn es fchleppte
augenfd;einlid> nad;. ©>as unfid)tbarc 21ad)tgefpenft
gemann ©eftalt.
©in jeber leimt mohl bas ©efühl, bas einen be-
fd?Icicf>t, menn man irgenbmo unoerfehens, aber un-
permanbt angeftarrt mirb. 2?kn fühlt fi<h baburcf)
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93on SJenno Stleyanbec.
137
beunruhigt unb
toitb fidt> beffen ju-
leßt in unerflär-
lidjer SBeife be-
wußt. 0o hotte
jebenfalls auch ber
heißhungrige 23licf
einer morbgierigen
93eftie felbft ben
0chtaf eines £ob-
müben unterbro-
chen.
3d; bin in ben
Sßilbniffenbesfern-
ften Rorbtoeftens
feit langen fahren
5ahllofen93ären be-
gegnet, bie meift
fchleunigft bie
flucht ergriffen.
3eßt aber fielen
mir alte, holboer-
geffene ©cfchichten
ein oon jenen
„OTenfchenfreffer-
£öu?en", bie — be-
jahrt, oerfrüppelt
unbhalboerhungert
— feiner behenben
93eute mehr nach-
jagen tonnen unb
beshalbmenfchliche
Opfer befchleichen. Oas finb oon allen Raubtieren bie
oerfchlagenften unb gefährlicbften, unb ju biefer 2lrt
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liniere (Srpobition auf bem <5ifc.
92lcirt ©rislp.
138
□
jätjltc jtoeifellos mein ©rislp. £öd>ft roahrfcheinlich
hatte ec tnid; geftern fd>on »erfolgt unb toäre beim gänz-
lichen Srlöfchcn meines Lagerfeuers über mich (^ge-
fallen, tocnn er mid> fcf>lafcnb gefunbcn. Betjt mar id>
gemarnt. Obtoohl icb immerhin bebaucctc, nur jtoci
kugeln ju befi^en, füllte icf> mich immerhin bebeutenb
erleichtert in bem 93 ca?u^tfein, es fd>lief}lich bod> mit
einem greifbaren ©egner unb mit feinem §öllenfpuf
511 tun ju haben.
©ies toar bereits ber britte Sag meiner SBanberung.
9 ttein in ber nächtlichen Aufregung oergeffencr junger
fehrte mit nagenber ©oppehout juriicf unb trieb mir
einfttucilen meinen ©rislpbären aus bem 6inn.
9 iad;bem ich über eine 9 Keile zurütfgelegt, begann
mir bas §crj bod; toieber fchneller ju fchlagcn. ©enn
erftcns tauchte plöt}lid; oor mir einer ber felbft in biefen
tnenfchenleeren Öbniffen gelegentlich oorgefunbenen
gchcimnisoollen Sotenhügel auf toie ein unhciloer-
tünbenber ^Itafmbote, unb bann frcujtc ich gleich barauf
auf einer moorigen 23 obenftelle roieberum bie mir jeijt
fo toohlbefanntc 23 ärenfpur. einige (mnbert ftuft
weiterhin waren bie nunmehr gari3 frifrfjen Röhrten
fogar unoerfennbar in meiner OTarfchrichtung aus-
geprägt. ©ies gab mir ernftlich 311 benfen. ©as fd;laue
Gchcufal wanbcrte offenbar parallel mit mir bahin
in ber ^Berechnung, mich ^ule^t fampfunfähig 511 fehen.
Unter ben obwaltenben llmftänbcn toar ich benn
auch fapm überrafd;t, als ich enblid), gegen bie Sages-
mitte, ben Jeinb 311 ©eficht bcfam. Ungefähr tmnbert
0d;rittc jur Linfen unb jicmlid; gleid;en Sritt mit mir
haltenb, fchlenferte, fchcinbar ungefchidt, ber SRiefen-
bär bal;in, ben mäd;tigen S?opf fcitwärts fd;wingenb
unb mich aus feinen boshaften ©d;t»einsaugen aufs
fd;ärffte belauernb. 60 ein toiberlicher, wiberlidjer
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©efelle ! „St ging an meiner 6eite im gleichen ©d>ritt
unb «Tritt" — aber ieiber nicht als guter Slamcrab.
Dy CjOOqIc
©io 3torbal>{)üngc bes ©t. Sliasbcrgcs.
92tein ©tislp.
Oürr, räubig, lalmt unb tciltocifc blieb bod)
bicfcc perjmeifelte 93ufd>flepper bes £ierreid>es bas ge-
maltigfte unb abfd>retfenbfte Ungeheuer, bas mit je
ju ©efidjt gefommen. SMofce 5Borte oermögen beit
Sinbrud eines folgen, jurn ^iufterften getriebenen
„QDicber jog i<# bie 93üd)fe an
OTorbgefellen faum ju betreiben. Offenbar ganj türs-
Iid> oom 2Binterfd)lafe erftanben, ijatte micf> biefer
Söegelagerer jurn erften 6d>lad>topfer nacf> langer
ftaftenjeit auserfeljen.
2Bol)l trommelte mir in ben Oljren bas 93lut jum
Streite, unb unter anberen 93erl>ältniffen — märe icf>
93on SJertno Stlejanber.
141
□
meiner felbft jid)er uni)
nid)t jugleid) unruhig
unb abgel)ei}t gemefen
— fjätte id) auf biefe
Entfernung unbebingt
losgebrüdt. ©o aber
bcf)errjd)te id) mid), um
meines Erfolges ganj,
ganj fid>er ju jein.
60 manberten mir
benn nun jelbanber über
bic einförmigen 2 Balb-
l)ügel bal)in. Einmal,
als icf) balb oerjmeifelt
gerabe auf ib>n los fd>ritt,
mies er mir minjelnb
bie 8 dl)ne, unb jeine
9*üdenf)aare richteten jid>
jid>tlid) empor. SBiber-
millig nur ging er ba-
oon, unausgefetjt über
jeine breiten ©d;ultern
3 uriidjd)ielenb. Ein an-
bermal, als icf) mid) nie-
berfettfe, umausjurutjen,
jtellte er jid) auf ben
Hinterbeinen bis ju fei-
ner ganjenHöl)e auf unb
mitterte gierig, bie ge-
maltigen 93orberpranfen
gegen ben !al)len, leeren
£eib gebrüdt - ein jd)recf-
lid)er Slnblid. §>ann sogen mir meiter im jtrömenben
9?egen, über gefallene ©tämme unb jmijetjen triefenben
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©er 9Kount Statajb“.
22lcin ©rislr).
142
□
Bäumen — immer auf unb ab, auf unb ab. ^lötj-
ticf> bemerke ich, bafj ich anfing mit mir felber 311
fptcd;en, unb perfud;te nun, mief; beffer jufammenju-
nchnten. 23alb barauf fiel id; über einen fcblüpfrigen
Baumftamm. ?lls id; mich wieber aufraffte, tr>at mein
©rislt; jtoanäig Schritte näher. Söie, wenn id; tnid; fo
perlest hätte, baß id; hilflos liegen geblieben wäre?
©nblid; fat> icf; por mir eine Heine, jiemlid) bufd;-
freie Sichtung, jur redeten §anb pon einer glatten
Jcbtpanb begrenzt. 2luf biefen Slbbang hm lenfte id;
meine 0d>ritte, mein Bär unentwegt mir jur JCinfen
unb jettf nur noch fed^jig ©d;ritte entfernt, Unbewußt
begann id; ju fingen. 2lber bas ©ebaren meines
Begleiters rief mid; balb 511 mir felbft jurüd. 5>cr
fd>lottrigc unb bod; fo sielbetpu^te Butfchc briidte fid;
beim ftlange meiner ©timmc flad; auf ben Bobcn
unb trod) weitere jel;n ©d>ritte t>erart. ©arauf fchwieg
id;, blieb ftehen unb griff nach ber ©id;erung bes
©ewehres. Süieber faß er auf ben §interpranlcn,
faltete bie Borbertatjcn übereinatiber, ftierte mid; an
unb wiegte ben unförmlichen 6d;äbel. Setd wufjtc id;
aud;, was ich gefungen: es war bie fd;aurige $iplingfd;e
Ballabe potn Säger Blatun.
Bis auf weniger als fünfzig «Schritte hatte er fid;
herangepirfcht, als wir pot bent lotrechten
anlangten, in beffen Biitte eine tiefe, fchmale Sängs-
öffnung bis 311m Boben niebertlaffte.
Btit betn Buden nach t>iefcr ©palte gcfcl;rt, fafo id;
baoor nieber, um nachsubcufen. Biein Quälgeift
machte ebenfalls bereitwillig^ halt, redtc fich nach alter
Böeifc mit fd;wantenbcm Stopfe unb gefletfchten gähnen
empor unb überwachte mich aufs allcrfd;ätfftc.
Biel länger burfte cs fo nicht weiter gel;cn, unb
plö^lich tarn es mir wie eine ©ingebttng. ©elbft in
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33on Senno 2llc;cani>er.
143
D
meinem erfd)öpften Suftanbe tonnte id; auf biefe
Entfernung f;in !aum feblfdüefeen. 6cf>limmftenfalls
2lm 141. 2ttcrit>ian.
mußte id> jeljt aber aud; bicf>t hinter mir einen 3u-
fludptsort, ben Engfpalt, in ben bas Ungetüm mir nid>t
mot)l ju folgen oermod>te. Qm entfd;eibenben 2lugen-
blicfe lieft mid> bie Kaltblütigteit nirf>t im 6tid). Qd;
144
9Hein ©rislp. □
ftütjte meinen linten (Ellbogen aufs $nie, legte forg-
fältig an, jielte fid?er aufs £erj meines hödjft intereffiert
Sufehenben ©rislp unb brüdte los. 9üit furchtbarem
©ebrüll brach ber ©raubär im fteuer jufammen unb
2talpb 9tobfon unb ©ictic 92tartinbale.
mäljte fich am 93oben, toährenb ich &ie oerfchoffene
Patrone fchleunigft burch meine letzte erfetjte. 0ct)on
glaubte id;, biefelbe fei nicht mehr oonnöten, als fich
ber ©rislp aufraffte unb auf mich jurafte. einer
©ntfernung oon jmanjig 0d>ritten toarf ihn mein
jmeiter ©chufe aufs neue nieber. £>od) mar er im 9lu
rnieber auf ben 33einen, toährenb ich mich feitroärts
in bie enge 9!it$c Hemmte, damals toünfchte id> —
jum erften unb lebten 9Ttale — ber Umfang meines
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93on Scnno 2Ucj:anber.
145
□
33rufttaftens u>äre tleiner getuefen. ©enn bereits
tuenige 5uf$ t>on bet Slufcenfeite blieb icf> elenbiglicf)
fteden, gerabe als mein Sobfeinb mit glühenben Slugcn,
©rofoes ^eftma^I.
blutig geifernbem Aachen unb einem rnilben 2But-
geljeul auf meine ^efte losftürmte. Vergebens ner-
fuchte ec Jöpflings einjubringen, obux>hl feine gähne
in unheimlicher 9täf>e fefmappten unb fein fjeifeer
Q3robem mich ftreifte. 33alb bift er in tollblinber 2But
ins frachenbe ©eftein, balb fcharrte unb fragte er im
1914 . II. 10
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146 92lcin ©rislp. O
unnachgiebigen ftelfenboben, unb enblid) fifc^>te ec gat
nach mic mit gewaltigen ^ranten, bis {eine Graden
mid> faft rieten.
Söenige Btinuten fchienen mic wie ©tunben. —
©nblich abcc eclahmten {eine Bewegungen. ©c
fant ju Boben, peefcte einigemal {eine ©at$en auf bas
aus jwei Bcuftwunben {pcubelnbe Blut, als ob ec es
füllen möchte, collte langfam auf bie ©eite, tat einen
lebten, tiefen Sltemjug unb cegte {ich nicht mehc.
Bocfichtig beobachtete ich meinen ©eblp, abec ec
wac tot unb ec blieb tot.
„©cleilt in bcangooll fücchtecliche ©nge", wie ich
wac, gelang es mic eeft nach längecen Becfuchen, mid;
3 U befeeien.
8um Badjteffen h^tte ich fcifchgecöfteten Bäcen-
fdnnten, bec, wie oocausjufehen, {ehe jähe wac. 2lbec
ich wac bucd;aus nicht wählecifd).
S^eitt Blpbcüden ftöcte mich biesmal aus meinem
tiefen ©d;lummec. ©pät eeft am nächften Blocgen
wuebe ich bucd> hclb ©onnenftcahlen gewedt.
3n wcitec gecne leuchteten oectcaut bie ©oppel-
fpitjen bes Btount Batajtm, t>on lebten, langfam jec-
flattecnben Bebelfchwaben umweht. 2ltn gufje biefes
©cenjbecges lag un{ec S?amp. ©ine tueje ©tcede bies-
{eits, boct, wo wie am 141.Btecibian, bec internationalen
©cheibelinie, bas eefte ©cenjbenünal nöcblich oon ben
©t. ©liasalpen eceichtet hatten, unweit oom S^letfan*
bach, ftic^ ich auf meine beiben Seitgenoffen Balph
Bobfon unb §>idie Btactinbale. 2Die bec Beft unfecec
©eno}{cn hatten fie feit längecec Seit nach mic ge-
focfcht.
§>idie occfrtallte alsbalb bie jehn ©chüffe feines
Blagajinceooloecs. ©>as wac ein oecabcebetes ©ignal
unb bebeutete: „§>as ©anje halt unb fammelnl“
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93on 33enno 2Ueranber.
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©ie ^ferbe tparen bereits oorgeftern toiebet frei-
toillig im $amp erfd)ienen. 6ie Ratten ficf> injtpifcben
toobl auf ihre £aferfäcfe befonnen.
©em „©ammein“ folgte natürlich) bie unoermeibüc^e
„Rritif". gebet tpäre felbftperftänblicb „meinen"
9tad> fcer „Rritit".
©rislp auf anbere, fdjnellere unb beffere 2lrt losge-
tporben. Stber bas tpar bod> cigentlid; meine ^ripat-
angelegenbeit, ba id) es tpar, ben er batte freffen toollen.
gnjtpifcben batte unfer S?od> einen tüchtigen gmbifj
porbereitet, bem toir gebübrenbe ©b ™ ertoiefen.
©ann jogen niicb 9?alpb unb ©idie beifeite
einem (aufebigen SBinfel im 53ufcb. 9?alpb fe^te ficb
lints, ©ictie lagerte ficb rechts, unb icb thronte in ber
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92lein ©rislp.
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971itte unb mufjte mein 23ärenabenteuer noch einmal
genau unb ausführlich fd;ilbetn.
33eibe mären ganj aufgebracht, toeil ihnen fo etmas
nid>t paffiere. Sttein Erlebnis fchien fie aufs höchüchft«
ju intereffieren. Gie münfehten fogar, „mein ©rislp
märe ihr ©rislp gemefen". 5>as toünfd>te ich auch —
aus ganjem ^erjen. ©en hatten fie gerne h a ^ cn
tonnen.
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5tt>ifd)en den Stunden.
fladj einer wahren Gegebenheit erzählt
oon §♦ €cf)obert.
t (nod)6cutf oecboten.)
Ofl^ie ein eisfalter 6trabl burcbjucfte es ihn plöt}-
U<^> com S^opf bis ju ben ftü&en. ßetjengerabe
fprang et auf unb ftarrte um fid>. 2So mar et benn
eigentlich? 2Bie fam et inerter? Söieoiel llbr tonnte
cs fein?
(Sine £urmui)r in bet 2iäbe gab Slntmort. Orei
tiefe Schläge bröbnten ihm in bie Obren.
©rei Hi)r morgens 1
Qa, um ©ottes millen, toas toar benn mit it>m ge-
fächen? 9Bie tarn er in biefe ibm oöllig frembe ©egenb?
©r muffte nur, baß et ficb um halb jmölf Hbr mittags
auf bas ©ofa in feinem Simmer gelegt hotte, meil
unerträgliche ßopffebmerjen ibn folterten, fo heftig, fo
qualooll, mie er fie noch nie gefpürt hatte, ftn feinem
ganjen Seben mar er ftets gefunb getoefen; erft jet^t,
toäbtenb ber Vorbereitung jum Slffefforepamen, bitten
ficb manchmal ©ingenommenbeit bes Kopfes, Scbminbel
unb ©cbmerj gezeigt. Slber er hotte nicht befonbers
barauf geachtet. Oas alles mürbe ja mit ben an-
ftrengenben Vorbereitungen jum ©tarnen aufbören unb
er toieber ganj frifcb merben. 3Iur geftern, ja geftern —
bas mar furd;tbar gemefen ! llnb mäbtenb er naebbent-
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150 Stoifd^n ben Stunben. a
lieh in bas fahle ©rau bcs tjcraufbämmcrnbcn Borgens
ftarrte, füllte er mieber bas treifelnbe, meffctfd;arfe
6d)neibcn in feinem ©chirn mie geftern. Bur oiel,
Diel matter, nur mie eine leife attllingenbe ©aite.
Xlnb bann?
9Bar er bann aufgeftanben? hierher gegangen? —
2Bo aber mar er am Slbenb gemefen?
Xlnmöglich fid> ju erinnern — unmöglich, unmög-
lich!
©r blidte mit ftarren Bugen oor firf> t>in.
Bor ihm aus grünem Bafen t)oben fid> meifee
<Proppläen, benen mufd>elförmige Bänte fiel) an-
fehloffen. £ot>c, biddbclaubte Bäume bahntet jifd)elten
leife im auffpringenben Btorgcnminbe, Blumenrabatten
tiefen fjarbe unb 5>üfte ahnen.
Btit einer tnüben SBenbung feines Kopfes fah er fi<h
nochmals ringsum.
Stiles fretnb!
Xlnb baju bies tote, graue £id;t, bas fid> jmat all-
mählich l)ob, aber alle Xlmriffe ferner, roie aus «Stein
genauen, feltfam untoirtlid? unb betlemmenb crfd>einen
liefe!
£eo Sofe feuf^te tief auf, unb bas ©rauen, bas juerft
nur wie ein feiner ßälteftrahl ihm ben Buden fjinab-
geriefelt mar, mürbe ftärter unb ftärfer.
SBohcr tarn er? SBas hatte er mährenb ber lefeten
©tunben feines Gebens getan? SDarum ftanb etmas
hinter ihm mie ein broftenbes, unheimliches ©efpenft,
oon bem ibm trofe allen ©rübelns nichts betannt mar?
Bid>ts als bies mürgenbe Slngftgcfühl ! — ©r hob bie
$)änbe mie jur Slbmchr in ben gratienbcn Btorgen unb
fah — fab mit ©ntfefeen, bafe fie blutig marett — twU*
feucht nod>, bolb fd;ott angetrodnet, aber blutig bis
in bie Btanfchcttcn hinein. Buch biefc rot, cbcitfo bas
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Erzählung oon §. Schobert.
151
§emb, bie SBefte, bie 23cintlciber, felbft bic 2luffd)läge
bes offenen Dorfes.
Ein tjalbcrftidtec Sd;rei rang ficf> oon feinen Sippen.
@8 war etwas mit ihm gesehen, etwas, oon bem er
nichts met)t wufete, weil er gar leine Erinnerung baran
hatte. Oafj es aber etwas Schredliches gewefen —
bas füllte et butnpf. — 23lut an ihm — er felber in
biejer 97lorgenfrühe an einem ihm oöllig unbelannten,
einfamen Orte — immer noch mit bem leifen, wühlen-
ben Schmerz im $opfe ! — 9Bas tonnte bas bebeuten?
gnfiinttio griff er nach ber 6tirn, als müffe er feine
©ebanten jufammenpreffen, fie jwingen, ihm ein 93ilb
ber lebten Stunben ju entrollen, unb ba füllte er
wol)l fein weiches £aar in ftraffem Scheitel unter ben
Ringern, aber bie föopfbebedung fehlte 1
Öas 9tätfel, bas it?n umgab, würbe immer bitter,
immer grauenhafter fein Geelenjuftanb.
9Bas tonnte nur mit ihm gefd>ehen fein?
2Bie jerbroc^en fiel er wieber auf bie 23ant jurüct, auf
ber er bisher gefeffen. Oie bumpfe, fd>redlid>e Seere
in feinem S^opf entfette ihn, bas trampfhafte (Suchen
nach einer 93erbinbungsbrücte jwifchen geftern unb heute
trieb eistalte tropfen auf feine Stirn, ©rauen erfaßte
ihn angefichts biefer buntlcr., unausfüllbaren Seere unb
ber unertlärlichen, rätfelhaften 93lutfpuren.
gnjwifchen war ber borgen hetaufgezogen, weicher
würbe bas Sicht, ein oerfd>lafener 23ogellaut tlang aus
ben 53äutnen. Oen einfam Oafi^cnben fd>üttelte trot$
bet lauen Suft ein ftröfteln, bas ficf> bis jum 8ähne-
tlappern fteigerte.
Eines war ficher, er mufcte fchleunigft fort oon hier,
niemanb burfte ihn fo fehen!
Einen fcheuen 93lid warf er um fid>, aber ber über-
zeugte ihn, bafj er allein war — ganz allein. 53chutfam
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Sanften ben ©tunben.
fafete er mit bet Rechten in bie £af4>e feines 93ein-
tleibes, bentt frembes 53lut liebte ja an ben Ringern.
Ob feine ©clbtafche noch ba mar? — (Sott fei Oant, ja t
2 lls er fie nun t>eraus}og, um ficf> oon bem Inhalte
511 überzeugen, bemertte er, bafe ooit ber Raffung bes
Ringes, ben er am Keinen Ringer trug, ein langes,
buntles Frauenhaar herabhing.
©r ftarrte barauf nieber unb füllte, mie if>m babei
übel tourbe. Oer fturift in tym regte fid>, unb traumhaft
Zogen toübc 93ilbet burcf) fein Hirn. gmar nicht zu
faffen, barurn aber nur befto quälenber.
llnb aus biefen 33ilbern löfte fid? plöfelich etmas —
ein heller, tlagenber Frauenfdjrei.
§a — ben hatte er gehört, ben gab feine (Erinnerung
jefet bcutlicf) zu, menn auch fonft noch alles 9?ad>t blieb.
Sin 64>rei, ben er jefet nod; zu hören glaubte, unb
ber it>n erzittern liefe.
Oann murmelte et halblaut, mcd>anifch oor fid) hin:
„SBcr bin id>? ieo Hofe — 9teferenbar, ftct>c bid>t
oor bem Slffefforejramen, rnohne ©eorgftrafee 159 Hoch-
parterre; unb heute ift Oienstag, benn geftern mar
Montag ! 3ft heute aber auch ficher Oienstag? —
2Bobne ich mirtlid; ©eorgftrafee 159? 3fi bies hier
Berlin?"
©ine lläglid;e 2 lngft padtc ihn plöfelid;, roie er fie
nie getannt, tränen liefen ihm über bas ©efidjt. ©r
Zitterte unb zauberte, fürchtete fid> aufzuftehen unb
mufete hoch fort — fort, in feine SBohnung! — Oa
toürbe er allmählich fein ©emufetfein, feine ©rinnerung
mieberfinbeu.
Nochmals oerfuchte er aufzuftehen. Oer $iesboben
neben ihm mies buntlc Limite — mahrfcheinlid) mar
bas auch 931ut; unb nun hörte er auf einmal ein leifes
flirren an feiner Söcfte.
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Grjäfclung oon H- ©rfjobcrt.
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©r griff hinab unb t)idt ein feines golbenes $ettd)en
in ber Hanb mit einem baran befeftigten 2lmulett, fo
groß etrna mie ein SItartftüd, beffen Oberfläche in un-
regelmäßige Figuren geteilt unb mit Hieroglyphen
bebeeft mar. ©anj neu mußte es noch fein, benn ba3
©olb blintte f>dl, als märe es niemals auf heißer Haut
getragen morben.
Sm erften Slugenblid bes Sd>redcns roollte £eo
£oß bas Schmudftüd megmerfen, bann aber trampfte
er feine Ringer ganj feft barum. Vielleicht brachte es
2lufftärung, oielleicht gab es ihm bie ©rinnerung an
feine oerfloffenen Sebensftunben jurüd!
fiangfam, faft taumelnb oerließ er enblich feinen
cpiaß unb ging bis an bie 6traße; vielleicht fanb er ein
©efährt, ober tonnte fid> menigftens orientieren, rno
er mar.
2lber auch ber Straßenname fchien ihm fremb,
jebenfalls tannte er biefe ©egenb nicht.
Oie Straße mar bicht mit Väumen beftanben. ©r
lehnte fich an einen Stamm unb fah jum H* mmc l auf.
9tofige Sööltchen jogen über fchimmernbe, faft noch
meißliche 33läue. ©s mürbe fchon Sag. Slber noch ftill
mie ausgeftorben lag bie breite Straße ba, bie fich
allmählich mit £id>t ju füllen begann.
©ine fchredliche Slngft padte £oß. 9Benn Seute
ihn fo fahen, mit Vlut befubelt, ohne H u * — mas
mußten bie oon ihm benten! gefter lehnte er fich mit
betn Etüden an ben bichtbelaubten 23aum, als hoffe er
babutch oerborgen ju merben, unb bann martete er
in ber träumerifchen Stille auf irgenb ctrnas, bas ihn
retten tonnte.
Unb es tarn! — ©in SBagen ratterte in ber gerne,
tarn näher, fuhr an ihm ooriiber — eine halbgefchloffene
Orofd?te, berert Genfer, bie Bügel lofe in ber Hanb,
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154 gttofcbcii 6tunt>en. □
feinem ^ferbe bas ^eimfinben überliefe unb mit fanft
geneigtem §aupte fdjlief.
2 lls bcc Sloffelenter bid>t neben it)m mar, fpraitg
£ofe in ben SBagen, 30 g bie ©>ede bis an ben fjals
hinauf unb rief: „©eorgftrafee 159!"
Unwillig brummte ber $?utfd>er, benn et wollte
t>om Slacfrtbienft nad> §aufe. ©>a aber bie genannte
6 trafee tym nur einen Meinen Umweg ausmacf>te, fo
nat>m er bie unerwartete ftut>re nod) mit unb trieb ben
©aul an, ot)ne bafe ber aber feine ©efefrannbigteit
oerftärtte.
321it einem Sluffeufjen ber Befreiung lernte Sofe
fid> in bie ©de unb ftarrte cor fid; l)in. 923ie fonberbar
bas altes mar! ftüblte er ficf> nid)t mie gerettet? —
2 Bas frntte er aber benn nur begangen, bafe it)m mie
einem 33erbred>er jumute mar?
©r fat) nicf>t, mie bie Strafe allmätjlicf) belebter
mürbe, mie in einem ©afe bie lebten Sichter erlofctjen,
meil ber £ag feinen ftrat>lenben ©injug f>ielt, l)örte ni<f>t
bie pfeifenben 53äderjungen , bie jolüenben 9^acf?t-
bummler — er grübelte.
$)a mar enbüct) bie ©eorgftrafee. 3 fmt fd>ien, als fei
er eine ©wigteit gefahren. 33lit ber £anb futjr er an bie
benommene 0 tirn, unb ba fat) er wiebet bas getroefnete
23lut, fat) JEettc unb Slmuiett.
9Utn nod) jwei Raufer ! ©r mufete ben S?utfcf>er be-
jahen, aber mit ben blutigen §änben ging bas niefrt
gut.
©r fuhr in bie 33rufttafcf>e, fiteste nacf> bem £afcf>cn-
tuef), fanb cs, fd)lang es um bie Ringer unb reichte fo
— oerbunben mie ein 33erlefeter — bas ©clb bem
5?utfd)cr. ©>ann mar er braufeen, fprang mit jmei
6 äfeen über bas Trottoir unb ftanb gleicf) barauf in
feinem Simmcr.
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□ Srjctylung pon Schobert. 155
©ott fei ©>antl
©afj ber S?utfd;er bem fonberbaren, fmtlofen ftaf>r-
gafte mit bebentlid)cm $opffd)ütteln nachgefehen unb,
ehe ec fortfuhr, nod; einen langen, prüfenben 53lid
auf bas £aus unb beffen Kummer geworfen, Ijatte
£oi$ nicht mehr bcmertt.
©r ftütjte junädjft ein paar ©las SBaffet hinunter
unb trat bann oor ben Spiegel, ©in grünlich bleiches,
faft totes ©eficht ftarrte it>m bacaus entgegen mit er-
logenen 2lugen, bläulichen Sippen unb einem fo
fonberbaren Slusbrud in ben dienen, bafj er t>cftig
erfdjraf.
©r fah auf ben Slbreifjtalenber über bem Schreib-
tifd). ©>er zeigte SKontag ben 23. 9ftai. Slber — mar
heute auch wirtlich ©ienstag? 3n feinem Sanier fah
es fo feierlich ftill unb aufgeräumt aus, bafr er ebenfogut
längere Seit fortgewefen fein tonnte, ©t wufjte es
jebenfalls nid;t.
SUlmählid) fing er an, fich ju entfleiben, aber als
er ben blutburchträntten 2lnjug nun in ben §änben
hatte, tarn wiebcr $urd;t unb Schreden über ihn.
©eficht unb fragen toaren rein, bic f^lcde begannen
erft in Sd;ulterhöhe, ihm felber tonnte alfo nichts 311-
geftofjen fein, ©efdmnnb nahm er ben Slnjug unb
hängte ihn juhinterft in ben S?leiberfcf>rant, warf bie
blutige Sfläfche äufatnmengcballt in ben äufeerften
2Bintel, fchlofj ju — unb 30g ben Sd;lüffel ab. Auf ben
Stuhl legte er frifd>e SDäfche unb einen anberen Sln^ug,
bie Stiefel rieb er btant. „2Bie ein gewiegter Ver-
brecher," bachte er. Aber es tarn ihm jum Vewufjtfein,
bafj ec bas alles hoch mehr med>anifd; als mit Über-
legung tat.
©ann wufch er fich »on S?opf bis 311 gujj, als wollte
er fid; bie 5)aut abreiben, ftarrte gebanfcnlos in bas
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3i»if<ben ben ßtunbert.
□
156
blutige SBaffer, bas er ausgofj, leerte bie ganje Karaffe
noch hinterher unb legte ficf> bann ins ©ett, benn bas
nerocnjerreifjenbe, aufpeitfcbenbe 93ol)ren unb SBinben
in feinem ©el)irn t>atte fid) mieber oerftärft.
Slls er nun fo ftill balag, ben Kopf auf bcm Kiffen,
tarn toie oon meiner, bis er allmählich bas ganje
3immer ju füllen feinen, jener l>elle, tlagenbc ftrauen-
fcbrei, ber allein ihm bie ©rüde jmifcbcn bemSjeuteunb
©eftern mar.
©r fe^te fid) aufrecht — er t?orcf?te ! — Silles mar
ftill. ©ur fein ©lut begann ju raufeben, fein §erj
Hopfte milb, «Sdjmeifcperlen feuchteten feine 6tirn.
* ©ann gab er ficb einen gemaltfamen ©ud. 3e^t l)icf}
cs suerft einmal fd)lafen. — ©>ann — ja bann mürben
bie ©erocn beruhigt fein, bas ©ebad^tnis jurüdtommen.
Unb er febücf mirtlid) ein. 3äb — gemaltfam ftürjte
fiel) ber 6d)laf auf it>n unb füllte il?n in feinen ©tantel.
©ur mit ©tübe tarn er mieber ju fid), als cs mieber'
bolt an feine ©ür flopfte.
„2Ber ift ba?“ fd?rie er Reifer unb fprang auf.
„3cb — ftrau ©rüdner mit bem ^rübftüd! — ©s
ift jmölf Uhr, S)err ©eferenbar.“
Qa, bas mar bie ruhige, etmas ölige ©timme feiner
SBirtin, bie it)n ba aus fetjmerem, unerquidlicbetn ©cblafe
riß.
©r ging jur ©ür unb riegelte auf, bann legte er fiel)
mieber nieber. ©afc er fortmäbrenb mit bem hinter-
fopf auf bcm Kiffen l)erumful)r, muftte er faum.
©>ie alte ftrau fe^te ben Kaffee auf ben ©aebttifd)
unb fagte läcbelnb: „© s ift auch ein ©rief oon bem
fjräulcin ©raut ba!"
©r fab ben großen, meinen Xlmfcblag auf ber ju-
fammcngefalteten Leitung liegen, unb bas gab ihm
einen ©ud. 3a richtig ! ©abine, feine ©raut ! ©r hätte
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grjät)lung t>on 6d)obert.
157
bocb geftern abenb ju ber THutter guftijrätin tommen
follcn! — 2Dar er nicht bagctoefcn?
©as ©unfel in ibm lid;tctc firf> nid?t, fo fcft er bie
3äbne auch ätifammenbig.
„Slbcr, u?ie fcbcn ber §err 9?eferenbat benu aus?"
^rau 33rücfner erfdjrat toicElicf? unb ftarrte if?n ent-
fett an.
„ftd; {>abe fd>eußlid)c Kopffcbmetjen !“ Er breite
bas ©cfid;t jur ®eite unb überlegte, toas er fragen
follte, um fid; oiclleicbt einen ftaben burd; bas fiabprintb
ber lebten 6tunbcn ju ocrfd;affen.
Slber bie $™u tarn ibm juoor. „darüber flagten
ber $)cvx 9?eferenbar ja gcftern mittag f4>on. ©as
tommt loobl oom Dielen 2lrbeiten."
2llfo erft feit gcftern t?atte er feine Erinnerung oer-
loren.
„SBann ging id> geftern eigentlich fort, 5 rau 23cüd-
ner?" fragte er rociter. „3d> erinnere mid; nid)t mehr
fo genau."
„2Bot>l fo junfeben feebs unb fieben," gab fie bereit-
willig Slustunft. „7lls id> ging, lag ber §crr 9tefercnbar
nod> auf bem 6ofa. 2lls id) toiebcrlam, waren 6ic
toeg. — 2ld;, unb auch ttod; ben Slnjug gewedifelt?
©er graue toar es bod> geftern — unb beute liegt ber
buntelblaue l)ier!“
„©er graue Slnjug mufe gereinigt werben," fagte er.
„6d>ön, toerbe id> beforgen. — 3lber — ift bie SBelt
nid)t fd)eu^lid), herr 9tcfercnbar ! ©a buben fie beute
morgen ein tmbfd>es junges Tflcibcben ertnorbet auf-
gefunben — im Eiergarten, an einem ganj einfamen
^3labe! — 6d)eußlid?! ©ie S^ct?le mitten burebge-
febnitten! — 6old; ein gemeiner Kerl! — ©afj man ben
nicht gleid; aufbängen tann!"
6ie butte bie Seitung entfaltet unb reid;tc fie ibm.
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15b
3u>if<$ett fcctt ©tunbcn.
3 f>m mürbe cs rot por ben 2 lugen, unb ber geöffnete
23rief feiner 23raut fiel ungelefen auf bie §>ede.
„0a, }<*> fttau 33rü<fner," fagte er nur unb minfte
matt mit ber S)anb.
©ie ging hinaus. geftt rift er bie 0 eitung an fid? ;
mit mcit aufgeriffenen 2 lugen pcrfd)lang er ben ^olijci-
berieftt.
(Sin 971äbd>en getötet — anfdjeinenb an berfclhen
©teile, an ber bie £eid>e lag, benn bie ganje Umgehung
mar getränft pon 23lut. ©djtpar^e §aare, fragenlofe
23lufe, fo baft bas 22ieffer feinen 28iberftanb fanb, als
es in ben Sjals ber Säten gefahren tpar. S?cin ftingerjeig,
tper ber ? 2 törber fein fönnte — nichts !
0l)m tpurbe plöftlid) übel, unb et lieft bas 33latt
fallen.
konnte er bas getpefen fein in bem 0 uftanbe pon
llnberoufttfein, in ben er feit geftern gefallen mar?
llnbemuftt mar iftm bod) alles, mas gefd>ef)en — nur
ber ©d)rei, ber gräftlidje fjtauenfc^rei !
©ein £aar fträubte fid;. Unmöglich!
2öas aber mar unmöglich, menn jematib fein 33e-
mufttfein perlierert unb bod; ftanbeln tonnte mie piel-
leid)t ein normaler OTenfd)!
Zlnb bas 23lut! $>as 93lut!
5>ie 0 äf)ne begannen il)m ju flappern, bie 2 lugen
traten aus iljren S)öt)len, als er immer unb immer micber
ju lefen begann.
2 lber es mar ja ein §>ing ber Hnmöglid>fcit, baft er,
Seo Soft, ber fid) nieftt erinnern fonnte, jemanb in
feinem Sehen etmas Unrechtes getan ju ftaben, in
einem Quftanb anormaler ©eiftesoermirrung fo meit
tommen fonnte, ein 23erbre<$en auf fid) 511 laben,
einen 27lcnfd)en — ein meftrlofcs 2 öeü> ju töten!*
2111 feine 3 ugenöcrinnerungen fucf>te er fjeroor,
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Srjä^lung »on Schobert.
159
um fid? nut auf eine ©raufamteit ju befinnen. ©s
gelang it>m nid>t. Solange ec benfen tonnte, hötte
man fein gutes S)erj, fein meines ©emüt gelobt. ©as
alles tonnte fich hoch nicht mit einem Schlage getoanbclt
haben!
SBücbe Sabine ihn lieben tonnen, toenn ein Ver-
brecher in ihm lebte?
©r hielt bas für ausgefchloffen. Slber fie liebte ihn!
3efet enblid) nahm ec ihren Vrief auf unb las ihn.
„Siebftec £eo ! SDarum bift ©u geftern abenb nicht
getommen, obgleich ©u esmiefo feft ocrfprochen hatteft?
Vlama unb ich höben bis jelm Uhr auf ©ich getoartet.
Slbec als mir fahen, baß bann bie Käufer gefchloffen
mürben, höbe ich lönge gemeint. ©u barfft nie unb
nimmer allein laffen
©eine tleine Sabine.
PS. feilte fommft ©u bocf> ! ©anj, ganj beftimmt
— ja? — $iec fteht ein S?ufe für bi<b!“
2Bas follte er tun? Sich mit gteunbesbefud; ent-
fcfmlbigen, mit S^ranthcit — ober ruhig begehen?
©r mufete unbebingt hin unb feine Verfäumnis oon
geftern abenb entfdmlbigen. Vielleicht — nein, hoffent-
lich roör alles nur ^irngefpinft, unb bie Sache tlärte fich
ganj natürlich öuf.
©r fefete fich ön ben Sct>reibtifcf>. 9lber im llmfehen
mar er mieber in ©rübeleien oerfunten. Obgleich er
fühlte, bafe fein ©ehirn jefet ganj normal arbeitete, liefe
bie ©teegung über bie tlaffenbe £ücte in feiner ©r-
innerung nid>t nach, trofebem ec fich bemufet mürbe,
bafe es ein Hrtfinn mar, fich mit buntlen ©ingen ju
quälen, bie abfolut noch nicht feftftanben.
Slber mährenb er fich bas alles tlarjumadjen oet-
fuchte, empfanb er hoch, bafe ec in ben lefeten Stunben
mie unter einem unertläclichen Smangc ftchenb gc-
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160
gtoifcben ben ©tunben.
fjanbelt Ijatte, genau fo, als träte er mirflicf) ein 53er-
bred^er, bet forgfatn jebe ©put feiner £at rermifcfjen
mufete, um ficf) 311 fiebern.
llnb ba fiel it>m plötjlid) ein, bafj einmal in bet
frßf)lid)en ©tubentenjeit ein College ron bet tnebi-
jinifetjen ^afultät tym eine ©d>rift geborgt t>atte, in bet
ron ben fogenannten $>ämmerungs 3 uftänben 9terren-
franfet bie munberbarften SHnge erjäf)lt traten, unb
in bem betont tourbe, baft gerabe biefe merftrürbigen
guftänbe nod) bunflcs Sanb für bie Srjte bebcuteten.
„Quatfcf)!“ t>attc er bamals gefagt, als er aucf>
feinem beften ftreunbe bie 33rofd)ürc juin Scfen
gegeben. „5Bie fann ein rernünftiger 3üenfd> foldjen
guftänben anfjeimfallen? — 3 rre — ja; bas tann fdjon
fein! 9lbcr mir rernünftigen OTenfdjen, mürben mit
mol)l jemals unfere (Erinnerung — aufjer bei £runfcn-
t>eit — rollig rerlieren tönnen? — ©cf>en mir fo aus?"
(Er t>atte fid; bann 311 feiner rollen Ejöf>e aufgeridptet, bie
S)änbe eingeftemmt unb S?ern tjerausforbernb an-
gefel>en.
5Bie beutlid) ftanb il>m bie © 3 ene in biefem 5lugen-
blide mieber rot Slugcn!
2lber aud) bes ^reunbes (Entgegnung fmrte er
mieber: „9üenfd>! 5Ber tneift benn, ob in folgen
©tunben bes einzig tragen Ünbemufjtfeins uns nid>t
irgenb ein atariftifd;cs ©elüft übermannt, bas riel-
leid)t — feit 3at>rfmnberten ron urtferen 53orafmen
l>er gefnebelt in uns Uegenb — plötjlid) frei mirb unb
uns 31 t unausbenfbaren ©treiben rerfül;rt! Übrigens
ein fd;auberf)aftcr ©ebanfe! ©ib bas 53u4> surüd!
523ir Suriften braud;en feine bieten, fonbern l)elle$?öpfe!“
£eo £ 0(5 fprang auf unb fd;lug mit ber fjauft auf
ben 3Tifd>. 3um Teufel mit allen ©ebanfen! (Effen
mollte er jetjt, fpasieren gelten bann — unb riellcidd
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□ Srjäbtung »cm ©erobert. 161
5 U einem Slcjte, bamit ec if>m Ijalf, bas Dermalebeite
©untel 311 lüften, ober — bec itm teäftig auslacf)te.
§>anad> fefjntc ec fid) am meiften, nad) einem be-
feeienben Sachen, in bas ec einftimmen tonnte, unb
ooc bem jebec ©put oecflog.
2 lbec bec 2 tecoenac 5 t, ben ec auffud;te, lachte gac
nid>t. (Sc fagte il;m fogac, bafc bie gälle, in beneti ein
9Henfd> bas SBeroufjtfein feines 3$ 5 auf ©tunben —
ja Sage unb 3 af)ce oollftänbig occloc, buccfjaus nid;t fo
feiten feien. §>afj tein 2 Beg oon bem einen jum anbecen
3 d; l;inübec 3 ufüf>cen bcaud>e.
ltnb ec ecjä^lte if)m eine ganje 91eil>e oon fällen,
in benen bas jroeite Qd) ebenfo nocmal gefjanbelt f>atte,
toie ettoa bas eefte getjanbelt tjaben toücbe, unb bafj
nuc bie Slugen 33eccätec geioocbcn feien.
£eo £otj t)öcte nad)bentlid) ju. ©c ecinnecte fid;
jct$t, mel>cfad) oon oecfdjtounbenen, umljeciccenben
2 Kenfd)en gelefen ju f>aben, becen 2 lnget>öcige oec-
jioeifelt nad> if>nen fudjten, bis fie enblid) icgenbtoo —
manchmal fogac an weit entlegenen Octen — auf-
gefunben toueben. ©c l>atte bas meift fteptifd) belächelt
unb icgenb einen oeeboegenen ©cunb angenommen,
bec bas Ztntectaud;en bes S5etceffenben toünfd>enstoect
ecfdjeincn liefe.
2tun fafe ec mit ettoas ooegeneigtem Stopfe neben
bem 2 lcjt unb f)öcte ju, toas bec fagte.
^löfelid; blidtc ec auf. „ 2 lbcc bafe ein 2 Kenfd; in
folgern Suftanbe — toofdoeeftanben ein ef>cent)aftcc
2 Itenfcf> — ©>inge begehen tonnte, an bie ec fonft nie
aucf) nuc gebadet traben toücbe — bas, Sjecc ©>ottoc, ift
bod> tool)l ganj unmöglich?“
„Unmöglich? — 2 öas ift übecljaupt unmöglich, toenn
es fid) um fo unecfocfd)tc ©ebiete bec ©eelentunbe
1914. II. ll
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162
3u>tfd)en beit (Stunden.
hanbelt? — Srfahten oon einem folgen galle habe id>
allerbings nod> nichts — unb möchte bo^Vr aud> nicht
eher batan glauben. Qm allgemeinen »erläuft bie ©ad; c
wol>l harmlos. Ql)nen aber, £err SReferenbar, tann ich
nur raten, ein paar $age ausjufpannen, an bie ©ee
jur Srhotung ju gelten unb ficf> nicht in traffen 3been
ju ergeben. ©as ©untel littet fid> oft gana unerwartet,
unb bas Srinnerungsocrmögcn arbeitet bann toieber
tabellos."
£eo Soi} ftrict> ficf> über bie ©tirn. „3ft bas nicht
ein Seichen oon Sbiotismus, Sjcrt Potior?“ fragte et
nod). „Sine ©acf)e, bie oft wiebertehren tann?"
©er ©ottor audte bie 2id>feln. „©oldje Slnfälle
tonnen toiebertommen, notwenbig ift bas aber nid)t.
Sin galt oon gbiotismus liegt aber teinenfalls oor.
©erabc bie geiftig begabteften unb tüd)tigften 9ftenfcf>en
neigen au folgen Suftänben burd) Überredung ber
Steroen. ^ccilicf) empfiehlt es fiel) für bie gutunft,
ftets eine Vifitentarte bei fich a u tragen, um bie SRe-
tognofaierung au erleichtern."
£eo £oh hutte faum mehr augehört. Sine 5mge
bohrte in ihm, bet er nicht fo recht Slusbrud au geben
»ermod>te. Slber jetjt, als ec mertte, bafj ber 9lrat au
Snbe war, raffte er fich hoch baau auf.
„3ft es möglich, baß in einem fold>en Suftanbe ber
Vewufjtlofigteit Verbrechen begangen werben fönnen?“
fragte er unb fah feinem ©egenüber fcharf in bie 2lugen.
„3ft bas überhaupt bentbar? 2Rich als Quriften inter-
effieren natürlich berartige fragen befonbers," fe^te
er heftig hmau, benn ihm fehlen, als ob ber Slrat eine
überrafchtc Bewegung machte.
„38arum benn nidt>t? — 9Kir freilich ift in meiner
gratis noch fein berartiger ftall oorgetomtnen. Qch
entfinne mid; auch nid>t — "
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Erzählung von S). Schobert.
163
ilnb £eo £oh ftanb bann wieber mit bemfelben
©cfüt>l bumpfer Slngft, bas ihn bisher gefoltert t>atte,
auf ber Strafe. E>ie Unterhaltung mit bem Slrjt f?atte
ihm feine Erleichterung gebracht. 3n ihm unb um
ihn blieb nach n>ie oor alles bunfel. 2 lud> bie S?opf-
fchmerjen hatten ficf> wieber oerftärft.
Unb je^t mürbe Sabine ihn erwarten.
Er ging eilig. Sein $erj fd;woll oor Sehnfucht nach
ber ©eliebten, aber er mar feft entfchloffen, fein SBort
oon bem ©efd>chenen ©erlaufen ju (affen. Ein ©efühl
oon Scham fchlofc ihm ben 2ftunb, Scham, bafj ihm,
bem frifchen, gefunben Spanne, folcf>e Hnmöglichfeiten
paffieren fonnten. Erniebrigt fam er fid> baburch oor,
barum burfte niemanb etwas baoon erfahren. 2 IMt
einem 3ubelfd>rei flog feine 33raut ihm an ben £als.
„Enblich, £co! Enblidj! — Sch habe folchc Sehn-
fucht nach bir gehabt unb folche 2 lngft."
„5öarum benn 2 lngft?“ fragte er lächelnb unb fah
ihr in bie feuchten Slugen.
„Sch weiß nicht. Eine anbere fönnte ja — “
„Slber Sabine!“ fabelte bie 9?ätin lächelnb. — „$>a
fiehft bu, £eo, wie bu fic mit beinen täglichen 23efud>en
oermöhnt haft.“
„Söarum bift bu benn nicht gefommen? Unb f>aft
nicht einmal 9tad;rid)t gcfchidt, obgleich hu es fo feft
ocrfprochert hatteft!"
„Sch hatte fo furchtbares Kopfweh, bafj id; alles
barüber ©ergaß." Er ftrich mit ber S)anb über bie Stirn.
„S>erglcid>en fannte ich noch gar nicht.“
„ga, bu fiehft elenb aus, Siebfter! 2 lbet nun ift es
oorüber — nicht?“ Sie 30 g ihn auf feinen gewohnten
<!piat 5 unb glitt beruhigenb mit ihren fühlen jjingern
über fein Sjaar. „SBcnn nur bas Examen erft oorüber
wäre! 5>ann gibt es Erholung!“
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164
8n?ifcf>en ben Stunben.
„Oer Oottor bat mit je^t fd>on einen breitägigen
Suftmecbfel oerorbnet. geh folt an bie öee.“
3bt liefen langfam amei tränen übet bas ©efid>t.
„öo lange foll id) bicb ^ergeben, Siebfter?"
„öei nicht unoernünftig, öabine! 8ucrft bie ©e-
funbbeit! Unb Seo fielet mirtlicb fcf)lecf)t aus,“ fagte
bie SRätin ftreng.
„9Zäcbftes 3at)t bin ich beine grau,“ flüfterte fie,
fiel) ^örtlich an ihn febmiegenb. „Oann trennen mit
uns nie mehr.“
„3Ue, öabine!"
„2Bit mollen 9ftama bitten, bafc mit mit bir an bie
öee geben, Hnfere ©efellfd>aft mirb bir ja mobl nicht
febaben, £eo!" nedte fie.
öie gingen in bas SZebenjimmer, mäbrenb bie
guftijtätin ihre Slbenbjeitung las.
„Oentt euch,“ rief fie plötjlicb, „nicht meit non ber
graufigen STlorbftcllc bat bie ^J3olijci einen feinen,
neuen runben £errenbut gefunben, ber oielleicbt jur
©ntbedung bes Täters führen mich.“
„Ob, bas münfebte ich’." fagte öabine. „2Ber fold?c
öcbeupddeit begebt, ein armes SHäbcben binjumorben,
ber oerbient nichts anberes, als auch bingeriebtet ju
merbert. Oa bin ich ganj mitleiblos."
„3cb auch!“ beftätigte bie 92iuttcr.
£eo Sob batte fid> auf ben näcbften ötubl gefegt.
Oas 93lut braufte ihm in ben Obren, ber S)als mar ihm
mic jugefebnürt, er tonnte taum atmen.
Hnb bie 9?ätin las meiter oor: „Oer §ut trägt ben
girmenftempel eines ber erften ©efd>äftc unb unter
bemfelben ein eingetlebtes golbenes L."
öie tarn nid;t meiter. ©in ötöbnen oon ben Sippen
ihres öcbmiegcrfobnes lieft fie erfebredt aufbliden. Slucb
öabine fd?cic auf.
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<£rjäf>lung oon Sj. Schobert.
165
Sc lag gegen bie Sehne bes ©effels gefunfen — toie
ecfcblagen. ©eine Singen toacen gefd>toffen, bie §aut
gcüntoeifj, biete ©cbroeijjtcopfen ftanben an ben ©cbläfen
unb auf ber ©tien.
9la4>bem fid? bie beiben gcauen ein SBeilcben um
if>n bemüht batten, fcf>lug ec bie Slugen toiebec auf unb
fab toilb um ficb, toäbcenb feine gähne ju tlappecn
begannen.
„Hm ©ottes toiUen, Seo!“ fagte bie SRätin ec-
febcoefen, unb bie toeinenbe ©abine abtoebcenb fetjte
fie eneegifd) binju: „$>u bift äüctlicb tcanf, Seo ! — ©eb
nuc an bie ©ee, abec gleich ! ?Bic geben auf leinen galt
mit. $>u mufjt abfolute Stube haben!“
5>abei befeuchtete fie feine ©tien mit laltcm SDaffec,
gab ihm ju teinten unb fteieb müttecücb liebeooll übec
feine bleichen SBangen.
97lit allec ©etoalt nahm ec ficb jufammen, jtoang
ficb 3 U einem Säcbeln unb fagte bann: „©eib nicht bofe,
bitte — meine ^opffebmeejen non geftecn. — ©ie
geben toobl balb oocübec.“
„$>u gebft gleich nad; £jaufe, Seo — gleich! Hnb
legft bid; 311 93ctt. 3<h febc rnocgcn mit ©abine nad;
bic, toie es gebt.“
©c ftcäubte ficb noch e ‘ n wenig, abec im ©cunbe toac
es ihm ganj cedjt, bafo bie tarnen ihn entließen. SBie
hätte ec es biec noch ausbalten tonnen, too jebec Sltem-
jug ihn toücgte unb ec bo<h nicht toagen buefte, fid;
unbebeccfcbt ju jeigen. 2 lu<h bie geitung, auf bie ec
mit bcennenbem bedangen ftiecte, tonnte ec nicht an
ficb teilen, um bas ©eböcte mit eigenen Slugen ju
oecfcblingen. SBas hätte bic 9tätin oon il;m gebaebt! —
Hnb — es toac ja je^t gac lein gtoeifel möglid; ! $>ec
§ut geböcte ihm, toac eeft ooc ein paac Sagen getauft.
§>ic 93ectäufecin toücbc ficb ja feinec fofoct ecinnecn,
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166
3t»ifctjcn feen ©tunben.
ba ec wegen bes 93uchftabens, bec nid>t nach feinem
©efdnnacf gewefen, Slnftänbe gemacht hatte.
©d>eu bliefte ec 511 ben beiben ©amen f>in. SHadjte
bie bas L benn nid?t ftu^ig?
Stein ! 6 ie wacen nuc in ©oege um itm, bauten gac
nid?t bacan, auch nuc bie gecingfte 93ejiehung 3 wifd>en
feinem Flamen unb bent Sjutbuchftaben ju finben. —
SBie foüten fie auch baju fommen? ©c wac ihnen bod;
als einwanbfeeie ‘petfönlichfeit befannt, anftänbig unb
oectcauenswücbig pon ©hacaftec unb ©emüt. — Stein,
nein! 3 fm tpücben fie nie pecbächtigcn, es gab ja fo
piele Stamen, bie mit einem L anfingen !
©c wifcf>te wiebecf>olt übec fein ©efid)t, auf bem
bec ©cf>weig immec neu peclte.
„©eh naef) §aufe, £eo," mahnte nochmals bie
Statin, „unb lege bid) niebec. Söicb es nicht beffec,
fd)ide jum Stcjt. S3ecfpcicf> mic bas — f>öcft bu?"
©c peefpead; altes, fügte ©abine unb fd?üd> mit
wanfenben S?nien bie Steppe hinab. ©ann abec, als
ec fid> unbeobachtet wufcte, ftücmtc ec um bie ©ctc.
©ine Seitung mujjte ec haben um jeben S3ceis.
©leich bcei Stummem taufte ec unb fcfjtug bann
ben SBeg jum Siecgacten ein. ©s 30 g ihn 5 U bem Oct
bes 33ccbced>ens, wie man ja jebem S3ecbcechcc nad)-
fagt, baf; ec bie ©tätte feincc Untat mit S3ocliebe nod;
einmal auffud;t.
©iefee heftige SSunfd; in ihm pecwicctc ihn nuc nod;
met)c.
Söas pecanlagte ihn baju? ©as fd?cecflid>c Hntcc-
bewufetfein in ihm piellckfd, bas allein pon fcinec Sat
wußte?
Slm liebften hätte ec ja laut hinausgelacht. Slbcc
mectwücbig, was ec ficf> auch benfen, fid> peenünftig
pocceben mochte — ec fam batnit nicht weitec!
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□
Srjctylung »on Schobert.
167
5>ie Settungen in ber fcf)laff herabhängenben £anb
burcf>querte er ben Tiergarten bis ju ber Stelle, wo
man bie Seiche gefunben hatte. Sluf bem ©rasboben
fat? man noch buntle ftlede, ein paar Steige waren
gefnidt, ber 91afen niebergebrüdt. So oiel tonnte
er bei bem weiten Slbftanb erfpähen, benn 3Kenfd>en
in Raufen ftanben unb gingen auf bem breiten ^romc-
nabemoege, um einen 33lid auf bie 9Korbftellc ju
werfen. 2111 biefe Seute trieb nur bie 2teugier, bie
£uft am ©taufigen l)er, bas ihnen einen Veroentitjel
oerfptad?.
Unb oor all biefen £euten, oor biefen neugierigen
Slugen freute er fid? plö^lid); mit abgewenbetem Stopfe
ging et oorüber, hörte aber bod> alles, was fie ba rebeten
unb mutmaßten.
„©in ganj feiner foll es gewefen fein, benn ber $)ut
war ein teures Stüd. Unb ba l;at er gelegen — bat"
©>er Vtann, ber bas fagte, wies mit ber §anb nad>
lints, wo ber 2Beg eine Krümmung machte unb ein
Vaumjwcig fo niebrig hing, bafj ein großer 9Jtenfct>
leicht in bie Verlegenheit tommen tonnte, baburd) feine
^opfbebedung 511 oerlieren.
„Sa — wenn fie ben man triegen!" erwiberte ber
Slngerebete in jweifelnbem Ton.
„21a, unfere ^olijei wirb fd>on hinter ihm h«c fein,
bie wirb ihn fd>on erwifchent"
„©ine noble Velohnung hüben fie ja für bie ©nt-
bedung ausgefeijt. ©>as tun fie jwat immer in fd>wie-
rigen fällen, aber — "
„28irb fid> fd>on einer melben, ber ben S^etl gcfchen
hat."
Soh fah fich feheu um. Sahen fie ihn nicht alle an,
bie hier halb sweifelnb, halb neugierig fprachen, fließen
fie fich nicht heimlid; an unb beuteten auf ihn?
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168
8«>if4>en ben @tunbcn.
□
©cmaltfam brad? er fid> 33afm, fonft märe er erftidt.
ftn bas tieffte ©>idid)t froef) er, unb beim lebten £ages-
lid?t las er nocf> einmal aufmerlfam bie Scitungsartifcl
über bas 23erbrcd>en, ben ftunb bcs §utes unb bie
ausgefetjte 93elo^nung non fiinfjelmfmnbert 92tarE.
©>a mürbe it)m plötjlid; übel. ©r mujjte fid> mit bem
dürfen feft anletmcn unb füllte, bafe tränen il>m aus
ben gesoffenen 2 lugen rannen, Reifte ©ränen über
fein unoerbientes, graufames <Sd>idfal, bas if>n 311
jertnalmen brotjte.
©eftern abenb um biefe 3 ^* mufcte er t>on Sjaufe
meggegangen fein, fd>ott of)ne 23eroufetfein feiner felbft.
9Henfd)en toarett il>m fid>erlid? begegnet, t>atten tym
aud; mol>l in bas ©eficfjt gefetjen unb mußten alfo,
u?o er gemefen mar. 2 tur er felbft mufjte es nid)tl
©r nid)t!
9lun mar es ganj buntcl unb ftill um it>n gemorben,
f?ic unb ba blitzten elcEtrifcf>e Siebter auf, unb er füllte
plöijlid), baft er junger f>atte, quälenben junger, ©r
mufjte irgenbmo ctmas effen.
©in Heines, ftilles Sotal lag an ber ©de ber erften
6 trage, in bie er cinbog. ©r trat ein unb bcftellte etmas.
27tit §ei^l>ungct fdjlang er bas ©cbradjte l?inab. Unb
bann fiel il>m plötjlicf) ein, mic lange er fid> mol;l noct>
ber ^rci^cit 311 erfreuen f>aben mürbe, menn fie feinen
S)ut retognofjiert Ratten, hinter ©efängnismauern
mürben fie il>n fetjen — unb bann — unb bann —
©r fprattg auf, legte bas ©elb auf ben £ifd; unb
ftürmte baoon.
fjort aus 23erlin! 2luf alle ^ölle fort!
llntermegs befann er ficf> mieber anbers. 28as
nüt$te il?n benn eine $lud>t? ^afjtcn f»o tyn nic^t l)ier,
bann fid;crlicl> anbersmo, benn fie mürben ifrn ja oer-
folgen !
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Srjäljlung oon 6cf)obert.
169
©r blieb flehen unb faf? bie licf>tburd)flimmerte
Strafe l)inab. 28at ec nid)t unfinnig mit all biefem
6 innieren unb ©rübeln? ©abei mufjte ja jebcc pet-
nünftige 2 Kenfcf> perrüdt merben!
2 luf bem ^olijeipräfibium t>attc fiel) fd)on am
borgen nad; bem Vtorbe ein ©rofddenfutfdjer ge-
melbet unb perlangt, eine Slusfage 31 t mad;en. 3 «
einem Kriminaltommiffar geführt, erjä^ltc er pon bem
fcltfamen ftafcrgafte, ben er jmifdjen brei unb pier llt>r
morgens in feinem SBagen Ijeimbeförbert f>attc.
,,©t mar jmar 'ne janj anberc Segenb, §err Krimi-
nal," fagte er jum 6 d;luffe, „aber ber QTlenfd; !ann bod;
loofen, befonbers mit 'nem böfen ©emiffert. Unb bat
er fid> bie §anb perbinben bat unb janj poll 23lut
mar, bat ftitnmt."
©r Rüttelte no<$ nacf)ttäglid; bebentlid; ben Kopf,
gab bann nod; bes fonberbaren ftalmgaftes unb feine
eigene Slbreffc an unb ging mit bem ert)ebenben ©e-
füt>l ab, bem 6 taate einen großen ©ienft geleiftet ju
fjaben. Unb bie 23elot>nung befam er pielleid)t aucf>.
©er Kotnmiffar, ber altes ju ^rototoll genommen
l)atte, erteilte feine SBeifungen, benn toentt aud) taum
eine ber injmifdjen eingelaufenen ^atjlreictjen Mit-
teilungen pon Velang fein mürbe, geprüft mußten fie
bod) alle merben. —
Seo Sol* fd)lief injmifd)en einen totenäfmlidjen ©r-
fd)öpfungsfd)laf, aus ben if>n grau Vrüdner erft mit
ber 2tnEünbigung rifj, bafc feine Vraut mit iljrer Vtutter
in ber näd)ften Konbitorei auf it>n marteten.
©r tleibete fid) eilig an, aber niemals mar it)m fein
Vlinnebienft fd;mercr gemorben als an biefem Vor-
mittage. 2Hit brennenbem Kopf unb geröteten Slugen,
mit neroös judenben Sippen, bleid) unb fat)l trat er
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170
Steiferen ben Stunben.
Sabine gegenüber, bie bei feinem Slnblid entfett jurüd-
fuhr. 2 lud> bie guftijrätin etfd)raf, fagte aber nichts,
fd)lug pielmehr eine Spajierfahrt in bie Umgcgenb por,
tpo man gemütlich 311 Mittag effen unb fid> erholen
fonntc.
Sabines überrafd>tes ©eficht perriet, baf$ bapon
porher jwifchen ihnen feine SRcbe gewefen mar.
£ot$ füfjte ber 9Sätin banfbar bie Sjanb. 3 a, bas
tpar wohl bas befte ! Sjinaus ins fttekl ©a mürben
feine Heroen fid> beruhigen, fo bafj er nicht in jebem
33orübcrgei>enben einen Verfolger erblicfte. ©s tpar
ja alles fo gräflich finnlos — biefe 2 lngft, bies peinigen
feiner felbft ! ©r nutzte bocf> nichts pon jenen Stunben,
folglicf? fonnte man it>n nicf>t haftbar machen für bas,
toas barin gcfcf>et>cn.
©ie frifd>e £uft tat ihm wirflid; gut, bie fjahrt
beruhigte if>n allmählich, unb Sabine war järtUd; unb
lieb ju ihm wie immer.
Unterwegs griff er jufällig in bie £afd;c. ©a
permifete er plötzlich ben Sd>lüffcl ju feinem Kleiber-
fdwanfe. 3Bcnn bie ©rüdner nun fpionierte, ben Slnjug
fanb, ben er perlcugnet f>attc, weil er über unb über
mit 93lut befubelt war!
(Sr befatn einen roten S?opf unb batte bas ©cfühl,
fofort wenben laffen unb nach $)aufe rafen ju müffen,
um ben pergeffenen Sd;lüffel ju l)olen. ©in paarmal
f>olte er tief Sltem, wie ein 9?cif legte es fid? ihm wicbct
auf bie 93ruft.
©ic 9?ätin beobachtete if>n fturnm. Sie wufjte nicht
red;t, was fie aus ihm machen follte. ^ebenfalls gab
ihr fein Söcfen ju benfen. ©as waren nicht nur S^opf-
fdnnerjcn Pom angeftrengten Stubiuin — irgenb etwas
anberes quälte ihn noch aufeerbem.
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□ Grjctylung oon Schobert. 171
<Ss flingelte an grau 23rüc!ners £ür. (Sin Kriminal-
beamter, bet bie Slusfagen bes ©rofdjtenfutfchers nacf>-
prüfen follte, l)attc halb l>erausgefunbcn, mer 5er
gaj>rgaft jener 9Zacf>t gemefen fein tonnte, ba es ©eorg-
ftrafte 159 oiele möblierte Herren niefjt gab.
grau 33rüctner erfcf>rat nid>t menig, als ber 23eamte
fiel? bei ihr burch feine 37larte legitimierte.
„THein 22tieter?“ fd)rie fie in ben !>öct)ftcn Sönen ber
©rregung. „Allein orbentlicher, foliber 9?eferenbar unb
folcf> ein unfinniger 33erbact>t?"
97lit bem Beamten betrat fie bas Sinimer, mufjte
fi<h aber fofort einen Slugenblict fetten, benn ber @<htcct
toar it>c in bie Knie gefahren.
„SBiffen 6ie, mo gi>r Bieter feine £üte l>at?“
fragte er.
6ie mies mit ber $)anb auf bas obere gacf> bes
Kleiberfdjrantes, in beffen Siefe bie S)üte ju liegen
pflegten. ©a lag aber nur ein alter fchmarjer, fteifer
£ut. ©er Seamte prüfte tro^bem forgfam bas innere.
Nichtig! 33on berfelben girma, mit bemfelben L ge-
jeidfjnet mie ber gefunbene Sjut. 33efriebigt niefte ber
23eamte.
,,©en neuen t>at er auf,“ fagte grau 23rücfnet herju-
tretenb; aber mährenb fie bas ausfprad), mujjte fie
plöpd? ganj genau, bafj er ja mit bem ©trohfmt fort-
gegangen mar — unb baf$ ber neue £ut fehlte.
Sh* mürbe Ealt, fie tnufjte ficf> mieber fe^en, meil ein
mertmiirbiges Sittern in it>re Knie tarn.
©er 23camte mufjte es aber beffer. (Sr mar mit bem
in ber 9täf>e ber 921orbftclle gefunbenen §ute bereits
in bem £aben bes 93ertäufers gemefen, t>atte nad>-
gefragt unb eine genaue 23efd>reibung bes Käufers er-
halten, bem man erft fiirjlich ben Sjut nach ber ©eorg-
ftrafje 159 gefd)idt t?atte. Sin Irrtum mar gänjlid)
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8u>if<$en ben ßtunben.
ausgefd>loffen, benn bas eingetlebte Ltpar nicht nach
bcm SBunfche bcs Sjerrn geroden, er hatte ein anberes
perlangt, man tonnte noch beutlich bie tleine 2lb-
tpeidjung im Scibenfutter, tro bas erftc gcfcffen,
ertcnncn.
©er ©eamtc mufterte ben ftn^alt bcs 6d>rantes
toeiter. (Sr ging fehr forgfältig babei ju SBerte.
Xlnb ba — 5™u 33rüdncr fc^ric laut auf — aus bcr
tjinterften (Sde halte er ben äufammengebatltcn hell-
grauen Slnjug heroor, pollftänbig mit 23(ut befdmuit^t,
bas ebenfalls blutige S)etnb forgfältig hineingeftopft —
berfelbe 2lnjug, nach bem fie bamals gefragt, pon bem
fie ficher umfjte, bafc ihr Bieter ihn an bcm SSage bes
22torbcs getragen hatte.
SBarum beftritt er bas am nädjftcn borgen, er-
fanb allerlei 2lusreben?
©ie Stehle rpurbc ber armen fjrau troden, einen
Slugenblid fchlojj fie fchtoinbelnb bie klugen.
„6ie erinnern fid> bod> bcs £ages, an bem ber
§ert Soh bicfen 2lnjug sulcht getragen hat?" fragte
ber 33camte.
„9tein!" ftotterte fie in namenlofer Slngft.
(Sr fah fie fd>arf an. „5>as glaube ich 3hnc n nicht.
9tun, fchlie^lich ift 3h* Seugnis ja auch belanglos.
2Bir haben ein anberes, bas fidlerer ift. 9tur hüten 0ie
fich, burd; 23crfchleierung pon £atfachcn felbft ftraf-
fällig ju toerben."
6ie fant ganj in fich jufammen unb ftöhnte leife.
(Sr trat bicht por fie h»n. „8um lebten 9?lale trug
3hc Bieter ben Slnjug OTontag nad;t unb tarn mit
bctnfclbcn blutbebcdt Dienstag gegen borgen in feine
2öohnung juriid," fagte er talt. „(Srinnern 6ie fich
nun?"
Sie nidte ftumm. 2lbet bann fetzte fie hoch eilig
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Grjä^Iung »on §. ©erobert.
173
Ijinäu: ,,©as fjeifct, er trug ilm am 92lontagnad>mittag,
ab icf) il>n äulettf fal). 9ftet)r meifc id) nid)t."
,,2lud) nichts »on biefem 3Mut?"
„91ein."
„können ©ie ficf> erinnern, ob in feinem 2öafd>-
gefäf} bas SBaffer rot gefärbt mar?"
„St tjatte alles ausgegoffen — -bis auf einen tleinen
9*eft," geftanb fie bange, „©er fat> aus toie mit THunb-
maffer oermifefrt."
©er 23eamte lächelte. Sr padte je^t bas ©efunbene
jufammen, unb mäljrcnb er barauf nieberfal), fragte
er fo beiläufig: „2Bar 3f>r Bieter ein foliber 92tann?“
„3a! Qa l" ©ie fcf>rie es faft tjinaus. 9Kit biefem
Seugnis tonnte fie if>m am Snbe t>elfen. „Sr f>at bod)
eine 33raut — ein l)übfd)es junges Fräulein. Unb bic
321utter ift eine 3uftiärätin."
©er 23eamte notierte bie Slbreffe, bann fagte et:
,,©ie t>aben fid) einftmeilen burefjaus ruljig unb oer-
fd)miegcn ju »erhalten, $rau! Söarnen ©ie 3f>ren
Bieter nid)t, unb erjäfüen ©ie il>m fein SSort, fonft —
tonnten mir uns an ©ie galten!"
2Kit manfenben Slnien f«t?licf> ^rau 23riicfnet in
it>re S?üd;e jurilct unb fdjloft ficf> ein. 9Bas toaren benn
bas für cntfetslidje ©inge, bie fie ba eben miterlebt
Ijatte? 3l)r ruhiger, feiner S)ert bes Korbes »erbäd)tig t
— Sin 92tenf4>, ber fo fröt>lid? lachen tonnte, ber fo
aufjerorbentlid) folib mar ! — Unmöglid) ! — 333ie follte
er überhaupt an biefe ^5erfon gefommen fein, bie ba
im ©iergarten ermorbet aufgefunben morben mar?
Sr ging bod) allabcnblid) ju feiner 93raut ! — Slber ber
blutige Slnjug? ©amit — bas ftanb feft — fjattc er fie
belogen. Unb ber £ut? Qetjt fiel tyr aud) ein, mie
fonberbar er bie lebten ©age gemefen mar — ganj oer-
ftört. 3<*> tonnte benn fo etmas möglich fein?
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174
3u>if4>en ben 6tunben.
Qn bet 2lbent>seitung las fic bann, bafj bie ©r-
morbcte als eine böfmtifcfje Kellnerin retognofoiert
iporben mar. ©as fprad? nid;t gegen eine 23etanntfd?aft
mit intern 9*efetenbar. ©er lam bod? in oerfd?iebene
28irtfd?aften. llnb menn ein oomef?mcr §ert heiraten
mailte, Raffte er eben eine frühere Siebe beifeite, bie
if?m f>inberlicf> fein tonnte.
6d?aubernb froef? fie unter biefen 93orftellungen ins
33ett unb löfd?te fd?leunigft bie Sampe, als fie il?ren
Bieter l?eimtommen f>örte. gi?r mar, als füf?le aucf?
fie fcf?on einen eistalten 6tat>l am §alfe, unb bas
©rufein oerftärtte fief? bis jum ©ntfeijen, als fie if?n
fo lange unfid?cr uml?ertappen f?örte, et?e er feinen
Türgriff fanb.
Sluffeufjcnb 30g fie fid? bie ©ede über ben $opf,
als Sco £ot$ feine ©üre enblid? gefcf?loffen t>atte.
©eftärtt an ©eift unb Körper machte Seo £ot$ am
näd?ften borgen auf. 92tit tlarerem $opf als bisher
tonnte er an jenen ©ag jurüdbenten, bet mie ein
Reifen auf feiner (Seele laftete. SItufjte benn etmas
gefdt?et?en fein, nur meil.er fid? nicf?t erinnern tonnte?
©emifj — es mar ba mand;es tnertmürbig, uncrflärlid?.
$?lber menn er erft eine Seitlang gar nid?t mel?r baran
gcbad?t l;aben mürbe, tarn piellcid>t bod? nod? bas
23emufjtfein jurüd, bas er je^t oergeblid) fud?te.
©r ftanb auf, tleibete fid) an unb tlingelte naef? bem
ftrül?ftüd. ©afj bie 23rüdner fid? fo feltfam benaf?m,
barauf ad?tete er gar nid?t. 23is geftern mar er ent-
fd?loffen gemefen, fid? im ©ramen jurüdftellen ju laffen,
um erft fein geiftiges ©leicbgemid?t oöllig miebersu-
erlangen, jetjt befann er fiel? anbers. Slrbeit mar
nod? immer ein gutes Heilmittel gegen allerlei 23e-
fd?merben gemefen. gaft liebcooll fc^te er fid? oor
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<Srjä()lung t>on ödjobert.
175
feine 23ücf)er, Me ec feit SKontag mittag nid>t mei)t
angefefjen.
©a tlopfte es, unb auf feinen Stuf trat ein S)err ein,
bet fid> als Kriminalbeamter ju ertennen gab.
<Ss mar berfetbe, ber geftern bie £ausfud>ung oor-
genommen f>atte.
©obalb ber Steferenbac erfuhr, um toas es fief)
fjanbelte, tourbe er totenbleid?. ©er Kopf fant ibm auf
bie 93ruft, unb er bebedte bie Slugen mit ber §anb.
©a mar es ja — bas ©efürcf>tete, bas if>n mit einem
©düage in ben Slbgrunb ber 23erämeiflung merfen
mürbe.
Stber mas aud> tommen tonnte, er mürbe es menig-
ftens nun losmerben — biefes bauernbe SIngftgefüfjl,
ein S3erbrecf>cr ju fein, biefe fd)redlid;e 5urcf)t, bie ifm
bisher ftänbig gefoltert t>atte. Stid>ts tonnte fo fd)limm
fein mie biefer guftanb in ben lebten ©agen. Statte ec
etmas oerbrocf)en ofme fein SBiffen unb feinen SBillen —
gut, bann mürbe ec es menigftens enblid? erfahren.
©icf> erl;ebenb, redte er fid), als mürfe er eine fernere
Saft oon fid), unb folgte bem Beamten 311m ^olijei-
präfibium.
„SBas f)abcn ©ie baju ju crtlären?" fragte ber
Kommiffar, nad>bem er £0^ bie Slusfagen bes Kutfdjecs
oorgelefen, it)tn §ut unb Slnjug, bie er als fein Eigentum
anertannte, oorgelegt tjatte. „^rjäljlen ©ie mir, mo
©ie in ber fraglidjen 3tacf>t gemefen finb, mie ber S)ut
in bie Stäbe ber SHorbftelle getommen unb ber Slnjug
blutig gemorben ift.“
£eo £0*5 fal> ben ©precljenben, beffen tlare Slugen
burcfjbringenb auf it>m hafteten, rut>ig an. ,,3d) meifj
es nid>t, §err Kommiffar. 3<f> meifo nid>ts, mas mit
jener Stad)t jufammenfjängt, nicf)t bas geringfte."
„Stidjts?“
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176
3tt>if4>cn ben Stunbcn.
□
„9ticf>ts! — 2 Bie t>erausgcfdmittcn aus meiner Er-
innerung finb jene «Stunben. — 2 Bas aucf> gefd?ef)cn
fein mag, id? toeifj nichts!"
„0as Hingt — "
„llnglaubtpürbig — ict> toeifj es ! 2 lber ber 2 lrjt, ben
!cf> befragte, beftätigte mir bas 33orfommcn fold>er
Suftärtbe."
„ 6 ie tonnen aud; nidjt ertlären, toof>er bas 23lut
an Syrern 2 lnjuge ftammt?"
„Stein !“
„ 0 er 0 rofd>tentutfd)er bejeiefmete gtjre Sjanblungs-
toeife in jener 2 tad>t als eine jtpar auffallenbe, aber
burd;aus betpufcte. 0 ie fprangen in ben SBagen, jogen
bie 0 cde über ben befledten 2 lnjug unb pcrfudjtcn
bie blutige S)anb beim Sat>lcn mit bem Safcbentud;
311 perbeden. 2 lucf> fpäter bie STlafjnaljmen in 3 l>ret
SSo^nung jeugen burdjaus pon bemustern 33eftreben,
alles ju perbeden, ju pcrf>eimlid)en. SBarum bas,
tpenn 6 ie fid> nid;t fcfjulbig rpufeten?"
„§alb tpar cs 0d>ted, l;alb ©cf>am unb Entfetten übet
ben Suftanb meines äußeren 92tenfcf>en, ben id) mir
nicfjt crtlären tonnte. 0 dj füllte immer nod> pöllig
unflar, f>anbclte nur tpie unter einem Stpange.“
SBieber ein raftfjer, fdjarfer 23lid bcs S^ommiffars
auf ben bleid>en jungen 2Uann. Es lag fo gar nichts
33erbred)crt)aftes in bem offenen, intelligenten Ecfid)ts-
ausbrud. Es u>ar immerhin möglid), roas er ausfagte.
„£>ert ftommifjar,“ fagte £otj plötjlid), „glauben «Sie,
bafj es irgenb einen Stufen fjaben tonnte, ein 0 etettip-
bureau ju beauftragen, meinen 6 puren in jener Stadst
nad)jugcl?en? 97Xir fclber tann nid>t rneljr an ber 2 luf-
tlärung liegen toie 3(>nen. Es muffen fid> bod> @puren
finben — “
0er anbere ftrid? fein S^inn. 2Denn biefer 2Renf<$
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grjö^lung oon §. Schobert.
177
nicf>t t>tcr unfcfmtbig mar, bann mar er jebenfalls ber
abgcfeimteftc ©d>ur!e, ben es gab. „Qd) benfe, unferc
Shiminalpolijei mact)t ebenfogute Arbeit," antmortetc
er jurüdlmltenb, „unb ©ie fönnen ficf> mof>l benten,
baß mir uns nacf> ben oorgefunbenen ©puren nid)t
fo leictjt abbringen laffen merben. . ©ie ©ad;c mirb
genau unterfucbt, unb id> bitte ©ie beslialb aud), fid>
ju meiteren Austünften für uns ftcts bereitjutjalten."
,,©as ift felbftoerftänblicf), id) bin ja felber 3 urift.
©iefer unfelige gall mu| aufgetlärt merben, es fmnbelt
fid> ja bod; aud> um meine ©piftenj."
©er $ommiffar f>atte fid> erhoben. ,,©s mar fein
Alißtrauensootum, bas id> 3 t)nen mit meinen SBorten
ausftellen mollte," begütigte er unmilllürlid) unb feijte
nad; einer f leinen ^Paufe fnnju: „Übrigens — mollen
©ie bie £ote fetten? 3 d> bin bereit, ©ie ju begleiten."
©er Aeferenbat säuberte. ©r l)atte nie £eid>en
fel>en mögen, llnb t)ier fmnbelte es fid? nocf) baju um
eine ©rmorbete, als beten Atörber er fogar in 23etrad)t
fam. ©in eifiger ©d>auer fctmttelte il>n. Aber er füllte
aud> bie prüfenben 23lide bes anberen.
Aiit aller SBillensEraft richtete er fid> in bie £)öf>e:
„ 3 d; bin bereit, £err Slommiffart"
Qn bet ©at f>atte ben fein Sägern mieber ftu^ig
gemad;t. ©as mar bod) alles fo fonberbar!
©ine ©rofd)Ee brachte fie nad> bem £eicf>enfd)aul)aus.
SBätjrenb ber ^afnt fprad) feiner ein 2 Bort. £co £o^, eine
93eute ber grä^lid;ften, immer ftärter merbenben Ab-
neigung gegen bas ^ommenbe, fanf ganj in fid> ju-
fammcn, je näl)et fie ber §annooerfd)en ©trafje tarnen;
ber ^ommiffar rauchte rul)ig feine Sigarre, er fcfjicn
feinen Aad)bar ganj oergeffen 511 Ijaben.
©ann fliegen fie aus, gingen bas turje ©tüdefjen
burd) ben ©arten unb betraten ben geftredten Aaum,
1914. 11. 12
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178
3t»t?<£cn ton ßtunton.
in bem hinter bidcn ©lastoänben bie £oten lagen,
©leid) bic erfte £cid>e war bie ©rmorbete. ©in junges,
üppiges 73läbd>en mit fd>redentftellten Bügen, am £jalfe
bie breite, Haffenbe Sobeswunbe. 0 d)warjl>aarig, nid?t
Ijäfjlid), aber jiemlid) gcwöfmlid) ausfet)enb, in blut-
burcfjträntter meidet 23lufe unb bunflem SRode.
3n fjalber Of>nmacf>t lernte £eo £ots mit bem dürfen
an ber TBanb, ben faben, füßlicf)cn ©efdjmad auf bet
Bunge, ber folgen Buftanb ju begleiten pflegt. 91ur
mit äu^erfter TBillensanftrcngung tonnte er feinen 33lid
auf bie ©ote richten.
©r Jannte fie nid;t.
©iefes ©>ut$enbgeficf>t u>ar allerbings aud> nicf>t
geeignet, fiel) bem ©ebäd>tnis cinjuprägen, aber trot}-
bem — er tannte cs nid>t.
6 einc Slugcn glitten über bie nadten 2 lrme, benn
bie tursen 3lrmel reichten nur bis an bie ©llbogen,
blieben einen Tlugenblid an ben träftigen £änben mit
ben breitgebrüdten Tlägeln Rängen, gingen bann
coieber in bie S)öl >e unb umfaßten unter ber burd?-
brodjenen 93lufe bie fefummernben weißen @d;ultern —
unb ba ©s fdmttelte il)n plö^lirf? fo, baß feine
Bälme jufammenfdüugen, große 6 cf)weißtropfen feine
6 tirne feuchteten. ©>a tarn es wie ein SBogen unb
SBaflen in bic finftere OTauct feiner ©ebädjtnislofig-
teit; fie I>ob fid? nod) nicht, aber er tourte plößlid) ganj
genau, baß feine §änbc in jenen buntlen Stunbcn
etwas 2 Beid>cs, SDarmes umfaßt gehalten.
©ifig quoll es ißm ben ?ttiden herauf, feine $aare
fträubten fid> — bas füllte er beuttid). 9ttit einem
bumpfen Saut fant er 311 t (Seite.
©>er Kommiffar richtete if?n auf, }d>ob ben 21 rm in
ben feinen unb fagte rut?ig : „Kommen «Sie an bic
Suft."
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Grjä^lung pon §. Schobert.
179
„Qdj ^>at>e £ote nie feigen tonnen," ftammelte £oh
cntfd>ulbigenb.
Unb bann fafj ec mieber im SBagen unb fuhr in feine
2Boi>nung — allein! 92lit ihm fuhr ein ©taufen, bas
ihn fcfwttelte.
„Rber bas Rteffer," bad;te et, „u>o märe bas 9Tteffcr,
mit bem id> getötet Ijaben tönnte?"
©r befafj feines, momit man eine fold;e 2Bunbe
hätte beibringert fönnen; feine einzige SBaffe mar in
feinem 6d>teibtifd>e, ein Reoolper. Rn bett backte et
in biefem Rugenblide mit einer 2lrt oon ©ehnfucf)t als
bem einjigen feftftehenbcn fünfte in biefem 2öirrfal
pon Rngft unb Hnbegrciflid)feiten.
Rn bet Rtorbftelle mar fein Reffet gefunben morbert,
unb bod) tonnte bie SBitnbc nur oon einem fdjarfen,
bold>artigcn ftnftrumente herrühren, fo tief unb lang,
mie fie mar. Rber menn er fcf>on in jenen ©tunben fo
oiel Unbegreifliches getan fjaben follte, bann mar es
auch nid>t ausgefchloffcn, bafj er irgenbmo ein Reffet
getauft unb es fpäter irgenbmo miebet oerfteeft t>atte.
©r begriff ja felbft jet}t nod> nicht einmal, macum er mit
fo oiel Raffinement gel;anbelt tjatte, nad)bcm er fief) be-
müht gemorben, baß er mit 23lut bejubelt mar. Ruch
ba hatte ec nod) unter einem unbegreiflichen gmange
geftanben, mie it>tn, je länger er barüber nad)bad)te,
befto flarer mürbe.
2Bat ba ein gaben, bec bas unbemufjt ©cfd>el)ene
miteinanber oerbanb?
grau ©rüctner mar ju bec Suftijrätin gelaufen.
Rllein trug fie bie ©efct>ehniffc nicht mehr.
©abine perfiel in einen SBeinframpf, unb auch bie
Rätin faf$ jitternb in ihrem ©tuhle, bem fonberbaren
SBefen ihres fünftigen 6d>miegerfohncs mährenb ber
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180 S^ifc^cn fccn 6tunben. □
letjten Soge nadjgrübelnb. Qtpeifellos toat ettoas mit
it)tn ni<f)t in Orbnung, aber ju biefem fd)cufjlid)en
93erbad)te permod)te fic fid? bod) nid)t aufjufefuoingen,
fein Vorleben fprad) ju laut bagegen, fein ehrenhafter
Sl)arafter, bet fid> if?r fo oft enthüllt l)atte.
6ie tat alles mögliche, 6abine ju beruhigen, fpatte
toebet gute nod) tabdnbe 2Borte, aber es gelang il)t
fd>led)t. Srft naef) mehreren 93ecut)igungsmitteln per-
fid bas junge 2Mbcf>en in einen guftanb ber Srfd;öp-
fung, bet es ber ©lütter erlaubte, bie ©Öolmung ju
perlaffen.
Silig ging fie ju it)rem 6d)tPiegerfof)ne. Sr faf$
nod; immer am 6d;reibtifd) in fd)toerer geiftiger ©e-
preffion. 2lls feine 6d)toiegermutter it)tn bie £anb auf
bie 6d>ulter legte, judte er jufammen unb fal; oerftört
auf. 6eine ginger umfpanrtten frampff)aft ben 9lc-
polocr, tpäl;renb feine 2lugen fdjeu über bas il;m fo
liebe, gütige ©eficfrt glitten.
„©lein armer £eo," fagte fie betoegt, „bu bift fcf?r
tränt!"
,,3d) toeifj es nid)t, ©tama!"
„3a bod) — ja ! ©tan fiet)t es bir ja an. ©Dillft bu
bid; nicf>t ju mir ausfpred;en? ©u toeifjt bod), toie
lieb bu mir bift!"
<Sic nahm if>m rut?ig bie Söaffe aus ber $attb unb
legte fie hinter fief). ,,©id)t falmcnflüd;tig tperben!"
fagte fie ernft. „§>u I?aft ^flid)ten!"
„©Deifot bu alles, ©tania?"
„Dilles, lieber 6otm, unb es toirb fid) auftlären!"
„$>u glaubft alfo an mid)?" Sr fal) fie forfdjenb an.
6ie t>ielt bem ©liefe ftanb. „©Die an mid; felbft, £eo !“
§>a beugte er fid) über ifjre £anb unb füfete fie.
Ss fdjütteltc ilm orbentlid). „6ag felbft, toarum tonnte
fo ettoas gcfd)el)en fein — bics Sntfetjlidje — “
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□ ©rjählung oon §. ©chobert. 181
,,©u fannteft bas ^Habchen nid>t?"
„2tie gefehen! — ©laubt «Sabine etrna — “
6 ie faf> an il>m porüber. „ 3 d? toeif} es nicht, Seo.
^ebenfalls ift fte halb unsurechnungsfähig por ©djtnerj
unb Kummer.“
©r nahm ein 53tatt Rapier porn ©d?reibtifch unb
reichte es ber 9?ätin. ©ie las es langsam burd?. ©s
enthielt bie Sluflöfung feiner Verlobung mit ©abine.
„SBarum?“ fragte fie, unb it?re ©timme jitterte
nun bod>.
„ 2 Benn icf? aud? fein 921örber bin, bin ich bod? ein
unheilbar ^ranfer! ©old>er 3ufunft barf *4) Sabine
nicht cntgcgcnfütjren, bagegen fträubt fid) mein ©l?r-
gefühl unb meine Siebe 311 ihr.“
©ie 91ätin meinte. ,,©s rnirb fid? alles aufflären,
Sco, fei beffen perfid?ert! ©in fo feltfamer 3 uftanb
braucht beshalb noch feine unheilbare S?ranff)eit ju
fein."
©t aber 30 g ben 9?ing pom ginget unb brüefte ihn
in il>re S)anb. ,,©s mufj fein, 9Itama — liebe 92tama,
mache es mir nid;t noch fd;tperer!" ©ie umfaffenb
lehnte er feinen $opf an ihre ©dmlter, bann geleitete
er fie 31 m ©üre. ,,©eb! ©et? jettf!" bat er.
„geh fomme aber roieber," fagte fie, inbem fie bie
kreppe hinabging. —
2 lls er an feinen © 4 >rcibtifcf> 3 urücftrat, fah er, bafj
ber 9?epolper fehlte, ©in leifes Sächeln hob feine SKunb-
tpinfcl. ©ie gute Qftama ! 2 lls ob fie bamit bem Söillen
©or unb ©ür perriegclte ! — ©s gab ja mel>t SBaffen —
piele! Ilnenblich Pielet
Sllfo nun auch noch ©abinc oerloren! ©s tat ihm
fo tpeh am fersen, als müßte es brechen. deinen
OTenfchen nun mehr in ber 28elt, ber 3 U ihm gehörte!
©iefe beiben geliebten grauen hotten ein fo unenblich
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182 3u>if4>en ben ßtunben. □
großes, tid)tcs Stüd feines Gebens ausgemacht, bafj
es ihm oortam, als tonne ec fich ohne fie fein SBciter-
leben mehr benten. 2 Das nun beginnen bie cnblofcn
Sage lang? 2 Bomit fie fernerhin ausfüllen?
gort aus 23erlin burfte er junächft ja nicht, fo fehr
es il;n auch brängte; befonbers feitbem er gefehen, bafj
er beobachtet würbe.
2lls er am 2lbenb nach Haufe fam, fanb er 5 U feiner
Übcrrafchung bie Einberufung sum münblichen Staats-
examen auf feinem Schrcibtifcbe liegen.
Er hatte eigentlich bie 2lbfict)t gehabt, jurüefjutreten,
hatte er hoch fogar gefürchtet, man werbe ihn unter
ben gegenwärtigen 93erhältniffcn gar nicht mehr 511 m
Schlufjcxamen julaffen. Er ftarrte auf bas Rapier,
fchwantenb, was er tun follte. 2 lbcr fein S^opf war jetjt
fo tlar, auch nicht bas leifefte Stechen barin erinnerte
ihn mehr an jene furchtbaren Sage, er tonnte wieber
fchatf unb logifch benten wie nur je. 2 Benn er bas
Examen als Sdncffalswürfel anfah? 93eftanb er, gut —
bann würbe er weiterleben, fiel er burch, fo fetzte er
feinem $>afein ein Siel. §>ann war es ja boeb ein für
allemal 311 Enbe.
Er fühlte, wie bec Entfchlufj ihn befreite, alles Halbe,
©equälte war oon ihm abgefallen, mit erhobenem Stopfe
fah er in bie Sutunft.
2 lls 2 lffeffor ging £eo £ot} aus betn ‘•fküfungsfaal.
Er hatte mit ©lanj beftanben, fchütteltc bie glücE-
wünfehenb ihm gereichten Hänbc, warf ju Haufe feinen
graef ab unb pcrEtod) fich bann in eine ftille, tleine
SBeinftube.
Er aß unb tränt. Er baebte baran, wie fehr er
manchmal oor biefem Sage gebangt, wie oiel felige
Hoffnungen er anberfeits wieber baran getnüpft hatte.
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□ ©rjäblung oon §. ©Robert. 183
3 eftt begriff er bas gar nid>t mebt. ©s toar ein Sag
toie jeber anbere — er batte eben ©lüd gehabt. Seine
Slnftrengungen waren babei nid>t einmal fonberlid)
groft gewefen, aber rüdbentenb fd?ien es ibm aud>,
als batte fein 33erftanb nie fo Har gearbeitet wie gerabc
beute. ©t war wieber gefunb, geiftig ganj normal,
mod>te gegeben fein, roas ba wollte.
£eo trat aus bem SRcftaurant unb bummelte jiel-
unb planlos innrer, ©in großer Srinlcr toar er nie
gewefen, bie $lafd>e Seit, bie er fid> sur freier bes
Sages geleiftet, batte er noch nicf>t jur Jjälftc getarnten.
2 lllein febmedte es eben bod> nid)t.
©r ging burd) bie Sauenjienftrafte, an bet ©c-
bäd)tnisHrd;e oorüber unb roollte im ©runeroalb irgenb-
roo Station machen, um bort juSlbenb 511 effen. ©troas
ermattet füllte er fid> bo<i>.
2lls er eine lange, lange Strede unter ben grünen
93äumen babingegangen toar, batte er auf einmal bas
©efübl, als fei ibm bicr alles fremb unb gebeimnisooll;
jebenfalls roaren ibm bie 2 lebenftraften oöllig unbefannt.
Qn bie näcbfte linter £janb, beren grüne fjrifcbe ibn
lodte, bog er ein. SBeitcrbin las er bann ben 2 Iamcn
eines fid? hier öffnenben, nid)t großen ^laftes, auf bem
weifte ^roppläen ficb aus grünem Olafen abboben,
benen mufd>clförmige 33ante fid? anfdjloffcn, tyotye, bid>t-
belaubte 23äume, Blumenrabatten —
©r judte plöftlicb jufammen. §>en <$$laft tannte
er bod) feit jenem entfcftlicben borgen ! ©r batte oer-
gebens oerfud>t, ibn toieberjufinben, nur unbeutüd; in
bämmernbem Stebel toar er ibm in ber ©rinnerung
geblieben. 3 eftt aber tannte er alles toieber — jene
33ant, ben gelben $ies baoor —
Sllfo bter toar es getoefen, too ibm bie 93efinnung
jurüdgetommen toar l 3Deit genug entfernt oon feiner
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184
3nnfd>en ben Stunben.
53ehaufung war cs ja. ©r fetzte ficf> auf eine 23ant unb
legte ben Sjut neben fid>. ©ec ganje alte Sammet er-
wad;te wieber in it>m.
33om Shirfürftenbamm f>er tarnen jwei junge Stäb-
chen 2lrm in 2lrm, ladjenb unb plaubernb; man faf>
ihnen an, bafj fie aus gutem |jaufe waren. 2ln bem
2lffeffor ooriibergehenb, flog bec S^opf ber einen, ber
53lonben, plö^Iid> rüctcoärts, ein ^aar blaue Slugcn
ftarrten if>n fetunbenlang erjtaunt an. ©ann fd>üttelte
fie ben 2lrm bec tleinecen ©d)warjen, unb Seo Sotj
hörte ganj beuttid), bafj fie erregt rief: ,,©as ift er ja,
£anna l“
Sie tehrten um unb tarnen noch einmal oorüber,
gefpannt, ihn mit teinem 23lict oerlaffenb.
2luch ec fah fie nun näher an, wuftte aber beftimmt,
ec tannte teine oon beiben.
©anj langfam gingen fie wieber an feiner 23ant
oorbei; eine brennenbe ftrage tag ihnen offenbar auf
ben Sippen.
Nod; einmal basfelbe ©piel. Unb biesmal lächelte
Seo £ot$ ein wenig über bie Neugierigen.
©a fafj auch fäton bie lebhafte 93lonbine neben ihm,
unb mit einem ganj in ©lut getauchten ©efid>t fagte
fie: ,,©ie -finb es — nid;t wahr? — Sich, tommen ©ie
uns boeb ein bißchen entgegen unb fagen Sie, bafj ©ie
cs finb ! Sjanna unb id> h<*ben ©ie hoch fd?on fo lange
gefucht!"
©t fah auf S)anna, ein fchwarjhaariges, molliges
Stäbel mit fel;t bleichem, neroöfem ©eficf)t, aber er
wufjte beim beften SBillen nicht, was er ben beiben
antworten follte. ©ie waren ihm oöllig unbetannt.
©ie 23lonbe ftarcte ihm unausgefeht in bas ©efid?t,
man fah ihr ben Nrger an, baft ec fo fremb tat.
„©eben ©ie hoch, Mannas ©efid;t ift nod; immer oon
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Gcjä^tung »on ©djobert.
185
bcm Schlage an ber linten Seite gejdjroollcn," fuf)t ftc
rote überrebenb fort. „Zlnb geblutet bat fiel 3d; fage
3()nen, minbefiens nod) eine Stunbe! ©en ©ottor
t>at it)re SKutter gleid) fjolen müffen! — 3a, unb bas
2lutogelb finb roic 3(men immer nod; Jd)ulbig!"
Sic griff nad) intern ^ompabour, er aber l;ielt it?rc
§anb feft.
„Sie oerEennen mid>, meine ©amen,“ Jagte er.
„3d> roeiß oon all ben erroätjnten SreigniJJen nicht bas
minbefte."
23ebrücEtes Scf)roeigen.
©ann Jagte eine roeidje, betrübte 91täbcf)enftimme:
„llnb icf> l)atte Jo Jef?r gehofft, unjer fetter roürbe
oiclleidjt mein Slmulett gefunben l;aben. Hm ben
23crlujt bin id> Jo Jel;r traurig!“
27tit einem Satje Jtanb £co £otj auf ben JJüfoen.
„Sin Slmulett?" Eeud;tc er. „2Bie Jaf) es aus?“
„Sin golbenes ^ettdjen mit einem 2lnl>änger in
©reieetform, barauf Stäbchen, SMgeld)en unb mpjtijd;e
3eid>en. SReitte ©ante Etat es mir aus 3nbien nüt-
gebradtt. Ss gibt roof)l in 93erlin nid;t leid)t etroas
2il;nlid)es — unb id) bin Jo Jef>r traurig um ben 23er-
luft.“
„2lls roir mit 3J>nen l)ier auf ber 23anE JaJjen, l)at
§anna es neulicf) nod) gehabt,“ fiel ©rete ein.
£e o Jd>roinbclte es, feine §änbc jitterten. Sin ©efül)l
bes Srroürgens Jdmiirte ifmt fajt bie S^ef?lc 31t. „2lrt
roeld)em Sage roar bas?“ Sr Jptacf) Eautn, er flüjterte
nur erregt.
„2lrt einem 92tontag Jpät abenbs. 2Bir Eamen boef)
oon Cläres ©eburtstag," Jagte ©rete prompt.
Sr 30g jc^t Saftig bie 23rieftajd)c heraus unb ttafnn
aus einem Seitenfad) ben ftunb.
271it einem 3ubelfcf)rei JtrecEte $)anna bie S;anb
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186 Steiferen ben Sturtben. □
banad) aus. „Allein Slmulett!" jaucbjtc fie. „93tein
Slmulett !"
„SBarum mollten ©ie utiö benn aber nid)t mieber-
erfennen?" fd>molltc ©rete jetjt. „<$ch habe ©ic bod>
gtcicf> ertannt!"
©r fetzte fid? mieber, fein ^erj jammerte, ec mar
ganj blcicf>. „©ie müffen mir alles mm jenem S'agc
genau crjiiljlen, meine ©amen — bitte alles! ©enn
an jenem Slbenbe, ja — ba mar idj mol>l frattf. 3 d>
erinnere mid> leiber an gar nichts mehr.“
„S^rant? — ©as tann fdmn fein!" fagte ©rete
finnenb. „©in bißd)en tomifd) maren ©ie jebcnfalls,
fo langfam unb benommen im ©preeben unb in allem,
u>as ©ie taten. 2 lber fonft unfer fetter aus bec 9lot —
ein echter ^aoalier!“
©ie fat) ganj ftolj unb frot> aus, als fie bas fagte.
©as erlebte häßliche Slbenteuer befam nun nod) einen
ganj romantifd>en Slnftrid).
2 lber in il)m mar nur ©rängen nad> Sluftlärung.
©r natjm bic meinen 3Häbd)ont)änbc unb preßte fie feft
3 mifcf)en feinen Ringern. 9Uir t>ören, ben buntlen ©palt
feiner ©rinnerung ausfüllen, mieber 9Ilcnfd> metben —
mie einft!
„SBir tarnen alfo r>on Cläres ©eburtstag,“ begann
©rete, „unb es mar febon fpät gemorben, meil mir fo
oergnügt gemefen maren, unb Cläres ©Itern, bie maren
fd>on in S^arlsbab.“
„58ie fpät mochte es mof>l gemefen fein?“
©ic jungen 9!täbd>en fat>en fid) fd;eu an.
„923abrbeit, meine ©amen, bitte 333at?rt>eit !“
,,©s mar faft jmölf llbr, als mir oon §alenfec auf-
brachen,“ geftanb ©rete enblid) {leinlaut. „3Bir gingen
311 5 uf$, benn bic 23omle mar fo ftart gemefen, unb mir
fd)leubcrten unfere ^anbtäfdxhen bei jebem ©ebritt
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n Grjä^lung »on §. ©Robert. 187
oor- unb rüdwärts, weil wir jo vergnügt waren,
unb ba fam ber fd>redlid)e 92tenfcf> uns entgegen. SBir
betamen fo grofje Slngft, bafj wir, um tfnn ju entgegen,
oom Kurfürftenbamnt rechts abbogen unb ju taufen
anfingen. Slber ba war er fd>on bid>t neben fjanna,
riß it>r bas Säfcfjdjen aus ber^anb, unb als wir fdjrieen,
t>ieb er wütenb mit ber fjauft §anna ins ©efidjt, bafj
it?r bas Sölut gleicf) aus Tttunb unb 21 afe lief unb fie
otmmädjtig würbe. — Unb ba tarnen 6 ie, nahmen
§anna in ben 2lrm unb führten fie auf biefe 23anf,
lernten itjren Kopf an 3 f?re 6 d>ulter, obgleid) gt?r 2 ln-
jug ganj oolt 53lut würbe — unb bann lief id> nad)
einem 2luto, unb Sie l>oben £janna t>incin unb gaben
uns ©elb, unb — unb bann tarnen wir nad? £>aufe."
§>a rifj Seo plöijlid) bic beiben 9Häbcf>enf)änbe an
feine Sippen unb tüfjtc fie wie walmfinnig. Söeinen
tjätte er tonnen oor ©lüd, wie fid? alles fo natürlich
auftlärte, wie er wiebergeboren würbe aus jenen Sagen
ber 2 lngft unb bes ©ntfetjens, als er an fid) felber irre
geworben war.
$>ie jungen 9Häbd;en erfefwafen bei biefer gewalt-
famen ^ulbigung unb warfen fid> ängftlicf)e 23lidc 311 .
©r lächelte fie etwas befangen an. „9tid>t böfe fein !“
bat er. „Slber id) möchte nocf> fo oiel — fo oiel wiffen t
©eien 6 ie lieb unb erjagten ©ie mir nod) mel)r —
fcf)on für bas gefunbene Slmulett."
,,7lber wir f?abcn ja fd;on alles crjälplt !" meinte
©rete. „ 2 !kl>r gibt es wirflicf? nid>t!“
„ 3 d; tarn alfo oon biefem ^latj t>ier — nicf)t waf>r?
Olmc S)ut, etwas fd>wcrfällig unb langfam — nidjt
wafjr?“
„ 3 a! 3 a!"
-* „Unb ©ie ertannten tnid; besf>alb feilte gleich wieber,
weil id), wie bamals, ol>nc £ut faft?"
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188
3u>tf4>ert feen ßtunben.
„3<h |>ättc Sie aud) im $ut mieberertannt, nur
§anna mar fo ängftlich. Zlnb fie fchämte ficf> aud>, rneil
fic fo ftarl geblutet unb Sie befchmuht fyat, ober fie
blutet ftets fehr ftart, auch bei ber geringsten 33er-
le|ung."
©r fal? auf bas fülle, bleiche Stäbchen neben firf>.
3t>r Ejaat mar fchmarj, bie Schultern toeief? unb ooll.
Silles, mas unbemufet in fein 93ea>u^tfein gebrungen
mar, fanb er betätigt.
,,Sd) rie 5 r ^ulein §anna bei bem Überfall?“
fragte er.
„Stein! — Sie mar ganj ftumm. Slber ich l^abe
laut aufgefdnieen , bamit uns jetnanb tjörte unb 511 t
Sjilfe tarn. — Sie tarnen ja aud>!“
„Unb um mieoiel Uhr maren Sie ju §aufe?“ fragte
er meiter.
„Ilm halb jmei ! — ^3apa tarn mir ja mit feiner ithr
in ber Ejanb entgegen. ©r mar ebenfo aufgebracht mie
beforgt ! — 3<h betarn oiel Sd;clte!“
Slufjaud^cn hätte er mögen ! §>cr SJtorb mar nach
ärztlichem ©utad>ten jmifdjen jmölf unb ein Hhr gc-
fchehen, ju einer Seit alfo, als et jmei jungen SHäbchcn
— mie er nun einmanbfrei nacbmeifen tonnte — Inet
feine §ilfe angebeihen liefe, ©ott fei ©>ant! $ein
Sitelchen mehr fehlte an feinem Silibibemeife !
©rete lachte bei ber (Erinnerung füll in fid> hinein
unb fah fehr erftaunt auf, als £eo bie 33itte ausfptad),
ihren 33ater nod> heute fprcd;cn 511 bürfen. S>ann ftellte
er fich in aller gorm oor. „Stoch heute!“ brängte er.
,,©s fteht fehr SZÜchtiges für mich auf bem Spiele!“
©retes 33ater mar Sanitätsrat, bie Soacfnmsthalet
Strafe in ber Stähe; es tonnte fein, baft er gerabe nach
Ejaufe getommen mar.
Stach einer Stunbe hielt £eo £ot$ feinen fd;riftlid;en
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Srjählung oon §. Schobert.
189
2llibibeweis in £änben. ©er Slrjt I>attc wie jur hop-
pelten Veträftigung aud) feinen Stempel unter feinen
Kamen gebrüdt. 3h n intereffierte bie ganje Angelegen-
heit fef>r. ©afc jemanb in biefem ©ämmerjuftanbe fid;
wie ein t>erfd)lagener Verbrecher benehmen, ja fid)
felbft bafür galten fönnte, mar ihm neu.
Am nächften Atorgcn brachte grau Vrüdner ihrem
Atieter ben Kaffee. Auf ber glatte lag ein Vrief.
Scheu unb gebrüdt fpraef) fie ihren ©lüdwunfd) aus.
„Hnb ein Atörber bin id> auch nid;t, grau Vrüdner,“
fagte er ernft unb ftricf> ficf> über bas £aar. ,,3d) tann
cs jetjt beweifen."
Sie brad> in ©reinen aus. „Aber, Sjerr Affcffor —
bas habe icf> bod> aud> nid>t gebad)t!“
,,©od> ! — Hnb meiner Vraut unb Schwiegermutter
haben Sie es aud) erjählt.“
„3a ! B a 1" ßie rang bie $änbe. „Aber es mar bod;
auch alles fo fchredlich — fo oerbächtig!"
„Bft Bhnen nicht gleichseitig mit bem Verbaut auch
bie Erinnerung getommen, bafj ich fo gelebt habe, baß
man mir ©crartiges nicht ohne weiteres jutrauen
burfte, grau ©rüdner? Sehe ich aus wie ein Ver-
brecher?“
„©och, £err Affcffor — bamals fd;on ! So fchredlich
oerftört, fd)eu unb ocrfchloffen t Hnb bann ber fehlenbe
£ut ! — Hnb warum hatten Sie mir teilt SBort oon bem
blutigen Ansugc gefagt?"
Er fchüttelte ben S?opf. „Bch weiß cs nid;t l — 3d;
war tränt! — Bct 3 t erft — ganj allmählich hämmert
mir bie Erinnerung. Aber immer noch untlar unb
nebelhaft.“ — Er ftredte ihr bie $anb entgegen.
„Alfo — oergeffen Sic alles. — Söas finb wir benn,
aud) wir rid;tenben uttb rächenben Atenfcf)en? Vlirtbc,
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190
3n>if<$en ben etunbcn.
Hnoerftänbige, tocnn cs fi<f> um Slusnatjmcfälle fjanbelt.
— ©as toeift ©ott!"
„©ie ftrau guftisrat toar geftem abenb aud) Iner,"
bcfteütc bic grau, nod> immer fcf>lucf)3enb unb bis in
bic ©rbe hinein bekämt unb reuig.
Seo fui>r auf. 60 fd>nelt f>atte er fid) noef) niemals
angejogen, fo fdmell toar er nocf> niemals bie (Strafte
f?inabgelaufen.
©ie guftisrätin öffnete felbft.
„22tama — 221ama!“ jubelte er unb fiel it>r um ben
§als.
„Allein lieber gunge!"
©r jaucf>äte auf. ,,©s ift alles getfärt. S^ein Schatten
liegt mef>r auf mir t Sofort gef>e ieft auf bas ^olijei-
präfibium unb bringe ben 93ecoeis meiner Scfmlblofig-
feit. — 2öo ift Sabine?"
©a ftürjte fie fefjon in bas Sanier. „£eo ! 921cin
Seo !"
Sacftenb unb tocinenb hielten fie fid> umfaftt.
Scfton bei feinem ©intritt fam £co ber S?riminat-
fommiffar freunblid) unb mit ausgeftredtcr fjanb ent-
gegen. „2Bir l)aben ben Sftörber. gn biefem Slugen-
blid toirb er febon bingfeft gemacht fein. gd> gra-
tuliere !"
©er 2lffeffot 30g feinen 2llibibctocis f>eroor unb bat
iftn, bas Sdjriftftüd burd>3ufel)en.
2lber toäftrenb ber anbere las, fiel if>m noeft etroas
ein. „Slbcr mein S)ut? — 2Bie fam tooftl mein §ut an
jene Stelle?“ fragte er.
„Sie toerben in gbrem ©ämmersuftanbe tnol>l aud>
im ©iergarten getoefen fein," meinte ber S^ommiffar.
„©in gtoeig f>at bort gftre S?opfbebedung abgeftreift,
oftne baft Sie es bcad;tctcn. ^ebenfalls lag er nid?t toeit
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Srja^lung pon Sj. ©erobert.
191
t>om Tatorte bes SHorbes am 9tanbe bes 2Beges unter
einem 23aume.“
Seo ftrid) fid> über bie (Stirn. „geh glaube, id> füllte
einmal eine plötzliche S^üt>Ie auf meiner (Stirn, ein
Seidjterroerben bes Kopfes.“
„2llfo fef>en ©ie ! — Selben ©ie l — Silles jufammen
mar roirflich eine Slnhäufung oon ^nbijien, bie ftu^ig
machen muffte!“
©er Slffeffor ftrid) fid) aufatmenb über bie ©tirn.
,,©ott fei ©an! für bie enblid>e Klarheit! — Slber bei
Snbijienbetoeifen toetbe id; nad; biefem Srlebniffe bod)
in Sutunft red;t uorfid)tig fein. @s ift ettoas fefjr
23ebentlid)es, nur banad) ju urteilen. — Seben ©ie
mot)l, §err S^ommiffat!“
Ilnb bann umfingen Seo Soij bie Söellen bes grofj-
ftäbtifd)en Sehens rnicber, in bie er erleichtert unb froh
hineinfehritt.
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grüßte, die der fjerb/l bewert.
t)on 6. $aldy.
Olit 14 ßüöern na<f> «Original? ^
aufnabrtun öcs Dcrfaljcra. (no^örutf orrbsti.i.)
3 n bas bumpfe23angen umbcnfcheibenben Sommer
mifd)t fiel) a>ie ein nochmaliges le^tes ftarfes
Stuffladern aller Sinne bie herzhafte fjrcubc an bcn
fraftoollen, lcud>tcnben Farben bcs $erbftcs. Für
empfinbfame Gemüter allerbings bcbcutet bie Seit
oorn 93ratmonb ab einen barbarifetjen Gingriff in ihre
äfthetifchen Gefühle. Slichtsbeftotoeniger febähen oicle
SUcnfchen ben §crbft hbber ein als ben Frühling, ganj
abgefehen oon ben realen SBerten, bie er jeitigt. 5>ie
jarte, gebrochene Farbentönung, fräs «reiche gnein-
anberiibergehenbe ift eben nicht jebermanns Gefchmad;
ber £crbft bagegen hat für gefunbe Gemüter ettoas
Faches, fröhliches, Slufmuntcrnbcs.
§>ic ^auptuürhmg bes Sjerbftes liegt in feinen
beloratioen färben unb in feiner flaren £uft. Scharfe,
helle Farben ohne 2iufbringlid)feit unb ot>nc tnallige
Gffcttc, trot* aller £eud;tfraft bejent nebeneinanber
gefegt unb als Gartjes gcfchtnadooll arrangiert. SUit
bcn einfachsten Mitteln — nur mit 23lättern unb Früch-
ten, benn bie 23lüten finb jurn allergrößten Geil oer-
fd;u>unben.
SftitS^ot fchafft ber S^crbft bas meiftc, bann mit Gelb
unb hartem Grün, bajtoifchcn blaufchtnarjc unb pur-
purne 33ccrcn, in ben Gärten auch ein paar in jartem
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23on S. ijalbp.
193
Steife. ltnb bie Veeren geben ber §erbftespracht bie
„petfönliche Vote“. 9tot in bidjten Trauben ber Schnee-
ball unb bie ©berede, befcheibener Stafeholber unb
^edentirfche. $ufeerlich appetitlich fdjwarä, innerlich
aber höd)f* unappetitlich Sigufter, holunber, ftaul-
baum. Vlau bie «Schlehe unb orangefarben bie leucf)-
tenben Samenmän-
tel bes Pfaffenhüt-
chens. 9tot beherrfcht
faft unumfehränft
bie ftarbenfinfonie,
bie anberen färben
Hingen mehr ober
toeniger beweiben
bajtoifchen.
©>as 9*ot hot fei-
nen ©runb. ©s
fid;ert ben ^ortbe-
ftanb ber 2lrt. ©in
wenig mertwürbig
flingt bas, aber es
ift fo. 9?ot ift eine
£odfarbefürbie Vö-
gel, bie fid> nach
beftem können an ben gebotenen Veerengaben güt-
lid; tun. ©>ie Sterne, bie Samen, gehen nicht ben
2Beg bes Vergänglichen, ber Vogelmagen oerfchmäht
fie, unb fie oerlaffen ihn „auf biefem nid;t mehr
ungewöhnlichen Stege". Ster weiß, wo fie hinfallen?
©>arin liegt Prinjip, benn bie Pflanje fud?t anbere,
fernab üegenbe ©ebiete. ltnb fie tut's burch gütige
Stitwirtung bes Vogelmagens. §>arum wunbert man
fich manchmal, wo bcerentragenbe Sträud)er h cr "
tommen, bie fonft weit unb breit nicht ju finben finb.
1911. II.
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Frücf>te, bie bet ^ecbft bewert.
194
□
©ie ©aben bes ^erbftes finb reich, fic tonnen ein
riefiges 23ogelt>eer ernähren. 2lber.es gibt ©ourmets
barunter, ©adwerftänbige unb auch 33öotier eines guten
£ifd>es. ©päter freilief) werben bie 2lnfprüd;e fjerab-
gefd;raubt, unb man nimmt, was ba ift. 2lud) unter
ben Vierfüßlern gibt's ^einfcf^mectcr, namentlich unter
ben jieclidjen, eleganten 21tarberarten. 2Bas bie aber
haben wollen, muß füß fein unb faftig, unb bas
©effert mufe ben ootangegangenen 2Hahljeiten ent-
fprechen.
©äs poefieoolle 93ilb bes leuchtenben S^erbftes wirb
fomit alfo red>t profaifcf>e 2Dirflicf>teit. £ier wie überall
in ber 2tatur, objwar fiel; bet felbftgefällige 92tenfd;
einbilbet, baß alle Farbenpracht nur ju feinet 2lafen-
unb 2lugcnweibc ba fei. ©ie Statur oerfolgt mit bunten
Farben febt felbftfüd>tige 8wede, unb if>re fd>cinbare
£iebenswürbigteit ift baf>er teineswegs auf ben 92ten-
fd;cn gemünjt.
$m allgemeinen tritt man benn auch ben ©aben,
bie ber £erbft braunen in ber Statur befeuert, mit einer
gewiffen 23orfid>t gegenüber, ©s mag fein, baß ba eine
gewiffe ataoiftifebe Stegung rnitfpielt, bie in leuchtenben
ftarfen Farben SBarnfärbungen erblidt, ät>nlid? manchen
Sicren. 8um allergrößten Seil finb biefe S23efürd>-
tungen unbegrünbet, benn bie beutfehe Flota weift nur
wenige 93eerenfträud>er mit ftart giftig wirtenben
Früchten auf. immerhin läßt ficf> auch ^> er i>ie Satfacbe
feftftellcn, baß gerabe bie am febönften gefärbten Veeren
am fd)led>tcften fd)tncden. ©s ift weiter ju berüd-
fid>tigcn, baß nid;t jeber Organismus in ber gleid;en
SDeife nach bem ©enuß ber 23eerenfrücbte reagiert.
2Bäf)renb bei bem einen nicht bie geringfte SBirfung ein-
tritt, tonnen beim anberen ©rfcheinungcn auftreten, bie
in ber Sat an ben ©influß oon ©iften erinnern. $n ben
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53on 3J. §albp.
195
meiften Zöllen aber toirb bic fanfte SBirtung bes gut-
mütigen Sthabarbers bic 5°l3 ß fein.
33cmertenstoert ift bie ©rfcheinung, bafj fid? ber
5rud)tanfat$ bet 33eercnfträud;er ähnlich bem bec tulti-
oierten Obftgehölje oert)ält. SJtand)c Qatjre bringen
einen fet>r reichen ftrud>tfcgen, mähtenb anbere eine
auffaltenbe Slrmut
auftoeifett. Stun
f inbet in bec Statut
fclbft toieber ein
Slusgleid) infofern
ftatt, als bei ber
großen Slrtenjahl
ber ©etoächfe ber
Fehlbetrag weniger
in ©rfcf)einung tritt
unbfürbenmenfd)-
lid)cnfjaushaltpc-
funiär nid)t fühl-
bar toirb. Sritt
allerbingsberSlus-
fall bet natürlichen
(Ernte infolge ir-
genbtoelcher !lima- . ,, c
ti«fw (SrMKimm- aisarotoe.febctn.
gen unb bergleid;en auf, fo !ann er fid> im Haushalt
ber Statur recht nachteilig fühlbar machen unb für bie
Siertoelt immerhin unerfreuliche Stadtteile nach fid)
jiehon. ©od) finb berartige S3ortommniffe feiten .unb
mcift örtlid; befchräntt. •• • •
33etrad)tet man bie Früchte bes §crbftcs ein toenig
ootn botanifchen 0tanbpuntt aus, fo toirb man balb
finben, bafj fie red;t oerfchicbener Slrt finb. ©emcinhin
nennt man atoar fo aiemlid; alles „33eere", toas ini
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196 grüßte,. öle ber £erbft befeuert. □
Sjetbft im Meinen gormat braufoen an ben £eden als
grucf)t prangt; ber sünftige Votaniter ertlärt fiel) aber
bamit nicht immer einoerftanben unb f?at für oieles
beftimmte Veseidmungen, bie allerbings l)ier nicht fo
fet>r oon 2J3icf>tig-
teit finb. Qmmer-
I?in mag ermähnt
merben,ba^gerabe
unfere fjäufigften
^erbftfruchtfträu-
d)er,bie2Bei^born-
arten, feine Lee-
ren, fonbernßtein-
früd>te tragen.
©erabe biefer
foeben ermähnte
SSeiftborn aber fam
bei unferen Vor-
eltern in einen
9?uf, ber il?n mit
einem förmlichen
Nimbus umgab. 2Bo er ftanb, lag ein 6c hat* oer-
graben. die 2lnt)änger biefer otfulten Behauptung
hatten fich allerbings auf alle gälle in ©rwartung un-
oorhergefehener 6d)wicrigfeiten bei ber Hebung folcher
6chäh« mit einem gewiffen Vorbehalt oerfehen: wer ben
6d>ah heben wollte, ber beburfte ganj beftimmter pet-
fönlicher ©igenfehaften, fünfte unb Begabungen. da
aber derartiges oon gewöhnlichen 6terblichen faum
3 u erwarten war, fo mag es feine Zlrfadje höben, bafr
man bis heute noch feinerlei 6chätje unter einem
SBeifobornbufd) gefunben hat. ©igentümlich ift aber bie
6age oon ber fjeinbfchaft jwifchen 6chwarjborn unb
SGÖeifjborn, bie fo grojj fein foll, bafc ber erftere
Hagebutte.
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□
93on 23. §aU>p.
197
oerborrt, fotoie fid) bet letztere in feinet Bähe be-
finbet.
Oiefer Nimbus um ben SBeifeborn ift aucf> fo siemlid)
bas BierEtoürbigfte, benn mit ben teigigen ftrüd)tchen
ift's nid>t toeit her. ©ine fd)önere, grof}früd)tige 5 orm
aus bem Orient toirb jetjt t>ielfacf> in ©arten gezogen,
ber Bjaroltoeifsborn ober bie toelfche Btifpel. Oeffen
ftrüd)te fd>meden ganj angenehm, unb ber ©traud) toirb
namentlich in Italien biefertjalb äiemlid) ftart Eultioiert.
Oie klaffe ber ©teinfrüd)te ftellt überhaupt ein
recht großes Kontingent ju ben §erbftfrüd>ten. 3n
erfter fiinie Gipfel unb Birnen, bann bie Heineren
formen toie
SHifpel, ©ber-
cfd)e unb na-
mentlich ben
©peierling, bas
berühmte 3n-
grebienj bes
noch berühmte-
ren ©achfen-
häufet Bpfel-
toeins.
2ln £eden
unb Saunen,
roeltoergeffen
unb traumoer-
loren, treibt ficf>
ein ©trauet) her-
um, ber heute
oöllig mißachtet ift. ©eine fchtoatjen, faftigen Beeren-
trauben glitjern an blutroten ©tielen in ber ©onne, aber
bie Bienfd>en gehen an bem freunblid) gebotenen ©egen
oorbei unb achten feiner nicht mehr. Bor brei-, oiet-
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198
^rücfjtc, bie bcr §ccbft befeuert.
Rimbert 3ahrcn unb nod) länger, ba lag bie ©ad)e frei-
lid? anbers, ba ftanb bcr fdjtnarje ^olunber in erfter
S?eif)e. Silles an ihm toar pcrtoenbbar, pon ber SBurjel
bis jur Elcinften 33 eere, ganj abgejetjen bapon, baft er
natürlich auch jauberlräftige ©igenfd)aftcn befaß unb
mit ber pierten ©imenfion auf pertrauteftem ftufcc
ftanb. §eute ift er ein Slfd>enbröbel. SBollte aber Slnno
bajumal einer einmal eine Jrudjttraubc pon ihm haben,
fo ging er 311 bem ©trauet), fniete, bie fjänbe faltenb,
por it)m nieber unb fpract> : „f^rau ©Ilhorn, gib mir mas
pon beinern S^olj, bann roill id> bir ppn meinem aud)
rpas geben, u>enn es toächft im SBalbe."
©eltfatn finb bie 93e3iel)ungen, bie ber §olunbcr
ober Roller (pom althod>beutfd)en ^olan-tar) 311 bem
altbcutfctjcn ©otcnfult hatte. Silit feinen Steigen nat>m
man bas Sltafc 311m ©arg, ber £eicf>enful>rmann trug
eine ^eitfehe aus $olunbcrt)ol3, unb auf ben ^rieb-
I;öfen geipiffer ©egenben tnirb mit Vorliebe ^olunber
gepftan3t. ©er alte 3ubenfriebhof in ^rag mar über unb
über mit 311m ©eil uralten 5 >olunberftraucf)ern be-
ftanben.
©er ^olunber u?ar pon jeher ber Sintifieberbaum
erfter klaffe, unb bie 23 lüten finb ja aud) heute nod) als
rpirtfames fd)tpeißtreibenbesSHittel offi^incll. ©asSanb-
oolf, bas betanntlicf) aucl) besüglict? feiner pfleglichen
Heilmittel }ef>r lonferpatip ift unb oft mit Sled>t, ift
nod) heute piclfacf) ber Slteinung, bafc bie ££ähigfeit
biefer ^3flan3C, S^ranfhciten 311 heilen, gerabesu un-
befd)ränlt ift. 3 n pielcn ©egenben toerben aud) bie
23 eeren im Haushalt permanbt.
Qn ähnlicher SDeife hat ficb bas 93 ol! eingehenb mit
bem Hugebuttenftraud; befchäftigt, ben man freilich mehr
unter bem Slatnen ber Hedenrofe fennt. 93 et bec
auf$erorbcntlid)en 93 cbeutung, bie bie Slofe im Seben
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33on 23. §ali>2).
199
früherer Seiten einnahm, tonnte es nicht ausbleiben,
bafo fiel) auch auf bie u>irtfd>aftUd; Ijecjlid) unbebeutenbe
$rud)t, bie Hagebutte, ein wenig oon bem ©lanj über-
trug. ©ie 6age ber früI>d>riftUd?en Seit will wiffen,
bafc ber ©traud) mit Vorliebe ba gebiet), wo früher
bie attgcrmanifd)en heiligen Haine ber ftrigga ftanben.
©eshalb burften bie
Stoeige nur an einem
Freitag, bemSag ber
ftrigga, gepflüdt wer-
ben. Sn manchen
©egenben nennt man
bie Hagebutte Subas-
beere, weil fiel) Qubas
an einem ^ageborn-
ftrauch errängt tjaben
fotl.
Sn öfterreich oer-
wünfd>t man £eute,
bie einem täftig finb,
in ben ^etfd^erlberg
(Hetfcherln = Hage-
butten). ©iefer Het-
fd>erlbcrg ift weit weg,
minbeftens fo weit toie bas ^fefferlanb; er ift höchft
langweilig, man finbet auf it>m nichts weiter als Het-
fcherln unb begegnet feiner tebenben «Seele, bat)er gilt
er aud) fd;wa^t>aften grauen als ber wahre Ort ber
23crbammnis.
Über alle fttü^te ber beutfd)en ftlur erhaben war
aber grau ^ranewitt ober 91t ad) anbei, bie 2Bad)olber-
bcere. ©ie mannigfachen ihr innewotmenben Heil-
fräfte, jum Seil angebietdet, jum Seil wirflid) oor-
hanben, machten fie sur „heiligen 53ecre“. ©ie hilft
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200
fruchte, bie bcc §ecbft befeuert.
□
gegen ©ift unb duften, Rheumatismus unb ^Icc^ten,
©eitenftechen unb ©djlaffucht, gegen ©chwermut unb
Slöbfinn, tuej einfach gegen alles. „ftrau Madjanbel"
war unübertroffen. §>as 93olt bewies if>r eine ©i?r-
furefjt, bie ihres-
gleichen nirgenbs
mehr finbet unb
bie in balb zärt-
lichen, balb rc-
fpettoollen ta-
rnen wie Sjeibe-
fegen, 2Balb-
fegen, ©naben-
regen unb fo wei-
ter ihren 2lus-
bruef finbet. §>a-
ZU tommt noch
bie mertwürbige
©rfcheinung, bafj
bie 93ecren jwei
3ahre lang rei-
fen; im erften
finb fie grün, im
Zweiten fchwarz. 33cücbthcit — nur bie reifen finb
natürlich oerwenbbar — hat aber oft einen fehr realen
£intcrgnmb: wegen bes ©djnapfes, ben man, nament-
lich in ©ebirgsgegenben, aus ihnen bereitet, ftntereffant
ift ferner bie £atfad>e, baf; bie Machoiberbeeren als
energifches ©esinfettionsmittel galten, unb in zahlreichen
^ßeftorbnungen bes Mittelalters unbfonftigen ärztlichen
93orfd>riften bei ©pibemien in biefer Seit finben wir
fehr oft bie Slnorbnung, Macholberbceren z u tauen.
3nsbefonbcre folltcn fie burch ihren aromatifchen ©e-
fchmad ben ^efthauch unterbrüden. 23is man in einer
©anbbom.
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93on 95. §albp.
201
Späteren Seit ganj anbete Sluffaffungen 00 m 5Befen
unb oon bet Betämpfung einer Geudje annahm. 2lls
Bäuchermittel get>t übrigens bie SBacholberbeere auch
heutzutage noch, in erster fiinie jur Berbefferung ber
£uft, bann aud> als Oesinfeftionsmittel, welch legeres
immerhin einige Berechtigung haben mag. Oie Beeren
werben einfa<h auf eine heifee Ofenplatte gelegt, wo
fie balb unter 8ifd>en unb Gummen einen [ehr an-
genehmen, ftart aromatischen ©eruch oerbreiten.
Oes SBacholbets SDohnort ift ganj feinem äußeren
©harafter angepafct. ©in bunteigrüner, burd> feine
gefchloffene Jrorrn
faft als abfonber-
licher ©igenbröb-
ler erfcheinenber
Gtrauch, meibet er
bie fetten SBohn-
ftätten bes tulti-
oierten ^flanjen-
philiftertums unb
jieht fich in großen
©cfellfchaften —
aber babei toiebet
jeber für fich —
aufbiebürren, fan-
bigen unb fteini-
gen £änge fonni-
ger Gtrid;e jurücf.
©in im Stampf
ums Oafein ©e-
übter, fich feines inneren SBcrtes wohl bewuftt, geht
er ben 00 m Söaffer burchjogenen Söcibegrünben aus
bem 2Bcg unb mahlt jene Bobenftriche im Berein mit
jenen töftlichen, ftartbuftenben unb fonnenliebenben
Bcrbcrilje.
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202
gfrüchte, bie ber Herbft bcfd>ert.
SBürjträutern, bic if>m geftatten, bic targen 2tai)rungs-
ftoffc in fd>ät$bare Heilmittel in fict) umjuroanbeln. Sc
ift ein Sigener, ©infamer, ber unnahbar boct in ©onne
unb £ict>t jtoifchen ben aromatifd>en Hcüträutern unse-
res fianbes ftefjt.
Zlnb er hat nocf>
einen bcerentra-
genben Kollegen,
beebie SBohlhäbig-
teit ber einfamen
©röfjeooräiehtibie
Sibe. Sin präd)-
tiger, beforatioer
©traud), oft aud)
93aum, mit feinen
herjhaft buntei-
grünen 23lättern,
bem leuchtenben
roten ©amenman-
tel unb bem jart-
blauen ©amen, ftür unb loiber l;at man gegen bie Sibe
gefchrieben, unb 933at>r!?eit unb Dichtung tonnten fid>
lange nicht fd)ciben. 3nbes, bic rote Hülle bes ©amens
ift nicht giftig, nur bie grünen STeile toeifen getoiffc
tojcifche Sigenfcbaften auf. §>ie Sibe toar in ©eutfd)lanb
früher oiel mehr oerbreitet als l)ocbgefchä^ter Söerttjolj-
baum, une oicle oon ©egenftänben aus Siben-
tjolj in ben norbbeutfehen OTooren beftätigen. ©pater
Hat fich grau ©age ihrer bemächtigt unb einen fd)auer-
lid>cn Sttpthentranj ob ihrer ©cfährlkhteit um fic gc-
tooben. S>abei jeigt fid> toicbcr einmal bic merftoürbige
£atfad;c, toic man ocrfucht hat, einem 23aum mit aller
©ctoalt einen fddeebten tarnen anjuhängen; ein
St>ronift aber fpricfjt feine 33crtounberung barüber aus.
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33on 33. Sjalbp.
203
baß bi« roten grüßte ttoij bes üblen 9?ufes bes 53aumes
oon S^inbern bennoch ohne jeglichen 6d>aben gegeben
toerben. ©ie Übertreibungen gingen fogar fo roeit,
bafe man behauptete, bie 9tähe bes ©ibenbaumes bringe
3 U getoiffen Seiten unfehlbar ben ©ob, es tourben ihm
alfo ähnliche ©igenfehaften untergelegt roie heute noch
bembasbetannte^feilgiftüpasSlntiar liefernben llpas-
baum. 3m Speffart toieberum, jenem einfamen ©ebirge
mit feinem abgefchloffenen, namentlichen 93oltsftamm,
ift man toieber ganj anberer Meinung unb behauptet
bort, bafj ein 6tüd ©ibenholj feinen Präger oor jeglicher
Sauberei fchüije,
benn „oor bet
©uipc la to gau-
ber bleibe“.
Sluffallenb ift,
bafc fich bas 33olt
fo toenig mit bem
Sanbbornunb ber
93erberihe, bem
6auerborn, bc-
fchäftigt hat. ©er
letztere, ein her*
oorragenb fd>öncr
^erbftftrauch mit
reifen orange- bis
blutroten grucf)t-
trauben, hätte bod;
eigentlich bie 2luf-
mertfamteit allge-
mein erregen müffen. Sttetttoürbigertoeifc galt er ober
gilt auch noch in manchen ©egenben für giftig, toährenb
bod; gerabe bas ©egenteil bergall ift. $)enn bie grüßte,
bie oiel ber ©efunbheit fel;r juträglicbe Slpfelfäure ent-
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204
grüßte, bie ber §ecbft befeuert.
galten, geben eingemacht einen recht fdjäfeenswerten
Beitrag für bie Küche ab. gn rohem Suftanb fchmeden
fie ftart fauer unb erforbern bafeer, um bem ©aumen
jujufagen, einen erheblichen Suderjufafe.
©en gleichen Vorwurf ber ©iftigfeit mußten fi<h bic
hübjehen, erbfengrofecn, fdjwarjglänjenben Früchte ber
bieberen ffaulbaumartcn gefallen taffen, ©ut fd>mec!en
bie ^fü«h^ alterbings nicht, aber ihre ganje ©ifttoir-
!ung befteht in einer fehr milben SBirtung auf ben ©arm.
Unb auch &ie *f* inbioibuetl immerhin recht oerfchieben.
Shrem 9?ufe ber ©chäblichteit auf ben menfchlichen
Organismus haben es ficherlich oiele ber heimifchen
^rüchtefpenber ju oerbanten, bafe man fie in 9?uhe
liefe unb fo ungewollt ihren Veftanb fid;erte. ©enn
ber Vtenfd) bes VMttelalters hegte eine ftarte ©cfjeu,
gegen ©iftpflanjen oernichtenb oorjugehen. ©r fürch-
tete fie unb ging ihnen aus bem 3Beg, ohne ihnen etwas
juleibe ju tun. ©as entfprang auch jum Seil einer
rein persönlichen 2lngft, benn nach ferner Slnficht hatten
bie ©iftpflanjcn burch fteinbigen „Umgang" mit
Sauberem gewiffe ©igenfd>aften erhalten, bie fie in
ben ©tanb fefeten, ihre ©egner auch ferntoirtenb ju
fd;äbigen. ©ie alten ©eutfehen fprachen mit §afe unb
furcht oon ihnen, fie wagten aber nicht, ihnen ju
£eibe 511 gehen.
2lu<h ben ©pinbelbaum bchanbelte man aus biefem
©runbe mit einer 2lrt OlefpeEt. ©r war ber ftrigga
geweiht unb galt als heilig; vielleicht, bafe barin noch
eine ataoiftifd;e Regung lag, bie feinem ©cfmfee günftig
war. ©enn bic präd;tigen Früchte, bie Pfaffenhütchen,
finb in SBirflichteit gar nicht fo harmlos, wie man
oermuten follte. 6ie wirten breebreijenb, hoch tommen
Vergiftungen — unb auch friefe finb nur leichter 2lrt —
fo aufeerorbentlich feiten oor, bafe man oon einer wirf-
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□
2Jon 23. Halöp.
205
liefert fchäblichen ©iftigfeit nic^t fpredjen fann. ©in
mit reifen ftrüchten befetjter Spinbelbaum gemährt
einen ungemein hübfehen Stnblicf. §)ie tiefrote ftrucht-
hülle beginnt nach oollenbeter Reife ju planen unb läfet
ben träftig orangefarbenen Samenmantel burchleudjten,
ein beloratioes Rleifterftüdchen ber Statur, bas bei reich-
lichem ftrucht-
behäng nie feine
fchöne SSirtung
oerfehlt.
Ungleiche
©rüber in bet
ftarbe finb bie
Hactriegelartcn;
fchmars - toeifj-
rot, geben fie
bas 93ilb bes
Reichsbanners.
Xlnb jeber hot
feine eigene be-
fonbere Schön-
heit. Suerft ber
blutrote Hart-
riegel, Riafehol-
ber, an Heden
unb im $elb-
gebüfeh überall mit feinen frühjeitig etfeheinenben
fchtoarjen ©eeren auf blutroten Stielen. Rud? bas
Saub färbt fid> bunlelrot, braunrot, blaufchmata. Rtit
biefer ftarbenmetamorphofe erreicht ber fonft ganj un-
fcheinbare Strauch feine SBirfung. Rlitten hineingefe^t
in ein unruhiges hellfarbiges ©h aos » ift er mit feinem
bunflen ©mft „ber ruhenbe ^3ol in ber ©rfcheinungen
flucht“.
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206
Jrüdjte, bie ber Hcrbft befeuert. □
daneben glitzert fein prunfooller 93ruber, bie Oür-
liije. 2Bie leuchtenbe Rubine funteln bie anfetmlichen,
tönnd;enartigen ffrüd)te in ber ^erbftfonne. ©in
ungeheurer ^ruchtrcichtum überbedt in manchen fah-
ren benftattlid)en
Strauch. Öiufjcr-
lich finb ja bie
Früchte in bem
faftgrünen ftrot-
äenben £aub ent-
jüdenb anju-
fehen, gerabe^u
jum Slnbciften.
Slber tnche bem
93ertr>egenen t
Oenn eine Oür-
litje ift ber In-
begriff alles Sau-
ren. Sd;on nach
bem erften h^rj-
baften SBijj zie-
hen fich bie 27lunb-
minfel nicht nur
bis an bie Ohren — nein, bis an bas ^interhaupt-
locb. 9ttan hat bas ©efüijl, als fei burd> bas bifjeben
Saft bie ganje 32Umbhöhle gegerbt — unb nicht nur
uorübergehenb. Oer ©efdnnad bleibt hartnädig eine
ganje SBeile. ©r ift rein fauer, ohne jebe fchäbliche 3Bir-
fung, benn in 3uder eingemacht gibt bie Oürlitje bei
ihrem großen Saftreichtum einen ausgejeidmeten
lulinarifchen ©enufe.
Oann tommt bie tpeifee f^arbe, bargeftellt burch ben
meifjen Hartriegel, einen ameritanifeben Staatsbürger.
53lan finbet bie glafig-meiftcn, quabbeligen 33eeren jetjt
©ürlihe.
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207
D 53on 25. §albp.
häufig in größeren ^arfanlagen im 33ercin mit ber
altbefannten Sanbsmännin Gchneebeere, ber be-
rühmten „S^nallerbfe". Qeffen mag bie beiben fein
9Henfch, nur bie 93ögel oergnügen fid> ab unb ju, ber 2iot
gehordjenb, nicht bem eigenen Üriebe, an ben wenig
fdmiacfbaften 23eeren.
Ttodh einer foll nicht übergangen werben, cinGtrauch,
ber in felw oielen beutfehen S)ecfen faftftro^cnb unb breit-
behaglich mit gertenfdüanfen, kräftigen gweigen oor-
herrfcht: ber fiigufter ober £intenbeerftraud). 3n bitten,
fchwarjen, glänjenben $hren, oft in anfehnüchcr 3<»hl
unbSröfee, ftehen bie Früchte in ungeheuren Mengen ba.
3hrc ©crwcnbungsmöglichfeit ift inbes h^te gtcicl?
9luU, benn fein
Jltcnfch mag fie
effen, felbft bie 330-
gel gehen nur mit
28ibcrwillcn bran.
Oft genug finbet
fie ber einjiehenbe
Frühling noch ein-
fam unb oertroef-
net auf ben fahlen
Gträuchern. fttü-
bet einmal, fcf>on
lange ift bas h cc >
ba bienten fie ber
SBiffenfchaft. 3?tau
wartete, bis fie
ber f^roft gebrüd’t
hatte; bann ocrwanbclte fich ber fabe, füfeliche Gaft in
ein fchtoarjoiolcttes ^uloer. llnb biefes ^uloer gab
eine ocgetabilifcbe £inte ab, bie angeblich fehr gut
gewefen fein foll. §eutc aber fümmert fich fein
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208 Jrücfcte, feie ber fjerbft befeuert. a
97tenf4> mcf)t um ben fcf>warjen i^erbftfegen ba braunen
in ben Reefen.
Stuf 6d)ritt unb £ritt ftreut bet £erbft weiter feine
©oben aus in QBalb unb fjelb, in fttur unb 25ufd>.
$aum, bag ber
2Kenf4> ben QMict
barum aufbebt,
unb wenn fd>on,
bann geu?tß niebt
in ber ©rwägung
pf>pfifd>cn ©enuf-
fes. QBir i>aben
Qipfel, SBirnen unb
anberes Obft, unb
bas ^leinjeug in
ber ftratdenben
$)erbftfonne ift ber
Q3erad>tung an-
Ijeimgefallen, bie-
felbcn grüd>te, bie
ben ©aumen un-
terer Q3orfal?ren
t>or jweitaufenb ftabren nacf> jeber 9?id)tung f>in labten,
©ewiß, fie tmttcn aud) Qipfel, $oljäpfel, unb wer t)cute
einen folcben ißt, wirb taum leugnen lönnen, baft bet
©enuß aud> febon bamals für einen germanifcf>en SJiunb
ein ausgiebiger unb nad)brüdlid>er gewefen fein mufj
älmlid) bem ber ©ürlitje. Qlber unfere llreltern waren
wenig wäblerifd), unb was nict>t gerabe unbebingt
giftige Quittungen batte, bas würbe bem 97lagen mit
28ol)lbel)agen jugefübrt.
Ob bas gar fo fcbled)t gewefen ift? Oenten wir an
93ärenfcf>inten mit ^agebuttenfofje, an Jjirfdwüdcn mit
S)imbeet- ober 23rombeerfompott. 3<f> glaube, man f>at
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23on 25. §ali>t).
209
Slnno bajumal bcffcr gelebt, ohne Surrogate unb ohne
Mogeleien, als in manchem heutigen Ijppermobernen
ßurhotel.
©as, toas bie 9iatur braunen im §erbft aus freien
Stücfen bietet, nutjbringenb ju oertoerten, tann l^eut-
jutage nicf>t mehr 2lbficf)t fein, ftatjrfmnbertelange
Kultur t>at unfere jetzigen Obftarten gefdjaffen, unb mir
tönnen leichten §erjens auf beren Urahnen oerjichten.
©ie fortfchreitenbe SMtioierung bes fianbes hat auch für
ben Slufmerffamen [d>on bie93eftänbe ber milbtoachfen-
benftrudjtfträu-
eher ftart beji-
miert. 2Han
barf bas nicht
überfeinen, tocnn
man bebentt,
bafc bie 23ogel-
mclt jum ©eil
in recht erheb-
lichem SBafje
oon einem gün-
ftigenSrnteaus-
fall bes §erb-
ftes abhängig ift.
Stuch fie hat fid>
freilich &ie Äul-
turcrfolge bes
Sltenfdnen teilmeife äunuije gemacht, unb manche be-
fieberten fiecfermäuler forgen fchon bafür, bajj bie
fruchte, bie ber £erbft ihrem ©egner OTenfcf) befchert,
ihnen ju einem er£lecflicf>en ©eil als ©ribut jutommen.
Brombeere.
❖
1914. II. 14
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♦
♦
♦
♦
mannigfaltiges.
i
{flad)dru<f »*rb#ten.)
Tic Hnfllütfefafjrt bei „WcfJtun". — 21m 30. Rlärj 1880
perlicß ber Scbraubcnbampfcr „Rcptun" bcn §afcn pon Sipcr-
pppl, um eine 2lnjal?l pon Raubtieren für eine amerüanifdjc
Rtenagerie nacf> RcmRorf ju bringen, ©er ©ampfer batte
in auf bem Borbetbcd befonbers angelegten Bcrfcblägcn nicf>t
meniger als fc<f>s £ömcn, jroei Tiger, brei Scoparben, fieben
Spänen, brei Skfanten unb eine 22tcnge llcinerer Tiere an
Borb. Bur Fütterung ber Raubtiere rparen meutere Rferbc
mitgenommen morben, bic roäbrcnb ber Jabrt gefcblachtet
merben fofltcn. ©er ©ampfer gehörte einem geipiffen games
Robinfott, einem 2lbenteurcr fcfüimmfter Sorte, ©ie ©ifjipliit
auf bem „Rcptun“ trar, mie bic fpätcrc Berbanblung por bem
£mcrpooler Scegeridxt ergab, äußerft locfcr. ©ie 28ad?cn
mürben nur unregelmäßig bejogen, unb ber größte 3Tcil ber
picrjef»n 2Rann ftarten Bejahung roat ftänbig betrunfen. ©ie
Rüc^tcmften blieben nocf> bic pier Rtenagcricmärtcr, bie jur
Begleitung bes Transportes pon RemRort befonbers f>crübcr-
gelommen marett, ältere Scute, bie tyren Rflicfitcn, bem
füttern ber Tiere unb Reinbalten ber Käfige, genau nacl>-
tamen unb ficb pon bem tpüften Treiben an Borb nacf> Rlög-
lichfcit fernhicltcn.
2lni 12. 2lpril trat, mie ber Kapitän als leßtc Rotij in bas
Schiffsjournal eingetragen batte, biebter Rebel ein, ber Pier
pelle Tage anf>iclt. ©a bei bem unfiebtigen SSetter eine
Orientierung unmöglich mar, mußte man fcbließlid? nicf>t
metjr, mo man fid> befanb. Treibern fiel cs (einem ber Scfüffs-
offijiere ein, bie Sd?nclligfcit bes „Rcptun“ ju perringem
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Mannigfaltiges.
211
ober bic Machen ju perftärfen. Unb bies l?ättc unbebingt
gefächen muffen, ba bcr Kämpfer gerabc jene Meeresbreiten
burchfuhr, bie rnegen ber bie Schiffahrt fo aufecrorbentlich gc-
fä^rbenben g=rühjahrstrift ber gisbetge pon jebem pflid)t-
getreuen Sd;iffsführer nur unter befonberen Borfichtsmafe-
regeln befahren werben.
gn biefen Jagen, wo nur graue Stebelfluten unb gurgelnbe
Maffer bas ^aferjeug umgaben, fucfjte fid? bie Befafeung porn
Kapitän bis jum letzten Heijer Ijerab mehr benn je butd>
reichliche gufüljrung pon 2llfobol über bie gintönigfeit ber
f^ajut hinwcgjuhelfen.
2Jnt 16. 2lpril nachmittags lief ber „Steptun" jwifchen jwei
gisbergen hinburch, bie man allerbings in bem bienten Slebcl
nicht feljcn tonnte, beren Stähe jebod) an bcr rapiben Jempe-
raturabnalnnc unb bem Branbungsgcräufch nur ju beutlid)
ju fpüren war. 2lbcc auch biefe Begegnung brachte bie Be-
mannung nicht jur Befiitnung. gn ber folgenben Stacht gegen
jwei Ufu morgens hatte einer bcr Menageriewärtcr feine
Scblaftabine pcrlaffen, ba bie Raubtiere in ihren Berfchlägen
plöfelid) einen wahren Höllenlärm perübten, ©cm Märter
fiel cs, als er bas Bcrbed betrat, fofort auf, bafe bie Jcmperatur
abermals bcbcntlich gefunten war. Slufecrbctn glaubte er auch
pon porwärts bas 9tauf<hen branbenber Mögen ju höcen. Slus
23orfid,>t gebachte ec biefe feine Beobachtungen, beren fd,?wer-
wiegenbe Bebeutung er pon früheren Seereifen h^t fannte,
ber Mache mitjutcilcn. Siirgcnbs war aber eine folct>e ju ent-
beden. Stur auf ber nichtigen Konmtanbobrüde lehnte ein
pcrfcblafener Matrofe am Steucrrab, ber betn porfichtigen
Märter jeboch groben Jones bebcutete, er folle fid> nicht um
©inge fümmern, bie ihn nichts angingen.
gtwa eine Biertelftunbc fpäter — bcr Märter war bereits
wicbcr in feine Koje juriidgetehri — liefe ein furchtbarer Stofe,
bem ein mehrfaches Krachen unb Splittern folgte, ben ganjen
Schiffstörpcr erbittern. Silles ftiirjte entfefet an ©cd, benn
jcöcc fürchtete, ber „Steptun“ würbe in ber nächften Minute
wegfinfen.
©a bet Jag erft ju grauen begarm unb ber nod; immer
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KUmnigfaltigcs.
herrfchenbe Kcbcl bie fjinfternis noch unbur<höringli<her machte,
war bic allgemeine SJcrwirrung um fo größer. SJu^crbem
bilbete bas ©cd ein wilbes ©urcheinanber pon Stangen,
Spieren unb ©auwert, burd) bas man fi<h nur ferner einen
28eg bahnen tonnte. 23acen bo<h bic beiben Ktaften — ber
„Keptun" führte außer ber ©ampfmafchine noch 93rigg-
tatelage — burd> ben Knprall abgebrochen unb teilrocife auf
bas 93erbed niebergeftürjt.
2lls bie ficute noch h a ^ wahnfinnig por 2lngft umfjcr-
rannten unb eben mit bem Klarmachen ber Kettungsboote
beginnen wollten, ertönte plöt}li<h ber Schredensruf: ,,©ie
©iere finb los!“ Unb wirtlich fat> man jetjt auf bem 33orber-
bed bei bem unfidjeten Sichte ber ^ofitionslatemcn bunfle
©ierförpet jwifd)cn ben ©rümmem bet haften hin unb h c *
hufd>en. Sd?on wollten einige Klatrofen, bie fich fd?nell mit
Korfweften perfetjen hatten, über 23otb fpringen, um ber
hoppelten ©efal>r ju entgehen, als ber Kapitän fie noch * m
lebten 2lugcnblid juriidjuhaltcn permochte, ©enn ba ber
„Keptun“ je^t nach bem 3ufammenftof} oöllig regungslos ba-
lag unb felbft bie fchaufelnbc Bewegung pollftänbig aufgehört
hatte, tonnte Kapitän Kobinfon ben ganjen llmftänben nach
nur annehmen, baß fein Schiff auf ein treibenbes Sisfelö auf-
gelaufen fei, fich barin feftgeteilt höbe unb baher bie Sefürd)-
tung, ber ©ampfer tonnte fcfmell wegfinfen, nicht beftänbe.
®ic ganje Sefa^ung ftürjte nun wicber in wilbet §aft
auf bas ijinterfchiff unb brängte fiel) in ben beiben 23ohn-
räumen bes Kapitäns jufammen, too man eilig bie ©üt unb
bic gfenfter bes Kajütenaufbaues perrammclte.
®ei Slnbruch bes ©ages jeigte cs fich bann, bafj Kobinfon
bas Kichtigc permutet hotte, ©er „Keptun“ lag in ber flachen
2(usbu<htung eines riefigen ©isberges feft unb unbeweglich.
Sc war auf eine fid; unter bem 2Saffer weit porftredenbe Sis-
junge aufgefahren. tonnte man bei bem ftetig junehmen-
ben ©agcslidit auch enblich bie Kcrwüftungen überfchauert,
bic bie ftürjenben Ktaften auf bem ©cd angerichtet hotten,
©ie Kommanbobrüde unb bas Kartenhäuschen waren jer-
fehmettert worben, cbenfo ein ©eil ber Kcling, unb basfclbc
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Ntannigfaltiges.
213
©chidfal mußte ben größeren STcll ber auf bem Norberbed
ftel>enben Naubtiertäfige ereilt haben, b<^ mehrere ihrer 25c-
wof)ner, brei Söwcn, bas £igermännchen unb brei Seoparben,
^n>ifcf>Gn ben Krümmern balb l>icr, balb ba auf tauchten.
Noch an bemfelbcn 23ormittag würbe bann t>oit ben ©ier-
wärtern unb einigen mutigen Ntatrofen bec 23erfud) gemacht,
bie 23cftien jurüdjutreiben. 8u biefcm gwed Ratten fiel? bie
Heute mit ben in bet Kapitänsfajüte oorhanbenen Neooloetn
— anbere Schußwaffen befanben fid) nicht an 23orb — unb
auch mit langen ©tätigen bewaffnet, bie an ber ©piße bict>t
mit geteerten Sappen umwidelt waren. Nlit biefen primitioen,
in 23ranb gefegten Radeln ftoffte man bie Raubtiere am leid?-
teften einfd)üd)tern ju tonnen. Slbcr troß biefer Hilfsmittel
mißlang ber 93crfud> oollfommcn unb foftetc außerbem noch
einem ber Ntatrofen bas Heben. ©iefer Hatte fid) ju weit oor-
gewagt unb war oon einem ber Sbwen im ©prutige nicbcr-
geriffen unb jerfleifcfjt worbett, ohne baß man if)nt ju Hilfe
eilen tonnte, ©ein bie Ncroen aufpeitfehenbes Hilf e 9 c fd)cei,
bas erft oerftummte, als bie übrigen Heute fd)on wieber unter
©cd geflüchtet waren, fd)üchtcrte alle berart ein, baß niemanb
jum sweiten Ntale fid) hinauswagen wollte, ©ie 23efaßung
war alfo in ben beibert 33ohnräutnen bes Kapitäns, aus benen
nur eine einjige 2tir auf bas ©ed führte, eingefchloffen, unb
jtoar ohne alle Nahrungsmittel unb ohne einen Xropfen ©rinf-
waffer, benn bie 23orratsräumc lagen im 33orfd?iff, unb bort
trieben f ich bie Naubtiere umher.
2lls brei ©age oerfloffen waren — injwifchen hatte man,
fobalb fich eine ber 23eftien bis in Schußnähe an bie Kajiit-
fenftcr heranwagte, regelmäßig aus ben Ncooloern ein oöllig
ergebnislofes feuern auf bie Naubtiere unterhalten — fpornte
Hunger unb ©urft bie Heute bes „Neptun" ju einem nod;-
ntaligen 93erfud) an, ber Seftien H crc 5 U tnerben ober bod)
wenigftens bis ju ben Norratstammern oorjtibringen. Nlit
teilen würbe ein Sod) in ben fjußboben ber Kajüte gefd;lagen,
fo baß man in ben Saberaum tnnabftcigen unb oon ba aus
weiter burd) beit 9Hafd)inenraum in bas 23orfd)iff gelangen
tonnte, ©rci ber SSärter machten fich benn auch, lieber aus-
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Ktannigfaltigcs.
214
gerüftet mit Kepoloern unb Radeln, auf ben 23eg. ©ine bange
93iertelftunbe perging für bic Surüdbleibenben. ©ann er-
tönten (Sdmffe, wilbcs ©efd>rei, unb balb fietterten jmei bet
Söärtcr fcbredensbleich burcf> bas £o<h im Jufcboben in bie
Kajüte jurüd. ©cn britten fjatte ber ©iget in bem ©ange 311
ber Kambüfc angcfprungen unb jerriffen. ©cmnach bef>errfd?ten
bic Seftien nicht nur bas 23erbcd, fonbern aud? bas gnnere
bes ©Sorfchiffes, wohin fic nur burcf» bic fid>erlid; mitjer-
trümmcrte 23orbcrlufe eingcbrungen fein tonnten.
Qöieber perging ein ©ag. ©a machte fief? in ber Kadd jum
fünften plöijüd; S3ranbgerud; bcinertbar, unb fd>on am Ktorgcn
bes fcchften ©ages fat> bie Sefatgmg über bem 33orberbed feine
Kaucbwolfcn auffteigen. ®ie ^adcl bes pon bem ©iger ge-
töteten SSärters, bie man nicht mehr batte aufnehmen lönnen,
hatte ben ©atnpfer in Sranb gefegt.
2ltn 3Itittag biefes fechften ©ages mar bie Kaud;cntwidlung
bereits fo ftart, bag bie frei umbcrfchweifcnben Raubtiere fid>
auf bas §interbcd surüdjogen, ipp bie Suft noch frei pon
Kau<hfcf)waben ipar. ©ie por junger unb ©urft bereits halb-
tote ©efatjung begann nun eine toilbc Schicfjcrci auf bie ge-
fährlichen Katzen, jeboch toieber ohne nennenswerten ©rfolg,
ba bic Kepoloet eine 31 t geringe ©urcbfcblagsfraft unb ©reff-
ficherheit befaßen. Kur bas eine crrcidite man mit ber Seit,
bafe [ich bie Raubtiere pon bem Schiffe auf ben ©isberg flüch-
teten, wobei fic ben hinteren Ktaft, ber fchräg über 33orb ge-
fallen war, als 55rüdc benützen, ©ro^bem wagten bie £eute
fid; erft am Ktorgen bes ficbenten ©ages aus ihrem ©cfängnis
heraus.
gnswifchen hatte bas ^eucr bereits fo weit um fid> gegriffen,
baft bas ©orfchiff in hdlen g^ennmen ftanb. ©as ©cheul ber
in ben Käfigen noch dngefd)lo{fenen ©ierc, bic nun denb oer-
brennen mußten, war cntfe^lid?. 2 lbcr uicmanb permochte
ihnen Kettung 311 bringen, befanb fief) bie 23efat;ung boch in
faft cbenfo furchtbarer Sage. 2luf bem „Keptun“ brütete ihr
ber ^lammentob, auf bem ©isberg bas 23erbcrbcit burd> bie
Kaubtiere, bie fi<h ftänbig in ber Käbe bes Schiffes aufhielten.
©a, gegen Ktittag, würbe am wcftlid;cn ^orijont ber Kumpf
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©tannigfaltiges.
215
eines großen ©ampfers fid;tbar, ber, mie fich fpäter ergab,
burd> bic gewaltige Slauchfäulc bes brennenben „SIcptun" an-
gelodt, feine ^ahrtridttung geänbert hatte. ©as mar §iffc
im lebten Slugenblid. ©ic „Kanaba", ein amerifanifcher
Schraubenbampfer, nahm bic i>albperf>ungerten Seute auf
unb brachte fie nad) Slero $ort. ©en brennenben „Steptun“
unb bie Raubtiere auf bem gisberg überließ man ihrem
Schitffal.
ginc 28 o<he fpäter begegnete ber cnglifd>c Kreujcr „gumbet-
ianb" bem gisberge, auf bem nod> jmei pon ben ©eftien, ein
£ömc unb ber £iger, in pöllig abgemagertem guftanbe umfiet-
fdtlichen. ©iefe Ratten ficf> mätjrenb ber ad>t £age pon bem
gkifche ihrer fdupächcrcn Slrtgenoffen genährt, ©ie beiben
Raubtiere mären bereits fo ermattet, bafj man fie ohne gefaxt
einfangen unb an ©orb bringen tonnte. SB. K.
$a§ 91eft ber Stronfmitjcffiit. — £n ber Stäl>e bes bem
Könige pon Rumänien gehörigen Sd;loffes ^elcfcf) t?at fid>
bic burch ihre Schönheit berühmte rumänifchc Krouprinjeffin
oor mehreren 3at>ren ein eigenartiges Suftf)äuscf)en gefd>affcn,
mie es mohl lein jmeites SJtitglieb einer regierenben §ertfd>er-
familie befitjen bürftc. gmifcfjen ben SBipfeln mehrerer riefiger
^odwalbtannen fdjmebt etma acht SJteter über bem SBalbbobetx
an ftarfen ©rahifeilen ein Räuschen, bas eine im l;oüänbifd)en
Stil eingerichtete Küche, ein ©or3immcr unb einen Salon
enthält — alles in SJtiniaturabmcffungen, möbliert mit jier-
lichen SBöbeln, unb hoch traulid; unb bequem, ©iefes „Steft
ber Kronprinjcffin", mie man cs im ©olfsmunbe nennt, hat
einen ebenfo Jcltfamen Sugattg unb gleicht in biefer ©ejiehung
einer (leinen ^eftung. Sieben bem Räuschen erhebt fid; ein
höljcrner SBartturm, pon bem aus eine Qugbrücfe 311 bem
„Steft" hinübcrgclaffen merben Canti.
©ei ftartem SBinbe febmanft bas luftige ©ebäube gany
bebeutenb. Slls einmal an einem gerabc redit ftürmifdjen Jage
bet pcrftorbcne König ©eorg pon ©riecftcnlanö „bas Steft ber
Krouprinjeffin" bcfid;tigte unb ben herrlichen ^crnblict pon ber
um bas Räuschen herumführenbeu ©aleric genießen molltc,
mufete er fchleunigft micber jur fichercit gebe hiuabftcigen, ba
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28annigfaltiges.
fic|) bei ihm auf bet hin unb f>ct miegenben ©alerie fef>t balb
bie erften 2tnjei<f>ert oon ©eetrantheit bomerfbar machten.
9Rit biefent fonberbaten §aus eng oednüpft ift eine Heine
©cfd>id>te, bie bcutlich bemeift, bafe bas oielfad) angesmeifelte
plötzliche Srgrauen bes Kopfhaares infolge fccüfc^er ©rtegungen
burcf>au8 nicf>t in bas 9teich ber ^abel gehört. Saurat fiiman,
bet bas „91eft" gcfd?affeit hat, crjählt folgenbes: „2lls oor
einer Kcific oon gahren bie f^rau SPrinjeffin mir gegenüber
ben SBunfcf) nach biefent 233albibpU äußerte, ging id> frifcf» ans
2D:rt. 2tber cs toar noch meit oon feiner 33ollenbung ent-
fernt, als bie hohe %xau ju mir fant unb meinte, in oierjehn
Sagen tnüffe alles fijc unb fertig fein, ba ber gar oon Sul-
gariett mit feinet ©cmafüin ficf> aitgentelbet habe. 2lls llber-
rafdtung toollc fie bent g3aarc bas ,2ieft' seigen unb ihren
erften Sec bort geben.
®as mar nun eine harte 2lrbeit. Sag unb Qiacht mürbe
gefefjafft, unb jur beftimmten geit mar benn auch richtig bas
, Qieft' fertig mit allen inneren §oljtäfeluugcn famt Küche unb
©rumtjerum, nebft Surm unb gugbrütfe. gebod; bie f)alt-
barteit mar nicht ausgeprobt, unb bange gmcifel plagten mich
unausgefe^t, ob bie Sragfähigtcit auch genügen mürbe. 2lls
bann ber Qlachmittag tarn unb in betn Sjüttcfjen oben oiel mcjjr
‘•perfonen mciltcn, als ich je gebadet, neben ben hohen ijerr-
fduiften aud; nod) bie §ofjtaatcn unb QHinifter, ba, glaub’ id>,
gab’s (einen forgetmollercn QJtcnfchen auf ber Srbc mic mich.
Zlitb jubem erhob fid> noch ein heftiger ©türm mit peitfehen-
bent Qtegen, fo ba{$ ber Sec ftatt ber feftgefetjten falben ©tunbe
über jmei ©tutiben mährte — für mich eine uncnbliche Qual!
Senn fortmäbrenb peinigte mich ber ©ebanfe, bafz ein Siegel,
ein ©eil, ein Soljen naebgeben tonnte, unb bafz, menn erft
ber Kreis ber 2lnmefenbcn baburdt beunruhigt mürbe, alles
oerlorcn fei. gef» ftcllte mich bireft unter bas ,9tejtchen' — unb
mic langfant oerramten bie Minuten, mährenb ber ©turnt
immer h c f tourbe unb bie Qtiefentanncn h*n unb h ct
fcbüttelte !
5>a ging ein bulgarifd>cr ©eneral mit bent Seibarjt bes
Königs oorbei, unb erfterer fagte feherjenb ju mir: ,9tun,
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9Hannigfaltiges.
217
§err fiiman, 6ie haben ja grofjes ©ertrauen ju 3h r em f<hwan-
fenben ©au ba oben; rote nun, wenn er einjtürjen würbe unb
©ie ftejjen barunter?'
,3a, £err ©cneral,' jagte ich, ,beswegen t>ab' id> mich ja
baruntergcfteUt; fällt er, jo joll er mich als ben erjten begraben!'
2lber er fiel nicht; am nächften 9Horgen jebodj war ich an
ben ©chläfen grau.“ 23. K.
(Sine gelbbienpbung be§ englij^en fteitoilligen grauen*
janitntsturjJö. — ©as in ©ttglanb eingerichtete freiwillige
©anitätsforps oon grauen unb 23äb<hen ber höheren ßtänbe,
bas anfänglich mehr wie eine ©pielerei ausjah, oeroollfommnet
fich, wie eine fürjlich bei Storburp abgehaltene gelbbienftübung
©er Sanitätswagen bes freiwilligen grauenjanitätsforps.
ertennen lieg, mehr unb mehr, ©ic ©titglieber bes Korps finb
beritten. 3f? rc Khaf'uniform befteht aus ©chofoblufc unb ?to<f.
2ln einem ©ürtel hängen eine gelbflajcbe jur ©rquiefung ber
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9ttannigfaltiges.
93erwunbeten unb eine ©afdje mit 9Kunbpprrat. 2luf bem
linfen 3irmel ift bas Kote f?reuj befeftigt. ©ie ©amen fjaben
fämtlicfje linfpften für bie Siusrüftung felbft ju beftreiten.
©as Rprpstier bes freiwilligen ^cflucnfanitätsfprps. .
Sin bei ber erwähnten ^elbbienftübung mitgefüf>rter Sani-
tätswagen enthielt jefm 3dte. Sie würben ppn ben ©amen
in fef>r turjer 3dt aufgeftcllt. 9teun bappn waren jur 2luf-
nabme ppn 93erwunbeten, bas jctjnte für bie Sanitätspffijicre
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Mannigfaltiges.
219
beftimmt. Sobann mürben Tragbahren hergeftellt urtb Magen
für ben Transport oon Rermunbeten jmectentfprechenb ein-
gerichtet. Rufeerbem mürbe ein ^elblajarett aufgefd) lagen.
RUes rolljog fi<h ohne männliche 23cit>itfe fcfmetl unb um[id>tig.
Snblid) mürben Leute als Rermunbete auf bie Tragbahren
gelegt unb nach bem Jelblajarett unb ben 3 c üen gcfci?afft.
Rad> ber Übung entfalteten bie ©amen auch ihre rein haus-
fraulichen Rorjüge. $n bem 3 e H für bie «Sanitätsoffijierc
mürbe Tee bereitet, unb man lub bie Offijiere ju einem ^piauber-
ftünbehen ein.
Mie oiele englifche Regimenter unb ffriegfdnffe ihr Lieb-
lings- unb (Sdmfetier befifeen, [o hat {ich auch bas freimilligc
g=rauenfanitätsforps ein folches jugelegt. Ss ift eine ftatt-
lichc 23ullbogge, bie juglcid) jum 0<hilbmache[tchen abge-
richtct rnorben ift. Tf>. <S.
(Gelungene Sift. — Heinrich Matfchuer, ber Komponift ber
Opern „§ans ^eiling“ unb „Rampir", mar fehr eitel, unb mer
biefe Schmäche ju benüfeen oerftanb, erreichte manches, mas
Marfchner fonft nie gemährt haben mürbe. Sr [teilte fid> Mojart
unb Reethooen gleich unb pflegte bei Rennung ber brei Ramen
ben [einigen ftets juerft anjuführen.
Sin[t fam bet befannte Tenorift 6tigelli, ber Kornponift
bes befannten Liebes ,,©u f>a[t bie fchönften Rügen", nach
§atmooer, bem Mohnorte Marfctmers. Sr fuchtc Sngagement,
unb man [agte ihm, bafe bies oon Mar[d>ner abhänge. Menn
cs ihm gelänge, [ich biefen geneigt ju machen, mürbe [eine
Remcrbung ooraus[id;tlich oon Srfolg fein.
Rm nächften Morgen begab [ich ©tigclli in bie Mohnung
bes Komponiften, liefe [ich anmelbcn unb mürbe angenommen.
Rn ber Tür ju Marfchncrs Rrbeitsjimmer tlopfte er leife unb
jaghaft an.
„Vereint" rief brinnen ber Komponift.
Stigelli aber folgte bem Rufe nid;t, [onbern miebcrholte
nach einer ^aufe bas Klopfen.
Mieber tönt aus bem Innern bes 3*nimers ein „herein!“,
nur fräftiger als oorher, aber mit bomfelben Srfolg: ber Tenorift
öffnet nicht, mohl aber Hopft er jum britten Male an.
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Biannigfaltigcs.
©a l?ört er brinncti einen Stuhl jurücffchicben, einen
ternigen fjluch unb tafele Schritte. nädjften Bugenblide
wirb bie ©ür t>cftig aufgeriffen, Blarfchnet erfd>eint unb fd>reit
bem B3artenben ju: „gum ©onnerwetter, §err, finb Sie
benn taub?“
gitternb wanft ber Kiinftler jurüd, lehnt fid; an bie B5anb
unb ftammclt in tjocbfter Befangenheit: „O — o, Ber — jeif» —
ung, meine Ber — meffenheit, o — "
Blarfcfmcr tritt näher, muftert ben jungen, fmbfchen Btann
unb fagt teilnatmipoll: „Sinb Sic trän!, ober ift 3h ncn etwas
jugeftofcen?“
„O nein, aber — meine Kühnheit — o, bitte, laffeu Sie
mich lieber gehen J"
©er Komponift nötigte nun ben feltfamen Bcfucher in fein
gimmer unb bot ihm einen (Stuhl. „Bun, wirb ^h ncn wohler?“
fragte er.
„Sich nein — i<h h a b e mich übcrfchäht — ich will fort!"
ftotterte ber ©enorift.
„Übcrfchätjt — wiefo?" fragte Btarfdmcr.
„geh ftellte mir cs leichter oor, bem größten Blufifer aller
Seiten gegenüberjutreten. fjfd) wollte meine Stimme oon
ihm prüfen laffen, unb jetjt, wo er oor mir fteht, ber wclt-
berühmte Btann, ba bin ich fchtoach unb befangen wie ein
Kinb !“
^n lurjen, abgeriffenen Sätzen ftiefe ber Künftler biefe
BJorte heroor, währenb feine Blide am Boben hafteten.
„Ba, faffen Sie fi<h nur, lieber ^reunb," ertoiberte ber Kont-
ponift toohlioollenb. „geh glaube gfmen ejern, &afe Sie auf-
geregt finb, tann mir gh rc Befangenheit recht gut ertlären.
Slber nur Blut, Sie fehen, baf} grofec Blänner nicht immer fo
unnahbar finb, wie Sie glauben.“
„f)ier biefe geheiligten Bäume, bie B3er!ftätte 3h CC8 «Schaf-
fens, wo bie unfterblichen B3erfe entftanben, in benen auch
ich bas ©lüd hatte mitjuwirten — “
„Sic haben in meinen Opern mitgewirtt?" unterbrach
Blarfchner ben fchlauen ©enoriften. ,,©ann müffen Sie mir
etwas oorfingen. Kommen Sie ans Klaoier!“
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□ 28annigfaltiges. 221
Stigelli fang, unb am nädjften Sage hotte er ben Rontratt
auf brei «fahre in ber Safchc. ©. G.
$te Stätte im Scheit bc§ fStnbeS. — ©as Rinb ift in hohem
92!aßc ein Slugenblictswefen; es lägt fiet> leict>t pon feinen per-
fchiebenen ©efühlen ganj unb gar beherrfcheti unb bringt
biefe wechfelnbcn Stimmungen aud) äußerlich jum Slusbrucf.
8u feiner Seit int Sieben Iacf>t bet JHcnfct) fo piel wie in feiner
gugenb, nie aber tritt auch bie Sräne fo leicht in feine Slugcn,
als wenn er noch ein Rinb ift. ©iefes f>ot auch noch bas Vor-
recht, fid) äugcrlicf> fo ju geben, wie ihm toirfücf? in feiner
Seele jumute ift, unb biefe urfprüngliche 9taioität unb Un-
befangenheit, biefe 2lrt Unfcfjulb unb Söahrheit machen ja jum
großen Seil ben erfreuenben 9icij bes tinblichen SSefens aus.
©er Grwad>fcne ift fchon ganj anbers geartet als bas Rinb.
Gr l>at ebenfo oft unb noch tiefere Urfad)en jur Sräne. Slbcr
er weiß ben Schmerj ju perbeißen, bas Slugc troefen ju er-
halten, wenn fich aud) bie Sräncnpfortc öffnen möchte. 23ir
Großen laffen uns auch mehr pom Verftanbe leiten unb burch
bie Grfahrung belehren, ©as Rinb aber fteht ganj unter bem
Ginbrucf bes Slugcnblides unb ber jeweiligen Gmpfinbung.
28eil bas Rinb in ber S)auptfad)e noch ein Sinnenwefen
ift, leibet es auch am fchwerften am phpfifchcn Schmerj. 9Bo
bet Grwachfene feinen Schmerj bei irgenb einer Kran f heit
helbenmütig trägt, weint ihn bas Rinb aus unb fühlt fich
wohl baburch einigermaßen erleichtert. 2Ber tonnte ermeffen,
wie piele Sräncnbächlein allein aus biefer ftarfen Quelle tag-
täglich fließen, aus einem Vorn, ber, folange es SHenfdjen
geben wirb, nie perfiegen fann!
2to<h trauriger aber finb pielleicht bie Sränen, bie um
abfichtlich jugefügten Stcibes willen geweint werben. 9öic piele
Schtnerjen werben ben Rinbern bereitet, bie nicht nötig wären!
28ir benten an bie törperliche Sättigung, benten an bie un-
enblid) pielen 9Hißhanblungen, bie im 3*>tn, in ber Unüber-
legtheit, im Ulfoholraufch, aber auch m teuflifcher Slbficht unb
Soshött begangen werben. Sluf ber einen Seite fünbigt man
in blinber Slffenliebe mit wiberlichet Verjärtelung ber gugenb,
auf ber anberen mit finftcrer Strenge unb 9toheit. ©ie englifche
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222
2 Hannigfaltiges.
Rinberfchütsgcfellfchaft fpridü in einem it>rec 93erid?tc oon einet
3äi)lung oon 428 000 gemarterten Linkern, beten ©otbe^iehen
in einer ^rojeffion 81 Stunbcn mähren mürbe. Unter biefen
Unglüdlidten, hungrigen, ©ermahrloften finb 61 000 Rinbcr
mit SQunben, Striemen unb ©ranbblafen bebedt ober mit
gebrochenen ©liebem, erlogenen Augen, ftierem ©lief, ju-
grunbe gerichtet burch AliBhanblungen mit Schaufeln, Stie-
feln, Sebcrricmen, Schiit haten, ©lätteifen, fochenbcm Söaffer,
glühenben 3 an gcn.
Aber auch über biefc häufige Urfachc hinaus fehlt cs nicht
an Anläffen, bie fo oft bas Ritiberauge feuchten. 93ic oiele
fcclifche Seiben hat manchmal auch fchon ein Rinb ju bur<h*
foften ! §ier ift oor allen ©ingen an bas fjurchtgcfühl 311 benfen.
Angft oor einer Strafe, überhaupt oor allem, toas ben $ott bes
Unangenehmen in fich trägt, fchrccfliche AJahnoorftcllungcn —
bas alles treibt äur §ränc unb betoeift baburch, mic oiele
bunflc ©cfilbe auch f<h on im Rinberlebcit 3 U burchmeffen finb.
^armlofcr finb bie 00 m Rinbe fo häufig gemeinten tränen
ber Führung. Rinbcr laffen fich betanntlich leicht rühren,
©ine traurige ©cf<hid>te feuchtet balb ihr Auge; meinen erft
anbere ©crfoneit, fo lodert fich aud? balb ihr oolles ©ränen-
fädlein. ©iefe Sähcett finb aber auch leicht mieber getrodnet
unb fd?ncll pergeffen. 23ic es überhaupt ein glüdlicher Aus-
gleich gütigen ©efehides ift, bafc bie Rinberträncn leicht
mieber ocrfchminbeu unb bei ber nächften $reube fchon mieber
pergeffen finb. ©eibe ©rtreme bes menfchlichen ©mpfinbens
folgen beim Rinbc oft fo fchnell unb unpermittelt aufeinanber,
bafc man mohl behaupten tann, es meint oft mit bem einett
Auge, mährenb es mit bem anberen fchon mieber lacht. ®a-
gegen ift mobl bie eigentliche ^reubenträne bem Rinbc noch
oöllig frentb; metttt es fich glüdlicf) fühlt, bann tann cs eben
nur lachen. Auch bie ©ränc mie bas ©cfühl ber Aklmiut finb
mit bem finblichen A3efcn noch völlig unoereittbar; beibes ju
burchfoften, bleibt bem reiferen Alter porbchalten. •
Glicht bei allen Rinbern öffnet fid? bie ©ränenpforte gleich
fchnell. c Pf>pfifcf>c Organifation unb fcclifche ©efehaffettheit finb
ocrfchicbcn unb laffen bas eine Riub mcicher, bas anbere härter
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□ 9Hannigfaltiges, 223
erfechten. 9Hit biefer Berfdnebenhcit ift bet 2Bert bcc Rinber-
perfönlid)feit noch fcinesmegs berührt. 2tbcr bie ©täne ift
immerhin etmas fo Rinbcrtümlichcs, ein fo natürliches Bentil
für allerlei (Spannungen, bafj es ^öd>ft fonberbar erfcheint,
toenn Rinber nie ober f>öcf>[t feiten krönen oergiefcen,
28ennglei<h bie Rinberträne oft faft um ein Stifts oergoffen
toirb, fo gibt es auch mieber gar oiele, bie bcr fjerbe Stusbrucf
eines gar langen unb tiefen Seibes finb. ©arutn feilte fic|>
ber ©sicher, bem fie jum 2ln!läger unb dichter merben, recht
fein bemühen, fie, a>o es angebracht ift, ju troefnen, toenigftens
bann, toenn es fief? um einen unnötigen Schmerj hanbclt.
©enn toenn aud> unter ©ränen manche ©ugcnb reift toie unter
Schmcrjen bie föftlichc ^crle, fo flieht hoch mit bem 9laf}
bet Slugen auch gar manchmal alles toeiche Smpfinben aus
ber Seele, ©crabc bas Scffcre im Bknfchcn ift burd; bie oielen
©ränen oft ausgeroeint toorben; mancher, ber in bcr gugenb
leicht ju rühren toar, ift oerbittert, hart, tränenlos getoorben
unb läfjt fpäter anbere entgelten, toas einft an ihm gefünbigt
toorben ift. So hmterläfjt bic ©ränc ebenfo toie bas Sachen
ihre Spuren bis in bic gahte ^ es 2lltcrs hinein.
Stur in einem pralle heißt es hart unb feft gegen Riubes-
tränen bleiben, ©s gibt auch heucblerifcbe, ja man fönnte fagen
raffinierte unter ihnen — ©ränen, bie bas Rinb aus Gigcn-
finn, aus Berechnung oergiefjt. 23enn ihm fein 28ille nid)t
getan toirb, bann fpielt es toohl, nachbcm cs alle anbereu
Stegiftcr oergebens aufgejogen hat, mit ber ©räne ben lebten
unb haften ©rümpf aus, ber es fo häufig jum Sieger im
Streite mit ben ©Item macht. 2Bcnn ber Siebling meint,
bann gibt nicht nur bie tocichere SJtuttcr nad?, bann fapituliert
fogar bcr härtere, feftere Batcr, unb bas Rinb befommt feinen
9Billen. Qticht feiten ift bic ©räne bie SSaffe, bic bas Rinb jum
fchrcdüchen §aush)rannen macht, ©a heifot es fcftbleiben
auf feiten bcr ©Item; falfche 9ta<hgiebigtcit ift hier entfliehen
oom Übel. Unb nicht feiten toirb cs ootfommen, bafe bie
©Item einmal in bitterer, ju fpäter ©rlenntnis bie ©räncu
fclbcr nachmeinen, bie fie bei ihren Rinbern in blinber 3ärt-
licbfeit jur Unjcit gefüllt haben, ©entt auch bie ©räiten,
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224 28annigfaltigcs. □
bie bie Sltern fpäter übet ungeratene ober unglüdtidjc Riu-
bet meinen, müffen eigentlich ben Kinbcrtränen jugcjählt
roerben. p. §ocf)c.
SBetbredferifcljer 2ei(f)enl}<mbel. — Unter Subroig XIV.
fe$ten nicht nur Kinberentführungcn, ©iftmorbe, fonbem auch
feltfame Pctbrechen unb anbere Ausgeburten ber §öllc ‘Paris
in Schrcden. ©amals verfchtvanben in wenigen Aionaten auf
geheimnisvolle 23eife fechsunbjtvanjig junge Ptänner, An-
gehörige befferer Pürgcrfamilien. ©ie fcltfamften ©erüchte
fehtvirrten barüber burch Paris. Als König £uba>ig erfuhr,
bas Polt habe eine Prinjeffin im Pcrbacht, fich in 9Henfchenblut
ju baben, brobte er bem ©eneralpolijeileutnant be la Pepnic
mit feinet Ungnabc, wenn et nicht binnen brei Soeben §err
bes friedlichen ©eheimniffes fei.
2a Pepnie ipaubte fich in feiner Pcrjweiflung an ben
befannten £ecoq, einen feiner beften ©eheimagenten. £ecoq
oerfprach, im Verlauf von acht Sagen ben gehcimnisooUen
92ienfchenräubern auf ber Spur 311 fein.
fiecoq batte einen Sohn, ©iefem feßte er feinen plan
auseitianber. ©en jungen fiecoq begeiftertc bas 2 lbenteuer.
Als junger Stuwer, aber tvohlbervacht oon ben Spähern feines
Paters, flanierte er fleißig burch bie Straßen unb Suftgärteu
oon Paris, um ber gefährlichen Sirene aufjufallen, bie, roie
fein Pater fchr richtig vermutete, ben geheimnisvollen Per-
brechern unb Pienfchenräubcrn als Sodvogel biente, ©enn
barüber, bafe bie vermieten jungen Seutc bas Opfer irgenb
eines galanten Abenteuers geworben traten, tvar fich ber
getviegte Kriminalift von Anfang an flar. Pur tannte er ben
vcrbrcchcrifchcn 3 tx>ccf nicht.
©er junge Secoq erging fid; am fünften Sage nachmittags
im Suilcriengarten. ©a begegnete ihm eine bilbfehöne, junge
©atne an ber Seite ihrer ©ouvemante, bie ihm auffalletibc
Plidc jutvarf. ^nftinttio fühlte er, bafj er bic Nichtige getroffen
habe. Sr feßte fich du f eine Pont. Sinigc Piinuten fpäter
nahm bie ©ouvemante neben ihm piat$ unb gab ihm im 2 luf-
trag ihrer S^crrin, ber prinjeffin ^abirouefa, auf ben 2 lbcnb
ein Pcnbcjvous an ber Kirche St. ©ertnain l'Aurerrois.
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©Mannigfaltiges.
225
©er junge Secoq ftcllte fi<b als Stubcnt unb Sohn eines
Sbeltnanns aus Sc ©tans oor unb oerfpracb, pünftlid? jur
Stelle ju {ein.
©er ©ater teilte bett ©erbaut {eines Sohnes unb ocr-
abrebete alles ©äberc mit ifnn. ©er junge Secoq {teilte {id?
pünttlkb an ber J^ircfjc ein, mo ihn bic permummte ©uenna
empfing unb ihn an ein £aus in bet ©Jaifenftrafec geleitete,
©er alte Secoq blieb ben beiben mit feinen Seuten biebt auf
ben Werfen. 2 Bäf>rcnb er feine Slgenten por bem §aufe per-
teilte, mürbe fein Sohn pon bet „^Jrinjeffin“ mit allen geid>en
bet ^rcube empfangen, ©oit ber Srfcbeinutig bes herrlichen
jungen SBeibes betäubt, oergag ber junge ©Mann fid? unb bas
mit bem ©ater perabrebete Signal, unb erft als bie „^rin-
jeffin" ben jungen ©Mann pcrlicjj, um ©t>ampagner ju bcftellen,
benütze ber junge Secoq ihre ©bmefenbeit unb öffnete einen
Scbranf, aus bem it>m picle abgefdmittene ©lenfcbentöpfe
entgegengrin{ten. Sr gab fofert bas Signal, gn bemfelbcn
©ugenblid, als Secoq mit feinen Seuten in bas ginuner brang,
erfebten auch bie „^rinjeffin“ an ber Spitjc oon Pier bis an bie
gähne betpaffneten ©anbiten. gebtt ©Minuten fpäter mar bic
ganje ©efellfcbaft oerbaftet.
©ie fogenannte „‘^rinjeffin", eine Snglänbcrin, biente in
ber ©at einer ©Mörbcrbanbc als Sodoogcl, bic mit ben Seicben
ber Srtnorbetcn einen febmungbaften $)anbel betrieb, ©ic
Körper tarnen auf bic Scjicrtifcbe ber ‘■profefforen ber Sb^urgic
unb mürben gut bejaht.
©ec König, ber bei bem ©etanntmerben biefer fcbcufelicbcn
©erbreeben ben ©usbrueb oon ltnruben befürchtete, gab ©e-
febl, bie ©Miffetätcr alle ©rabe ber göltet burcbmacbert 3 U laffen,
unb fie bann insgeheim binjuriebten. ©en ©oftoren unb ^ro-
fefforen mürbe bei ©obesftrafe perboten, fürberbin pon un-
befaunten Seuten topflofe Scid?cn anjufaufen. 28. %.
©elüiefcner (Sinflufj. — Unter ber Regierung bes garen
©leranber I. erfreute ficb gmrft <-peter ©Micbailomitfd) 28olfonsfp
ber gatij befonberen ©unft feines S}errfd>ets. Sllepanbec unter-
nahm feiten etmas, beooc ec ben dürften nicht erft um feinen
9tat gefragt batte. So fagte er eirtft 3 U ihm: „geh b^e bä
1914. II. 15
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226
©iannigfaltigcs.
einen wunberfchbnen ©riüanten pon feltenet ©röge, ben
mbchte ich gern einem gfreunbe jum ©efchent machen. Ztnb
jwar möchte ich ihn in ben föwpf eines ©toctes fetjen Iaffen.
©eftcllc bod> bie ©acf>e beim Juwelier."
©er geijige grürft war tief erfchroden, als er biefen ©c-
fehl bcs S)ertfchers ijörte. „2lber, ©tajeftät," wibcrfptach er,
„biefer ©rillant ift bod> piel ju wcrtooll, als bafe ©ic ihn
perfchentcn tonnen t“
,,$d) tocif} wohl, ioas er tpert ift," meinte 2Uejanber, „bod>
mein treuefter grreunb foll ifjn haben, unb für biefen ift mir
nichts ju teuer.“
©er Jürft, ber feinen ©influf} befeftigen wollte, rebetc hin
unb her, ber ©tein fei piei ju teuer unb ju toftbar, unb es ge-
lang ihm fchlicfelich wirtlich, ben garen pon feinem ©orhaben
abjubringen. ©r gab ihm ben Auftrag, ben ©toef ohne ben
©riüanten anfertigen ju Iaffen.
©oller ©enugtuung führte ©3oltonsfp ben Sluftrag aus.
2lls ber ©toct fertig war unb man ihn bem Kaifcr brachte,
überreichte biefer ihn bem dürften mit ben ©Jorten: ,,©o,
lieber <Petcr, ben ©toct hotte ich für bid? beftimmt!“
2ilejcanber Iad?te herzlich über bas perblüffte ©eficht, bas
ber gmrft jetjt machte, behielt aber feinen ©tein. 21. ©ch.
©in tutrlfamer 3n^a(ation3at>lmvnt. — ©s ift eine betannte
©atfache, baf} wohl ber größte ©eil aller ©rfranfungen, beten
Hrfachen man fich jumeift nicht erflären tann, auf unbeachtete
ober harmlos angefehene ©rtältungen jurüctjuführen finb. ®t-
fältung unb Katarrh finb bie hauptfächlichftcn ilrfachcn unb
21nfängc pieler fchwerer fieibeit, beim ©afen- unb ©achen-
pcrfchleimungcn , bie erften folgen einer ©rfältung, oer-
urfachen bie plö^lichc ©ntwictlung ber bis bahin frieblich
fchlummcrnben ßleinlebewefen , bie nun ihre perheerenbe
©ätigfeit beginnen, inbem fie bie mit ben 2ltmungsorganen
in ©erbinbung ftehenben ©3ege pollftäubig pergiften unb per-
feuchen.
©roij aller ©Mahnungen unb 2lufflärungen finb feht piclc
©lenfchen gegenüber biefen fcftftehenbcn ©atfachen pon einer
unbegreiflichen ©orglofigteit. ©ic Ilrfachcn aber ber ©rfran-
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Mannigfaltiges.
227
tungen im Keime erftiefen, Reifet oftmals fid? ober anberen bas
fieben retten. Schnell hanbeln f>ei^t alles gewinnen.
3ur (Streichung biefes toirb immer ein guter
gnhalationsapparat bas toirffamfte Mittel bleiben. Unter ben
oielen oorfjanbenen Spftemen z«<<hnet fid? nun ber „Sa 2Jie-
3nt)alatoc" (grig. 1) befonbers oorteilhaft aus unb bilbet fo-
jufagen eine Klaffe für fid>. Seine Bertoenbung erfefjen toic
aus unfeten Slbbilbungen (gfig. 2 unb 3). ©as ©ebläfe be-
äiefmngstoeife ber Minbball ift in feiner ©imenfion fo gemailt,
baf$ ein fogenannter ©oppelapparat oöllig überflüffig ift.
£ig. 1 .
©a man befanntlicf) mit einem beftimmt begrenzten Quantum
'iprejjluft auch nur ein ganz beftimmtes Quantum fjlüffigfcit
Zcrftäuben tann, nimmt bei einer Mehrjahl oon ©üfen bie
©rueftoirfung fogar ab, anftatt bafj fie, toie oftmals zu Unrecht
behauptet toirb, zunimmt, infolge feiner oon allen anberen
2lpparaten abtoeidjenben Konftruttion toirb bie angefaugte,
„ aber nicht jerftäubte überfcfmffige ^liiffigtcit unmittelbar
nach unten, alfo zurüct in ben Seljälter gebrüctt, fo bafe ber bei
anberen 2lpparaten erforberIicf>c ©ropfenfänget unnötig ift
unb ein 2lusftrömen auch nur bes allertleinften Quantums
^lüffigteit in ^ornt oon tropfen ooüftänbig oermieben toirb.
©ic 3ul>alationsflüffigfeit, bie burch bie Betätigung bes Sc-
hlafes in einen t>aud>artig feinen 2tebcl ttmgctoanbelt toirb,
toic bies burch anbere Konftrultionen nie erreicht toerben tann,
ift nun in ber Sage, burch bie natürlichen Sufttoege bis in bie
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228
2Hannigfaltige6.
□
allcrüufjerften ©eile ber £ungc oorjubringen unb fo bie ßranf-
f>eitserregcr mit unbebingter ©id)crt>eit unfcf>äblicf> ju machen.
©cm 2lpparat ift eine gnfjalationsflüffigfeit beigegeben, bie
©auerftoff, biefen für unfer Seben uncntbel>rlid>ften ©toff,
enthält, ©er fünftlid) erjeugte ©auerftoff tötet einmal rabifal
alle Rrantyeitscrreger unb belebt jugleicf) bie erfranften ©teilen.
2tod> einige 223orte über bie 93eru>cnbung bes 2lpparates. .
©iefer barf nidjt t?of)er als ettpa jtpei 3«ntimeter mit ber ^lüffig-
feit gefüllt toerben. ©er überleite ©ummibefjälter bes ©oppel-
gebläfcs toirb mit £uft gefüllt, toas baburd) erreicht toirb, bafc
man ben ©ummifd)laud) an ber ©djlaudjtülle jubrüdt. 92ian
fetjt bann bas 2lusftrömungsrol>r an ben 2Hunb, fjolt rcd;t tief
2ltem unb gibt gleichzeitig mit bem 2ltmen ben ©d)laud; frei,
ff 'S- 2.
fo baft bie bis je^t cingeprefetc £uft ben gnfjalator in 23c-
toegung fetjt, bie $nf>alationsflüffigfeit ju unenblid) feinem
Qlebcl jerftäubt unb biefen ber fiunge unb allen entjünbeten
Organen intenfio jufübrt. 23ei bet ?lafeninf>alation gegen
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Mannigfaltiges.
229
6cf>uupfcu benützt man bie Stafenolipc unb inhaliert in bet
gleiten 23:ife, u>ie cs unfere 2lbbilbung jeigt. Um bet
£uftrpf>rc temperierte 3nf>alation jujufüfjren, braucht man
nur ben ^nljalator mit cingefüllter gUüffigfcit ju ermannen.
^ig. 3.
©ie ßoften für ben Apparat fiub fo gering geftcllt, baf$
jebermann it>n fid? befd;affcn fann. ©ie ©cfunbf)eit ift bod>
unfer foftbarftes ©ut, unb am falfdjen ©nbe unb ju Unrechter
Seit fparen, f»at febott pielc befen folgen gejeitigt. ^abrifant
biefes non einem Ijcrporragenben erften Spesialiften erfunbenen
Apparates ift Sccpolb Oppen in Serlin-fjalenfee, ^auls-
bornerftrafje 91. ^crjberg.
Xie 2rf)lmtrfniflcr. — Sei ber ©ibcsleiftung ift es gebtäud;*
lieb, bie brei erften Ringer ber erhobenen rechten §aitb empor-
juftreden, bie jrnei lebten ju beugen. Söclcbe Qkbcutung bie
®d>tpurfinger bei unferen ©erfahren batten, getjt aus einem
©otutnent aus ber Seit pou 1559 f>erpor, bas einen intcreffantcn
Beitrag jur Spmbolit bes ©ibes liefert.
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250
Sflannigfaltigcs.
„23as 5urcf> Sluftedung ber Ringer, fo ©incr einen ©ib
fdjwört, bebeut mürbe. ©s ift ju metfen, ein jeglicher 2Henfch,
ber lügcn^oftig ober unwaf)rt>aftig febwört, ber f4>wört auf
fid) felbft picr gfl üd), bic bejeidmet werben burd? feine Ringer,
ber er brei aufredt, unb jroci, bic er nieberneigt. 33ou etfi
burcf» ben ©aumen, ber ber fi'trjte ift, wirb perftanben bas
gegenwärtig Sieben, bas furj unb pcrgänglid; ift. 2öcnn er
alfo ben ©aumen ciufredt, bas bebeut fo pici, als ob er fprccfu
Ob icf> nit wa{?r l?ab, fo abfürj mir ©ott mein Sieben. ©et
anber Ringer ift länger unb bebeut bas fünf tige Sieben. Unb
fo er ben aufredt, ift fo picl gcfprocf>en: Ob id) nit wahr f>ab,
fo foll mein Seel nacf> bent Sieben, in bem fünftigen Sieben,
(ein Stube finben, bis an ben jüngften Sag. ©er britte ginget
ift ber längfte unb bebeut bas ewige Sieben, bas angef>en wirb
pon bem jüngften Sag unb bleibt ofme ©nb: So er ben auf-
redt, bas ift fo piel bebeuten, als ob er fpred;: Ob id> nit waf>r
t>ab, fo werbe mein Seel unb fieiefmam an bem jüngften Sag
gefebaiben unb geteilt pon bem ewigen Sieben unb pon ber
©cfellfdjaft unb ©emeinfdjaft aller Sjeiligen unb 3luscrwäl?ltcn.
Slber bie anbetn jwei abgegangene unb geneigte Ringer be-
beuten bic in ber Sjöll finb, unb fo er bicfclbcn jwei Ringer
beugt ober abneigt, bebeut fo piel, als ob er fpreef? : Ob id> nit
wahr f>ab, fo werbe id> mit Seib unb Seel mit beucn, fo in
ber S>öll finb, cwiglicf> begraben." K. K.
GkfälfrfjtC unb fleborftte .Qroncn. — Stacböem in ber 2tad;t
pom 3. jurn 4. Oftober 1910 König SHanuel pon Portugal
aus Siiffaboit por ben Stcoolutionärcn geflogen war unb biefe
am Sage barauf bie Stepublit crllärt Ratten, war cs eine
Sjauptforge ber neuen SHachtfjaber, frfmcllftcns eine genaue
Überfielt über bie ^inanjpcrbältniffe bes Sianbcs ju gewinnen,
bie infolge ber jahrelangen 6d>ulbcnwirtfcbaft in fdjlimmftcc
SBeifc jerriittet fein mußten. ©ei ber gnpentarifierung bes
Staatseigentums würbe auch bie aus bem 17.
ftammenbe portugiefifebe Königsfrone, ein rcid> mit ©bclfteinen
befctjtes Klcinob, herangejogen unb mit einem Wert pon etwa
einer Sflillion in bas ©erjeidmis cingefetit, eine Summe, auf
bie einmal por fahren ein Sactwerftänbiger fie abgcfdmtjt h«tte.
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221annigfaltigcs.
231
3m Slptil 1911 perfud>te bann bie republifanifche Regierung
blc Krone ju ©elb ju machen. 921an lief; bähet bcn ^arlfer
guroeliet Salange nach Siffabon fommen. ©iefer ertlärte
Jcboch nach furjcr llnterfuchung, bafc bas auf eine 9Hillion
taxierte Kleinob taum einen 28ert pon 10 000 Jranten h a b c >
ba nicht einmal mehr bet «Stirnreif, gefdjmcige benn bie Steine
echt feien. ©arob grofoc ©eftürjung. 2lls bann auch anbere
Fachleute if)t Urteil bahin abgaben, bas ©olb ber Königsfrone
fei nur plattiertes Silber unb bie brillanten Simili, tonnte es
feinem Steifet unterliegen, bafj einet ber lebten §crrfd)er
Portugals, bie ja fämtlich an chronifchem ©elbmangel litten,
bie ed;te Krone peräufeert unb bafüt eine genaue Imitation
hatte tjerftellen laffett. ©iefe unechte portugiefifd;e Krone lagert
noch fieute in bcn ©emölbcn ber Siffaboner banca Kepublicana.
Sin Käufer für fic bat fich bisher nicht gefunben.
bietet bie ©efefnehte Portugals ein beifpiel bafür, bafj
aud> gefrönte §äupter in bebrängter Sage ihre guflucfjt ju
nid;t ganj fauberen ©efdjäften nehmen, }o fann man roicbct
oort einem englifdjen König bcridjten, ber fich eine Krone ju
feiner feierlichen Krönung regelrecht leihen mufjte. ©er nach-
malige König ©corg IV. mar als ^3rinj ein feht pcrfd>mcnbc-
rifcher Sebcmann. £roh feiner h^h«» Sinfünfte häufte fi<h
feine Schulbenlaft pon 3 a h c ä u mc ^ c an. 3 n einem
ber pornchmftcn Sonboner Klubs pcrlor er am Spieltifch in
einer 91acf)t allein 50 000 ^funb Sterling. 2lls er 1820 jur
Regierung tarn, borgte ihm niemanb mehr einen Schilling,
©rot^bem beftellte er ju feiner Krönung bei bern gumeliet
91unbell in Sonbon eine Krone, bie fieben ^3funb roog unb
faft 3 9Hillioncu 92larf foftete. Sie beftanb aus reinem ©olbe
unb mar bicht mit Sbelftcinen befetjt. 1821 mar biefes ^prunf-
ftüd fertig, unb nunmehr mürbe ber ©ag ber Krönung feft-
gefe^t. Slber ber porfichtige gumclicr mollte bas Kleinob nicht
ohne Söejahlung hergeben. 91ach längeren ©erhanblungen
mürbe bann, ba ©eorg IV. bie nötige Summe nirgenbs auf-
treiben tonnte, ein fd>riftlicher ©ertrag gefchloffen, nach bem
91unbcll bem König bie Krone für bcn ©ag ber Krönung
gegen eine £eibgebüf>c pon 200 000 921arf überlaffen mollte.
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232 221annigfaltiges.
□
So fam cs, baf; bet Vorgänger her Königin 23iftoria mit
einer geborgten Krone gefrönt tourbc. ©iefe tourbe tatfäcfjlid?
gleich nad> bem feierlichen 2lft oon 2lngeftellten bes gutoeliers
toie&er abgeholt.
Sehr balb brang bas ©erücht oon biefem merftoürbigen
fieihgefefräft in bie Öffcntlict>fcit. S>ocf> niemanb bad)te batan,
9tunbell locgcn biefer 23orjid;tsma^rcgcln, unter benen er feine
foftbare 28are Vorgegeben t>atte, ju oerurteiien. ©aju finb
bie ©nglänber oiel ju febr ©efchäftsleute. 2Jlart toollte fid>
ober trotjbem nicht oor bem 2luslanb noch mehr blamieren
unb cröffnete bähet eine allgemeine Sammlung, angeblich ju
bem bem König aus Slnlafe feiner Krönung ein hohes
©elbgcfd>euf ju machen. Ss tarnen auch toirflich in einem
halben gahrc nicht toeniger als 4 Millionen 2Harf jufammen.
©as Komitee, bas bie Sammlung eingcleitet batte, bcjablte
baoon junäcbft bie Krone unb tiberioies ben 9left bent §errfcf>er.
Stiemanb ioar frof>er als 9tunbcll, benn bafj er olmc biefe
nationale Sjilfe nod) jahrelang auf fein ©clb t>ätte toarten
formen, toufjtc er nur ju genau.
gm gabre 1831 tourbc bie Krone bann für bie Krönung
ber Königin 23iftoria oollftänbig umgearbeitet, ba biefe fid>
toeigerte, ben fiebert ^Pfunb fd)toeren ijerrfcherfcfmtucf ju tragen,
grt biefer neuen ©eftalt bef inbet fidr bas benftoürbige Kleinob
nod; t>cutc im englifdren Kronfdtatj im ©otocr. 23. K.
«onberbare (Sier. — ©ie ant l;äuf igften oorfomtttenbe 21bfoit-
bcrlicf)fcit ijt ber hoppelte ©otter; toeit feltener fchon finb bie
©ier mit brei ©ottern. Olad; ©aoainc voerben in ben „fallen“
ju ^aris, in benen jährlich über 140 2Hillionen ©ier oerfauft
toerben, nicht mehr als fünf ober Jochs ber leiteten 2lrt gefunbert,
alfo etioa auf 23 OHillionen ein cinjiges ©i mit breifachem
©otter. ©ier mit ©oppclbotter jcifrlt man auf biefelbc ©efamt-
jal;l 200 bis 300; befonbers häufig toill man fic in ben Sen-
buttgen aus ber 2tormanbie beobachtet haben. 2Kcift follen
fic oon ijühnern gelegt toerben, bie ber 35rahmaputraraffe
angehören.
§ie unb ba finbert fiel? auch grembförper mit in einem Si
cingefchloffcit. So faub ber berühmte 2lrcf>itett ^errault, ber
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O Mannigfaltiges. 233
ju gleicher 3eit ein gefcfjidtec 2lrjt uni) 91aturforf4>er mar,
einmal eine Stednabel unb ein anbeces Mal einen Meinen
Stein in einem Gi cingcfd>loffcn.
Gier ofme ©otter fommen auch por, ja fie finb nicht ein-
mal fo feiten, als man geroohnlich annimmt; fie finb alle fcfjt
Hein unb öfters fogar ot>nc Schale, alfo nur in bie Siljaut
eingejjüllt. gn Italien galt ein foldjcs Gi jur 3 c 't 2rabriccs
pon Slquapcnbcntc als bas tmnbertfte unb bas letzte, ba3
ein §ul)n legt, beooc es mit bem Segen aufhört; bal>er auef)
bcc Ttame Ovum centesimum, bas hunbertfte Gi. 3« anberen
Seiten betrachtete bcc Stbcrglaube folcfjc Gier als hatmeneier;
biefe (entere tiberjeugung ift nicht allein fcljr alt, fonbern aud)
heute fef>r perbreitet. ©as ©orfommen pon Giern ofme
Schale ift aber meiftens nur auf eine perfekte Gtnährung bes
hufmes jutüdjuführen.
Giite mertmürbige, jicmlic^ fcltenc Tlnomalie ift ber Gin-
fd;lu^ eines pollfommen ausgebilbetcn Gies ober eines fold)en
ofme ©ottcr in ein jmeites. Gin berartiges Gi bcfdjreibt
%. hennegup in „Sa ©aturc". Gs ftammte pon einer brei-
jährigen henne, bie bereits öfter Gier mit 3 tpci ©ottern gelegt
hatte. Gs mar pon ganj normaler gmrm unb tpog 204 Gramm;
feine Sängsachfc ma^ 90 Millimeter, feine Qucrachfc 58 Milli-
meter. Mifjcr einem normalen ©ottcr unb Gimeig beherbergte
biefe Sd>ale nod; ein pollftänbiges Gi pon 65 Millimeter Sänge
unb 45 Millimeter ©reite. Über ein ähnliches ©orJonunnis
bei einem Gänfeei berichtete Otapcr, unb Supino beobachtete
1897 ein Meineres, nur 72 Millimeter langes hühnerci, bas
ein 3 ipeitcs Gi pon 56 Millimeter Sänge enthielt.
' Gin mcitercs Gierfuriofum. Man faitb oor 18 gabren
jmei S^übncceiec mit bem geringen Gemicht pon 17 Gramm,
©ei ber Öffnung jeigte fich, bafj bas Gimeig mit einem STcilc
bes ©otters eine halbmonbförmige Schalenbilbung eingegangen
mar, bie, ber äußeren Schale oollftänbig ähnlich, einen gelblich
glänjenben ©ruef? jeigte. ©er 9teft bes Gibottcrs bilbete eine
fräftig fonfiftente Maffe, pon häuten umfcbloffen, bie in ber
Spitze bes Gies lagerte unb bie ©eranlaffung mar, baf; bas Gi
auf feiner Spitje ftchcit fonnte. G. G.
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234
Mannigfaltiges.
Sie bie fJJtorottauerin ifften 9Jlaun feffclt. — Sin eigen-
artiges Siebcselipit perrät ein focben aus Maroffo jurücf-
gcfehrtcr franjofifctjer Offijier. „®as Mittel," fo erflärt ber
Offijier, „foll unfehlbar fein, aber ob es aucf> außerhalb 2lfrifas
feine 3cmbcrfraft bcmährt, fann icf> natürlich nicht porausfagen."
©ic Maroffancrin, bie il>res Mannes Siebe rpiebererobertt
möchte, bebicnt fiel? folgenbet Metlmbc: 3unäcf>ft jieht fie in
geraber Sinic einen Streifen reinen §onig pon ber Mitte
ihrer Stirn bis jum Kinn unb fängt ben langfam herabtropfen-
ben §onig in einem großen Söffet auf. ©amt muß fie bie
Spißc ihrer 3unge mit einem f^eigcnblattc reiben, bis fie
blutet, unb ficbcit Saljförner in biefem ©lute auflöfen. ©iefc
Mifd;ung fommt in ben Söffet mit bem §onig, jufammen mit
ipeiteren fieben Saljförneru, bie bie ©ante einen Gag unb eine
2tad)t lang jmifeben ben Kugenbraticn getragen t>at. ©as
Gli,rir a>irb bann noch burd) fo oicl Gebe ergänzt, als man
etroa auf brei gmnfjigcentimeftücfe Käufen tann. ©ie Grbe
aber muß oon ber Stelle ftammen, bie oorf>er pon bem nadten
gmß ber ^rau berührt mürbe. Menn bann ber ettoas leidit-
fertige £err ©emahl biefe Mifchung genoffen f>at — ipic man
ihn ba ju bemegt, ift Sacf>c roeib lieber Grfinbungsgabc — bann ift
er fortan unfehlbar treu unb perjehrt fid? in Siebe. O. p. 25.
'.MlttomobilvcijOnngcn. — Ginen großen, mirflid; bequemen
Keifemagen ju bauen, mar bisher eine ungelöfte 2lufgabc ge-
blieben. ©ie lltfachc aller Mißerfolge mar bie, baß lange
Karoffcrien auf pierräberigen Unterrahmen ben Serbrehungen,
melctje bie Unebenheiten ber ^ahrftraßc heroorbringen, auf bie
©auet nicht miberftehen fönnen. ©er tuet im Silbe mieber-
gegebene Keifcu’agcn ift nach bem ^rinjip ber ©raftorjüge
gebaut, ©iefe haben einmal ben Sorte il, baß feine Setbtehung
auf bie Katofferie übertragen merben fann, ferner fann bet
Anhänger in furjer 3 e 't an- unb abgefuppclt merben. Mic
bie Grfahrung jeigt, nimmt bas mächtige ^ahrjeug mit Seichtig-
feit ganj furje Siegungen, auch fährt biefet Magen infolge
feiner großen Gigentnaffe außerorbcntlich fanft.
©er §auptoorteil liegt jeborf> in bem großen Kaum, ben er
jtit Serfügung ftcllt unb beffen Ginrichtung mir uns ctmas
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□
2 Hannigfaltiges.
235
näher anfehen
roollen. Stuf
einet jufam-
menflapp-
baren kreppe
gelangt man
burcf> eine £ür
am Hinteren
©nbe in ben
9teifen>agen,
©iefer ift in
3 t»ei Abteile
getrennt, gu-
eeft fommt man
iitbicals Küche
unb Xoiletten-
jimmet ein-
gerichtete 2 lb-
teilung, in ber
mit hcn>ot-
ragenbem ©c-
fd)icf 6 d>rän!e
unb Truhen
angebracht
finb. ©s ge-
nügt ein §aitb-
griff, um bie
Spülftelle in
einen ©oilet-
tentifeh mit
Spiegel 311
pcrmanbeln.
©egenüber
fehen mit einen
Sdjranf mit
aufflappbarem
bedt. ©iefer
©ifd;, ber bas 35ctt bes ©hauffeurs t>cr-
9taum rnirb burch srnei ht>h c > pdöI« Suten unb
aogle
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Slutomobilreifeiuagen mit ©raftor »erbunben, fertig 3 m Slbfahrt.
236
Stannigfaltiges.
burd? bas F en ftcr an bet Sintrittstür erleuchtet. 333ir gelangen
nun bureb eine Xür in ben porberen Kaum, beffen u?eite Spiegel-
fenfter nach allen Seiten einen unumfdjräntten Kusblid ge-
wagten. ©er Keiz ber Slusficbt wirb noch oermchrt burd? bie
erhöhte freie Sage. Kings an ben ^enftern läuft eine tiefe,
bequeme, cinlabenb gcpolftcrtc Kuhcbanf. Sei eintretenber
©unfclheit werben feibenc Sorhängc zugezogen, unb cleftrifd>es
Siebt burdjflutct ben Kaum. Kls clettrifdjc 3 cn trale bient
hierzu bie benjin-cleltrifd>e Ktotorgruppe bes Xraftors. 3u><ü
finnr eiche Serfchlägc laffen fid> bann in ber Klitte ber 93ohn-
ftubc auftlappen. Sjft* inneres bilbet jwei geräumige Rleiber-
fehränfe, währenb fic felbft ben Kaum in jwei Schlafzimmer
perwanbeln. ©ic Sänfe perwanbeln fiel) in Setten, fo bafj ber
Keifewagen im ganzen fünf Scblafgäfte beherbergen fann.
Klan fann fid? faum ein bequemeres unb angenehmeres Fahr-
zeug porftellcn. SSährcitb ber Anhänger irgenbwo auf f>o{Kr
SSarte ober in einem ibpllifchen 23albe ein furzes S?eim auf-
fd?lägt, fann ber abgefuppelte Xraftor ihn perlaffen, um in
rafchem guge bie Sanbfchaft auszufunbfehaften ober Sropiant
Zu holen. ©benfo rafch fann bas Foh r J cu S tpieber aufbrechen,
um in geräufchlos flüchtigem 3ugc ©ebirg unb Xal zu burd;cilcn.
©rrnäbnt fei, bafz bas Fahrzeug infolge feiner ßonftruttion
außer feiner jetzigen Knwenbung als Keifewagen aud? porzüg-
lid'C ©ienfte als ©cneralftabs- unb als Stmbulanzwagen leiften
fann. 3Rit einer etwas geänberten ßarofferie wirb es auch
für Felbfüchen unb Fdbbäcfereicn perwenbbar fein. S). S>-
,,«ic ftovh am gebrurfjcncn ipcrjen," hiefe es por einiger
Seit wicber einmal in ben Xagesblättern bei ber Sejchreibung
einer „Xragöbic“, bie ihren Slnfang nahm mit bem Kbftürzeu
eines jungen Statutes in ben Klpen, unb bie ihren traurigen
Slbfchluf} fanb in bem plötzlichen Xobe feiner Sraut, als fii
ben Sturz ihres Serlobten erfuhr.
©a taud)te benn auch wieber überall bie F™ge auf: 3ft cs
überhaupt möglich, bafz jemanb am „gebrochenen Sterzen“ fterben
fann, ober ift bics nur eine Shrofr phontaficpoller Keporter?
Siele pcrneincn biefe Ktöglichfeit pollftänbig, aber auch bie
meifteu pon beiten, bie fic zugeben, wijfen feine Scgrünöung
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22tannigfaltiges.
257
bafüt unb behaupten, baß aueß bie 2irjte feine geben formten,
©as ift jeboeß, tpic u>ic gleicß feßen roerben, nkßt richtig.
2lllc plößlicßen heftigen ©cmütsaffefte üben auf bie gcUcn
unfere& §irns ftarfc 2t ei je aus äbnlid? mie ein eleftrifcßer
6trom. ©as gentralncrpcnfpftcm leitet bann bie 2tcije
weiter auf bie ©lutgefäßc urtb bas §crj. ©abuteß tritt häufig
ein frampfßaftcs gufammenjießen , eine Verengerung ber
©lutgefäßc ein. 28ir feßen bics beutlicß an bem ©laßtperbctr
bes ©efießtes bei ©eßreef unb 2lngft. 2Ulcs ©lut feßeint bann
aus ben perengerten äußeren 2lbern pcrfdjnpunben ju fein,
unb „freibetoeiß" fteßt ber llnglücflicße ba. grt anberen gällen
tpieberum roirft ber 2teij berartig, baß bie ©lutgefäßc ber
inneren Organe perengert tperben, unb bas ©lut bringt in
übermäßiger grille in bie äußeren fießtbaren 2lbern. ©aßer
bas 2tottperben por greube unb @cßatn. 23ie feßr bie ganje
©lutjirfulation pon folcßen ©emütserregungen beeinflußt wirb,
erfennen mir aucß baran, baß im erften gatle §erj unb ©uls
faft füßllos feßwaeß geßen, wesßalb man pom „Stocfen bes
^crjfcßlagcs“ fprießt, unb baß im leßteren galle alle ©uls-
abern ungeftütn feßlagen, a>as ber ©ießter mit „fliegen ber
©ulfe", mit „§ößerfd>lagen bes §crjcns" ausbrüdt.
gm allgemeinen tperben fol<ße plößlicßen übermäßigen
2tcijc balb wieber ausgeglichen; nur bei franfßaft peranlagten
^erjen fönnen fie feßlimme golgctt, ja fogar ben $ob naeß ficb
jießen. Ss tritt bann rneift ein tncßr ober tpetiiger plößließer
Stillftanb bes §erjcns, eine §erjläßmung ein. öolcße feßon
porßanbenen fogenannten „^erjfeßler“ fönnen befteßen in
franfßaften ©etänberungen ber ^erjwättbe ober $crjflappen,
ober ber bas Sjeq mit ©lut perforgenben 2lrtcricn. Stritt bann
bei folcßen ©crfoneit eine ©clcgenßeitsurfacße in ©eftalt eines
intenfipen 9teijes, jutnVeifpicl einer ßef tigert ©emütsbemegung,
2lufrcguttg, (Scßrccf, greube, ein, fo perfagt gatrj plößließ bie
©ätigfeit bes §erjcns.
2lucß fattn ehr feßon länger feßmer erfranftes S)cr3 bei plöß-
licßcr übermäßiger ©luttrallung tatfäcßlich „berften“. ©ott
einem alten ©ßepaar ftarb ber ©tarnt am Vormittag an einer
Sungeuentjünbung, bie grau aber aus feßtperem ©ram über
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Mannigfaltiges.
238
□
bcn Sterluft ihres ©atten am Stachmittag bcsfclben ©ages.
SJrofeffor ©. §offmann in Mien nahm bie Seftion bet beibcn
£eid>en por unb fanb bei bcr Jrau als Sobcsurfache bie Scrftung
bes ^etäens.
33on bcn Angehörigen roirb nur feiten bie Seition gcftattct,
fonjt mürben piel mehr berartige Jälle erfannt unb belannt
rnerben. ©s fittb eben bie 25ejiehungen 3 tt»ifcf)cn unferem
Kerpen- unb ©cfäfefpftem fo innig, bafe bas §erj unb ber
ganje SMutfrcislauf fi<h an allen Aufregungen, an unferem
Seibe unb an unferer ^reube lebhaft beteiligen. $>af>et ift
es auch feine leere ‘•pinafe, rpenn man pom fliegen ber ^ulfc
unb £öherfd>lagcn bes ^erjens bei freubigen unb erfcebenben
Anläffcn, pom Stodcn bes S^erjfchlages bei Schrecf unb Angft
fpriebt. ga, cs liegt fogar ein guter Kern Mattheit barin,
u>ctm ber ©id)ter feine ^Perfonen im Übermaße bes Scbmcrjes
jufammenfturjen läßt am „gebrochenen §crjen". Dr. Jtu
®eid)äft§grunbfflt5C bcö 9JUttelaltcr$. — Marcneinfauf
unb Kunbenbchanblung finb auch h cu * c noch wichtige Jaltoren
bcr ©cfd>äftsführung, unb toelcher Mcrt fchon pon bcn Kauf-
leuten bes alten Nürnberg auf biefe fünfte gelegt mürbe,
geht aus bcn nachftehcnbcn Kaufmannsregeln herpor.
Stad) einigen £intpcifcn auf ©ott unb teblichen £cbcns-
toanbel helfet cs: „§altc beine Maten fein fauber, orbentlich
unb muftcrlich, bas macht Käufer unb 33crfäufcr luftig.
Steige bich nicht jornig, unluftig, noch als wäreft bu mit
heimlichen Sachen bclabcn, benn folcfjcs macht bie Käufer fd;eu.
gäragc piel, glaub aber nicht alles, was bu höreft; pertraue
nicht einem jeben, fo haft bu befto weniger ju perantmorten.
SMetct man bir ein billiges unb riiefet ju beinern pot-
habenben 3*cl, f° brüefe halb ab, che bicfj's reuet.
Keinem aber gib bein äufeerftes Mort, bis er nicht juoor felbft
baju riieft. 93ebcnfc, bafe ihrer piele beine Maren auch hoben
unb milber im ^ingeben fein möchten als bu, berfelbctt Kopfe
mußt bu bich auch annehmen, toillft bu anbers nicht fteefen bleiben.
Verlieren jut rechten Seit ift aud) eine Kunft.
S)aft bu aber eine Marc allein, fo geniefo bcrfelben, hoch
mach's brübcrlich.
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D SHatmigfaltiges. 239
©eine alten unb guten J?unben perlafj nicht gern unt> brücfc
fie nicht ju f>art, benn es tut ihnen mchet als einem gremben.
Sieben eine mürbige SSare fetje eine unmürbige, nimm
pon jeber einen leiblichen ©eminn, bas ift bir nü^er unb löb-
licher, als menn bu eine ju tyod) fpanneft.
3n ben SMärften unb SIteffen gilt es nicht lange befinnen;
mas einmal perfäumt, tpirb nicht tpieber gebracht, ©enn es
ift beffer, mit Steu pertauft, als mit Steu behalten.
«Schreibe ein, ehe bu ausgibft, unb nimm ein, che bu auf-
fchrcibcft, unb pergeffe nichts.
Scge bich teine Stacht niebet jur Stuhe, bu fwbeft benn bie
§anblung besfclbcn ©ags in bie Bücher gebracht. Söas bu
einfchrcibft, fei lauter, pcrftänbig unb richtig eingetragen.
8al?l feinen SSechfcl ppr ber Seit, bamit bu ihn nicht noch
einmal jahlcn mußt.“ t?. J?.
*8om ßrjh ei 'ä°9 9iaincr. — SSährenb eines SItanöpers
mürbe ber Stab bes Oberfommanbierenbcn , bcs für jlid>
perftorbenen ©rjlKtjogs Stainer, pon einem mächtigen ©e-
mitter iiberrafcht, bas fein ©nbe ju nehmen fchien. SItan
bcfcblofe beshalb, in ber nächften Ortfd;aft ju übernachten,
©er SSirt bes einjigen ©afthofs mürbe beauftragt, bie 8 immer
inftanb ju fc^en, toorauf ber SrjfwjaS famt ©cfolgc fich jur
Stuhe begab.
Slnt nächften SKorgcn, che bie fetten mieber in ben Sattel
fliegen, ftellte fich ber SSirt beim ©rshcrjog mit ber 33itte por:
„SSürben ßaifcrlichc Roheit geftatten, baf} ich jurn Slnbcnfen
an ben h<>h en ©efuch meinen ©afthof ,8um Srjherjog Stainer'
nenne?"
„ga — aber unter einer Skbingung!“ meinte ber Srjherjog
lächelnb.
„ltnb bie märe?“ fragte ber beglüefte Söirt mit einem tiefen
SMidling.
„©afc Sie ghrett ©afthof junächft , reiner' machen." Sl. S.
2ßa£ ben grauen öcrfacit ift. — gm Stammbuch ber im
Slnfang bcs porigen gahrhunberts geftorbenen ^erjogin ©lifa-
bett) pon finbet fich folgenbes ©ebid;t, bas piclleid;t aud;
heute nod; bie SSahrfxit fagt:
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240
9ftannigfaltigcs.
2lls pon feinem ©trahlenthrone
©einem armen grbenfoi>nc
©ott bas 93eib }ur ©eite gab,
Oafe es aus bem ©arten ©ben
9Hit fid> nähme 23lumenfäben,
ghn ju leiten bis ans ©rab,
©ab er ihr ben reichten ©egen
9Hit auf ihren ©tbenwegen,
©tattet fie mit ©abcn aus,
Oaf} fie fei bes fiebens 2Mume,
©nabenbilb im ^eiligtume,
©ngel in bem ©rbent)aus;
Hub ben grauen er perlieh:
Körperfpmmetrie,
©eelenharmonie,
§crjensfpmpati)ie,
©timmenmelobie,
Sebcnspoefie,
gebe 2lrt 92iagie,
9lur nicht — Orthographie! ©. £.
$ie töniglidje Jtiitf). — König 33ittor ©manucl II., ber
Sinigcr gtaliens, roar im höd)ften ©rabe freigebig. Kein
SSunbet baher, baf} er oft in unerhörter SZkife ausgebeutet
tourbe unb ftets in ©elbpcrlegcnheitcn ftecttc.
Oie ftetige 33ebrängnis ber töniglicf>en ©chatulle gab einft
bem ginanjminifter ©cUa ben 9Hut, bem König crnftlicf>c
23orftellungen über feine 93crfchtpenbung ju machen, unb im
©ifer ber 9tebe lief} er ficf> ju bet 3iuf}crung hinreifjen: „Suec
9ftajeftät gleichen wirtlich einer Kuh, i>on allen gemolten
wirb."
93iltor Smanuel erjählte fpäter oft in intimen Kreifen pott
bicfer ©trafprcbigt unb pflegte lachenb hinjujufügen: „98cnn
er mich wcnigftens noch onbers genannt hätte! 2lber nein,
wahrhaftig — eine Kuh •“ %• 8-
$erau8gege6eu unter ueinutiuovttirfjer tKebaftton non
Stjeubov greuub itt Stuttgart,
tu Cfterveid)»Ungnni »eraittimnilidj Dr. Srn ft Wertes in 38ien.
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Entmithlung und Befestigung der Büste
durdi unseren unübertroffenen BUstenentmldüart
Schon immer war es der höchste Wunsch einer jeden Dame, eine schöne, volle
Büste zu besitzen. Nun ist gerade in dieser Hinsicht die größte Mehrzahl uuserer
Damen stiefmütterlich bedacht worden, so daß dieses Manko weidlich von ge-
wissen Leuten ausgenutzt wird, um Salben, Pil-
len und Tränklein zu hon enden Preisen an den
Mann zu bringen; leider helfen diese Sachen nur
immer dem Verkäufer, niemals aber der Käuferin.
Wir behaupten hiermit, daß jeder Creme voll-
ständig wertlos ist. Warum? Weil nur die Mas-
sage, welche selbstverständlich bei jeder Ein-
reibung ansgeübt werden muß. von Wert ist.
Diese Massage können Sie auch mit Vaseliue
usw. ausüben, aber bedeutend billiger.
Unser Büstenentwickler „Thilossia“, gesetz-
lich geschützt, ist nun ein Produkt jahrelanger
Forschung der bedeutendsten Professoren, so
daß selbst jeder Laie sofort davon überzeugt
wird, daß mit einem Thilossia-Apparat ein wirk-
licher Nutzen, also Vergrößerung und Befestigung
der Büste erreicht werden muß. Unser Thilossia-
Apparat saugt täglich mehrmals frisches Blut
in die Brüste, dieselben werden voll, straff und
üppig, magere Arme und Schulterknochen verschwunden, kurz, ein nie geahnter
Erfolg tritt ein. Wir haben bisher viele Tausende verkauft und sind die jüngsten
Mädchen wie ältere Damen gleich entzückt und befriedigt, wie die zahllosen An-
erkennungen bezeugen. Bei Nichterfolg Geld zurück laut Garantieschein. Preis des
kompletten Apparates inklusive Massagecreme in Verpackung nur 7,50 M„ Porto
extra. Unser Verfahren ist das Billigste, weil der Apparat nur einmal angeschafft
wird und immer gebrauchsfertig ist, von jeder Dame ohne Hilfe anzuwenden. Be-
vor Sie Ihr Geld für nutzlose Quacksalbereien ausgeben, machen Sie mit unserem
Apparat einen Versuch. Bei Bestellung Körpefumfang unter'' den Armen rings-
herum um den Brustkorb angeben. Dr. G. Weisbrod & Comp., Waidmannslust
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